Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Schwerbeschädigtengesetz ist von uns mit dem Ziel geschaffen worden, die Eingliederung der Schwerbeschädigten in das Wirtschaftsleben zu fördern. Wir haben alle unser Bestreben darin gesehen, diese Menschen in Arbeit zu bringen, weil wir das für richtiger hielten, als ihnen Renten zu zahlen. Wenn wir hier den ersten Änderungsantrag zu diesem Gesetz stellen, dann möchte ich mit aller Deutlichkeit vorausschicken, daß an diesem Ziel nichts geändert werden soll und nichts geändert werden darf.
Bei dem Anlaufen dieses Gesetzes haben sich Schwierigkeiten ergeben. Nach bisher unwidersprochenen Mitteilungen beträgt die Zahl der Schwerbeschädigten im Bundesgebiet rund 700 000. Von diesen 700 000 sind etwa 40 000 noch bei den Arbeitsämtern als nicht in Arbeit befindlich gemeldet. Darunter befindet sich auch ein bestimmter Kreis, dessen Zahl ich nicht angeben kann, der praktisch nicht einsatzfähig ist. Hierüber liegen noch keine amtlichen Zahlen vor. Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat eine Untersuchung veranstaltet, um echtes Zahlenmaterial vorlegen zu können, an Hand dessen man tatsächlich nachher die Entscheidungen treffen kann. Wenn die Zahlen, die mir genannt worden sind, richtig sind, dann wird es uns gar nicht möglich sein, die in dem Gesetz vorgesehenen Quoten überall aufzubringen, weil soviel Schwerbeschädigte zum Einsatz gar nicht vorhanden sind. Das ändert natürlich nichts an der Schwierigkeit, daß örtliche Zusammenballungen
anders gelagert sein können und daß an einzelnen Schwerpunkten, wo sich sehr viele Schwerbeschädigte zusammenfinden, das Verhältnis ein ungünstigeres sein kann. Aber diese Dinge sind nur der äußere Anlaß.
In der Zwischenzeit beschäftigen sich das Ministerium und alle betroffenen Kreise mit der Rechtsverordnung, die die im Gesetz selbst vorgesehenen Milderungen für den Einstellungszwang bringen soll. Diese Rechtsverordnung ist bis heute noch nicht erlassen. Es besteht also ein außerordentlicher Unsicherheitsfaktor im Wirtschaftsleben. Ich erinnere daran, daß nach wohl allgemeiner Auffassung im Bergbau die Quote herabgesetzt werden soll. Das ist aber noch nicht geschehen; nach dem äußeren Wortlaut des Gesetzes gilt also auch für den Bergbau das Gesetz noch mit all seinen äußersten Konsequenzen.
Der von uns eingebrachte Antrag soll nun für eine Übergangszeit, nämlich für die Zeit vom 1. November, an dem das Gesetz in Kraft getreten ist, bis zum 28. Februar, also für vier Monate, eine Milderung der Ausgleichsabgabe insofern bringen, als für diese Zeit die Abgabe nur nach dem Satz von 6 % zu beschäftigender Schwerbeschädigter zu berechnen sein soll. Nach unserem Vorschlag soll an dem Einstellungszwang nichts geändert werden. Es kann also nicht entgegengehalten werden, daß etwa auf Grund dieses Antrags Entlassungen von Schwerbeschädigten an irgendeiner Stelle möglich sein könnten, wo es sonst nicht der Fall wäre. Es soll an dem Einstellungszwang, wie er im Gesetz vorgesehen ist, nichts geändert werden; nur die Ausgleichsabgabe soll für die vorübergehende Zeit von vier Monaten in einer etwas geringeren Höhe erhoben werden, um die Härten zu vermeiden, die sich daraus ergeben, daß wohl einzelne Arbeitsämter eine Herabsetzung vornehmen können, was jetzt in völlig ungleichem Maße geschieht. Wir halten es für richtiger, daß der Gesetzgeber das gleichmäßig für das ganze Bundesgebiet regelt. In dieser Zeit könnte und muß die volle Klärung erfolgt sein; bis dahin liegt das Material von der Bundesanstalt für Arbeit unter allen Umständen vor, und dann können wir uns darüber klar werden, welche Quote, welche Mindestzahl von Beschäftigten nach den Unterlagen, die uns dann von der amtlichen Stelle zur Verfügung gestellt werden, angemessen sind. Ich wiederhole: an der Tendenz, der das Gesetz seine Entstehung verdankt, soll durch diesen Antrag nichts geändert werden, es soll nur eine vorübergehende Milderung in der Zeit der Unsicherheit geschaffen werden.
Ich bitte Sie daher, diesen Antrag dem zuständigen Ausschuß zur möglichst baldigen Beratung zu überweisen.