Rede von
Käte
Strobel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Herren und Damen! Es war bis jetzt in dieser Debatte eigentlich immer nur die Rede von den beiden Verteilergruppen, hie Einzelhandel, hie Konsumgenossenschaf ten. Man bekommt beinahe das Gefühl, daß diejenigen, die am meisten von einer solchen Regelung betroffen werden, nämlich der Verbraucher und die Hausfrau, dabei nicht in Betracht gezogen werden.
Ich möchte Sie alle aus diesem Grunde doch einmal ganz schlicht daran erinnern und Sie bitten, darüber nachzudenken, in welch unmögliche Situationen Sie die Hausfrauen in der Bundesrepublik bringen, wenn Sie ihnen jetzt verbieten wollen, dort einzukaufen, wo sie das für richtig halten. Ich glaube, man sollte die Angelegenheit ganz einfach auch einmal von diesem Gesichtspunkt her betrachten, daß es doch mit Freiheit sehr wenig zu tun hat, wenn man einer Hausfrau verbieten will, in einem Laden einzukaufen, der ihr am nächsten liegt oder aus irgendeinem anderen Grunde genehm ist. Das nur nebenbei.
Ich möchte noch auf einige Bemerkungen eingehen, die hier gemacht worden sind und die, glaube ich, doch richtiggestellt werden müssen. Wir haben uns von vornherein enthalten, hier eine Grundsatzdebatte über das Genossenschaftsgesetz und die gesetzlichen Grundlagen für die verschiedenen Wirtschaftsformen überhaupt zu führen. Leider ist trotzdem eine solche Debatte entstanden, obwohl sie nicht gerade bei diesem Gesetz, sondern bei der endgültigen Regelung all dieser Fragen im Genossenschaftsgesetz, in der Steuergesetzgebung, im Kartellgesetz usw. nötig wäre; dort ist sie dann
2. Deutcher Bundestag - 8. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1953 202
angebracht, meine ich. Ich möchte ganz klar aussprechen: Es müssen allen durchaus gleiche Start-und Wettbewerbsbedingungen gegeben werden. Sie herzustellen, ist aber nicht eine Angelegenheit dieses Gesetzes, sondern der bereits angeführten.
Hier ist viel davon die Rede gewesen, daß dieser Paragraph schon seit dem Jahre 1889 besteht. Darf ich vielleicht auch einmal daran erinnern, daß die Konsumgenossenschaften damals körperschaft- und gewerbesteuerfrei waren. Dieser Absatz ist also unter ganz anderen steuerlichen Voraussetzungen geschaffen worden.
Auch davon war die Rede, daß die Wiedergutmachung 'bereits erfolgt sei. Dabei geht man von falschen Voraussetzungen aus. Wenn man schon den Gesichtspunkt der Wiedergutmachung in die Debatte wirft, muß man doch anerkennen, daß es nicht genügt, einen Zustand wiederherzustellen, wie er im Jahre 1933 bestand, sondern dann müßte man davon ausgehen, wie der Zustand im Jahre 1945 gewesen wäre, wenn die Konsumgenossenschaften in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung in der Nazizeit nicht derartig behindert worden wären. Aber selbst wenn man von dem Jahre 1933 ausgeht, kann man, nachdem hier Zahlen angeführt worden sind, die ein falsches Bild entstehen lassen, nicht darauf verzichten, die tatsächlichen Entwicklungszahlen zu nennen. Nach den Zahlen vom Wirtschaftsministerium hatten die Konsumgenossenschaften im Jahre 1932 im gegenwärtigen Gebiet der Bundesrepublik 2,1 Millionen Mitglieder, im Jahre 1952 1,8 Millionen. Es besteht also noch ein Unterschied von 0,3 Millionen. Im Jahre 1932 hatten sie im gleichen Gebiet 8500, im Jahre 1952 7363 Verteilungsstellen. Für den Umsatz darf ich folgende Zahlen nennen. Der Umsatz im Jahre 1932 war 722 Millionen Mark, im Jahre 1952 1,34 Milliarden DM. Bedenken Sie dabei aber bitte, daß der Preisindex im Jahre 1952 im Verhältnis zum Jahre 1932 bei 200 lag. Danach sind die Konsumgenossenschaften auch in ihrem Umsatz noch im Rückstand gegenüber der damaligen Zeit. Das wollte ich doch zu den hier aufgestellten Behauptungen sagen, die man objektiver in diesem Licht sehen muß.
Zum Schluß möchte ich noch folgendes erklären. Ich fürchte, daß all die Herren, die hier glauben, dem Einzelhandel damit einen Dienst zu erweisen, daß sie das Nichtmitgliedergeschäft der Konsumgenossenschaften beseitigen wollen, nicht mit entsprechender Voraussicht an die Zukunft gedacht haben. Denn letzten Endes wird es dahin kommen, daß all die Hausfrauen, die bisher hie und da einmal im Konsum gekauft haben und nicht Mitglied geworden sind, als Mitglied in die Konsumgenossenschaften eintreten,
und die Hausfrau, die einmal Mitglied im Konsum geworden ist, macht ihre Einkäufe dann unter dem Gesichtspunkt der größtmöglichen Rückvergütung; sie wird also in Zukunft mehr im Konsum kaufen, als sie es bisher getan hat. Man sollte das auch einmal von diesem Standpunkt aus sehen.
Ich vertrete die Angelegenheit ja nicht unter dem
Gesichtspunkt, daß die Konsumgenossenschaften
das größtmögliche Geschäft machen sollen, sondern
unter dem der freien Konsumwahl, des gleichen Wettbewerbs und der Gewerbefreiheit für alle.