Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in gewissem Sinne bedauerlich, daß eine Spezialdebatte, eine Debatte über nur einen Zweig der Landwirtschaft, wenn auch einen sehr bedeutsamen Zweig, einen so erheblichen Teil unserer Zeit in Anspruch genommen hat und dadurch vielleicht die Aufmerksamkeit oder das Interesse für das Zentralanliegen der Landwirtschaft in ihrem Verhältnis zu der Gesamtwirtschaft oder zu Volk und Staat zu kurz kommen könnte. Diesem Anliegen dient aber unsere Große Anfrage, die ich die Ehre habe einzubringen.
Die Landwirtschaft der Bundesrepublik hat nach 1945, insbesondere aber nach der Währungsreform, nachdem ihr wieder die erforderlichen Produktionsmittel in genügendem Umfange zur Verfügung gestellt werden konnten, den laut an sie gerichteten Appell nach rascher Mehrleistung zur Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung unseres Volkes, aber auch zur Entlastung der sehr schmalen Devisendecke zur erleichterten Einfuhr von Rohstoffen und Halbfertigwaren sehr willig aufgenommen und in relativ kurzer Zeit erstaunliche Mehrleistungen erbracht. Betrug im Jahre 1947/48 die Gesamterzeugung in Getreidewert ausgedrückt in der Bundesrepublik 19 Millionen Tonnen oder 16,4 Doppelzentner je Hektar, so steigerte sich diese auf das Wirtschaftsjahr 1952/53 auf insgesamt 37 Millionen Tonnen Getreidewert oder 28,6 Doppelzentner je Hektar. An diese außerordentlich starke Intensivierung der Flächenleistung, die fast einer Verdoppelung in dieser kurzen Zeit gleichkommt, ist die Landwirtschaft natürlich in der selbstverständlichen Erwartung herangegangen — die wohl jedem Erwerbszweig eigen ist —, daß ihr gemäß den Mehrleistungen auch ein entsprechend wachsender der privater Erfolgsanteil zukomme, mit dem sie
insbesondere in der Lage sei, ihre fleißigen Mitarbeiter angemessen zu entlohnen und den auch in der Landwirtschaft allgemein anerkannten, dringend notwendigen Modernisierungs- oder Rationalisierungsprozeß, Herr Kollege Kriedemann, so rasch wie irgend möglich durchzuführen, aber auch finanziell meistern zu können. In dieser Doppelerwartung der Möglichkeit ausreichender Entlohnung der Mitarbeiter und beschleunigter Rationalisierung der Betriebe sieht sich die Landwirtschaft rückschauend bitter enttäuscht.
Das Problem Landflucht — oder wie ich es hier schon einmal bezeichnete: Flucht aus der Landarbeit — wird wieder so lebhaft erörtert wie seit langen Jahren nicht mehr. Dabei deckt sich unseres Erachtens die augenblickliche Erscheinung nicht unbedingt mit der früheren Abwanderung des Bevölkerungsüberschusses vom flachen Lande in die Stadt und damit in die gewerbliche Wirtschaft, was eine durchaus normale Erscheinung eines wachsenden Volkes ist und es auch bei uns lange Jahrzehnte hindurch war. In den letzten Jahren handelt es sich mehr und mehr um eine eindeutige Aufgabe oder Verweigerung der Aufnahme landwirtschaftlicher Arbeit aus dem doch nun mal entscheidendsten Grund — der kann nicht bestritten werden — ungleich geringerer Entlohnung als in fast allen Zweigen der sonstigen Wirtschaft. Darum muß einmal mit aller Deutlichkeit ausgesprochen werden, daß schon seit Jahren eine immer wachsende Zahl von landwirtschaftlichen Betrieben ihre Arbeitsspitzen überhaupt nicht mehr mit Dauerarbeitskräften zu leisten vermag, sondern oft genötigt ist, auf gut bezahlte, wenn auch meist schwarz bezahlte Erwerbslose zurückzugreifen. Das Betrübliche dabei ist, daß diese Abwanderung von nahezu einer halben Million Menschen aus der Landarbeit seit der Währungsreform nicht nur auf familienfremde Arbeitskräfte beschränkt geblieben ist, sondern daß sie in zunehmendem Maße auch die familieneigenen Arbeitskräfte, die nachgeborenen Bauernsöhne und -töchter, erfaßt, ja stellenweise sogar bereits auf Anerbenberechtigte übergegriffen hat.
In gleichem Maße nun, wie sich die Beschaffung oder Erhaltung ausreichender Arbeitskräfte in den Betrieben erschwerte, ergab sich die dringende Notwendigkeit einer raschen Motorisierung und Technisierung, um mit dem Arbeitsvolumen überhaupt fertig zu werden. Diese Maßnahmen wurden dann leider nicht mit Eigenmitteln, sondern in erheblichem Umfang mit Hilfe von mittel- und kurzfristigen, sehr aufwendigen Krediten durchgeführt, die im Jahr die immerhin nicht unbedeutende Summe von durchschnittlich 700 bis 800 Millionen DM ausmachten. So wurde bis jetzt eine Verschuldung der Landwirtschaft mit insgesamt etwas über 5 Milliarden DM herbeigeführt. Dabei kann nüchtern festgestellt werden, daß viele dieser neuen Investierungen durchaus Augenblickszwangslagen entsprangen und sehr oft nicht betriebswirtschaftlichen Zweckmäßigkeiten entsprachen. Auch daraus resultieren sehr bedenkliche Liquiditätsschwierigkeiten sehr vieler Betriebe.
Es mag eingewandt werden, daß die Neuinvestierungen wertmäßig mehr ausmachen als diese durchaus tragbare Belastung von fünf Milliarden für einen solch bedeutsamen Vermögensträger, wie ihn die Landwirtschaft darstellt. Das ist richtig, sie machen wertmäßig mehr aus; aber es ist zu berücksichtigen, daß die Verschuldung nur deshalb in diesen Grenzen geblieben ist, weil die gesamten mitarbeitenden Kräfte der Familie seit Jahr und
Tag auf ihren Barlohn verzichtet haben zugunsten dringend notwendiger Anschaffungen im Betrieb. Hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, liegt das, was ich als die tiefere Ursache der starken, immer mehr zunehmenden Unzufriedenheit auf dem flachen Lande bezeichne, die stellenweise sogar zur Resignation geworden ist. Nämlich alle, angefangen von den Schulpflichtigen, die schon fleißig mitarbeiten, bis zu den ergrauten Altenteilern, die noch bis zum Rande ihrer Kraft mittun, sehen so gut wie keine Barentlohnung ihrer mühevollen Arbeit. So nimmt auch die Abwanderungstendenz der nachgeborenen Söhne und Töchter — zumindest dieser — immer stärker zu, weil sie aus den Erfahrungen der letzten Jahre haben erkennen müssen, daß es den Eltern nicht möglich ist, Rücklagen für sie zu bilden, um sie nach sechs, acht oder zehn Jahren braver Mitarbeit entsprechend ausstatten oder aussteuern zu können.
Wenn die familienfremden Arbeitskräfte so stark die Arbeit aufgegeben haben, dann hat das, wenn man auch durchaus viele psychologische Nebengründe anerkennen mag, seinen entscheidenden Grund in dem großen Lohnabstand gegenüber dem in allen Zweigen der gewerblichen Wirtschaft inzwischen erreichten Durchschnittslohn. Wir müssen dabei berücksichtigen, daß man auf dem Dorf, wo jeder jeden kennt, wo alle dicht beieinander wohnen, sehr genaue Vergleiche von Mann zu Mann und von Familie zu Familie hinsichtlich der Schwere und Verantwortung der zu leistenden Arbeit, aber auch hinsichtlich des Lohnes zieht.
Sie könnten nun einwenden, das seien doch wohl alles mehr stimmungsmäßige Eindrücke, die dem Gesetzgeber nicht allzugroße Veranlassung geben könnten, sich intensiv einer solchen Sache anzunehmen oder mit der Gesetzgebung etwas zur Abstellung solcher Stimmungen zu tun. Mir will aber scheinen, daß genügend objektive Tatbestände vorliegen, um diese Stimmungen begreiflich zu machen.
Hierzu einige Angaben aus einer Fülle von inzwischen angestellten Untersuchungen und Berechnungen aller möglichen Art. Zunächst einige statistische Daten. Der Anteil der landwirtschaftlichen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung betrug nach der letzten Volkszählung 15 %, ihr Anteil an der Zahl der insgesamt Beschäftigten 22 % und ihr Anteil am Volkseinkommen 12 %.
Selbst wenn man berücksichtigt, daß die Beschäftigungsintensität bei allen als „in der Landwirtschaft tätig" bei der Volkszählung Registrierten nicht der Vollbeschäftigung entspricht, und man hier entsprechende Abzüge macht, bleibt doch unverkennbar noch eine beachtliche Diskrepanz.
Zweitens einige Indizes, deren Problematik wir alle kennen, die aber als Hilfsmittel für Vergleiche nun einmal nicht entbehrlich sind; denn wenn, dann beinhalten alle Indizes diese Problematik und nicht nur die Indizes, die für landwirtschaftliche Produkte oder Löhne oder andere Dinge herangezogen werden. Der Index für landwirtschaftliche Erzeugnisse gemessen am Jahre 1938 = 100 steht zur Zeit auf 194, der Index für die sächlichen Betriebsmittel für die Landwirtschaft auf 207, der für die tariflichen in der Landwirtschaft gezahlten Löhne auf 246, der Index für Nahrungsmittelgrundstoffe bei 203, der Index für die Industriegrundstoffe bei 279. Nach Feststellungen des Ifo-Instituts München beträgt die Einkommenszunahme 1952/53
gegenüber dem Vorjahr in der gesamten gewerblichen Wirtschaft im Durchschnitt plus 8 %, in der Landwirtschaft minus 5 %.
Seit 1949 beträgt die Einkommenszunahme in der gewerblichen Wirtschaft 77 %, in der Landwirtschaft 42 %.
Drittens dürften die Arbeiten von Herrn Ministerialrat Dr. P a d b e r g, der sich weit über sein Ressort hinaus größter Anerkennung als objektiver Wissenschaftler erfreut, von außerordentlicher Bedeutung und sehr beachtenswert sein. Sie wissen wohl zum großen Teil, daß er seit Jahren die Wirtschaftsbilanz für die Landwirtschaft zieht. Er kommt dabei, indem er von den Verkaufserlösen zunächst die baren Betriebsausgaben, dann die persönlichen Steuern und Abgaben und schließlich einen Barlohnanspruch der familieneigenen Vollarbeitskräfte abzieht, zu einer eigentlichen Überschuß- oder Reinertragszahl. Diese Aufstellung, auf eine Reihe von Jahren verglichen, sieht folgendermaßen aus, und nur diese Zahlen, die nun wirklich unter dem Strich stehen, geben einen Anhaltspunkt für die Gesamtlage oder -entwicklung, wie sie sich bisher vollzogen hat. Für die Jahre 1935/38 ermittelt Dr. Padberg im Durchschnitt einen echten Überschußbetrag von 128 Millionen Mark, für 1949/50 einen Minusbetrag von 952 Millionen DM, für 1950/51 einen Minusbetrag von 707 Millionen DM und für 1951/52 einen Überschußbetrag von 101 Millionen DM. Sie sehen, daß lediglich im Jahr 1951/52, das klimatisch einen sehr günstigen Verlauf nahm und eine Rekordernte bei fast allen Zweigen der Landwirtschaft brachte, ein Überschuß von 101 Millionen DM erzielt wurde. Diese Zahl bedeutet aber nur die eigentliche Verzinsung des Anlagekapitals, und unter diesem Gesichtspunkt betrachtet dürfte sie noch außerordentlich gering sein.
Obwohl die endgültigen Zahlen für das letztabgelaufene Wirtschaftsjahr 1952/53 noch nicht vorliegen, kann hier schon im voraus gesagt werden, daß es sehr viel ungünstiger abschließen wird als das vorausgegangene Jahr, weil nämlich im Gegensatz zu dem vorausgegangenen Jahr ein ungünstiger Witterungsverlauf weite Landstriche mit einer ausgedehnten Trockenheit überzog und weil sich durch Ertragsminderungen, aber auch durch erhebliche Preiseinbrüche auf wichtigen Märkten für Veredelungsprodukte die Einnahmen verringerten, während sich die Tendenz steigender Betriebsmittelpreise und Löhne nachhaltig fortsetzte.
Als vierte Quelle möchte ich das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften heranziehen, das vor einiger Zeit nachgewiesen hat, daß sich allein von Februar 1950 bis August 1952 die Agrarpreise indexmäßig gegenüber 1938 nur um 30 Punkte verschoben haben, die Betriebsmittelpreise aber um 52.
Fünftens möchte ich mich auf eine ausführliches Gutachten des Ifo-Institutes in München beziehen, das nunmehr in einer ersten Arbeit dieser Art bei Gegenüberstellung von Gesamteinnahmen und -ausgaben unter Einberechnung eines Paritätslohnes für alle Vollarbeitskräfte in der Landwirtschaft einen Paritätslohn zu dem angelernten Industriearbeiter, Ortsklasse III, festgestellt hat. Wohl niemand wird diesen Anspruch im Ernste streitig machen können; denn die Zeiten dürften endgültig der Vergangenheit angehören, wo man glaubte,
wichtige und im allgemeinen mit nicht unbedeutender Verantwortung belastete Landarbeit als für Analphabeten oder geistig Zurückgebliebene vorbehalten ansehen zu können. Unsere Mitarbeiter draußen bei einer so intensiv geführten Landwirtschaft sind durchaus angelernte Arbeiter, ja zum großen Teil sehr beachtliche Facharbeiter.
Bei Berücksichtigung dieser Tatsachen dürfte diese Überlegung des Ifo-Instituts absolut angebracht sein. Sie führt aber dann zu einer Disparitätssumme von 1,5 Milliarden DM pro Jahr.
Nicht zuletzt sei auf eine Veröffentlichung des Deutschen Industrie-Institutes Bezug genommen, das eine sehr :interessante Aufstellung über die Verwendung des Sozialprodukts je Kopf der Bevölkerung angestellt hat, und zwar sind in Vergleich gesetzt die Veränderungen von 1948/49 gegenüber 1936 und von 1952 gegenüber 1948/49. Ich will mich infolge der Zeitnot darauf beschränken, die zuletzt genannten zu zitieren. 1952 haben sich danach gegenüber 1948/49 die Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung bei den Nahrungsmitteln um 17,8 %, bei den Genußmitteln um 70,2 %, bei der Bekleidung um 100 %, bei Möbeln und Hausrat um 96,5 %, bei Heizung und Beleuchtung um 46,4 %, bei Körper- und Gesundheitspflege um 94,1 % und bei Wohnungsnutzung um 11,6 % erhöht. Hieraus wollen Sie ersehen, daß, abgesehen von den Ausgaben für Wohnung, auf keinem Verbrauchsgebiet eine relativ so geringfügige Zunahme der Ausgaben zu verzeichnen ist wie bei den Nahrungsmitteln.
Ich habe all diese Quellen verwandt, von denen wohl niemand sagen kann, sie stünden auch nur in dem leisesten Verdacht, einseitige und zugunsten der Landwirtschaft gefärbte Tatbestände zu vermitteln.
Alle diese Feststellungen beziehen sich aber allgemein auf die unbestreitbare und auch von genügend breiter Öffentlichkeit anerkannte Disparität in der Landwirtschaft schlechthin.
Nun wäre eine Menge zu sagen über die unterschiedlichen Rückwirkungen dieses Tatbestandes auf die verschiedenen Betriebszweige und Betriebsgrößen. Das verbietet mir wiederum die kurze Zeit. So viel sei aber noch festgestellt, daß es sich im Gegensatz zu früheren Agrarkrisen zur Zeit weniger um Krisen der größeren, arrondierten und in der technischen Entwicklung schon weiter fortgeschrittenen Betriebe handelt, bei idenen die Urproduktion einen größeren Anteil an ihrem Marktverkauf einnimmt. In der Hauptsache beziehen sich die krisenhaften Rückwirkungen vielmehr — das hat die vorausgegangene Spezialdebatte ja wohl allen Damen und Herren klarwerden lassen — auf die Masse der bäuerlichen Mittel- und Kleinbetriebe mit ihrer sehr starken Veredelungsproduktion.
In diesen Kreisen, die Sie bei allen Anstrengungen nicht zu routinierten Marktwirtschaftlern erziehen können, ist die Unsicherheit sehr groß geworden, weil sie sich gegen die laufenden Schwankungen und zum Teil bizarren Veränderungen ihrer Märkte nicht zur Wehr zu setzen oder ihnen nicht wirkungsvoll genug zu begegnen wissen. Sie brauchen nicht eine Festpreisregelung, aber eine gewisse Stabilhaltung ihrer wichtigsten Verkaufsprodukte in der Marktnotierung — daran hat, glaube ich, auch die gesamte übrige Wirtschaft ein großes
Interesse —, um von der Unruhe dauernder Auf-und Abbewegungen der Preise für notwendige Lebensmittel wegzukommen. Hierin ist Meines Erachtens die entscheidende Frage der heutigen Agrarpolitik zu sehen.
Es handelt sich dabei nicht nur um eine rein ökonomische, sondern um eine weit darüber hinaus gewachsene staatspolitische, zozielogische oder auch allgemein soziale Frage, nämlich die, ob wir unser reich gegliedertes, in seiner Struktur so engmaschiges Bauerntum erhalten können oder ob wir es von einer ausländischen Konkurrenz,, die unter ,günstigeren 'natürlichen wie allgemein wirtschaftlichen Bedingungen produziert, erdrücken lassen wollen.
Ich möchte es kurz machen, weil mich schon das Schlußlicht mahnt, aber doch noch auf eine Äußerung Bezug nehmen — sie ist mir erst kürzlich bekanntgeworden —, die angeblich vor etwa einem Jahr der ausgeschiedene Herr Bundesernährungsminister Dr. Niklas auf einer agrarwissenschaftlichen Tagung in Bad Kreuznach gemacht haben, soll. Er hat sich dort sehr eingehend zunächst mit der Frage der Wettbewerbsfähigkeit unserer Verediungsproduktion gegenüber günstigeren Lieferländern auseinandergesetzt und soll dann sinngemäß gesagt haben, die Weltwirtschaft sei grausam, und sie werde in den nächsten Jahren bei uns 700- bis 800 000 bäuerliche Existenzen vernichten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir pflichten Herrn Minister a. D. Niklas bei, daß die Weltwirtschaft grausam, ja sehr grausam sein kann. Wenn man sie sich hemmungslos, etwa nach einem unbeeinflußten weltweiten Laissez faire, laissez aller, entwickeln lassen wollte, dann ist ja auch bei uns nicht Schluß bei der Vernichtung von 700 000 bis 800 000 bäuerlichen Existenzen, sondern wird i) eine ebenso große Zahl von mittelständischen Existenzen aus Handwerk und Gewerbe in die Vernichtung einbezogen werden. Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, kann doch wohl niemand von uns in diesem Hause gutheißen oder ihr tatenlos zusehen wollen.
Der neue Herr Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Dr. Lübke hat uns seit seiner Amtsübernahme eine Reihe von Vorschlägen darüber mitgeteilt, wie er dass Problem der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der allgemeinen Leistungssteigerung der Betriebe anzufassen gedenkt. Er hat in allen diesen Vorhaben unsere volle Unterstützung, weil wir sie auch für unerläßlich halten und es für angebracht ansehen, baldmöglichst mit ihnen zu beginnen. Aber einwenden möchte ich im Auftrage meiner Fraktion, daß sie alle stark in die Zukunft weisen und wegen der für sie notwendigen erheblichen Aufwendungen nicht so rasche und durchschlagende Änderungen der Verhältnisse herbeizuführen in der Lage sein werden, wie es aus der augenblicklichen Situation heraus geboten erscheint.
Deshalb sind wir der Meinung, daß sofort oder wenigstens baldigst alle anderen Möglichkeiten, die nun einmal zur Verfügung stehen, Möglichkeiten der Handelspolitik, der Kreditpolitik, der Steuerpolitik und viele andere mehr, benutzt werden sollten, um der ungesunden und krisenhaften Entwicklung steuern zu können. Ich bin mit Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Kriedemann, nicht immer so eins gewesen wie in dem, was Sie vorhin zu dem Spezialproblem Milch ausgeführt haben.
Ich habe nach diesen von Ihnen so sachlich vorgetragenen Momenten, über die selbstverständlich diskutiert werden muß; keinen Zweifel, daß wir auf breitester Ebene in diesem Hause auch für das Gesamtanliegen — Erhaltung einer !auskömmlichen und für notwendig erachteten Rentabilität auch in den bäuerlichen Wirtschaften - zu einer guten Zusammenarbeit und damit auch zu entsprechenden Erfolgen kommen werden.
Wir freuen uns, 'feststellen zu können, daß auch der Herr Bundeskanzler schon vor eineinhalb Jahren diesem Problem sehr real gegenübergetreten ist und daß er auch im letzten Sommer, noch vor den Bundestagswahlen, hochoffizielle Veranstaltungen der Berufsorganisationen auf diesem Sektor wahrgenommen und dort bestimmte Erklärungen abgegeben hat, wie er auch in seiner Regierungserklärung die Dinge sehr nachhaltig angesprochen hat. Ich habe deshalb im Auftrage meiner Fraktion die vorliegende Anfrage zu stellen:
Der Herr Bundeskanzler hat am 17. Februar
1951 vor Vertretern der Landwirtschaft erklärt:
„Das landwirtschaftliche Preisniveau, das weitgehend durch innerwirtschaftliche und handelspolitische Maßnahmen beeinflußt werden kann, muß meiner Überzeugung nach in einer Parität zu den übrigen Preisen der deutschen Wirtschaft gehalten werden, insbesondere zu den Löhnen und hier wiederum in erster Linie zu den landwirtschaftlichen Löhnen."
In der Regierungserklärung vom 2. Oktober 1953 hat der Herr Bundeskanzler ähnlich lautende Erklärungen abgegeben.
Wir fragen daher:
Bis wann und in weicher Weise gedenkt die Bundesregierung die Gleichstellung der Landwirtschaft in Preis und Lohn mit den übrigen Wirtschaftsgruppen herbeizuführen?