Rede von
Hans
Böhm
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache 103, die der Bundestag in der letzten Sitzung dem Haushaltsausschuß überwiesen hat, verlangt für alle öffentlichen Bediensteten einschließlich der Ruhegeldempfänger eine Weihnachtszuwendung von 50 bzw. 35 DM, d. h. 50 DM für Verheiratete, 35 DM für Ledige, und für jedes unterhaltsberechtigte Kind eine Zuwendung von 15 DM. Dieser Antrag bzw. die Frage der Zuwendungen für die öffentlichen Bediensteten anläßlich des Weihnachtsfestes hat draußen in der Öffentlichkeit zu sehr starken Diskussionen geführt. Inzwischen haben sowohl die Länder- wie auch die Gemeindeparlamente dazu Stellung genommen. Der Bayerische Landtag hat beschlossen, den Bediensteten des Landes Bayern eine Weihnachtszuwendung zu zahlen. Eine Reihe von Städten und Gemeinden haben das gleiche beschlossen. Es ist zur Stunde noch nicht bekannt, wenigstens mir nicht, ob das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe der Klage des Bundesfinanzministers stattgegeben hat und durch eine einstweilige Verfügung die Länderregierungen ververpflichtet, sich dem Grundsatz. des Bundesfinanzministeriums anzuschließen und keine Weihnachtszuwendungen zu zahlen.
Der Berichterstatter des Haushaltsausschusses hat nun auf einen Brief Bezug genommen, der gewissermaßen als Gutachten dafür gelten soll, daß Weihnachtszuwendungen für die im öffentlichen Dienst Stehenden aus dem Rahmen fallen, weil im öffentlichen Dienst andere Arbeits-, Entlöhnungs- und Versorgungspraktiken geübt werden. Mir ist nicht bekannt, daß dem Beamtenrechtsausschuß, dessen Mitglied ich bin, ein derartiger Brief vorgelegen hat.
Mir ist lediglich bekannt, daß in der ersten Sitzung des Beamtenrechtsausschusses, als diese Frage behandelt wurde, die Vertreter der Regierungskoalition zu verstehen gaben, sie wollten eine Weihnachtsgratifikation oder eine Zuwendung nicht geben, und sie begründeten es besonders mit der rechtlichen Stellung der Beamten, daß die Weihnachtszuwendungen ihren Platz eigentlich im Angestellten- und Arbeitsrecht hätten und daher für die Beamten nicht in Frage kämen.
Ich glaube, es ist notwendig, einiges Grundsätzliche dazu zu sagen. Der Bund hat auch im vergangenen Jahr Weihnachtszuwendungen sowohl an die Arbeiter wie an die Angestellten und an die Beamten gegeben. Heute sagt man, es sei eine Vorleistung auf die im April erfolgte Erhöhung der Besoldung gewesen.
In der letzen Ausgabe des „Bulletin" spricht aber die Regierung bei Erwähnung der Zahlung im vergangenen Jahr selber von einer Weihnachtszuwendung und nicht von einem Vorschuß auf noch zu erwartende Gehaltsaufbesserungen.
Es gibt dabei aber noch eine andere Seite. Bei den Gemeinden ist im vergangenen Jahr die Weihnachtszuwendung durch Tarifvertrag festgelegt worden, und zwar auch für dieses Jahr, und sie wird auch gezahlt. Für die Arbeiter und Angestellten in den Ländern wäre noch im September dieses Jahres die Möglichkeit gewesen, diese Weihnachtszuwendungen durch Tarifvertrag zu vereinbaren. Das war voriges Jahr auch beabsichtigt. Die Gewerkschaften haben aber eine derartige Vereinbarung mit Rücksicht auf die labilen Verhältnisse im vergangenen Jahr abgelehnt. Für den Bund sind solche Vereinbarungen weder in diesem noch im vorigen Jahr getroffen worden mit Ausnahme der Regelung, die voriges Jahr für alle Gültigkeit hatte.
Nun muß man bei der Erörterung dieser Frage zwei Grundsatzfragen klären, und zwar einmal die Frage, ob aus haushaltsrechtlichen Gründen die Möglichkeit gegeben ist, für den gesamten öffentlichen Dienst, soweit hier die Bundesverwaltung in Frage kommt, diese Weihnachtszuwendungen zu geben. Der Berichterstatter sagt, dazu seien 100 Millionen DM notwendig und der Bundesfinanzminister sei nicht in der Lage, für diese Mittel irgendwelche Deckung zu schaffen, da sie im Haushalt selber nicht vorgesehen seien. Ich glaube nicht, daß diese 100 Millionen DM den Haushalt bei einer Haushaltssumme von rund 26 Milliarden ins Wanken bringen, ganz abgesehen davon, daß der Bundesfinanzminister ja selbst gesagt hat und es unbestritten ist, daß eine Reihe von Einsparungen vorgenommen wurden, deren Zinserträge ausreichen würden, diese Zuwendungen zu geben.
Auf der anderen Seite ist die Frage zu prüfen, ob nach arbeits- oder beamtenrechtlichen Gesichtspunkten eine Zahlung geleistet werden kann. Ich bin persönlich der Meinung, daß, soweit die Arbeiter und Angestellten in Frage kommen, die tarifrechtliche Regelung für die Gemeinden unabdingbar ist. Daß die Länder und Gemeinden willens sind, auch in diesem Jahre zu zahlen, haben sie durch die einzelnen Beschlüsse bewiesen. Bleibt also nur noch die Frage zu prüfen, ob auch den Beamten eine Weihnachtszuwendung gegeben werden soll und ob diese Weihnachtszuwendung sich mit beamtenrechtlichen Gründen und Begründungen überhaupt verträgt. Ich glaube, es hat mit der Rechtsstellung der Beamten, mit ihrer Versorgung und ihrer Besoldung nicht das geringste zu tun, wenn der Bund von sich aus an Weihnachten eine Sonderzuwendung in der von uns beantragten Höhe gibt.
Die Begründung, die der Berichterstatter des Haushaltsausschusses gegeben hat, deckt sich auch gar nicht - oder will sich meiner Meinung nach auch gar nicht decken — mit dem Loblied, das man nach Beendigung der ersten Periode des Bundestages auf die Arbeit im öffentlichen Dienst gesungen hat. Das herauszustellen halte ich ebenfalls für notwendig. Ich bin der Meinung, daß die geleistete Arbeit im öffentlichen Dienst eine derartige Zuwendung durchaus rechtfertigt.
Dabei ist sicherlich auch die Frage zu prüfen, ob diese Zuwendungen Teil der Besoldung oder Son-
derzuwendungen sein sollen. Draußen in der freien Wirtschaft sind Weihnachtszuwendungen zur Selbstverständlichkeit geworden, und sie sind meiner Meinung nach, soweit wir Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst sind, auch im öffentlichen Dienst unbestritten. Die Leistungen der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst sind im Vergleich mit der Privatwirtschaft ebenfalls beachtenswert und haben zum mindesten die gleiche Bewertung verdient wie die draußen in der freien Wirtschaft. Wir werden uns vielleicht daran gewöhnen müssen, daß das, was bisher noch nicht war, für die Zukunft sein wird, und wenn Sie beschließen, den Beamten an Weihnachten eine besondere Zuwendung zu geben, dann wird das für die Beamten nur ein Beweis dafür sein, daß man ihre so herausgestellte Arbeit auch anerkennt.
Wir sind also der Auffassung, daß weder die Rechtsstellung der Beamten noch ihre Einkommens-und Versorgungsverhältnisse eine Begründung dafür sein können, diese Zuwendungen für alle Bediensteten an Weihnachten abzulehnen.
Wir bitten Sie, den Antrag des Ausschusses abzulehnen und unserem Antrag Drucksache 103 zuzustimmen.