Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 8. Sitzung des zweiten Deutschen Bundestages und bitte um die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Abgeordneten Frau Praetorius, Euler, Dr.-Ing. h. c. Schuberth, Hermsdorf, Dr. Hoffmann, Frau Korspeter, Albers, Dr. von Brentano, Kunze , Dr. Mocker, Altmaier, Kahn.
Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung gedenke ich der Tatsache, daß das Mitglied des ersten Deutschen Bundestages, der Dortmunder Oberbürgermeister Fritz Henßler
am 4. Dezember im Alter von 67 Jahren verstorben ist. Herr Henßler war durch Wahl des Deutschen Bundestages auch Mitglied der Gemeinsamen Versammlung der Montan-Union. Er ist 1886 in Württemberg geboren, wurde als Buchdrucker ausgebildet und hat in der Gewerkschaftsbewegung und in der Sozialdemokratischen Partei eine führende Rolle gespielt, ist Mitglied des Reichstages gewesen und hat sich während des „Dritten Reiches" neun Jahre in der Not des Konzentrationslagers befunden. Er hat sich an der Neugründung der Gewerkschaften führend beteiligt und ist seit 1946 Oberbürgermeister von Dortmund gewesen.
Ich darf die Übung, die wir im Bundestag gehabt haben, nur der Toten zu gedenken, die Mitglieder des Bundestages sind, hier wegen der fortwirkenden Kraft seines Wirkens und der ehrenden Erinnerung, die alle Mitglieder dieses Hauses ihm schulden, durchbrechen und der Stadt Dortmund, seinen Angehörigen und der sozialdemokratischen Fraktion das Beileid des Deutschen Bundestages zu diesem schweren Verlust zum Ausdruck bringen.
Sie haben sich zu Ehren unseres früheren Kollegen Henßler erhoben; ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren! Ein Punkt der heutigen Tagesordnung beschäftigt sich mit der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Wir erinnern uns daran, daß die Konvention der Menschenrechte der erste internationale Vertrag gewesen ist, an dem die deutsche Bundesrepublik teilgenommen hat. Heute vor fünf Jahren, am 10. Dezember 1948, ist die Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen angenommen worden. Wir haben auf Grund unserer Geschichte in den letzten Jahrzehnten und auf Grund unserer gegenwärtigen Lage allen Anlaß, uns dieses Tages zu erinnern, weil wir sicher sind, daß nur bei Achtung dieser Grundrechte der Menschen in allen Völkern die Voraussetzungen dafür gegeben sind, daß das Zusammenleben der Menschen sich in Formen abspielt, die mit der Würde und dem Freiheitsanspruch der Menschen vereinbar sind. Wir haben insbesondere Anlaß, deutlich zu machen, daß wir die Erhaltung der Menschenrechte als eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür ansehen, daß allen Deutschen das Recht auf Gerechtigkeit und Freiheit und das Recht auf ihre Heimat garantiert wird. Um dieser aktuellen Bedeutung willen darf ich dieses Tages der Menschenrechte heute vor dem Deutschen Bundestag gedenken.
Weiterhin habe ich vor Eintritt in die Tagesordnung davon Kenntnis zu geben, daß mir der Herr Bundeskanzler mitgeteilt hat, daß der Herr Bundespräsident den Diplomingenieur Dr. Siegfried Balke am 9. Dezember zum Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen ernannt hat. Gemäß Art. 64 des Grundgesetzes ist die
Vereidigung
der Bundesminister vor dem Bundestage vorzunehmen. Ich darf Sie bitten, sich zu erheben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.
Ich darf Sie bitten, mir die Formel „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe" zur Verpflichtung auf diesen Eid nachzusprechen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.
Ich darf Ihnen die Wünsche des Deutschen Bundestages für Ihre Amtsführung zum Ausdruck bringen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke.
Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
Damit kommen wir zu Punkt 1 der heutigen Tagesordnung:
Interfraktionelle Entschließung zur Viermächtekonferenz.
Ein Entschließungsentwurf betreffend die VierMächte-Konferenz liegt Ihnen als Drucksache 138 vor. Dieser Entschließungsantrag ist von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE und DP eingebracht worden. Ich habe die Ehre, Ihnen den Text dieses Entschließungsentwurfs vorzulesen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Durch den letzten Notenwechsel zwischen den Westmächten und der Sowjetunion hat sich die Aussicht eröffnet, daß in Kürze in Berlin eine Vier-Mächte-Konferenz zur Behandlung der Deutschlandfrage zusammentritt. Aus diesem Anlaß erklärt der Deutsche Bundestag erneut den Willen des ganzen deutschen Volkes, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen. Der Bundestag gibt der Hoffnung Ausdruck, daß die Vier-Mächte-Konferenz dazu beitragen möge, die Welt dem wirklichen Frieden, den alle Völker in Ost und West ersehnen, näherzubringen.
Von der Bundesregierung erwartet der Deutsche Bundestag, daß sie während der VierMächte-Konferenz dafür eintritt, daß die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf der Grundlage der Bundestagsentschließung vom 10. Juni 1953 in friedlicher Weise herbeigeführt wird und daß die in der Charta der Vereinten Nationen und in der europäischen Konvention niedergelegten Menschenrechte für das ganze deutsche Volk in einer rechtsstaatlichen Ordnung gewährleistet werden.
Der Deutsche Bundestag bekundet erneut seine tiefe Verbundenheit mit den Deutschen in der sowjetisch besetzten Zone und in Berlin. Seine Arbeit für die deutsche Einheit in Frieden und Freiheit gilt ihnen ebenso wie allen anderen Deutschen. Sein besonderes Bemühen wird wie in der Vergangenheit so auch in Zukunft darauf gerichtet sein, daß die Unfreiheit beseitigt wird und daß auch den politischen Gefangenen, die zum Teil seit Jahren ohne Nachweis einer Schuld in sowjetzonalen Gefängnissen festgehalten werden, die Freiheit wiedergegeben wird.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Entschließungsantrag sämtlicher Fraktionen des Hauses gehört. Ich bitte Sie, sich zum Zeichen der
Übereinstimmung mit dieser Entschließung von Ihren Plätzen zu erheben.
— Ich stelle fest, daß diese Entschließung von allen Mitgliedern des Deutschen Bundestages angenommen ist, und darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß diese Dokumentation des übereinstimmenden Willens des Deutschen Bundestages und des deutschen Volkes in dieser wichtigen Lebensfrage unserer Nation eine Hilfe für die Verhandlungen, die vor uns liegen, bringen und mit helfen wird, dem deutschen Volke Einheit und Freiheit zu bringen. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich habe zwei Glückwünsche zum Ausdruck zu bringen, und zwar Herrn Abgeordneten Barlage zum 62. Geburtstag am 6. Dezember
und Herrn Abgeordneten Dr. Willeke zum 60. Geburtstag am 7. Dezember.
Ich weise darauf hin, daß die nächste Frage- stunde am 21. Januar stattfindet. Sperrfrist für eingehende Fragen ist der 14. Januar. Ich darf noch einmal darauf aufmerksam machen: Im Ältestenrat ist gestern darüber gesprochen worden, daß großes Gewicht darauf gelegt werden muß, daß der Unterschied zwischen Kleinen Anfragen und Fragen in der Fragestunde beachtet wird, weil Fragen, die über den Rahmen einer Fragestunde hinausgehen, dazu verführen könnten, daß auch die Antworten den Umfang von Beantwortungen Kleiner Anfragen annehmen; und das ist nicht wünschenswert im Interesse der Durchführung der Fragestunde.
Ich darf weiter auf eine technische Veränderung hinweisen. Sie sehen, daß rechts, in der Mitte und links einige Mikro; hone angebracht worden sind. Wir haben vor, künftig die Fragen der Fragestunde von diesen Mikrophonen aus stellen zu lassen und die Mikrophone auch dazu zu benutzen, eventuelle Zwischenfragen, Einwürfe usw. während der Debatte machen zu lassen, um eine gewisse Auflockerung der Debatte zu erzielen.
Die Anbringung der Mikrophone ist ein vorläufiger Versuch, dessen technische und praktische Bewährung abgewartet werden muß. Ich darf aber die Herren Abgeordneten, die sich in unmittelbarer Nähe der Mikrophone befinden, darauf aufmerksam machen, daß diese Mikrophone nur dann funktionieren, wenn ich einen Hebel, den ich vor mir habe, umlege.
Ich bitte also die Abgeordneten, die von diesen Mikrophonen Gebrauch zu machen wünschen, sich durch Erheben von den Plätzen, Herantreten an die Mikrophone und durch ein Handzeichen bemerkbar zu machen. Ich werde darauf die Mikrophone einschalten und Gelegenheit geben, durch ihre Benutzung die Zwischenfragen zu stellen. Es hat also keinen Zweck, bei nicht eingeschaltetem Mikrophon dieses Mikrophon etwa zur Verstärkung von Zwischenrufen zu benutzen.
Ich bitte Sie, freundlichst an der technischen Erprobung dieser neuartigen Einrichtung des Deutschen Bundestages mitzuwirken.
Zur Tagesordnung darf ich noch folgendes sagen. Die Fraktion der CDU/CSU hat darum gebeten, daß Punkt 5 etwas zurückgestellt wird, weil darüber noch eine Fraktionsbesprechung stattfinden soll.
— Meine Damen und Herren, ich glaube mich zutreffend zu erinnern, daß der Wunsch nach Fraktionsbesprechungen während der Sitzung wiederholt von allen Fraktionen geäußert worden ist.
— Die lange Dauer ist noch nie ein Beweis gegen die Güte einer Sache gewesen.
Die Fraktion der CDU/CSU hat vorgeschlagen, etwa vor Punkt 14 eine kurze, ungefähr halbstündige Unterbrechung der Sitzung eintreten zu lassen, um diese Frage zu klären. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
betreffend Unterrichtung von Ausschüssen
über die mit der Konferenz auf den Bermudas usw. zusammenhängenden Fragen
durch die Bundesregierung .
Der Ältestenrat hat vorgesehen, daß über diesen
Punkt der Tagesordnung nicht debattiert und daß
auch eine Begründung nicht gegeben zu werden
braucht. Ich nehme an, daß das die gemeinsame
Überzeugung des Hauses ist. Ich bitte die Damen
und Herren, die dem Antrag Drucksache 113 zuzu-
stimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Das
ist die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
Ich komme zu Punkt 3:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen betreffend
Stützung des Milchpreises .
Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Horlacher. — Der Ältestenrat hat sich auf eine Begründungszeit von höchstens 20 Minuten geeinigt. Das Haus ist damit einverstanden.
Bitte schön, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich bemühen, in Kürze das Wesentliche zu der Frage hervorzuheben. Es ist günstig, daß diese sowohl für die Versorgung unserer Bevölkerung als auch für unsere Bauernschaft wichtige Frage an der Spitze unserer heutigen Beratungen steht. Da möchte ich einmal einen Satz aussprechen, den sich jeder merken sollte
und der vielleicht dazu dienen wird, die Verhältnisse zu bessern: „Fang jeden Tag mit Frischmilch
an, für dein Gesundheit hast dann viel getan!"
— Sie wissen ja nicht, ob ich das nicht schon getan habe!
Ich gehe zurück auf die grundlegenden Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers am 17. Februar 1951. Damals hat der Herr Bundeskanzler in Rhöndorf erklärt:
Das landwirtschaftliche Preisniveau, das weitgehend durch innerwirtschaftliche und handelspolitische Maßnahmen beeinflußt werden kann, mußmeiner Überzeugung nach in einer Parität zu den übrigen Preisen der deutschen Wirtschaft gehalten werden.
An einer anderen Stelle fährt er fort:
Im Hinblick auf die Bedeutung der Milchwirtschaft im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen
Produktion ist ein ausreichender Milchpreis
von ausschlaggebender Bedeutung für die
Sicherung der Rentabilität der Landwirtschaft,
besonders der bäuerlichen Familienbetriebe. Das war derStandpunkt von Rhöndorf. Seit dieser Erklärung haben die Verhältnisse hin- und hergeschwankt, und wir haben uns hinsichtlich der Rentabilität der Milchwirtschaft ziemlich weit von der Situation von Rhöndorf entfernt. Deswegen muß man nach verschiedenen Richtungen Maßnahmen treffen, die das Verhältnis wieder ins Gleichgewicht bringen.
Das Milchproblem — auch wenn die Herren und Damen unruhig sind, so stimmt es doch! — ist eines der wichtigsten und eines der schwierigsten Probleme der Landwirtschaft. Man darf hierbei nicht nur an den Frischmilchverbrauch denken, denn leider Gottes muß bei uns der größte Teil der Milch zu Butter und Käse verarbeitet werden. Es kommt also mit auf die Preislage dieser Produkte an. Für den Bauern ist nicht nur der Frischmilchpreis entscheidend, sondern noch weit bedeutsamer ist der Werkmilchpreis; denn aus beiden zusammen ergibt sich erst der Auszahlungspreis ab Molkerei.
Nun ist ein besonderer Tiefstand in den GrünLandgebieten eingetreten. Wir haben Grünlandgebiete im Norden in Schleswig-Holstein
und in Friesland, wo die Verhältnisse auf milchwirtschaftlichem Gebiet besonders konzentriert sind, und wir haben das ausgesprochene Grünland-und Käsegebiet im Allgäu — nicht nur im bayerischen Allgäu, sondern dazu gehört auch das kleinere württembergische Allgäu — und im bayerischen Oberland. Die Konzentration ist dort so, daß in Bayern 415 000 t Käse erzeugt werden, während die gesamte Käseerzeugung des Bundesgebietes 846 000 t Käse beträgt. Daran können Sie ermessen, wie konzentriert sich die Käseerzeugung im Allgäu zusammenballt; denn der größte Teil der Käseerzeugung in Bayern entfällt auf das Allgäu.
Nachdem ich kurz diesen Ausgangspunkt skizziert habe, darf ich auf den Tiefstand der Milchpreise bei uns im Allgäu hinweisen. Im dortigen Werkmilchgebiet schwankt der Milchpreis zwischen 20,8 und 21 Pfennig. Da kann keiner mehr behaupten, daß das für die Existenz der dortigen Landwirtschaft ausreichend sei! Bei einem Vergleich mit der Verhältnissen in anderen Ländern ergibt sich, daß hier ein besonderer Tiefstand eingetreten ist. Wenn Sie diese Verhältnisse mit dem Durchschnitt der Preise vom Jahre 1952 vergleichen — Auszahlungspreis ab Molkerei 27 Pfennig —, dann können Sie ermessen, welch großer Abstand gegenüber dem in Rhöndorf anerkannten Normalpreis namentlich in diesen Gebieten eingetreten ist.
Ich darf als bekannt voraussetzen, daß innerhalb des Indexes der Erzeugerpreise die Milch an un-
terster Stelle steht. Auch dadurch ist das Problem, das sich hier stellt, genau gekennzeichnet.
Was ist da zu tun?
Erstens: Sicherung eines stabilen Trinkmilchpreises; das ist immer noch der Eckpreis. Die Bevölkerung muß darauf Bedacht nehmen, daß sie eine fettreichere Milch, gewissermaßen eine Milch mit Qualität, auch entsprechend bewertet. Deshalb ist es notwendig, daß sich das Bundesministerium einmal der Angleichung der Milchpreise annimmt, damit die Verhältnisse in Ordnung kommen. Es sind ja schon grundsätzliche Verordnungen erlassen worden. Aber es ist notwendig, daß die Dinge auch wirklich ins Gleichgewicht gebracht werden. k
Dann liegt mir noch besonders die Steigerung des Trinkmilchverbrauchs am Herzen. Am liebsten wäre es mir, wenn wir unsere schulpflichtige Jugend erfassen könnten, so daß sie in der Schulspeisung bevorzugt mit Qualitätsmilch versorgt wird. Das hängt zwar immer von den mangelnden Mitteln ab, aber es wäre die beste Reklame.
Es gibt einen Verein zur Förderung des Trinkmilchverbrauchs. Herr Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, ich bitte Sie, sich dieses Vereins anzunehmen. Was die Leute an Broschüren und sonstigem Zeug herausbringen, das können sie ruhig in den Ofen werfen. Sie sollten sich ein Beispiel nehmen an der Reklame, die die Margarineindustrie betreibt; die Kosten für eine langweilige Broschürenschreiberei ohne Rücksichtnahme auf dieSeele des Volkes können sie sich wahrhaftig sparen.
Wir haben genug solche Broschüren. Wir brauchen hier eine tatkräftige, sinnfällige Propaganda. Und wo wäre die leichter als auf dem Milchgebiet! Stellt doch die Milch immer noch das beste, vitaminreichste und verhältnismäßig billigste Nahrungsmittel für unsere Bevölkerung dar.
— Die Milch, ja! Sie werden doch nichts dagegen haben. Im Alter kommt allerdings noch etwas dazu
— untertags Milch und abends ein Gläschen Wein; das, muß auch noch berücksichtigt werden.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich 'auch sagen, daß es gut wäre, wenn an unseren Bauernhäusern und auf den Rückwänden unserer Scheunen. Reklame für die eigenen Produkte gemacht würde und nicht Reklame für die Erzeugnisse der Margarineindustrie,
für die jetzt die Schilder dort werben, die schöne Resi und die elegante Sanella und wie sie alle heißen.
Das Grundproblem muß einmal anders angepackt werden.
Erstens muß eine Reklame getrieben werden, die die Bevölkerung anspricht und die auf die gesundheitlichen Werte hinweist, um die es hier geht.
Zweitens muß die staatliche Einfuhr- und Vorratsstelle für Milch und Fett entsprechend eingeschaltet werden. Ich will dem Herrn Minister das Leben nicht erschweren
nicht deswegen habe ich die Anfrage eingebracht! —, sondern ich möchte ihn unterstützen, damit er sich gegenüber gewissen Kräften, auch innerhalb des Kabinetts, durchsetzen kann.
Daran fehlt es. Der Ernährungsminister tut sich immer schwer; da liegt der Hase im Pfeffer. Der Ernährungsminister kann den guten Willen haben, aber was nützt der beste Wille, wenn die anderen nicht wollen!
Die Einfuhr- und Vorratsstelle muß mit dem nötigen Kapital versorgt werden, und zwar muß sie das Geld dann zur Verfügung haben, wenn es notwendig ist, auf dem Markt einzugreifen; denn sonst hat es nach kaufmännischen Gesichtspunkten kaum einen besonderen Wert. Die Einfuhr- und Vorratsstelle muß bei saisonalem Überangebot Butter aufnehmen können und muß sie wieder abgeben können, wenn sich nach der Jahreszeit die Verhältnisse wieder verschoben haben. Es handelt sich hier nicht um eine Preiserhähung beispielsweise für Butter, sondern darum, für die Verbraucherschaft wie für die Bauern einen ausreichenden Durchschnittspreis während des ganzen Jahres durchzuziehen. Wir sind nicht an schwankenden Preisen, sondern an stabilen ausreichenden Preisen interessiert.
Dann muß ich noch darauf hinweisen, daß es ein schwerer Fehler gewesen ist, als man eines der Teilgebiete in der Bewirtschaftung von Milch und Fett, nämlich die Käseerzeugung, der Liberalisierung unterworfen hat. Es ist und bleibt ein Kardinalfehler, der hier gemacht worden ist. Wenn ich schon ein Produkt bewirtschafte, muß ich nicht bloß das Rohprodukt bewirtschaften können, sondern auch die Fertigerzeugnisse, und dazu gehört der Käse. Da ist mir auch verschiedenes versprochen worden. Im Versprechen sind ja die Stellen meistens sehr groß; es kostet nicht so viel. Als ich auf die Auswirkung der Liberalisierung beim Käse hingewiesen habe, ist mir in einem Riesentelegramm, das ich damals von dem Vizekanzler Blücher erhalten habe, gesagt worden
Auf der anderen Seite mußte bei der Entscheidung auch in Betracht gezogen werden,
daß der Käse doch außerdem einen Schutz
dadurch genießt, daß die Einfuhr mit einem
Zoll von 25 % belegt wird. Es wird angenommen, daß die Liberalisierung keine wesentliche Steigerung der Käseeinfuhr zur Folge
hat.
— Es wird angenommen!
Gerade in letzter Zeit ist beobachtet worden, daß die Liberalisierung einer Ware häufig die Folge hat, daß die Konsumenten nicht mehr die früheren Einkäufe tätigen.
Und dann ist versprochen worden: Zusammenfassend . möchte ich deshalb noch einmal sagen, daß für die beteiligten Ministerien gar keine andere Entscheidung möglich war. Es ist selbstverständlich, daß die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, falls eine ernstliche Beeinträchtigung in der Milchwirtschaft auf Grund der Liberalisierung eintreten sollte.
Wo bleiben diese Maßnahmen? Das ist eine Frage, die der Herr Minister beantworten möge.
Zum Thema Käseeinfuhr nur einige Zahlen! Im Monat Januar 1952: 2528 t, 1953: 3241 t; im Juni 1952: 3866 t, 1953: 5123 t; August 1952: 4526 t,
jetzt bisher 6020 t. Dann ist die Einfuhr in den letzten Monaten noch weiter gestiegen; die Zahlen habe ich noch nicht, da.
Sie sehen daraus, daß das, was man damals angenommen hatte, nicht richtig war. Außerdem ist es leider Gottes auch bei Käse so, daß unsere Bevölkerung — wie bei anderen Lebensmitteln — die Gewohnheit hat, oft den ausländischen Lebensmitteln den Vorzug zu geben, selbst dann, wenn sie teurer sind. Wir haben das eine Zeitlang bei Käse erlebt — ich habe die Dinge genau verfolgt —, und deswegen ist die Liberalisierung bei Käse ohne Beschränkung der Einfuhrmenge so schädlich geworden. Es wird nicht anders gehen, als daß man sich dieser Dinge wieder einmal annimmt; denn es kann nicht so bleiben.
Diese Verhältnisse wirken sich besonders auf das konzentrierte Käsegebiet im Allgäu aus. Darum wäre ich dem Herrn Minister dankbar, wenn er eine Ergänzung des Milch- und Fettgesetzes herbeiführte, und zwar nach der Richtung hin, daß die genossenschaftlichen Selbsthilfemaßnahmen, die auf dem ernährungswirtschaftlichen Gebiet getroffen werden, unter den Schutz des Gesetzes fallen. Es ist ein ganz unmöglicher Zustand, daß Staatsanwälte dreinreden können, wenn gewisse Absprachen bei der Werkmilch-Preisgestaltung auf dem ernährungswirtschaftlichen Gebiet getroffen werden. Denn die sind ja notwendig, um den Markt in einer regulären Bewegung zu halten.
Weiterhin ist notwendig, daß auch die Selbsthilfemaßnahmen der zusätzlichen Vorratshaltung durch das Gesetz geschützt werden. Die Einfuhr-und Vorratsstelle hat die Vorratshaltung auf Grund Gesetzes zu betreiben. Wir sind bereit, durch die genossenschaftlichen Absatzzentralen — wie das auch durch die Molkereizentrale Bayern geschieht — auch von uns aus in den Markt einzugreifen und Ware auf Lager zu nehmen. Nur müssen wir Gewißheit haben, daß diese Maßnahmen vom Gesetzgeber geschützt werden. Die Selbsthilfemaßnahmen der Landwirtschaft erfordern eine gewisse Ergänzung des Gesetzes.
Ferner schält sich als Gesamtproblem die Rationalisierung heraus. Ich habe schon einmal gesagt: Seien wir vorsichtig mit diesen Wörtern! Rationalisierung bei der Industrie ist etwas ganz anderes als Rationalisierung bei der Landwirtschaft. Denn erstens ist der Erfolg der Rationalisierung in der Industrie ein ganz, anderer als bei dem langweiligen Umsatz der Landwirtschaft. Außerdem ist es ja nicht so, daß bei uns alles rationalisiert werden muß. Aber eine gewisse Rationalisierung auf dem Gebiet der Landwirtschaft — und besonders der Milchwirtschaft — lehne ich natürlich nicht ab. Ich wäre dankbar, wenn der Herr Minister so rasch wie möglich ins bayerische Allgäu käme, damit er an Ort und Stelle sieht, wie die Verhältnisse dort gelagert sind. Sie sind dort etwas anders als beispielsweise — wo auch Grünlandgebiete sind — in Schleswig-Holstein. Bei uns ist das Land gebirgig, und der Emmentaler erfordert eine besondere Bodenflora, eine besondere Fütterung und Düngung. Alle diese Dinge spielen eine Rolle und erfordern eine Reihe von Kleinbetrieben im Gegensatz zu den Flachlandbetrieben. Diese Verhältnisse muß man gesehen haben. Deswegen lade ich den Herrn Minister ein, zu uns ins Allgäu zu kommen. Er wird bei uns gut aufgenommen werden — auch wenn ihm dort erzählt werden wird, was notwendig ist.
Als weiteres wichtiges Problem erscheint dann die Frage der Magermilch. Der Überfluß an Magermilch macht uns schwer zu schaffen. Deswegen sind auf diesem Gebiet besondere Maßnahmen notwendig. Da kommt die Beimischung zum Weißbrot in Betracht. Es sind Versuche im Gange. Hoffentlich hören wir bald Günstiges darüber. Wenn sie günstig verlaufen, ist es notwendig, das auf alle Gebiete Westdeutschlands auszudehnen, damit wir einen Teil der Magermilch zur Verbesserung der Broternährung unseres Volkes unterbringen können.
Weiterhin müssen wir gewisse Subventionierungen ins Auge fassen, damit die Magermilch auch zur Fütterung Verwendung finden kann. Solche Subventionierungen sind auch möglich. Hier kommt der Landesausgleich in Betracht. Der Landesausgleich für diese Zwecke kann aber in den Ländern nicht verwendet werden, die wenig Trinkmilchabsatz, wenig große Verbrauchergebiete haben. Da muß man vielmehr schon den Bundesausgleich zur Hilfe nehmen. Der Bundesausgleich ist ja auch dafür da, daß über den Landesausgleich him us den Ländern geholfen werden kann, die besonderer Unterstützung bedürfen. Da kommt das Allgäu, da kommen auch die übrigen Grünlandgebiete, zum Teil kommt auch der Bayerische Wald in Frage Das sind lauter Verhältnisse, die man einmal im einzelnen durchprüfen muß.
An die Lösung dieses Problems muß man so rasch wie möglich herangehen. Denn wir müssen das Ziel erreichen, daß wir vor dem nächsten Frühjahr das Trockenmilchpulver vom Markt wegbekommen, so daß es möglich ist, eine neue Produktion aufzunehmen. Ich darf bei dieser Gelegenheit verraten, daß unsere eigene Selbsthilfeeinrichtung, das Trockenmilchwerk beim Münchner Milchhof, in Tag- und Nachtschicht 16 Millionen kg Magermilch in Magermilchpulver umgewandelt hat. Die Regierung muß uns dabei helfen, diese Mengen abzusetzen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch bernerken, daß die Verwendung der Magermilch in Amerika eine große Rolle gespielt hat. Dort ist auf gesetzlicher Grundlage eine Beimischung von 6 % mit der Begründung erfolgt, daß dadurch die Ernährung vollwertiger, eiweißreicher gemacht wird. Jetzt ist in Amerika gar kein Gesetz mehr notwendig; die Beimischung hat sich bei der Bevölkerung durchgesetzt. Auch möchte ich einem gesetzlichen Zwang nicht ohne weiteres das Wort reden; aber wir werden die Versuche hier ausdehnen müssen.
Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang noch, daß in USA allein für zur Schulspeisung verwendete Nahrungsmittel 168 Millionen Dollar im Jahr ausgegeben wurden. Sie ersehen hieraus, daß auch andere Länder sich schon mit diesem Problem beschäftigt haben. England liegt in der gleichen Linie. Ich bitte den Herrn Minister, sich dieser Frage mit besonderem Nachdruck anzunehmen.
Weiter bitte ich, dafür zu sorgen, daß die Einfuhr und Vorratsstelle hier eingeschaltet wird, damit sie durch die Aufnahme von Trockenmilch so rasch wie möglich zur Erleichterung des Marktes beitragen kann. Außerdem muß alles darangesetzt werden, um im Wege des Bundesausgleichs allgemein in den Grünlandgebieten eine Besserung herbeizuführen.
Ferner bitte ich die Bundesregierung, sich des Exportgeschäfts anzunehmen. Ich habe den Wunsch,
daß wir, soweit wir in der Lage sind, landwirtschaftliche Artikel zu exportieren, die gleichen Vergünstigungen wie die Industrie erhalten. Ich sehe nicht ein, warum hier ein Unterschied zwischen Industrie und Landwirtschaft gemacht werden soll, In Frage kommt insbesondere die Ausfuhr von Emmentaler Käse, z. B. nach Frankreich und nach Italien. Herr Minister, ich werde Ihnen das Schreiben einer Firma übergeben, die das Geschäft auf unehrliche Weise betrieben und den ehrlichen Kaufleuten das Exportgeschäft verdorben hat. Es sind ja immer so einzelne Private dabei, die meinen, sie könnten im Trüben fischen. Es ist eine sehr bedauerliche Tatsache, daß es gerade da, wo man erst in das Exportgeschäft hineinkommen will, schlechte Elemente gibt, die ihren persönlichen Nutzen über die Erfordernisse der Allgemeinheit stellen.
Das ist so das Wichtigste, was ich dazu ausführen wollte. Sie haben gesehen: Das Milchproblem ist ein Kardinalproblem. 30 % der Einnahmen -
im Durchschnitt gerechnet — des Bauern stammen aus der Milchwirtschaft. Noch höher sind diese Einnahmen in den Grönlandgebieten. Man kann ruhig sagen, daß 80 bis 90 % der Einnahmen des Allgäuer Bauern auf der Milchwirtschaft beruhen, und ähnlich werden die Verhältnisse in Schleswig-Holstein liegen.
Es ist also notwendig, diesem Zentralproblem der Landwirtschaft ein besonderes Augenmerk zuzuwenden. Das ist eine echte agrarpolitische Frage, die so rasch wie möglich gelöst werden muß. Gerade die bäuerliche Arbeit wird mit dieser Frage besonders berührt. Deswegen ist die Lösung des Milchproblems für unser Bauerntum von großer Bedeutung. Auch die Verbraucherschaft sollte ein Interesse an einer leistungsfähigen Milchwirtschaft haben. Wir haben doch Zeiten erlebt, in denen sich die Dinge plötzlich gewandelt haben, in denen die Auslandszufuhren nicht mehr geflossen sind und es notwendig gewesen ist, in erster Linie die eigene Kraft einzusetzen. Eine der wichtigsten Aufgaben ist es da, bei der Milchwirtschaft Abhilfe zu schaffen und uns so ein leistungsfähiges Bauerntum zu erhalten. Sowohl für die Existenz des Bauern ist es wichtig wie auch für die Versorgung unserer Bevölkerung mit dem wichtigsten Nahrungsmittel, wie es nach meiner Überzeugung nach wie vor die Milch mit ihren Produkten Butter und Käse darstellt.
Meine Damen und Herren! Ich darf diese Gelegenheit benutzen, insbesondere die Mitglieder des Bundestags, die dem ersten Bundestag noch nicht angehört haben, auf die Existenz der Milchbar im Restaurant hinzuweisen.
Dies ist sicher die Stelle, an der sich über die von Herrn Abgeordneten Dr. Horlacher angeschnittenen Probleme auch mit ihm am förderlichsten debattieren läßt.
Zur Beantwortung der Großen Anfrage der Herr
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Ho r l a c her hat zunächst die
Frage gestellt, ob dem Hohen Hause und der Bundesregierung klar sei, welche Preiseinbrüche im Rahmen der Milchwirtschaft in den letzten Jahren vorgekommen seien und ob vor allen Dingen die besonderen Klagen aus dem Allgäu, aber auch aus anderen Grünlandgebieten, insbesondere am Niederrhein und an der Nordseeküste, dem Hause und der Bundesregierung bekanntgeworden seien. Man darf wohl sagen, daß diese sehr lauttönenden Klagen, die leider Gottes berechtigt waren, natürlich auch der Bundesregierung bekanntgeworden sind. Die Bundesregierung ist nicht nur bereit, Maßnahmen in Erwägung zu ziehen, sondern sie hat bereits Maßnahmen eingeleitet, die auch, glaube ich, nicht ganz ohne Erfolg waren und es auch in Zukunft nicht sein werden.
Zur Frage des Notstandes im Allgäu und in einigen anderen Grünlandgebieten darf ich sagen, daß der Milchpreis im Jahre 1951 22,7 Pf pro Liter betrug und im Jahre 1953 0,7 Pf mehr, also 23,4 Pf. Das ist also an sich gegenüber dem Friedenspreis eine außerordentlich niedrige Auszahlung. Wenn Sie dann hören, daß im Allgäu nicht, wie Herr Kollege Horlacher sagte, zur Zeit 20, sondern 18,6 Pf bezahlt werden, dann wird es Ihnen glaubwürdig erscheinen, daß dort Not am Mann ist. Das Gebiet ist deshalb in eine außerordentlich bedrückte Lage gekommen, weil im letzten Jahre nach der Liberalisierung schon in dem Halbjahr vom 1. April bis zum 30. September 50 °ío mehr Käse eingeführt worden sind als im Vorjahr. Das war eine natürliche Folge der Liberalisierung; sie ist aber wirksam, und sie läßt sich außerordentlich schwer wieder aus der Welt schaffen. Ich kann in diesem Zusammenhang sagen, daß der Devisenstatus der Deutschen Bundesrepublik bei der EZU in Paris zur Zeit so günstig ist, daß Verhandlungen etwa wegen der Deliberalisierung von Braumalz oder Käse außerordentlich schwierig sind und auch von uns aus zweckmäßigerweise gar nicht begonnen werden.
Herr Horlacher fordert unter Punkt 1 die Stabilisierung der Trinkmilchpreise. Die Trinkmilchpreise sind im ganzen Bundesgebiet stabilisiert. Daran wäre also praktisch zur Zeit nichts zu ändern. Es scheint aber, daß hinsichtlich der Auszahlung an die Bauern etwas getan werden müßte. Der Trinkmilchpreis, der für Standardmilch zur Zeit 38 Pfennig im Preisgebiet I für 3%ige Milch beträgt, vermindert sich um die Handelsspanne, die normalerweise 6 oder 6 1/2, Pfennig ausmacht, um die Fracht- und Bearbeitungskosten und ist deshalb auf dem Bauernhof verschieden hoch. Er wird noch dadurch beeinflußt, daß Ausgleichsumlagen von denjenigen, die Trinkmilch verkaufen, an diejenigen bezahlt werden, die ihre Milch zur Verarbeitung geben. So kommt es, daß der Gesamtauszahlungspreis in Gebieten. wo sehr viel Werkmilch anfällt, außerordentlich niedrig ist und sich etwa in der eben angeführten Höhe bewegt.
Von dem gesamten Milchanfall werden 60 % zu Butter und 8,5 % zu Käse verarbeitet. Es folgen Konservenmilch, Trockenmilch und vor allen Dingen Frischmilch, deren Verbrauch etwa 28 % beträgt. Der Frischmilchverbrauch könnte in Deutschland verdoppelt werden, wobei er auch dann noch weit unter den Verbrauchssätzen des benachbarten Auslandes liegen würde.
Diese Verdoppelung oder jedenfalls eine starke
Erhöhung läge nicht nur im Interesse der Ren-
tabilität der Milchwirtschaft, sondern vor allen Dingen der Volksgesundheit, und sie würde uns bzw. der Bundesregierung eine ganz wesentliche Erleichterung bei den Handelsvertragsverhandlungen mit unseren nördlichen und westlichen Nachbarn bieten.
— Sie sagen, Herr Kollege, es müßte mehr Propaganda gemacht werden. Auf dem Gebiet geschieht wirklich allerlei, und der Trinkmilchverbrauch hat sich auch gehoben. Es werden nicht nur Broschüren ausgegeben, etwa vom Verein zur Förderung der Milchwirtschaft in Frankfurt, sondern es wird auch durch Presse, Film, Rundfunk und mit allen sonstigen geeigneten Mitteln auf dem Gebiet gearbeitet, und zwar wird nicht gefordert: Trinkt mehr Milch, damit die Bauern ihre Milch loswerden!, sondern: Trinkt mehr Milch zur Hebung der Volksgesundheit! Jede Qualitätserhöhung auf dem Gebiet wirkt sich natürlich auch aus in einer stärkeren Anfreundung mit der Milch, die: unsere Bevölkerung heute zum Teil deswegen noch ablehnt, weil sie in der Kriegszeit in einer außerordentlich schlechten Qualität geboten werden mußte. Die Bergwerke in Nordrhein-Westfalen z. B. haben in einer ganz beachtlichen Weise begonnen, den Trinkmilchverbrauch zu steigern und im übrigen andere Getränke abzulehnen, weil das Trinken von eiskaltem Mineralwasser, Coca-Cola oder Bier nach dem Herausfahren aus dem Schacht ganz außerordentlich gesundheitsschädlich ist. Die Bergwerke haben zeitweise einen höheren Prozentsatz an Magenkranken als etwa an Silikose oder ähnlichen Erkrankungen gehabt. Deshalb haben sie unter ihren Belegschaften den Trinkmilchverbrauch propagiert, der z. B. in einer einzigen Zeche, Bonifatius, in einem Jahr von 0 auf 170 000 kg angewachsen ist.
Wir haben auch in manchen Verwaltungsgebäuden erfreuliche Ansätze, aber ich warte immer noch mit großem Interesse auf die Wirkung des Anstoßes, den wir der Exportindustrie gegeben haben. Die Exportindustrie hält der Landwirtschaft vor, daß infolge der Schwierigkeiten bei der Einfuhr agrarischer Produkte nicht genug Ware an das Ausland geliefert werden könne. Ich habe der Exportindustrie erklärt: Wenn Sie in sämtlichen für den Export arbeitenden Betrieben jedem Arbeiter ein halbes Liter Milch an seinen Arbeitsplatz stellen — bezahlen tut er es ja selbst —, dann würden wir damit viele tausend Tonnen Butter aus dem Markt ,drängen und die gesamten Handelsverträge mit den skandinavischen und westeuropäischen Ländern in Ordnung bringen können.
Die Industrie- und Handelskammern haben sich dieser Frage angenommen, und es wird auch einiges an vorbereitender Arbeit versucht. Leider ist es so, daß ein energisches Vorwärtsschreiben auf dem Gebiet noch nicht festzustellen ist. Wie notwendig dies jedoch ist, wollen Sie bitte aus folgendem Beispiel ersehen. Wir stehen in Handelsvertragsverhandlungen mit Schweden und Dänemark. Die Schweden, die Dänen und auch die Holländer bieten uns ihre Butter an, obgleich wir den gesamten Butterkonsum in unserem Lande aus eigener Erzeugung 'decken: Die genannten drei Länder haben von Deutschland im letzten Jahre für eine Milliarde DM mehr gekauft, als wir von ihnen abnehmen können. Es wäre also auch für die Exportindustrie schon Grund genug gegeben, sich in dieser Richtung einzuschalten.
Das beste Werbemittel ist, wie ich sagte, die Qualitätssteigerung. Auf diesem Gebiet hat die Landwirtschaft durch erhebliche Investierungen Bedeutendes geleistet. Wir haben geschlossene Einzugsgebiete von Molkereien, die von garantiert gesunden Tierbeständen erstklassige Milch liefern können. Es ist aber nicht möglich, die Gesamtbereinigung des Gesundheitszustandes so schnell vorwärtszutreiben, daß man von einem Jahr auf das andere mit großen Erfolgen rechnen könnte. Jedenfalls hat die Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung, den Regierungen der Länder und der praktischen Landwirtschaft auf diesem Gebiete bedeutende Fortschritte gebracht.
Eine weitere Frage zur Steigerung des Verbrauchs von Trinkmilch ist mir oft von Ausländern gestellt worden. Noch gestern fragte mich ein ausländischer Journalist: „Warum kann man hier in Deutschland in Restaurants keine Milch kaufen?" Ich habe ihm gesagt: „Weil die Trinkmilchpreise bei uns gebunden sind und die Handelsspanne so niedrig ist, daß der Verkauf in den Restaurants für den betreffenden Restaurateur kein Interesse hat." So ist es tatsächlich. Es wird wahrscheinlich möglich sein — das Wirtschaftsministerium hat seine Einwilligung dazu bereits gegeben —, für die Qualitätsmilch die Preisbindungen in Restaurants aufzuheben, damit auch in Deutschland, wie es im Ausland üblich ist, in Restaurants jederzeit Milch angeboten werden kann.
Zu den Fragen 2, 3 und 5 in der Anfrage des Kollegen Horlacher möchte ich insgesamt antworten. Die Einfuhr- und Vorratsstelle wird genau wie in diesem Jahre auch im kommenden Jahre rechtzeitig Butter zum Zwecke des saisonalen Ausgleichs aus dem Markt nehmen, und zwar wird sie das nach Möglichkeit zusammen mit Handel und Genossenschaften tun. Diese drei Stellen zusammen werden daran mitwirken, daß durch eine gleichmäßige Beschickung des Marktes im Frühjahr, Sommer und Winter ein verhältnismäßig gleichbleibender Preis erreicht wird. Wenn etwa die Genossenschaften sich auf diesem Gebiete betätigen — so verstehe ich die Anfrage von Herrn Kollegen Horlacher —, will ich hoffen, daß auch von den Wirtschaftsressorts der Länder oder von Gerichtsstelle aus eine derartige Tätigkeit in keiner Weise mehr behelligt wird; denn diese Tätigkeit entspricht voll und ganz dem Sinn und Zweck des Milchgesetzes.
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Die Vorratslagerung in diesem Jahre hat bewirkt, daß der Preis im Frühjahr nicht tiefer als 5,60 DM für den Verbraucher absackte und im Winter nicht höher als 6,80 DM seinwird. Im vorigen Jahr schwankte der Preis zwischen 5,20 DM und 8 DM. Die Quittung dafür erfolgte in der Weise, daß der darauffolgende Monat Januar die niedrigste Verbraucherquote seit Jahren gehabt hat, nämlich 16 800 Tonnen gegenüber einem Durchschnitt von 25 000 Tonnen.
Der Einlagerung von Käse, die Herr Kollege Horlacher empfiehlt, stehen praktisch sehr große Schwierigkeitenentgegen. Ich möchte sagen, Herr Dr. Horlacher: die Produktion von Käse und die Erhaltung und Lagerung von Käse sind so diffizile Geschäfte, daß man an diese Arbeit nur Fachleute
heranlassen sollte. Wenn ich auch meinen Mitarbeitern in dieser Beziehung eine ganze Menge zutraue, so möchte ich sie auf dem Gebiet der Käselagerung doch nicht tätig werden lassen. Ich glaube, daß gäbe einen Reinfall. Wir würden damit demnächst wieder große Anfragen im Bundestag erleben, weil wir von Amts wegen in den Käsehandel eingestiegen wären.
Außerdem stellt sich bei der Frage nach den Kosten der Käseeinlagerung sofort die Unmöglichkeit heraus, auf diesem Gebiet tätig zu werden; denn die Herausnahme entsprechender Käsemengen, die im Allgäu eine Linderung verschaffte, würde im Augenblick bedeuten, daß wir mit vier Millionen DM ins Geschäft gehen müßten. Wenn auch der Herr Finanzminister auf diesem Gebiet außerordentlich entgegenkommend ist,
so glaube ich doch, daß Sie sich die Verhandlungen mit ihm etwas einfacher vorstellen, als sie sind.
Ich habe ihm schon gestern den Vorschlag gemacht, man solle Landes- und Bundesausgleichsmittel, die ja von der Milchwirtschaft selber aufgebracht werden, für gelegentliche Zinsverbilligungen heranziehen, um die Lagerung zu ermöglichen. Es ist mir bekannt, daß bereits Bundes- und Landesausgleichsmittel ins Allgäu geflossen sind.
Wenn wir die Einbeziehung von Käse in die Andienungspflicht bei den Einfuhr- und Vorratsstellen etwa durch Gesetz untermauerten, würden war damit den Käse praktisch entliberalisieren und auch Schwierigkeiten beim GATT in Torquay bekommen. Das bedeutet also praktisch, daß auf diesem Wege eine Erleichterung nicht zu schaffen sein wird.
Nun zur Frage der Ermöglichung der Beimischung von Magermilchpulver zum Weizenbrot. Dazu darf ich Ihnen mitteilen, was schon Herr Dr. Horlacher andeutete, daß in Nordrhein-Westfalen in sechs Großstädten ein drei Monate dauernder Versuch gemacht wird. Dieser hat in anderthalb Monaten bereits gezeigt, daß auf diesem Gebiet erhebliche Fortschritte zu erzielen sind. Dem Brot werden 3 % Trockenmilch beigemischt. Das Publikum, dem diese Maßnahme auf einer Banderole angezeigt wird, zahlt drei Pfennig pro Kilo mehr und kauft das Brot in zunehmendem Maße. Für die ersten anderthalb Monate waren 75 bis 80 Tonnen Milchpulver in Aussicht genommen. Bis jetzt sind schon 114 Tonnen verbraucht. Die Erwartungen sind also bei weitem übertroffen. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist man mit dem Verbacken von Milchpulver in Weizenbrot bei 6 % angelangt.
Was den Export von Emmentaler angeht, so kann man sagen, daß das Bundeslandwirtschaftsministerium ihn aufs kräftigste unterstützt. Im Jahre 1951 wurden 1200 Tonnen, im Jahre 1952 2900 Tonnen ausgeführt. Im laufenden Jahr werden wir auf mehr als 2500 Tonnen kommen. Es bestehen also auch auf diesem Gebiete gewisse Möglichkeiten.
Mit Frankreich schweben außerdem aussichtsreiche Verhandlungen über den Export von Emmentaler. Diese Verhandlungen sind allerdings erst möglich geworden, nachdem Deutschland den Käse liberalisiert hat. Wenigstens auf diesem Gebiet und in dieser Richtung ist also ein Lichtblick zu verzeichnen.
Die Verwendung von Bundeshaushaltsmitteln habe ich bereits erwähnt. Ich habe natürlich in Beantwortung der Großen Anfrage zentrale Probleme der. Milchwirtschaft nicht ansprechen können; das hätte den Rahmen dieser Debatte überschritten. Es ist aber ganz sicher, daß in der Milchwirtschaft, auch für die Verbraucher, Verbesserungen in den kommenden Jahren bevorstehen. Auf dem gerade jetzt so beklagenswert unrentablen Gebiet der Milchwirtschaft ist also noch eine erhebliche Chance für Verbraucher und Erzeuger vorhanden.
Beifall in der Mitte.)
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich frage: Wird eine Besprechung der Großen Anfrage gewünscht? — Das sind mehr als 30 Abgeordnete. Die Besprechung findet statt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dannemann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vorliegende Anfrage beschäftigt sich mit einem Problem, das nicht zum ersten Mal Gegenstand einer eingehenden Debatte in diesem Hohen Hause ist. Sie behandelt auch. keine Angelegenheit, die nur das Allgäu angeht, sondern die Rentabilität der Milchwirtschaft ist schlechthin für alle bäuerlichen Veredelungsbetriebe von entscheidender Bedeutung. Rund 30 % aller landwirtschaftlichen Einnahmen entfallen im Bundesgebiet auf die Milchwirtschaft, und idieser Anteil steigt um so mehr, je höher der natürliche Grünlandanteil liegt und einseitiger damit naturbedingt die Rindviehhaltung werden muß. Sie liegt in den Küstengebieten Schleswig-Holsteins und Niedersachsens und im Allgäu, wie Sie aus 'den Ausführungen des Herrn Kollegen Horlacher gehört haben, bei 50 bis 70% und zum Teil darüber, mit anderen Worten, es steht und fällt die Rentabilität dieser Betriebe mit den Milchpreisen. Da es sich dabei fast ausschließlich um bäuerliche Familienbetriebe handelt, ist die Regelung der Milchwirtschaft zu einem sozialen Problem erster Ordnung geworden.
Es ist auch viel zu wenig der volkswirtschaftliche Wert bekannt, welchen die Milchproduktion im Bundesgebiet darstellt. Im Jahre 1952 betrug der Wert der Milcherzeugung mit 16 Milliarden kg genau so viel wie der der gesamten Steinkohlenproduktion. Jeder in Deutschland ist von der Wichtigkeit unserer Kohlenförderung überzeugt, und es hat auch in der Vergangenheit parlamentarisch gar keine Schwierigkeiten bereitet, Maßnahmen durchzusetzen, die eine weitere Förderleistung zu Folge hatten. Wie ganz anders ist demgegenüber die öffentliche Meinung und auch die Haltung der Staatsführung gegenüber unserer deutschen Milcherzeugung!
Mit steigender Sorge beobachten wir die für den Milcherzeuger seit einigen Jahren immer ungünstiger werdende preisliche Entwicklung. Mit einem Preisindex von 171 gegenüber 1938 liegt der Milchpreis heute an der untersten Grenze ialler landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Bereits im Jahre 1951 fanden in Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers in Rhöndorf entscheidende Besprechungen statt, bei denen speziell auch die Milchfrage behandelt wurde. Es herrschte damals absolute Einigkeit
darüber, daß alles geschehen müsse, um diesen für die Landwirtschaft so entscheidenden Produktionszweig wirtschaftlicher zu gestalten. Man war sich darüber im klaren, daß allein über den Absatz von Butter dieses Problem nicht zu lösen war, sondern daß in erster Linie durch Maßnahmen mit dem Ziel eines verstärkten Trinkmilchverbrauchs geholfen werden müsse.
Dazu war aber für die Landwirtschaft erforderlich, nichts unversucht zu lassen, die Qualität zu fördern und alle Anstrengungen zu machen, den Verbrauchern absolut einwandfreie und gesunde Milch zur Verfügung zu stellen. Mit Recht verlangte der Verbraucher eine Milch mit einem höheren Fettgehalt als 2,8 %, wie er zu Zeiten des Krieges üblich und notwendig war. Gerne ist unsere Landwirtschaft diesem Wunsch nachgekommen und hat durch Ausmerzung und andere Maßnahmen Millionenbeträge zur Gesundung unsere Viehbestände aufwenden müssen. Sie tat das und sie konnte das nur tun im Vertrauen auf das gegebene Wort des Herrn Bundeskanzlers und auf die später durch die Parlamentsbeschlüsse gefaßten Entscheidungen. Gesetzlich wurde festgelegt, daß die Trinkmilch bei 2,8 % Fettgehalt einen Preis haben sollte von 38 Pfennigen, bei 3 % Fettgehalt von 40 Pfennigen und bei 3,2% von 42 Pfennigen, was einem Molkereiabgabepreis für Butter von 5,80 DM je kg oder einem Verbraucherpreis von 6,30 DM je kg entsprechen sollte. Für den Landwirt entsprach das einem Erzeugerpreis von 26 Pf je Liter. Tatsächlich aber ist — und die Aus führungen des Herrn Ministers haben es eben bestätigt — in den letzten Jahren dieser Preis nicht annähernd erzielt worden, im Gegenteil, er lag zum Teil ganz erheblich darunter. Alle Bestrebungen nach weiterer Qualitätsverbesserung und nach Erhöhung des Trinkmilchverbrauchs hören einfach da auf, wo die Gestehungskosten nicht mehr gedeckt werden. Das ist sehr bedauerlich; denn wir liegen heute, wie wir eben ebenfalls gehört haben, mit einem Trinkmilchverbrauch von 0,29 1 je Tag und Person weit unter dem Durchschnitt des Verbrauchs der benachbarten Staaten, insbesondere der nordischen Staaten, die einen Trinkmilchverbrauch haben, der zwei- bis dreimal höher liegt.
Hier muß etwas geschehen, da es so nicht weitergehen kann. Die Milch ist das billigste und gesündeste Nahrungsmittel. Insofern begrüßen wir auch grundsätzlich die Anfrage. Über die im einzelnen angeschnittenen Fragen kann man allerdings geteilter Auffassung sein. Sie werden einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden müssen, und sie werden zweifellos in mancherlei Hinsicht eine Änderung bzw. Ergänzung erfahren müssen. Verbraucher und Erzeuger haben gemeinsam das größte Interesse daran, einen möglichst stabilen und gerechten Preis für das ganze Jahr zu halten. Auch sollte nichts unversucht bleiben, die Güte der Milch und den Gesundheitszustand der Tiere zu fördern. Seitens der Landwirtschaft sind in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen gemacht worden. Ich brauche nur auf die Gesundung unserer Viehbestände, auf die Bekämpfung des Abortus-Bang und anderer Krankheitserscheinungen hinzuweisen. Es ist wahrhaftig ein stolzes Ergebnis, wenn wir heute Molkereieinzugsgebiete haben, die über vollkommen gesunde Milchviehbestände verfügen, wenn die Belieferung der Besatzungstruppen im Gegensatz zu früheren Jahren heute aus deutscher Erzeugung möglich geworden ist und wenn darüber hinaus vor einigen Wochen in Oldenburg erstmalig eine Auktion durchgeführt werden konnte, bei der nur Tiere aus anerkannt absolut gesunden Beständen zur Anlieferung gelangten. Das wird auch in Zukunft so bleiben.
Aber trotz all dieser Anstrengungen bleibt der Preis der Qualitätsmilch nach oben hin blockiert. Hier muß eine Änderung eintreten. Auch ist es geradezu widersinnig, wenn heute noch die Molkereien, die zur Ausmerzung kranker Tiere oder die zugunsten der Verbraucher im Interesse der Qualitätsverbesserung Aufwendungen machen, dafür zur Körperschaftsteuer oder anderen Steuerarten herangezogen werden oder wenn solche Maßnahmen seitens des Herrn Bundesfinanzministers als „steuerschädlich" angesehen werden.
Auch sind wir der Meinung, daß die Gesundung unserer Tierbestände nicht ausschließlich Angelegenheit der Landwirtschaft sein kann, sondern zum großen Teil eine Staatsaufgabe ist. Es ist geradezu widersinnig, wenn wir feststellen müssen, daß auf dem Gebiet der Humanmedizin ohne weiteres Millionenbeträge vom Bund und von den Ländern zur Verfügung gestellt werden, während man bisher nicht gewillt war, am Ursprungsherd der Erkrankung auch nur die geringsten Beträge einzusetzen.
Landwirtschaft und Verbraucher sind sich darüber im klaren, daß alle Maßnahmen ergriffen werden müssen, die eine Verteuerung des Endprodukts ausschließen. All das, was zur Verteuerung des Endprodukts beiträgt, sollte schnellstens abgebaut werden. In diesem Zusammenhang möchte ich nur einmal auf die Auswirkung der Umsatzsteuer in der Milchwirtschaft hinweisen. Nach den angestellten Erhebungen wird heute jeder Liter Milch, der zu Butter verarbeitet wird, mit 1,78 Pf Umsatzsteuer belastet. Würde diese Umsatzsteuer fallen — was durchaus berechtigt und zweckmäßig wäre —, so ergäbe sich daraus bei einer jährlichen Ablieferung von 12 Milliarden Liter Milch allein für die Landwirtschaft eine zusätzliche Einnahme von 212,5 Millionen DM. Ja, bei der Durchführung einer derartigen Maßnahme und bei einer entsprechenden Qualitätsverbesserung könnte das Kilogramm Butter für den Verbraucher noch um 15 Pf verbilligt werden. Hier sollte der Herr Bundesfinanzminister wahrhaftig eine Änderung in der Steuerveranlagung eintreten lassen. Sie könnte sich sowohl für den Verbraucher als auch für den Erzeuger nur segensreich auswirken.
Nun einige Worte zum Butterproblem. Mit gewisser Sorge beobachten wir in Deutschland -
aber nicht nur bei uns, sondern in ganz Europa — den Rückgang des Verbrauchs an Butter und die ständige Zunahme der Verwendung von Margarine. Diese Erscheinung kann, wie gesagt, nicht nur in Deutschland, sondern allgemein in Europa beobachtet werden. Heute beträgt der Butterverbrauch in Westdeutschland 6,4 kg je Kopf und Jahr gegenüber einem Verbrauch von 8 kg vor dem Kriege. Ich will hierbei gar nicht auf unsere Abhängigkeit vom Ausland bei verstärkter Margarineerzeugung eingehen, die, wie Sie alle wissen, zu 95 % auf ausländischer Basis aufgebaut worden ist. Viel mehr Sorge bereitet uns die Tatsache, daß man glaubt, die Nahrungsmittel ernährungswirtschaftlich nur nach ihrem Gehalt beurteilen zu müssen, ohne auf die spezifische biologische Wirkung zu
achten. Die in ganz Europa seit Jahrzehnten zu beobachtende Unterversorgung mit ungesättigten Fettsäuren, wie sie bei der synthetischen Fettherstellung, aber auch bei der Fettversorgung über die Margarine gegeben ist, muß eines Tages — und das ist heute vielfach schon zu beobachten — zu ernährungsphysiologischen Störungen führen. Das biologische Fett in der Butter kann nicht einfach durch synthetisches Fett und auch nicht durch das Fett in der Margarine ersetzt werden. Da die Butterproduktion jahreszeitlich verschieden ist auf der anderen Seite aber der Verbraucher ein Interesse an einem stabilen Preis und einer gleichmäßigen Versorgung hat, sieht ja das Milch-und Fettgesetz die Einrichtung einer Einfuhr- und Vorratsstelle vor. Aber nur allzu häufig haben wir in den letzten Jahren die Bevorratung von Butter zu sehr in das politische Gezerre hineingezogen, und eine derartige Maßnahme mußte sich zwangsläufig zum Nachteil der Verbraucher auswirken. Insofern hat die Bevorratung seitens des Bundes ihre Berechtigung.
Ich möchte in diesem Zusammenhang jedoch auf die bisherige Funktion der Einfuhr- und Vorratsstellen nicht eingehen. In dieser Hinsicht werden wir demnächst dem Parlament entsprechende Vorschläge einreichen, die ein wirkliches und sinnvolles Funktionieren garantieren und die die Entscheidung über die jeweilige Bevorratung nicht immer allein von dem mehr oder weniger guten Willen des Geldgebers beim Bund oder gar von dem Druck der politischen Parteien abhängig machen.
Damit hängt auch die Frage des Käseabsatzes zusammen. Es kann nicht Sache der Einfuhr- und Vorratsstellen sein — der Herr Minister hat das eben schon herausgestellt —, Aufgaben zu übernehmen, die ihr nach dem Gesetz gar nicht zukommen. Ganz ohne Frage hat sich die Lage auf dem Käsemarkt seit der Liberalisierung verschlechtert. Es fragt sich überhaupt, ob die Einfuhren in dem Umfange, wie es geschehen ist, durchgeführt werden mußten. Das trifft insbesondere auch für die Butter zu. Wir sollten dabei viel mehr Rücksicht auf die eigene Erzeugung nehmen. Wir sollten in Zukunft Verträge über Einfuhrmengen abschließen, die mehr nach sogenannten Besserungsklauseln ausgerichtet sind als nach festen Kontingenten. Daß die landwirtschaftlichen Selbsthilfemaßnahmen an erster Stelle stehen müssen und nicht alles Heil nur vom Staat erhofft und erwartet werden sollte, ist eine Selbstverständlichkeit. Der Staat aber sollte durch entsprechende handels- und steuerpolitische Maßnahmen diese Selbsthilfemaßnahmen des Berufsstandes belohnen und nicht bestrafen.
Wesentlich für die Rentabilität der Milchwirtschaft ist die Verwertung der Magermilch. Je besser diese durchgeführt wird, um so günstiger ist selbstverständlich der Milcherzeugungspreis. Da leider nur ein Teil der Magermilch verfüttert werden kann und da auch die Käsearten, die aus Magermilch hergestellt werden, heute besonders schwer abzusetzen sind, müssen hier andere Maßnahmen ergriffen werden. Von einer Zwangsbeimischung allerdings, auf die man aus dem Antrag vielleicht schließen könnte, halten wir nicht viel. Wir sind vielmehr der Meinung — und die guten Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen ermutigen uns dazu —, daß es bei einer geschickten Propaganda durchaus möglich sein sollte, auch auf
freiwilliger Basis zu einer Beimischung in Höhe von 3 % zum Brot zu gelangen, zumal auf diese Art und Weise durch Beimischung eines biologisch hochwertigen Eiweißstoffes gerade für die kaufkräftigen Schichten unserer Bevölkerung die Eiweißfrage am einfachsten und billigsten gelöst werden kann.
Wir glauben auch, daß in der Viehfütterung in viel stärkerem Umfang, als es bisher geschehen und bekannt ist, die ausländischen Fischmehlarten durch dieses neue Eiweißtrockenfutter ersetzt werden können, besonders wenn wir, wie der Herr Minister andeutete, mit Hilfe der Ausgleichsmittel seitens des Bundes und der Länder zu einer Verbilligung kommen und wenn diese Maßnahmen nicht einseitig auf das Allgäu beschränkt, sondern für alle notleidenden Grünlandbezirke ergriffen werden.
Abschließend möchte ich feststellen, daß die Regelung der Milchfrage brennend und dringend notwendig ist.
Meine Damen und Herren, ein Pfennig Aufschlag auf die Milch bedeutet für die Landwirtschaft eine jährliche Mehreinnahme von 120 Millionen Mark. Eine Erhöhung des Trinkmilchpreises um einen Pfennig für den Verbraucher schmeißt aber den Haushalt nicht um. Ich bin daher der Meinung, daß es sich hier um eine Frage handelt, die für Tausende von deutschen Veredelungsbetrieben von entscheidender Bedeutung. ist. Wir sollten wirklich alle Maßnahmen ergreifen, um mit diesem Problem schnellstens fertig zu werden. Wünschenswert wäre es, wenn auch vom Bund und von den Ländern Mittel für die allgemeine Einführung eines Milchfrühstücks an den Schulen bereitgestellt und wenn darüber hinaus Maßnahmen ergriffen würden, um den sozial Schwachen einen erhöhten Trinkmilchverbrauch zu ermöglichen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anläßlich dieser ersten Debatte über Milchprobleme darf vielleicht kurz daran erinnert werden, daß wir diese Fragen im ersten Bundestag wiederholt besprochen haben. Ich bedaure sehr, daß bei dem unvoreingenommenen Zuhörer im Laufe dieser wiederholten Aussprachen über Milchprobleme der Eindruck entstanden sein wird, daß man auf diesem Gebiet offenbar nicht weiterkommt. Es werden immer dieselben Klagen geführt, es werden immer dieselben Forderungen erhoben, es werden immer dieselben Feststellungen von der Bedeutung der Einnahmen aus der Milch usw. getroffen. Das einzige, was bemerkenswert ist, ist die Regelmäßigkeit, mit der die Geschichte wiederholt wird. Tatsächlich sind wir auch in der Praxis nicht weitergekommen, und mit Recht ist an den Ausgangspunkt so vieler Hoffnungen und Enttäuschungen, an die berühmten Rhöndorfer Gespräche über den Milchpreis, erinnert worden.
Ich glaube, daß wir auch auf dem Wege nicht weiterkommen werden, der mit dieser Großen Anfrage hier nicht neu beschritten, sondern nur weitergegangen wird. Ich kann Herrn Horlacher eigentlich nur in einem Punkt seiner Ausführungen rückhaltlos zustimmen, nämlich da, wo er gesagt hat:
Man muß das Grundproblem einmal ganz anders anpacken!
Der Minister ist in der — ich weiß nicht, ob bedauerlichen oder glücklichen — Lage gewesen, von der Mehrzahl der Punkte hier gleich nachweisen zu können, daß es so einfach nicht geht. Wir wissen, warum die Forderung, nun endlich den Käse in die Einfuhr- und Vorratsstelle einzubeziehen, nicht erfüllt werden kann. Wir wissen von einer ganzen Reihe von anderen Fragen, auch von der Einlagerung von Butter in ,den Einfuhr- und Vorratsstellen, daß sich auf diesem Wege das nicht erreichen läßt, was im Mittelpunkt der Überlegungen steht, nämlich eine Erhöhung des Auszahlungspreises für den Erzeuger.
Natürlich haben die Damen und Herren recht, die hier festgestellt haben oder vielleicht noch feststellen werden, daß die Milch für die Landwirtschaft ein Problem ersten Ranges ist, daß sie aber auch für den Verbraucher und für die Volksgesundheit ein Problem ersten Ranges ist. Wenn man nun aber dieser Bedeutung durch die Agrarpolitik und die Ernährungspolitik wirklich Rechnung tragen will, dann muß man, wie gesagt, das Grundproblem einmal ganz anders anpacken.
Hier ist mit einer gewissen Vorsicht von einer Milchpreiserhöhung um einen Pfennig geredet worden. Herr Kollege Dannemann hat gesagt, wieviel ein Pfennig Mehreinnahme für die Landwirtschaft bedeute und daß ein Pfennig Mehrausgabe für den Verbraucher nicht so schlimm sein könne. Das sind aber doch zwei Größen, die sich gar nicht miteinander vergleichen lassen. Wir wissen j a: wenn man den Milchpreis für den Verbraucher um einen Pfennig erhöht, würde günstigstenfalls — und auch das ist keineswegs sicher — nur ein Bruchteil dieses Pfennigs unten beim Erzeuger ankommen.
Wir haben ja schon Verbrauchermilchpreise erhöht, und niemand ist in der Lage, zu behaupten oder nachzuweisen, daß sich daraus die Rentabilität der Milchviehhaltung für den Erzeuger gebessert habe.
Das liegt, glaube ich, im wesentlichen daran, daß man offenbar nicht Abschied nehmen kann von gewissen liebgewordenen Vorstellungen, die mir so eine Art von milchwirtschaftlichem Aberglauben zu sein scheinen und über die man einige neuere Erkenntnisse und einige vielleicht nicht ganz bequeme Wahrheiten nicht zu erkennen vermag. Man soll sich endlich einmal klarmachen, daß es so, wie die Dinge nun geworden sind, unmöglich ist, die Rentabilität aus der Milchviehhaltung über den Butterpreis zu sichern. Das würde auch dann nicht möglich sein, wenn, wie hier, ein neuer Weg beschritten wird, dem Verbraucher zu sagen, daß aus dem zunehmenden Margarineverzehr jetzt schon gewisse abträgliche biologische Auswirkungen zu erkennen seien. Dia müßten andere Völker schon beinahe ausgestorben sein,
wenn man sich mit der Margarine, wie sie heute angeboten wird, nicht einwandfrei und biologisch richtig ernähren könnte! Das kann man nun aber! Ich bitte sehr, hier nicht etwa Töne des Bedauerns durchklingen zu lassen. Denn es ist uns allen klar: wir können den heutigen Fettverbrauch unserer Bevölkerung eben nur über die Margarine auf der uns allen erwünschten Höhe halten. Aus den verschiedensten Gründen wäre das über die Butter ganz einfach nicht möglich. Wir schneiden uns die Wege zu besseren Lösungen und zur richtigen Erkenntnis ja selber ab, wenn wir hier an Vorstellungen festhalten und immer Behauptungen wiederholen, die in der Praxis längst widerlegt sind. Das mag bequem sein — bequem in der Propaganda —, und es mag irgendwo den Eindruck erwecken, als kämpfe man wie zwei Löwen um eine Besserung der Situation. Aber den Leuten ist in Wirklichkeit damit gar nicht gedient, daß man ihnen das sagt, was sie gern hören, wenn dabei materiell für sie nichts herauskommt.
— Es werden ein Haufen Dummheiten gesagt, natürlich, Herr Kollege Horlacher.
Ich glaube nicht, daß es richtig ist, so zu verfahren, wie ich es hier beinahe glaube gehört zu haben: die Margarine zu diffamieren, in der Hoffnung, die Leute würden dann mehr Butter essen.
Das gibt es einfach nicht; das haben wir erfahren, und daraus sollten wir endlich Konsequenzen ziehen.
Diese Konsequenzen scheinen mir eindeutig die zu sein, daß der Verbraucher für sein Geld von dem biologisch so wertvollen Milchfett am meisten in der Vollmilch kaufen kann und daß auch der Erzeuger am meisten von derjenigen Milch hat, die in Form von Frischmilch, von Trinkmilch verbraucht wird. Da können wir uns einfach nicht mehr mit der Tatsache abfinden, daß ein so kleiner Prozentsatz — Sie haben es hier eben gehört: ein bißchen mehr als ein Viertel — der gesamten Milchproduktion vom Verbraucher direkt aufgenommen wird. Die Zerlegung der Milch in Butter und Magermilch ist ja gerade das Kostspielige; gerade in diesem Verarbeitungsprozeß bleibt so viel von dem, was der Verbraucher auf den Tisch legt, hängen, daß unten beim Erzeuger eben viel zuwenig ankommt. Sie haben die Zahlen gehört.
Wir müssen uns umstellen. Wir müssen nicht nur theoretisch fordern, es solle mehr Milch verbraucht werden. Das ist nicht nur eine Frage der mehr oder weniger geschickten Propaganda. Hier hat sich einiges gebessert; aber sehr vieles in der Werbung für den Milchverbrauch ist — da bin ich mit Herrn Horlacher wieder einmal einig — außerordentlich dilettantisch gemacht, und die Leute sollten sich tatsächlich einmal ansehen, wie andere für ihre Produkte werben.
Dazu sind auch noch einige andere Voraussetzungen nötig, und da, meine Damen und Herren, scheint mir das eigentliche Kernproblem zu liegen Wir haben nämlich im Bereich der Milchwirtschaft eine Ordnung, die für mein Gefühl wirklich eine Ordnung der Zwangswirtschaft ist, und aus ihr kommen all die unangenehmen Auswirkungen, die sich in erster Linie einer Ausweitung des Frischmilchverzehrs entgegenstellen. Im Bereich der Milchwirtschaft ist der Wettbewerb, der Leistungsvergleich, wenn nicht zu 100 %, dann — das kann ich mit gutem Gewissen sagen — zu 99,5 % ausgeschaltet. Die meisten von Ihnen wissen vielleicht gar nicht, daß man hier noch nach Prinzipien verfährt, die in diesem Lande nach den vielen Proklamationen, die so gelegentlich zu hören sind, eigent-
lieh nirgendwo mehr zu finden sein sollten. Immer noch ist der Erzeuger gezwungen, seine Milch an eine Molkerei abzuliefern, die ihm die Behörde zugewiesen hat. Immer noch ist die Molkerei gehalten, ihre Milch nur an die Milchhändler zu verkaufen, die ihr von der Behörde zugewiesen sind, und ebenso sind die Milchhändler gehalten, von der Molkerei Milch zu beziehen, an die sie verwiesen worden sind. In weiten Bereichen ist man geradezu stolz darauf, daß man den ambulanten Handel mit Milch völlig abgeschafft hat, daß es Ein-MannBezirke gibt. So ist eigentlich auch die Hausfrau schon an den für sie zuständigen Milchhändler gebunden, und nur, wenn sie den weiteren Weg in den nächsten Bezirk nicht scheut, kann sie ihre Milch von einem Händler beziehen, der ihr sympathischer ist oder leistungsfähiger scheint. Jeder von uns, der in die Dinge hineinschaut, weiß, &.;-5 hier eigentlich die Wurzel des Übels liegt daß hier die vielen falschen Kosten entstehen, die ausnahmslos zu Lasten des Erzeugers gehen,
wenn sich der Verbraucher längst mit dem Milchpreis, den er zahlen muß, abgefunden hat und wenn selbst die Milch aufgenommen wird, die zu wesentlich höheren Preisen als bessere Milch oder gar als Vorzugsmilch dem Verbraucher angeboten wird. Wir haben gestern im Ernährungsausschuß aus einer Stadt gehört, daß die Vorzugsmilch in der modernen Pergamentpackung sogar mit 37 Pfenning pro halbes Liter verkauft und aufgenommen wird.
Für den Erzeuger hat sich die Lage dadurch immer verschlechtert, daß er bei gleichbleibenden Trinkmilchpreisen und trotz einer gewissen Zunahme des Trinkmilchverbrauchs für die von ihm abgelieferte Milch immer weniger bekommt. Ich mache Ihnen den Vorschlag, sich einmal in Ihrem Bereich die Unterschiede in den Auszahlungspreisen der Molkereien anzusehen, ehe diese Unterschiede durch den Ausgleich zu Lasten der leistungsfähigen Molkereien zugedeckt worden sind. Sehr oft ist der unfähige Leiter einer Molkerei schuld, der sich im übrigen ja auch nicht groß anzustrengen braucht und dem die Lieferanten sozusagen durch die Polizei zugeführt werden. Die Abnehmer werden ihm auch frei Haus geliefert, und die müssen halt mit dem, was da ist, zufrieden sein. Wer da heraus will, muß lange Anträge ausfüllen, und die Genehmigung seines Antrags hängt dann davon ab, ob eine Behörde erlaubt, den Lieferanten oder den Abnehmer zu wechseln. Warum soll man sich da groß anstrengen? Das ist ja eine Tatsache, die viel zu bekannt ist, und es ist auch ein menschlich ganz begreifliches Verhalten.
Wir haben bei der Vorlage des Milchgesetzes — des Marktordnungsgesetzes, auf dem die Milchmarktordnung beruht — und auch bei der Vorlage der Novelle leider vergeblich versucht, hier ein bißchen Auflockerung zu schaffen. Damals haben wir Anträge eingebracht, die dahin gingen, daß es dem Erzeuger beispielsweise erlaubt sein sollte — ohne dabei von der Zustimmung einer Behörde abzuhängen —, wenn er seine Milch schon einer Molkerei anliefern muß, sich diese Molkerei wenigstens in einem redlichen Rahmen selber aussuchen zu können. Wir haben damals schon im Interesse der Qualitätssteigerung vorgeschlagen, man solle dem Milchhändler erlauben, seine Milch — wenn schon von der Molkerei und nicht direkt vom Erzeuger — dann wenigstens von d e r Molkerei beziehen zu können, von der er glaubt, auch qualitätsmäßig am besten bedient zu werden. Wir haben dies vorgeschlagen, weil schließlich — das ist hier schon mehrfach gesagt worden und kann nur unterstrichen werden — nur in der Qualität der Anreiz zum Mehrverbrauch liegt und nicht in der Moral oder in irgendwelchen anderen Formen der Belehrung und Beschwörung.
Aber alle diese Anträge sind leider abgelehnt worden. Wir werden sie bei der ersten möglichen Gelegenheit aus der Überzeugung wiederholen, daß man anders mit diesem Problem nicht fertig werden kann und daß hier die Vorstellungen von einer Marktordnung geradezu zu Tode geritten werden, obwohl längst heraus ist, daß mindestens der Erzeuger von dieser Marktordnung nicht das bekommen hat, was er von ihr erwartete.
Wir müssen uns nicht nur von Ordnungen und von Vorschriften frei machen, die die Milch unbeweglich machen, sondern wir müssen uns auch sonst etwas einfallen lassen, um den Verbraucher mit mehr Milch in Berührung zu bringen und ihm die Milch so leicht zugänglich zu machen, wie ihm soundso viele andere Waren zugänglich sind, bei denen sich ja auch niemand über Abnahme oder Verzehr beklagen kann. Ein Beispiel für solche Möglichkeiten ist etwa das Speiseeis. Was hier vorhin über die Umsatzsteuer gesagt worden ist, wiegt noch viel schwerer, wenn man bedenkt, daß über ein gutes Speiseeis — es gibt darüber ja Qualitätsvorschriften — sehr große Vollmilch aufgenommen werden könnten. Wir kämen also schon weiter, wenn unserer Bevölkerung ein gutes Speiseeis '_eicht zugänglich machten. Leider sind einige Gemeinden auf die Idee gekommen, das Speiseeis nun noch besonders zu besteuern. Daß das dem Milchverbrauch abträglich ist, braucht im einzelnen nicht bewiesen zu werden.
Ich möchte noch eine Bemerkung zur Frage der stärkeren Einschaltung der Einfuhr- und Vorratsstellen machen. Das alles sind nur — für mein Gefühl jedenfalls — geradezu krampfhafte Versuche an dem alten Weg festzuhalten. Sie stammen noch aus der Überzeugung, man müsse eben den Butterpreis so halten, daß mit diesem Butterpreis die Rentabilität für den Milcherzeuger gesichert ist. Wir wissen ganz genau, daß wir nie so große Buttermengen einlagern können, um wirklich in dem Sinne Marktausgleich zu betreiben, wie das im System der Marktordnung liegt. Die Marktordnung muß sich ja von Marktstützung und Preisstützung unter allen Umständen, und zwar ganz klar, unterscheiden, wenn sie nicht in eine sehr gefährliche Situation hineinkommen soll. Wir haben mit der Einlagerung großer Buttermengen Erfahrungen. Wir wissen, wie es den Ablauf des Marktes stört, wenn diese für eine Lagerung nicht besonders geeignete Ware gewälzt werden muß, wenn immer wieder alte Butter aus der Vorratsstelle heraus und der Vorrat durch neue Butter aufgefüllt werden muß. Die Einfuhr- und Vorratsstelle ist dann so im Markt, wie sie das eigentlich nicht sein sollte, ganz abgesehen von den hierdurch entstehenden Kosten.
Wir sollten auf diesem Wege auch nicht weitergehen, mit der Illusion, man könnte über das Brot die Magermilch zu einer besseren Verwertung bringen. Ich habe die Sorge, daß alle diese Versuche uns immer wieder von dem einzig Möglichen abführen, nämlich mit aller Gewalt und mit dem Einsatz entsprechender Mittel den Trinkmilchabsatz auf die Höhe zu bringen, die vom Standpunkt einer
optimalen Volksernährung erwünscht und notwendig ist und die sich, wie Vergleiche mit anderen Ländern zeigen, auch sicherlich erreichen läßt, wenn man das nur wirklich will und sich dabei nicht auf Proklamationen und Forderungen beschränkt, sondern auch einmal zu Maßnahmen kommt. Ich will hier offen aussprechen, daß dazu auch öffentliche Mittel gehören, nicht nur für die Werbung, nicht nur für Hilfen z. B. für die minderbemittelte Bevölkerung bei Schulspeisungen usw. Ich glaube vielmehr, wir kommen nicht darum herum, auch einmal öffentliche Mittel für ein Programm der Gesundung unserer Viehbestände einzusetzen. Das ist, soweit ich im Bilde bin, in keinem Lande nur aus den eigenen Kräften der Landwirtschaft gemacht worden. Dieses Programm muß unter allen Umständen durchgeführt werden; denn auch wir kommen einmal an den Punkt, an dem es uns niemand mehr abnimmt, daß die Milch, gegen die die Leute gewisse innere Vorbehalte haben, das Normale sei und daß die Milch aus gesunden Viehbeständen das Übernatürliche sei und deshalb ganz besonders teuer bezahlt werden müsse. Deshalb müssen wir vom Bund nicht bloß freundliche Bekenntnisse und Versprechungen, sondern wirksame Maßnahmen auch in finanzieller Hinsicht fordern. Das ist auf alle Fälle viel wirksamer, als wenn man hier versucht, auf dem Umweg über das Brot etwas von der Magermilch loszuwerden.
Es ist doch eigentlich ein bißchen komisch, daß wir dieses prachtvolle Naturprodukt Milch zunächst einmal in Butter und in Magermilch zerlegen. Die Magermilch wird dann mit sehr erheblichen Kosten in Magermilchpulver verwandelt. Dieses Magermilchpulver muß dann — auch wieder auf Kosten der Landwirtschaft! — so verbilligt werden, daß es mit Ach und Krach in das Brot hineingeht. Auf der anderen Seite hört man dann schon fragen: Warum wird denn eigentlich nicht die Butter der Margarine beigemischt und auf diese Weise für einen Butterabsatz gesorgt? Wir bringen dieses Naturprodukt mit sehr erheblichen Kosten, mit einer echten Wertminderung zunächst einmal auseinander und bringen es nachher wieder künstlich zusammen, indem wir auf mit Magermilchpulver angereichertes Brot mit Butter versetzte Margarine aufstreichen. Daß das außerdem eine für breite Schichten unerträgliche Belastung der Lebenshaltungskosten ist, das ergibt sich einfach aus dem notwendigen Aufwand für diesen Verarbeitungsprozeß.
Deshalb sollten wir, glaube ich, wirklich einmal versuchen, die Sache von der andern Seite her anzupacken. Wir sollten ruhig erkennen, daß es auf dem bisherigen Weg nicht weitergeht und daß das, was wir mit den Mitteln der Marktordnung hier versucht haben, zu keinem nennenswerten Erfolg geführt hat. Im Gegenteil, die Situation, gekennzeichnet durch die Auszahlungspreise, ist von Jahr zu Jahr unbefriedigender geworden. Wir brauchen vor dieser Erkenntnis keineswegs die Segel zu streichen. Wir müssen nur nach den wirksameren Mitteln suchen. Wir werden das nur schaffen, wenn wir uns ganz offen und ganz eindeutig von den überkommenen Vorstellungen und von den krampfhaften Versuchen frei machen. das, was nun ein paarmal nicht gegangen ist, noch einmal zu fordern, zu unternehmen und zu probieren. Das wird uns keinen Schritt weiterhelfen.
Es ist hier nicht beantragt worden, den Ernährungsausschuß mit der Weiterbehandlung der Großen Anfrage und dessen, was mit ihr gewollt
und gemeint ist, zu beauftragen. Ich möchte es Herrn Kollegen Dr. Horlacher überlassen, diesen Antrag zu stellen. Es ist vielleicht nicht notwendig, da man weiß, daß der Ernährungsausschuß sich sowieso mit diesem Problem befaßt. Wenn aber zur Unterstreichung der großen Bedeutung des Problems Milch und Milchwirtschaft ausdrücklich die Überweisung beantragt wird, werden wir ihr mit aller Freude zustimmen.
Zu diesem Thema wäre darauf hinzuweisen, daß auch nach der Geschäftsordnung eine solche Überweisung nur zur Prüfung eines Antrags möglich ist, der gleichzeitig gestellt wäre.
Das Wort hat der Abgeordnete Bauknecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Sorge; es folgt kein Monolog; nur ein paar Bemerkungen zu dem bisher Gesagten.
Herr Kriedemann, wir sind uns darin völlig einig, daß, auf lange Sicht gesehen, der deutschen Milchwirtschaft entscheidend nur geholfen werden kann, wenn es gelingt, den Trinkmilchabsatz zu steigern. Ich glaube kaum, daß darüber in diesem Hause ein Unterschied in der Auffassung besteht; aber Sie wissen genau so wie ich, wie schwierig das ist und daß man das nicht auf Kommando tun kann. Man kann es auch deshalb noch nicht tun, weil wahrscheinlich heute nicht genügend Milch in der Güte, die wünschenswert wäre, zur Verfügung steht und weil auch die dafür notwendigen Einrichtungen fehlen. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß in anderen Ländern eine totale Kühlkette vom Kuhstall des Bauern bis zum Volkskühlschrank des Verbrauchers besteht. Was nützt es, wenn die Familie frische Milch kauft, die — das liegt nun einmal in der Natur der Sache — unter dem Temperatureinfluß Gefahr läuft, sauer zu werden? Wir möchten hoffen, daß das Ministerium alles tut, auf diesem Weg auch durch Förderung mit staatlichen Mitteln zu helfen, und wir gehen hier durchaus mit unserm Bundeswirtschaftsminister einig, wenn er der Auffassung ist, daß man gerade den Volkskühlschrank fördern und möglichst billig an den Verbraucher heranbringen sollte.
Solange dieser Weg aber noch nicht gegangen werden kann, ist es Pflicht der Volksvertretung, sich mit den momentanen Zuständen auseinanderzusetzen und vorübergehend Wege zu suchen, wie der wirklich schlechte Milchpreis in den Grünlandgebieten verbessert werden kann. Wir sind uns bewußt, daß man ihn nicht allein etwa durch einen hohen Butterpreis ändern kann, weil die Gefahr besteht, daß der Verzehr dann zurückgeht. Aber einen Vorwurf kann ich Ihnen, Herr Minister, bzw. Ihrem Vorgänger, hier allerdings nicht ersparen: Sie sind ja erst kurze Zeit für dieses Ressort verantwortlich. Wenn man davon spricht, daß die deutsche Produktion so hoch sei, daß auf dem Markt nicht mehr aufgenommen bzw. an Butter nicht mehr verzehrt werde, so ist Ihnen doch genau so wie mir die Tatsache bekannt, daß trotzdem von April bis November 4400 t ausländische Butter eingeführt worden sind. Was hat es denn für einen Wert, wenn wir für einen saisonalen Ausgleich auf Kosten der Bauern privatim 5000 t aus dem Markt herausgenommen haben und anschließend durch die staatliche Einfuhr- und Vorratsstelle 8000 t? Dann werden diese Selbsthilfemaßnahmen oder die
Maßnahmen des Staates wieder blockiert. Ich habe die Bitte an Sie, Herr Minister, und auch an das Kabinett, daß man bei den kommenden Handelsvertragsverhandlungen mit Dänemark und Schweden klipp und klar sagt, daß wir eben keine Butter weiter brauchen und daß die deutsche Produktion bereits zu hoch ist.
— Dann müssen sie einen anderen Weg weisen; denn der Milchpreis ist nun einmal der Lohn für den kleinen Bauern. Darüber besteht gar kein Zweifel, und es wird niemand dasein, der etwa behaupten wollte, daß man Milchwirtschaft nur aus Passion betreibt. Man kann in gewissen Gebieten. in denen die Niederschlagsmenge hoch ist und das Gelände hügelig ist, eben keinen andern Betriebszweig aufmachen.
Herr Kriedemann, ich teile Ihre Auffassung nicht, die Sie vorhin geäußert haben, daß eine Erhöhung des Milchpreises um einen Pfennig den Erzeugern vielleicht nicht zugute käme. Sie hätten einmal die Kämpfe mitmachen müssen, die beispielsweise zwischen den Bauernverbänden und den Molkereien ausgefochten worden sind, bei denen es um den letzten Zehntelpfennig gegangen ist der herausgepreßt wird und auch ausgezahlt wird.
— Dieselben Leute? Wir haben zahlreiche private Betriebe!
Es ist auf der andern Seite ein Verwertungsproblem in bezug auf Käse. Ich möchte hier nicht allzu
viel sagen; wir haben genug Zahlen gehört. Aber
das eine möchte ich hier betonen. Wenn ein vorübergehender Weg — und es gibt keinen anderen —,
die Magermilch haltbar zu machen, die Trocknung
ist, so muß man auch Mittel und Wege finden, die
Trockenmilch zu verwerten. Ich gehe mit Ihnen
einig, daß es ein gewisser Umweg ist, wenn man
die Magermilch ins Brot bringt; aber, Herr Kriedemann, Sie sind doch auch mit mir der Auffassung,
daß das Brot dann mit bestem Eiweiß angereichert
wird und daß auch die leicht verdaulichen Mineralsalze von den Menschen bewußt oder unbewußt zur
Förderung ihrer Gesundheit aufgenommen werden.
Herr Minister, wenn die Möglichkeit im Augenblick nicht besteht, diesen großen Überhang an Magermilchpulver nun zu annullieren, so glaube ich, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle trotzdem die Pflicht hat, diese Magermilchpulver-Bestände aufzunehmen, und dann nötigenfalls, etwa mit staatlichen Mitteln, auf einen Preis herunterzuschleusen, bei dem sie verfüttert werden können. Der Markt muß entlastet werden. Es kann auf keinen Fall so weitergehen, daß die Leute in den Grünlandgebieten bestraft werden. Sie stellen sich vor, daß man das aus den Milchausgleichsgeldern machen könnte. Ich glaube, daß das nur bis zu einem bestimmten Punkte möglich ist. Ich kann Ihnen hier sagen, daß wir unsere Landesmittel beispielsweise bisher schon vollauf zur Stützung der Werkmilchpreise verwendet und nahezu alles zur Auszahlung gebracht haben. Wenn nämlich in dem„schlechten Preis", der vorhin genannt wurde, nicht noch 1 oder 1 1/2 Pfennig Stützungspreis enthalten wäre, so wäre der Milchpreis noch niedriger. Natürlich, Herr Kriedemann, wissen wir, daß die Margarine zu einem Volksnahrungsmittel geworden ist, und es wird auch niemand dasein, der hier eine andere Behauptung aufstellen wollte. Wir wissen auch, daß sich die Qualität der Margarine sehr gebessert hat. Aber, Herr Kriedemann, Sie wissen doch auch, daß in den Ländern, in denen die Rohstoffe für die Margarine erzeugt werden, mit billigsten Löhnen gearbeitet und damit der deutsche Bauer in seinem Lohn gedrückt wird.
Zum Schluß darf ich an das anknüpfen, was ich vorhin angedeutet habe: Man darf diese Gebiete nicht im Stich lassen; denn sie haben keine Möglichkeit zur Umstellung. Solange wir noch nicht zu dem Idealzustand gekommen sind, daß man in den Städten bei den Verbrauchern wirklich einen stärkeren Milchverzehr erreicht, hat die Regierung die Pflicht, hier mit Stützungsmaßnahmen einzugreifen, und zwar sofort!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Preis und Lohn in der Landwirtschaft .
Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Preiß. Die Begründungszeit beträgt 20 Minuten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in gewissem Sinne bedauerlich, daß eine Spezialdebatte, eine Debatte über nur einen Zweig der Landwirtschaft, wenn auch einen sehr bedeutsamen Zweig, einen so erheblichen Teil unserer Zeit in Anspruch genommen hat und dadurch vielleicht die Aufmerksamkeit oder das Interesse für das Zentralanliegen der Landwirtschaft in ihrem Verhältnis zu der Gesamtwirtschaft oder zu Volk und Staat zu kurz kommen könnte. Diesem Anliegen dient aber unsere Große Anfrage, die ich die Ehre habe einzubringen.
Die Landwirtschaft der Bundesrepublik hat nach 1945, insbesondere aber nach der Währungsreform, nachdem ihr wieder die erforderlichen Produktionsmittel in genügendem Umfange zur Verfügung gestellt werden konnten, den laut an sie gerichteten Appell nach rascher Mehrleistung zur Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung unseres Volkes, aber auch zur Entlastung der sehr schmalen Devisendecke zur erleichterten Einfuhr von Rohstoffen und Halbfertigwaren sehr willig aufgenommen und in relativ kurzer Zeit erstaunliche Mehrleistungen erbracht. Betrug im Jahre 1947/48 die Gesamterzeugung in Getreidewert ausgedrückt in der Bundesrepublik 19 Millionen Tonnen oder 16,4 Doppelzentner je Hektar, so steigerte sich diese auf das Wirtschaftsjahr 1952/53 auf insgesamt 37 Millionen Tonnen Getreidewert oder 28,6 Doppelzentner je Hektar. An diese außerordentlich starke Intensivierung der Flächenleistung, die fast einer Verdoppelung in dieser kurzen Zeit gleichkommt, ist die Landwirtschaft natürlich in der selbstverständlichen Erwartung herangegangen — die wohl jedem Erwerbszweig eigen ist —, daß ihr gemäß den Mehrleistungen auch ein entsprechend wachsender der privater Erfolgsanteil zukomme, mit dem sie
insbesondere in der Lage sei, ihre fleißigen Mitarbeiter angemessen zu entlohnen und den auch in der Landwirtschaft allgemein anerkannten, dringend notwendigen Modernisierungs- oder Rationalisierungsprozeß, Herr Kollege Kriedemann, so rasch wie irgend möglich durchzuführen, aber auch finanziell meistern zu können. In dieser Doppelerwartung der Möglichkeit ausreichender Entlohnung der Mitarbeiter und beschleunigter Rationalisierung der Betriebe sieht sich die Landwirtschaft rückschauend bitter enttäuscht.
Das Problem Landflucht — oder wie ich es hier schon einmal bezeichnete: Flucht aus der Landarbeit — wird wieder so lebhaft erörtert wie seit langen Jahren nicht mehr. Dabei deckt sich unseres Erachtens die augenblickliche Erscheinung nicht unbedingt mit der früheren Abwanderung des Bevölkerungsüberschusses vom flachen Lande in die Stadt und damit in die gewerbliche Wirtschaft, was eine durchaus normale Erscheinung eines wachsenden Volkes ist und es auch bei uns lange Jahrzehnte hindurch war. In den letzten Jahren handelt es sich mehr und mehr um eine eindeutige Aufgabe oder Verweigerung der Aufnahme landwirtschaftlicher Arbeit aus dem doch nun mal entscheidendsten Grund — der kann nicht bestritten werden — ungleich geringerer Entlohnung als in fast allen Zweigen der sonstigen Wirtschaft. Darum muß einmal mit aller Deutlichkeit ausgesprochen werden, daß schon seit Jahren eine immer wachsende Zahl von landwirtschaftlichen Betrieben ihre Arbeitsspitzen überhaupt nicht mehr mit Dauerarbeitskräften zu leisten vermag, sondern oft genötigt ist, auf gut bezahlte, wenn auch meist schwarz bezahlte Erwerbslose zurückzugreifen. Das Betrübliche dabei ist, daß diese Abwanderung von nahezu einer halben Million Menschen aus der Landarbeit seit der Währungsreform nicht nur auf familienfremde Arbeitskräfte beschränkt geblieben ist, sondern daß sie in zunehmendem Maße auch die familieneigenen Arbeitskräfte, die nachgeborenen Bauernsöhne und -töchter, erfaßt, ja stellenweise sogar bereits auf Anerbenberechtigte übergegriffen hat.
In gleichem Maße nun, wie sich die Beschaffung oder Erhaltung ausreichender Arbeitskräfte in den Betrieben erschwerte, ergab sich die dringende Notwendigkeit einer raschen Motorisierung und Technisierung, um mit dem Arbeitsvolumen überhaupt fertig zu werden. Diese Maßnahmen wurden dann leider nicht mit Eigenmitteln, sondern in erheblichem Umfang mit Hilfe von mittel- und kurzfristigen, sehr aufwendigen Krediten durchgeführt, die im Jahr die immerhin nicht unbedeutende Summe von durchschnittlich 700 bis 800 Millionen DM ausmachten. So wurde bis jetzt eine Verschuldung der Landwirtschaft mit insgesamt etwas über 5 Milliarden DM herbeigeführt. Dabei kann nüchtern festgestellt werden, daß viele dieser neuen Investierungen durchaus Augenblickszwangslagen entsprangen und sehr oft nicht betriebswirtschaftlichen Zweckmäßigkeiten entsprachen. Auch daraus resultieren sehr bedenkliche Liquiditätsschwierigkeiten sehr vieler Betriebe.
Es mag eingewandt werden, daß die Neuinvestierungen wertmäßig mehr ausmachen als diese durchaus tragbare Belastung von fünf Milliarden für einen solch bedeutsamen Vermögensträger, wie ihn die Landwirtschaft darstellt. Das ist richtig, sie machen wertmäßig mehr aus; aber es ist zu berücksichtigen, daß die Verschuldung nur deshalb in diesen Grenzen geblieben ist, weil die gesamten mitarbeitenden Kräfte der Familie seit Jahr und
Tag auf ihren Barlohn verzichtet haben zugunsten dringend notwendiger Anschaffungen im Betrieb. Hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, liegt das, was ich als die tiefere Ursache der starken, immer mehr zunehmenden Unzufriedenheit auf dem flachen Lande bezeichne, die stellenweise sogar zur Resignation geworden ist. Nämlich alle, angefangen von den Schulpflichtigen, die schon fleißig mitarbeiten, bis zu den ergrauten Altenteilern, die noch bis zum Rande ihrer Kraft mittun, sehen so gut wie keine Barentlohnung ihrer mühevollen Arbeit. So nimmt auch die Abwanderungstendenz der nachgeborenen Söhne und Töchter — zumindest dieser — immer stärker zu, weil sie aus den Erfahrungen der letzten Jahre haben erkennen müssen, daß es den Eltern nicht möglich ist, Rücklagen für sie zu bilden, um sie nach sechs, acht oder zehn Jahren braver Mitarbeit entsprechend ausstatten oder aussteuern zu können.
Wenn die familienfremden Arbeitskräfte so stark die Arbeit aufgegeben haben, dann hat das, wenn man auch durchaus viele psychologische Nebengründe anerkennen mag, seinen entscheidenden Grund in dem großen Lohnabstand gegenüber dem in allen Zweigen der gewerblichen Wirtschaft inzwischen erreichten Durchschnittslohn. Wir müssen dabei berücksichtigen, daß man auf dem Dorf, wo jeder jeden kennt, wo alle dicht beieinander wohnen, sehr genaue Vergleiche von Mann zu Mann und von Familie zu Familie hinsichtlich der Schwere und Verantwortung der zu leistenden Arbeit, aber auch hinsichtlich des Lohnes zieht.
Sie könnten nun einwenden, das seien doch wohl alles mehr stimmungsmäßige Eindrücke, die dem Gesetzgeber nicht allzugroße Veranlassung geben könnten, sich intensiv einer solchen Sache anzunehmen oder mit der Gesetzgebung etwas zur Abstellung solcher Stimmungen zu tun. Mir will aber scheinen, daß genügend objektive Tatbestände vorliegen, um diese Stimmungen begreiflich zu machen.
Hierzu einige Angaben aus einer Fülle von inzwischen angestellten Untersuchungen und Berechnungen aller möglichen Art. Zunächst einige statistische Daten. Der Anteil der landwirtschaftlichen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung betrug nach der letzten Volkszählung 15 %, ihr Anteil an der Zahl der insgesamt Beschäftigten 22 % und ihr Anteil am Volkseinkommen 12 %.
Selbst wenn man berücksichtigt, daß die Beschäftigungsintensität bei allen als „in der Landwirtschaft tätig" bei der Volkszählung Registrierten nicht der Vollbeschäftigung entspricht, und man hier entsprechende Abzüge macht, bleibt doch unverkennbar noch eine beachtliche Diskrepanz.
Zweitens einige Indizes, deren Problematik wir alle kennen, die aber als Hilfsmittel für Vergleiche nun einmal nicht entbehrlich sind; denn wenn, dann beinhalten alle Indizes diese Problematik und nicht nur die Indizes, die für landwirtschaftliche Produkte oder Löhne oder andere Dinge herangezogen werden. Der Index für landwirtschaftliche Erzeugnisse gemessen am Jahre 1938 = 100 steht zur Zeit auf 194, der Index für die sächlichen Betriebsmittel für die Landwirtschaft auf 207, der für die tariflichen in der Landwirtschaft gezahlten Löhne auf 246, der Index für Nahrungsmittelgrundstoffe bei 203, der Index für die Industriegrundstoffe bei 279. Nach Feststellungen des Ifo-Instituts München beträgt die Einkommenszunahme 1952/53
gegenüber dem Vorjahr in der gesamten gewerblichen Wirtschaft im Durchschnitt plus 8 %, in der Landwirtschaft minus 5 %.
Seit 1949 beträgt die Einkommenszunahme in der gewerblichen Wirtschaft 77 %, in der Landwirtschaft 42 %.
Drittens dürften die Arbeiten von Herrn Ministerialrat Dr. P a d b e r g, der sich weit über sein Ressort hinaus größter Anerkennung als objektiver Wissenschaftler erfreut, von außerordentlicher Bedeutung und sehr beachtenswert sein. Sie wissen wohl zum großen Teil, daß er seit Jahren die Wirtschaftsbilanz für die Landwirtschaft zieht. Er kommt dabei, indem er von den Verkaufserlösen zunächst die baren Betriebsausgaben, dann die persönlichen Steuern und Abgaben und schließlich einen Barlohnanspruch der familieneigenen Vollarbeitskräfte abzieht, zu einer eigentlichen Überschuß- oder Reinertragszahl. Diese Aufstellung, auf eine Reihe von Jahren verglichen, sieht folgendermaßen aus, und nur diese Zahlen, die nun wirklich unter dem Strich stehen, geben einen Anhaltspunkt für die Gesamtlage oder -entwicklung, wie sie sich bisher vollzogen hat. Für die Jahre 1935/38 ermittelt Dr. Padberg im Durchschnitt einen echten Überschußbetrag von 128 Millionen Mark, für 1949/50 einen Minusbetrag von 952 Millionen DM, für 1950/51 einen Minusbetrag von 707 Millionen DM und für 1951/52 einen Überschußbetrag von 101 Millionen DM. Sie sehen, daß lediglich im Jahr 1951/52, das klimatisch einen sehr günstigen Verlauf nahm und eine Rekordernte bei fast allen Zweigen der Landwirtschaft brachte, ein Überschuß von 101 Millionen DM erzielt wurde. Diese Zahl bedeutet aber nur die eigentliche Verzinsung des Anlagekapitals, und unter diesem Gesichtspunkt betrachtet dürfte sie noch außerordentlich gering sein.
Obwohl die endgültigen Zahlen für das letztabgelaufene Wirtschaftsjahr 1952/53 noch nicht vorliegen, kann hier schon im voraus gesagt werden, daß es sehr viel ungünstiger abschließen wird als das vorausgegangene Jahr, weil nämlich im Gegensatz zu dem vorausgegangenen Jahr ein ungünstiger Witterungsverlauf weite Landstriche mit einer ausgedehnten Trockenheit überzog und weil sich durch Ertragsminderungen, aber auch durch erhebliche Preiseinbrüche auf wichtigen Märkten für Veredelungsprodukte die Einnahmen verringerten, während sich die Tendenz steigender Betriebsmittelpreise und Löhne nachhaltig fortsetzte.
Als vierte Quelle möchte ich das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften heranziehen, das vor einiger Zeit nachgewiesen hat, daß sich allein von Februar 1950 bis August 1952 die Agrarpreise indexmäßig gegenüber 1938 nur um 30 Punkte verschoben haben, die Betriebsmittelpreise aber um 52.
Fünftens möchte ich mich auf eine ausführliches Gutachten des Ifo-Institutes in München beziehen, das nunmehr in einer ersten Arbeit dieser Art bei Gegenüberstellung von Gesamteinnahmen und -ausgaben unter Einberechnung eines Paritätslohnes für alle Vollarbeitskräfte in der Landwirtschaft einen Paritätslohn zu dem angelernten Industriearbeiter, Ortsklasse III, festgestellt hat. Wohl niemand wird diesen Anspruch im Ernste streitig machen können; denn die Zeiten dürften endgültig der Vergangenheit angehören, wo man glaubte,
wichtige und im allgemeinen mit nicht unbedeutender Verantwortung belastete Landarbeit als für Analphabeten oder geistig Zurückgebliebene vorbehalten ansehen zu können. Unsere Mitarbeiter draußen bei einer so intensiv geführten Landwirtschaft sind durchaus angelernte Arbeiter, ja zum großen Teil sehr beachtliche Facharbeiter.
Bei Berücksichtigung dieser Tatsachen dürfte diese Überlegung des Ifo-Instituts absolut angebracht sein. Sie führt aber dann zu einer Disparitätssumme von 1,5 Milliarden DM pro Jahr.
Nicht zuletzt sei auf eine Veröffentlichung des Deutschen Industrie-Institutes Bezug genommen, das eine sehr :interessante Aufstellung über die Verwendung des Sozialprodukts je Kopf der Bevölkerung angestellt hat, und zwar sind in Vergleich gesetzt die Veränderungen von 1948/49 gegenüber 1936 und von 1952 gegenüber 1948/49. Ich will mich infolge der Zeitnot darauf beschränken, die zuletzt genannten zu zitieren. 1952 haben sich danach gegenüber 1948/49 die Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung bei den Nahrungsmitteln um 17,8 %, bei den Genußmitteln um 70,2 %, bei der Bekleidung um 100 %, bei Möbeln und Hausrat um 96,5 %, bei Heizung und Beleuchtung um 46,4 %, bei Körper- und Gesundheitspflege um 94,1 % und bei Wohnungsnutzung um 11,6 % erhöht. Hieraus wollen Sie ersehen, daß, abgesehen von den Ausgaben für Wohnung, auf keinem Verbrauchsgebiet eine relativ so geringfügige Zunahme der Ausgaben zu verzeichnen ist wie bei den Nahrungsmitteln.
Ich habe all diese Quellen verwandt, von denen wohl niemand sagen kann, sie stünden auch nur in dem leisesten Verdacht, einseitige und zugunsten der Landwirtschaft gefärbte Tatbestände zu vermitteln.
Alle diese Feststellungen beziehen sich aber allgemein auf die unbestreitbare und auch von genügend breiter Öffentlichkeit anerkannte Disparität in der Landwirtschaft schlechthin.
Nun wäre eine Menge zu sagen über die unterschiedlichen Rückwirkungen dieses Tatbestandes auf die verschiedenen Betriebszweige und Betriebsgrößen. Das verbietet mir wiederum die kurze Zeit. So viel sei aber noch festgestellt, daß es sich im Gegensatz zu früheren Agrarkrisen zur Zeit weniger um Krisen der größeren, arrondierten und in der technischen Entwicklung schon weiter fortgeschrittenen Betriebe handelt, bei idenen die Urproduktion einen größeren Anteil an ihrem Marktverkauf einnimmt. In der Hauptsache beziehen sich die krisenhaften Rückwirkungen vielmehr — das hat die vorausgegangene Spezialdebatte ja wohl allen Damen und Herren klarwerden lassen — auf die Masse der bäuerlichen Mittel- und Kleinbetriebe mit ihrer sehr starken Veredelungsproduktion.
In diesen Kreisen, die Sie bei allen Anstrengungen nicht zu routinierten Marktwirtschaftlern erziehen können, ist die Unsicherheit sehr groß geworden, weil sie sich gegen die laufenden Schwankungen und zum Teil bizarren Veränderungen ihrer Märkte nicht zur Wehr zu setzen oder ihnen nicht wirkungsvoll genug zu begegnen wissen. Sie brauchen nicht eine Festpreisregelung, aber eine gewisse Stabilhaltung ihrer wichtigsten Verkaufsprodukte in der Marktnotierung — daran hat, glaube ich, auch die gesamte übrige Wirtschaft ein großes
Interesse —, um von der Unruhe dauernder Auf-und Abbewegungen der Preise für notwendige Lebensmittel wegzukommen. Hierin ist Meines Erachtens die entscheidende Frage der heutigen Agrarpolitik zu sehen.
Es handelt sich dabei nicht nur um eine rein ökonomische, sondern um eine weit darüber hinaus gewachsene staatspolitische, zozielogische oder auch allgemein soziale Frage, nämlich die, ob wir unser reich gegliedertes, in seiner Struktur so engmaschiges Bauerntum erhalten können oder ob wir es von einer ausländischen Konkurrenz,, die unter ,günstigeren 'natürlichen wie allgemein wirtschaftlichen Bedingungen produziert, erdrücken lassen wollen.
Ich möchte es kurz machen, weil mich schon das Schlußlicht mahnt, aber doch noch auf eine Äußerung Bezug nehmen — sie ist mir erst kürzlich bekanntgeworden —, die angeblich vor etwa einem Jahr der ausgeschiedene Herr Bundesernährungsminister Dr. Niklas auf einer agrarwissenschaftlichen Tagung in Bad Kreuznach gemacht haben, soll. Er hat sich dort sehr eingehend zunächst mit der Frage der Wettbewerbsfähigkeit unserer Verediungsproduktion gegenüber günstigeren Lieferländern auseinandergesetzt und soll dann sinngemäß gesagt haben, die Weltwirtschaft sei grausam, und sie werde in den nächsten Jahren bei uns 700- bis 800 000 bäuerliche Existenzen vernichten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir pflichten Herrn Minister a. D. Niklas bei, daß die Weltwirtschaft grausam, ja sehr grausam sein kann. Wenn man sie sich hemmungslos, etwa nach einem unbeeinflußten weltweiten Laissez faire, laissez aller, entwickeln lassen wollte, dann ist ja auch bei uns nicht Schluß bei der Vernichtung von 700 000 bis 800 000 bäuerlichen Existenzen, sondern wird i) eine ebenso große Zahl von mittelständischen Existenzen aus Handwerk und Gewerbe in die Vernichtung einbezogen werden. Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, kann doch wohl niemand von uns in diesem Hause gutheißen oder ihr tatenlos zusehen wollen.
Der neue Herr Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Dr. Lübke hat uns seit seiner Amtsübernahme eine Reihe von Vorschlägen darüber mitgeteilt, wie er dass Problem der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der allgemeinen Leistungssteigerung der Betriebe anzufassen gedenkt. Er hat in allen diesen Vorhaben unsere volle Unterstützung, weil wir sie auch für unerläßlich halten und es für angebracht ansehen, baldmöglichst mit ihnen zu beginnen. Aber einwenden möchte ich im Auftrage meiner Fraktion, daß sie alle stark in die Zukunft weisen und wegen der für sie notwendigen erheblichen Aufwendungen nicht so rasche und durchschlagende Änderungen der Verhältnisse herbeizuführen in der Lage sein werden, wie es aus der augenblicklichen Situation heraus geboten erscheint.
Deshalb sind wir der Meinung, daß sofort oder wenigstens baldigst alle anderen Möglichkeiten, die nun einmal zur Verfügung stehen, Möglichkeiten der Handelspolitik, der Kreditpolitik, der Steuerpolitik und viele andere mehr, benutzt werden sollten, um der ungesunden und krisenhaften Entwicklung steuern zu können. Ich bin mit Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Kriedemann, nicht immer so eins gewesen wie in dem, was Sie vorhin zu dem Spezialproblem Milch ausgeführt haben.
Ich habe nach diesen von Ihnen so sachlich vorgetragenen Momenten, über die selbstverständlich diskutiert werden muß; keinen Zweifel, daß wir auf breitester Ebene in diesem Hause auch für das Gesamtanliegen — Erhaltung einer !auskömmlichen und für notwendig erachteten Rentabilität auch in den bäuerlichen Wirtschaften - zu einer guten Zusammenarbeit und damit auch zu entsprechenden Erfolgen kommen werden.
Wir freuen uns, 'feststellen zu können, daß auch der Herr Bundeskanzler schon vor eineinhalb Jahren diesem Problem sehr real gegenübergetreten ist und daß er auch im letzten Sommer, noch vor den Bundestagswahlen, hochoffizielle Veranstaltungen der Berufsorganisationen auf diesem Sektor wahrgenommen und dort bestimmte Erklärungen abgegeben hat, wie er auch in seiner Regierungserklärung die Dinge sehr nachhaltig angesprochen hat. Ich habe deshalb im Auftrage meiner Fraktion die vorliegende Anfrage zu stellen:
Der Herr Bundeskanzler hat am 17. Februar
1951 vor Vertretern der Landwirtschaft erklärt:
„Das landwirtschaftliche Preisniveau, das weitgehend durch innerwirtschaftliche und handelspolitische Maßnahmen beeinflußt werden kann, muß meiner Überzeugung nach in einer Parität zu den übrigen Preisen der deutschen Wirtschaft gehalten werden, insbesondere zu den Löhnen und hier wiederum in erster Linie zu den landwirtschaftlichen Löhnen."
In der Regierungserklärung vom 2. Oktober 1953 hat der Herr Bundeskanzler ähnlich lautende Erklärungen abgegeben.
Wir fragen daher:
Bis wann und in weicher Weise gedenkt die Bundesregierung die Gleichstellung der Landwirtschaft in Preis und Lohn mit den übrigen Wirtschaftsgruppen herbeizuführen?
Das Wort hat Herr Bundesminister Lübke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf, bevor ich zur Sache komme, noch eine abschließende Bemerkung zur Beratung der Großen Anfrage des Abgeordneten Dr. Horlacher machen. Falls einige der hier gegebenen Anregungen noch im Ausschuß weiter behandelt werden sollen, wie angedeutet wurde, wird es notwendig sein, dazu einen besonderen Antrag einzubringen.
Des weiteren möchte ich sagen, daß ich zu der Einladung von Herrn Dr. Horlacher, ins Allgäu zu kommen und dort etwas zu lernen, gern ja sage. Ich hoffe, daß die Schule, in die ich dort gehen muß, nicht allzu lange dauert!
Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der FDP begrüße ich insoweit, als uns die heutige Debatte und die Beratung in den Ausschüssen der Klärung dieses sehr schwierigen Fragenkomplexes
näherbringen werden. Die Auffassungen über die Bedeutung und die Möglichkeiten eines auf der Forderung nach Parität aufgebauten Gesetzgebungswerkes sind außerordentlich verschieden. Für die einen bedeutet Parität in der Landwirtschaft ein Zaubermittel, mit dem die Landwirtschaft auf die Dauer rentabel gemacht werden kann sowie Lohn und Preis usw. in Ordnung kommen. Für die anderen bedeutet die Parität eine Utopie, mit der man in der Praxis nichts anfangen kann.
Um diese Dinge zu klären, die man nicht einfach mit Schlagworten abtun kann, ist es notwendig, den Problemen gründlich zu Leibe zu gehen und sich zu fragen: Können wir, wie etwa andere Länder, in der Weise vorgehen, daß wir ein Paritätsgesetz beschließen und es dann dem Staat überlassen, durch Anhebung der Preise oder durch Zuschüsse auf diesem Gebiet weiterzukommen?
Man beschäftigt sich ja nicht nur in Deutschland mit diesen Fragen. Die Diskussion hat weltweite Ausmaße angenommen. In Europa haben die Länder England, Schweden und die Schweiz auf- diesem Gebiet Erfahrungen gesammelt; die größten Erfahrungen haben aber die Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Unter Paritat im landwirtschaftlichen Sektor versteht man heute landwirtschaftliche Preis- bzw. Einkommensverhältnisse, wie sie in einer als normal angesehenen Vergleichszeit bestanden. Man versteht weiterhin darunter Bestrebungen zur Angleichung des landwirtschaftlichen Einkommens an dasjenige Einkommen, das bei vergleichbaren Tätigkeiten im gewerblichen Sektor erzielt werden . kann. Neuerdings versteht man unter landwirtschaftlicher Parität in einer ungenauen Umdeutung dieses Wortes auch die Parität zwischen Aufwand und Ertrag, also die sogenannte Aufwand-ErtragParität, für die man aber keine Vergleichszeit bzw. keine Vergleichswerte zu einer Basiszeit vorweisen kann, die infolgedessen eigentlich auch nicht Parität genannt werden dürfte. Aber gerade die letztgenannte Parität wird in den kernmenden Auseinandersetzungen eine erhebliche Rolle spielen. Man unterscheidet nach dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesernährungsministerium Paritätspreissysteme und Paritätseinkommenssysteme.
Entsprechend den zahlreichen Möglichkeiten, die auf diesem Gebiet denkbar sind, hat man im Ausland ganz verschiedene Lösungen entwickelt, und mit diesen Lösungen werden wir uns zweckmäßigerweise zunächst einmal beschäftigen.
In den Vereinigten Staaten wird seit etwa 20 Jahren für die wichtigsten Agrarerzeugnisse laufend ein Paritätspreisniveau errechnet, das unter Zugrundelegung der entstandenen Unkosten und einer Basiszeit von 1910 bis 1914 den Paritätspreis angibt, den man durch Preisstützung erzielen will. Dieser Preis wird bekanntgegeben; die Commodity Credit Corporation erhält die Anweisung, die vorhandenen landwirtschaftlichen Vorräte an den wichtigsten Produkten, an Butter, an Getreide, an Fleisch usw., zu beleihen, und zwar von 60 bis zu 90 %, je nach der Versorgungslage. Die Landwirtschaftsverwaltung kann, wenn notwendig, eine Einschränkung der Produktionsflächen anordnen. Letzteres hat sich in Amerika als völlig nutzlos erwiesen. Denn wenn die Farmer die Anbauflächen einschränken mußten, haben sie die Bewirtschaftung der genehmigten Flächen derart intensiviert und durch Massenanwendung von Kunstdünger auf den kleineren Flächen so erhebliche Erträge erzielt, daß das, was mit der Einschränkung der Anbaufläche erreicht werden sollte, auf diese Weise wieder ausgeglichen wurde.
Die Ergebnisse dieser landwirtschaftlichen Preisstützung bzw. Paritätssicherung in den USA waren folgende: Die Vereinigten Staaten von Nordamerika wurden dadurch dreimal — einmal in der großen Dürre in den Jahren 1934 bis 1936 — vor einer Krise gerettet, und verschiedene Nachbarländer ebenfalls. Weiterhin konnten die USA bei Eintritt in den Zweiten Weltkrieg über enorme Reserven verfügen. Nach dem Kriege, insbesondere auch in der Korea-Zeit, konnten sie nicht nur den Kriegsschauplatz versorgen, sondern darüber hinaus alle in Not geratenen Länder, wie z. B. Deutschland.
Man kann aber im normalen Ablauf der Zeit nicht erwarten, daß Amerika noch einmal derartig günstige zwanzig Jahre haben wird. Denn wenn Frieden bleibt - was keiner von uns weiß —, wird nicht dreimal in zwanzig Jahren der Fall eintreten, daß die Vereinigten Staaten auf sehr einfache Weise von ihren Riesenvorräten befreit werden. Deshalb denkt man heute in Amerika daran, dieses System abzubauen, weil es auf der einen Seite ungeheure Kasten verursacht hat, Kosten in einem Ausmaß, wie sie bei uns gar nicht denkbar wären - bis zu 25 Milliarden DM wurden in guten Erntejahren für Preisstützung ausgegeben —, weil außerdem derartige. Vorräte anwachsen, daß man keine Möglichkeit mehr sieht, sie überhaupt unterzubringen, geschweige denn zu verkaufen. Wenn nun die Amerikaner, den in ihrem Lande erwogenen Plänen folgend, die Paritätspreise auf Kosten der Verbraucher halten, im übrigen aber in Kauf nehmen, daß infolge Hergabe dieser Riesenmengen die Preise auf dem Weltmarkt sehr stark sinken, so bedeutet das unter Umständen- eine völlige Deroute der landwirtschaftlichen Preisverhältnisse auf dem Weltmarkt und damit eine Störung der Agrarpolitik in sämtlichen Ländern.
In der Schweiz hat man eine im Landwirtschaftsgesetz verankerte Preispolitik darauf abgestellt, daß die Erzeugerpreise mehrerer Jahre die mittleren Produktionskosten rationell geführter Betriebe decken sollen. Die Schweiz hat aber mit diesen Maßnahmen noch nicht so viele Erfahrungen gewonnen, daß man daraus lernen könnte. Es ist außerdem in diesem Gesetz bestimmt, daß die wirtschaftliche Lage der übrigen Bevölkerung und insbesondere der Verbraucher in Rechnung. gestellt werden soll. Damit sind die Bestimmungen so dehnbar, daß man daraus eine wirksame Politik wohl nicht entwickeln kann.
In Schweden zielt das System darauf ab, der Landwirtschaft das Realeinkommen von 1938/39 zu erhalten, wobei die Errechnung des für die einzelnen Wirtschaftsjahre anzustrebenden Einkommens von Betrieben bestimmter Größenordnung und rationeller Bewirtschaftung ausgeht. Neuerdings will man das landwirtschaftliche Einkommen — im Vergleich zu ganz bestimmten gewerblichen Berufsgruppen — stabilisieren. Ob das leichter ist als nach dem bisherigen System, das sich offenbar nicht bewährt hat, ist mir sehr zweifelhaft.
In England hat man eine sehr sorgfältige Arbeit geleistet. Man hat die .Produktionskosten errechnet und Preise festgelegt, die es ermöglichen, die Produktionskosten zu decken. Diese Preise gehen nicht direkt auf Kasten der Verbraucher, sondern werden
vorn Staate übernommen. In den Jahren, in denen England in dieser Einsicht am stärksten engagiert war und damit die größten Opfer brachte, mußte es jährlich etwa 7 Milliarden DM zahlen, um diesen Ausgleich zwischen Produktionskosten und Einnahmen sicherzustellen.
Für uns wäre eine Nachahmung derartiger Paritätspreissysteme sowohl nach dem Vorbild der USA wie auch dem Englands schon aus diesem Grunde nicht möglich. Aus Schweden und aus der Schweiz liegen wegen der dort ständig vorgenommenen Änderungen noch wenig Erfahrungen vor, so daß wir auch auf ihnen nicht aufbauen können. So steht es also mit den theoretischen Überlegungen und den praktischen Erfahrungen in der Welt.
Den Erörterungen und Überlegungen über diese schwierige Frage, die die eigene, die deutsche Lage betreffen, muß folgendes vorausgeschickt werden. Das Einkommen in der Landwirtschaft wird in seiner Höhe und in seiner Verteilung im wesentlichen durch folgende Faktoren bestimmt: a) durch die Preise und die Mengen der Verkaufserzeugnisse, b) durch die Höhe der personellen und sächlichen Betriebskosten und c) durch rationelle Verwendung und Kombination. Wir müssen also bei einem eventuell zu konstruierenden Paritätspreissystem ein System wählen, das nicht den Preisindex für die Produktionsmittel und den Index für die landwirtschaftlichen Produkte für sich allein berücksichtigt. Das wäre eine Rechnung im luftleeren Raum, aus der man zwar erkennen kann, daß die Indices für die Preise der Produktionsmittel höher als die der Produktenpreise liegen; aber damit allein kann man leider nicht viel anfangen. Man muß sich diese Erkenntnisse vor Augen halten, wenn man sich klar werden will: Wie kann die Bundesregierung überhaupt eine Preisentwicklung im Sinne der Parität beeinflussen?
In der Diskussion, die nun seit vier Jahren in Deutschland im Gange ist, wurden folgende drei Lösungen erörtert. Die erste Lösung bildete das eben schon erwähnte Paritätspreissystem, das nur die Indices für die Produktionsmittelpreise und die Indices für die Produktenpreise berücksichtigt und die Tendenz verfolgt, die Schere zu schließen. Das kann man aber, wie ich schon erwähnte, ohne Einrechnung und Anrechnung der verkauften Mengen nicht tun.
Die zweite Lösung ist die der Einkommensparität. Es wird damit die Sicherstellung eines Einkommens verlangt, das dem Einkommen in einem vergleichbaren Berufszweig aus dem gewerblichen Sektor oder aus irgendeinem anderen vergleichbaren Gebiet gleich ist. Die Sicherung einer derartigen Einkommensparität würde aber bedeuten, daß einem einzelnen Berufsstande auf Kosten der Gesamtheit ein bestimmtes Einkommen garantiert wird. Dadurch würde praktisch jeder Fortschritt oder jedes Fortschrittstreben unmöglich gemacht werden. Eine derartige Lösung scheidet also auch aus.
Die dritte Lösung, die sogenannte Aufwand-Ertrag-Parität erstrebt lediglich eine laufende Angleichung des landwirtschaftlichen Ertrages an dem Betriebsaufwand undberücksichtigt außer dem Preis auch die erzeugten Mengen. Nach meiner Meinung wird das System der Aufwand-ErtragParität für deutsche Verhältnisse das einzige sein, das die zwischen Aufwand und Ertrag bestehende Diskrepanz nach objektiven Maßstäben klarlegen kann. Außerdem bietet sich gegenüber den anderen
Paritätssystemen hier der Vorteil, daß alle auf die Kosten- und Ertragslage einwirkenden Einflüsse auf einen einzigen Generalnenner gebracht werden können, nämlich auf den Vergleich der Gesamteinnahmen mit den Gesamtausgaben. Danach würde also in einem landwirtschaftlichen Betrieb die Aufwand-Ertrag-Parität hergestellt sein, wenn die Erträge die entstandenen Kosten einschließlich einer Kapitalverzinsung und einschließlich eines angemessenen Entgelts für den Betriebsleiter sowie für die mitarbeitenden Familienmitglieder und die Fremdarbeiter decken, und zwar das Entgelt für die mitarbeitenden Familienmitglieder und die Fremdarbeiter in einem Ausmaß, das den Löhnen entspricht, die in der gewerblichen Wirtschaft in vergleichbarer Tätigkeit gezahlt werden. Das ist der entscheidende Punkt.
Das sieht alles sehr einfach aus; es durchzuführen aber sehr schwierig. Der einzelne Betrieb kann nichts verschenken, aber auch die Gesamtwirtschaft kann nichts verschenken. Letzten Endes muß also die Produktivität vorhanden sein, bevor derartige Löhne und ein derartiges Entgelt für die landwirtschaftlichen Familienmitglieder gezahlt werden. Die hier zu treffenden Feststellungen können nicht in Betrieben erfolgen, die wegen der völligen Zersplitterung ihrer Grundstücke, wegen unmoderner Gebäude, wegen der Lage in den dichtgedrängten Dörfern nicht rentabel sind oder deren Produktivität vielleicht auch unter ungeeigneten Betriebsleitern leidet. Da könnte man zu gänzlich falschen Schlüssen kommen. Man müßte also nach ganz objektiven Maßstäben vorgehen und, so wie das Ausland es tut, die Feststellungen lediglich in rationell arbeitenden Betrieben treffen.
Hieran erkennen Sie, warum es notwendig ist, zunächst einmal mit einem Programm zur Normalisierung der Agrarstruktur anzufangen. Die unter Sonderbedingungen wirtschaftenden Landwirte müssen so schnell wie möglich durch eine Normalisierung der Agrarstruktur an den Stand der übrigen Betriebe herangebracht werden, damit für alle in gleicher Weise etwas geschehen kann.
— Über diese Frage werden wir uns noch öfters unterhalten, Herr Kollege.
Die Klarstellung einer etwa bestehenden Disparität oder Diskrepanz bedeutet aber noch nicht den Weg zur Lösung.
Welche Mittel stehen zur Verfügung? Wir hätten einmal die Wege zu betrachten, die in England beschritten werden. Den Bauern werden bestimmte Preise garantiert, und zwar auf Kosten der Staatskasse. Dem Verbraucher werden die Preise verbilligt, auch auf Kosten des Staates. Das hat in England in einzelnen Rechnungsjahren bis zu 7 Milliarden DM gekostet und in Amerika das Dreifache. Ich glaube, daß Verhandlungen hierüber mit dem Chef des Finanzressorts wenigstens im Augenblick völlig aussichtslos sein würden. Ich kenne ihn so weit, daß ich es jedenfalls nicht versuchen würde.
Die zweite Möglichkeit: Kann man durch einfache Anhebung der Preise auf politischem Wege
[Bundesminister Dr. h. c. Lübke)
eine entsprechende Rentabilität in der Landwirtschaft erzeugen, so daß die entsprechenden Löhne gezahlt werden können? Sicherlich kann man das. Aber hier bestehen die Bedenken, daß der Verbraucher, der ja dann die Kosten zu tragen hätte, in den Nichtverbrauch ausweichen kann, d. h. der Konsum würde sinken, wie wir es z. B. im vorigen Jahre uni diese Zeit bei der Butter erlebt haben. Das ist die eine Gefahr. Wenn zweitens die Arbeiterschaft auf die Preiserhöhungen mit einer Forderung nach höheren Löhnen antwortet, wäre die Lohn-Preis-Spirale in Bewegung gesetzt, und wir würden uns mit höheren Preisen, mit höheren Löhnen und höheren Produktionsmittelpreisen der Landwirtschaft die bekannte Treppe langsam wieder heraufbewegen. Ich glaube also nicht, daß durch die Aufwendung öffentlicher Mittel, durch allgemeine Anhebung der Preise eine Parität zwischen Aufwand und Ertrag hergestellt werden kann.
Wohl aber bieten sich andere Mittel, und diese Mittel werden auch in der Regierungserklärung angegeben. Eines dieser Mittel ist die Senkung sämtlicher Betriebsmittelkosten, z. B. der Preise für Elsen und Stahl, Maschinen und Geräte, Kunstdünger und Kraftstoffe. Diese Kosten müssen wir uns einmal näher ansehen. Herr Kollege Preiß erwähnte schon, daß die Preise für landwirtschaftliche Produkte gegenüber 1938 auf einem Index von 194 stehen, während die heute morgen so eingehend und liebevoll erörterte Milch sogar nur einen Index von 171 aufweist. Demgegenüber steht die letzte Preisindexziffer für Stahl und Eisen insgesamt auf 338, darunter für Roheisen auf 459, für Stabstahl auf 355 und für Feinbleche auf 361. Ich bin allerdings der Meinung, daß wir nicht die einzigen sind, die unter diesen hohen Stahl- und Eisenpreisen zu leiden haben. In diesem Punkt . wird hoffentlich auch die eisenverarbeitende Industrie an die Seite der Landwirtschaft treten, wenn es sich darum handelt, hier eine Änderung zu schaffen. Wir haben, weil die hohen Eisen- und Stahlpreise die Preise für Ackerschlepper und Landmaschinen und damit die landwirtschaftlichen Verkaufspreise stark beeinflussen, stärkste Ursache, uns darum zu bemühen, die Stahl- und Eisenpreise zu senken. Im übrigen stehen die Ab-Werk-Preise für den Maschinenbau insgesamt bei einem Index von 213, für Landmaschinen bei 244, für Antriebsmaschinen bei 228 und für Arbeitsmaschinen bei 222.
Wir kommen auch im Falle großer Erntemengen bei einem Preisindex für die landwirtschaftliche; Erzeugnisse von 194 gegen eine derartige Höhe der Produktionsmittelpreise nicht an, zumal die Lage auf dem Gebiete der Kunstdünger- und der Kraftstoffpreise nicht sehr viel anders ist. Ich darf Ihnen hier z. B. die Dollar-Preise für 100 Liter Dieselbetriebsstoff in Westdeutschland und den benachbarten Ländern vorlesen: in Westdeutschland 8,3, Frankreich 13,0, Belgien 4,7, Luxemburg 5,1, in. den Niederlanden 3,7, in Italien 4,3, Österreich 8,4, Griechenland 4,5, Dänemark 4,2, Schweden 4,8, Norwegen 3,5. Sie sehen, außer Frankreich steht Deutschland gegenüber sämtlichen Nachbarländern mit dem Kraftstoffpreis in stolzer Höhe. Wir bezahlen gegenüber unserem Nachbarland Holland das 2 1/2fache für den Kraftstoff.
Wie sieht es nun beim Kunstdünger aus? Bei Salpetersorten, z. B. bei Chilesalpeter, hat Deutschland einen Preisstand von 488, Schweden 462, Dänemark 453, Großbritannien 456; der Preisstand in
Irland und den Niederlanden ist noch niedriger. 1 Also gerade diejenigen Länder, die mit uns konkurrieren, haben einen billigeren, Stickstoffpreis, nicht nur bei. Chilesalpeter, der aus dem Ausland kommt, sondern auch bei anderen Salpetersorten. Nur in Frankreich und Italien sind die Salpeterdüngerpreise höher als bei uns. Bei schwefelsaurem Ammoniak, Superphosphat und Thomasphosphat liegen die Preise der gesamten Nachbarländer beachtlich unter den unsrigen. Ich brauche die Länder nicht alle aufzuzählen. Ähnlich verhält es sich beim Kalkdünger.
Die deutsche Landwirtschaft kann, bevor sich ihre Produktionsbedingungen nicht so stellen, wie es im Ausland selbstverständlich ist, überhaupt nicht daran denken, sich auf den europäischen Markt einzustellen; weil es unter diesen Umständen kaum möglich sein wird, einen Ausgleich zwischen Aufwand und Ertrag zu erreichen.
Das sind nicht die einzigen Mittel, die angewendet werden können. Über die sogenannte Typenbereinigung ist schon gesprochen worden. Wir haben in Deutschland etwa 120 Treckertypen, während in dem großen Gebiet der Vereinigten Staaten von Amerika ungefähr nur 20 vorhanden sind. Unsere Fabriken können sich das bei dem Absatz in Deutschland offenbar leisten.
Um die Typenbereinigung in großem Umfang durchzuführen, ist es notwendig, daß sich die Fabriken zu einem Rationalisierungskartell zusammenschließen, um Zusammenbrüche zu verhindern und nur diejenigen Typen herauszubringen, die preiswert und leistungsfähig genug sind, damit unsere Landwirtschaft der ausländischen Landwirtschaft Paroli bieten kann. In Kreisen der Industrie wird dieses Problem auch mit sehr viel gutem Willen behandelt, aber es geht natürlich nicht, daß sich diese Gespräche vielleicht über Monate und Jahre hinziehen, worauf Herr Kollege Preiß mit Recht hingewiesen hat. Auf diesem Gebiet muß gehandelt werden. Da die Vertreter der MontanUnion gerade hier sind, hätten sie vielleicht Gelegenheit, uns mitzuteilen, was sie auf dem Gebiet der Verbilligung von Eisen und Stahl innerhalb der Montan-Union zu tun vermögen.
Bei der Typenbereinigung wird auch eine eingehende Prüfungsarbeit notwendig sein, um die richtigen Treckertypen und Maschinentypen herausbringen zu können. In diesem Punkte sind uns Schweden und Dänemark weit überlegen. Sie haben nicht so leistungsfähige Fabriken wie wir, aber sie haben sehr leistungsfähige Typen, weil sie die Landwirtschaft und die Technik durch Einsatz von Staatsmitteln in die Lage versetzen, die richtigen Typen auszuwählen.
Wir benötigen auch die Hilfe des Finanzministers, der alle Maßnahmen produktionsfördernder Natur, die uns auf dem Marsch in den europäischen Markt unterstützen, steuerbegünstigen sollte. Ich hoffe, daß gerade die Normalisierung unserer Agrarstruktur und viele Dinge auf diesem Gebiet die Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit des Finanzministers finden werden. Ich bin natürlich nach den Verhandlungen, die ich in den vergangenen Wochen gehabt habe, nicht gerade verwöhnt.
Aber es gehört noch mehr dazu. Es gehört vor allen Dingen in der Landwirtschaft selbst eine geistige Aufgeschlossenheit und ein Tätigwerden als Unternehmer dazu. Es muß die Ängstlichkeit vor der Konkurrenz abgeworfen werden. Es muß sich mehr Selbstbewußtsein entwickeln. Im Grunde genommen ist kein einziger Bauer auf der ganzen Welt — Sie können hingehen, wohin Sie wollen — so fleißig, so leistungsfähig und so zäh wie der deutsche.
Er sollte einmal andere Länder besuchen. Er würde mit einem stolzen Selbstbewußtsein zurückkommen und dem Glauben, daß er es im europäischen Markt schon schaffen würde. Die altbekannten Lieder von der Klagemauer würden dann aufhören.
Wenn Landwirtschaft, Bundestag und Bundesregierung in dieser Form an die Lösung des Problems herangehen, dann, glaube ich, wird der Weg zu einer vernünftigen Lösung der Paritätsfrage und zur Normalisierung der Agrarstruktur mit Erfolg beschritten werden.
Die Große Anfrage ist beantwortet. Ich frage das Haus, ob eine allgemeine Aussprache gewünscht wird. — Keine allgemeine Aussprache? — Sie entfällt. Das Haus begnügt sich mit der Entgegennahme der Antwort des Herrn Ministers.
Es wurde mir gesagt, daß zu Punkt 4 der Wunsch bestehe, daß die Große Anfrage an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gegeben werden soll. — Das Haus ist damit einverstanden.
— Ja, Punkt 3, Stützung der Milchpreise, ebenfalls. Das Haus ist damit einverstanden. Das gilt als beschlossen.
Wir haben nun eine Wahl vorzunehmen, und zwar zunächst nach Punkt 6 — Punkt 5 wird später drankommen —:
Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Bundesschuldenausschusses bei der Bundesschuldenverwaltung .
Wird das Wort hierzu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Wahl. Ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden, daß ohne Stimmzettel, nur durch Handaufheben gewählt wird. Wer für den Antrag der Franktionen der CDU/CSU, SPD, FDP auf Drucksache 115 ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! - Enthaltungen? — Ich stelle die einstimmige Wahl der Herren Dr. Vogel, Schoettle und Dr. Blank fest.
Punkt '7:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Zusatzprotokoll vom 20. März 1952 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten .
Der Präsident Dr. Ehlers hat auf die Bedeutung dieser Konvention zu Beginn der Sitzung, die mit dem 5. Jahrestag der Beschlußfassung über die Konvention vor der UNO zusammenfällt, schon hingewiesen. — Das Haus verzichtet auf Begründung und Aussprache. Die Vorlage soll dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten überwiesen werden. Wird ein weiterer Antrag gestellt? - Das ist nicht der Fall. Wer für diese Überweisung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest.
Ziffer 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Brasilien vom 4. September 1953 über die Wiederherstellung der durch den zweiten Weltkrieg betroffenen gewerblichen Schutzrechte und Urheberrechte .
Auch hier schlägt der Ältestenrat vor, auf Begründung und Aussprache zu verzichten und die Vorlage an den Ausschuß für Außenhandelsfragen als federführenden und an den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht zu überweisen. — Das Haus ist damit einverstanden. Es ist so beschlossen.
Ziffer 9:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan vom 8. Mai 1953 über den Schutz durch den zweiten Weltkrieg beeinträchtigter Rechte auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes .
Auch hier empfiehlt der Ältestenrat, von einer Begründung und Aussprache abzusehen und die Vorlage an den Ausschuß für Außenhandelsfragen als federführenden und an den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht als mitberatenden zu überweisen. — Das Haus ist damit einverstanden. Es ist so beschlossen.
Punkt 10:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Albers, Lenz , Mühlenberg, Arndgen und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes über die einstweilige Außerkraftsetzung von Vorschriften des Gesetzes betreffend die Erwerbs-und Wirtschaftsgenossenschaften (Drucksache 51);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (Drucksache 117);
;
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Abgeordneten Albers, Lenz (Brühl), Mühlenberg, Arndgen und Genossen betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Neuregelung des Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaftsrechts (Drucksachen 118, 66).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache 51 betreffend den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes über die einstweilige Außerkraftsetzung von Vorschriften des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften wurde in der 7. Plenarsitzung am 3. Dezember dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß federführend und dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes mitberatend überwiesen. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat am 4. Dezember diese Vorlage beraten.
Der wesentliche Inhalt der Vorlage ist der Antrag: Der Bundestag möge beschließen, den § 1 des Gesetzes über die einstweilige Außerkraftsetzung von Vorschriften des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 27. Dezember 1951 zu verlängern, und zwar bis zum 31. Dezember 1954. Materiell handelt es sich dabei um die Verlängerung der Außerkraftsetzung von Vorschriften des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, durch die den Konsumvereinen der Verkauf an Nichtmitglieder verboten wurde, und um die Außerkraftsetzung von den dazugehörigen Strafbestimmungen.
Zu beginn der Beratung im Wirtschaftsausschuß wurde beschlossen, die Diskussion nicht auf den materiellen Inhalt des derzeit für die Genossenschaften gültigen Rechts auszudehnen. Die Mehrheit des Ausschusses entschied sich für die Verlängerung der Frist, weil man einen Vorentscheid über den materiellen Inhalt der gesetzlichen Bestimmungen nicht wollte. Man entschied sich aus dem ,gleichen Grund aber auch für eine möglichst kurze Verlängerung der Frist, nämlich nur soweit sie für die Einbringung und Beratung eines neuen Gesetzes zur Regelung des Genossenschaftsrechts erforderlich ist. Dementsprechend beschloß die Mehrheit des Ausschusses für Wirtschaftspolitik eine Änderung der Drucksache 51; sie liegt Ihnen in der Drucksache 117 vor. Dieser Beschluß wurde mit einer Stimmenmehrheit von 19:8 gefaßt. Mit dieser Änderung und einer Mehrheit von 19:7 beschloß dann der Ausschuß für Wirtschaftspolitik, Ihnen den Mündlichen Bericht gemäß Drucksache 117 vorzulegen.
Der mitberatende Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstands beschäftigte sich in einer Sitzung am 8. Dezember mit der gleichen Vorlage. Er stimmte den Beschlüssen des Wirtschaftsausschusses mit einer Mehrheit von 11:10 zu, weil nach seiner Meinung mit der Neuregelung des Genossenschaftswesens gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen gegenüber der übrigen Wirtschaft geschaffen werden müßten.
Die Drucksache 66 wurde vom federführenden Ausschuß für Wirtschaftspolitik mit der Drucksache 51 am gleichen Tage behandelt. Hier war es nötig, die Frist, die im Antrag Drucksache 66 vorgeschlagen war, der Frist anzupassen, wie sie im Mündlichen Bericht gemäß Drucksache 117 festgelegt worden ist. Dementsprechend beschloß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik einstimmig, die Frist für die Vorlage eines neuen Gesetzentwurfs betreffend die Neuregelung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften auf den 28. Februar 1954 vorzuverlegen. Der mitberatende Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstands hat sich auch diesem Beschluß des federführenden Ausschusses angeschlossen, und zwar einstimmig.
Ich habe Ihnen die Annahme beider Mündlichen Berichte, Drucksachen 117 und 118, im Namen des Ausschusses für Wirtschaftspolitik zu empfehlen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung des Entwurfs ein. Ich rufe auf Art. 1. — Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Punkt 10 a ist fraglos prächtig dazu geeignet, hier ein Streitgespräch mit aller Leidenschaft heraufzubeschwören. Wenn man an all die vielen Briefe, Drucksachen und auch Telegramme der letzten Tage denkt, könnte man annehmen, daß eine solche Debatte sogar unvermeidbar wäre. Aber wie wir uns heute entscheiden, die eigentliche Debatte kommt ja erst, und darum, meine ich, wäre es durchaus möglich, in aller Ruhe die hier anstehenden Fragen zu besprechen. Ich will damit keineswegs die Beratung bagatellisieren; doch möchte ich mich auch gegen eine Überspitzung wenden. Die endgültige Beratung wird ja, wie ich sagte, erst kommen, und damit wird auch die endgültige Entscheidung fallen.
Ich weiß, daß es das Bestreben einer Mehrheit dieses Hauses ist, echten Wettbewerb allüberall zu schaffen. Diesen echten Wettbewerb gilt es, auch in der Konkurrenz zwischen den Konsumgenossenschaften und den Einzelhandelsunternehmen herzustellen. Ich bin der Meinung, daß gegenwärtig der Wettbewerb zwischen „Konsum" und Handel recht erheblich gestört ist. Der „Konsum" erhielt als Wiedergutmachungsmaßnahme das Recht des Verkaufs an Nichtmitglieder. Er erhielt dieses Recht ohne steuerliche Konsequenzen, und darauf kommt es an.
Die Frage, ob Nichtmitgliedergeschäft oder Mitgliedergeschäft, ist für sich belanglos; man muß aber auch die anderen Konsequenzen sehen. Dieses Wiedergutmachungsrecht, das hier gar nicht bestritten oder kritisiert werden soll, ist als Nichtmitgliedergeschäft ohne steuerliche Konsequenzen gegeben worderi Ich bin sogar der Meinung, daß das Nichtmitgliedergeschäft an sich gar nicht so entscheidend ist, sondern daß es eben darauf ankommt, wie es gehandhabt wird, daß es also auf den gleichen Wettbewerb ankommt.
Dieser gleiche Wettbewerb ist gegenwärtig nicht vorhanden; denn sonst hätte man nicht das Sonderrecht zur Wiedergutmachung zu geben brauchen. Wir wollen den gleichen Start für alle, und wenn wir wissen, daß hier eine Regelung vertagt worden ist, so müssen wir uns auch für die Übergangszeit überlegen, ob die gegenwärtige Regelung unserem Ideal des gleichen Wettbewerbs näherkommt oder ob uns ein Auslaufen der Sonderbestimmungen diesem Ideal näherbringen würde.
Nun bin ich der Meinung, daß wir dem Idealzustand eines gleichen Wettbewerbs näherkämen, wenn wir uns entschließen könnten, dieses Sonderrecht zur Wiedergutmachung termingemäß - oder sagen wir, nach der dritten Verlängerung, die es ja wohl ist, oder nach der zweiten — auslaufen zu lassen. Ich bin mir wohl darüber im klaren, daß auch der alte Zustand nicht voll befriedigt; aber ich möchte betonen, daß er dem Prinzip des gleichen Wettbewerbs am nächsten kommt, und darum
glaube ich, daß man dieses Sonderrecht auslaufen lassen sollte. Denn schließlich müssen auch die Neuordnungen, die für eine lange Zeit gelten sollen. auf einer normalen Basis, auf der Basis der gewöhnlichen Regelung erfolgen und nicht von einem Sonderstatus ausgehen. Deswegen — ich wiederhole es noch einmal — bin ich mit einer großen Zahl meiner Fraktionsfreunde der Auffassung, daß wir der Ausschußvorlage unter Punkt 10a der Tagesordnung — also Verlängerung der Sonderregelung — nicht zustimmen sollten. Ich möchte Sie bitten, diese Bestimmung abzulehnen.
Ich darf aber noch ein zweites Argument hinzufügen, meine verehrten Damen und Herren. Wenn man neu ordnet und wenn man meint, man müßte irgendeinem einen Vorsprung geben, dann kann man doch diesen Vorsprung nur demjenigen zuteil werden lassen, der im Wettbewerb der Schwächere ist. Man muß also, wenn man schon vom Recht abweichen will, immerhin soziale Gesichtspunkte gelten lassen. Ich glaube, keinen Widerspruch zu finden, wenn ich behaupte, daß die Konsumgenossenschaften in diesem Wettbewerb der stärkere Teil sind und der Handel — zumindest der mittelständische Einzelhandel — der schwächere Teil ist.
— Ja, meine Damen und Herren, das ist es ja gerade — ich wollte an sich eine Grundsatzdebatte vermeiden —, daß einige glauben, sie könnten einen gemeinsamen Einkauf durchführen und gleichzeitig an andere verkaufen, und behaupten, sie seien Konsumenten, während sie nichts weiter als ganz normale Unternehmer sind.
Wir freuen uns ja über diese Entwicklung, daß
man über die Genossenschaften hinausgewachsen
ist. Wir freuen uns, daß man Unternehmer geworden ist, aber wir bitten dann auch darum, die
Konsequenzen zu ziehen! Es kann niemand bestreiten, daß der Konsum als großwirtschaftliches
Unternehmen — Konsumgenossenschaften und
alles, was dazu gehört — stärker ist als der mittelständische Einzelhandel, und die Wünsche, die hier
vorgetragen werden, richten sich auf eine weitere
Ausdehnung des wirtschaftlichen Einflusses des
Konsums. Meine Damen und Herren, ich nehme es
dem Konsum ja gar nicht übel, daß er sich ausdehnen will. Aber wenn wir schon die Wahrheit
sagen wollen, dann müssen wir auf der anderen
Seite feststellen, daß hier ein Stand nicht um eine
Ausdehnung kämpft, sondern daß der mittelständische Einzelhandel hier um seine Existenz ringt.
Meine Damen und Herren, aus zwei Gründen, die ich schon erwähnt habe, nämlich weil wir nach meiner Meinung :dem Idealzustand des gleichen Wettbewerbs dann am nächsten kommen, wenn wir das Sonderrecht auslaufen lassen, aber auch aus dem zweiten, sozialen Grunde, daß in diesem Wettbewerb der schwächere Teil der Einzelhandel ist, bitte ich Sie, den Vorschlag des Ausschusses auf Verlängerung der Fristen abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit den Fristen, die unser Parlament
sich selber setzt, hat es etwas auf sich. Meistens beginnt am Ende, kurz vor Ablauf der Frist, manchmal auch lange nachher, ein emsiges Treiben, aber nun nicht mit dem Ziel, das Gesetz, das fällig war, zu schaffen, sondern die Frist zu verlängern. Ich will daraus keinen Vorwurf herleiten, aber Sie werden verstehen, daß wir von einem gewissen Mißtrauen solchen Fristverlängerungen gegenüber beseelt sind. Ob es nun um ein ganzes oder um ein halbes Jahr geht, berührt uns dabei weniger.
In dieser Frage nun — Verlängerung des Nichtmitgliedergeschäfts der Konsumgenossenschaften — können wir natürlich nicht ganz von grundsätzlichen Fragen absehen. Wir können vor allem den Zusammenhang mit der gleichzeitigen Vorlage Drucksache 66 nicht übersehen. Wir von der Freien Demokratischen Partei bejahen durchaus die Notwendigkeit einer Neuregelung des Genossenschaftswesens. Wir sind sogar der Ansicht, daß man dabei nicht nur an das denken sollte, was man seinerzeit mit der Drucksache 4074 des ersten Bundestages im Auge hatte — Nichtmitgliedergeschäft, §§ 5 und 6 des Rabattgesetzes, § .36 der KörperschaftsteuerDurchführungsverordnung —, sondern daß man z. B. auch an den Zusammenhang mit dem Kartellgesetz denken und sich natürlich vor allem mit dem Wesen der Genossenschaft befassen muß. Es wird eigentlich Aufgabe der Genossenschaften, der Konsumgenossenschaften vor allem, selber sein, zu entscheiden, was sie sein wollen, entweder Selbsthilfeorganisationen, die im gemeinsamen Zusammenwirken ihren Mitgliedern helfen, oder aber gewöhnliche geschäftliche Erwerbsunternehmungen. Nach dieser Entscheidung, die die Genossenschaften selbst zu treffen haben, beantwortet sich dann auch die Frage: Mitgliedergeschäft, ja oder nein? Wir sind also durchaus mit dem Antrag der Drucksache 66 einverstanden.
Nun aber zur Drucksache 51. Was soll geschehen,
was soll Rechtens sein, bis diese Neuregelung in
Kraft tritt? Die bisherige Begründung für die Zulassung des Nichtmitgliedergeschäfts war, dies sei
ein Akt der Wiedergutmachung. Ich brauche darauf
nicht einzugehen, da diese Begündung heute nicht
mehr vorgebracht wird. Ich möchte Ihnen aber
einige Zahlen nennen, die auch nachher eine Rolle
spielen werden. Nach eigenen Angaben der Konsumgenossenschaften betrugen ihre Umsätze im
Jahre 1930 817 Millionen Mark, dagegen im Jahre
1951 1089 Millionen DM, im Jahre 1952 1350 Millionen DM. Das bedeutet eine Steigerung um 23%.
— 6%. Ihre Zahlen habe ich eben nicht hier. (Abg. Sabel: Das wäre aber interessant! — Abg. Erler: Der Anteil der Genossenschaften ist nämlich geringer als 1930, wenn Sie die gesamten Einzelhandelsumsätze nehmen! — Weiterer Zuruf von der SPD: Hier sind die genauen Zahlen vom Wirtschaftsministerium! - Ein Abgeordneter der SPD überreicht dem Redner ein
Schriftstück.)
Für das Jahr 1953 ist mit einem Umsatz von 1,5 Milliarden DM zu rechnen. Meine Damen und Herren, es geht ja hier nicht um die absoluten Zahlen, sondern es geht ja um die Steigerung.
— Nicht um den Anteil, sondern es soll gezeigt
werden, wieweit die Wiedergutmachung gelungen
ist. Bei Berücksichtigung des gestiegenen Lebenshaltungsindexes wäre dies also eine Steigerung auf 120 %.
Nun, wie gesagt, diese Begründung spielt ja heute keine Rolle mehr, sondern heute wird eine prinzipielle Begründung vorgetragen, nämlich die, das Verbot des Nichtmitgliedergeschäfts bedeute eine Ungleichheit vor dem Gesetz, bedeute einen Widerspruch zur freien Marktwirtschaft und bedeute, daß keine freie Konsumwahl bestehe. Nun, mit der freien Konsumwahl hat die Frage des Nichtmitgliedergeschäfts doch nichts zu tun. Auch wenn ein Nichtmitgliedergeschäft verboten ist, kann ja jeder im Konsum kaufen
und kann der Konsum mit jedem Geschäfte machen, der bereit ist, Mitglied zu werden.
Wenn das den Konsumgenossenschaften nicht paßt, so kommt mir das so vor, wie wenn ein Mann, der sich verehelicht hat, zwar die damit verbundene Umgruppierung von Steuerklasse I in Steuerklasse II gern mitnimmt, sich aber bitter darüber beklagt, daß er nun neben seiner Ehefrau
keine freie Konsumwahl mehr hat.
Die Konsumgenossenschaften müssen selber entscheiden, was sie sein wollen. Wenn sie darauf bestehen wollen, Genossenschaften zu sein,
dann müssen sie sich auch daran halten, daß sie im freien Handel nicht wie jeder andere auftreten können.
Mit der freien Konsumwahl verhält es sich ja gerade umgekehrt. Heute werden doch häufig in neuen Wohnsiedlungen Konsumfilialen aufgemacht ohne einen einzigen Genossen, und ohne daß ein anderes Geschäft, ein Einzelhandelsgeschäft, die Möglichkeit hat, sich dort aufzumachen. Hier besteht nun wirklich keine freie Konsumwahl mehr. Dieser Zustand widerspricht dem Wesen der Genossenschaft. Die ursprüngliche Idee der Genossenschaften ist doch, die Vorteile, die das Großgewerbe infolge seiner Kapitalkraft hatte, durch einen Zusammenschluß, durch Selbsthilfe der Schwächeren auszugleichen. Und was ist daraus geworden? Ich brauche nicht im einzelnen vorzulesen, aus welchen Fabriken und Unternehmungen der GEG-Konzern heute besteht. Aber es ist jedenfalls ein solider „Selbsthilfekonzern", wenn man so sagen will. Ich glaube, wenn der alte Schulze-Delitzsch heute käme, würde er als erstes eine Genossenschaft zur Selbsthilfe gegen gewisse Genossenschaften gründen.
Demgegenüber sind die selbständigen Gewerbetreibenden des Mittelstandes heute doch wirklich, wie schon der Herr Vorredner gesagt hat, die wirtschaftlich Schwächeren. Sie sind ganz auf sich gestellt, sie haben keinen festen Mitgliederkreis. Sie können zwar auch Rabatt geben, aber, wohlverstanden, einen festen, von vornherein bestimmten Satz, nicht eine von Fall zu Fall ausgerechnete Rückvergütung. Sie tragen also auch hierbei ein ganz anderes Risiko. Vor allem aber ist ihre steuerliche Belastung viel höher. Abgesehen von der Mehrphasen-Umsatzsteuer treffen sie auch die volle Körperschaftsteuer und die volle Gewerbesteuer. Deshalb ist es unbedingt nötig, sehr schnell gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
Herr Kollege Schmücker hat schon ausgeführt, daß die Konsumgenossenschaften heute ja zwei Vergünstigungen genießen, die steuerliche Vergünstigung nach § 36 der KörperschaftsteuerDurchführungsverordnung und die Zulassung des Nichtmitgliedergeschäfts. Wenn man ihnen nun das Nichtmitgliedergeschäft nimmt, so haben sie immer noch die sehr wesentliche steuerliche Vergünstigung und die Freiheit unbeschränkter Ausschüttung und Rückvergütung. Es besteht also nicht etwa der Kompromiß, den die Drucksache Nr. 4074 im ersten Bundestag vorgesehen hat, sondern es besteht immer noch diese eine Vergünstigung. Wo soll hier eine Diskriminierung, wo eine Ungerechtigkeit liegen und wo ein Verstoß gegen das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz?
Im übrigen bedeutet auch das Verbot des Nichtmitglieder-Geschäfts für die Konsumgenossenschaften meiner Ansicht nach keine Diskriminierung, auch wenn man es für sich betrachtet. Denn der Grundsatz ist ja der, daß Genossenschaften nur für ihre Mitglieder dasein sollen. Von diesem Grundsatz macht das Genossenschaftsgesetz eine Ausnahme, daß nämlich die Genossenschaften berechtigt sind, mit Nichtmitgliedern Geschäfte zu treiben, wenn sie es in ihrer Satzung verankern. Von dieser Ausnahme bestehen nun wieder zwei weitere Ausnahmen, nämlich § 8 Abs. 2 für die Kreditgenossenschaften und § 8 Abs. 4 für die Konsumgenossenschaften. Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich Ihnen sage, daß es in dem Gesetz von der letztgenannten Ausnahme wieder eine Ausnahme gibt: Die landwirtschaftlichen Konsumgenossenschaften ohne offene Läden dürfen NichtmitgliederGeschäfte machen. Ich glaube, diese gesetzliche Regelung, so kompliziert sie aussieht, war wohl durchdacht. Sie geht nämlich von dem Grundsatz aus: Kein Nichtmitglieder-Geschäft. Aber zweiter Grundsatz: minima non curat praetor. Man soll und kann sich nicht darum kümmern, wenn in kleinen Genossenschaften, vor allem auf dem Lande, Nichtmitglieder-Geschäfte betrieben werden. Hier gibt man die Möglichkeit, sie zuzulassen. Man verbietet sie aber — und das ist interessant - nicht nur bei den Konsumgenossenschaften, sondern auch, wenn es sich um die Gewährung von Darlehen handelt. Schließlich hat diese Regelung von 1889 bis 1933, also auch in einer demokratischen Zeit bestanden, und man kann doch nicht sagen, daß diese ganze Zeit hindurch ein schreiendes Unrecht als Recht gegolten hätte. Deshalb können wir der vorgeschlagenen Verlängerung des Nichtmitglieder-Geschäfts nicht zustimmen.
Eine Frist bedeutet natürlich immer einen Druck, das Gesetz zuwege zu bringen. Es ist nur gerecht — ich darf wieder an das anknüpfen, was Kollege Schmücker sagte —, daß man den unter Druck setzt, der zur Zeit in der günstigeren Position ist Die Zahlen, die ich vorhin nannte - -
— Ich sagte ja, es interessieren doch hier nicht die absoluten Zahlen, sondern die verhältnismäßige Entwicklung.
— Sie können diese Zahlen ja nachher bekanntgeben!
— Bitte, Sie können sie ja nachher bekanntgeben! — Diese Zahlen zeigen einen Trend an, der zu denken gibt. Trotzdem ziehen wir daraus nicht die Folgerung, daß wir nun grundsätzlich die Konsumgenossenschaften ablehnen und bekämpfen müßten.
Wir sind ja keine Feinde der Konsumgenossenschaften. Aber — das geben wir allerdings zu — wir sind Freunde des Mittelstandes
— um so erfreulicher! — und vor allem des gewerblichen Mittelstandes. Diese Freundschaft bedeutet nicht, daß wir ihn subventionieren wollen, sondern es muß bei den Gesetzen der freien Wirtschaft bleiben. Helfen muß sich jeder selber, aber der gewerbliche Mittelstand soll auch nicht benachteiligt werden.
Ich möchte nun nicht Ausführungen darüber machen, warum dem gewerblichen Mittelstand hier etwas geholfen werden soll und warum er bisher zuwenig berücksichtigt worden ist. Ich glaube, es ist uns allen in diesem Hause klar, daß ein gesunder Mittelstand für einen freien Staat doch sehr wesentlich ist. Ich möchte nur noch, anstatt eigener Ausführungen dazu, einen sehr unverdächtigen Zeugen zitieren, wenn Sie mir das gestatten. Es ist Aristoteles, der vor 2400 Jahren
in seiner „Politik" Kapitel 11 schrieb:
Ein Staat will möglichst aus gleichen und ähnlichen Bürgern bestehen, und das findet sich am meisten beim Mittelstand. Es ist daher klar, daß sich die Gemeinschaft, die sich auf den Mittelstand gründet, die beste ist und daß solche Staaten in der Lage sind, eine gute Verfassung zu haben, in denen eben der Mittelstand zahlreich vertreten ist und, wenn möglich, die beiden anderen Stände an Stärke übertrifft.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Böhm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich, wie schon von den Vorrednern hervorgehoben worden ist, nur um eine kurz befristete Zwischenregelung und nur um die Frage: Soll die Zwischenregelung, die jetzt für ein halbes Jahr getroffen wird, an den Zustand anknüpfen, der vom Jahre 1945 bis zum heutigen Tage gedauert hat, oder an den Zustand, wie er dem § 8 Abs. 4 des Genossenschaftsgesetzes entspricht, das im Jahre 1889 erlassen worden ist und dessen § 8 Abs. 4 bis zum Jahre 1945 gegolten hat. Hier ist aber eines zu überlegen. Herr Abgeordneter Dr. Bucher hat gesagt, es handle sich bei dieser etwas komplizierten Regelung des Rechtes von Genossenschaften zur Belieferung von Nichtmitgliedern um eine wohldurchdachte gesetzgeberische Schöpfung. Nun, in dem Regierungsentwurf von 1889 stand nichts von einer Ausnahme zuungunsten der Konsumvereine.
Es war ja zunächst die Regierung, die dieses Gesetz durchdacht hatte; und beim Durchdenken des Gesetzes war die damalige Reichsregierung nicht der Ansicht, daß den Konsumgenossenschaften ein Recht verwehrt werden -sollte, das den anderen Genossenschaften eingeräumt wird. Dieser Paragraph, dieser Absatz zuungunsten der Konsumgenossenschaften kam vielmehr durch den Reichstag, und zwar durch eine sehr geringe Mehrheit, zustande.
— Es besagt, daß von einer methodischen und systematischen Durchdenkung hier wohl nicht geredet werden kann.
Es waren damals im Reichstag hauptsächlich mittelständlerische Gruppen, die der Meinung waren, daß die Konsumvereine von der für alle anderen Genossenschaften geltenden Regelung — bei den Kreditgenossenschaften liegt eine andere Lage vor — auszunehmen seien. Es wurde das den Konsumgenossenschaften damals aufgezwungen.
Nun sagte Herr Abgeordneter Bucher, das sei auch ganz richtig, denn die sollten nur Mitglieder beliefern. Meine Damen und Herren, das ist polizeistaatlich gedacht.
Das Genossenschaftsgesetz und unsere ganzen Handelsgesellschaftsformen schreiben nicht vor, was diese Gesellschaften tun sollen, sondern es werden den Gesellschaften Rechtsformen für ihre Zwecke zur Verfügung gestellt. So ist es mit den Genossenschaften ebenfalls. Es handelt sich nicht um das Recht der Konsumwahl, sondern um das Recht der Gewerbefreiheit. Jede Offene Handelsgesellschaft hat das Recht, ihre eigenen Gesellschafter zu versorgen, also Aufgaben zu übernehmen, die auch Genossenschaften übernehmen. Die Genossenschaft soll das Recht haben, mit ihrem Genossenschaftsbetrieb einen Handelsbetrieb zu kombinieren. Das ist die Gewerbefreiheit!
Diese Gewerbefreiheit ist in § 8 Abs. 4 zu Lasten der Konsumvereine als ein privilegium odiosum eingeschränkt worden.
Ja, so werden Sie fragen, warum hat das so lange gedauert? Nun, weil die Frage für die Genossenschaften relativ unwichtig ist und immer relativ unwichtig sein wird. Deswegen setzt man keine großen Apparate in Bewegung. Es waren ja auch nicht die Konsumvereine, die nach 1945 Wiedergutmachung verlangten, sondern es waren weitgehend die Regierungspräsidenten und die Landräte, die
damals zur Versorgung der Bevölkerung die Genossenschaften gebraucht haben.
Nachdem man im Januar 1947 die Nichtmitgliederbelieferung der Konsumgenossenschaften auf Zeit zugelassen hat, will man jetzt für eine Dauer von sechs Monaten wieder von dieser Regelung abweichen und die Ausnahmen von dem Grundsatz der Gewerbefreiheit, die § 8 Abs. 4 des Genossenschaftsgesetzes enthält, wieder einführen, das steht zumindest nicht im Einklang mit den Ordnungsgrundsätzen einer Marktwirtschaft, einer Wettbewerbswirtschaft, und mit den Grundsätzen einer Gewerbefreiheit. Infolgedessen ist es besser — namentlich, da das ja auch der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung im ganzen mehr entspricht —, wir machen diesen kurzen Übergangszustand so, daß wir damit näher an dem allgemeinen Grundsatz der Gewerbefreiheit bleiben und nicht, wenn auch nur vorübergehend, zu einem Zustand zurückkehren, der auf einer Ausnahme von diesem Grundsatz beruht. Das ist gegenüber einer anderen Lösung der geringere Eingriff.
Von großer Wichtigkeit ist das in der Praxis nicht. Aber mir scheint doch wichtig zu sein, daß wir eine Entpolitisierung des Wettbewerbsverhältnisses Einzelhandel — Konsumvereine anstreben, das in. der Vergangenheit durch Hineinziehen des Gesetzgebers politisiert war, und zwar teils zugunsten und teils zuungunsten der Konsumvereine, steuerlich und in anderer Beziehung.
Wir sollten zu einer vollständigen Neutralität des Gesetzgebers zurückkommen. Wir müssen ja im Laufe dieser Wahlperiode Novellen und Gesetze auf dem Gebiet des Genossenschaftswesens verabschieden. Dabei sollten wir dieses Prinzip der absoluten Neutralität der Gesetzgebung auf der Basis unbedingter Startgleichheit, auch steuerlicher Startgleichheit, anstreben.
Wir wollen hoffen, daß sich dann ein Gebrauch nach dem Grundsatz anbahnt: Wer im Wettbewerb gegen eine Konkurrentengruppe den Gesetzgeber zu Hilfe rufen will, treibt unlauteren Wettbewerb.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat erwähnt, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik keine Vorentscheidung fällen wollte und sich daher mit Mehrheit dafür entschieden hat, dem Antrag Albers und Genossen zuzustimmen. Ich persönlich bin der Auffassung, daß mit dieser Zustimmung bereits eine Vorentscheidung fällt.
Ich bin nicht der Ansicht von Herrn Professor Böhm, daß die Genossenschaften in ihrem Wettbewerb wesentlich eingeengt sind. Auch die freie Konsumwahl — das ist hier bereits zum Ausdruck gebracht worden — wird nicht eingeschränkt; denn es steht jedem Bürger frei, Mitglied der Konsumvereine zu werden. Die dazu notwendigen Formalitäten sind leicht zu erfüllen. Ich glaube also vom
Wettbewerbsstandpunkt und vom Standpunkt des gleichen Startes sind keinerlei Bedenken zu erheben.
Ich möchte die Ablehnung — ich darf das hier gleich betonen — nicht etwa so verstanden wissen, daß wir uns überhaupt grundsätzlich gegen die Genossenschaften als solche stellen Im Gegenteil, unsere Fraktion hat einen tiefen Respekt vor dieser Institution. Wir wissen sehr wohl, daß der Gedanke des genossenschaftlichen Zusammenschlusses ein sehr langes und sehr fruchtbares Leben in der Geschichte unseres Volkes hat. Es sind schon Erinnerungen an die Geschichte gebracht warden; aber ich will bei der deutschen Geschichte bleiben, die etwas kürzer ist. Der Kulturgeschichtler weiß sehr wohl, daß gerade der genossenschaftliche Zusammenschluß der Bauern z. B. im Mittelalter ihnen einen Rest von politischer Freiheit bewahrt hat, einer Freiheit, die sie leider an den Feudalstaat verloren haben und die sie andererseits — das muß auch festgestellt werden — sehr leicht aufzugeben bereit waren, wenn es sich um materielle Vorteile handelte.
Ich mache diese Vorbemerkung, damit Sie glauben, daß wir es wirklich dankbar begrüßen, daß die Regierung sich entschlossen hat, das gesamte Genossenschaftsrecht neu zu ordnen. Uns scheint das wirklich notwendig zu sein. Hier haben wir es aber mit einer begrenzten Frage zu tun, mit der Frage, ob für den kurzen Zeitraum, der in dem Antrag Albers und Genossen genannt ist, noch das Ausnahmerecht gelten soll oder nicht. Ich glaube, die besseren Argumente sprechen dafür, daß man es zunächst bei dem alten Recht beläßt: Tatsache ist doch, daß unter dem alten Recht, seit 1889, die Genossenschaften, die Konsumvereine ein sehr gutes wirtschaftliches Leben führen konnten. Es ist doch typisch — und das, scheint mir, sollte jetzt nicht bagatellisiert werden — daß die Begründung seinerzeit ausdrücklich dahin gegangen ist, daß man den Genossenschaften wieder den gleichen Start geben wollte. Alle Zahlen sprechen dafür, daß dieses Ziel erreicht ist.
Damit entfällt jede rechtliche und wirtschaftliche Notwendigkeit, den Genossenschaften wieder das Mitgliedergeschäft zu gestatten. Wenn demgegenüber jetzt argumentiert wird, damit würde eine gewisse Diskriminierung der Konsumvereine ausgesprochen, so kann ich dem nicht folgen. Denn auf der anderen Seite bleibt die Begünstigung steuerlicher Art. Es darf nicht verkannt werden — und ich bitte insbesondere Herrn Professor Böhm, das richtig zu sehen —, daß die Beschränkung auf das Mitgliedergeschäft notwendigerweise voraussetzt, daß steuerliche Vergünstigungen gewährt werden können. Wer diese Zusammenhänge nicht sieht, der urteilt, glaube ich, nicht ganz objektiv. Auch aus der Begründung, die die Bundesregierung ihrem Gesetzentwurf gegeben hat, geht wohl eindeutig hervor, .daß diese Zusammenhänge bestehen.
Wenn man also jetzt das Nichtmitgliedergeschäft fordert, dann muß man notwendigerweise auf steuerliche Begünstigungen verzichten, sonst bleibt der unlautere Wettbewerb, Herr Kollege. Böhm;
denn man benachteiligt doch den Einzelhändler und bürdet ihm steuerliche Lasten auf, die die Konsumgenossenschaften nicht tragen.
— Ich möchte hier nicht in eine Grundsatzdebatte über den Sinn und das Wesen der Genossenschaften eintreten; wir werden ja Gelegenheit haben, Herr Kollege Pelster, darüber vielleicht im Wirtschaftsausschuß zu sprechen. Tatsache ist doch, daß die Vorteile, die die Konsumvereine den Verbrauchern gewähren können, im wesentlichen auf den steuerlichen Vorteilen beruhen. Ich stelle anheim, zu überlegen, ob den Mitgliedern der Konsumvereine gedient ist, wenn man ihnen diese steuerlichen Vorteile nimmt. Mir scheinen sowohl die Fragen des Rechtes wie auch die des Wettbewerbs durchaus für die bisherige Regelung zu sprechen, daß man die Genossenschaften auf das Geschäft mit den Mitgliedern beschränkt. Das scheint mir eine wesentliche Voraussetzung des genossenschaftlichen Zusammenschlusses zu sein. Verzichten die Konsumvereine darauf, dann ist das ihre Sache; dann muß notwendigerweise aber auch im gleichen Augenblick auf jegliche steuerliche Begünstigung Verzichtet werden. Mir scheint das eine ganz nüchterne, logische Folgerung zu sein.
Ich glaube allerdings, wir sollten diese Frage der Konsumvereine nicht nur von wirtschaftspolitischen und rechtlichen Gesichtspunkten her betrachten. Ich möchte vielmehr auch hier für die Frage der Konsumvereine in Anspruch nehmen, was Herr Kollege Preiß in Zusammenhang mit der Landwirtschaft vorhin geäußert hat, daß nämlich wichtige politischsoziologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Ich möchte das auf eine ganz kurze Formel bringen, nämlich auf die Formel, daß es meinen politischen Freunden und mir lieber ist, wenn tausend selbständige Einzelhändler da sind, als etwa tausend Filialleiter.
Ich glaube schon, daß Aristoteles hier nicht umsonst zitiert worden ist. Es ist in der Tat eine Erfahrung — und ich bitte die Freunde der Konsumvereine, nachzulesen, was die Schweizer darüber sagen —, daß die Demokratie dort am besten gedeiht, wo möglichst viele selbständige Menschen sind, die für ihre Freiheit arbeiten und auch etwas wagen.
Ich glaube, unter diesem Gesichtspunkt sollten wir die Frage entscheiden. Das bedeutet keine Diskriminierung etwa der Angestellten. Ich gehöre selber dazu und bitte, das hier richtigstellen zu dürfen.
Ich möchte zum Schluß beantragen, daß über den Antrag Albers und Genossen in namentlicher Abstimmung entschieden wird.
Herr Präsident, ich habe noch einen Eventualantrag zu stellen. Sollte der Antrag Albers und Genossen angenommen werden, dann bitte ich den Bundestag, zu beschließen, daß ab 1. Januar 1954 sämtliche steuerliche Vorteile entfallen, die bisher den Konsumgenossenschaften gewährt worden sind. Die Begründung ist sehr einfach. Nachdem durch Mehrheitsbeschluß des Deutschen Bundestages das Nichtmitgliedergeschäft den Konsumgenossenschaften für ein weiteres halbes Jahr gestattet ist und nachdem beabsichtigt ist, das Nichtmitgliedergeschäft in einer gesetzlichen Neuregelung des Rechtes der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften zu genehmigen, besteht schon jetzt keinerlei Grund mehr, die Konsumgenossenschaften steuerlich zu begünstigen. Durch die Freigabe des Nichtmitgliedergeschäfts haben die Konsumgenossenschaften ihr eigentliches Aufgabengebiet verändert. Sie sind jetzt jeder andern Erwerbsgesellschaft gleichzusetzen. Damit entfällt der Grund, der ursprünglich zu einer Steuerbegünstigung geführt hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Schuler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle Jahre wieder
kommen die Anträge, das Sonderrecht der Konsumgenossenschaften, an Nichtmitglieder zu verkaufen, um ein weiteres Jahr zu verlängern.
Hier wird mit einer Beharrlichkeit, die einer besseren Sache würdig wäre, gefordert, daß ein Unrecht als Sonderrecht anerkannt wird. Der Einzelhandel ist nicht mehr bereit, eine einseitige steuerliche und wirtschaftliche Benachteiligung gegenüber den Konsumgenossenschaften, deren Konkurrenz er unter Voraussetzung gleicher Start- und Arbeitsbedingungen nicht zu fürchten hätte, weiterhin in Kauf zu nehmen. Er ist ferner nicht der Ansicht, daß die durch das Bündnis zwischen Konsumgenossenschaften, Gewerkschaften und Baugenossenschaften dauernd wachsende Machtkonzentration mit den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft zu vereinbaren ist.
Die rapide Entwicklung der Konsumgenossenschaften seit 1945 liegt klar auf der Hand.
Ihr Umsatz steigerte sich von 1949 bis 1952 um 88 %, der des Einzelhandels in derselben Zeitspanne um nur 17%. Dieser Vernichtungswett-b e w e r b gegen den Einzelhandel kann so nicht mehr weitergehen. Ich bitte das Hohe Haus, diesen Antrag auf Verlängerung des Verkaufs der Konsumgenossenschaften an Nichtmitglieder, Drucksache Nr. 51, abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier ist so viel von Steuer ,gesprochen worden; ich stehe aber unter dem Eindruck, daß die Redner in der Steuersystematik nicht bewandert sind. Sie könnten sonst nicht die Behauptung aufstellen, die Konsumgenossenschaften würden steuerlich begünstigt.
Für die Ertragsbesteuerung der Konsumgenossenschaften, meine Damen und Herren, gelten die allgemeinen steuerlichen Vorschriften, und danach unterliegen alle Warengenossenschaften der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer vom Ertrag und dem Notopfer Berlin.
— Warten Sie mal ab, wir kommen auch, noch auf den Ertrag zu sprechen.
— Das glaube ich nicht. Das können Sie zum Schluß sagen, aber jetzt nicht, Herr Kollege Stücklen.
Die einzige Sondervorschrift für alle Warengenossenschaften, nicht nur für die Konsumgenossenschaften, enthält § 36 der KörperschaftsteuerDurchführungsverordnung, der den Abzug der Rückvergütungen regelt, und danach kann die Rückvergütung steuerlich nur abgezogen werden, soweit sie im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet wird.
Aus Fremderträgen, also Nichtmitglieder-Geschäften erwirtschaftete Erlöse sind voll körperschaftsteuerpflichtig. Wird eine höhere Rückvergütung ausgeschüttet, als der Überschuß aus dem Mitgliedergeschäft beträgt, wird also die sogenannte Abzugsgrenze überschritten, dann ist insoweit Kapitalertragsteuer zu entrichten,
und im Falle ungekürzter Auszahlung dieses überschrittenen Betrages wird die Kapitalertragsteuer
mit dem Höchstsatz, nämlich mit 33 1/3 % erhoben.
Wenn Sie dazu nun den vollen Körperschaftsteuersatz nehmen, werden Sie feststellen, daß diese Steuer prohibitiv wirkt, daß also überhaupt keine Überschüsse über das Mitgliedergeschäft hinaus ausgeschüttet werden können, weil das steuerlich Unsinn wäre.
Im übrigen ist die Rückvergütung keine Steuervergünstigung, denn sie gehört steuerlich zu den Betriebsausgaben im Sinne des Einkommensteuerrechts.
— Ja, meine Damen und Herren, wenn Sie meinen, darüber lachen zu sollen, dann müssen Sie die Systematik des Steuerrechts ändern. Dafür sind die Konsumgenossenschaften ja nicht verantwortlich;
denn diese Rückvergütung wird nach dem Umsatz bemessen. Sie stellt also steuerlich gesehen, eine nachträgliche Senkung der Betriebsspanne dar und nichts anderes. Wenn Sie einmal den § 28 des Tabaksteuergesetzes nachlesen, dann werden Sie feststellen, daß es da ebenso verboten ist, Rückvergütungen zu gewähren wie Rabatte.
Damit kommen wir nämlich auf den Kern der Sache, denn damit wird die Rückvergütung ertragsteuerlich gesehen, den Rabatten, Boni usw. gleichgestellt. Sie werden nicht behaupten wollen, daß Rabatte schon jemals steuerlich erfaßt worden sind. Sie sind als Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig gewesen.
Jede Ertragsminderung wirkt steuerertragsmindernd. Das liegt nun einmal im Wesen der Ertragsbesteuerung. Die Rückvergütung ist Gewinnverzicht und kann daher steuerlich niemals mit Unternehmergewinn gleichgestellt werden. Steuervergleiche, die auf solcher Gleichsetzung beruhen, sind eben nicht vertretbar.
Wie wird denn nun die Rückvergütung beim Empfänger behandelt? Auch diese Frage sollte einmal interessieren. Wenn ein Genosse, z. B. eine Firma, sagen wir eine Einkaufsgenossenschaft, eine Rückvergütung erhält, so mindert diese Rückvergütung nachträglich die Bezugskosten, erhöht den zu versteuernden Gewinn und wird erfaßt. Erhält dagegen eine Hausfrau, die Genossenschaftsmitglied ist, die Rückvergütung, dann verbilligen sich dadurch ihre Lebenshaltungskosten. Ich habe noch nie gehört, daß eine Verbilligung der Lebenshaltungskosten zu einer Steuerpflicht führen müßte. Im Ausland hat man die gleiche steuerliche Regelung. In den Vereinigten Staaten, in denen die Rechtsprechung in dieser Hinsicht sehr stark ausgebildet ist, ist unter anderem gesagt worden: Die Rückvergütungen stellen Ersparnisse der Mitglieder dar.
Nun lassen Sie mich zum Schluß noch einen wirklich sehr unverdächtigen Zeugen apostrophieren. Der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums hat in seinem Bericht zur Frage einer organischen Steuerreform Seite 29 folgendes gesagt — gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich das wörtlich zitiere —:
Die derzeitige Regelung der Genossenschaftsbesteuerung ist mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, daß Rückvergütungen und Nachvergütungen, die 5 % der Umsätze des Mitglieds bei der Genossenschaft übersteigen, körperschaftsteuerpflichtig sind, da es nicht Sinn und Zweck einer Genossenschaft ist, möglichst hohe Rückvergütungen an ihre Mitglieder auszuschütten.
Damit wir die Möglichkeit haben, diese steuerliche Frage zu regeln, sollte uns die Frist bis zum 30. Juni eingeräumt werden.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Strobel.
Meine Herren und Damen! Es war bis jetzt in dieser Debatte eigentlich immer nur die Rede von den beiden Verteilergruppen, hie Einzelhandel, hie Konsumgenossenschaf ten. Man bekommt beinahe das Gefühl, daß diejenigen, die am meisten von einer solchen Regelung betroffen werden, nämlich der Verbraucher und die Hausfrau, dabei nicht in Betracht gezogen werden.
Ich möchte Sie alle aus diesem Grunde doch einmal ganz schlicht daran erinnern und Sie bitten, darüber nachzudenken, in welch unmögliche Situationen Sie die Hausfrauen in der Bundesrepublik bringen, wenn Sie ihnen jetzt verbieten wollen, dort einzukaufen, wo sie das für richtig halten. Ich glaube, man sollte die Angelegenheit ganz einfach auch einmal von diesem Gesichtspunkt her betrachten, daß es doch mit Freiheit sehr wenig zu tun hat, wenn man einer Hausfrau verbieten will, in einem Laden einzukaufen, der ihr am nächsten liegt oder aus irgendeinem anderen Grunde genehm ist. Das nur nebenbei.
Ich möchte noch auf einige Bemerkungen eingehen, die hier gemacht worden sind und die, glaube ich, doch richtiggestellt werden müssen. Wir haben uns von vornherein enthalten, hier eine Grundsatzdebatte über das Genossenschaftsgesetz und die gesetzlichen Grundlagen für die verschiedenen Wirtschaftsformen überhaupt zu führen. Leider ist trotzdem eine solche Debatte entstanden, obwohl sie nicht gerade bei diesem Gesetz, sondern bei der endgültigen Regelung all dieser Fragen im Genossenschaftsgesetz, in der Steuergesetzgebung, im Kartellgesetz usw. nötig wäre; dort ist sie dann
2. Deutcher Bundestag - 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 202
angebracht, meine ich. Ich möchte ganz klar aussprechen: Es müssen allen durchaus gleiche Start-und Wettbewerbsbedingungen gegeben werden. Sie herzustellen, ist aber nicht eine Angelegenheit dieses Gesetzes, sondern der bereits angeführten.
Hier ist viel davon die Rede gewesen, daß dieser Paragraph schon seit dem Jahre 1889 besteht. Darf ich vielleicht auch einmal daran erinnern, daß die Konsumgenossenschaften damals körperschaft- und gewerbesteuerfrei waren. Dieser Absatz ist also unter ganz anderen steuerlichen Voraussetzungen geschaffen worden.
Auch davon war die Rede, daß die Wiedergutmachung 'bereits erfolgt sei. Dabei geht man von falschen Voraussetzungen aus. Wenn man schon den Gesichtspunkt der Wiedergutmachung in die Debatte wirft, muß man doch anerkennen, daß es nicht genügt, einen Zustand wiederherzustellen, wie er im Jahre 1933 bestand, sondern dann müßte man davon ausgehen, wie der Zustand im Jahre 1945 gewesen wäre, wenn die Konsumgenossenschaften in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung in der Nazizeit nicht derartig behindert worden wären. Aber selbst wenn man von dem Jahre 1933 ausgeht, kann man, nachdem hier Zahlen angeführt worden sind, die ein falsches Bild entstehen lassen, nicht darauf verzichten, die tatsächlichen Entwicklungszahlen zu nennen. Nach den Zahlen vom Wirtschaftsministerium hatten die Konsumgenossenschaften im Jahre 1932 im gegenwärtigen Gebiet der Bundesrepublik 2,1 Millionen Mitglieder, im Jahre 1952 1,8 Millionen. Es besteht also noch ein Unterschied von 0,3 Millionen. Im Jahre 1932 hatten sie im gleichen Gebiet 8500, im Jahre 1952 7363 Verteilungsstellen. Für den Umsatz darf ich folgende Zahlen nennen. Der Umsatz im Jahre 1932 war 722 Millionen Mark, im Jahre 1952 1,34 Milliarden DM. Bedenken Sie dabei aber bitte, daß der Preisindex im Jahre 1952 im Verhältnis zum Jahre 1932 bei 200 lag. Danach sind die Konsumgenossenschaften auch in ihrem Umsatz noch im Rückstand gegenüber der damaligen Zeit. Das wollte ich doch zu den hier aufgestellten Behauptungen sagen, die man objektiver in diesem Licht sehen muß.
Zum Schluß möchte ich noch folgendes erklären. Ich fürchte, daß all die Herren, die hier glauben, dem Einzelhandel damit einen Dienst zu erweisen, daß sie das Nichtmitgliedergeschäft der Konsumgenossenschaften beseitigen wollen, nicht mit entsprechender Voraussicht an die Zukunft gedacht haben. Denn letzten Endes wird es dahin kommen, daß all die Hausfrauen, die bisher hie und da einmal im Konsum gekauft haben und nicht Mitglied geworden sind, als Mitglied in die Konsumgenossenschaften eintreten,
und die Hausfrau, die einmal Mitglied im Konsum geworden ist, macht ihre Einkäufe dann unter dem Gesichtspunkt der größtmöglichen Rückvergütung; sie wird also in Zukunft mehr im Konsum kaufen, als sie es bisher getan hat. Man sollte das auch einmal von diesem Standpunkt aus sehen.
Ich vertrete die Angelegenheit ja nicht unter dem
Gesichtspunkt, daß die Konsumgenossenschaften
das größtmögliche Geschäft machen sollen, sondern
unter dem der freien Konsumwahl, des gleichen Wettbewerbs und der Gewerbefreiheit für alle.
Das Wort hat der Abgeordnete Samwer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde vom Gesamtdeutschen Block/BHE sind mit mir grundsätzlich der Meinung, daß der Ausgangspunkt bei den kommenden Verhandlungen über eine Novelle des Genossenschaftsrechts hinsichtlich der Konsumgenossenschaften der alte gesetzliche Zustand bleiben soll, bei dem die Konsumgenossenschaften an Nichtmitglieder nicht verkaufen dürfen, da sie auch nach dem alten Gesetz andere Vergünstigungen genießen, die bisher nicht außer Kraft gesetzt worden sind.
Die derzeitige Ausnahmeregelung, wonach Konsumgenossenschaften auch an Nichtmitglieder verkaufen dürfen, war begründet und auch gerechtfertigt dadurch, daß Umsatz und Mitgliederbestand der Konsumgenossenschaften nach dem Zusammenbruch von 1945 gegenüber der Zeit vor 1933 erheblich zurückgegangen waren. Nach den Veröffentlichungen der Konsumgenossenschaften selbst sind inzwischen die früheren Höchstziffern im Umsatz wie im Mitgliederbestand sogar überschritten worden.
Allerdings stehen die Ausführungen des Herrn Vertreters des Bundeswirtschaftsministeriums, die er kürzlich im Wirtschaftspolitischen Ausschuß gemacht hat, hierzu in einem nicht überzeugenden Gegensatz, der hoffentlich recht bald eindeutig aufgeklärt wird.
Gestatten Sie mir die persönliche Erklärung, daß ich dem Ausschußantrag nicht zustimmen werde — auch eine Vielzahl meiner politischen Freunde werden so handeln —, weil er nicht die Wettbewerbsgleichheit zwischen Konsumgenossenschaften und Handelsbetrieben gewährleistet. Eine Zustimmung zu dem kurzfristigen Kompromiß, der niemals verlängert werden sollte, kann allgemein die kommende Neuregelung des Rechts der Konsumgenossenschaften in keiner Weise präjudizieren. Nach unserer Wirtschaftsauffassung dürfen die Konsumgenossenschaften nach dem Gleichheitsprinzip künftig keinesfalls gegenüber den Handelsbetrieben bevorzugt bleiben.
Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus meinem Beruf bin ich gewohnt, an Aufgaben mit ziemlicher Logik heranzugehen.
— Ich wollte Ihnen eben ein Kompliment machen. Ich habe mich gefreut, daß die Frau Kollegin Strobel auf den Kern der Sache zurückgegangen ist. Denn die Aufhebung des § 8 Abs. 4 durch die britische Besatzungsmacht 1946, durch den Wirtschaftsrat 1947 und die Verlängerung dieser Aufhebung um ein Jahr durch uns 1952 gehen darauf zurück, daß man den Konsumgenossenschaften die Möglichkeit geben wollte, im Zuge der Wiedergutmachung auf den alten Stand zurückzukommen.
Nun haben Sie, Frau Kollegin Strobel, eine Statistik verwendet, die uns auch im Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstands vorgelegen hat. Ich habe dort zu dieser Statistik allerdings sagen müssen, daß man sie, wenn sie sich einmal auf das Jahr 1930 bezieht, dann auf das Jahr 1932 und dann auf 1931, nicht als eine saubere und konkrete Unterlage zur Beweisführung verwenden kann.
Das Genossenschaftswesen ist heute in eine Richtung gegangen, die nicht mehr mit dem genossenschaftlichen Prinzip vereinbar erklärt werden kann. Wenn Herr Professor B ö h in der Meinung ist, daß die Regierungsvorlage durchdacht sei, die Entscheidung des Reichstags von 1898 aber nicht, dann liegt darin die Wertung einer parlamentarischen Entscheidung, deren Beurteilung ich Ihnen, Herr Professor Böhm, ganz allein überlassen möchte.
— Herr Kollege Arndgen, wir haben hier im Bundestag auch Kampfabstimmungen gehabt, als es
um die Verlängerung oder Nichtverlängerung ging.
— Kommt auch noch.
Nun wird man mit allen möglichen Statistiken kommen, mit Umsatzzahlen usw. Man sagt, daß die Konsumgenossenschaften nur mit 4 % am Gesamtumsatz des, Einzelhandelsgeschäfts teilhaben. Es ist aber doch ein wesentlicher Unterschied, ob nun die 4 % in der Hand einer einzigen Genossenschaft liegen oder ob die 96 % von Hunderttausenden von Einzelhändlern, von Einzelexistenzen gebracht werden.
Das ist der wesentliche Unterschied in unserem Denken. Hier ist das Denken, das den Persönlichkeitswert betont, und dort das, das den Kollektiverfolg als gleichwertig hinstellt. Gegen diese Bestrebungen wenden wir uns. Deshalb werden wir auch mit aller Entschiedenheit gegen eine Verlängerung dieses Gesetzes eintreten, weil dadurch die Voraussetzungen zur Neuregelung im Genossenschaftswesen auf eine vollkommen falsche Basis gestellt werden.
Wenn Herr Professor Böhm — ich muß noch einmal darauf zurückkommen — gesagt hat, daß es 1945/46 notwendig war, den Konsumgenossenschaften die Möglichkeit des freien Verkaufs zu geben, um die Versorgung der Bevölkerung aufrechtzuerhalten, dann darf ich doch hinzufügen, daß auch die übrige gewerbliche Wirtschaft — die Einzelhandelsgeschäfte — ihren Anteil daran gehabt haben.
Wenn Sie aber meinen,, Herr Professor Böhm, daß es nur dann möglich war, den Konsumenten zu befriedigen, wenn die Konsumgenossenschaften frei verkaufen konnten, dann bestätigen Sie damit aber
auch die marktbeherrschende Position der Konsumgenossenschaf ten.
— Herr Kollege Pelster, es handelt sich hier um das Argument des Herrn Professor Böhm.
Wenn wir nun im Zusammenhang der Beratungen die Frage entscheiden müssen, ob Verlängerung oder nicht, dann darf ich Sie, Frau Kollegin Strobel, einmal ansprechen. Sie gehören sehr lange der Konsumgenossenschaftsbewegung an. Vielleicht sind Sie auch bei dem Konsumvereinsverbandstag von 1929 mit dabei gewesen. Der Konsumvereinsverbandstag von 1929 hat die Einführung des Nichtmitgliedergeschäfts als den Genossenschaften wesensfremd bezeichnet und das Nichtmitgliedergeschäft selbst seitens des Konsumvereinsverbandes abgelehnt.
Es scheint mir, daß es damals noch echte Genossenschaftler waren. Es scheint mir, daß damals der
Wert einer Selbsthilfeorganisation erkannt worden
ist, und es scheint mir weiter, daß man durch die
von 1946 bis heute geltende Ausnahmebestimmung
Geschmack an der Kapitalgesellschaft gewonnen
hat.
Dagegen wenden wir uns. Wenn Sie eine Erwerbsgesellschaft werden wollen oder eine Kapitalgesellschaft, dann nehmen Sie die Rechtsform an, die für eine solche Gesellschaft möglich ist; beanspruchen Sie aber bitte nicht für sich den Genossenschaftscharakter, wenn Sie längst über diesen Bereich hinausgegangen sind.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Abstimmung. Ich glaube, daß diese Abstimmung ein Prüfstein dafür ist, wie die einzelnen Fraktionen gewillt sind, die Versprechungen, die sie im Wahlkampf gegeben haben, seine positive Mittelstandspolitik zu betreiben, einzulösen.
Das Wort hat der Abgeordnete Becker .
Meine Damen sind Herren! Die Freunde und Mitglieder der Konsumgenossenschaften leisten dem Konsumgenossenschaftsgedanken, wie ich glaube, keinen guten Dienst, wenn Sie sich jetzt mit dieser Beharrlichkeit für das sogenannte Nichtmitgliedergeschäft einsetzen. Mein Herr Vorredner hat schon darauf hingewiesen, daß früher die Einstellung der Konsumgenossenschaften und der Konsumgenossen selber eine andere gewesen ist. Ich sage Ihnen als Mitglied einer großen Konsumgenossenschaft Norddeutschlands aus meiner konservativen Einstellung, daß der Weg, den die Konsumgenossenschaften jetzt einschlagen - nämlich zu dem Nichtmitgliedergeschäft als Regel überzugehen —, von dem ursprünglichen Gedanken der Genossenschaftsselbsthilfe wegführt.
Vielleicht nehmen die Freunde, die sich immer als alleinberechtigte Sprecher der Konsumgenossenschaften ausgeben, einmal zur Kenntnis, daß die Konsumgenossenschaften eine gute Anzahl konser-
vativ eingestellter Mitglieder haben, die sich nach wie vor zu dem ursprünglichen Gedanken bekennen.
Frau Kollegin Strobel hat nun ausgeführt, es sei für den Verbraucher bei der heutigen Entwicklung schlechthin lästig, wenn er nicht in den einen oder anderen Laden gehen könne. Das ist eine Tatsache, die nicht zu leugnen ist. Von dem Standpunkt des einfachen Verbrauchers aus, der also nicht konsumgenossenschaftlich orientiert und organisiert ist, ist diese Einstellung vertretbar und auch berechtigt. Wenn als Folge davon aber gefordert wird, daß die Gewerbefreiheit für alle Verkaufseinrichtungen gleich ist, muß auf der anderen Seite auch die Konsequenz gezogen werden, daß man eine gleiche steuerliche Behandlung schafft. Ich will gar nicht behaupten, die Konsumgenossenschaf ten würden steuerlich besser behandelt. Ich stelle nur fest, daß die Konsumgenossenschaften steuerlich anders behandelt werden, daß also der Start für den Wettbewerb ungleich ist. Aus allen diesen Gründen glaube ich, daß die Argumente, die von den Vertretern der vorliegenden Drucksache 51 angeführt werden, die schlechteren sind.
Hinzu kommt aber noch folgendes, und das möchte ich zum Schluß bemerken. Die Auseinandersetzungen über dieses Thema haben eine erfreuliche Seite. Sie weisen darauf hin, daß die wirtschaftliche Gesundung in Westdeutschland schon so fortgeschritten ist, daß sich schon an diesen zweit- und drittrangigen Fragen eine derart lebhafte Auseinandersetzung entzündet. Sie zeigen weiter, daß die Gedanken der staatlichen Lenkung der Wirtschaft allmählich hoffentlich ganz aus den Köpfen der Deutschen in Westdeutschland verschwinden. Aber auf der anderen Seite muß auch darauf hingewiesen werden, daß die Auseinandersetzungen von den beiden Interessentengruppen in diesem Falle vorwiegend in einer Weise geführt worden sind, die nicht ohne weiteres hingenommen werden kann. Ich gebe zu, daß die Interessenvertretungen des Einzelhandels teilweise eine Argumentation geführt haben, die über das Maß der Sachlichkeit hinausgeht. Sie haben sich teilweise in der Wort- wahl vergriffen, haben von „Provokation des Mittelstandes" gesprochen. Das. ist, glaube ich. eine etwas starke Dosis. Auf der anderen Seite muß man sich aber fragen: Wie war die Antwort der Konsumgenossenschaften? Ihnen allen ist der „Verbraucher", die Zeitschrift des Zentralverbandes der Konsumgenossenschaften zugegangen, in der die, ich muß wohl sagen, ungeheuerliche Feststellung eines Mitgliedes einer Genossenschaft steht, der Kampf gegen die Konsumgenossenschaften habe jetzt schon wieder Formen angenommen, welche den Methoden des tausendjährigen Reiches entsprächen.
Meine Damen und Herren, mit dieser Argumentation, die eine reine Polemik ist, nützen Sie niemandem. Sie bringen vielmehr dasselbe Argument, das jetzt Gott sei Dank von der politischen Ebene verschwunden ist, in die wirtschaftspolitische Auseinandersetzung wieder hinein, wenn Sie Ihre Gegenspieler bezichtigen, Methoden des tausendjährigen Reiches anzuwenden. Dabei hat von der anderen Seite, vom Einzelhandel und vom gewerblichen Mittelstand, niemand etwa ein Verbot, eine Auflösung der Konsumgenossenschaften oder etwas Ähnliches gefordert. Wenn Sie mit solchen Argumenten arbeiten, leisten Sie der Sache, die Sie ver- treten, keinen guten Dienst.
Zum Schluß darf ich folgendes sagen. Solange die Dinge in politischer Hinsicht noch so unausgeglichen sind, glaube ich, sollte man berechtigterweise von der Grundlage ausgehen, die die Konsumgenossenschaften fördernden Bestimmungen, wie sie in den vergangenen Jahren bestanden haben, nun doch einmal bis zur endgültigen Klärung zurückzustellen, damit die offiziell befugten Vertreter der Konsumgenossenschaften sich einmal überlegen, daß sie besser eine faire Diskussion betreiben sollten, um zu einer gerechten Lösung zu kommen, die alle Teile befriedigen kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, in diese Debatte einzugreifen. Aber die Ausführungen meines Fraktionskollegen Stücklen zwingen mich dazu, ein paar Bemerkungen zu machen.
Meine Damen und Herren, von dem Antrag und dem Beschluß des Wirtschaftspolitischen Auschusses wird die sachliche Frage, wie Konsumvereine, andere Genossenschaften und Einzelhandel behandelt werden sollen, überhaupt nicht tangiert,
sondern das Ziel dieses Antrages ist, dem Bundestag Zeit zu geben, in eine Erörterung der anstehenden Probleme einzutreten und eine Regelung zu finden, die allen Beteiligten im Wirtschaftsleben gleichen Start gibt.
Ich glaube, wenn man sachlich und unvoreingenommen ist, wird man dem Bundestag diese Möglichkeit geben müssen, zumal der erste Bundestag die Drucksache Nr. 4074, die sich mit dieser Materie schon befaßte, nicht mehr erledigen konnte.
Es ist mir unverständlich, daß in diese Debatte Schärfen hineingetragen werden können, wie es Herr Kollege Stücklen getan hat.
Meine Damen und Herren, es geht nicht an, Ausführungen zu machen, die den Eindruck erwecken könnten, als ob diejenigen, die nur für diese Verlängerung sind, damit eine mittelstandsfeindliche Haltung bekundeten.
Ich habe mich selber in der Beurteilung dieser Dinge hier zurückgehalten, aber ich bin der Auffassung: man lasse diese Schärfen aus der Debatte heraus
und sorge dafür, daß wir uns nach den Ferien zusammensetzen und in aller Offenheit die Dinge so
regeln, wie es die wirtschaftliche Vernunft verlangt.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Stücklen hat
206 2. Deutscher Bundestag — a. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
hier an Wahlversprechungen erinnert. Das sei ihm unbenommen. Ich möchte mir aber doch den Vorschlag erlauben, daß wir die Diskussion nicht in Form von Wahlversammlungen führen. Damit niemand hier unter irgendeinem falschen Eindruck seine Abstimmung vornimmt — und ein solcher Eindruck müßte eigentlich entstehen, wenn man sagt: Ja, nur 4 %, aber in einer Hand, ein ganz großer Konzern -, möchte ich hier darauf aufmerksam machen, daß es nicht nur eine Konsumgenossenschaft gibt,
sondern fast 300 Konsumgenossenschaften, ich glaube, genau 200 und einige 90,
— 305, Herr Kollege Lenz, von denen eine größere Anzahl nur eine, zwei, drei Verkaufsstellen unterhalten;
also wahrlich ein Kreis von Menschen, die sich zu einer echten Selbsthilfeaufgabe zusammengeschlossen haben. Wenn nun einer glaubt, es gebe darüber aber so eine magische Zusammenfassung, die das Ganze doch zu einem von einem zentralen Punkt aus gesteuerten Konzern mache, dann möge der Betreffende doch einmal seine Voreingenommenheit oder vielleicht auch seine Angst überwinden, möge in den Laden einer Konsumgenossenschaft gehen und einmal sehen, was denn nun dort zum Verkauf gestellt wird. Das sind keineswegs etwa nur Produkte aus den Fabriken der Konsumgenossenschaften, sondern - -
— Dann - sind es immerhin noch 50% von diesen 4%, die aus der sogenannten freien Wirtschaft, aus privaten Unternehmungen kommen,
und dann überlegen *Sie bitte, ob das nun etwa die richtige Art von Mittelstandspolitik wäre, wenn Sie die Konsumgenossenschaften vor eine Ausnahmeregelung stellten — neulich ist im Wirtschaftspolitischen Ausschuß in nicht ganz unzutreffender Weise das Wort „Ghetto" gebraucht worden
— und ob Sie dadurch denen — und 50% von 4 % des Gesamtumsatzes ist vielleicht auch noch ein ganz interessantes Geschäft — wirklich einen großen Gefallen täten, die bisher zu den Lieferanten der Konsumgenossenschaften gehören.,
Das Wort hat der Abgeordnete Weyer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nicht die Hoffnung, daß wir uns heute noch gegenseitig zu überzeugen vertrnögen. Ich glaube, die Meinungen sind ziemlich vorgefaßt, und wir könnten die Debatte beenden.
Ich möchte mich auch nicht in die kleine Auseinandersetzung innerhalb der CDU-Fraktion einmischen. Wir teilen den Standpunkt, den Herr Kollege Stücklen vorgetragen hat, und wir würden uns freuen, wenn sich auch die Mehrheit der CDU-Fraktion diesem Standpunktanschließen würde.
Ich darf noch ein Wort zu Ihnen, Herr Kollege Krammig , sagen. Sie sagten, die Rückvergütungen gehörten zu den Betriebsausgaben und seien ein Gewinnverzicht. Das Ist labsolut richtig. Aber die Rückvergütungen, die der Einzelhandel geben kann, sind durch das Rabattgesetz auf 3 % beschränkt. Diese Beschränkung gilt nicht für die Konsumgenossenschaften. Darin liegt der Unterschied, und dieser Unterschied sollbeseitigt werden. Das haben Sie leider nicht gesagt.
Ich darf für die FDP-Fraktion den Antrag der DP auf namentliche Abstimmung unterstützen. Ich bitte, die Problematik sehr klar zu erkennen, ob der Sondervorteil, der den Konsumgenossenschaften
bis zum heutigen Tage gewährt worden ist, auch über den 31. Dezember hinaus gewährt werden soll, oder ob wir mit gleichen Startbedingungen in die neuen Verhandlungen eintreten. Das ist, glaube ich, die Kernfrage.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in den Wahlauseinandersetzungen keine Versprechungen gemacht;
infolgedessen kann ich auch ruhig und objektiv zu der Frage Stellung nehmen.
Die Debatte hat eine Reihe von Unklarheiten ergeben, deren baldige Beseitigung unbedingt notwendig ist. Ich wäre der Letzte, der gegen eine solche Klärung wäre. Schon allein das Nichtmitglieder-Geschäft ist, wenn Sie sich einmal. die Kommentare zu § 8 des Genossenschaftsgesetzes ansehen, so eine schwankende Gestalt. Was sind Nichtmitglieder-Geschäfte? Die gewerblichen Rohstoffverbände, die an Nichtmitglieder verkaufen, dürfen dies tun. Konsumvereine, die selber produzieren, dürfen die selber produzierten Waren auch an Nichtmitglieder verkaufen. Um stich auf dem Gebiet des Mitgliedergeschäfts und NichtmitgliederGeschäfts zurechtzufinden, muß man die Kommentare genau studieren.
Ich möchte nicht in den Fehler verfallen, Mer lediglich aus Interessengründen eine Agitationspolitik zu treiben.
Aber es kommt hier darauf 'hinaus, als ob den Konsumvereinen lediglich der Einzelhändler gegenüberstände. Ja, gibt es denn außer den Konsumvereinen und der GEG nicht andere Wirtschaftsgebilde?
Gibt es nicht diese Wirtschaftsgebilde und all die großen Einkaufsgesellschaften, deren Vertreter in den Ländern umherfahren und bei denen die Einzelkaufleute
nur noch Filialleiter sind? Davon spricht kein Mensch.
Ich selber bin Genossenschaftler genug, um zu wissen, wie der Genossenschaftsgedanke jeweils angewendet werden -muß. Er findet auch in den mittelständischen Betrieben Anwendung. Ich erinnere nur an die EDEKA-Genossenschaft. Jeder Einzelhändler hat die Möglichkeit und das Recht, sich die Vorteile des Großbezugs zu eigen zu machen, indem er sich beispielsweise der EDEKA-Genossenschaft anschließt.
— Jetzt kommen Sie wieder mit dem Steuerproblem. Dazu haben ändere Kollegen schon Stellung genommen. Das ist ein weiterer Grund, der mich veranlaßt, meine engeren Freunde aufzufordern, unter allen Umständen für die Verlängerung bis 30. Juni zu stimmen. Denn die steuerliche Behandlung der Genossenschaften weist eine Reihe von Unrichtigkeiten auf, die dringend der Klärung bedürfen.
Es wird ja immer nur einfach drauflos behauptet.
Es ist nicht das erste Mal, daß ich eine Konsumvereins-Debatte mitmache; ich bin auf dem Gebiet schon hartgesotten.
Die Welt ist deswegen noch nicht zugrunde gegangen. Die Meinungen sind immer quer durch die Fraktionen gegangen. Wir haben uns allerdings gegenseitig, glaube ich, nicht so abgekämpft wie heute; es ist ein bißchen gemütlicher zugegangen. Heute war die Debatte interessenmäßig ein bißchen sehr scharf zugespitzt, so daß man nicht mehr das Wirkliche von dem Unwirklichen, nicht mehr das Echte vom Unechten, nicht mehr das Agitatorische von dem hat unterscheiden können, was man eigentlich will.
Das Genossenschaftswesen dient genau so dem
gewerblichen Mittelstand wie den anderen Ständen,
und die Genossenschaftler müssen sehr vorsichtig sein, wenn sie den einen Genossenschaftsgedanken da verwerfen und dort wieder beanspruchen. Ich weiß zum Beispiel, daß die Fleischer dein Genossenschaftsgedanken nicht so gegenüberstehen, wie es heute zum Ausdruck gekommen ist. Da gehen. die Meinungen durcheinander und gegeneinander. Aber wenn ich schon einmal das Genossenschaftsprinzip als berechtigt anerkenne, . dann muß ich auch dafür sorgen, daß keine Ausnahmebestimmungen gegen eine Genossenschaft bestehen.
Das Nichtmitglieder-Geschäft kann ja von jeder Genossenschaft betrieben werden, wenn es in den Statuten festgelegt ist. Nur der § 8 Abs. 4 hat diese Ausnahmebestimmung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist meiner Ansicht nach dringend notwendig, die Dinge gründlich zu klären. Ich will mich in den Streit der Meinungen nicht weiter einmischen, ich will gar keine grundsätzlichen Ausführungen machen. Denn die Dinge sind ja schon so festgefahren, daß man kaum mehr zur Vernunft reden darf. Aber ich möchte die Mitglieder des Hauses, die -das Bedürfnis haben, die Frage noch weiter zu klären, auffordern, für die Verlängerung zu stimmen, damit wir in der Zwischenzeit eine richtige Lösung der Probleme finden können.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mensing.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wir wollen die Dinge nicht ins Lächerliche ziehen; dafür ist die Frage doch zu ernst. Ich hatte nicht die Absicht, hier das Wort zu nehmen; veranlaßt hat mich dazu der Kollege Horlacher.
Ich bin der Auffassung, daß der ganze hier zur Diskussion gestellte Fragenkomplex selbstverständlich zwei Seiten hat, und spreche dies klipp und klar aus. Wir vom gewerblichen Mittelstand fühlen uns nicht nur von den Konsumvereinen bedroht, sondern auch von den anderen Großbetrieben — um mich ganz vorsichtig auszudrücken—, von wirtschaftlich rechts. Unser Behauptungskampf richtet sich daher gegen wirtschaftlich links und gegen wirtschaftlich rechts.
Nein —, es geht um etwas anderes. Es geht darum — und Ihre hämischen Bemerkungen geben mir Veranlassung dazu —, die Frage der Konsumvereine von der politischen Seite zu untersuchen.
Es wurde hier zum Ausdruck gebracht, daß die Konsumvereine längst über den genossenschaftlichen Rahmen der Selbsthilfe hinausgegangen sind und heute reine Erwerbsunternehmen geworden sind. Wir sehen in ihren Genossenschaften in erster Linie wirtschaftliche Institutionen, die dazu berufen sind, sehr viele Menschen aus Ihren politischen Reihen unterzubringen, damit sie die Möglichkeit haben, frei von wirtschaftlichen Sorgen sich für Ihre politische Idee einzusetzen.
Der gewerbliche Mittelstand sieht die Dinge auch von dem staatspolitischen Gesichtspunkt an.
Wir bekennen uns zur Persönlichkeitswirtschaft und wünschen,
Zuruf von der SPD: Sülze! — Heiterkeit links)
daß die vielen selbständigen kleinen und mittleren
Betriebe der Volkswirtschaft erhalten bleiben. Der
1 Staat, der es versteht diese selbständigen Kräfte am Leben zu erhalten, hat die Gewähr, daß er sich einen guten Dienst erweist. Vergessen Sie nicht, die Ausschaltung dieser Gruppen des Mittelstandes wird gleichbedeutend damit sein, daß den Söhnen der Arbeiterschaft die Aufstiegsmöglichkeiten genommen werden.
— Ich bin ein Gegner der Filialbetriebe und der. Großbetriebe.
Ich persönlich werde meinem Freund Schmücker Gefolgschaft leisten
und bekenne mich zu seiner Auffassung.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.
. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen als erster Redner vorgeschlagen, man möge versuchen, eine leidenschaftslose Debatte zu führen. Ich muß sagen, daß wir gegenwärtig von beiden Seiten den Versuch machen, mit anderen Argumenten als mit denen der Vernunft überzeugen zu wollen. Lautstärke spricht nicht für sich; es spricht auch nicht für sich, wenn man einem Kollegen mit Gelächter oder/ähnlichen Dingen entgegentritt.
Es ist von Interessen und anderen Dingen gesprochen worden. Ja, meine Damen und Herren, das bestreitet niemand, daß der eine oder andere diese oder jene Interessen hat. Aber wenn wir nicht einmal mehr in der Lage sind, dem anderen zuzubilligen, daß er nach seinem echten Empfinden urteilt, können wir nach Hause gehen.
Wir haben Ihnen klar gesagt, daß es uns gar nicht darauf ankommt, irgendwie das Mitgliedergeschäft zu beschränken. Uns kommt es vielmehr darauf an, einen gleichen Wettbewerb herzustellen. Da sind die einen der Meinung, daß man für die Übergangszeit so verfahren soll, und die anderen, daß man so verfahren soll. Ich mache niemandem einen Vorwurf daraus, daß er so oder so urteilt. Und wenn ich der Meinung bin, habe ich auch das Recht dazu, mich so zu äußern, daß das Auslaufen der Sonderbestimmungen dem Ideal des gleichen Wettbewerbs am nächsten kommt.
— Herr Arndgen, ich habe mich bisher ordentlich ausgedrückt und erwarte von Ihnen, daß Sie mich entsprechend behandeln. Ich bin der Meinung, daß wir dem Idealzustand des gleichen Wettbewerbs, der nie erreichbar sein wird, in der Übergangszeit dadurch am nächsten kommen, daß wir das Sonderrecht auslaufen lassen. Nur aus diesem Grunde stimme ich und stimmt eine große Anzahl meiner Freunde gegen die Ausschußvorlage. Über Mitgliedergeschäft, Steuersachen usw. sprechen wir, wenn es auf der Tagesordnung steht. — Das ist mein Schlußwort.
Die Rednerliste ist erschöpft.
Ich schließe die Aussprache zu Art. 1. Es ist der Antrag auf namentliche Abstimmung über Drucksache 117 gestellt. Ich nehme an, daß hier eine namentliche Abstimmung zu Art. 1 in zweiter Lesung gemeint ist. Besteht darüber Einverständnis? — Das ist der Fall.
Ich frage, ob der Antrag auf namentliche Abstimmung von wenigstens 50 Mitgliedern des Hauses unterstützt wird. — Das sind wenigstens 50 Mitglieder. Die namentliche Abstimmung wird hiermit eröffnet. Ich bitte die Herren Schriftführer, sich zu den Urnen zu begeben und die Stimmkarten einzusammeln.
Sind noch Damen und Herren im Saal, die ihre Stimme abzugeben wünschen?
Ich frage nochmals: sind noch Damen und Herren im Saale, die ihre Stimme abzugeben wünschen? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung*) bekannt. Von den stimmberechtigten Abgeordneten wurden 458 Stimmen abgegeben. Es stimmten mit Ja 259, mit Nein 185 bei 14 Enthaltungen. Von den Berliner Abgeordneten wurden 20 Stimmen abgegeben. Mit Ja stimmten 14, mit Nein 6; keine Enthaltungen. Damit ist Art. 1 angenommen.
Seitens der Fraktion der Deutschen Partei wurde als Eventualantrag ein Änderungsantrag auf Einfügung eines Art. 1 a gestellt:
Ab 1. Januar 1954 entfallen sämtliche steuerliche Vorteile, die bisher den Konsumgenossenschaften gewährt wurden.
Der Antrag ist bereits begründet. Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Deutschen Partei zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf Art. 2. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Art. 2 zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf Art. 3. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Art. 3 zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste ist die Mehrheit;, der Art. 3 ist angenommen.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. Wer Zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einleitung und Überschrift sind mit großer Mehrheit angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache.. Wird das Wort ge*) Siehe Abstimmungsliste Seite 232.
wünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Generalaussprache.
Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, - Einleitung und Überschrift. Wer diesen aufgerufenen Artikeln sowie Einleitung und Überschrift die Zustimmung geben will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem die Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen noch zur Abstimmung zu Punkt 10b. Wird zu dem Antrag Drucksache 118 das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Mündlichen Bericht des Wirtschaftspolitischen Ausschusses betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Neuregelung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften die Zustimmung geben will, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich schlage Ihnen vor, die beabsichtigte Pause von 45 Minuten jetzt eintreten zu lassen. Stimmt dem das Haus zu? — Das ist der Fall.
Ich darf darauf hinweisen, daß jetzt die konstituierende Sitzung des 32. Ausschusses, des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen, im Zimmer 204 Süd stattfindet. Ebenso findet jetzt eine Fraktionssitzung der CDU/CSU im Sitzungssaal statt.
Wir treten um 15 Uhr 5 Minuten wieder zusammen. Ich unterbreche die Sitzung auf 45 Minuten.
Die Sitzung wird um 15 Uhr 13 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger wieder aufgenommen.
Ich eröffne die unterbrochene Sitzung.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Durchführung von wirtschaftlichen Verträgen mit ausländischen Staaten .
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Es ist beantragt, den Gesetzentwurf federführend an den Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen, außerdem an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Meistbegünstigungsabkommen vom 31. Oktober 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik El Salvador ; Mündlicher Bericht ,des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) (Drucksache 120).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Oesterle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich in seiner Sitzung vom 4. Dezember mit dem Meistbegünstigungsabkommen zwischen ,der Bundesrepublik Deutschland und der Republik El Salvador befaßt. Es hat keine Aussprache gegeben. Der Vertrag sieht die gegenseitige unbeschränkte Meistbegünstigung vor, so daß er die klassischen Erfordernisse eines solchen Abkommens erfüllt. Ich habe lediglich zu beantragen, daß ,der vom Bundesrat eingefügte Art. IIa redaktionell geändert wird und Art. III wird und dementsprechend Art. III Art. IV wird.
Ich habe das Hohe Haus zu bitten, dem Antrag des Ausschusses, der einstimmig gefaßt worden ist, zuzustimmen.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. I. — Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Art. II. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer die Zustimmung bezeugen will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Art. III. — Wer die Zustimmung bezeugen will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist ,die Mehrheit; angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Entwurf eines Gesetzes über das Meistbegünstigungsabkommen vom 31. Oktober 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik El Salvador zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Handelsvertrag vom 18. April 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Uruguay . Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) (Drucksache 122).
Als Berichterstatter hat das Wort der Abgeordnete Dr. Oesterle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Genau wie im vorhergehenden Fall handelt es sich wieder um einen Handelsvertrag, und zwar zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Uruguay. Auch bei der Beratung dieses Vertrags hat sich der Ausschuß für Außenhandelsfragen einstimmig für
die Annahme des Vertrags ausgesprochen. Wesentliche Änderungen gegenüber solchen Verträgen ergeben sich nicht. Das einzige, was vom handelspolitischen Standpunkt dazu gesagt werden kann, ist vielleicht, daß sich gerade im Hinblick auf die Senkung der Kaffeesteuer die Beziehungen ausweiten können, was wir alle ja nur erhoffen.
Ich habe Sie im Auftrage des Ausschusses zu bitten, dem Ausschußantrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich rufe Art. I auf. Wer zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Art. II. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Art. III. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich, ,die Hand zu heben.
— Angenommen.
Art. IV. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben.
— Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. Wer zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Die Aussprache ist eröffnet. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe auf Art. I, — II, — III, — IV, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Die Schlußabstimmung entfällt gemäß § 88 der Geschäftsordnung.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Weihnachtszuwendungen für Bundesbedienstete.
Als Berichterstatter hat der Abgeordnete Arndgen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der SPD betreffend Weihnachtszuwendungen an Bundesbedienstete — Drucksache 103 — ist gestern, am 9. Dezember, im Haushaltsausschuß beraten worden. Während der Beratung wurde dem Ausschuß ein Schreiben des Vorsitzenden des Ausschusses für Beamtenrecht zur Kenntnis gebracht, in dem zu Gratifikationen an Behördenbedienstete grundsätzlich Stellung genommen wird. Dieses Schreiben, daß auch dem Beamtenrechtsausschuß zur Kenntnis gebracht wurde, kann als ein Gutachten zu der Frage der Gratifikation bewertet werden. Ich bitte den Herrn Präsidenten, das Schreiben vorlesen zu dürfen. Es hat in seinem sachlichen Inhalt folgenden Wortlaut:
Maßgebend war die grundsätzliche Überzeugung, daß die Weihnachtszuwendungen in der
freien Wirtschaft, die bei den Gehältern berücksichtigt werden, auf die Besoldung im öffentlichen Dienst nicht übernommen werden können. Die Beamten können nicht die Rechte aus den Beamtengesetzen und die Sonderleistungen der freien Wirtschaft gleichzeitig in Anspruch nehmen. Die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes haben eine viel gesichertere Stellung als in der freien Wirtschaft, erhalten Fürsorgeleistungen und haben zum Teil eine Zusatzversorgung und streben sie zum Teil an. Die Verbesserung der wirtschaftlichen Stellung der öffentlichen Bediensteten muß über die Besoldungsordnung und. über die Tarifverträge, nicht aber über Weihnachtszuwendungen erfolgen.
Im Dezember 1952 wurden Zahlungen einschließlich der in Nordrhein-Westfalen gewährten Zuwendungen ausdrücklich als Vorleistung für die Monate Dezember 1952 bis März 1953 gewährt, weil die Art der Besoldungserhöhung vom 1. April 1953 an noch nicht feststand, die später auf 20 vom Hundert des Grundgehaltes festgelegt wurde.
Soweit der sachliche Inhalt dieses Schreibens.
Soweit die fiskalische Seite des Antrages Drucksache 103 zu prüfen war, wurde von einem Vertreter des Herrn Finanzministers darauf verwiesen, daß die Verwirklichung dieses Antrages den Bund zusätzlich mit 22 Millionen DM, die Bundesbahn mit 41 Millionen DM und die Bundespost mit 30 Millionen DM belasten würde. Zu diesen Finanzbelastungen kämen noch solche, die entstünden, weil auch an die Bediensteten der Besatzungsmächte ähnliche Zuwendungen gegeben werden müßten. Dadurch würden diese Weihnachtsbeihilfen den Bundeshaushalt dann mit rund 100 Millionen DM belasten, wofür keine Deckung vorhanden sei.
Aus diesen fiskalischen Gründen und auch aus den grundsätzlichen Erwägungen, die in dem Schreiben, das ich hier vorlesen durfte, niedergelegt sind, hat der Ausschuß mit 20 gegen 9 Stimmen beschlossen, dem Hause zu empfehlen, den Antrag Drucksache 103 abzulehnen.
Seitens der Fraktion des BHE wurde im Haushaltsausschuß ein sogenannter Kompromißantrag vorgelegt. Dieser Kompromißantrag sah vor, anstatt 50 DM Weihnachtsgratifikation nur 25 DM und für jeden zum Haushalt gehörenden einen Zuschlag von 10 DM zu gewähren, mit der Maßgabe, daß die so geartete Weihnachtsgratifikation nur an solche gezahlt werden soll, deren Einkommen im Monat 300 DM nicht übersteigt. Auch dieser Vermittlungsvorschlag ist im Haushaltsausschuß mit 19 gegen 10 Stimmen abgelehnt worden, nicht zuletzt deswegen, weil er, wenn er verwirklicht würde in der Hauptsache den jungen Leuten und den Ledigen die Weihnachtsgratifikation gewähren würde, während die Familien und alle anderen von ihr nicht allzuviel hätten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe den Auftrag, Sie zu bitten, der Drucksache 137 mit Rücksicht auf alle diese Gründe Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst.
— Es liegen bei mir sonst keine Wortmeldungen vor. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst.
— Ich bitte Sie, sich doch schriftlich zu melden, damit ich das hier sehen kann.
Herr Abgeordneter Böhm hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache 103, die der Bundestag in der letzten Sitzung dem Haushaltsausschuß überwiesen hat, verlangt für alle öffentlichen Bediensteten einschließlich der Ruhegeldempfänger eine Weihnachtszuwendung von 50 bzw. 35 DM, d. h. 50 DM für Verheiratete, 35 DM für Ledige, und für jedes unterhaltsberechtigte Kind eine Zuwendung von 15 DM. Dieser Antrag bzw. die Frage der Zuwendungen für die öffentlichen Bediensteten anläßlich des Weihnachtsfestes hat draußen in der Öffentlichkeit zu sehr starken Diskussionen geführt. Inzwischen haben sowohl die Länder- wie auch die Gemeindeparlamente dazu Stellung genommen. Der Bayerische Landtag hat beschlossen, den Bediensteten des Landes Bayern eine Weihnachtszuwendung zu zahlen. Eine Reihe von Städten und Gemeinden haben das gleiche beschlossen. Es ist zur Stunde noch nicht bekannt, wenigstens mir nicht, ob das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe der Klage des Bundesfinanzministers stattgegeben hat und durch eine einstweilige Verfügung die Länderregierungen ververpflichtet, sich dem Grundsatz. des Bundesfinanzministeriums anzuschließen und keine Weihnachtszuwendungen zu zahlen.
Der Berichterstatter des Haushaltsausschusses hat nun auf einen Brief Bezug genommen, der gewissermaßen als Gutachten dafür gelten soll, daß Weihnachtszuwendungen für die im öffentlichen Dienst Stehenden aus dem Rahmen fallen, weil im öffentlichen Dienst andere Arbeits-, Entlöhnungs- und Versorgungspraktiken geübt werden. Mir ist nicht bekannt, daß dem Beamtenrechtsausschuß, dessen Mitglied ich bin, ein derartiger Brief vorgelegen hat.
Mir ist lediglich bekannt, daß in der ersten Sitzung des Beamtenrechtsausschusses, als diese Frage behandelt wurde, die Vertreter der Regierungskoalition zu verstehen gaben, sie wollten eine Weihnachtsgratifikation oder eine Zuwendung nicht geben, und sie begründeten es besonders mit der rechtlichen Stellung der Beamten, daß die Weihnachtszuwendungen ihren Platz eigentlich im Angestellten- und Arbeitsrecht hätten und daher für die Beamten nicht in Frage kämen.
Ich glaube, es ist notwendig, einiges Grundsätzliche dazu zu sagen. Der Bund hat auch im vergangenen Jahr Weihnachtszuwendungen sowohl an die Arbeiter wie an die Angestellten und an die Beamten gegeben. Heute sagt man, es sei eine Vorleistung auf die im April erfolgte Erhöhung der Besoldung gewesen.
In der letzen Ausgabe des „Bulletin" spricht aber die Regierung bei Erwähnung der Zahlung im vergangenen Jahr selber von einer Weihnachtszuwendung und nicht von einem Vorschuß auf noch zu erwartende Gehaltsaufbesserungen.
Es gibt dabei aber noch eine andere Seite. Bei den Gemeinden ist im vergangenen Jahr die Weihnachtszuwendung durch Tarifvertrag festgelegt worden, und zwar auch für dieses Jahr, und sie wird auch gezahlt. Für die Arbeiter und Angestellten in den Ländern wäre noch im September dieses Jahres die Möglichkeit gewesen, diese Weihnachtszuwendungen durch Tarifvertrag zu vereinbaren. Das war voriges Jahr auch beabsichtigt. Die Gewerkschaften haben aber eine derartige Vereinbarung mit Rücksicht auf die labilen Verhältnisse im vergangenen Jahr abgelehnt. Für den Bund sind solche Vereinbarungen weder in diesem noch im vorigen Jahr getroffen worden mit Ausnahme der Regelung, die voriges Jahr für alle Gültigkeit hatte.
Nun muß man bei der Erörterung dieser Frage zwei Grundsatzfragen klären, und zwar einmal die Frage, ob aus haushaltsrechtlichen Gründen die Möglichkeit gegeben ist, für den gesamten öffentlichen Dienst, soweit hier die Bundesverwaltung in Frage kommt, diese Weihnachtszuwendungen zu geben. Der Berichterstatter sagt, dazu seien 100 Millionen DM notwendig und der Bundesfinanzminister sei nicht in der Lage, für diese Mittel irgendwelche Deckung zu schaffen, da sie im Haushalt selber nicht vorgesehen seien. Ich glaube nicht, daß diese 100 Millionen DM den Haushalt bei einer Haushaltssumme von rund 26 Milliarden ins Wanken bringen, ganz abgesehen davon, daß der Bundesfinanzminister ja selbst gesagt hat und es unbestritten ist, daß eine Reihe von Einsparungen vorgenommen wurden, deren Zinserträge ausreichen würden, diese Zuwendungen zu geben.
Auf der anderen Seite ist die Frage zu prüfen, ob nach arbeits- oder beamtenrechtlichen Gesichtspunkten eine Zahlung geleistet werden kann. Ich bin persönlich der Meinung, daß, soweit die Arbeiter und Angestellten in Frage kommen, die tarifrechtliche Regelung für die Gemeinden unabdingbar ist. Daß die Länder und Gemeinden willens sind, auch in diesem Jahre zu zahlen, haben sie durch die einzelnen Beschlüsse bewiesen. Bleibt also nur noch die Frage zu prüfen, ob auch den Beamten eine Weihnachtszuwendung gegeben werden soll und ob diese Weihnachtszuwendung sich mit beamtenrechtlichen Gründen und Begründungen überhaupt verträgt. Ich glaube, es hat mit der Rechtsstellung der Beamten, mit ihrer Versorgung und ihrer Besoldung nicht das geringste zu tun, wenn der Bund von sich aus an Weihnachten eine Sonderzuwendung in der von uns beantragten Höhe gibt.
Die Begründung, die der Berichterstatter des Haushaltsausschusses gegeben hat, deckt sich auch gar nicht - oder will sich meiner Meinung nach auch gar nicht decken — mit dem Loblied, das man nach Beendigung der ersten Periode des Bundestages auf die Arbeit im öffentlichen Dienst gesungen hat. Das herauszustellen halte ich ebenfalls für notwendig. Ich bin der Meinung, daß die geleistete Arbeit im öffentlichen Dienst eine derartige Zuwendung durchaus rechtfertigt.
Dabei ist sicherlich auch die Frage zu prüfen, ob diese Zuwendungen Teil der Besoldung oder Son-
derzuwendungen sein sollen. Draußen in der freien Wirtschaft sind Weihnachtszuwendungen zur Selbstverständlichkeit geworden, und sie sind meiner Meinung nach, soweit wir Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst sind, auch im öffentlichen Dienst unbestritten. Die Leistungen der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst sind im Vergleich mit der Privatwirtschaft ebenfalls beachtenswert und haben zum mindesten die gleiche Bewertung verdient wie die draußen in der freien Wirtschaft. Wir werden uns vielleicht daran gewöhnen müssen, daß das, was bisher noch nicht war, für die Zukunft sein wird, und wenn Sie beschließen, den Beamten an Weihnachten eine besondere Zuwendung zu geben, dann wird das für die Beamten nur ein Beweis dafür sein, daß man ihre so herausgestellte Arbeit auch anerkennt.
Wir sind also der Auffassung, daß weder die Rechtsstellung der Beamten noch ihre Einkommens-und Versorgungsverhältnisse eine Begründung dafür sein können, diese Zuwendungen für alle Bediensteten an Weihnachten abzulehnen.
Wir bitten Sie, den Antrag des Ausschusses abzulehnen und unserem Antrag Drucksache 103 zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, ich darf zuerst folgendes zur Geschäftsordnung feststellen. Es wird hier nicht über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 103, sondern über den Mündlichen Bericht Drucksache 137 in Verbindung mit Drucksache 103 verhandelt. Unter diesen Umständen sprach zuerst der Berichterstatter, und dann wurde in die Aussprache eingetreten. Da ein Antrag nicht unmittelbar vorliegt, war nicht dem Antragsteller zuerst das Wort zu geben, sondern in der Reihenfolge der eingegangenen Wortmeldungen das Wort zu erteilen.
Herr Dr. Kleindinst, der vorhin darauf verzichtet hat, hat nunmehr das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß zunächst klarstellen, daß ich dem Haushaltsausschuß weder ein Gutachten noch eine Stellungnahme des Vorsitzenden, sondern lediglich einen Bericht über die Stellungnahme der vier Fraktionen abgegeben habe, und zwar deshalb, weil sich der Ausschuß für Beamtenrecht mit der Materie befaßt, aber keinen Beschluß gefunden, sondern lediglich den Bericht über die Stellungnahme der Fraktionen zur Kenntnis genommen hatte. Die Herren der SPD haben sich ja damals die Stellungnahme vorbehalten. Nachdem der Antrag in der letzten Sitzung etwas beschleunigt an den Haushaltsausschuß überwiesen worden war — und nicht auch an den Beamtenrechtsausschuß —, war es natürlich notwendig, daß ich den Herrn Vorsitzenden des Haushaltsauschusses über die Vorgänge unterrichtete. Er hat mich gebeten, das schriftlich niederzulegen. Mehr war in dem Schreiben nicht enthalten. Es war also nicht ein Gutachten, es war nicht eine Stellungnahme des Ausschusses, sondern es war eine Unterrichtung über diese vorausgegangenen Vorgänge. Das muß ich der Loyalität halber hier feststellen.
Nun bin ich beauftragt, Ihnen namens der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der DP zu empfehlen, die gestellten Anträge abzulehnen und den Antrag des Haushaltsausschusses anzunehmen. Die Stellungnahme der drei Fraktionen ist grundsätzlicher Art. Herr Kollege Böhm hat hervorgehoben, daß sich die Weihnachtsgratifikationen oder Weihnachtszuwendungen in der freien Wirtschaft .entwickelt haben. Sie sind in die Gestaltung der Anstellungsbedingungen und der Zahlung der Monatsgehälter mit eingerechnet. Sie sind auch eine Abgeltung für besondere Leistungen, die die einzelnen geleistet haben. Das öffentliche Recht kannte niemals derartige Weihnachtszuwendungen. Die Rechte der Beamten gehen aus den Beamtengesetzen hervor, und man kann nicht die Beamtenrechte und zugleich die Gewohnheiten der freien Wirtschaft in Anspruch nehmen. Wir gleiten sonst in eine Vermischung dieser beiden Rechtsgebiete ab, was zu weitgehenden Konsequenzen führen müßte.
Ich gebe ohne weiteres zu, daß die Stellung der Angestellten und der Arbeiter im öffentlichen Dienst nicht in vollem Maße mit der der Beamten verglichen werden kann. Aber diese Angestellten und Arbeiter sind gegenüber der freien Wirtschaft doch in einer viel stärker gesicherten Position. Sie nehmen nicht an dem Konjunkturauf- und -abstieg teil. Sie haben namentlich in den Gemeinden — die Dinge wirken ja auch in die Gemeinden hinein — zum Teil ihre Zusatzversorgung, zum Teil wird diese angestrebt, auch bei den Ländern und beim Bund, soweit sie für einzelne Gruppen nicht schon erreicht worden ist. Diese Regelungen müssen dann doch einheitlich und gleichmäßig sein. Aus dieser grundsätzlichen Stellungnahme kommen wir zur Ablehnung.
Es soll aber auch nicht der Eindruck entstehen, als werde das Streben nach diesen Weihnachszuwendungen von der Beamtenschaft allgemein geteilt. Die Schreiben und Entschließungen, die mir zu Gesicht gekommen sind, zeigen, daß die betreffenden Verfasser nicht den Anspruch erheben können, die Beamtenschaft in ihrer Gesamtheit zu vertreten.
Nun muß aber noch etwas anderes erwogen werden. Wir haben im Bundestag wiederholt davon gesprochen, daß es große Bevölkerungsgruppen gibt, die an der Besserung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse noch nicht teilgenommen haben. Wir wissen, daß wir eine grundsätzliche Verbesserung der Verhältnisse dieser Gruppen herbeiführen müssen. Wir können es diesen Bevölkerungsgruppen gegenüber nicht verantworten, daß wir für Beamte, Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes Weihnachtszuwendungen beschließen, während jene noch warten müssen, bis ihre sozialen Verhältnisse geregelt werden.
Es ist zu bedauern, daß es nun zu Überschneidungen mit den Regelungen einzelner Länder und der Gemeinden kommt. Aber das muß hingenommen werden. Denn es kommt darauf an, den Grundsatz des öffentlichen Rechtes, den Grundsatz der Besoldung im öffentlichen Dienst für alle Zukunft klar herauszustellen und nicht zu einer Vermischung dieser Rechtsgebiete zu kommen. Eine Vermischung würde, das wissen wir ja, wenn sie einmal beschlossen ist, für die Dauer ihre Konsequenzen haben.
Und nun noch eines! Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Zahlungen im Dezember vergangenen Jahres ausgesprochenermaßen für Dezember, Januar, Februar und März als Vorgriff auf die Gehaltserhöhungen gegeben worden sind.
Daraus können keine Konsequenzen gezogen werden, auch nicht auf Grund der Tatsache, daß noch
die kleinen Beträge der Zuwendungen in Nordrhein-Westfalen angehängt wurden. Wir haben ausdrücklich vermieden, von Weihnachtszuwendungen zu sprechen, weil das im Widerspruch zu dem öffentlichen Besoldungsrecht stehen würde. Eine solche Vermengung müssen wir wegen der weittragenden Folgen grundsätzlich vermeiden.
Nur aus dieser grundsätzlichen Erwägung bitte ich, dem Ausschußantrag zuzustimmen und die weiteren Anträge abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Keller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bedauerlich, daß die Frage der Weihnachtsbeihilfen sich zu einem Problem ausgewachsen hat. Man möchte manchmal meinen, daß der Streit um diese Dinge, der in der weiten Öffentlichkeit entstanden ist, dem Weihnachtsfrieden nicht besonders gut ansteht.
Wir sehen uns nicht in der Lage, dem Antrag der Fraktion der SPD zuzustimmen. Wenn auch fiskalische Überlegungen nicht immer und in allen Fragen allein bestimmend sein können, so sind doch die Zahlen, die hier vom Finanzministerium genannt worden sind, sehr beachtlich, gerade im Hinblick auf die Notlage der Bundespost und der Bundesbahn, die dadurch in einem vielleicht unerträglichen Maße weiter belastet werden würden.
Die weiteren Argumente, die auch in der Öffentlichkeit angeführt worden sind, gehen in zwei Richtungen. Einmal handelt es sich um die fiskalische Frage und zum anderen um die Grundsatzf rage. Wir gehen hier mit der Meinung, die im Beamten-rechtsausschuß geäußert und niedergelegt worden ist, im Grundsatz durchaus einig, obwohl ich gehört habe, daß diese Haltung im Beamtenrechtsausschuß von den Fraktionen sozusagen vorsorglich eingenommen worden ist, bevor der Antrag der Sozialdemokratie überhaupt vorlag. Ich sagte bereits, wir können diesem Antrag aus verschiedenen Gründen nicht zustimmen, nicht bloß aus dem Grunde nicht, den der Herr Vorredner soeben angeführt hat, sondern auch weil sich eben die Lage der Beamtenschaft im ganzen gesehen und zu einem erheblichen Teil durch die Gehaltserhöhungen schon wesentlich gebessert hat.
Das trifft allerdings nur für einen Teil zu. Diese Überlegung hat uns dazu geführt, unseren Änderungsantrag zu stellen. Ein Teil der Beamtenschaft und der im öffentlichen Dienst tätigen Angestellten und Arbeiter hat bis heute noch nicht in vollem Umfange an dem wirtschaftlichen Aufstieg des Volkes teilgenommen. Den Kleinen, der Bevölkerungsschicht, die der Herr Bundeskanzler selber an dieser Stelle ausgesprochen hat, muß noch geholfen werden. Dadurch werden nach unserer Auffassung die Dinge so schwierig, daß sie für den Augenblick die Grundsätze zu verwischen drohen. Wir haben nicht die Absicht, etwa an einer Tendenz mitzuwirken, die allmählich die Weihnachtsbeihilfen sich zu einer festen Übung auswachsen lassen würde. Wir glauben nur, daß es in den Jahren, die uns von einem wirtschaftlichen Aufstieg oder einer Konsolidierung auch der unteren Volksschichten trennen, nicht zu vermeiden sein wird, eine Gleichstellung vorzunehmen, um ein soziales Gefälle zu verhindern.
In der Beurteilung der grundsätzlichen Frage ist man sich ja durchaus nicht einig. In den Ländern hat man bezüglich der eigenen Beamten und eigenen öffentlichen Bediensteten dieselbe Frage prüfen müssen und ist zum Teil zu anderen Ergebnissen gekommen, nicht allein in Nordrhein-Westfalen, wie Herr Kollege Dr. Kleindinst vorhin gesagt hat, sondern z. B. auch in Bayern im vorigen Jahre und noch in diesem Jahre, was dann Gegenstand des überraschenden und an sich bedauerlichen Streites vor dem Bundesverfassungsgericht geworden ist.
Die Dinge liegen uneinheitlich. Die Kommunen sind auf Grund ihrer andern Situation bei den Angestellten vorausgeprescht; die Tarifbindungen haben sie dazu veranlaßt. Der Städtetag, ein Gremium, das sich immerhin auch Gedanken machen wird, hat sich vor einiger Zeit, wie man hört, an die Bundesregierung mit der Bitte gewandt, die Situation noch einmal zu überprüfen, um die Beamten mit den Angestellten und den Arbeitern in den Kommunen gleichzustellen. Es besteht die Gefahr, daß hier gerade in den unteren Einkommensschichten des öffentlichen Dienstes ein Sozialgefälle eintritt, das nicht wünschenswert sein kann.
Deswegen haben wir auch bewußt den Änderungsantrag*) als Parallele zu der Regelung gestellt, die das Hohe Haus bereits in der vorigen Woche auf Grund vorangegangener Schritte der Bundesregierung zur Kenntnis genommen und der es damit zugestimmt hat. Es bestand damals im Hause Einigkeit darüber, daß gewisse sozial schwachen Schichten eine Weihnachtsunterstützung, oder wie immer man sie ihrer Rechtsnatur nach nennen will, gewährt werden müßte. Es ist nun vielleicht auf den ersten Blick erstaunlich, aber bei näherem Hinsehen gar nicht mehr so verwunderlich, daß in den unteren Schichten des öffentlichen Dienstes jeder Art und so auch beim Bund gewisse Parallelen der Notlage doch noch gegeben sind. Wenn auch bei den kleinen Einkommen bis zu 300 DM brutto, wie wir beantragt haben, bereits eine gewisse Besserstellung erfolgen würde, so gibt es doch eine ganze Anzahl von kleinen Gehaltsempfängern, die diesen Betrag bei weitem nicht erreichen.
Noch eines ist zu berücksichtigen: der kleine, schlecht besoldete Beamte oder Angestellte hat in seinem Leben als Angehöriger des öffentlichen Dienstes ganz andere Verpflichtungen. Er kann die Not nicht so zeigen, wie mancher Mensch, dem das Schicksal Arbeit und Brot noch verweigert, sie notwendigerweise zeigen muß. Er muß sich als einer, der im öffentlichen Leben steht, an seinem Platz auch äußerlich den Erfordernissen des öffentlichen Dienstes anpassen, in der Kleidung, in allem, was dazu gehört, in seinem ganzen bescheidenen Standard. Darum glaubten wir, daß es im Sinne der Schließung von sozialen Lücken, die wir nicht gern sehen, doch notwendig wäre, hier die Parallele zu ziehen. Die Sätze, die wir dem Hohen Hause glauben vorschlagen zu sollen, sind die gleichen wie diejenigen, auf die sich die beteiligten Ministerien seinerzeit bereits in der gemeinsamen Bekanntmachung geeinigt haben, und deswegen geht unsere Begrenzung bewußt auf einen ganz kleinen Teil. Er ist nicht allzu klein — das gebe ich gern zu —; aber ich nehme doch an, daß, wenn bereits in der Begrenzung der Beträge nach diesem Vorschlag die Hälfte genommen worden ist und wenn weiterhin ein nicht unerheblicher Teil der höherbesoldeten Beamten, Angestellten und vielleicht auch Arbeiter aus dieser Regelung herausfallen würde,
*) Umdruck 6, siehe Anlage 1 Seite 237.
dann die Zuwendungen des Bundes, die dazu erforderlich wären, bei weitem nicht die Hälfte oder vielleicht noch viel weniger der Voranschläge erreichen würden, die vom Bundesfinanzministerium im Hinblick auf den konkreten Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion ausgearbeitet worden sind.
Ganz ablehnend scheint man ja im Bundesfinanzministerium dieser Frage doch nicht gegenübergestanden zu haben; denn immerhin ist in der gestrigen Beratung des Haushaltsausschusses gesagt worden, daß man kursorisch die Frage geprüft hätte, ob es nicht möglich wäre, zurückgreifend auf eine Verordnung aus dem Jahre 1939, einen Betrag von 8 Mark je Person der zu Versorgenden zu gewähren. Hier allerdings sind sich gestern im Ausschuß alle Fraktionen darin einig gewesen, daß man mit einer solchen Regelung der Angelegenheit mehr schaden als nützen würde. Ich stehe nicht auf dem Standpunkt der Fraktion der SPD, der gestern bekundet worden ist, daß die vorgeschlagene Regelung — 25 Mark für den Empfänger der Besoldung und 10 Mark für die zuschlagsberechtigten Familienangehörigen — einem Almosen entspreche. Für diejenigen, die es angeht, würde es wirklich eine Hilfe bedeuten.
Ich möchte noch einen Einwand, der sehr leicht auftauchen kann, anführen und mich bemühen, ihn von vornherein auszuräumen. Es ist nicht Sinn dieses Antrages und es kann auch nicht seine Folge sein, nivellierende Tendenzen zu begünstigen. Gerade wir, die wir immer energisch die Wiedererrichtung der durch den Krieg verlorengegangenen Sozialstruktur fordern, sind an allem anderen interessiert als an Dingen, die nivellierend wirken könnten. Aber an der unteren Grenze, dort, wo die Grundlage eines gesellschaftlichen Aufbaues liegt,
;) und sie ist etwa bei dieser Größenordnung erreicht, können nach unserer Auffassung im Sinne einer sozialen Gerechtigkeit diese Dinge keine oder zumindest keine entscheidende Rolle mehr spielen. Ich möchte hoffen, daß in dieser weitgehenden Einschränkung der Vorschläge der SPD vielleicht doch haushaltsmäßig die Möglichkeit gegeben wäre, über all die Schwierigkeiten hinwegzukommen, die aus der Diskussion der Probleme in der Öffentlichkeit entstanden sind.
Ich betone noch einmal: Uns kommt es nicht darauf an, damit Regelungen, die den Grundsätzen, die auch wir anerkennen, widersprechen würden, langsam und schleichend einzuführen. Wir sind der Meinung, daß solche Regelungen sobald wie möglich aufhören sollten, wenn die Voraussetzungen für sie entfallen sind. Bis dahin aber glauben wir, diesen Standpunkt vertreten zu müssen, und bitten um Ihre Zustimmung.
Meine Damen und Herren! Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Ich darf bemerken, daß der Änderungsantrag der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE auf Umdruck Nr. 6, der soeben begründet wurde, als Eventualantrag bezeichnet wird. Über ihn kann deshalb erst abgestimmt werden, nachdem über die Drucksache Nr. 137 abgestimmt worden ist.
Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksache Nr. 137:
Der Bundestag wolle beschließen, den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Weihnachtszuwendung an Bundesbedienstete — Drucksache 103 — abzulehnen.
Wer diesem Ausschußantrag zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Präsidium ist sich nicht einig; wir müssen die Stimmen auszählen. Ich bitte im Interesse einer raschen Erledigung, den Saal beschleunigt zu verlassen.
Ich bitte die Schriftführer, sich auf die Plätze zu begeben. — Die Abstimmung wird eröffnet; ich bitte, die Stimmen auszuzählen.
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. — Ich bitte, die Türen zu schließen. — Die Abstimmung ist beendet.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 251, mit Nein 165, enthalten haben sich 6. Damit ist der Ausschußantrag angenommen; die Drucksachen 137 und 103 sind erledigt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag — Eventualantrag — der Fraktion des GB/BHE Umdruck 6.*) Wer diesem Antrag die Zustimmung geben will, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —
Das Präsidium ist sich nicht einig; wir müssen die
Stimmen auszählen. Ich bitte, den Saal zu räumen.
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. — Ich bitte die Schriftführer, sich an die Plätze an den Türen zu begeben.
Die Abstimmung beginnt. Ich bitte, in den Saal einzutreten.
Ich bitte um Beschleunigung der Abstimmung. — Ich bitte, alle Türen zu schließen.
Die Abstimmung ist geschlossen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 212 Abgeordnete, mit Nein 200, enthalten haben sich 2 Mitglieder des Hauses.
Damit ist der Antrag Umdruck 6 angenommen. —
— Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir wird soeben mitgeteilt, daß eine Anzahl von Abgeordneten, und zwar auch meiner Fraktion, in Unkenntnis der Materie durch die JaTür gegangen sind.
— Meine Damen und Herren, ich darf darauf hin weisen, daß das nicht das erste Mal ist
und daß das in Ihren Reihen auch schon vorgekommen ist.
*) Siehe Anlage 1 Seite 237.
**) Vgl. Seite 217 B.
— Nicht so temperamentvoll!
Ich muß also das Ergebnis der Abstimmung aus diesem Grund anzweifeln.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde das etwas blamabel, was uns vorgetragen worden ist.
Eine Anzweiflung des Ergebnisses der Abstimmung ist aber auf keinen Fall möglich,
es sei denn, Sie wollten behaupten, ,daß der Herr Präsident oder daß das Präsidium die Stimmen falsch zusammengezählt hätten.
Übrigens, Herr Kollege Krone, würde es uns interessieren — wir bezweifeln das zunächst —, wer denn geglaubt hat, daß er durch die falsche Tür gegangen ist.
Wir haben, wie Sie ganz richtig sagten, schon ähnliche Vorfälle erlebt. Ich erinnere an das Abkommen Deutschland—Frankreich über die Schuldenregelung. Am nächsten Tag erklärten Sie, ein Teil Ihrer Fraktion habe in Unkenntnis über den Inhalt des Gesetzes falsch abgestimmt.
Auch das war kein Ruhmesblatt für das Parlament. Aber wenn Sie jetzt sagen, daß ein gewählter Abgeordneter nicht einmal weiß, worüber er abstimmen und wie er abstimmen soll, — — ich glaube, es ist nicht gut, wenn Sie so etwas hier vorbringen. Eine Beanstandung ist nach der Geschäftsordnung nicht möglich.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe den Herrn Abgeordneten Krone so, daß er für seine Fraktion erklären wollte, eine größere Zahl von Abgeordneten sei sich über den Inhalt der Abstimmung im unklaren gewesen. Ich glaube, bei mehreren Abstimmungen soll es durchaus vorkommen, Herr Kollege Menzel, daß man gelegentlich versehentlich durch die falsche Tür geht, zumal bei Abgeordneten, die hier erst wenige Wochen in der Übung der Abstimmung sind. Ich schlage deshalb vor, daß der Herr Präsident fragt, welche Kollegen der CDU/CSU-Fraktion sich über ,den Inhalt der Abstimmung im unklaren waren.
Diese Frage legitimiert dann den Herrn Präsidenten durchaus, nach dem Ergebnis der Handmeldungen eventuell die Abstimmung zu wiederholen.
Herr Abgeordnneter Ritzel!
— Meine Damen und Herren, es genügt. Es haben sich 10 Stück, 10 Herren erhoben.
Die Mehrheit betrug 12 Stimmen, folglich war der Irrtum erheblich.
Unter diesen Umständen sehe ich mich gezwungen, die Abstimmung zu wiederholen und Sie zu bitten,
Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, den Saal zu räumen.
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung auf 10 Minuten.
Meine Damen und Herren! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Ich bitte Sie, Platz zu nehmen.
Ich darf zur Behebung von Zweifeln über die vorherigen Vorgänge auf folgendes hinweisen. In dem von den Herren Ritzel und Koch herausgegebenen Kommentar ist zu § 54 der Geschäftsordnung festgehalten — ich darf vorlesen —:
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat die Aufnahme einer neuen Bestimmung in die Geschäftsordnung über den Irrtum bei der Abstimmung abgelehnt und auf Grund eines schriftlichen Berichts der Abgeordneten Sassnick und Kahn ... festgestellt .
2. daß der Präsident eine Abstimmung wiederholen kann, wenn er der Ansicht ist, daß ein erheblicher Irrtum vorliegt und daß bei einer
sofortigen Wiederholung der Abstimmung voraussichtlich ein anderer Beschluß herauskommen würde.
Ich war dieser Ansicht, und zwar pflichtgemäß, nachdem, wie das Präsidium festgestellt hat, der Abgeordnete Dr. Krone seine Anzweiflung hier persönlich bereits vor der Verkündung der Abstimmung ausgesprochen hat. Ich mußte Ihnen jedoch zuerst das Ergebnis bekanntgeben, damit Sie daraufhin die Gründe des Herrn Dr. Krone würdigen konnten. Um festzustellen, ob es sich um einen erheblichen oder unerheblichen Irrtum handelte, habe ich die Damen und Herren, die sich geirrt hatten, um ein Handzeichen gebeten. Das waren 10 Damen und Herren.
— Ob es anfänglich nur zwei waren und einige erst später den Mut gehabt haben, sich zu ihrem Irrtum zu bekennen, tut nichts dazu. Ich muß von jedem Mitglied des Deutschen Bundestags, das seine Hand hebt, in einem solchen Falle annehmen, daß diese Erklärung auf Ehrenwort erfolgt und dar Wahrheit entspricht. Wenn wir das nicht zugrunde legen, können wir, glaube ich, in diesem Hohen Hause nicht arbeiten.
Da nun das Mehrheitsverhältnis 212 zu 200 lautete, ergibt sich von selbst, daß, wenn sich 10 Abgeordnete geirrt haben, die Mehrheit anders ausgefallen wäre. Ich war also 'berechtigt, die Ansicht zu haben, die in Ziffer 2 des Kommentars dargelegt ist. Auf Grund dessen habe ich die Abstimmung wiederholen lassen. Ich habe also nur von dem Ermessen, das nach der bisherigen Geschäftsordnungspraxis dem Präsidenten eingeräumt ist, Gebrauch gemacht.
— Es bleibt dabei!
— Herr Abgeordneter Haasler, bitte!
Wir beantragen namentliche Abstimmung.
— Herr Abgeordneter Ritzel, bitte!
Ich bedaure sehr, meine Damen und Herren, zunächst zu den Mitteilungen des Herrn Präsidenten eine kleine Berichtigung anbringen zu müssen. Der Herr Präsident hat bei der Verlesung von Ziffer 2 übersehen, daß es auch eine Ziffer 1 gibt. In Ziffer 1 heißt es, ,,daß eine Anfechtung einer Schlußabstimmung nicht möglich sein soll". Das ist seinerzeit die einheitliche Meinung des Geschäftsordnungsausschusses gewesen.
Nun ergab sich hier — und das könnte eine Grundlage für das sein, was der Herr Präsident nach Ziffer 2 hier 'angeordnet hat — folgender neuer Tatbestand, der vorhin nicht bekannt war. Es wurde hier in einem Gespräch festgestellt und von dem Büro bestätigt, daß Herr Abgeordneter Dr.
Krone bereits vor der Verkündung des Abstimmungsergebnisses den Herrn Präsidenten und das Büro darauf aufmerksam gemacht hat, daß sich einige Abgeordnete bei der Abgabe ihrer Stimme geirrt hätten. Das veranlaßt an sich dazu, aus Gründen der Loyalität — die auch in diesem Hause nicht fehlen sollte — den Standpunkt einzunehmen, daß eine Wiederholung der Abstimmung zulässig ist. Aber, Herr Präsident, Sie dürfen die Bestimmungen der Geschäftsordnung nach meiner Meinung nicht so auslegen, daß die zu wiederholende Abstimmung nicht in der Form einer namentlichen Abstimmung stattfinden kann. Wir befinden uns jetzt durch diese Berichtigung eines angeblichen Irrtums in einem völlig neuen Gang der Abstimmung und haben die Möglichkeit, auch namentlich abzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ehlers.
Meine Damen und Herren! Ich bedaure, mich der Ansicht meines sehr verehrten Kollegen Ritzel, des Kommentators der Geschäftsordnung, nicht anschließen zu können. Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist in diesem Augenblick sicher nicht zulässig. Es handelt sich nicht um zwei Abstimmungen, sondern es handelt sich um eine Abstimmung, die wiederholt wird, weil die erste Abstimmung durch das Verfahren nicht zu dem geschäftsordnungsmäßig notwendigen Ergebnis geführt hat.
— Entschuldigen Sie, ich meine nicht das zahlenmäßige Ergebnis, sondern das klare und eindeutige geschäftsordnungsmäßige Ergebnis hinsichtlich der Beendigung der Abstimmung. Die jetzt stattfindende Abstimmung ist sachlich mit der ersten Abstimmung identisch. Da in der Geschäftsordnung festgelegt ist, daß nur bis zum Beginn der Abstimmung namentliche Abstimmung beantragt werden kann, scheint mir kein Zweifel zu bestehen, daß bei dieser Lage ein Antrag auf namentliche Abstimmung nicht mehr zulässig ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Es tut mir leid, daß ich dem geschätzten Herrn Vorredner die Bestimmungen der Geschäftsordnung entgegenhalten muß. In § 57 heißt es: „Namentliche Abstimmung kann bis zur Eröffnung der Abstimmung verlangt werden." Der Herr Präsident hat das vorherige Abstimmungsergebnis für ungültig erklärt. Wir stehen damit, wenn das akzeptiert wird, vor einer neuen Abstimmung. Bis zur Eröffnung der Abstimmung kann laut Geschäftsordnung die namentliche Abstimmung verlangt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir brauchen uns nicht zu erregen, sondern die Dinge ergeben sich zwangsläufig. Alle haben recht. Aber auch der Präsident hat recht;
denn er hatte ja mit der zweiten Abstimmung bereits begonnen; wir hatten schon damit begonnen, den Sitzungssaal zu verlassen. Damit waren wir in der Abstimmung, und deshalb kann ein anderer Abstimmungsmodus, insbesondere namentliche Abstimmung, nicht mehr beantragt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
— Meine Damen und Herren, ich bitte doch um Ruhe, damit wir hier eine Frage, die eigentlich eine juristische und keine politische ist, auch in Ruhe lösen können.
Da die Frage eine juristische ist und keine politische sein sollte, darf ich mir den Hinweis darauf erlauben, daß vorhin durch den Herrn Präsidenten die Sitzung unterbrochen wurde, daß durchaus die Möglichkeit besteht, daß das Hohe Haus jetzt Zuzug erhalten hat, daß noch andere Abgeordnete bei der Wiederholung der Abstimmung teilnehmen können und daß es sich daher durchaus im Sinne des § 57 um einen Sachverhalt bis zur Eröffnung ,der Abstimmung handelt. Ich unterstütze ,den Antrag auf namentliche Abstimmung, der vorhin gestellt worden ist, und bitte, dementsprechend zu verfahren.
Meine Damen und Herren! Damit wollen wir die Debatte hierüber beschließen. Unbeschadet dessen, ob die wiederholte Abstimmung jetzt erneut begonnen oder fortgesetzt wird, vertrete ich die Auffassung, daß in dem Augenblick, wo eine Abstimmung abgeschlossen ist, das Ergebnis für ungültig erklärt und die Abstimmung wiederholt wird, es dieselbe Abstimmung ist und daß man auf Grund dessen nicht erneut in der Lage ist, den Antrag lauf eine andere Form der Abstimmung zu stellen. Wenn hierüber Zweifel bestehen — das scheint bei einigen oder mehreren Damen und Herren der Fall zu sein —, so berufe ich mich auf § 128 der Geschäftsordnung, wonach Zweifel während einer Sitzung vom Präsidenten entschieden werden. Ich muß sie so entscheiden. Sie haben die Möglichkeit, die Frage später im Geschäftsordnungsausschuß grundsätzlich zu klären. Jetzt muß ich mich an diese Entscheidung halten, und damit bitte ich, nunmehr die Abstimmung durch Auszählen zu wiederholen.
Es wird abgestimmt über den Eventual- und Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE auf Umdruck Nr. 6. Wer mit Ja stimmt, den bitte ich, durch die Ja-Tür zu gehen, wer mit Nein stimmen will, durch die Nein-Tür; die anderen durch die Enthaltungs-Tür. Ich bitte, mit der Abstimmung zu beginnen.
Ich bitte, sich zu beeilen und die Türen zu schließen. — Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen; die Abstimmung wird eröffnet.
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. — Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 191 Mitglieder des Hauses, mit Nein 225, enthalten haben sich 5. Der Antrag ist ,abgelehnt.
Damit 'ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Ich rufe Punkt 15 auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes der Freien Hansestadt Bremen über Wirtschaftsprüfer, Bücherrevisoren und Steuerberater .
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, es ist vereinbart, daß zu dem aufgerufenen Gesetzentwurf in erster Lesung weder eine Begründung gegeben werden noch eine Beratung stattfinden soll. Ich nehme das Einverständnis des Hauses dazu an. Ich schließe die erste Lesung. Ich schlage Ihnen vor, die Drucksache 84 an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt.
Meine Damen und Herren, ich rufe den zurückgestellten Tagesordnungspunkt 5 auf:
Wahl von deutschen Mitgliedern der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.
Es liegt mir ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD vor, den ich verlese, da er, wie ich annehme, noch nicht verteilt ist:
Der Bundestag wolle beschließen:
1. Der Stellenanteil der Fraktionen für die gemäß Art. 21 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1952 vom Bundestag zu wählenden Mitglieder der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl wird nach dem Verfahren d'Hondt berechnet.
2. Die Mandate der Abgeordneten Dr. Henle, Henßler, Imig, Dr. Bertram sind erloschen.
3. Unter Bezugnahme auf die in der 280. Sitzung des ersten Deutschen Bundestages vom 3. Juli 1953 gewählten Vertreter werden zur Wahl vorgeschlagen:
Abg. Dr. Jaeger
Abg. Aloys Lenz (CDU/CSU)
Abg. Dr. Pohle (CDU/CSU) Abg. Dr. Deist (SPD).
Meine Damen und Herren, ich glaube, eine Aussprache dazu ist nicht — auch geschäftsordnungsmäßig nicht — vorgesehen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag, den ich eben verlesen habe, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen. Damit ist Punkt 5 der Tagesordnung erledigt.
Ich komme zu Punkt 16 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs
; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) (Drucksache 119).
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter Abgeordneten Dr. Serres.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hause ist mit Drucksache 90 der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs vorgelegt worden. Es handelt sich um die Tarifnummer 1107, Malz. Es ist vorgesehen, daß an Stelle des bisherigen reinen Wertzolls ein gleitender Mischzoll tritt, und zwar für das Jahr 1954 von 20 %, jedoch mindestens für 100 kg 60 DM abzüglich 70 % des Wertes.
Die Bundesregierung hat sich zu dieser Vorlage entschlossen, nachdem die Preise für Braugerste auf dem Weltmarkt stark rückläufig waren, auf der anderen Seite aber die inländischen Mälzereien mit einem inländischen Mindestpreis für Braugerste zu kalkulieren hatten. Die Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Mälzereien war dadurch beeinträchtigt.
Uns liegen weiterhin zwei Anträge der Fraktion der FDP Drucksache 50 und der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen Drucksache 58 vor, die weitgehend gleichlautend mit der Vorlage der Regierung sind. Sie unterscheiden sich nur dadurch, daß der Abzugsbetrag in den beiden Anträgen Drucksachen 50 und 58 mit 65 % angegeben ist, während die Regierungsvorlage 70 % vorsieht.
Mit diesen drei Vorlagen haben sich der Ausschuß für Außenhandelsfragen und der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten befaßt. Beide haben sich einmütig auf die Regierungsvorlage Drucksache 90 geeinigt. Ich habe daher die Ehre, dem Hohen Hause namens des Ausschusses vorzuschlagen, dem Ausschußantrag Drucksache 119 mit der Maßgabe die Zustimmung zu geben, daß ein Halbsatz hinzugefügt wird. Es muß in Ergänzung des Antrags Drucksache 119 heißen: Der Bundestag wolle beschließen, dem Gesetzentwurf — Drucksache 90 — zuzustimmen „und die Anträge Drucksachen 50 und 58 fürerledigt zu erklären".
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Einzelberatung der zweiten Lesung.
Ich rufe § 1 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Einzelberatung des § 1.
Ich rufe § 2 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. — Ich schließe die Einzelberatung zu § 2.
Wer diesen beiden Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen!
Meine Damen und Herren, ich rufe § 3 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Ich komme zur Abstimmung. Wer § 3 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen!
Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. Wer diesen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen! Damit ist die zweite Beratung dieses Gesetzes abgeschlossen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf und eröffnet die allgemeine Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich rufe auf: § 1, — § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren, die zustimmen wollen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in der dritten Beratung einstimmig angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der Schlußabstimmung seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Sitz zu erheben. - Gegenprobe! — Enthaltungen? - Das Gesetz ist damit einstimmig verabschiedet.
Wir kommen jetzt zu dem Teil des Antrags des Ausschusses, der eben von dem Herrn Berichterstatter mündlich vorgetragen wurde und der dahin lautet, daß die Drucksachen 50 und 58 mit der Annahme dieses Gesetzes als für erledigt erklärt anzusehen sind. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe dann die Aussprache.
Ich komme zur Abstimmung. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich komme zu Punkt 17 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksache 110).
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter Herrn Abgeordneten Dr. Lindrath.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 6. Sitzung am 11. November 1953 hat der Deutsche Bundestag den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergestzes mit dem Datum vom 27. Oktober 1953 gemäß Drucksache 33 dem Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen als federführendem Ausschuß und dem Haushaltsausschuß überwiesen. Das gleiche gilt von dem von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes mit dem Datum vom 21. Oktober 1953 gemäß Drucksache 29. Die Fraktion der DP hat ihren Antrag in der Sitzung des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen am 20. November 1953 zurückgezogen.
Es handelt sich bei dem Gesetzentwurf der Fraktion der FDP um die Erhöhung der Steuerfreigrenze für Weihnachtszuwendungen gemäß § 3 Nr. 15 des Einkommensteuergesetzes von 100 DM auf 200 DM. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat diesen Antrag der FDP in seiner 2. Sitzung am 20. November 1953 und der Haushaltsausschuß in seiner 2. Sitzung am 2. Dezember 1953 behandelt. Die Antragsteller haben ihren Antrag damit be-
gründet, daß infolge der Preissteigerung eine Erhöhung der seit 1948 bestehenden Befreiung von der Einkommensteuer für Weihnachtszuwendungen gerechtfertigt sei und daß die Notwendigkeit bestehe, Festbesoldeten eine gewisse steuerliche Erleichterung zu verschaffen. Letzteres wurde mit dem Hinweis auf die Abschreibungsmöglichkeiten der gewerblichen Wirtschaft und auf die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zur Gewährung von Pauschbeträgen an freie Berufe begründet.
Nach § 3 Ziffer 15 des Einkommensteuergesetzes in der gegenwärtig gültigen Fassung sind Weihnachts- und Neujahrszuwendungen, soweit sie im einzelnen Fall 100 DM nicht übersteigen, einkommensteuerfrei. Diese Vorschrift war zunächst im Abschnitt 16 der Lohnsteuerrichtlinien 1948 enthalten. Später wurde sie dann in § 6 Ziffer 10 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung 1950 aufgenommen. Durch das Einkommensteueränderungsgesetz 1951 ist sie dann mit gleichem Wortlaut in das Einkommensteuergesetz 1951 übernommen worden und seither gesetzlicher Bestandteil unseres Einkommensteuerrechts. Aus dieser geschichtlichen Entwicklung ergibt sich, daß die parlamentarischen Körperschaften in der Bundesrepublik sich bereits wiederholt mit der steuerrechtlichen Behandlung der Weihnachtszuwendungen zu befassen hatten.
Es ist mehrfach der Versuch unternommen worden, den Freibetrag von 100 DM zu erhöhen. Schon im Jahre 1950 hatte der Bundestag einmal eine gesetzliche Erhöhung auf 200 DM beschlossen. Dieser Beschluß konnte jedoch nicht rechtskräftig werden, da der Bundesrat seine nach dem Grundgesetz erforderliche Zustimmung verweigerte. Der Vertreter des Bundesfinanzministeriums verwies daher in der Sitzung des Ausschusses für Finanz-
und Steuerfragen auf die Drucksache des Bundesrates Nr. 1718 vom 15. Dezember 1950, mit der der Bundesrat die Erhöhung der Freigrenze auf 200 DM abgelehnt hatte. Da die Argumente des Bundesrates auch heute noch stichhaltig seien und da seit der gesetzlichen Fixierung der Steuerfreigrenze für Zuwendungen dieser Art im Jahre 1951 keine Preissteigerungen eingetreten seien, könne nicht damit gerechnet werden, daß der Bundesrat dem Gesetz, falls der Bundestag es beschließen würde, zustimmen werde.
Auch die Frage der fiskalischen Auswirkung dieses G- setzes ist eingehend geprüft worden. Das Bundesfinanzministerium schätzt den bei Annahme dieses Gesetzes entstehenden Steuerausfall auf zirka 90 Millionen DM. Hierbei rechnet man mit einem Lohnsteuerausfall von etwa 60 Millionen DM und mit einem weiteren Ausfall von etwa 35 Millionen DM dadurch, daß bei einer Erhöhung der Freigrenze auch mehr Gratifikationen gezahlt würden, die alsdann bei den Unternehmen, die sie auszahlen, als Betriebsausgaben die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer schmälern würden.
Das Ergebnis der Ausfallschätzung des Bundesfinanzministeriums ist eingehend diskutiert worden. Zweifelhaft erschien insbesondere die Frage, ob bei der fiskalischen Beurteilung des Problems nur der Ausfall an Lohnsteuer berücksichtigt oder ob auch der Ausfall an Einkommen- oder Körperschaftsteuer bei Erhöhung derartiger Zuwendungen ins Feld geführt werden dürfe. Seitens der Antragsteller wurde vorgetragen, daß ein Lohnsteuerausfall von höchstens etwa 45 Millionen DM zu erwarten sei. Ein erheblicher Teil hiervon werde jedoch wieder durch die infolge der Konsumbelebung anwachsende Umsatzsteuer wettgemacht.
Seitens der Vertreter des Bundesfinanzministeriums wurde schließlich noch in formaler Hinsicht darauf aufmerksam gemacht, daß ein Gesetz nach dem vorliegenden Entwurf nicht rechtzeitig verkündet werden könne, so daß sich eine Erhöhung der Steuerfreigrenze nicht mehr für die Weihnachtszuwendungen 1953 auswirken könne; denn die Entscheidung des Bundesrates könne, falls wir zustimmen, erst im Jahre 1954 herbeigeführt werden. Da jedoch der Bundesfinanzhof kürzlich die Rückwirkung von Steuergesetzen als unzulässig erklärt habe, sei auch ein rückwirkendes Inkrafttreten dieser Bestimmungen unzulässig, auch derartiger Bestimmungen, die sich zugunsten der Steuerpflichtigen auswirken.
Die Mehrheit des Ausschusses war ferner der Auffassung, daß es ein Hauptziel der kleinen Steuerreform gewesen sei, Sondervergünstigungen für einzelne Gruppen von Steuerpflichtigen abzubauen. Werde die Steuerfreigrenze für Weihnachtsgratifikationen erhöht, so werde diesem Prinzip zuwidergehandelt.
Schließlich wurde auch auf die sozialpolitische Bedeutung der Frage hingewiesen. In Arbeitnehmerkreisen, die wenig oder keine Weihnachtszuwendungen erhielten, müsse eine Steuerbefreiung bis zu 200 DM als ungerecht empfunden werden. Für weite Kreise der Bevölkerung seien 100 DM oftmals schon mehr Einkommen, als durch die Erhöhung der Steuerfreigrenze für Lohn- und Gehaltsempfänger gefordert werde.
Man darf auch nicht übersehen, daß die Weihnachtszuwendungen bei der Berechnung der Lohnsteuer auf die zwölf Monate des ablaufenden Jahres verteilt und damit einer geringeren Steuerprogression unterworfen werden können oder auch daß eine Steuersenkung durch den Lohnsteuerjahresausgleich erzielt werden kann. Unter diesen Umständen ergibt sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle für Weihnachtszuwendungen bis zu 200 DM eine Steuerbelastung, die in Anbetracht der allgemeinen Verhältnisse als zumutbar angesehen werden kann.
Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat den Antrag gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt, die Vertreter der SPD-Fraktion enthielten sich der Stimme. Der Haushaltsausschuß hat den Antrag ebenfalls mit Mehrheit gegen die Stimmen der Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion abgelehnt.
Namens des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen habe ich die Pflicht, dem Hohen Hause zu empfehlen, den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes — Drucksache 33 — abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Einzelberatung des Gesetzes ein.
Ich rufe auf Art. I. Dazu liegt Ihnen auf Umdruck 5 ein Änderungsantrag als Eventualantrag vor.*) Herr Dr. Miessner hat das Wort zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht mehr auf die wirtschaftliche Bedeutung und die soziale Notwendigkeit der Erhöhung der Steuerfreigrenze für Weihnachtsgelder eingehen. Die Frage als solche ist schon wiederholt diskutiert worden,
*) Siehe Anlage 2 Seite 237.
und das Problem ist auch klar. Im übrigen befinden wir uns heute in der zweiten Lesung und nicht mehr in der Grundsatzaussprache.
Ich möchte aber zugleich mit der Begründung meines Eventualantrages doch auf einige Argumente eingehen, die seitens des Herrn Berichterstatters und auch seitens des Herrn Bundesfinanzministers in der Öffentlichkeit gegen den Antrag der Freien Demokratischen Partei auf Erhöhung der Freigrenze von 100 auf 200 DM vorgebracht worden sind. Zunächst wurde von dem Herrn Berichterstatter darauf hingewiesen, daß wir bereits im Dezember seien und daß es mißlich sei, wenn die Dinge bis zum Weihnachtsfest nicht mehr geklärt werden könnten. In den Ausschußberatungen wurde von dem Herrn Staatssrekretär des Bundesfinanzministeriums noch der Hinweis gebracht, daß der Bundesrat, der am 18. Dezember seine nächste Sitzung hat, diese Angelegenheit keinesfalls mehr auf seine Tagesordnung setzen werde. Ja, meine Damen und Herren, so bedauerlich es ist, daß wir mit der Behandlung dieses Antrages nun in den Dezember hineingeraten sind, diesmal war es nun wirklich nicht früher möglich. Unser Antrag hat das Datum vom 27. Oktober 1953. Er ist sofort in der ersten Sitzung des Finanz- und Steuerausschusses behandelt und so schnell wie möglich dem Bundestag zur Behandlung zugeleitet worden.
Was den Hinweis auf den Bundesrat betrifft, so möchte ich dazu folgendes sagen. Man kann doch wohl nicht im Ernst annehmen, daß der Bundesrat in dem Falle, daß wir heute hier zu einer positiven Entscheidung im Sinne unseres Antrages kämen, den Punkt nicht mehr auf die Tagesordnung setzen würde. Ich glaube, so bürokratisch wäre der Bundesrat nicht. Er würde diesen kurzen Punkt wohl auch noch einschieben, zumal noch acht Tage dazwischenliegen.
Ein sehr wichtiger Einwand ist natürlich immer der des Bundesfinanzministeriums hinsichtlich der Kostenfrage. Sie wissen, daß sofort nach dem Bekanntwerden unseres Antrags das Bundesfinanzministerium die Summe von 100 Millionen DM in die Diskussion warf. Wir hatten den Eindruck, daß dies nicht mit besonders großer Sorgfalt errechnet war, sondern daß es eine ziemlich grobe Schätzung war. Wir haben uns selber die Mühe gemacht, in Betrieben im Norden, Süden und Westen unserer Bundesrepublik Erhebungen anzustellen, und sind dabei auf folgende Rechnung gekommen. Wenn wir einmal alle Berufstätigen, die als Arbeiter und Angestellte für eine solche Weihnachtszulage in Betracht kommen, zusammenrechnen, so ergibt sich eine Beschäftigtenzahl von 16 Millionen Menschen. Nach unseren Erhebungen würde sich auf den Durchschnitt des Betriebszugehörigen eine Steuereinbuße von 2,53 DM ergeben — auf den Durchschnitt, für einige ist es höher, für andere weniger —, so daß wir bei 16 Millionen Beschäftigten mal 2,53 DM auf rund 45 Millionen DM kommen.
Im Ausschuß haben wir festgestellt, daß mit den angeblichen 100 Millionen DM Steuerausfall gar nicht der Ausfall an Lohnsteuer gemeint war, vielmehr erklärte das Finanzministerium auf Nachfrage, den Lohnsteuerausfall beziffere es selber nur mit 60 Millionen DM. Die übrigen 30 bis 40 Millionen DM habe es hinzugeschlagen in der Annahme, daß bei einer derartigen Erhöhung der Freigrenze ein gewisser Anreiz entstehen könne, mehr als 100 DM auszuzahlen und daß sich dadurch bei den Betrieben die Einkommen- und Körperschaftsteuer im Ergebnis senken könne. Das also ist die Grundlage für die 40 Millionen DM, mit denen man überhaupt erst auf 100 Millionen DM gekommen ist. Demgegenüber muß man doch sagen, daß man, wenn man schon so rechnet, auch den Wiedereingang der Einkommen- und Körperschaftsteuer bei anderen Betrieben hinzuzählen muß, insbesondere aber die erhöhte Umsatzsteuer, die voll dem Bund zukommt. Das Geld wird ja nicht in den Strumpf gesteckt, sondern die Erfahrung lehrt, daß gerade Weihnachtsgelder sofort in den Konsum gehen, also sofort umgeschlagen werden.
Wir sind heute in der glücklichen Lage, daß wir dem Herrn Bundesfinanzminister einmal ein Exempel vorrechnen können, das auf seiner Erklärung von vor einigen Tegen basiert. Er hat in der Fragestunde am 3. Dezember auf eine von mir gestellte Frage nach den steuerlichen Auswirkungen gewisser Freibeträge bei den freien Berufen erklärt — ich zitiere sinngemäß aus dem Sitzungsprotokoll vom 3. Dezember —, daß ein jährlicher Freibetrag von 1200 DM, also monatlich 100 DM für alle Lohn- und Gehaltsempfänger einen Ausfall von schätzungsweise 500 Millionen DM im Jahr bedeute. Das ergibt folgende Rechnung: 500 Millionen DM geteilt durch 12 macht 42 Millionen DM. Damit nähern wir uns sehr genau der Schätzung, die wir selbst auf Grund unserer Erhebungen in den Betrieben angestellt haben. Ich glaube also gerade nach dieser Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers heute sagen zu können, daß der gesamte Steuerausfall an Lohnsteuer auf keinen Fall über der von uns angegebenen Zahl von 45 Millionen DM liegt. Wenn Sie bedenken, daß davon den Bundeshaushalt unmittelbar nur 38 % betreffen, so liegt der Steuerausfall in diesem Haushaltsjahr für den Bund unter 20 Millionen DM. Das ist doch immerhin ein beachtlicher Unterschied gegenüber den Erklärungen über einen Steuerausfall von 100 Millionen DM!
Nun ist von seiten des Herrn Berichterstatters noch ausgeführt worden, daß man eine solche Anderung des Einkommensteuergesetzes auch deshalb ablehne, weil man erst vor zwei Jahren, im Jahre 1951, die Regelung in dieser Höhe und mit dem Freibetrag von 100 DM in das Einkommensteuergesetz eingebaut habe. Im Ausschuß ist ferner noch eingewandt worden, man habe sich über diese Dinge anläßlich der kleinen Steuerreform nochmals unterhalten und habe damals ausdrücklich an der 100-DM-Grenze festhalten wollen; es sei also heute kein Grund zur Abänderung gegeben, und man müsse bis zur großen Steuerreform warten. Dem ist entgegenzuhalten, daß bis dahin noch geraume Zeit vergeht. Wir alle wissen — und Sie, Herr Bundesfinanzminister, wissen es sicherlich am besten —, daß das Einkommensteuerrecht eine Reihe von Vergünstigungen gewährt, die den Lohnsteuerzahlern nicht zugute kommen. Das soll allerdings bei der großen Steuerreform ausgeglichen werden. Man sollte daher aber gerade für die Übergangszeit bis zur großen Steuerreform diese kleinen Vergünstigungen wenigstens denjenigen zugute kommen lassen, die als feste Lohn- und Gehaltsempfänger zu denen gehören, deren Einkommen immer restlos erfaßt wird. Das sollte man tun, ganz unabhängig davon, wie man sich später in der großen Steuerreform entscheiden wird, ob man dann sämtliche Steuervergünstigungen, also auch diese. abbaut oder oh man in Angleichung an vielleicht noch weiterhin
bestehende Steuervergünstigungen für den Einkommensteuerzahler den Lohn- und Gehaltsempfängern diese kleinen Vergünstigungen zu Weihnachten als doch nur kleines Äquivalent beläßt.
Es könnte noch ein anderer Einwand, und zwar ein Einwand aus der Systematik des Steuerrechts erhoben werden; ich möchte ihn vorwegnehmen für den Fall, daß der Bundesfinanzminister noch das Wort ergreift. Diesen Einwand sehe ich eigentlich als den einzig bedeutsamen an. Eine bestimmte Freigrenze, die ohne Rücksicht auf den Familienstand, Kinderzahl usw. gewährt wird, bedeutet natürlich eine gewisse Durchbrechung unseres Einkommensteuersystems, das ja grundsätzlich die Besteuerung von dem Familienstand abhängig macht. Mit diesem Prinzip muß man sich daher schon auseinandersetzen. Nun ist allerdings nach der Meinung meiner Fraktion — wenn man auch derartige Freibeträge natürlich nicht unbegrenzt ohne Rücksicht auf den Familienstand einführen könnte — dieser einmalige Freibetrag von 200 DM, auf das Jahr gerechnet, so unbedeutend, daß man darin ernstlich noch keinen Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach dem Familienstand zu sehen braucht. Ich persönlich habe gerade für diejenigen Damen und Herren, die aus Gründen der Steuersystematik Hemmungen in dieser Richtung haben, als Eventualantrag den Änderungsantrag gestellt, den Sie in Umdruck 5 vor sich haben. Für den Fall, daß der Hauptantrag der FDP-Fraktion abgelehnt werden sollte, empfehle ich die Annahme dieses Eventualantrages, Steuerfreiheit für Weihnachtszuwendungen den Personen, denen Kinderermäßigungen zustehen, bei einem Kind in Höhe von 120,— DM, bei zwei Kindern in Höhe von 140,—DM, bei drei Kindern in Höhe von 160,— DM, bei vier Kindern in Höhe von 180,— DM und bei fünf und mehr Kindern in Höhe von 200,— DM zu gewähren. Meine Damen und Herren, Sie brauchen keine Sorge zu haben, daß das etwa eine komplizierte Rechnung geben würde. Es muß ohnehin beim Dezembergehalt von dem zu versteuernden Lohn ein Betrag abgesetzt werden, derzeit 100 DM. Bei Annahme des FDP-Antrages wären es 200 DM und bei Annahme des Eventualantrages im Einzelfall 120 DM, 140 DM usw., was leicht zu ersehen ist, da die Steuerkarte des Betreffenden ohnehin dabeiliegen muß. Dem Hohen Hause wäre also die Möglichkeit gegeben, sich noch auf diesen Eventualantrag zurückzuziehen, wenn der andere Antrag abgelehnt werden sollte. Die haushaltsmäßigen Auswirkungen des Eventualantrages dürften bei höchstens 10 Millionen DM liegen.
Lassen Sie mich abschließend noch folgendes sagen; damit möchte ich auf den letzten Punkt der Gegenargumente des Ausschußberichts eingehen. Gewiß sind auch mir Schreiben zugegangen, in denen der Einsender schreibt: „Ich würde gern Steuern bezahlen", — Herr Pelster, darauf werden Sie j a noch zu sprechen kommen —
— natürlich, sie gehen uns allen zu — „ Ich würde
gern Steuern bezahlen, wenn ich überhaupt nur
ein solches Glückskind wäre, dem der Weihnachtsmann 200 DM zu Weihnachten bringt!" Meine Damen und Herren, daß solche Briefe geschrieben
werden, ist doch kein ernsthaftes Argument gegen
eine Steuervergünstigung dieser Art. Es liegt im
übrigen nun einmal in der Natur der Sache, daß
von Steuervergünstigungen niemals alle Gebrauch
machen können. Das wird nie so sein. Darum sollte
der eine dem anderen diese kleine Weihnachtsgabe des Finanzamts nicht neiden, auch wenn er selbst vielleicht in diesem speziellen Falle persönlich nichts davon hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Zuverlässigkeit, mit der das Christkind alle Jahre wieder kommt, kommt auch die Diskussion über die Erhöhung der Freigrenze bei Weihnachtsgratifikationen. Es muß also etwas an der Sache dran sein, wenn sie immer wieder aufs neue diskutiert wird.
Das Bedenken — wenn ich das vorwegnehmen darf —, der Bundesrat könnte die Angelegenheit vor Weihnachten nicht mehr erledigen, teile ich nicht. Der Bundesrat hat in anderen Fällen sehr viel schneller gearbeitet. Ich erinnere mich, daß wir 1952 an einem Donnerstag die Einführung einer Steuer auf Schaumwein beschlossen und daß am Freitag — am nächsten Tage! — der Bundesrat diesen Gesetzesbeschluß des Bundestags behandelt und ihm zugestimmt hat. Es dürften also gar keine Bedenken bestehen, daß der Bundesrat am Freitag nächster Woche zu dieser Vorlage Stellung nimmt.
Ich darf, bevor ich zur Sache komme, noch bemerken, daß ich soeben die Mitteilung bekommen habe, daß der Bundesverfassungsgerichtshof in Karlsruhe gegen Herrn Minister Schäffer entschieden hat.
Das bedeutet also, daß die Länder Bayern und Hessen an ihre Landesbediensteten jetzt eine Weihnachtsgratifikation zahlen. Daß die übrigen Länder sich nicht ausschließen können, liegt auf der Hand. Und es bleibt dann lediglich der Bund übrig, der sich ausschließen wird! — Ja, Herr Kollege Pelster, auf Ihre Handbewegung hin — —
— Doch, Sie haben die Bewegung des Zahlens gemacht!
— Ja, dazu möchte ich sagen: Für die „reichen Länder" — wir haben ja leider Gottes diesen Unterschied — spielt es keine Rolle, und was die „armen" anlangt, die müssen ohnehin danach trachten, daß ihnen von ihren Landesbediensteten, die sie schlechter bezahlen als die „reichen Länder" - z. B. schlechter einstufen —, die tüchtigen Kräfte nicht weglaufen: So bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als die Gratifikation dann auch zu zahlen.
Nun komme ich zu der Frage, die in Art. 1 behandelt wird. Der Herr Bundesfinanzminister ist gegen eine Erhöhung der Freigrenze von 100 auf 200 DM. Er behauptet — ich brauche nicht das zu wiederholen, was Herr Kollege Miessner bereits ausgeführt hat —, das werde einen Lohnsteuerausfall von 60 Millionen DM mit sich bringen. Er beweist seine Behauptungen aber nicht. Er sagt ferner, bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer werde eine Schmälerung um 35 Millionen DM eintreten, weil er von der Voraussetzung ausgeht, daß die Erhöhung der Freigrenze viele Unternehmen veranlassen würde, eine höhere Gratifikation zu zahlen, als sie das sonst tun würden. Diese Annahme kann kaum zutreffen.
Rechnet man aber so, wie das Bundesfinanzministerium rechnet — daß nämlich eine Minderung von 35 Millionen DM im Einkommen- und Körperschaftsteueraufkommen eintreten würde —, dann mußman andererseits auch in Rechnung stellen—darauf hat Herr Kollege Miessner schon hingewiesen—, daß die gesamte Weihnachtsgratifikation unmittelbar in den Konsum geht. Dieses Geld wird nicht auf das Bankkonto gebracht, sondern die Leute, die es empfangen, werden „praktische Geschenke" machen — um mich des Jargons der vorweihnachtlichen Geschäftswerbung zu bedienen. Sie werden also ihre Gratifikationen voll und ganz in Konsumgütern anlegen, zum Teil sogar in Konsumgütern, die mit einer hohen Verbrauchssteuer belastet sind. Man müßte also, wenn man den Steuerausfall richtig berechnen will, auch feststellen, was von der Summe der Gratifikationen an Steuern in die öffentlichen Finanzkassen zurückfließt. Man geht in der Annahme nicht fehl, daß dies ein Drittel der gesamten Summe ausmachen wird.
Außerdem müßte der Bundesfinanzminister bedenken, daß 60 % des geschätzten Steuerausfalls auf Rechnung der Länder und nur 40 % auf Rechnung des Bundes gehen. Hinsichtlich der Länder gilt dasselbe, was ich vorhin Herrn Kollegen Pelster über die „armen" und die „reichen" Länder gesagt habe.
Nun habe ich mich bemüht, zu erfahren, auf Grund welcher Unterlagen das Bundesfinanzministerium diesen Steuerausfall errechnet hat. Leider gibt es keine Unterlagen darüber, was in den letzten Jahren an Gratifikationen gezahlt worden ist, welche Steuersumme auf die Gratifikationen entf allen ist und wie hoch der Steuerausfall ist, der durch die Steuerfreigrenze bei den Weihnachtsgratifikationen eingetreten ist. Das wissen wir also nicht. Zur Grundlage der Schätzungen ist die hochinteressante Lohnstrukturerhebung vom November 1951 gemacht worden, die leider erst vor kurzem, im Oktoberheft 1953 von „Wirtschaft und Statistik", veröffentlicht worden ist.
An dieser Stelle kann ich einen Stoßseufzer über unsere Finanz- und Steuerstatistik nicht unterdrücken. Die Finanz- und Steuerstatistik müßte sehr viel weiter ausgebaut werden, sie müßte stärker differenziert sein: bisher ist sie sachlich unzureichend. Die Ergebnisse der Finanz- und Steuerstatistik hinken so beträchtlich hinter der Wirklichkeit her, daß sie für wirtschaftspolitische und finanz- und steuerpolitische Entscheidungen keine geeignete Grundlage abgeben können: sie sind nicht zeitnahe genug. Dieser Mißstand hat seinen Grund zum Teil darin, daß die Veranlagung der Einkommen- und Körperschaftsteuer mit jahrelanger Verspätung erfolgt.
Das Bundesfinanzministerium hat die Lohnstrukturerhebung vom November 1951 auf die Betriebsstättenzählung vom Jahre 1950 bezogen. Das ist im Dezember 1953 eine mißliche Grundlage. Ich fand die Ergebnisse dieser Erhebung aber in anderer Hinsicht für das hier zu behandelnde Problem bemerkenswert. Das ist dem Bundesfinanzministerium leider entgangen.
Die Lohnstrukturerhebung bringt auch die durchschnittlichen Sonderzuweisungen für Arbeiter und Arbeiterinnen in ungefähr 100 Wirtschaftszweigen. Der durchschnittliche Betrag der jährlichen Sonderzuweisungen — das sind im wesentlichen die sogenannten Weihnachtsgratifikationen — ist für männliche Arbeiter 69 DM und für weibliche Arbeiter 48 DM. Ein solcher Durchschnitt besagt aber
nicht viel. Interessant ist nur die Streuung. Die Streuung gibt uns für die Beurteilung des vorliegenden Gesetzentwurfs die interessantesten Hinweise. Im Bereich des Geld-, Bank- und Börsenwesens haben die Sonderzuweisungen pro Arbeitnehmer 383 DM im Jahre, im Bereich des Versicherungswesens 294 DM im Jahre betragen. Das sind die beiden Wirtschaftszweige, in denen das 13. Monatsgehalt üblich geworden ist.
Unsere Frage ist: Wo liegt die richtige Freigrenze? Die Erhebung zeigt, daß diejenigen Wirtschaftszweige, welche geringe Löhne zahlen, auch geringe Gratifikationen zahlen. Es kommen z. B. in der Herren- und Damenschneiderei die männlichen Schneider 32 DM, die weiblichen nui 25 DM, in der Obst- und Gemüseverarbeitung die Männer 48 DM, die Frauen nur 20 DM, in der Wäscherei, Färberei und chemischen Reinigung die Männer 34 DM, die Frauen nur 20 DM. Ich habe das als extreme Beispiele der niedrigsten Gruppen hervorgehoben und sage Ihnen nun die höchsten Gruppen dieser Lohnstrukturerhebung. Dabei zeigt sich, daß die Hochofen-, Stahl- und Walzwerksarbeiter 170 DM, die Arbeiter in der Mineralöl verarbeitenden Industrie 191 DM, die Arbeiter in der chemischen Industrie 186 DM, in der Papiererzeugung und -verarbeitung 196 DM, in der Zementindustrie 187 DM und in der Kunstseide- und Zellwollherstellung 180 DM bekommen. Damit habe ich Ihnen auf der andern Seite die Gruppe der Bezieher der höchsten Einkommen unter den Arbeitern genannt. Diese Extreme sind ja recht interessant. Von den Frauen ist zu sagen, daß sie in diesen hochbezahlten Gruppen durchweg höhere Gratifikationen bekommen, daß sie aber alle unter 100 DM liegen und infolgedessen für die gegenwärtige Betrachtung ausscheiden.
Ich ziehe nun aus dem eben Dargelegten den Schluß. Diese Lohngruppenerhebung zeigt zwei interessante Ergebnisse: Erstens zeigt sie eindeutig, daß es richtig ist, die Steuerfreigrenze auf 200 DM zu setzen. Bei 200 DM ist steuersystematisch die richtige Grenze gefunden. Das hat man 1951, als man die Grenze gesetzlich auf 100 DM festgesetzt hat, noch nicht wissen können. Man kann es jetzt erst, seit wenigen Wochen, wissen, seitdem nämlich diese Lohnstrukturerhebung vorliegt. Es ist also durchaus ein Anlaß gegeben, nunmehr die Freigrenze richtig festzusetzen. Man sollte hier auch nicht einwenden, daß es dazu jetzt nicht an der Zeit wäre, sondern daß man bis zu der sagenhaften großen Steuerreform warten sollte. Wenn wir uns erinnern, wie viele Steuervergünstigungen der Bundestag für eine ganze Reihe von Wirtschaftszweigen in den letzten vier Jahren beschlossen hat, dann können wir bei der immer wiederkehrenden Weihnachtsgratifikations-Diskussion — was für ein ominöses Wort! — uns nunmehr veranlaßt sehen, das jetzt ermittelte richtige Ergebnis von 200 DM einzusetzen. Das ist das eine interessante Ergebnis.
Das zweite ist: Die Lohnstrukturerhebung macht deutlich, daß die Frage der Steuerfreigrenze für Weihnachtsgratifikationen in der Wirtschaft keine primär soziale Angelegenheit ist. Dieses Ergebnis müssen wir respektieren; denn ich habe gesagt — und es geht ganz klar daraus hervor —, daß die höher bezahlten Facharbeiter höhere Gratifikationen bekommen, während die niedrig bezahlten niedrige bekommen. Ich sagte aber — und ich lege das Hauptgewicht darauf —: wir haben endlich eine
Grundlage dafür, daß wir aus steuersystematischen Gründen die Freigrenze jetzt auf 200 DM festsetzen können.
Die Gratifikationen werden ja auch gelegentlich in der Arbeitsrechtsprechung als Teil des Lohnes aufgefaßt. Man muß aber sagen, daß die Gratifikation, die zum Abschluß des Geschäftsjahrs aus Anlaß des Weihnachtsfestes gegeben wird, von allen Empfängern als eine Weihnachtszuwendung empfunden wird, auch als eine Anerkennung für geleistete Arbeit, und der Stärkung der Werkszugehörigkeit dienen soll.
Hierbei möchte ich noch auf einen anderen Punkt hinweisen. Die Lohnsteuerpflichtigen sind ja objektiv die wirklich Steuerehrlichen. Die Einkommensteuerpflichtigen haben auch aus Anlaß des Weihnachtsfestes so viele Ausweichmöglichkeiten, die die Lohnsteuerpflichtigen nicht haben. Deswegen bin ich der Meinung, daß gegenüber diesen uneingeschränkt Steuerehrlichen der Bundesfinanzminister und die Länderfinanzminister — es betrifft sie ja alle gleichermaßen — nicht so happig sein und diesem Anliegen entsprechen sollten. zumal es, wie ich eben dargelegt habe, steuersystematisch in bester Ordnung ist. Ich brauche wohl nur noch darauf hinzuweisen, daß alle Lohnempfänger, auch die besser bezahlten, ihren Nachholbedarf mit Abschlagszahlungen fest in ihre Haushaltsplanung einbezogen haben und daß von allen die Weihnachtsgratifikationen als wirkliche Erleichterung empfunden werden. Deswegen meine ich, man sollte jetzt endlich diese Frage lösen und sie nicht noch weiter hinausschieben.
Außerdem glaube ich, daß den Arbeitern und Angestellten, nicht zuletzt natürlich auch den Angehörigen des öffentlichen Dienstes, denen das Haus vorhin nach dem Irrtum in der Abstimmung auch die bescheidene Zuwendung, die vom BHE beantragt worden war, versagt hat, und den Rentenempfängern, denen eine Weihnachtsbeihilfe zu zahlen in der vorigen Woche abgelehnt worden ist, vom Spätsommer her noch die Lobgesänge über das deutsche Wirtschaftswunder im Ohr klingen. Sie haben das ganz simple Gefühl, daß sie auch nach den Wahlen aus Anlaß des Weihnachtsfestes einen bescheidenen Anteil an diesem Wunder haben möchten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Pelster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Herr Kollege Professor Gülich, das letzte hätten wir uns eigentlich sparen können.
Es ist ja nicht wahr, daß den Rentenempfängern alles abgelehnt worden ist, wie es hier behauptet wurde, sondern auf Grund der Verordnung vom 16. September werden die Beträge bezahlt, die auch im Vorjahr gezahlt wurden, dazu noch mit einer Erhöhung und an einen weit größeren Kreis von Empfängern als im vorigen Jahr.
Auf der anderen Seite stimmt nun folgendes wirklich, Herr Professor: Alle Jahre wieder haben wir auch diesen Antrag: 1949 Antrag aus den Reihen der Rechten: 300 DM. Das Haus hat beschlossen: 300 DM sollen steuerfrei sein. — Verhandlungen mit den Finanzministern. — Vermittlungsausschuß. Ergebnis : 100 DM werden steuerfrei gezahlt. — Im folgenden Jahr ein Antrag aus denselben Reihen: 200 DM. — Das Haus hat beschlossen: 200 DM. — Verhandlungen mit den Landesfinanzministern. — Nein, es bleibt bei 100 DM steuerfreier Weihnachtszulage, und man hat sich damit zufrieden gegeben.
— Diesmal werden wiederum 200 DM beantragt; Herr Kollege Miessner, auf Ihren Eventualantrag komme ich noch. Die Dinge liegen jetzt so: Wir haben den 10. Dezember. Das Haus geht in die Ferien. Der Bundesrat wird noch tagen. Glauben Sie, daß er jetzt, nachdem die Dinge zweimal so verlaufen sind, ja sagt? Nein, er wird den Vermittlungsausschuß anrufen. Das wird Mitte Januar, und dann läuft die Sache den Gesetzgebungsweg; damit ist die Zeit, die im Gesetz für die Zahlung von Weihnachtsgratifikationen festgelegt ist, ab- gelaufen. Das müssen wir doch dabei berücksichtigen.
Dann ist doch auch eines nicht richtig, nämlich daß man sagt, andere haben Vergünstigungen bekommen. Nachdem zweimal diese Verhandlungen. — um 200 und 300 DM — stattgefunden hatten, hat man sich mit übergroßer Mehrheit entschlossen, die Dinge im Gesetz unter Nr. 15 des § 3 zu verankern. Zu gleicher Zeit haben wir in demselben § 3 festgelegt, daß bei Eheschließung Zuwendungen bis zum Betrage von 500 DM und bei Geburten in der Familie in jedem Falle Zuwendungen bis zu einer bestimmten Summe steuerfrei sein sollen. Das und einige Dinge mehr haben wir eingefügt. Wir haben dazu gesagt, dieser Streit soll endgültig durch eine Festlegung auf 100 DM begraben werden. Nun bitte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, doch auch daran zu denken, daß Millionen und aber Millionen — Herr Professor Gülich war so freundlich, die Zahlen von 32, 20, 25 und 28 DM als Weihnachtsgratifikation zu nennen — sowieso schon steuerfrei sind. Es gibt auch Grenzen darüber; das ist richtig, Herr Professor Gülich. Sie werden auch, Herr Miessner, wie ich Briefe bekommen haben. Bezeichnend war ein Brief einer Dame, die aus West-Berlin ganz kurz und lapidar geschrieben hat:
Ich bin Tbc-krank. Mir stehen zur Verfügung 40 DM für Wohnung, 52 DM für Lebensunterhalt, 20 DM Pflegezulage, im Winter 10 DM mehr. Das zur Beurteilung der Erhöhung der Steuerfreigrenze auf 200 DM. Repressalien fürchtend, aber nicht achtend, zeichne ich mit vollem Namen
Hochachtungsvoll.
Es folgt dann die Unterschrift. — Sehen Sie, da müssen wir noch vieles tun. Die Lasten, die immer wieder von neuem auf uns zukommen, haben uns noch nicht dazu kommen lassen.
Es ist manches im Werden. In den vergangenen vier Jahren ist auch die Rentenfrage immer wieder von neuem aufgegriffen worden, und es sind Erhöhungen vorgenommen worden.
Es wird nun gesagt, diese Grenze macht bei , 200 DM 2,52 DM Steuer aus. Ich weiß nicht, ob es
dann notwendig ist, dafür ein besonderes Gesetz zu machen, um das jetzt zu ermöglichen. Derjenige, der diese 200 DM zu einem vollen Gehalt bekommt, wird sich wegen dieser 2,52 DM nicht groß erregen. Er freut sich, daß ihm immer noch 197, 50 DM verbleiben. Demgegenüber muß man berücksichtigen, was eine ganze Menge anderer Leute an Einkommen haben. Ich könnte Ihnen ganz große Gruppen der Arbeiter nennen — ich denke an die Tabakarbeiter usw. —, die noch bei 48-stündiger Arbeit sehr häufig mit 5 und 6 Kindern nicht einmal das an Lohn haben. Auch das wollen wir dabei sehen. Dort wurde die Erhöhung der Steuerfreigrenze ab 200 DM ein bitteres Gefühl auslösen.
Dann erinnere ich daran, daß eine Verteilung dieser 200 DM, wenn sie gezahlt werden, auf zwölf Monate möglich ist. Daraus ergibt sich durchweg bei zwei, drei oder vier Kindern eine Freigrenze, daß selbst bei 200 DM keine Steuern mehr bezahlt werden. Auch das sollten wir bei der Beurteilung zu Rate ziehen, wenn wir eine Entscheidung über diese Frage treffen.
Nun, Herr Kollege Miessner, zu Ihrem Eventualantrag. Ich bin bestimmt derjenige, der den kinderreichen Familien helfen will. Es wurde schon immer und wird auch noch sehr lebhaft darüber Klage geführt daß das ganze Gesetz Gott weiß wie verklausuliert ist. Jetzt stehen die Weihnachtsgratifikationen noch mit einem Betrag drin. Wenn sie aber in Zukunft mit sechs Beträgen drinstehen, dann wird die ganze Sache immer unübersichtlicher. Im großen und ganzen sind diese Menschen bei fünf Kindern und bei einem regulären Einkommen sowieso auch bei 200 DM Zuwendung schon steuerfrei, vielleicht auch noch bei einer größeren Summe. Darum sollte man diese Dinge jetzt nicht einführen, zumal damit zu rechnen ist, daß die Finanzminister — wir haben das in der letzten Zeit doch immer wieder erlebt, wenn Belastungen auf die Länder zukamen — nein sagen, den Vermittlungsausschuß anrufen, und wir dann vielleicht Mitte Februar mit der Frage fertig sind.
Ich bitte deshalb, dem Ausschußantrag zuzustimmen. Ich darf Ihnen als Mitglied des Steuerausschusses versichern, daß wir die Frage von allen Seiten beleuchtet und beurteilt haben und zu dem Beschluß gekommen sind, die Dinge so zu lassen, wie sie sind.
Man soll nicht von „sagenhaft" reden. Wir haben es ja selber mit in der Hand, indem wir die Arbeit ein bißchen organisch einteilen, daß auch die große Steuerreform sehr schnell auf uns zukommt. Daß diese nicht die Abschaffung aller Steuern bedeutet, darüber sind wir uns klar. Sie kann aber eine organische Ordnung herbeiführen. Es ist dann möglich, dabei auch diese Dinge, die in § 3 stehen, zu ändern und neu zu ordnen.
Angesichts der Tatsache, daß das Weihnachtsfest vor der Tür steht und Millionen und aber Millionen, ich möchte sagen, die überwältigende Mehrheit der Arbeitnehmer mit mehreren Kindern selbst mit 200 DM sowieso schon steuerfrei sind, bitte ich Sie, diese Dinge nicht zu machen. Wenn dann — Sie, Herr Kollege Miesner, haben es an drei Betrieben in Ost, Süd und West ausgerechnet — der Durchschnitt wirklich 2,52 DM ist, sollten wir dafür kein Gesetz ändern.
Ich bitte, dem Ausschußantrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe daher die Einzelberatung zu Art. I des Gesetzes und komme zur Abstimmung. Damit aber nicht wieder Irrtümer vorkommen,
möchte ich folgendes sagen. Der Ausschuß hat Ablehnung des Gesetzes im ganzen beantragt. Ich kann aber in dieser Form nicht verfahren, weil es sich um einen Gesetzentwurf handelt. Die Geschäftsordnung schreibt vor, daß in der zweiten Beratung über jeden einzelnen Teil des Gesetzes abgestimmt werden muß. Wer also im Sinne des Ausschußantrages abstimmen will, der dahin geht, daß das ganze Gesetz abgelehnt wird, der muß den Art. I, den ich jetzt zur Abstimmung stelle, ablehnen.
Ich rufe Art. I zur Abstimmung auf. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Nur Art. I. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Der Art. I ist mit Mehrheit abgelehnt.
Da für diesen Fall der Eventualantrag Umdruck 5 gestellt ist, komme ich jetzt zur Abstimmung darüber. Er liegt ja wohl allen Damen und Herren des Hauses vor. Wer diesem Eventualantrag Umdruck 5 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Auch der Eventualantrag ist bei vielen Gegenstimmen und einer Enthaltung mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe in der Einzelberatung Art. II des Gesetzentwurfs auf. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelberatung zu Art. II und komme zur Abstimmung. Wer Art. II zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Auch Art. II ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe in der Einzelberatung Art. III auf. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelberatung zu Art. III. Wer Art. III zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch Art. III ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe Einleitung und Überschrift auf.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch Einleitung und Überschrift sind abgelehnt.
— Meine Damen und Herren, Sie lächeln, weil ich das so mache. Die Geschäftsordnung schreibt das leider vor.
§ 84 Abs. 3 sagt zwingend:
Sind in der zweiten Beratung alle Teile eines
Gesetzentwurfes abgelehnt worden, so unterbleibt jede weitere Beratung und Abstimmung.
Also: alle Teile, auch Einleitung und Überschrift. Andernfalls müßte ich, wenn auch nur die Überschrift übriggeblieben wäre, die dritte Beratung eröffnen. Das ist jedenfalls meine Auslegung.
Da in der zweiten Beratung das Gesetz in allen seinen Teilen abgelehnt worden ist, unterbleibt, wie die Geschäftsordnung sagt, eine weitere Beratung und Abstimmung. Die dritte Beratung entfällt. Der Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe auf Punkt 18 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
Das Wort zur Einbringung hat der Herr Minister
Oberländer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes über die Lastenausgleichsbank, der dem Hohen Hause heute zur Beratung in erster Lesung vorliegt, bringt eine Entwicklung zum Abschluß, die mit der Gründung der Vertriebenenbank Aktiengesellschaft am 12. Mai 1950 begonnen hat. Diese Gründung entsprach einem seit langer Zeit gehegten Wunsche der Vertriebenen, der wirtschaftlichen Situation dieses Personenkreises bei der Bildung der Bundesregierung im Herbst 1949 und der Entwicklung der Gesetzgebung über den Lastenausgleich. Die Tatsache, daß Kredite an Vertriebene infolge des mangelnden Eigenkapitals und der wiederum daraus sich ergebenden Unmöglichkeit ausreichender Kreditsicherung besonders risikobehaftet sind, hatte dazu geführt, daß es für die Unternehmen Vertriebener nahezu unmöglich war, die Kredithilfe zu finden, die für den Fortbestand neu gegründeter selbständiger Betriebe oder ihre organische Entwicklung oder auch für die Errichtung solcher Betriebe unbedingt notwendig war. Der Bundesvertriebenenminister stand vor der Notwendigkeit, ein besonderes Kreditinstitut zu errichten, weil die bestehenden Banken sich nicht in der Lage sahen, derart risikobehaftete Bindungen einzugehen, wenn sie nicht die Möglichkeit fänden, sich an ein Institut anzulehnen, das ihnen das Risiko ganz oder zum größten Teil abnahm. Andererseits wäre es falsch gewesen, eine neue Geschäftsbank zu errichten und damit den vorhandenen Bankapparat auf diesem Sektor zu erweitern. Die Errichtung der Vertriebenenbank Aktiengesellschaft füllte also eine Lücke aus, die auf andere Weise nicht ausgefüllt werden konnte.
Der Bundesvertriebenenminister war im Zeitpunkt der Errichtung dieses Institutes schon der Überzeugung, daß es wahrscheinlich zweckmäßig wäre, das Institut sofort in öffentlich-rechtlicher Form zu gründen. Die gebotene Beschleunigung bei der Errichtung zwang aber zur Gründung in Form der Aktiengesellschaft, weil der Weg zur Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt nur über die Legislative führte und hierzu eine relativ lange Zeit erforderlich gewesen wäre. Die sehr schnelle Entwicklung des Instituts, insbesondere die Übertragung weiterer Aufgaben durch das Hauptamt für Soforthilfe, ließ es angebracht erscheinen, dem Drängen des Bundesrechnungshofs auf Umwandlung in die öffentlich-rechtliche Form nachzugeben und damit dem Parlament das Gesetz vorzulegen, das Sie zu beraten haben.
Im einzelnen ist zu dem vorliegenden Gesetzentwurf folgendes in Kürze auszuführen. Die in § 1 niedergelegte Bezeichnung des Zweckes der Errichtung der Bank lehnt sich an die Präambel des Lastenausgleichsgesetzes an. Es soll damit zum Ausdruck gebracht werden, daß in dem Institut im wesentlichen der Personenkreis betreut werden soll, der auch im Lastenausgleichsgesetz begünstigt wird. Die Kapitalausstattung des Instituts erfolgt nach § 2 in Höhe von 3 Millionen DM aus dem Vermögen der gemäß § 16 zu übernehmenden Bank für Vertriebene und Geschädigte Aktiengesellschaft und in Höhe von 22 Millionen
DM aus Mitteln des Ausgleichsfonds. Das zu übernehmende Kapital der Lastenausgleichsbank Aktiengesellschaft stammt aus dem ERP-Sondervermögen. Bei den 22 Millionen DM des Ausgleichsfonds handelt es sich nicht um neue Mittel des Ausgleichsfonds, sondern um einen Teil derjenigen Liquiditätsmittel, die das Bundesausgleichsamt der Bank bereits seit langer Zeit zur Verfügung gestellt hat. Hierdurch wird also eine Inanspruchnahme der Liquidität des Ausgleichsfonds vermieden. Der Gesetzgeber hat diese geplante Beteiligung schon in § 323 Abs. 4 des Lastenausgleichsgesetzes vorgesehen, indem er dort bestimmte, daß sich der Ausgleichsfonds an öffentlich-rechtlichen Anstalten der Bundesrepublik bis zur Höhe von 30 Millionen DM beteiligen darf. Daß die Lastenausgleichsbank bei einer Bilanzsumme, die am 31. Dezember 1952 schon 760 Millionen DM betrug und am Schluß des laufenden Geschäftsjahres etwa 1 1/2 Milliarden DM betragen wird, unbedingt erforderlich ist, bedarf keiner weiteren Ausführung.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Bestimmung des § 4 Abs. 3, nach, der das Institut grundsätzlich als Bank der Banken arbeitet und seine Mittel über Kreditinstitute an den letzten Kreditnehmer leitet. Nur in begründeten Ausnahmefällen ist mit Zustimmung des Verwaltungsrats eine unmittelbare Kreditgewährung zugelassen.
Die Vorschriften über die Organe der Bank entsprechen der Regelung bei ähnlichen öffentlich-rechtlichen Instituten.
Zum Verwaltungsrat, der in § 7 behandelt ist, darf ich bemerken, daß unter Berücksichtigung einer ausgewogenen Vertretung aller an den Aufgaben der Bank interessierten Stellen darauf geachtet werden mußte, daß die Bundesregierung und die Bundesländer einen hinreichenden Einfluß auf die Bank unterhalten. Der Verwaltungsrat sieht 23 Obligatorische und 7 fakultative Mitglieder vor. Der Vorsitzende des Verwaltungsrats soll personengleich mit dem Präsidenten des Bundesausgleichsamts sein, eine Bestimmung, die sich fast zwangsläufig aus der Tatsache ergibt, daß der Ausgleichsfonds in Zukunft den überwiegenden Anteil am Kapital haben wird und daß auch überwiegend die Mittel des Ausgleichsfonds über die Bank geleitet werden. Bei dem. Umfang des Verwaltungsrats ist die Möglichkeit vorgesehen, einzelne Befugnisse auf Ausschüsse zu übertragen.
In § 13 wird bestimmt, daß die Bank der Aufsicht der Bundesregierung unterstellt ist und daß diese die Aufsicht einem Bundesminister übertragen kann. Ferner ist vorgesehen, daß der aufsichtführende Bundesminister mit Zustimmung der Bundesregierung einen Kommissar ernennt, dem wie in ähnlich gelagerten Fällen weitgehende Befugnisse zustehen.
Der Gesetzentwurf sieht in § 14 die Freistellung der Bank von der Vermögensteuer, der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer und Erleichterungen bei der Wertpapiersteuer und bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen vor.
Der Entwurf hat auch dem Bundesrat vorgelegen, der am 24. April beschlossen hat,, einige Anderungen vorzuschlagen, im übrigen Einwendungen nicht zu erheben. Der Bundesrat hat der Ansicht Ausdruck verliehen, daß das Gesetz seiner Zustimmung bedarf.
Die Bundesregierung hat sich den Änderungsvorschlägen des Bundesrates nicht angeschlossen.
226 2. Deutscher Bundestag — 8: Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953
Ich bitte das Hohe Haus, von dem Entwurf in erster Lesung Kenntnis zu nehmen und ihn zur .weiteren Behandlung dem zuständigen Ausschuß zu überweisen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache zur ersten Beratung des Gesetzentwurfs. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Henn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem uns ,vorliegenden Entwurf über die Lastenausgleichsbank ist einigen vom Standpunkt der Sowjetzonenflüchtlinge aus zu sagen. Ich darf darauf hinweisen, daß in § 1 des Gesetzentwurfs steht, daß zur wirtschaftlichen Eingliederung und Förderung der Vertriebenen und Flüchtlinge usw. die Lastenausgleichsbank geschaffen wird. Weiter ist in der Begründung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß auch Flüchtlinge durch die Lastenausgleichsbank betreut werden sollen. Die Flüchtlinge sind also neben den Vertriebenen besonders hervorgehoben. An einer Stelle heißt es dann, daß der Bundesrat empfehle, „Sowjetzonenflüchtlinge" zu sagen. Die Bundesregierung hat sich dagegen ausgesprochen, da das eine zu enge Auslegung sei; man müsse „Flüchtlinge" sagen. Auf jeden Fall ist immer von Flüchtlingen die Rede. Leider ist aberdiese Erkenntnis im Grundsätzlichen nicht auf den Text im einzelnen übertragen worden. Ich darf darauf hinweisen, daß der Name der Bank lauten soll „Bank für Vertriebene und Geschädigte". Nach den Ausführungen der Begründung müßte er lauten „Bank für Vertriebene, Flüchtlinge und Geschädigte".
Bei der Regelung der Zusammensetzung des Verwaltungsrates, von der der Herr Minister eben gesprochen hat, ist in Abs. 1 Ziffer 6 davon die Rede, daß dem Verwaltungsrat zwei Vertreter der Vertriebenenorganisationen angehören sollen. Nach der Begründung, die die Regierung dem Gesetz gegeben hat, halte ich es doch für selbstverständlich, daß dazu ein Vertreter der Organisation der Sowjetzonenflüchtlinge kommt.
Das gleiche bitte ich für die Satzung der Bank zu veranlassen. Auch da ist in § 2 in der alten Fassung nur von Vertriebenen die Rede. Es müßte auch hier in Zukunft heißen „Vertriebenen und Flüchtlingen".
Ich wollte nur diese Anregung geben und würde bitten, daß sich vielleicht der Herr Minister dazu äußert. Sonst würde ich gegebenenfalls in den späteren Lesungen entsprechende Anträge stellen,
falls es nicht schon im Ausschuß zu einer Klärung kommt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß die Lastenausgleichsbank mit Hilfe eines Gesetzes eine ordnungsmäßige Form als öffentlich-rechtliche Körperschaft erhält, ist einealte Forderung der sozialdemokratischen Fraktion, die hier schon immer mit Nachdruck vorgetragen worden ist, deren Erfüllung öfter zugesagt und lange Zeit verzögert worden ist. Es kann gar kein Zweifel bestehen, daß die derzeitige provisorische Form und die derzeitige provisorische Leitung der Lastenausgleichsbank auf die Dauer einfach unhaltbar sind.
Wir begrüßen deswegen die Vorlage. Ich werde in der ersten Lesung nicht auf viele Einzelprobleme eingehen, die sich bezüglich der Zusammensetzung des Verwaltungsrats und anderer Dinge ergeben können. Sie werden schon aus der Kontroverse zwischen Bundesrat und Bundesregierung über den Zweck der Bank und über die eventuelle Benennung der Bank, über die auch mein Herr Vorredner soeben gesprochen hat, gesehen haben, daß da allerhand im Ausschuß zu erörtern sein wird. Wenn man sich die Vorlage näher ansieht, erkennt man auch, daß es durchaus nicht selbstverständlich ist, daß der Herr Bundesminister für Vertriebene federführend für dieses Gesetz auftritt. Derjenige Bundesminister, dem die Aufsicht über die Bank übertragen werden. soll, ist ja im Gesetz vorsichtigerweise einstweilen nicht benannt. Wir, die sozialdemokratische Fraktion, können nur die Hoffnung aussprechen, daß diese Fragen nach rein sachlichen Gesichtspunkten und nicht etwa nach Gesichtspunkten der Verbändepolitik oder der internen Koalitionspolitik entschieden werden.
Eine Frage, die im AuSschuß auch noch zu beantworten sein wird, ist die, wie es dazu kommen konnte, daß in einer für eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ungewöhnlichen, meines Erachtens sogar juristisch unmöglichen Weise vorgesehen ist, daß das Kapital durch Kapitalbeteiligungsvertrag ergänzt werden kann. Das ist um so erstaunlicher, als über . die Gewinnverwendung und die Gewinnabführung der Bank doch noch viel Genaueres hätte gesagt werden können, als in diesem Gesetz steht.
Ich habe damit nur einige Fragen angedeutet, die im Ausschuß zu besprechen sein werden. Ich beantrage die Verweisung — das entspricht einer interfraktionellen Besprechung — an die Ausschüsse für den Lastenausgleich und für Geld und Kredit, an letzteren federführend.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich will mich dem Herrn Vorredner anschließen und in der ersten Lesung ebenfalls keine Ausführungen zu den Einzelheiten des Gesetzes machen. Wir begrüßen die Errichtung dieser Bank, die eigentlich eine Fortführung der jetzt bestehenden Bank sein soll. Ich möchte nur zwei Vorbehalte anmelden, die wir dann in den Ausschußberatungen vortragen werden. Der eine Vorbehalt geht dahin, daß der Aufgabenkreis der Bank sehr eng gefaßt ist und daß man sehr leicht Erweiterungen vornehmen kann. Die Bank hat auch in ihrer Struktur, wie sie dieses Gesetz vorsieht, nicht einen zeitlich begrenzten Charakter. Sie wird, wie alle Körperschaften öffentlichen Rechts, das Bestreben haben, ihre Tätigkeit lange fortsetzen. Wir möchten also in dieses Gesetz Bestimmungen hineinbringen, die es ermöglichen,e Bank wieder zum Auslaufen zu bringen, wenn die Gedanken, die uns beim Lastenausgleich bewegt haben, ihre Verwirklichung gefunden haben, also nicht erst nach den 30 Jahren, sondern schon zu dem Zeitpunkt, zu dem die Hauptentschädigung angelaufen ist und von dem an die Kreditgewährung immer mehr absinken wind.
Der zweite Vorbehalt bezieht sich auf die Zusammensetzung des Verwaltungsrats. Wir werden hier eine Beteiligung auch derjenigen Kreise fordern, die die Mittel, welche dieser Bank aus dem Ausgleichsfonds zur Verfügung stehen, aufzubringen haben. Es ist eine Forderung der Gerechtigkeit, daß
auch diese Kreise wenigstens durch eine oder zwei Personen am Verwaltungsrat beteiligt werden.
Im übrigen schließe ich mich dem Verweisungsvorschlag des Kollegen Seuffert an.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Geld und Kredit und dem Ausschuß für den Lastenausgleich zu überweisen, Ausschuß für Geld und Kredit federführend. — Keine Bedenken dagegen. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich komme zu Punkt 19:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Regelung der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen (Drucksache 87).
Es ist eine Vereinbarung darüber zustande gekommen, daß dieser Gesetzentwurf ohne Begründung und ohne Aussprache überwiesen werden soll, und zwar federführend an den Ausschuß für Sozialpolitik, ferner an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens und im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Auswirkungen des Gesetzes auch an den Rechtsausschuß. Sind Sie damit einverstanden?
Herr Abgeordneter Dr. Hammer!
Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag nicht auch noch dem Rechtsausschuß zu überweisen. In der Regel sollen die Entwürfe doch nur einem einzigen Ausschuß überwiesen werden. Ich sehe keinen triftigen Grund ein, warum man hier von der alten Regel abweichen soll. Im übrigen hat dieses Haus den inhaltlich gleichen Antrag vor einem Dreivierteljahr auch nur an den Ausschuß für Sozialpolitik und an den Ausschuß für Gesundheitswesen überwiesen.
Herr Abgeordneter Horn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich auch für meine Freunde dieser Auffassung des Herrn Dr. Hammer anschließen. Es handelt sich um eine reine Angelegenheit der Reichsversicherungsordnung, um eine Neuregelung der §§ 368 ff. Es ist also nicht einzusehen, daß nun, entgegen der damaligen Regelung, auch noch der Rechtsausschuß einbezogen werden soll. Voraussetzungen dafür sind nach meinem Dafürhalten nicht gegeben. Ich bitte also, den Rechtsausschuß nicht damit zu beauftragen.
Einen Ihrer Freunde, Herr Kollege Horn, müssen Sie davon ausnehmen, denn er hat gerade bei mir beantragt, den Entwurf auch dem Rechtsausschuß zu überweisen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Hoogen, der im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht den Vorsitz führt, ist leider nicht anwesend. Daher erlaube ich mir, in seiner Vertretung hierzu einiges zu sagen. Herr Kollege Hoogen ist von sich aus an mich herangetreten und hat mir gesagt, daß es nach
seiner Auffassung erforderlich sei, hier auch den Rechtsausschuß zu beteiligen, da einige grundsätzliche Verfassungsfragen bezüglich der Freiheit der Berufswahl mit zu entscheiden seien. Ich habe mich damit einverstanden erklärt. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß eine dieser Fragen bereits beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe rechtshängig ist.
Unter diesen Umständen empfiehlt es sich doch — und ich verspreche Ihnen auch, daß dadurch keinerlei Verzögerung eintritt —, den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht mitzubeteiligen. Es empfiehlt sich für das Hohe Haus nicht, ein Gesetz zu verabschieden, bei dem nachher Zweifel hinsichtlich seiner Verfassungsmäßigkeit bestehen könnten. Es liegt in unser aller Interesse, ganz gleich, welcher Partei wir angehören oder welche Meinung wir in der Frage des Kassenarztrechtes haben, durch den Rechtsausschuß prüfen zu lassen, ob wir glauben, uns im Rahmen des Grundgesetzes zu halten oder ob von rechtskundiger Seite Bedenken anzumelden sind.
Ich nehme an, daß wir die Debatte darüber schließen können. Meine Damen und Herren! Wer ist für die Überweisung auch an den Rechtsausschuß? — Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 20:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Schwerbeschädigtengesetzes .
Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Schwerbeschädigtengesetz ist von uns mit dem Ziel geschaffen worden, die Eingliederung der Schwerbeschädigten in das Wirtschaftsleben zu fördern. Wir haben alle unser Bestreben darin gesehen, diese Menschen in Arbeit zu bringen, weil wir das für richtiger hielten, als ihnen Renten zu zahlen. Wenn wir hier den ersten Änderungsantrag zu diesem Gesetz stellen, dann möchte ich mit aller Deutlichkeit vorausschicken, daß an diesem Ziel nichts geändert werden soll und nichts geändert werden darf.
Bei dem Anlaufen dieses Gesetzes haben sich Schwierigkeiten ergeben. Nach bisher unwidersprochenen Mitteilungen beträgt die Zahl der Schwerbeschädigten im Bundesgebiet rund 700 000. Von diesen 700 000 sind etwa 40 000 noch bei den Arbeitsämtern als nicht in Arbeit befindlich gemeldet. Darunter befindet sich auch ein bestimmter Kreis, dessen Zahl ich nicht angeben kann, der praktisch nicht einsatzfähig ist. Hierüber liegen noch keine amtlichen Zahlen vor. Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat eine Untersuchung veranstaltet, um echtes Zahlenmaterial vorlegen zu können, an Hand dessen man tatsächlich nachher die Entscheidungen treffen kann. Wenn die Zahlen, die mir genannt worden sind, richtig sind, dann wird es uns gar nicht möglich sein, die in dem Gesetz vorgesehenen Quoten überall aufzubringen, weil soviel Schwerbeschädigte zum Einsatz gar nicht vorhanden sind. Das ändert natürlich nichts an der Schwierigkeit, daß örtliche Zusammenballungen
anders gelagert sein können und daß an einzelnen Schwerpunkten, wo sich sehr viele Schwerbeschädigte zusammenfinden, das Verhältnis ein ungünstigeres sein kann. Aber diese Dinge sind nur der äußere Anlaß.
In der Zwischenzeit beschäftigen sich das Ministerium und alle betroffenen Kreise mit der Rechtsverordnung, die die im Gesetz selbst vorgesehenen Milderungen für den Einstellungszwang bringen soll. Diese Rechtsverordnung ist bis heute noch nicht erlassen. Es besteht also ein außerordentlicher Unsicherheitsfaktor im Wirtschaftsleben. Ich erinnere daran, daß nach wohl allgemeiner Auffassung im Bergbau die Quote herabgesetzt werden soll. Das ist aber noch nicht geschehen; nach dem äußeren Wortlaut des Gesetzes gilt also auch für den Bergbau das Gesetz noch mit all seinen äußersten Konsequenzen.
Der von uns eingebrachte Antrag soll nun für eine Übergangszeit, nämlich für die Zeit vom 1. November, an dem das Gesetz in Kraft getreten ist, bis zum 28. Februar, also für vier Monate, eine Milderung der Ausgleichsabgabe insofern bringen, als für diese Zeit die Abgabe nur nach dem Satz von 6 % zu beschäftigender Schwerbeschädigter zu berechnen sein soll. Nach unserem Vorschlag soll an dem Einstellungszwang nichts geändert werden. Es kann also nicht entgegengehalten werden, daß etwa auf Grund dieses Antrags Entlassungen von Schwerbeschädigten an irgendeiner Stelle möglich sein könnten, wo es sonst nicht der Fall wäre. Es soll an dem Einstellungszwang, wie er im Gesetz vorgesehen ist, nichts geändert werden; nur die Ausgleichsabgabe soll für die vorübergehende Zeit von vier Monaten in einer etwas geringeren Höhe erhoben werden, um die Härten zu vermeiden, die sich daraus ergeben, daß wohl einzelne Arbeitsämter eine Herabsetzung vornehmen können, was jetzt in völlig ungleichem Maße geschieht. Wir halten es für richtiger, daß der Gesetzgeber das gleichmäßig für das ganze Bundesgebiet regelt. In dieser Zeit könnte und muß die volle Klärung erfolgt sein; bis dahin liegt das Material von der Bundesanstalt für Arbeit unter allen Umständen vor, und dann können wir uns darüber klar werden, welche Quote, welche Mindestzahl von Beschäftigten nach den Unterlagen, die uns dann von der amtlichen Stelle zur Verfügung gestellt werden, angemessen sind. Ich wiederhole: an der Tendenz, der das Gesetz seine Entstehung verdankt, soll durch diesen Antrag nichts geändert werden, es soll nur eine vorübergehende Milderung in der Zeit der Unsicherheit geschaffen werden.
Ich bitte Sie daher, diesen Antrag dem zuständigen Ausschuß zur möglichst baldigen Beratung zu überweisen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Rasch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP-Fraktion — Drucksache 96 — bedeutet keine Ergänzung des Schwerbeschädigtengesetzes, das der erste Bundestag am 16. Juni 1953 einstimmig beschlossen hat. Ergänzen, meine Damen und Herren, ist meines Erachtens das Schließen einer Lücke, nicht die Beseitigung eines bis jetzt kaum verwirklichten sozialen Tatbestandes. Die Annahme des FDP-Antrages
würde bedeuten, daß das soziale Fundament des Schwerbeschädigtengesetzes untergraben und durch weitere Maßnahmen in gleicher Richtung der soziale Inhalt dieses bedeutsamen Gesetzes für die beschädigten ehemaligen Soldaten auf kaltem Wege beseitigt wird. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß man hier den gleichen Weg gehen will, den man mit der Nichtverkündung des Heimkehrerentschädigungsgesetzes betreten hat: nach außen hin große Hilfsversprechen, während man intern und in den Ausschüssen schon Überlegungen anstellt, wie man schnell — und ohne daß es die Betroffenen merken — die Versprechungen wieder rückgängig machen kann.
Das Schwerbeschädigtengesetz sieht vor, daß Arbeitgeber, die der Pflicht, Schwerbeschädigte zu beschäftigen, nicht genügen oder diese Verpflichtung nicht durch andere Leistungen erfüllen, die in den §§ 7 und 8 des Schwerbeschädigtengesetzes aufgezeigt sind, eine monatliche Ausgleichsabgabe von 50 DM zu leisten haben. Und um diese 50 DM geht es in dem Gesetzentwurf der FDP-Fraktion.
Man spricht heute noch nicht offen davon, die Beschäftigungsquote generell für alle öffentlichen und privaten Betriebe von 8 auf 6 % zu senken. Man kann ja das Ziel auch so erreichen — und das ist der Sinn des Gesetzentwurfs —, daß man zwar sagt: „Sie sind verpflichtet, 8 % zu beschäftigen", aber die Verpflichtung zur Entrichtung der Ausgleichsabgabe in Höhe von 50 DM beseitigt. In der Begründung zum Schwerbeschädigtengesetz heißt es ausdrücklich:
Die Ausgleichsabgabe hat aber in jedem Fall den Zweck, den Arbeitgeber zur Erfüllung der ihm nach dem Schwerbeschädigtengesetz auferlegten Verpflichtungen anzuhalten. Datum betont der Gesetzgeber auch ausdrücklich im § 9 Abs. 1 des Gesetzes, daß die Zahlung der Ausgleichsabgabe die Pflicht zur Beschäftigung Schwerbeschädigter nicht aufhebt.
Mit dieser Feststellung ist bewußt der Tendenz des sogenannten Loskaufens von der Pflicht zur Einstellung Schwerbeschädigter vorgebeugt worden.
Für Schwerbeschädigte, meine Damen und Herren, ist es immer betrüblich — und es ist für uns als Schwerbeschädigte manchmal entwürdigend—, wenn man immer wieder erleben muß, daß um unsere 5 % mehr oder weniger körperlicher Beschädigung aus fiskalischen und jetzt auch noch aus privatwirtschaftlichen Gründen gefeilscht wird. Es ist meines Erachtens notwendig, auch hier einmal daran zu erinnern, daß wir Schwerbeschädigte einmal die gesundesten Deutschen waren und unsere Gesundheit auch für diejenigen geopfert haben, die sich heute nicht scheuen, die Beseitigung der Geldquellen zu beantragen, deren Fließen doch für die Ausbildung und berufliche Weiterbildung gerade der schwerstbeschädigten Menschen dringend notwendig ist.
Die Gelder, die aus der Ausgleichsabgabe hereinkommen, werden ja nur verwandt und dürfen nur verwandt werden für die Ausbildung von Schwerbeschädigten. Wenn diese Beträge regelrecht und ordentlich verwandt worden sind, kommen sie doch dem Arbeitgeber wieder dadurch zugute, daß er
durch das Hereinnehmen von vorgeschulten und ausgebildeten Menschen seine wirtschaftliche Substanz festigt und auch stärkt. Ich glaube, es ist notwendig, auch auf diesen Tatbestand einmal hinzuweisen.
Tatsache ist ebenfalls, daß der Arbeitgeber bei 60% seiner beschäftigten Schwerbeschädigten gar nicht merkt, daß sie überhaupt schwerbeschädigt sind, weil sie nämlich ihrer Berufspflicht vollauf genügen, da sie an einem Arbeitsplatz eingesetzt sind, an dem sie praktisch so wirken und werken können wie gesund gebliebene Menschen auch. Für weitere 20% der jetzt beschäftigten Schwerbeschädigten ist durch die Bereitstellung technischer Arbeitshilfen erreicht warden, daß sie dem gesunden Arbeitnehmer gegenüber — wie es von verantwortungsbewußten Arbeitgebern immer wieder anerkannt wird — in gar keiner Weise auffallen.
Vor allen Dingen, meine Herren Antragsteller, möchte ich darauf verweisen, daß Sie ja mit diesem Antrag den Arbeitgeber bestrafen, der in der Vergangenheit freiwillig und aus seiner sittlichen Verpflichtung heraus mehr als 8% Beschädigte beschäftigt hat.
Es ist auch notwendig zu sagen, daß ja nicht erst heute diese immerhin nicht geringen Angriffe gegen das Schwerbeschädigtengesetz kommen. Tatsache ist, daß schon vor der Verkündung des Gesetzes von den verschiedensten Berufs- und Industriezweigen an die Arbeitsverwaltung und an die sonstigen Durchführungsorgane Anträge herangetragen worden sind, die den Sinn hatten, die Quote nach Möglichkeit so tief wie nur eben möglich zu halten.
Es muß auch festgestellt werden, daß die Zahlen, die über die jetzt noch arbeitslosen Schwerbeschädigten genannt werden, sehr unterschiedlich sind. Sie sind auch wohl niemals ganz genau festzustellen. Ich habe ungefähre Unterlagen darüber, nach denen noch 65 000 Schwerbeschädigte in der Bundesrepublik vorhanden sind.
Wir stellen darüber hinaus noch folgende Tatsache fest. Wir haben in der Bundesrepublik noch 675 000 unerledigte Rentenanträge in der Kriegsopferversorgung. Rechnet man einmal grob, daß 5 % dieser Anträge mit Zuerkennung der Schwerbeschädigteneigenschaft beschieden werden, dann kommen weitere 30 000 Schwerbeschädigte hinzu.
Ein weiteres Moment, das nicht außer acht gelassen werden darf, ist die Umsiedlung von Schwerbeschädigten, die Frage der Heranführung von Schwerbeschädigten an Arbeitsplätze aus Gebieten, in denen keine Arbeit mehr vorhanden ist — ich denke an Niedersachsen, an Schleswig-Holstein, an Bayern —, in Gebiete wie Nordrhein-Westfalen oder andere Länder der Bundesrepublik, in denen wir diese schwerbeschädigten Menschen beschäftigen können.
Ferner sind in dem Gesetz so viele Möglichkeiten und Handhaben gegeben, mit denen man auch dem Arbeitgeber entgegenkommt. Ich denke da z. B. daran, daß er, wenn keine Schwerbeschädigten vorhanden sind, jederzeit in der Lage ist, einen Leichtbeschädigten einzustellen. Ich denke daran, daß er jederzeit in der Lage ist, statt eines Beschädigten zwei Kriegerwitwen einzustellen; weiter sieht das Gesetz auch die Möglichkeit vor, daß der Arbeitgeber für einen Schwerstbeschädigten zwei Arbeitsplätze angerechnet bekommt. Alle diese
Möglichkeiten stehen dem Arbeitgeber offen, und die Vergangenheit hat gelehrt, daß alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind.
Wenn die Rechtsverordnungen, die die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen muß, bis heute nicht erschienen sind, ist das nicht unsere Schuld, auch nicht die Schuld der Schwerbeschädigten. Aber auf keinen Fall kann meine Fraktion es billigen, daß man nun, da man all die Dinge vor Weihnachten abgelehnt hat, den Schwerbeschädigten zumutet, auf dem Altar des nicht gegebenen Weihnachtsfestes auch noch ein Opfer zu bringen. Wir werden jedenfalls dafür eintreten, daß dieser Antrag der FDP nicht zum Zuge kommt.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Probst.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es wäre eine sehr bedenkliche Praxis, Herr Kollege Atzenroth, wenn wir Ihrem Rate folgen wollten, Gesetze mit der Begründung abzuändern, daß die Durchführungsverordnung noch nicht erschienen ist. Wir würden dadurch alsbald in ein gesetzgeberisches Chaos geraten. Schon aus diesem Grunde muß ich von vornherein Bedenken gegen den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 96 geltend machen.
Dazu kommen eine Reihe weiterer Überlegungen: Es stellt sich von vornherein die Frage, ob es überhaupt eines solchen Antrages bedarf. Bei der Schaffung des Schwerbeschädigtengesetzes hat das Hohe Haus auf die Bedürfnisse der Wirtschaft und des Schwerbeschädigten durch die Möglichkeit elastischer Anpassung bewußt Rücksicht genommen. Es sei mir gestattet, in aller Kürze auf die einschlägigen Bestimmungen des Schwerbeschädigtengesetzes hinzuweisen. Der § 3 Abs. 2 z. B. sieht vor, daß die Bundesregierung für ganze Wirtschaftszweige oder Betriebsarten den Pflichtsatz bis auf 4 % herabsetzen kann. Nach § 3 Abs. 4 kann das Landesarbeitsamt, also die mittlere Instanz, soweit die Erfüllung der Beschäftigungspflicht nicht möglich ist, die Quote im Einzelfall bis auf 4 % herabsetzen. Ich verweise ferner auf § 9 Abs. 3, wo es heißt:
Das Landesarbeitsamt kann im Benehmen mit der Hauptfürsorgestelle die Ausgleichsabgabe in Härtefällen auf Antrag der Arbeitgeber herabsetzen oder erlassen. Es soll den Arbeitgebern die Ausgleichsabgabe erlassen, wenn sie trotz eigener Bemühungen ihrer Pflicht zur Beschäftigung Schwerbeschädigter nicht nachkommen konnten und das Arbeitsamt ihnen seit mehr als drei Monaten Schwerbeschädigte nicht nachweisen konnte.
Außerdem wird im § 39 die Bundesregierung ermachtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen über eine begrenzte Anrechnung von Arbeitsplätzen in Saison- und Kampagnebetrieben und von Arbeitsplätzen, die nur vorübergehend oder befristet oder mit geringfügig beschäftigten Personenbesetzt sind. Die Bundesregierung wird ferner ermächtigt, durch Rechtsverordnung Bestimmungen zu erlassen über die Nichtanrechnung oder begrenzte Anrechnung von Arbeitsplätzen, die nach der Art der zu leistenden Arbeit, nach bestehenden Vorschriften oder — Herr Kollege Atzenroth! -- auf Grund von Anordnungen der Gewerbe- oder Bergaufsicht nicht mit Schwerbeschädigten besetzt
werden können. In der Ausschußberatung. wird klarzustellen sein, daß der vorliegende Antrag der SPD angesichts der Möglichkeiten des Gesetzes selbst als überholt zu betrachten ist.
Auf der anderen Seite muß darauf hingewiesen werden, daß die Quote von 8 % in industrieschwächeren Ländern, wie etwa Bayern, seit Jahren in Anwendung ist und dort bei elastischer Handhabung zu keinen wesentlichen Schwierigkeiten — von der Wirtschaft her gesehen — geführt hat. Trotz der Quote von 8 % hat Bayern nach dem Stande vom 31. 10. 1953 noch 8489 arbeitslose" schwerbeschädigte Kriegs- und Arbeitsopfer. Eine auch nur vorübergehende Senkung der Quote würde größte Beunruhigung unter den 90 000 in Bayern beschäftigten Schwerbeschädigten und den noch arbeitslosen schaffen. Jede Senkung, wenn auch nur vorübergehender Art, würde zu einer Steigerung der Arbeitslosigkeit dieses Personenkreises führen, die unter keinen Umständen verantwortet werden kann. Die schwerbeschädigten Kriegs- und Arbeitsopfer haben im Dienste der Wirtschaft und im Dienste unseres Volkes das schwerste Opfer gebracht, das ein Mensch bringen kann, nämlich das der Gesundheit und der Lebenskraft. Sie sind gewillt, die ihnen verbliebenen Kräfte wieder in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen. Die Kriegs- und Arbeitsopfer lehnen ein totales Staatsrentnertum ab. Sie wollen wieder so weit als möglich die eigene Kraft in den Dienst der Allgemeinheit stellen und die eigene Existenz selbst gestalten. Es ist unsere Verpflichtung, diesem Wollen ungeschmälert zu entsprechen.
Ein letzter Gedanke, Herr Kollege Atzenroth: Die Erfahrung hat gelehrt, daß der Schwerbeschädigte am richtigen Arbeitsplatz ein besonders wertvoller Mitarbeiter ist. Der Antrag der FDP in der vorliegenden Form müßte zu der sicher nicht gewollten Annahme führen, daß die Freie Demokratische Partei dem Unternehmer unterstellen wolle, daß er den Menschen, die in seinem Dienst und im Dienst der Wirtschaft wie des ganzen Volkes ihre Gesundheit geopfert haben, ihre Arbeitsplätze vorenthalten wolle. Das Gegenteil ist der Fall. Auch unter diesem Gesichtspunkt bedarf der Antrag der Revision.
Ich bitte im Namen meiner Fraktion, den Antrag der FDP Drucksache 96 dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich habe das Gefühl, als ob meine Ausführungen einen Kampf gegen Windmühlen ausgelöst haben. Ich möchte noch einmal betonen, daß wir keinem Schwerbeschädigten ein Recht wegnehmen wollen. Wir wollen an der Einstellungsquote nichts ändern. Das habe ich mit aller Deutlichkeit ausgeführt. Es scheint, daß sich hier auf dieser Tribüne ein Wettkampf zwischen den beiden Verbänden an dieser Frage entzünden soll, der nicht geeignet ist, - -
— Ich wiederholte mit aller Deutlichkeit: Es handelt sich hier um eine vorübergehende, auf vier Monate befristete Maßnahme, und es soll keine Änderung des Einstellungszwanges erfolgen. Es kann also nicht davon gesprochen werden, wie der
Kollege von der SPD gesagt hat, daß man den Schwerbeschädigten ein schlechtes Weihnachtsgeschenk oder so etwas machen wollte. Ich habe betont, auch den Antragstellern sei bewußt, daß die Eingliederung der arbeitslosen Schwerbeschädigten in den Arbeitsprozeß die beste Hilfe für sie darstellt. Deswegen muß ich die Vorwürfe, die hier vorgebracht worden sind, zurückweisen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung.
Meine Damen und Herren, es ist Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen beantragt worden.
— Über die Überweisung?
Ich bitte die Damen und Herren, die für die Überweisung an den Ausschuß sind, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 21:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung aus dem Gebiet der Bundesrepublik .
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sind Sie bereit, auf eine Aussprache zu verzichten?
Der Herr Bundesminister des Innern hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!' Es bedurfte nicht Ihrer Liebenswürdigkeit, um mich angesichts der vorgerückten Stunde zur äußersten Kürze zu veranlassen. Ich glaube, daß dieses Gesetz im Gegensatz zu manchen anderen allein in seiner Überschrift seinen Gegenstand bereits genau genug um- schreibt, wenn es sich „Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland" nennt. Nach einem Hinweis auf diese Überschrift brauche ich Sie nur noch auf den § 24 verweisen, aus dem Sie ersehen werden, daß es die Absicht dieses Gesetzes ist, reichsrechtliche, hessische und bayerische Vorschriften aufzuheben, neuzufassen und zu vereinheitlichen.
Ich brauche nur einen weiteren Satz hinzuzufügen. Wir sind uns mit dem Bundesrat nicht ganz einig geworden in dem dafür richtigen Verfahren. Ich möchte dem Wunsch Ausdruck geben, daß es dem Bundestag gelingen wird, ein Verfahren zu verabschieden, das praktisch genug ist, um die Zwecke dieses Gesetzes wirklich zu erreichen.
Ich eröffne die Aussprache und sehe keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache. Sind Sie mit der Überweisung an den Ausschuß für Kulturpolitik einverstanden? — Das ist der Fall.
Die Fraktion der DP hat den Antrag unter Punkt 22 der Tagesordnung — betreffend Vorlage eines
Gesetzes zur Überführung des kollektiven Wohnungseigentums und Hausbesitzes in Privateigentum — für heute zurückgezogen mit der Bitte, ihn in einer der nächsten Tagesordnungen zu Beginn unterzubringen.
Ich rufe auf Punkt 23:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Schiffssicherheitsvertrag London 1948 ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (Drucksache 136). (Erste Beratung: 7. Sitzung.)
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schmidt .
Herr Präsident, darf ich vorschlagen, auf die mündliche Berichterstattung zu verzichten. Es liegt ein schriftlicher Bericht *) auf Drucksache Nr. 136 vor.
Da ein schriftlicher Bericht, Drucksache Nr. 136, vorliegt, wird vorgeschlagen, auf die Berichterstattung zu verzichten. Ich darf annehmen, daß das Haus gern damit einverstanden ist.
Ich komme dann zur Einzelbesprechung in der zweiten Beratung. Sie finden diese Beschlüsse des Ausschusses in der Anlage 1 der Drucksache Nr. 136. Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — 6, —7, — Einleitung und Überschrift. Keine Wortmeldungen. Ich bitte die. Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln, Einleitung und Über-
Siehe Anlage Seite 238. schrift zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Einzelberatung entfällt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Schiffssicherheitsvertrag London 1948 in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses unter 2 b, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist offenbar die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf Punkt 24:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Ich bitte die Damen und Herren, die der Überweisung zustimmen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Meine Damen und Herren, es bleibt mir die Pflicht, allen Mitgliedern des Hauses zum Weihnachtsfest und zum neuen Jahr herzliche Glück-und Segenswünsche auszusprechen.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 14. Januar 1954, 9 Uhr 30, ein und schließe die 8. Sitzung des Deutschen Bundestages.