Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf, bevor ich zur Sache komme, noch eine abschließende Bemerkung zur Beratung der Großen Anfrage des Abgeordneten Dr. Horlacher machen. Falls einige der hier gegebenen Anregungen noch im Ausschuß weiter behandelt werden sollen, wie angedeutet wurde, wird es notwendig sein, dazu einen besonderen Antrag einzubringen.
Des weiteren möchte ich sagen, daß ich zu der Einladung von Herrn Dr. Horlacher, ins Allgäu zu kommen und dort etwas zu lernen, gern ja sage. Ich hoffe, daß die Schule, in die ich dort gehen muß, nicht allzu lange dauert!
Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der FDP begrüße ich insoweit, als uns die heutige Debatte und die Beratung in den Ausschüssen der Klärung dieses sehr schwierigen Fragenkomplexes
näherbringen werden. Die Auffassungen über die Bedeutung und die Möglichkeiten eines auf der Forderung nach Parität aufgebauten Gesetzgebungswerkes sind außerordentlich verschieden. Für die einen bedeutet Parität in der Landwirtschaft ein Zaubermittel, mit dem die Landwirtschaft auf die Dauer rentabel gemacht werden kann sowie Lohn und Preis usw. in Ordnung kommen. Für die anderen bedeutet die Parität eine Utopie, mit der man in der Praxis nichts anfangen kann.
Um diese Dinge zu klären, die man nicht einfach mit Schlagworten abtun kann, ist es notwendig, den Problemen gründlich zu Leibe zu gehen und sich zu fragen: Können wir, wie etwa andere Länder, in der Weise vorgehen, daß wir ein Paritätsgesetz beschließen und es dann dem Staat überlassen, durch Anhebung der Preise oder durch Zuschüsse auf diesem Gebiet weiterzukommen?
Man beschäftigt sich ja nicht nur in Deutschland mit diesen Fragen. Die Diskussion hat weltweite Ausmaße angenommen. In Europa haben die Länder England, Schweden und die Schweiz auf- diesem Gebiet Erfahrungen gesammelt; die größten Erfahrungen haben aber die Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Unter Paritat im landwirtschaftlichen Sektor versteht man heute landwirtschaftliche Preis- bzw. Einkommensverhältnisse, wie sie in einer als normal angesehenen Vergleichszeit bestanden. Man versteht weiterhin darunter Bestrebungen zur Angleichung des landwirtschaftlichen Einkommens an dasjenige Einkommen, das bei vergleichbaren Tätigkeiten im gewerblichen Sektor erzielt werden . kann. Neuerdings versteht man unter landwirtschaftlicher Parität in einer ungenauen Umdeutung dieses Wortes auch die Parität zwischen Aufwand und Ertrag, also die sogenannte Aufwand-ErtragParität, für die man aber keine Vergleichszeit bzw. keine Vergleichswerte zu einer Basiszeit vorweisen kann, die infolgedessen eigentlich auch nicht Parität genannt werden dürfte. Aber gerade die letztgenannte Parität wird in den kernmenden Auseinandersetzungen eine erhebliche Rolle spielen. Man unterscheidet nach dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesernährungsministerium Paritätspreissysteme und Paritätseinkommenssysteme.
Entsprechend den zahlreichen Möglichkeiten, die auf diesem Gebiet denkbar sind, hat man im Ausland ganz verschiedene Lösungen entwickelt, und mit diesen Lösungen werden wir uns zweckmäßigerweise zunächst einmal beschäftigen.
In den Vereinigten Staaten wird seit etwa 20 Jahren für die wichtigsten Agrarerzeugnisse laufend ein Paritätspreisniveau errechnet, das unter Zugrundelegung der entstandenen Unkosten und einer Basiszeit von 1910 bis 1914 den Paritätspreis angibt, den man durch Preisstützung erzielen will. Dieser Preis wird bekanntgegeben; die Commodity Credit Corporation erhält die Anweisung, die vorhandenen landwirtschaftlichen Vorräte an den wichtigsten Produkten, an Butter, an Getreide, an Fleisch usw., zu beleihen, und zwar von 60 bis zu 90 %, je nach der Versorgungslage. Die Landwirtschaftsverwaltung kann, wenn notwendig, eine Einschränkung der Produktionsflächen anordnen. Letzteres hat sich in Amerika als völlig nutzlos erwiesen. Denn wenn die Farmer die Anbauflächen einschränken mußten, haben sie die Bewirtschaftung der genehmigten Flächen derart intensiviert und durch Massenanwendung von Kunstdünger auf den kleineren Flächen so erhebliche Erträge erzielt, daß das, was mit der Einschränkung der Anbaufläche erreicht werden sollte, auf diese Weise wieder ausgeglichen wurde.
Die Ergebnisse dieser landwirtschaftlichen Preisstützung bzw. Paritätssicherung in den USA waren folgende: Die Vereinigten Staaten von Nordamerika wurden dadurch dreimal — einmal in der großen Dürre in den Jahren 1934 bis 1936 — vor einer Krise gerettet, und verschiedene Nachbarländer ebenfalls. Weiterhin konnten die USA bei Eintritt in den Zweiten Weltkrieg über enorme Reserven verfügen. Nach dem Kriege, insbesondere auch in der Korea-Zeit, konnten sie nicht nur den Kriegsschauplatz versorgen, sondern darüber hinaus alle in Not geratenen Länder, wie z. B. Deutschland.
Man kann aber im normalen Ablauf der Zeit nicht erwarten, daß Amerika noch einmal derartig günstige zwanzig Jahre haben wird. Denn wenn Frieden bleibt - was keiner von uns weiß —, wird nicht dreimal in zwanzig Jahren der Fall eintreten, daß die Vereinigten Staaten auf sehr einfache Weise von ihren Riesenvorräten befreit werden. Deshalb denkt man heute in Amerika daran, dieses System abzubauen, weil es auf der einen Seite ungeheure Kasten verursacht hat, Kosten in einem Ausmaß, wie sie bei uns gar nicht denkbar wären - bis zu 25 Milliarden DM wurden in guten Erntejahren für Preisstützung ausgegeben —, weil außerdem derartige. Vorräte anwachsen, daß man keine Möglichkeit mehr sieht, sie überhaupt unterzubringen, geschweige denn zu verkaufen. Wenn nun die Amerikaner, den in ihrem Lande erwogenen Plänen folgend, die Paritätspreise auf Kosten der Verbraucher halten, im übrigen aber in Kauf nehmen, daß infolge Hergabe dieser Riesenmengen die Preise auf dem Weltmarkt sehr stark sinken, so bedeutet das unter Umständen- eine völlige Deroute der landwirtschaftlichen Preisverhältnisse auf dem Weltmarkt und damit eine Störung der Agrarpolitik in sämtlichen Ländern.
In der Schweiz hat man eine im Landwirtschaftsgesetz verankerte Preispolitik darauf abgestellt, daß die Erzeugerpreise mehrerer Jahre die mittleren Produktionskosten rationell geführter Betriebe decken sollen. Die Schweiz hat aber mit diesen Maßnahmen noch nicht so viele Erfahrungen gewonnen, daß man daraus lernen könnte. Es ist außerdem in diesem Gesetz bestimmt, daß die wirtschaftliche Lage der übrigen Bevölkerung und insbesondere der Verbraucher in Rechnung. gestellt werden soll. Damit sind die Bestimmungen so dehnbar, daß man daraus eine wirksame Politik wohl nicht entwickeln kann.
In Schweden zielt das System darauf ab, der Landwirtschaft das Realeinkommen von 1938/39 zu erhalten, wobei die Errechnung des für die einzelnen Wirtschaftsjahre anzustrebenden Einkommens von Betrieben bestimmter Größenordnung und rationeller Bewirtschaftung ausgeht. Neuerdings will man das landwirtschaftliche Einkommen — im Vergleich zu ganz bestimmten gewerblichen Berufsgruppen — stabilisieren. Ob das leichter ist als nach dem bisherigen System, das sich offenbar nicht bewährt hat, ist mir sehr zweifelhaft.
In England hat man eine sehr sorgfältige Arbeit geleistet. Man hat die .Produktionskosten errechnet und Preise festgelegt, die es ermöglichen, die Produktionskosten zu decken. Diese Preise gehen nicht direkt auf Kasten der Verbraucher, sondern werden
vorn Staate übernommen. In den Jahren, in denen England in dieser Einsicht am stärksten engagiert war und damit die größten Opfer brachte, mußte es jährlich etwa 7 Milliarden DM zahlen, um diesen Ausgleich zwischen Produktionskosten und Einnahmen sicherzustellen.
Für uns wäre eine Nachahmung derartiger Paritätspreissysteme sowohl nach dem Vorbild der USA wie auch dem Englands schon aus diesem Grunde nicht möglich. Aus Schweden und aus der Schweiz liegen wegen der dort ständig vorgenommenen Änderungen noch wenig Erfahrungen vor, so daß wir auch auf ihnen nicht aufbauen können. So steht es also mit den theoretischen Überlegungen und den praktischen Erfahrungen in der Welt.
Den Erörterungen und Überlegungen über diese schwierige Frage, die die eigene, die deutsche Lage betreffen, muß folgendes vorausgeschickt werden. Das Einkommen in der Landwirtschaft wird in seiner Höhe und in seiner Verteilung im wesentlichen durch folgende Faktoren bestimmt: a) durch die Preise und die Mengen der Verkaufserzeugnisse, b) durch die Höhe der personellen und sächlichen Betriebskosten und c) durch rationelle Verwendung und Kombination. Wir müssen also bei einem eventuell zu konstruierenden Paritätspreissystem ein System wählen, das nicht den Preisindex für die Produktionsmittel und den Index für die landwirtschaftlichen Produkte für sich allein berücksichtigt. Das wäre eine Rechnung im luftleeren Raum, aus der man zwar erkennen kann, daß die Indices für die Preise der Produktionsmittel höher als die der Produktenpreise liegen; aber damit allein kann man leider nicht viel anfangen. Man muß sich diese Erkenntnisse vor Augen halten, wenn man sich klar werden will: Wie kann die Bundesregierung überhaupt eine Preisentwicklung im Sinne der Parität beeinflussen?
In der Diskussion, die nun seit vier Jahren in Deutschland im Gange ist, wurden folgende drei Lösungen erörtert. Die erste Lösung bildete das eben schon erwähnte Paritätspreissystem, das nur die Indices für die Produktionsmittelpreise und die Indices für die Produktenpreise berücksichtigt und die Tendenz verfolgt, die Schere zu schließen. Das kann man aber, wie ich schon erwähnte, ohne Einrechnung und Anrechnung der verkauften Mengen nicht tun.
Die zweite Lösung ist die der Einkommensparität. Es wird damit die Sicherstellung eines Einkommens verlangt, das dem Einkommen in einem vergleichbaren Berufszweig aus dem gewerblichen Sektor oder aus irgendeinem anderen vergleichbaren Gebiet gleich ist. Die Sicherung einer derartigen Einkommensparität würde aber bedeuten, daß einem einzelnen Berufsstande auf Kosten der Gesamtheit ein bestimmtes Einkommen garantiert wird. Dadurch würde praktisch jeder Fortschritt oder jedes Fortschrittstreben unmöglich gemacht werden. Eine derartige Lösung scheidet also auch aus.
Die dritte Lösung, die sogenannte Aufwand-Ertrag-Parität erstrebt lediglich eine laufende Angleichung des landwirtschaftlichen Ertrages an dem Betriebsaufwand undberücksichtigt außer dem Preis auch die erzeugten Mengen. Nach meiner Meinung wird das System der Aufwand-ErtragParität für deutsche Verhältnisse das einzige sein, das die zwischen Aufwand und Ertrag bestehende Diskrepanz nach objektiven Maßstäben klarlegen kann. Außerdem bietet sich gegenüber den anderen
Paritätssystemen hier der Vorteil, daß alle auf die Kosten- und Ertragslage einwirkenden Einflüsse auf einen einzigen Generalnenner gebracht werden können, nämlich auf den Vergleich der Gesamteinnahmen mit den Gesamtausgaben. Danach würde also in einem landwirtschaftlichen Betrieb die Aufwand-Ertrag-Parität hergestellt sein, wenn die Erträge die entstandenen Kosten einschließlich einer Kapitalverzinsung und einschließlich eines angemessenen Entgelts für den Betriebsleiter sowie für die mitarbeitenden Familienmitglieder und die Fremdarbeiter decken, und zwar das Entgelt für die mitarbeitenden Familienmitglieder und die Fremdarbeiter in einem Ausmaß, das den Löhnen entspricht, die in der gewerblichen Wirtschaft in vergleichbarer Tätigkeit gezahlt werden. Das ist der entscheidende Punkt.
Das sieht alles sehr einfach aus; es durchzuführen aber sehr schwierig. Der einzelne Betrieb kann nichts verschenken, aber auch die Gesamtwirtschaft kann nichts verschenken. Letzten Endes muß also die Produktivität vorhanden sein, bevor derartige Löhne und ein derartiges Entgelt für die landwirtschaftlichen Familienmitglieder gezahlt werden. Die hier zu treffenden Feststellungen können nicht in Betrieben erfolgen, die wegen der völligen Zersplitterung ihrer Grundstücke, wegen unmoderner Gebäude, wegen der Lage in den dichtgedrängten Dörfern nicht rentabel sind oder deren Produktivität vielleicht auch unter ungeeigneten Betriebsleitern leidet. Da könnte man zu gänzlich falschen Schlüssen kommen. Man müßte also nach ganz objektiven Maßstäben vorgehen und, so wie das Ausland es tut, die Feststellungen lediglich in rationell arbeitenden Betrieben treffen.
Hieran erkennen Sie, warum es notwendig ist, zunächst einmal mit einem Programm zur Normalisierung der Agrarstruktur anzufangen. Die unter Sonderbedingungen wirtschaftenden Landwirte müssen so schnell wie möglich durch eine Normalisierung der Agrarstruktur an den Stand der übrigen Betriebe herangebracht werden, damit für alle in gleicher Weise etwas geschehen kann.
— Über diese Frage werden wir uns noch öfters unterhalten, Herr Kollege.
Die Klarstellung einer etwa bestehenden Disparität oder Diskrepanz bedeutet aber noch nicht den Weg zur Lösung.
Welche Mittel stehen zur Verfügung? Wir hätten einmal die Wege zu betrachten, die in England beschritten werden. Den Bauern werden bestimmte Preise garantiert, und zwar auf Kosten der Staatskasse. Dem Verbraucher werden die Preise verbilligt, auch auf Kosten des Staates. Das hat in England in einzelnen Rechnungsjahren bis zu 7 Milliarden DM gekostet und in Amerika das Dreifache. Ich glaube, daß Verhandlungen hierüber mit dem Chef des Finanzressorts wenigstens im Augenblick völlig aussichtslos sein würden. Ich kenne ihn so weit, daß ich es jedenfalls nicht versuchen würde.
Die zweite Möglichkeit: Kann man durch einfache Anhebung der Preise auf politischem Wege
[Bundesminister Dr. h. c. Lübke)
eine entsprechende Rentabilität in der Landwirtschaft erzeugen, so daß die entsprechenden Löhne gezahlt werden können? Sicherlich kann man das. Aber hier bestehen die Bedenken, daß der Verbraucher, der ja dann die Kosten zu tragen hätte, in den Nichtverbrauch ausweichen kann, d. h. der Konsum würde sinken, wie wir es z. B. im vorigen Jahre uni diese Zeit bei der Butter erlebt haben. Das ist die eine Gefahr. Wenn zweitens die Arbeiterschaft auf die Preiserhöhungen mit einer Forderung nach höheren Löhnen antwortet, wäre die Lohn-Preis-Spirale in Bewegung gesetzt, und wir würden uns mit höheren Preisen, mit höheren Löhnen und höheren Produktionsmittelpreisen der Landwirtschaft die bekannte Treppe langsam wieder heraufbewegen. Ich glaube also nicht, daß durch die Aufwendung öffentlicher Mittel, durch allgemeine Anhebung der Preise eine Parität zwischen Aufwand und Ertrag hergestellt werden kann.
Wohl aber bieten sich andere Mittel, und diese Mittel werden auch in der Regierungserklärung angegeben. Eines dieser Mittel ist die Senkung sämtlicher Betriebsmittelkosten, z. B. der Preise für Elsen und Stahl, Maschinen und Geräte, Kunstdünger und Kraftstoffe. Diese Kosten müssen wir uns einmal näher ansehen. Herr Kollege Preiß erwähnte schon, daß die Preise für landwirtschaftliche Produkte gegenüber 1938 auf einem Index von 194 stehen, während die heute morgen so eingehend und liebevoll erörterte Milch sogar nur einen Index von 171 aufweist. Demgegenüber steht die letzte Preisindexziffer für Stahl und Eisen insgesamt auf 338, darunter für Roheisen auf 459, für Stabstahl auf 355 und für Feinbleche auf 361. Ich bin allerdings der Meinung, daß wir nicht die einzigen sind, die unter diesen hohen Stahl- und Eisenpreisen zu leiden haben. In diesem Punkt . wird hoffentlich auch die eisenverarbeitende Industrie an die Seite der Landwirtschaft treten, wenn es sich darum handelt, hier eine Änderung zu schaffen. Wir haben, weil die hohen Eisen- und Stahlpreise die Preise für Ackerschlepper und Landmaschinen und damit die landwirtschaftlichen Verkaufspreise stark beeinflussen, stärkste Ursache, uns darum zu bemühen, die Stahl- und Eisenpreise zu senken. Im übrigen stehen die Ab-Werk-Preise für den Maschinenbau insgesamt bei einem Index von 213, für Landmaschinen bei 244, für Antriebsmaschinen bei 228 und für Arbeitsmaschinen bei 222.
Wir kommen auch im Falle großer Erntemengen bei einem Preisindex für die landwirtschaftliche; Erzeugnisse von 194 gegen eine derartige Höhe der Produktionsmittelpreise nicht an, zumal die Lage auf dem Gebiete der Kunstdünger- und der Kraftstoffpreise nicht sehr viel anders ist. Ich darf Ihnen hier z. B. die Dollar-Preise für 100 Liter Dieselbetriebsstoff in Westdeutschland und den benachbarten Ländern vorlesen: in Westdeutschland 8,3, Frankreich 13,0, Belgien 4,7, Luxemburg 5,1, in. den Niederlanden 3,7, in Italien 4,3, Österreich 8,4, Griechenland 4,5, Dänemark 4,2, Schweden 4,8, Norwegen 3,5. Sie sehen, außer Frankreich steht Deutschland gegenüber sämtlichen Nachbarländern mit dem Kraftstoffpreis in stolzer Höhe. Wir bezahlen gegenüber unserem Nachbarland Holland das 2 1/2fache für den Kraftstoff.
Wie sieht es nun beim Kunstdünger aus? Bei Salpetersorten, z. B. bei Chilesalpeter, hat Deutschland einen Preisstand von 488, Schweden 462, Dänemark 453, Großbritannien 456; der Preisstand in
Irland und den Niederlanden ist noch niedriger. 1 Also gerade diejenigen Länder, die mit uns konkurrieren, haben einen billigeren, Stickstoffpreis, nicht nur bei. Chilesalpeter, der aus dem Ausland kommt, sondern auch bei anderen Salpetersorten. Nur in Frankreich und Italien sind die Salpeterdüngerpreise höher als bei uns. Bei schwefelsaurem Ammoniak, Superphosphat und Thomasphosphat liegen die Preise der gesamten Nachbarländer beachtlich unter den unsrigen. Ich brauche die Länder nicht alle aufzuzählen. Ähnlich verhält es sich beim Kalkdünger.
Die deutsche Landwirtschaft kann, bevor sich ihre Produktionsbedingungen nicht so stellen, wie es im Ausland selbstverständlich ist, überhaupt nicht daran denken, sich auf den europäischen Markt einzustellen; weil es unter diesen Umständen kaum möglich sein wird, einen Ausgleich zwischen Aufwand und Ertrag zu erreichen.
Das sind nicht die einzigen Mittel, die angewendet werden können. Über die sogenannte Typenbereinigung ist schon gesprochen worden. Wir haben in Deutschland etwa 120 Treckertypen, während in dem großen Gebiet der Vereinigten Staaten von Amerika ungefähr nur 20 vorhanden sind. Unsere Fabriken können sich das bei dem Absatz in Deutschland offenbar leisten.
Um die Typenbereinigung in großem Umfang durchzuführen, ist es notwendig, daß sich die Fabriken zu einem Rationalisierungskartell zusammenschließen, um Zusammenbrüche zu verhindern und nur diejenigen Typen herauszubringen, die preiswert und leistungsfähig genug sind, damit unsere Landwirtschaft der ausländischen Landwirtschaft Paroli bieten kann. In Kreisen der Industrie wird dieses Problem auch mit sehr viel gutem Willen behandelt, aber es geht natürlich nicht, daß sich diese Gespräche vielleicht über Monate und Jahre hinziehen, worauf Herr Kollege Preiß mit Recht hingewiesen hat. Auf diesem Gebiet muß gehandelt werden. Da die Vertreter der MontanUnion gerade hier sind, hätten sie vielleicht Gelegenheit, uns mitzuteilen, was sie auf dem Gebiet der Verbilligung von Eisen und Stahl innerhalb der Montan-Union zu tun vermögen.
Bei der Typenbereinigung wird auch eine eingehende Prüfungsarbeit notwendig sein, um die richtigen Treckertypen und Maschinentypen herausbringen zu können. In diesem Punkte sind uns Schweden und Dänemark weit überlegen. Sie haben nicht so leistungsfähige Fabriken wie wir, aber sie haben sehr leistungsfähige Typen, weil sie die Landwirtschaft und die Technik durch Einsatz von Staatsmitteln in die Lage versetzen, die richtigen Typen auszuwählen.
Wir benötigen auch die Hilfe des Finanzministers, der alle Maßnahmen produktionsfördernder Natur, die uns auf dem Marsch in den europäischen Markt unterstützen, steuerbegünstigen sollte. Ich hoffe, daß gerade die Normalisierung unserer Agrarstruktur und viele Dinge auf diesem Gebiet die Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit des Finanzministers finden werden. Ich bin natürlich nach den Verhandlungen, die ich in den vergangenen Wochen gehabt habe, nicht gerade verwöhnt.
Aber es gehört noch mehr dazu. Es gehört vor allen Dingen in der Landwirtschaft selbst eine geistige Aufgeschlossenheit und ein Tätigwerden als Unternehmer dazu. Es muß die Ängstlichkeit vor der Konkurrenz abgeworfen werden. Es muß sich mehr Selbstbewußtsein entwickeln. Im Grunde genommen ist kein einziger Bauer auf der ganzen Welt — Sie können hingehen, wohin Sie wollen — so fleißig, so leistungsfähig und so zäh wie der deutsche.
Er sollte einmal andere Länder besuchen. Er würde mit einem stolzen Selbstbewußtsein zurückkommen und dem Glauben, daß er es im europäischen Markt schon schaffen würde. Die altbekannten Lieder von der Klagemauer würden dann aufhören.
Wenn Landwirtschaft, Bundestag und Bundesregierung in dieser Form an die Lösung des Problems herangehen, dann, glaube ich, wird der Weg zu einer vernünftigen Lösung der Paritätsfrage und zur Normalisierung der Agrarstruktur mit Erfolg beschritten werden.