Rede von
Margot
Kalinke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Herren und Damen! Ich habe es vor gar nicht langer Zeit für notwendig erachtet, von dieser Stelle zu sagen, daß ich es sehr bedauerlich finde, daß wir hier immer wieder Debatten um das Anliegen der großen sozialen Massennot führen müssen. Über die Notwendigkeit der Lösung dieser Frage sind wir uns im Ausschuß immer alle einig; die Debatten hier im Plenum führen aber immer dazu, daß wir gezwungen werden, zu einem Problem Stellung zu nehmen, das durch demagogische Reden schwierig und kompliziert und geradezu unehrlich gemacht wird.
Herr Kollege Bazille hat, glaube ich, den Kriegsbeschädigten den größten Dienst geleistet, indem er so sachlich und so real wie nur möglich die Dinge gesehen hat, wie sie staatsrechtlich und sozialpolitisch eben nur zu sehen und zu lösen sind.
Es kann aber trotzdem nicht unausgesprochen bleiben, was leider — ich hätte mich sonst nicht zum Wort gemeldet — von meinen Kollegen nach meiner Auffassung versäumt worden ist. Herr Kollege Renner hat so große Reden gehalten und meint, die Kriegsbeschädigten seien so dumm, daß sie darauf hörten, wenn ihnen demagogische Versprechungen gemacht oder wenn sie aufgehetzt werden. Ich glaube, sie sind nicht so dumm, daß sie sich von demagogischen Reden etwas versprechen, da die meisten von ihnen gerade durch die Ursache ihrer Kriegsbeschädigung, nämlich den letzten fürchterlichen Krieg, einen Anschauungsunterricht durch das Beispiel des Ostens bekommen haben, so daß diese Reden nicht mehr verfangen dürften;
— sie halten deshalb von Ihren Reden so wenig, weil die meisten unserer Kriegsbeschädigten ihre Beschädigung und ihre schweren gesundheitlichen Schäden dem Aufenthalt in dem Paradies verdanken, daß Sie immer verteidigen.
Ganz sachlich möchte ich Ihnen noch sagen, Herr Renner: Sie sprachen hier vom Beispiel Berlin. Meine Kollegin, Frau Schroeder, wird Ihnen vielleicht sagen können, welche Summen West-Berlin für die Kriegsbeschädigten ausgeben muß. Sie wird Ihnen das Material gern zur Verfügung stellen. wenn Sie es nicht besitzen sollten. Daß Berlin noch kein Kriegsbeschädigtengesetz hat, daß es nämlich die Tatsache der Kriegsbeschädigung noch nicht feststellen durfte, beruht, wenn ich richtig orientiert bin, auf einem Erlaß, der nicht von der westdeutschen Regierung gemacht worden ist.