Der Bundestag hat die von mir zitierten Anträge der CDU/CSU und der KPD auf Schaffung eines Überbrückungsgesetzes einstimmig gebilligt. Bei der Aussprache darüber wurde von mir gesagt, daß die Schaffung eines neuen einheitlichen Gesetzes Monate in Anspruch nehmen werde. Heute haben wir gehört, daß der verantwortliche Spitzenfunktionär einer Kriegsopferorganisation den Bundestag ersucht, den Gedanken eines Überbrückungsgesetzes fallenzulassen und gleich auf das große einheitliche, zentrale Versorgungsgesetz hinzusteuern. In den Ländern, in denen hauptsächlich die Organisation fundiert ist, deren Hauptverantwortlicher heute in der Person des Herrn Kollegen Bazille gesprochen hat, haben noch am letzten Sonntag Protestkundgebungen der Kriegsopfer stattgefunden, in denen Sprecher dieser Organisation mit begeisterter Zustimmung der Teilnehmer verlangt haben, daß das Überbrückungsgesetz noch vor Weihnachten, wie es von der Regierung zugesagt worden ist, verabschiedet wird. Einer der Herren Sozialdemokraten hat vor einiger Zeit einmal angedeutet, daß er in mir eine gewisse Zwiespältigkeit entdeckt hat. Er hat von einem psychologischen, unerklärlichen Wunder gesprochen.
Mir scheint der Gesinnungswechsel, der heute hier zutage getreten ist, mehr zu sein als ein psychologisches Wunder,
nämlich eine deutliche Annäherung der SPD an die tatsächliche Politik der Herrschenden, also der Koalitionsparteien.
Nun zu dem Sprecher der CDU! Haben Sie es sich nicht ein bißchen billig gemacht? Was haben die Kriegsopfer in Westdeutschland, die Ihrer eigenen Meinung nach Hungerrenten beziehen, davon, wenn Sie darauf verweisen, daß die Kriegsopfer in der Ostzone auch Hungerrenten beziehen?
Nichts haben sie davon! — Ich würde sofort aufhören zu reden, wenn Sie unserem Antrag zustimmen würden, die dreizehnte Monatsrente Ende des
Monats Dezember auszuzahlen. Ich schließe ab: ich
wäre höchst zufrieden; aber die Gefahr laufe ich
nicht. Mein lieber Herr Sprecher der CDU, ich habe
Ihnen zugerufen, daß Sie von der Versorgungsgesetzgebung in der Ostzone keine Ahnung haben.
Wenn Sie nämlich eine Ahnung hätten, dann wären
solche Feststellungen aus Ihrem Munde unmöglich.
— Frau Schroeder, Sie als Berliner Vertreterin wagen hier zu sagen, daß es da überhaupt keine Rentenbezüge gibt?
Das ist das Höchste, was ich bisher aus dem Munde eines sogenannten Berliner Vertreters an irreführender Darstellung gehört habe, um mich einer Dame gegenüber ganz vornehm auszudrücken.
Das ist das Maximum.
Aber zurück zu der Frage: Was haben wir im Westen davon, wenn Sie fälschlich und irrtümlich und bewußt falsch auf die angebliche Notlage der Kriegsopfer im Osten hinweisen. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Hic Rhodus, hic salta! Unsere
Kriegsbeschädigten demonstrieren, weil sie Hunger haben, sie warten auf Ihre Einlösung der gegebenen Zusage. So liegen die Dinge.
Um nun das Bild abzurunden, eine letzte Feststellung. Warum haben denn alle Parteivertreter am 13. Dezember im Ausschuß so bittere Krokodilstränen, sage ich jetzt, geweint? Protokoll, nicht meine eigene Darstellung:
In der Diskussion wurde von allen Rednern der Verlauf der Vorarbeiten für die gesetzliche Übergangsregelung stark bedauert und die Auswirkungen der Verzögerung auf die Öffentlichkeit, insbesondere bei den beteiligten Kriegsopfern. Die unverantwortlichen Pressemeldungen und Erklärungen im Rundfunk wurden sehr stark kritisiert. Übereinstimmend war der Ausschuß der Auffassung, daß unter allen Umständen eine Erklärung in dieser Frage im Bundesparlament erfolgen müsse und auch eine feste Zusage des Ministers über den Termin, an dem nun endgültig die Verabschiedung des Gesetzes erfolgen werde.
Was haben wir gehört? Haben wir einen Termin gesagt bekommen? Haben wir, was den Inhalt angeht, etwas Konkretes vom Vertreter des Arbeitsministeriums gehört? Nichts haben wir gehört als inhaltlose Phrasen, und ich schließe mit der Feststellung, daß man sich in Zukunft abgewöhnen möge, — —