Rede von
Dr.
Hermann
Lindrath
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 6. Sitzung am 11. November 1953 hat der Deutsche Bundestag den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergestzes mit dem Datum vom 27. Oktober 1953 gemäß Drucksache 33 dem Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen als federführendem Ausschuß und dem Haushaltsausschuß überwiesen. Das gleiche gilt von dem von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes mit dem Datum vom 21. Oktober 1953 gemäß Drucksache 29. Die Fraktion der DP hat ihren Antrag in der Sitzung des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen am 20. November 1953 zurückgezogen.
Es handelt sich bei dem Gesetzentwurf der Fraktion der FDP um die Erhöhung der Steuerfreigrenze für Weihnachtszuwendungen gemäß § 3 Nr. 15 des Einkommensteuergesetzes von 100 DM auf 200 DM. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat diesen Antrag der FDP in seiner 2. Sitzung am 20. November 1953 und der Haushaltsausschuß in seiner 2. Sitzung am 2. Dezember 1953 behandelt. Die Antragsteller haben ihren Antrag damit be-
gründet, daß infolge der Preissteigerung eine Erhöhung der seit 1948 bestehenden Befreiung von der Einkommensteuer für Weihnachtszuwendungen gerechtfertigt sei und daß die Notwendigkeit bestehe, Festbesoldeten eine gewisse steuerliche Erleichterung zu verschaffen. Letzteres wurde mit dem Hinweis auf die Abschreibungsmöglichkeiten der gewerblichen Wirtschaft und auf die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zur Gewährung von Pauschbeträgen an freie Berufe begründet.
Nach § 3 Ziffer 15 des Einkommensteuergesetzes in der gegenwärtig gültigen Fassung sind Weihnachts- und Neujahrszuwendungen, soweit sie im einzelnen Fall 100 DM nicht übersteigen, einkommensteuerfrei. Diese Vorschrift war zunächst im Abschnitt 16 der Lohnsteuerrichtlinien 1948 enthalten. Später wurde sie dann in § 6 Ziffer 10 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung 1950 aufgenommen. Durch das Einkommensteueränderungsgesetz 1951 ist sie dann mit gleichem Wortlaut in das Einkommensteuergesetz 1951 übernommen worden und seither gesetzlicher Bestandteil unseres Einkommensteuerrechts. Aus dieser geschichtlichen Entwicklung ergibt sich, daß die parlamentarischen Körperschaften in der Bundesrepublik sich bereits wiederholt mit der steuerrechtlichen Behandlung der Weihnachtszuwendungen zu befassen hatten.
Es ist mehrfach der Versuch unternommen worden, den Freibetrag von 100 DM zu erhöhen. Schon im Jahre 1950 hatte der Bundestag einmal eine gesetzliche Erhöhung auf 200 DM beschlossen. Dieser Beschluß konnte jedoch nicht rechtskräftig werden, da der Bundesrat seine nach dem Grundgesetz erforderliche Zustimmung verweigerte. Der Vertreter des Bundesfinanzministeriums verwies daher in der Sitzung des Ausschusses für Finanz-
und Steuerfragen auf die Drucksache des Bundesrates Nr. 1718 vom 15. Dezember 1950, mit der der Bundesrat die Erhöhung der Freigrenze auf 200 DM abgelehnt hatte. Da die Argumente des Bundesrates auch heute noch stichhaltig seien und da seit der gesetzlichen Fixierung der Steuerfreigrenze für Zuwendungen dieser Art im Jahre 1951 keine Preissteigerungen eingetreten seien, könne nicht damit gerechnet werden, daß der Bundesrat dem Gesetz, falls der Bundestag es beschließen würde, zustimmen werde.
Auch die Frage der fiskalischen Auswirkung dieses G- setzes ist eingehend geprüft worden. Das Bundesfinanzministerium schätzt den bei Annahme dieses Gesetzes entstehenden Steuerausfall auf zirka 90 Millionen DM. Hierbei rechnet man mit einem Lohnsteuerausfall von etwa 60 Millionen DM und mit einem weiteren Ausfall von etwa 35 Millionen DM dadurch, daß bei einer Erhöhung der Freigrenze auch mehr Gratifikationen gezahlt würden, die alsdann bei den Unternehmen, die sie auszahlen, als Betriebsausgaben die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer schmälern würden.
Das Ergebnis der Ausfallschätzung des Bundesfinanzministeriums ist eingehend diskutiert worden. Zweifelhaft erschien insbesondere die Frage, ob bei der fiskalischen Beurteilung des Problems nur der Ausfall an Lohnsteuer berücksichtigt oder ob auch der Ausfall an Einkommen- oder Körperschaftsteuer bei Erhöhung derartiger Zuwendungen ins Feld geführt werden dürfe. Seitens der Antragsteller wurde vorgetragen, daß ein Lohnsteuerausfall von höchstens etwa 45 Millionen DM zu erwarten sei. Ein erheblicher Teil hiervon werde jedoch wieder durch die infolge der Konsumbelebung anwachsende Umsatzsteuer wettgemacht.
Seitens der Vertreter des Bundesfinanzministeriums wurde schließlich noch in formaler Hinsicht darauf aufmerksam gemacht, daß ein Gesetz nach dem vorliegenden Entwurf nicht rechtzeitig verkündet werden könne, so daß sich eine Erhöhung der Steuerfreigrenze nicht mehr für die Weihnachtszuwendungen 1953 auswirken könne; denn die Entscheidung des Bundesrates könne, falls wir zustimmen, erst im Jahre 1954 herbeigeführt werden. Da jedoch der Bundesfinanzhof kürzlich die Rückwirkung von Steuergesetzen als unzulässig erklärt habe, sei auch ein rückwirkendes Inkrafttreten dieser Bestimmungen unzulässig, auch derartiger Bestimmungen, die sich zugunsten der Steuerpflichtigen auswirken.
Die Mehrheit des Ausschusses war ferner der Auffassung, daß es ein Hauptziel der kleinen Steuerreform gewesen sei, Sondervergünstigungen für einzelne Gruppen von Steuerpflichtigen abzubauen. Werde die Steuerfreigrenze für Weihnachtsgratifikationen erhöht, so werde diesem Prinzip zuwidergehandelt.
Schließlich wurde auch auf die sozialpolitische Bedeutung der Frage hingewiesen. In Arbeitnehmerkreisen, die wenig oder keine Weihnachtszuwendungen erhielten, müsse eine Steuerbefreiung bis zu 200 DM als ungerecht empfunden werden. Für weite Kreise der Bevölkerung seien 100 DM oftmals schon mehr Einkommen, als durch die Erhöhung der Steuerfreigrenze für Lohn- und Gehaltsempfänger gefordert werde.
Man darf auch nicht übersehen, daß die Weihnachtszuwendungen bei der Berechnung der Lohnsteuer auf die zwölf Monate des ablaufenden Jahres verteilt und damit einer geringeren Steuerprogression unterworfen werden können oder auch daß eine Steuersenkung durch den Lohnsteuerjahresausgleich erzielt werden kann. Unter diesen Umständen ergibt sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle für Weihnachtszuwendungen bis zu 200 DM eine Steuerbelastung, die in Anbetracht der allgemeinen Verhältnisse als zumutbar angesehen werden kann.
Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat den Antrag gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt, die Vertreter der SPD-Fraktion enthielten sich der Stimme. Der Haushaltsausschuß hat den Antrag ebenfalls mit Mehrheit gegen die Stimmen der Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion abgelehnt.
Namens des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen habe ich die Pflicht, dem Hohen Hause zu empfehlen, den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes — Drucksache 33 — abzulehnen.