Rede von
Dr.
Franz
Böhm
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich, wie schon von den Vorrednern hervorgehoben worden ist, nur um eine kurz befristete Zwischenregelung und nur um die Frage: Soll die Zwischenregelung, die jetzt für ein halbes Jahr getroffen wird, an den Zustand anknüpfen, der vom Jahre 1945 bis zum heutigen Tage gedauert hat, oder an den Zustand, wie er dem § 8 Abs. 4 des Genossenschaftsgesetzes entspricht, das im Jahre 1889 erlassen worden ist und dessen § 8 Abs. 4 bis zum Jahre 1945 gegolten hat. Hier ist aber eines zu überlegen. Herr Abgeordneter Dr. Bucher hat gesagt, es handle sich bei dieser etwas komplizierten Regelung des Rechtes von Genossenschaften zur Belieferung von Nichtmitgliedern um eine wohldurchdachte gesetzgeberische Schöpfung. Nun, in dem Regierungsentwurf von 1889 stand nichts von einer Ausnahme zuungunsten der Konsumvereine.
Es war ja zunächst die Regierung, die dieses Gesetz durchdacht hatte; und beim Durchdenken des Gesetzes war die damalige Reichsregierung nicht der Ansicht, daß den Konsumgenossenschaften ein Recht verwehrt werden -sollte, das den anderen Genossenschaften eingeräumt wird. Dieser Paragraph, dieser Absatz zuungunsten der Konsumgenossenschaften kam vielmehr durch den Reichstag, und zwar durch eine sehr geringe Mehrheit, zustande.
— Es besagt, daß von einer methodischen und systematischen Durchdenkung hier wohl nicht geredet werden kann.
Es waren damals im Reichstag hauptsächlich mittelständlerische Gruppen, die der Meinung waren, daß die Konsumvereine von der für alle anderen Genossenschaften geltenden Regelung — bei den Kreditgenossenschaften liegt eine andere Lage vor — auszunehmen seien. Es wurde das den Konsumgenossenschaften damals aufgezwungen.
Nun sagte Herr Abgeordneter Bucher, das sei auch ganz richtig, denn die sollten nur Mitglieder beliefern. Meine Damen und Herren, das ist polizeistaatlich gedacht.
Das Genossenschaftsgesetz und unsere ganzen Handelsgesellschaftsformen schreiben nicht vor, was diese Gesellschaften tun sollen, sondern es werden den Gesellschaften Rechtsformen für ihre Zwecke zur Verfügung gestellt. So ist es mit den Genossenschaften ebenfalls. Es handelt sich nicht um das Recht der Konsumwahl, sondern um das Recht der Gewerbefreiheit. Jede Offene Handelsgesellschaft hat das Recht, ihre eigenen Gesellschafter zu versorgen, also Aufgaben zu übernehmen, die auch Genossenschaften übernehmen. Die Genossenschaft soll das Recht haben, mit ihrem Genossenschaftsbetrieb einen Handelsbetrieb zu kombinieren. Das ist die Gewerbefreiheit!
Diese Gewerbefreiheit ist in § 8 Abs. 4 zu Lasten der Konsumvereine als ein privilegium odiosum eingeschränkt worden.
Ja, so werden Sie fragen, warum hat das so lange gedauert? Nun, weil die Frage für die Genossenschaften relativ unwichtig ist und immer relativ unwichtig sein wird. Deswegen setzt man keine großen Apparate in Bewegung. Es waren ja auch nicht die Konsumvereine, die nach 1945 Wiedergutmachung verlangten, sondern es waren weitgehend die Regierungspräsidenten und die Landräte, die
damals zur Versorgung der Bevölkerung die Genossenschaften gebraucht haben.
Nachdem man im Januar 1947 die Nichtmitgliederbelieferung der Konsumgenossenschaften auf Zeit zugelassen hat, will man jetzt für eine Dauer von sechs Monaten wieder von dieser Regelung abweichen und die Ausnahmen von dem Grundsatz der Gewerbefreiheit, die § 8 Abs. 4 des Genossenschaftsgesetzes enthält, wieder einführen, das steht zumindest nicht im Einklang mit den Ordnungsgrundsätzen einer Marktwirtschaft, einer Wettbewerbswirtschaft, und mit den Grundsätzen einer Gewerbefreiheit. Infolgedessen ist es besser — namentlich, da das ja auch der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung im ganzen mehr entspricht —, wir machen diesen kurzen Übergangszustand so, daß wir damit näher an dem allgemeinen Grundsatz der Gewerbefreiheit bleiben und nicht, wenn auch nur vorübergehend, zu einem Zustand zurückkehren, der auf einer Ausnahme von diesem Grundsatz beruht. Das ist gegenüber einer anderen Lösung der geringere Eingriff.
Von großer Wichtigkeit ist das in der Praxis nicht. Aber mir scheint doch wichtig zu sein, daß wir eine Entpolitisierung des Wettbewerbsverhältnisses Einzelhandel — Konsumvereine anstreben, das in. der Vergangenheit durch Hineinziehen des Gesetzgebers politisiert war, und zwar teils zugunsten und teils zuungunsten der Konsumvereine, steuerlich und in anderer Beziehung.
Wir sollten zu einer vollständigen Neutralität des Gesetzgebers zurückkommen. Wir müssen ja im Laufe dieser Wahlperiode Novellen und Gesetze auf dem Gebiet des Genossenschaftswesens verabschieden. Dabei sollten wir dieses Prinzip der absoluten Neutralität der Gesetzgebung auf der Basis unbedingter Startgleichheit, auch steuerlicher Startgleichheit, anstreben.
Wir wollen hoffen, daß sich dann ein Gebrauch nach dem Grundsatz anbahnt: Wer im Wettbewerb gegen eine Konkurrentengruppe den Gesetzgeber zu Hilfe rufen will, treibt unlauteren Wettbewerb.