Rede von
Dr.
Kurt Georg
Kiesinger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Wir hätten gewünscht, daß die Aussprache nicht diesen Gang genommen hätte.
Wir dürfen in dieser Sache nichts vorwegnehmen.
— Ich komme darauf zu sprechen. — Es ist ganz klar, daß wir empört sind, wenn wir in der Zeitung Äußerungen eines Mitgliedes dieses Hauses lesen, die, wenn sie der Wahrheit entsprechen sollten, in der Tat ungeheuerlich wären, und es ist
ebenso verständlich, daß man in der ersten Erregung zu voreiligem Schlüssen kommen könnte.
Wenn der Geschäftsordnungsausschuß sich in diesem Fall für eine Befürwortung der Aufhebung der Immunität aussprach, dann hat er dies nicht ohne große Bedenken getan. Wir haben erst Gelegenheit, zu den angeblichen Äußerungen dieses Mitglieds des Hohen Hauses Stellung zu nehmen, wenn sich herausgestellt hat, ob sie wahr sind. An sich muß gefordert werden, daß, wenn ein Beschluß über die Aufhebung der Immunität gefaßt wird, in der Tat eine genügende Grundlage vorhanden ist.
Diese Grundlage schien uns in diesem Fall allerdings vorhanden zu sein, und zwar nicht nur deswegen, weil wir etwa aus Pressemeldungen entnommen hätten, was angeblich Herr Hedler geäußert hat, sondern weil sich ja eine ganze Reihe von Zeugen gemeldet hat. Man kann die Bestimmung unseres Grundgesetzes, daß ein Strafverfahren gegen einen Abgeordneten nur mit Genehmigung des Hauses eingeleitet werden kann, strenger und weniger streng auslegen. In diesem Fall hat auch die große Pause, die jetzt vor uns liegt, und der Umstand eine Rolle gespielt, daß die Angelegenheit keinen Aufschub verträgt.
Im übrigen muß ich feststellen, daß ein ganz zureichendes Material in einem solchen Fall als Grundlage ja gar nicht zu erlangen ist, und zwar deswegen, weil ja in der Tat die Einleitung eines Strafverfahrens, das heißt schon ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft eben durch die Schutzbestimmung der Immunität verboten ist. Was wir also haben könnten, wäre nur das, was irgendwo bei einer Behörde als Anzeige eingegangen ist. Wir dürfen annehmen, daß die schleswigholsteinische Regierung nun in der Tat auf Grund einer solchen Anzeige ihren Antrag gestellt hat. Aus diesem Grunde haben wir uns in diesem Fall dazu entschlossen, für die Aufhebung der Immunität zu plädieren, was — ich betone es noch einmal —, wie Herr Gengler schon gesagt hat, keinerlei Vorwegnahme irgendeiner Stellungnahme zu der angeblichen Äußerung des Herrn Hedler bedeutet.