Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat erwähnt, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik keine Vorentscheidung fällen wollte und sich daher mit Mehrheit dafür entschieden hat, dem Antrag Albers und Genossen zuzustimmen. Ich persönlich bin der Auffassung, daß mit dieser Zustimmung bereits eine Vorentscheidung fällt.
Ich bin nicht der Ansicht von Herrn Professor Böhm, daß die Genossenschaften in ihrem Wettbewerb wesentlich eingeengt sind. Auch die freie Konsumwahl — das ist hier bereits zum Ausdruck gebracht worden — wird nicht eingeschränkt; denn es steht jedem Bürger frei, Mitglied der Konsumvereine zu werden. Die dazu notwendigen Formalitäten sind leicht zu erfüllen. Ich glaube also vom
Wettbewerbsstandpunkt und vom Standpunkt des gleichen Startes sind keinerlei Bedenken zu erheben.
Ich möchte die Ablehnung — ich darf das hier gleich betonen — nicht etwa so verstanden wissen, daß wir uns überhaupt grundsätzlich gegen die Genossenschaften als solche stellen Im Gegenteil, unsere Fraktion hat einen tiefen Respekt vor dieser Institution. Wir wissen sehr wohl, daß der Gedanke des genossenschaftlichen Zusammenschlusses ein sehr langes und sehr fruchtbares Leben in der Geschichte unseres Volkes hat. Es sind schon Erinnerungen an die Geschichte gebracht warden; aber ich will bei der deutschen Geschichte bleiben, die etwas kürzer ist. Der Kulturgeschichtler weiß sehr wohl, daß gerade der genossenschaftliche Zusammenschluß der Bauern z. B. im Mittelalter ihnen einen Rest von politischer Freiheit bewahrt hat, einer Freiheit, die sie leider an den Feudalstaat verloren haben und die sie andererseits — das muß auch festgestellt werden — sehr leicht aufzugeben bereit waren, wenn es sich um materielle Vorteile handelte.
Ich mache diese Vorbemerkung, damit Sie glauben, daß wir es wirklich dankbar begrüßen, daß die Regierung sich entschlossen hat, das gesamte Genossenschaftsrecht neu zu ordnen. Uns scheint das wirklich notwendig zu sein. Hier haben wir es aber mit einer begrenzten Frage zu tun, mit der Frage, ob für den kurzen Zeitraum, der in dem Antrag Albers und Genossen genannt ist, noch das Ausnahmerecht gelten soll oder nicht. Ich glaube, die besseren Argumente sprechen dafür, daß man es zunächst bei dem alten Recht beläßt: Tatsache ist doch, daß unter dem alten Recht, seit 1889, die Genossenschaften, die Konsumvereine ein sehr gutes wirtschaftliches Leben führen konnten. Es ist doch typisch — und das, scheint mir, sollte jetzt nicht bagatellisiert werden — daß die Begründung seinerzeit ausdrücklich dahin gegangen ist, daß man den Genossenschaften wieder den gleichen Start geben wollte. Alle Zahlen sprechen dafür, daß dieses Ziel erreicht ist.
Damit entfällt jede rechtliche und wirtschaftliche Notwendigkeit, den Genossenschaften wieder das Mitgliedergeschäft zu gestatten. Wenn demgegenüber jetzt argumentiert wird, damit würde eine gewisse Diskriminierung der Konsumvereine ausgesprochen, so kann ich dem nicht folgen. Denn auf der anderen Seite bleibt die Begünstigung steuerlicher Art. Es darf nicht verkannt werden — und ich bitte insbesondere Herrn Professor Böhm, das richtig zu sehen —, daß die Beschränkung auf das Mitgliedergeschäft notwendigerweise voraussetzt, daß steuerliche Vergünstigungen gewährt werden können. Wer diese Zusammenhänge nicht sieht, der urteilt, glaube ich, nicht ganz objektiv. Auch aus der Begründung, die die Bundesregierung ihrem Gesetzentwurf gegeben hat, geht wohl eindeutig hervor, .daß diese Zusammenhänge bestehen.
Wenn man also jetzt das Nichtmitgliedergeschäft fordert, dann muß man notwendigerweise auf steuerliche Begünstigungen verzichten, sonst bleibt der unlautere Wettbewerb, Herr Kollege. Böhm;
denn man benachteiligt doch den Einzelhändler und bürdet ihm steuerliche Lasten auf, die die Konsumgenossenschaften nicht tragen.
— Ich möchte hier nicht in eine Grundsatzdebatte über den Sinn und das Wesen der Genossenschaften eintreten; wir werden ja Gelegenheit haben, Herr Kollege Pelster, darüber vielleicht im Wirtschaftsausschuß zu sprechen. Tatsache ist doch, daß die Vorteile, die die Konsumvereine den Verbrauchern gewähren können, im wesentlichen auf den steuerlichen Vorteilen beruhen. Ich stelle anheim, zu überlegen, ob den Mitgliedern der Konsumvereine gedient ist, wenn man ihnen diese steuerlichen Vorteile nimmt. Mir scheinen sowohl die Fragen des Rechtes wie auch die des Wettbewerbs durchaus für die bisherige Regelung zu sprechen, daß man die Genossenschaften auf das Geschäft mit den Mitgliedern beschränkt. Das scheint mir eine wesentliche Voraussetzung des genossenschaftlichen Zusammenschlusses zu sein. Verzichten die Konsumvereine darauf, dann ist das ihre Sache; dann muß notwendigerweise aber auch im gleichen Augenblick auf jegliche steuerliche Begünstigung Verzichtet werden. Mir scheint das eine ganz nüchterne, logische Folgerung zu sein.
Ich glaube allerdings, wir sollten diese Frage der Konsumvereine nicht nur von wirtschaftspolitischen und rechtlichen Gesichtspunkten her betrachten. Ich möchte vielmehr auch hier für die Frage der Konsumvereine in Anspruch nehmen, was Herr Kollege Preiß in Zusammenhang mit der Landwirtschaft vorhin geäußert hat, daß nämlich wichtige politischsoziologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Ich möchte das auf eine ganz kurze Formel bringen, nämlich auf die Formel, daß es meinen politischen Freunden und mir lieber ist, wenn tausend selbständige Einzelhändler da sind, als etwa tausend Filialleiter.
Ich glaube schon, daß Aristoteles hier nicht umsonst zitiert worden ist. Es ist in der Tat eine Erfahrung — und ich bitte die Freunde der Konsumvereine, nachzulesen, was die Schweizer darüber sagen —, daß die Demokratie dort am besten gedeiht, wo möglichst viele selbständige Menschen sind, die für ihre Freiheit arbeiten und auch etwas wagen.
Ich glaube, unter diesem Gesichtspunkt sollten wir die Frage entscheiden. Das bedeutet keine Diskriminierung etwa der Angestellten. Ich gehöre selber dazu und bitte, das hier richtigstellen zu dürfen.
Ich möchte zum Schluß beantragen, daß über den Antrag Albers und Genossen in namentlicher Abstimmung entschieden wird.
Herr Präsident, ich habe noch einen Eventualantrag zu stellen. Sollte der Antrag Albers und Genossen angenommen werden, dann bitte ich den Bundestag, zu beschließen, daß ab 1. Januar 1954 sämtliche steuerliche Vorteile entfallen, die bisher den Konsumgenossenschaften gewährt worden sind. Die Begründung ist sehr einfach. Nachdem durch Mehrheitsbeschluß des Deutschen Bundestages das Nichtmitgliedergeschäft den Konsumgenossenschaften für ein weiteres halbes Jahr gestattet ist und nachdem beabsichtigt ist, das Nichtmitgliedergeschäft in einer gesetzlichen Neuregelung des Rechtes der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften zu genehmigen, besteht schon jetzt keinerlei Grund mehr, die Konsumgenossenschaften steuerlich zu begünstigen. Durch die Freigabe des Nichtmitgliedergeschäfts haben die Konsumgenossenschaften ihr eigentliches Aufgabengebiet verändert. Sie sind jetzt jeder andern Erwerbsgesellschaft gleichzusetzen. Damit entfällt der Grund, der ursprünglich zu einer Steuerbegünstigung geführt hat.