Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Punkt 10 a ist fraglos prächtig dazu geeignet, hier ein Streitgespräch mit aller Leidenschaft heraufzubeschwören. Wenn man an all die vielen Briefe, Drucksachen und auch Telegramme der letzten Tage denkt, könnte man annehmen, daß eine solche Debatte sogar unvermeidbar wäre. Aber wie wir uns heute entscheiden, die eigentliche Debatte kommt ja erst, und darum, meine ich, wäre es durchaus möglich, in aller Ruhe die hier anstehenden Fragen zu besprechen. Ich will damit keineswegs die Beratung bagatellisieren; doch möchte ich mich auch gegen eine Überspitzung wenden. Die endgültige Beratung wird ja, wie ich sagte, erst kommen, und damit wird auch die endgültige Entscheidung fallen.
Ich weiß, daß es das Bestreben einer Mehrheit dieses Hauses ist, echten Wettbewerb allüberall zu schaffen. Diesen echten Wettbewerb gilt es, auch in der Konkurrenz zwischen den Konsumgenossenschaften und den Einzelhandelsunternehmen herzustellen. Ich bin der Meinung, daß gegenwärtig der Wettbewerb zwischen „Konsum" und Handel recht erheblich gestört ist. Der „Konsum" erhielt als Wiedergutmachungsmaßnahme das Recht des Verkaufs an Nichtmitglieder. Er erhielt dieses Recht ohne steuerliche Konsequenzen, und darauf kommt es an.
Die Frage, ob Nichtmitgliedergeschäft oder Mitgliedergeschäft, ist für sich belanglos; man muß aber auch die anderen Konsequenzen sehen. Dieses Wiedergutmachungsrecht, das hier gar nicht bestritten oder kritisiert werden soll, ist als Nichtmitgliedergeschäft ohne steuerliche Konsequenzen gegeben worderi Ich bin sogar der Meinung, daß das Nichtmitgliedergeschäft an sich gar nicht so entscheidend ist, sondern daß es eben darauf ankommt, wie es gehandhabt wird, daß es also auf den gleichen Wettbewerb ankommt.
Dieser gleiche Wettbewerb ist gegenwärtig nicht vorhanden; denn sonst hätte man nicht das Sonderrecht zur Wiedergutmachung zu geben brauchen. Wir wollen den gleichen Start für alle, und wenn wir wissen, daß hier eine Regelung vertagt worden ist, so müssen wir uns auch für die Übergangszeit überlegen, ob die gegenwärtige Regelung unserem Ideal des gleichen Wettbewerbs näherkommt oder ob uns ein Auslaufen der Sonderbestimmungen diesem Ideal näherbringen würde.
Nun bin ich der Meinung, daß wir dem Idealzustand eines gleichen Wettbewerbs näherkämen, wenn wir uns entschließen könnten, dieses Sonderrecht zur Wiedergutmachung termingemäß - oder sagen wir, nach der dritten Verlängerung, die es ja wohl ist, oder nach der zweiten — auslaufen zu lassen. Ich bin mir wohl darüber im klaren, daß auch der alte Zustand nicht voll befriedigt; aber ich möchte betonen, daß er dem Prinzip des gleichen Wettbewerbs am nächsten kommt, und darum
glaube ich, daß man dieses Sonderrecht auslaufen lassen sollte. Denn schließlich müssen auch die Neuordnungen, die für eine lange Zeit gelten sollen. auf einer normalen Basis, auf der Basis der gewöhnlichen Regelung erfolgen und nicht von einem Sonderstatus ausgehen. Deswegen — ich wiederhole es noch einmal — bin ich mit einer großen Zahl meiner Fraktionsfreunde der Auffassung, daß wir der Ausschußvorlage unter Punkt 10a der Tagesordnung — also Verlängerung der Sonderregelung — nicht zustimmen sollten. Ich möchte Sie bitten, diese Bestimmung abzulehnen.
Ich darf aber noch ein zweites Argument hinzufügen, meine verehrten Damen und Herren. Wenn man neu ordnet und wenn man meint, man müßte irgendeinem einen Vorsprung geben, dann kann man doch diesen Vorsprung nur demjenigen zuteil werden lassen, der im Wettbewerb der Schwächere ist. Man muß also, wenn man schon vom Recht abweichen will, immerhin soziale Gesichtspunkte gelten lassen. Ich glaube, keinen Widerspruch zu finden, wenn ich behaupte, daß die Konsumgenossenschaften in diesem Wettbewerb der stärkere Teil sind und der Handel — zumindest der mittelständische Einzelhandel — der schwächere Teil ist.
— Ja, meine Damen und Herren, das ist es ja gerade — ich wollte an sich eine Grundsatzdebatte vermeiden —, daß einige glauben, sie könnten einen gemeinsamen Einkauf durchführen und gleichzeitig an andere verkaufen, und behaupten, sie seien Konsumenten, während sie nichts weiter als ganz normale Unternehmer sind.
Wir freuen uns ja über diese Entwicklung, daß
man über die Genossenschaften hinausgewachsen
ist. Wir freuen uns, daß man Unternehmer geworden ist, aber wir bitten dann auch darum, die
Konsequenzen zu ziehen! Es kann niemand bestreiten, daß der Konsum als großwirtschaftliches
Unternehmen — Konsumgenossenschaften und
alles, was dazu gehört — stärker ist als der mittelständische Einzelhandel, und die Wünsche, die hier
vorgetragen werden, richten sich auf eine weitere
Ausdehnung des wirtschaftlichen Einflusses des
Konsums. Meine Damen und Herren, ich nehme es
dem Konsum ja gar nicht übel, daß er sich ausdehnen will. Aber wenn wir schon die Wahrheit
sagen wollen, dann müssen wir auf der anderen
Seite feststellen, daß hier ein Stand nicht um eine
Ausdehnung kämpft, sondern daß der mittelständische Einzelhandel hier um seine Existenz ringt.
Meine Damen und Herren, aus zwei Gründen, die ich schon erwähnt habe, nämlich weil wir nach meiner Meinung :dem Idealzustand des gleichen Wettbewerbs dann am nächsten kommen, wenn wir das Sonderrecht auslaufen lassen, aber auch aus dem zweiten, sozialen Grunde, daß in diesem Wettbewerb der schwächere Teil der Einzelhandel ist, bitte ich Sie, den Vorschlag des Ausschusses auf Verlängerung der Fristen abzulehnen.