Meine Damen sind Herren! Die Freunde und Mitglieder der Konsumgenossenschaften leisten dem Konsumgenossenschaftsgedanken, wie ich glaube, keinen guten Dienst, wenn Sie sich jetzt mit dieser Beharrlichkeit für das sogenannte Nichtmitgliedergeschäft einsetzen. Mein Herr Vorredner hat schon darauf hingewiesen, daß früher die Einstellung der Konsumgenossenschaften und der Konsumgenossen selber eine andere gewesen ist. Ich sage Ihnen als Mitglied einer großen Konsumgenossenschaft Norddeutschlands aus meiner konservativen Einstellung, daß der Weg, den die Konsumgenossenschaften jetzt einschlagen - nämlich zu dem Nichtmitgliedergeschäft als Regel überzugehen —, von dem ursprünglichen Gedanken der Genossenschaftsselbsthilfe wegführt.
Vielleicht nehmen die Freunde, die sich immer als alleinberechtigte Sprecher der Konsumgenossenschaften ausgeben, einmal zur Kenntnis, daß die Konsumgenossenschaften eine gute Anzahl konser-
vativ eingestellter Mitglieder haben, die sich nach wie vor zu dem ursprünglichen Gedanken bekennen.
Frau Kollegin Strobel hat nun ausgeführt, es sei für den Verbraucher bei der heutigen Entwicklung schlechthin lästig, wenn er nicht in den einen oder anderen Laden gehen könne. Das ist eine Tatsache, die nicht zu leugnen ist. Von dem Standpunkt des einfachen Verbrauchers aus, der also nicht konsumgenossenschaftlich orientiert und organisiert ist, ist diese Einstellung vertretbar und auch berechtigt. Wenn als Folge davon aber gefordert wird, daß die Gewerbefreiheit für alle Verkaufseinrichtungen gleich ist, muß auf der anderen Seite auch die Konsequenz gezogen werden, daß man eine gleiche steuerliche Behandlung schafft. Ich will gar nicht behaupten, die Konsumgenossenschaf ten würden steuerlich besser behandelt. Ich stelle nur fest, daß die Konsumgenossenschaften steuerlich anders behandelt werden, daß also der Start für den Wettbewerb ungleich ist. Aus allen diesen Gründen glaube ich, daß die Argumente, die von den Vertretern der vorliegenden Drucksache 51 angeführt werden, die schlechteren sind.
Hinzu kommt aber noch folgendes, und das möchte ich zum Schluß bemerken. Die Auseinandersetzungen über dieses Thema haben eine erfreuliche Seite. Sie weisen darauf hin, daß die wirtschaftliche Gesundung in Westdeutschland schon so fortgeschritten ist, daß sich schon an diesen zweit- und drittrangigen Fragen eine derart lebhafte Auseinandersetzung entzündet. Sie zeigen weiter, daß die Gedanken der staatlichen Lenkung der Wirtschaft allmählich hoffentlich ganz aus den Köpfen der Deutschen in Westdeutschland verschwinden. Aber auf der anderen Seite muß auch darauf hingewiesen werden, daß die Auseinandersetzungen von den beiden Interessentengruppen in diesem Falle vorwiegend in einer Weise geführt worden sind, die nicht ohne weiteres hingenommen werden kann. Ich gebe zu, daß die Interessenvertretungen des Einzelhandels teilweise eine Argumentation geführt haben, die über das Maß der Sachlichkeit hinausgeht. Sie haben sich teilweise in der Wort- wahl vergriffen, haben von „Provokation des Mittelstandes" gesprochen. Das. ist, glaube ich. eine etwas starke Dosis. Auf der anderen Seite muß man sich aber fragen: Wie war die Antwort der Konsumgenossenschaften? Ihnen allen ist der „Verbraucher", die Zeitschrift des Zentralverbandes der Konsumgenossenschaften zugegangen, in der die, ich muß wohl sagen, ungeheuerliche Feststellung eines Mitgliedes einer Genossenschaft steht, der Kampf gegen die Konsumgenossenschaften habe jetzt schon wieder Formen angenommen, welche den Methoden des tausendjährigen Reiches entsprächen.
Meine Damen und Herren, mit dieser Argumentation, die eine reine Polemik ist, nützen Sie niemandem. Sie bringen vielmehr dasselbe Argument, das jetzt Gott sei Dank von der politischen Ebene verschwunden ist, in die wirtschaftspolitische Auseinandersetzung wieder hinein, wenn Sie Ihre Gegenspieler bezichtigen, Methoden des tausendjährigen Reiches anzuwenden. Dabei hat von der anderen Seite, vom Einzelhandel und vom gewerblichen Mittelstand, niemand etwa ein Verbot, eine Auflösung der Konsumgenossenschaften oder etwas Ähnliches gefordert. Wenn Sie mit solchen Argumenten arbeiten, leisten Sie der Sache, die Sie ver- treten, keinen guten Dienst.
Zum Schluß darf ich folgendes sagen. Solange die Dinge in politischer Hinsicht noch so unausgeglichen sind, glaube ich, sollte man berechtigterweise von der Grundlage ausgehen, die die Konsumgenossenschaften fördernden Bestimmungen, wie sie in den vergangenen Jahren bestanden haben, nun doch einmal bis zur endgültigen Klärung zurückzustellen, damit die offiziell befugten Vertreter der Konsumgenossenschaften sich einmal überlegen, daß sie besser eine faire Diskussion betreiben sollten, um zu einer gerechten Lösung zu kommen, die alle Teile befriedigen kann.