Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus meinem Beruf bin ich gewohnt, an Aufgaben mit ziemlicher Logik heranzugehen.
— Ich wollte Ihnen eben ein Kompliment machen. Ich habe mich gefreut, daß die Frau Kollegin Strobel auf den Kern der Sache zurückgegangen ist. Denn die Aufhebung des § 8 Abs. 4 durch die britische Besatzungsmacht 1946, durch den Wirtschaftsrat 1947 und die Verlängerung dieser Aufhebung um ein Jahr durch uns 1952 gehen darauf zurück, daß man den Konsumgenossenschaften die Möglichkeit geben wollte, im Zuge der Wiedergutmachung auf den alten Stand zurückzukommen.
Nun haben Sie, Frau Kollegin Strobel, eine Statistik verwendet, die uns auch im Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstands vorgelegen hat. Ich habe dort zu dieser Statistik allerdings sagen müssen, daß man sie, wenn sie sich einmal auf das Jahr 1930 bezieht, dann auf das Jahr 1932 und dann auf 1931, nicht als eine saubere und konkrete Unterlage zur Beweisführung verwenden kann.
Das Genossenschaftswesen ist heute in eine Richtung gegangen, die nicht mehr mit dem genossenschaftlichen Prinzip vereinbar erklärt werden kann. Wenn Herr Professor B ö h in der Meinung ist, daß die Regierungsvorlage durchdacht sei, die Entscheidung des Reichstags von 1898 aber nicht, dann liegt darin die Wertung einer parlamentarischen Entscheidung, deren Beurteilung ich Ihnen, Herr Professor Böhm, ganz allein überlassen möchte.
— Herr Kollege Arndgen, wir haben hier im Bundestag auch Kampfabstimmungen gehabt, als es
um die Verlängerung oder Nichtverlängerung ging.
— Kommt auch noch.
Nun wird man mit allen möglichen Statistiken kommen, mit Umsatzzahlen usw. Man sagt, daß die Konsumgenossenschaften nur mit 4 % am Gesamtumsatz des, Einzelhandelsgeschäfts teilhaben. Es ist aber doch ein wesentlicher Unterschied, ob nun die 4 % in der Hand einer einzigen Genossenschaft liegen oder ob die 96 % von Hunderttausenden von Einzelhändlern, von Einzelexistenzen gebracht werden.
Das ist der wesentliche Unterschied in unserem Denken. Hier ist das Denken, das den Persönlichkeitswert betont, und dort das, das den Kollektiverfolg als gleichwertig hinstellt. Gegen diese Bestrebungen wenden wir uns. Deshalb werden wir auch mit aller Entschiedenheit gegen eine Verlängerung dieses Gesetzes eintreten, weil dadurch die Voraussetzungen zur Neuregelung im Genossenschaftswesen auf eine vollkommen falsche Basis gestellt werden.
Wenn Herr Professor Böhm — ich muß noch einmal darauf zurückkommen — gesagt hat, daß es 1945/46 notwendig war, den Konsumgenossenschaften die Möglichkeit des freien Verkaufs zu geben, um die Versorgung der Bevölkerung aufrechtzuerhalten, dann darf ich doch hinzufügen, daß auch die übrige gewerbliche Wirtschaft — die Einzelhandelsgeschäfte — ihren Anteil daran gehabt haben.
Wenn Sie aber meinen,, Herr Professor Böhm, daß es nur dann möglich war, den Konsumenten zu befriedigen, wenn die Konsumgenossenschaften frei verkaufen konnten, dann bestätigen Sie damit aber
auch die marktbeherrschende Position der Konsumgenossenschaf ten.
— Herr Kollege Pelster, es handelt sich hier um das Argument des Herrn Professor Böhm.
Wenn wir nun im Zusammenhang der Beratungen die Frage entscheiden müssen, ob Verlängerung oder nicht, dann darf ich Sie, Frau Kollegin Strobel, einmal ansprechen. Sie gehören sehr lange der Konsumgenossenschaftsbewegung an. Vielleicht sind Sie auch bei dem Konsumvereinsverbandstag von 1929 mit dabei gewesen. Der Konsumvereinsverbandstag von 1929 hat die Einführung des Nichtmitgliedergeschäfts als den Genossenschaften wesensfremd bezeichnet und das Nichtmitgliedergeschäft selbst seitens des Konsumvereinsverbandes abgelehnt.
Es scheint mir, daß es damals noch echte Genossenschaftler waren. Es scheint mir, daß damals der
Wert einer Selbsthilfeorganisation erkannt worden
ist, und es scheint mir weiter, daß man durch die
von 1946 bis heute geltende Ausnahmebestimmung
Geschmack an der Kapitalgesellschaft gewonnen
hat.
Dagegen wenden wir uns. Wenn Sie eine Erwerbsgesellschaft werden wollen oder eine Kapitalgesellschaft, dann nehmen Sie die Rechtsform an, die für eine solche Gesellschaft möglich ist; beanspruchen Sie aber bitte nicht für sich den Genossenschaftscharakter, wenn Sie längst über diesen Bereich hinausgegangen sind.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Abstimmung. Ich glaube, daß diese Abstimmung ein Prüfstein dafür ist, wie die einzelnen Fraktionen gewillt sind, die Versprechungen, die sie im Wahlkampf gegeben haben, seine positive Mittelstandspolitik zu betreiben, einzulösen.