Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht mehr auf die wirtschaftliche Bedeutung und die soziale Notwendigkeit der Erhöhung der Steuerfreigrenze für Weihnachtsgelder eingehen. Die Frage als solche ist schon wiederholt diskutiert worden,
*) Siehe Anlage 2 Seite 237.
und das Problem ist auch klar. Im übrigen befinden wir uns heute in der zweiten Lesung und nicht mehr in der Grundsatzaussprache.
Ich möchte aber zugleich mit der Begründung meines Eventualantrages doch auf einige Argumente eingehen, die seitens des Herrn Berichterstatters und auch seitens des Herrn Bundesfinanzministers in der Öffentlichkeit gegen den Antrag der Freien Demokratischen Partei auf Erhöhung der Freigrenze von 100 auf 200 DM vorgebracht worden sind. Zunächst wurde von dem Herrn Berichterstatter darauf hingewiesen, daß wir bereits im Dezember seien und daß es mißlich sei, wenn die Dinge bis zum Weihnachtsfest nicht mehr geklärt werden könnten. In den Ausschußberatungen wurde von dem Herrn Staatssrekretär des Bundesfinanzministeriums noch der Hinweis gebracht, daß der Bundesrat, der am 18. Dezember seine nächste Sitzung hat, diese Angelegenheit keinesfalls mehr auf seine Tagesordnung setzen werde. Ja, meine Damen und Herren, so bedauerlich es ist, daß wir mit der Behandlung dieses Antrages nun in den Dezember hineingeraten sind, diesmal war es nun wirklich nicht früher möglich. Unser Antrag hat das Datum vom 27. Oktober 1953. Er ist sofort in der ersten Sitzung des Finanz- und Steuerausschusses behandelt und so schnell wie möglich dem Bundestag zur Behandlung zugeleitet worden.
Was den Hinweis auf den Bundesrat betrifft, so möchte ich dazu folgendes sagen. Man kann doch wohl nicht im Ernst annehmen, daß der Bundesrat in dem Falle, daß wir heute hier zu einer positiven Entscheidung im Sinne unseres Antrages kämen, den Punkt nicht mehr auf die Tagesordnung setzen würde. Ich glaube, so bürokratisch wäre der Bundesrat nicht. Er würde diesen kurzen Punkt wohl auch noch einschieben, zumal noch acht Tage dazwischenliegen.
Ein sehr wichtiger Einwand ist natürlich immer der des Bundesfinanzministeriums hinsichtlich der Kostenfrage. Sie wissen, daß sofort nach dem Bekanntwerden unseres Antrags das Bundesfinanzministerium die Summe von 100 Millionen DM in die Diskussion warf. Wir hatten den Eindruck, daß dies nicht mit besonders großer Sorgfalt errechnet war, sondern daß es eine ziemlich grobe Schätzung war. Wir haben uns selber die Mühe gemacht, in Betrieben im Norden, Süden und Westen unserer Bundesrepublik Erhebungen anzustellen, und sind dabei auf folgende Rechnung gekommen. Wenn wir einmal alle Berufstätigen, die als Arbeiter und Angestellte für eine solche Weihnachtszulage in Betracht kommen, zusammenrechnen, so ergibt sich eine Beschäftigtenzahl von 16 Millionen Menschen. Nach unseren Erhebungen würde sich auf den Durchschnitt des Betriebszugehörigen eine Steuereinbuße von 2,53 DM ergeben — auf den Durchschnitt, für einige ist es höher, für andere weniger —, so daß wir bei 16 Millionen Beschäftigten mal 2,53 DM auf rund 45 Millionen DM kommen.
Im Ausschuß haben wir festgestellt, daß mit den angeblichen 100 Millionen DM Steuerausfall gar nicht der Ausfall an Lohnsteuer gemeint war, vielmehr erklärte das Finanzministerium auf Nachfrage, den Lohnsteuerausfall beziffere es selber nur mit 60 Millionen DM. Die übrigen 30 bis 40 Millionen DM habe es hinzugeschlagen in der Annahme, daß bei einer derartigen Erhöhung der Freigrenze ein gewisser Anreiz entstehen könne, mehr als 100 DM auszuzahlen und daß sich dadurch bei den Betrieben die Einkommen- und Körperschaftsteuer im Ergebnis senken könne. Das also ist die Grundlage für die 40 Millionen DM, mit denen man überhaupt erst auf 100 Millionen DM gekommen ist. Demgegenüber muß man doch sagen, daß man, wenn man schon so rechnet, auch den Wiedereingang der Einkommen- und Körperschaftsteuer bei anderen Betrieben hinzuzählen muß, insbesondere aber die erhöhte Umsatzsteuer, die voll dem Bund zukommt. Das Geld wird ja nicht in den Strumpf gesteckt, sondern die Erfahrung lehrt, daß gerade Weihnachtsgelder sofort in den Konsum gehen, also sofort umgeschlagen werden.
Wir sind heute in der glücklichen Lage, daß wir dem Herrn Bundesfinanzminister einmal ein Exempel vorrechnen können, das auf seiner Erklärung von vor einigen Tegen basiert. Er hat in der Fragestunde am 3. Dezember auf eine von mir gestellte Frage nach den steuerlichen Auswirkungen gewisser Freibeträge bei den freien Berufen erklärt — ich zitiere sinngemäß aus dem Sitzungsprotokoll vom 3. Dezember —, daß ein jährlicher Freibetrag von 1200 DM, also monatlich 100 DM für alle Lohn- und Gehaltsempfänger einen Ausfall von schätzungsweise 500 Millionen DM im Jahr bedeute. Das ergibt folgende Rechnung: 500 Millionen DM geteilt durch 12 macht 42 Millionen DM. Damit nähern wir uns sehr genau der Schätzung, die wir selbst auf Grund unserer Erhebungen in den Betrieben angestellt haben. Ich glaube also gerade nach dieser Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers heute sagen zu können, daß der gesamte Steuerausfall an Lohnsteuer auf keinen Fall über der von uns angegebenen Zahl von 45 Millionen DM liegt. Wenn Sie bedenken, daß davon den Bundeshaushalt unmittelbar nur 38 % betreffen, so liegt der Steuerausfall in diesem Haushaltsjahr für den Bund unter 20 Millionen DM. Das ist doch immerhin ein beachtlicher Unterschied gegenüber den Erklärungen über einen Steuerausfall von 100 Millionen DM!
Nun ist von seiten des Herrn Berichterstatters noch ausgeführt worden, daß man eine solche Anderung des Einkommensteuergesetzes auch deshalb ablehne, weil man erst vor zwei Jahren, im Jahre 1951, die Regelung in dieser Höhe und mit dem Freibetrag von 100 DM in das Einkommensteuergesetz eingebaut habe. Im Ausschuß ist ferner noch eingewandt worden, man habe sich über diese Dinge anläßlich der kleinen Steuerreform nochmals unterhalten und habe damals ausdrücklich an der 100-DM-Grenze festhalten wollen; es sei also heute kein Grund zur Abänderung gegeben, und man müsse bis zur großen Steuerreform warten. Dem ist entgegenzuhalten, daß bis dahin noch geraume Zeit vergeht. Wir alle wissen — und Sie, Herr Bundesfinanzminister, wissen es sicherlich am besten —, daß das Einkommensteuerrecht eine Reihe von Vergünstigungen gewährt, die den Lohnsteuerzahlern nicht zugute kommen. Das soll allerdings bei der großen Steuerreform ausgeglichen werden. Man sollte daher aber gerade für die Übergangszeit bis zur großen Steuerreform diese kleinen Vergünstigungen wenigstens denjenigen zugute kommen lassen, die als feste Lohn- und Gehaltsempfänger zu denen gehören, deren Einkommen immer restlos erfaßt wird. Das sollte man tun, ganz unabhängig davon, wie man sich später in der großen Steuerreform entscheiden wird, ob man dann sämtliche Steuervergünstigungen, also auch diese. abbaut oder oh man in Angleichung an vielleicht noch weiterhin
bestehende Steuervergünstigungen für den Einkommensteuerzahler den Lohn- und Gehaltsempfängern diese kleinen Vergünstigungen zu Weihnachten als doch nur kleines Äquivalent beläßt.
Es könnte noch ein anderer Einwand, und zwar ein Einwand aus der Systematik des Steuerrechts erhoben werden; ich möchte ihn vorwegnehmen für den Fall, daß der Bundesfinanzminister noch das Wort ergreift. Diesen Einwand sehe ich eigentlich als den einzig bedeutsamen an. Eine bestimmte Freigrenze, die ohne Rücksicht auf den Familienstand, Kinderzahl usw. gewährt wird, bedeutet natürlich eine gewisse Durchbrechung unseres Einkommensteuersystems, das ja grundsätzlich die Besteuerung von dem Familienstand abhängig macht. Mit diesem Prinzip muß man sich daher schon auseinandersetzen. Nun ist allerdings nach der Meinung meiner Fraktion — wenn man auch derartige Freibeträge natürlich nicht unbegrenzt ohne Rücksicht auf den Familienstand einführen könnte — dieser einmalige Freibetrag von 200 DM, auf das Jahr gerechnet, so unbedeutend, daß man darin ernstlich noch keinen Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach dem Familienstand zu sehen braucht. Ich persönlich habe gerade für diejenigen Damen und Herren, die aus Gründen der Steuersystematik Hemmungen in dieser Richtung haben, als Eventualantrag den Änderungsantrag gestellt, den Sie in Umdruck 5 vor sich haben. Für den Fall, daß der Hauptantrag der FDP-Fraktion abgelehnt werden sollte, empfehle ich die Annahme dieses Eventualantrages, Steuerfreiheit für Weihnachtszuwendungen den Personen, denen Kinderermäßigungen zustehen, bei einem Kind in Höhe von 120,— DM, bei zwei Kindern in Höhe von 140,—DM, bei drei Kindern in Höhe von 160,— DM, bei vier Kindern in Höhe von 180,— DM und bei fünf und mehr Kindern in Höhe von 200,— DM zu gewähren. Meine Damen und Herren, Sie brauchen keine Sorge zu haben, daß das etwa eine komplizierte Rechnung geben würde. Es muß ohnehin beim Dezembergehalt von dem zu versteuernden Lohn ein Betrag abgesetzt werden, derzeit 100 DM. Bei Annahme des FDP-Antrages wären es 200 DM und bei Annahme des Eventualantrages im Einzelfall 120 DM, 140 DM usw., was leicht zu ersehen ist, da die Steuerkarte des Betreffenden ohnehin dabeiliegen muß. Dem Hohen Hause wäre also die Möglichkeit gegeben, sich noch auf diesen Eventualantrag zurückzuziehen, wenn der andere Antrag abgelehnt werden sollte. Die haushaltsmäßigen Auswirkungen des Eventualantrages dürften bei höchstens 10 Millionen DM liegen.
Lassen Sie mich abschließend noch folgendes sagen; damit möchte ich auf den letzten Punkt der Gegenargumente des Ausschußberichts eingehen. Gewiß sind auch mir Schreiben zugegangen, in denen der Einsender schreibt: „Ich würde gern Steuern bezahlen", — Herr Pelster, darauf werden Sie j a noch zu sprechen kommen —
— natürlich, sie gehen uns allen zu — „ Ich würde
gern Steuern bezahlen, wenn ich überhaupt nur
ein solches Glückskind wäre, dem der Weihnachtsmann 200 DM zu Weihnachten bringt!" Meine Damen und Herren, daß solche Briefe geschrieben
werden, ist doch kein ernsthaftes Argument gegen
eine Steuervergünstigung dieser Art. Es liegt im
übrigen nun einmal in der Natur der Sache, daß
von Steuervergünstigungen niemals alle Gebrauch
machen können. Das wird nie so sein. Darum sollte
der eine dem anderen diese kleine Weihnachtsgabe des Finanzamts nicht neiden, auch wenn er selbst vielleicht in diesem speziellen Falle persönlich nichts davon hat.