Meine Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär Sauerborn hat seine Ausführungen mit der Feststellung begonnen, daß im Gebiet der Republik sieben verschiedene Versorgungsgesetze in Kraft sind. Das ist nichts Neues. Er hat gesagt, daß seit dem Zeitpunkt, an dem seinerzeit der Wirtschaftsrat die zwanzigprozentige Erhöhung der Rentenbezüge beschlossen hatte, die an dem Veto der Herren Militärgouverneure gescheitert ist, eine weitere Verschlechterung der Finanzlage der Länder eingetreten sei. Das ist auch nichts Neues. Aber ich erlaube mir bei dieser Feststellung einen kleinen Seitenhieb. Diese Verschlechterung der Finanzlage der Länder hat die Länder und die in den Ländern herrschenden Parteien nicht aufgehalten, eine Pensionsgesetzgebung für die ehemaligen Wehrmachtsbeamten in einer Höhe durchzuführen, die wesentlich über dem Höchstsatz der Rente eines hundertprozentig Kriegsbeschädigten mit Pflegezulage liegt. Bei den ehemaligen Generalen und höheren Offizieren, die heute eine Pension von durchschnittlich 160 DM pro Monat beziehen können, dazu noch ein nicht anrechnungsfähiges Arbeitseinkommen von 160 DM, die also rund 320 DM Einkommen im Monat haben dürfen, bei diesen Herren handelt es sich um körperlich gesunde Menschen, die nur infolge des Wegfalls, des zeitweiligen Wegfalls ihres Arbeitsplatzes, der Wehrmacht nämlich,
arbeitslos geworden sind. Wenn ich sage „zeitweilig", so wissen Sie, was ich damit meine. Ich stelle also nur einen eigenartigen Widerspruch fest, daß trotz der aufgezeigten Finanznot der Länder für diesen Personenkreis, an dessen Erhaltung als Traditions-Generalstab Ihnen ja gelegen ist, Gelder in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen.
Der Herr Vertreter des Herrn Arbeitsministers hat auch gesagt, daß man sich darüber einig sei, daß ein zentrales Versorgungsgesetz an Stelle der jetzt vorhandenen sieben verschiedenen, auch in ihrer Höhe unterschiedlichen Versorgungsgesetze geschaffen werden solle. Aber nun lassen Sie mich zu der Geschichte dieser Anträge auf Schaffung eines Überbrückungsgesetzes etwas sagen. Wir haben es mit zwei Anträgen zu tun. Die CDU/CSU-Fraktion hat es für richtig erachtet, einen Antrag auf Gewährung von Zulagen zu stellen, und wir haben am selben Tage, am 18. Oktober, also vor fast 2 Monaten, bereits einen Antrag auf Schaffung eines Überbrückungsgesetzes gestellt, das in seiner Tendenz, wenn es angenommen worden wäre, eine 60prozentige Erhöhung der derzeitigen
Rentensätze für die Kriegsbeschädigten, die Witwen, die Waisen und die Kriegereltern nach sich gezogen hätte.
Welches Schicksal hat nun dieser hier einstimmig gefaßte Beschluß auf Schaffung eines derartigen Überbrückungsgesetzes gehabt? Ich zitiere Protokolle der zuständigen Ausschüsse; ich zitiere also Originaldokumente des Bundestags. Fangen wir einmal bei dem Dokument vom 13. 12. 1949 an; das klärt die Situation am eindeutigsten. In diesem Protokoll des Ausschusses für Kriegsopferfragen heißt es:
Der Ausschuß hat am 27. Oktober 1949 in seiner Sitzung festgelegt, daß der Bundestag beschließen möge, die Bundesregierung zu ersuchen, als Sofortmaßnahme bis zur Vorlage eines neuen Versorgungsgesetzes ein Überbrückungsgesetz zu schaffen, in dem — —,
und nun kommen die Voraussetzungen, die in diesem, Überbrückungsgesetz eingehalten werden sollten. Ich zitiere sie aus dem vorhergehenden Protokoll, nach dem „Kriegsopfern, die infolge Ihrer körperlichen Beschaffenheit ohne Einkommen und nur auf ihre Rente angewiesen sind, den heutigen Verhältnissen entsprechend Aufbesserungen ihrer Rente zuteil werden sollen", „die Krankenversicherung der Kriegshinterbliebenen, die bisher keinen Versicherungsschutz genießen, Berücksichtigung finden soll" und nach dem „die Übergangsregelung hinsichtlich der materiellen Leistungen über den Rahmen des seinerzeit vom Wirtschaftsrat beschlossenen, aber von der Militärregierung nicht genehmigten Gesetzes hinausgehen soll."
Dieses damalige, von der Militärregierung nicht genehmigte Gesetz hätte eine Mehrausgabe von 80 Millionen bedingt, wie wir heute gehört haben. Der Ausschuß war also der Auffassung, daß über diese 80 Millionen hinausgegangen werden solle. Ich schicke das voraus, um nachher noch etwas zu der Zahl sagen zu können, die heute der Vertreter des Arbeitsministeriums als Auswirkung der etwaigen Annahme unseres Antrags auf Zahlung einer 13. Monatsrente zitiert hat.
Was ist denn los? Im Protokoll heißt es weiter:
Der Bundestag hat diesen Beschluß des Ausschusses am, 4. 11. 1949 sanktioniert und damit der Bundesregierung entsprechenden Auftrag erteilt,
also ein Gesetz zu schaffen, das diese Richtlinien als Mindestrichtlinien beinhalten soll. Dann Schweigen im Walde!
Dann kam es am 30. 11. — immer laut Protokoll — zu einer Aussprache zwischen dem Herrn Vorsitzenden des Ausschusses und den Vertretern des Arbeitsministeriums. „In dieser Besprechung haben die Vertreter des Ministeriums eine ausführliche Darstellung über die materiellen Absichten", die sie bei der Schaffung des neuen Gesetzes verfolgen und „die in diesem neuen Gesetz ihren Niederschlag finden sollen, gegeben. Der Vorsitzende des Ausschusses äußerte zu diesem Entwurf noch einige Abänderungswünsche. In dieser Besprechung haben die Herren erklärt" — so steht es hier wörtlich im Protokoll —, „daß diese Vorlage sofort an alle Länder hinausgehen würde und daß die Besprechungen mit den Ländern so geführt werden sollen, daß am 8: Dezember die Konferenz der Länderfinanzminister endgültig Stellung nehmen könnte."
Im Ausschuß wurde ganz offen am 13. Dezember ausgesprochen, daß sowohl das Arbeitsministerium diese notwendigen Verhandlungen mit den Finanzministern der Länder nicht mit der gebotenen Eile und mit der gebotenen Energie durchgeführt hat, wie das auch in diesem Ausschuß — einstimmig, möchte ich sagen — festgestellt worden ist, daß ein glattes Versagen der Ländervertreter in der Frage der Bereitstellung der Mittel für die Durchführung des Überbrückungsgesetzes vorliegt.
Nun hat der Herr Vertreter des Arbeitsministeriums hier eine Zahl genannt; er sagte, daß die Realisierung unseres Antrags, der darauf hinausläuft, den Rentenberechtigten mit der Januarrente, die bekanntlich Ende dieses Monats zur Auszahlung kommt, einen dreizehnten Monatsrentenbetrag zuzüglich zu zahlen, einen Kostenaufwand von 200 Millionen Mark erfordern würde. Aus dem dem Ausschuß vom Herrn Arbeitsminister gelieferten Material geht hervor, daß die gesamten Ausgaben im Bundesgebiet für die Kriegsopferversorgung, also Renten zuzüglich Verwaltungsausgaben, Ausgaben für Heilbehandlung usw. usw., den genannten Betrag ausmachen. Die nackten Renten machen einen geringeren Betrag aus, der, dividiert durch 12, rund 155 Millionen Mark Mehrausgabe laut amtlichen Statistiken erforderlich macht.
Nun kommt die letzte Phase dieses Kampfes um die Sicherung eines Versprechens, das das Arbeitsministerium nicht nur uns, sondern auch den Kriegsopfern draußen gegeben hat. Gestern noch hat der Vertreter des Kabinetts, der Herr Minister Kaiser, im Ältestenrat zugesagt, daß er Gelegenheit nehmen werde, in der heutigen Kabinettssitzung das Problem vorzutragen und die Frage zu stellen, ob und in welcher Form die Zahlung die-ses dreizehnten Monatsbetrages realisiert werden könne. Heute mittag haben wir im Ältestenrat erfahren, daß der Herr Minister Kaiser an der Einhaltung dieser uns gestern im Ältestenrat gegebenen Zusage dadurch verhindert war, daß er heute morgen im Ältestenrat den Streitfall, der heute morgen hier entstanden ist, mit klären mußte. Das Kabinett, stelle ich fest, hat also heute früh keine Zeit und keine Gelegenheit gehabt, sich zu dieser Frage zu äußern.
Die Dinge liegen einfach so, daß man den Kriegsopfern nicht helfen will. Die Zusage, die uns heute der Herr Vertreter des Arbeitsministeriums gegeben hat, ist doch nichts anderes als weiße Salbe, Schaum.
— „Schaum!", damit Sie es besser verstehen! — Haben wir das im Ausschuß von ihm erwartet? Der Ausschuß hat von ihm erwartet, daß er konkret sagt, was er jetzt im Augenblick zu tun gedenkt. Das war der Auftrag, der ihm erteilt worden ist. Darauf sollte er Antwort geben. Er hat uns jetzt in Aussicht gestellt, daß das Überbrückungsgesetz beinahe fertiggestellt ist. Dem Ausschuß ist bisher nicht eine Spur eines fertiggestellten Überbrückungsgesetzes zugeleitet worden. Er hat gesagt, daß das von der Gesamtheit des Bundestags geforderte zentrale Versorgungsgesetz so rechtzeitig fertiggestellt werden würde, daß es mit Beginn des neuen Etatjahres, soll heißen am 1. April 1950, in Kraft treten könne. Ich wage hier zu behaupten — und kein Fachmann wird mir widersprechen dürfen —, daß diese Versprechungen inhaltlos sind und zu nichts verpflichten. Im Ältestenrat ist mir heute nachmittag gesagt worden, die Durchführung
dieses unseres Antrages würde die Notwendigkeit der Schaffung eines Gesetzes bedeuten. Nun, zur Schaffung eines Gesetzes war der Herr Minister ja schon vor zirka sechs Wochen beauftragt!
Nun noch ein letztes Wort. Den Kriegsopfern draußen, den armen Menschen, die mit ihren Hungerrenten vegetieren, die einen von Ihnen allen bejahten Anspruch auf Erhöhung ihrer Rentenbezüge haben, hat man ganz konkret versprochen, daß das Überbrückungsgesetz noch vor Weihnachten in Kraft treten werde. Diese Mitteilung ist den Zeitungen und dem Nordwestdeutschen Rundfunk aus dem Büro des Herrn Bundesarbeitsministers zugegangen. Sie ging durch die Presse, und sie ging über den Rundfunk. Die Kriegsopfer draußen haben die Hoffnung gehabt, daß das Ministerium und daß der Bundestag diese Zusage vor Weihnachten realisieren würden, und im Ausschuß wurde allgemein bedauert, daß die Bundesregierun nicht schneller gearbeitet habe und daß durch diese Falschmeldungen in der Presse in den Kreisen der Kriegsopfer Illusionen entstanden seien. Ferner wurde ganz allgemein bedauert, daß die armen Kriegsopfer nun noch länger auf eine kleine Hilfe warten müssen. Da hat man also so etwas wie ein echtes Mitgefühl gezeigt. Nun gilt es, das zu beweisen. Ich habe im Ältestenrat darauf hingewiesen, daß wir Kommunisten in bezug auf dieses Gesetz keinen Autorenstolz haben. Ich habe ganz offen ausgesprochen, daß wir bereit sind, dem zuzustimmen, daß das Gesetz einheitlich von allen Fraktionen eingebracht wird. Das wurde abgelehnt; niemand ging auf dieses Angebot ein. Ich folgere aus diesem Verhalten der Fraktionen, daß man diesen letzten Versuch, noch zu Weihnachten eine kleine Hilfe zu gewähren, unterlassen will und unterlassen wird. Ich füge kein weiteres Wort der Kritik bei. Ich gebe nur der Hoffnung Ausdruck, daß in Zukunft die hungernden deutschen Kriegsopfer nicht mehr auf Zusagen der in diesem Hause herrschenden Regierung und Parteien hereinfallen werden.