Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 238. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung bitte ich den Herrn Schriftführer, bekanntzugeben, wer krank ist und wer entschuldigt ist.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Kemper für vier Wochen wegen Krankheit und Abgeordneter Clausen für eine Woche wegen Krankheit.
Der Präsident hat für zwei Tage Urlaub erteilt den Abgeordneten Dr. Kopf und Freitag.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Gockeln, Dr. Henle, Onnen, Wirths, Etzel , Dr. Dresbach, Dr. von Brentano, Dr. Bertram (Soest) und Dr. Orth.
Sie haben gehört, daß die Abgeordneten Kemper und Clausen Krankheitsurlaub für vier Wochen bzw. eine Woche wünschen. Ich nehme an, daß das Haus einverstanden ist, daß dieser Urlaub gewährt wird.
Ich habe zunächst noch einiges bekanntzugeben. Die Fraktion der FDP hat unter dem 25. November mitgeteilt, daß der Abgeordnete Dr. Zawadil mit Datum vom 22. dieses Monats seinen Austritt aus dem Landesverband Bayern der FDP erklärt habe und er damit gemäß § 10 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages auch der Bundestagsfraktion der FDP nicht mehr angehöre. Unter dem 26. November hat die Fraktion der Deutschen Partei bekanntgegeben, daß Herr Abgeordneter Dr. Zawadil ihrer Fraktion beigetreten sei.
— Meine Damen und Herren, das ist weder ein Grund zur Heiterkeit noch zur Erregung!
Ich habe sodann dem Kollegen Dr. Nölting zu gratulieren. Er ist am 20. November 60 Jahre alt geworden.
Es sind diesmal in der Tat 60 Jahre!
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 21. November 1952 den nachfolgenden Gesetzen zugestimmt bzw. keinen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG gestellt:
Gesetz über den Kapitalverkehr;
Gesetz zur Aufhebung der Dividendenabgabeverordnung;
Gesetz über die Inkraftsetzung neuer Vertragszollsätze gegenüber Spanien in Anpassung an den am 1. Oktober 1951 in Kraft getretenen deutschen Zolltarif;
Erstes Gesetz zur Förderung des Kapitalmarkts;
Gesetz über die Aufteilung der Vermögensteuer zwischen Berlin und dem übrigen Geltungsbereich dieses Gesetzes;
Erstes Gesetz zur Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes;
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung;
Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes;
Gesetz zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949;
Gesetz zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 18. November 1952 die Kleine Anfrage Nr. 300 der Fraktion -der DP betr. Fahndung nach Kriegsverurteilten — Drucksache Nr. 3826 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3887 vervielfältigt.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat unter dem 20. November 1952 die Kleine Anfrage Nr. 301 der Fraktion der SPD betr. Sender „Freies Europa" — Drucksache Nr. 3827 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3892 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 20. November 1952 unter Bezugnahme auf den Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 220. Sitzung betr. Fall Kemritz Abschrift eines Schreibens der Alliierten Hohen Kommission vom 6. November 1952 übersandt, das als Drucksache Nr. 3869 vervielfältigt wird.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 12. November 1952 über die Schritte der Bundesregierung zu dem Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 206. Sitzung betr. Maßnahmen für Kriegssachgeschädigte berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3886 vervielfältigt.
In der heutigen Sitzung des Ältestenrats sind gewisse Änderungen in dem Ablauf der heutigen und morgigen Plenarsitzung vorgesehen worden. Das Ergebnis der Vereinbarungen für den heutigen Tag liegt Ihnen in Form einer neuen Tagesordnung vor. Ich brauche wohl nicht im einzelnen die Punkte zu nennen, die heute behandelt werden.
Zu Punkt 2, Nachtragshaushalt, wurde vereinbart, daß heute nur die Begründung durch den Herrn Bundesfinanzminister und die beiden Berichterstattungen entgegengenommen werden sollen. Die Aussprache über den ganzen Komplex mit den Nebenanträgen soll erst morgen erfolgen.
Weiter mache ich Sie darauf aufmerksam, daß Ihnen vorerst nur die Beratungsunterlagen für die Punkte 1 bis 3 vorliegen. Die Unterlagen für die Punkte 4 bis 10 werden im Verlaufe noch dieser Stunde verteilt werden.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend deutsch-niederländische Vereinbarungen vom 19. Mai 1952 über Fragen der Restitution und vom 13./20. Juni 1952 über Freigabe von deutschen Reichsmark-Wertpapieren .
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, die Vorlage an den Ausschuß für das Besatzungsstatut und
1 auswärtige Angelegenheiten, an den Ausschuß für Geld und Kredit und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen, die Überweisung ohne Aussprache vorzunehmen und morgen nach Durchführung der Ausschußberatungen die zweite und dritte Lesung stattfinden zu lassen. Ist das Haus einverstanden?
— Federführend soll der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen sein. Herr Kollege, können Sie in Ihrem Ausschuß so früh mit den Beratungen beginnen, daß das Ergebnis um halb zwölf Uhr dem Außenpolitischen Ausschuß zugestellt werden kann?
— Gut, dann wird ja der Auswärtige Ausschuß morgen um halb zwölf Uhr das Ergebnis ihrer Beratungen erfahren können.
— Morgen um 9 Uhr tritt der Ausschuß für Geld und Kredit zusammen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung, zunächst 2 a:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1952
.
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Rücksicht auf die Geschäftslage des Hauses möchte ich mich in meiner Einführung zum Nachtragshaushalt 1952 möglichst kurz fassen. Ich darf auf den Aufsatz verweisen, der im Bulletin vom 24. September 1952 — Nr. 141 — erschienen ist und in dem der wesentliche Inhalt und die entscheidenden Zahlen des Nachtrags einschließlich des Gesamtbildes des Gesamthaushalts 1952 erkennbar sind. Ich habe außerdem angeordnet, daß Ihnen Schaubilder über die Bundeseinnahmen und Bundesausgaben 1952 nebst Erläuterungen zugehen, und ich hoffe, daß dies schon geschehen ist. Ich darf zum Verständnis bemerken, daß die Schaubilder sich nur auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundes beziehen, die nicht zweckgebunden und nur durchlaufende Mittel sind, wie z. B. ERP- und STEG-Mittel, Anleihen der Export- und Importbank, Kohleabgaben für Bergarbeiterwohnungen, Beiträge aus den Soforthilfeaufkommen für Flüchtlingssiedlungen. Diese sind in Einnahmen und Ausgaben der Klarheit wegen aus den Schaubildern ausgeschieden.
Ich darf, wenn ich einen kurzen Überblick über die Gesamtlage des Haushalts gebe, wie er sich aus Wiederholungshaushalt und Nachtragshaushalt zusammensetzt, von den Zahlen der Schaubilder ausgehen. Danach stellen sich die großen Einnahmen-und Ausgabenblöcke wie folgt dar: Besatzungskosten einschließlich Verteidigungslasten 40,2 % der Gesamtausgaben, Soziallasten und Wohnungsbau einschließlich Subventionen genau dieselbe Prozentzahl, nämlich 40,2 %, Berlinhilfe 2,7 %, Schuldendienst, Internationaler Währungsfonds 7 %, sonstige Ausgaben, darunter Personalausgaben, Versorgung der Bundesbediensteten, Kraft- I wagen, Reisekosten, Geräte, Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft, Verkehrsaufgaben, 9,9 %. Diese Ausgaben sind durch folgende Einnahmen gedeckt: Steuern, Zölle und Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer mit 89,8 %, Anleihen mit 9,4 % und sonstige Einnahmen — Münzgewinn, Gewinnanteil an der Notenbank, Bundespost und verschiedene kleinere Einnahmen —4,8 %. Damit ist nach meiner Überzeugung in der Offentlichkeit ein klares Bild zum Verständnis des Bundeshaushalts gegeben.
Es ist in der Presse behauptet worden, daß der Bundeshaushalt infolge seiner Teilung in Wiederholungshaushalt und Nachtragshaushalt unübersichtlich sei. Ich glaube, daß das damit widerlegt ist. Die Maßnahme des Wiederholungshaushalts 1952 hat sich bewährt. Sie war haushaltstechnisch und verwaltungsmäßig nicht einfach durchzuführen. Ziel des Wiederholungshaushalts ist dabei gewesen, allen Verwaltungszweigen frühzeitig eine Grundlage für ihre Arbeit im Haushaltsjahr 1952/53 zu geben. Es war auch möglich, die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben unter Mitwirkung des Haushaltsausschusses des Bundestags, die ich dankbar anerkenne, noch vor den Parlamentsferien festzustellen. Damit ist das Hauptziel erreicht worden, nämlich die rechtzeitige Vorlage des Bundeshaushalts 1953 zu ermöglichen.
Der Bundeshaushalt 1953/54 liegt dem Kabinett bereits vor. Ich hoffe, daß er so rasch verabschiedet werden kann und dem Bundesrat so rechtzeitig zugeht, daß er noch zu dem verfassungsmäßigen Termin Anfang Januar 1954 diesem Hohen Hause vorgelegt werden kann.
— Ich denke an das Haushaltsjahr 1953/54 und bitte, diesen Lapsus zu entschuldigen. Aber ich darf, weil Sie lächeln, bemerken: ich glaube, es gibt viele in dem Hause, die es nicht für möglich gehalten haben, daß dieser Haushaltsplan 1953/54 tatsächlich zum verfassungsmäßigen Termin vorgelegt sein wird, und ich darf deshalb doch mit Befriedigung feststellen, daß mit der Vorlage dieses Haushalts 1953/54 zum verfassungsmäßigen Termin ein Abschnitt eingetreten ist. Die vergangenen Jahre sind nun einmal Jahre des Übergangs und des Aufbaues für die gesamte junge Bundesrepublik und damit auch für ihre Finanzverwaltung gewesen. Wenn es gelungen ist, trotz — Sie werden die Zahlen dann hören — der sprunghaften Änderungen des Haushalts, obgleich der Bundesfinanzminister leider Gottes nicht wie in anderen Ländern für ein Jahr, sondern bei der Gesetzgebung und den Aufgaben, die an uns herantreten, fast nur für Wochen voraus disponieren kann, — wenn es trotzdem gelungen ist, nunmehr dazu zu kommen, daß auch der verfassungsmäßige Termin für die Vorlage der Haushalte eingehalten wird, so ist das schon ein Stück Bewährung, die die Verwaltung des Bundes und die Finanzverwaltung vorgelegt hat.
Der ordentliche Haushalt hat — ich gebe Ihnen die Zahlen nur einmal wegen des Überblicks — im Rumpfwirtschaftsjahr 1949 betragen 1475 Millionen DM. Im Jahre 1950, nachdem die nach dem Grundgesetz dem Bund zustehenden Einnahmen und die nach Art. 120 des Grundgesetzes auf den Bund übergehenden Ausgaben von den Ländern
auf den Bund übergegangen waren, betrug der ordentliche Haushalt bereits 12 Milliarden 457 Millionen DM, der außerordentliche Haushalt 3813 Millionen DM. Im Jahre 1951 stieg der ordentliche Haushalt auf 17 Milliarden 364 Millionen DM. Der außerordentliche Haushalt betrug 3 Milliarden 710 Millionen DM. Im Jahre 1952 beträgt der ordentliche Haushalt — Wiederholungshaushalt und Nachtragshaushalt zusammen — 20 Milliarden 792 Millionen DM. Der außerordentliche Haushalt ist zusammengedrängt worden auf 2436 Millionen DM. Der außerordentliche Haushalt konnte eingeschränkt werden erstens, weil die durchlaufenden ERP-Mittel j a von Jahr zu Jahr geringer werden, und zweitens, weil es nicht mehr nötig war, wie im Jahre 1951, einen Teil der Besatzungskosten, der sich in Bauten umsetzte, auf den außerordentlichen Haushalt zu übernehmen, ein Experiment, das ja nur einmal gemacht werden konnte und nicht dauernd gemacht werden kann.
Nun einen Überblick über den bisherigen Ablauf des Haushaltsjahrs. Wenn ich nur die ersten sechs Monate, die erste Hälfte des Rechnungsjahres — April bis einschließlich September — nehme, dann sind die Ausgaben hinter dem Soll zurückgeblieben um 2343,3 Millionen DM. Das scheint günstig zu sein. Ich bemerke aber im voraus, daß das hauptsächlich damit zusammenhängt, daß nämlich die Minderausgaben von 2334 Millionen DM zum größten Teil auf die Etatposition Besatzungskosten entfallen, die in der ersten Hälfte des Rechnungsjahres um 1844 Millionen DM hinter dem rechnerischen Soll zurückgeblieben sind. Bekanntlich haben sich die Besatzungsmächte damit abgefunden, daß die Besatzungskosten, die im Jahre 1951 noch rund 7950 Millionen betrugen, im Jahre 1952 bis zum Inkrafttreten der Verträge eine oberste Begrenzung, nämlich 600 Millionen DM im Monatsdurchschnitt, erfahren. Das würde in sechs Monaten einen Betrag von 3600 Millionen DM ausmachen. Die Anforderungen der Besatzungsmächte liegen, auf den heutig en Tag berechnet, etwa 1500 Millionen unter dem, was nach dieser Höchstgrenze hätte abgerufen werden können. Es kann aber nicht damit gerechnet werden, daß dieser Unterschiedsbetrag dem Haushalt als Ersparnis verbleibt. Es muß damit gerechnet werden, daß dieser Unterschiedsbetrag im Laufe der nächsten Monate abgerufen werden wird.
Meine Damen und Herren, ich bitte, ein bißchen ruhiger zu sein!
Es darf auch nicht übersehen werden, daß die Erhöhung der Verteidigungskosten über den Betrag von 600 Millionen DM hinaus auf 850 Millionen DM, voll in das zweite Halbjahr 1952/53 entfällt.
Die gesamten Einnahmen auf der andern Seite sind in den ersten Monaten um 699,5, also um rund 700 Millionen DM hinter dem Soll zurückgeblieben. Damit ergibt sich in den ersten sechs Monaten des Rechnungsjahres ein Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben von äußerlich 1634,8 Millionen, von denen der Unterschied zwischen den Ausgaben und Einnahmen des außerordentlichen Haushalts mit 201 Millionen abzuziehen ist, so daß sich in dem ordentlichen und in dem außerordentlichen Haushalt zusammen in den ersten sechs Monaten des Rechnungsjahres ein Überschuß von 1433 Millionen ergibt. Dieser Überschuß beträgt aber bedeutend weniger, als allein die noch nicht abgerufenen, unter Umständen aber jeden Tag abrufbaren Besatzungskosten für das erste Halbjahr ausmachen.
Das entspricht auch dem Bild der kurzfristigen Verschuldung. Die kurzfristige Verschuldung des Bundes hat in der jüngsten Zeit — Stichtag 21. November 1952 — betragen: Schatzwechsel und U-Schätze 1058 Millionen. Der Bund hat daneben ganz gewiß ein Bankguthaben. Dieses Bankguthaben ist aber um rund 500 Millionen geringer als die Besatzungskosten, Mit deren Abruf unter Umständen jeden Tag gerechnet werden muß, so daß die schwebende Schuld tatsächlich bereits über 1500 bis 1600 'Millionen DM in diesem Jahr beträgt.
Dabei gilt die alte Erfahrungstatsache, daß — ganz abgesehen von den Besatzungskosten — die Ausgaben des Haushalts immer in den ersten sechs Monaten wesentlich geringer sind als in den letzten sechs Monaten. Dieser Erfahrungssatz gilt von den Ausgaben, er gilt nicht in demselben Maße von den Einnahmen. Das ist die besondere Sorge, die heute vor uns steht; denn die Steuereinnahmen des Bundes in den ersten sechs Monaten sind allein um 530 Millionen DM hinter dem Soll zurückgeblieben. Die genauen Berechnungen für die künftige Entwicklung der Einnahmen, die in meinem Hause angestellt worden sind, lassen erwarten, daß die Steuereinnahmen des Bundes in diesem Jahr um etwa 3 % hinter der Schätzung zurückbleiben. Nachdem aber die Gesamtsumme der Schätzungen rund 19 Milliarden beträgt, bedeuten die 3 % eine Mindereinnahme, einen Ausfall von rund einer halben Millarde. Das hängt damit zusammen, daß das Bundesfinanzministerium bei dem Ringen zwischen Bund und Ländern um die Höhe des Bundesanteils gezwungen gewesen ist, in der Schätzung der Einnahmen an die oberste Grenze des einigermaßen Wahrscheinlichen zu gehen;
denn die Länder bestimmen ja mit bei der Festsetzung des Haushalts.
Ich möchte daran erinnern, daß es besser ist, auch bei den Einnahmen eine nüchterne Schätzung vorzunehmen, als nach den Wünschen zu gehen, die die Einnahmen gerne optimistischer gesehen haben wollen, als sie sich später in der Wirklichkeit zeigen.
Ich habe unter diesen Umständen die verschiedenen Verwaltungszweige im Bunde bereits darauf aufmerksam machen müssen, daß auch die Haushaltslage des Jahres 1952/53 ernst ist und daß äußerste Sparsamkeit geübt werden muß; auch habe ich Ihnen schon mitgeteilt, es könne nicht damit gerechnet werden, daß die im Haushaltsgesetz vorgesehene Sperre der restlichen 10 % der Ausgaben in diesem Jahre aufgehoben wird.
Ich möchte nur zur Vervollständigung bemerken, daß sich auch auf der Ausgabenseite eine Einsparung im wesentlichen bestimmt nicht ergeben wird. Voraussichtlich treten neue Aufgaben und Lasten an den Bund heran, die dem Hohen Hause bereits bekannt und in den Haushalten nicht aufgenommen sind, weil eine Deckung für sie bisher nicht gefunden werden konnte.
Diese besondere Lage des Haushalts 1952 wird durch die Gesamtsituation, in der sich der Bun-
deshaushalt befindet, unterstrichen. Sie sehen ja aus den Schaubildern über die Ausgaben des Bundes ohne weiteres, daß die beiden großen Ausgabeposten, Besatzungskosten und Verteidigungslasten einerseits, Sozialleistungen einschließlich Wohnungsbau und Subventionen andererseits, allein schon mehr als 80 % der gesamten Ausgaben ausmachen und mehr als 80 % der gesamten Einnahmen verschlingen. Diese Posten sind im wesentlichen fest und der Einwirkung der Bundesregierung entzogen. Zusammengenommen mit der Finanzhilfe Berlin, der Verwaltungsentschädigung für die Länder, dem Schuldendienst und dem abzudeckenden Fehlbetrag 1952 umfassen die unbeweglichen, dem Sparsamkeitswillen der Bundesregierung entzogenen Ausgaben des Bundeshaushalts 89,2 %. Das sind genau so viel, wie die gesamten Einnahmen des Bundes an Steuern, Zöllen und Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer ausmachen. Auch der kleine Rest von Ausgaben — die 10,8 % — enthält Beträge, bei denen auch bei alleräußerster Anstrengung nur relativ geringe Bruchteile eingespart werden können. Der Globalabstrich, der in diesem Haushalt vorgenommen worden ist, stellt meiner Überzeugung nach schon das Äußerste von dem dar, was an Einsparung überhaupt erwartet werden kann.
Meine Damen und Herren, trotz all der Schwierigkeiten, trotz des sprunghaften Steigens der Ausgaben ist es bisher gelungen, die Ordnung in den Finanzen des Bundes aufrechtzuerhalten.
Diese Ordnung der Finanzen ist eine Lebensfrage für die junge Bundesrepublik.
Damit hängt nicht nur das Vertrauen, das der inländische Sparer der Währung und dem ganzen Staat entgegenbringt, sondern hängt auch das Ansehen und die Geltung zusammen, die die junge Bundesrepublik dem Ausland gegenüber genießt. Ich habe vor einigen Tagen mit Überlegung gesagt, daß der Kredit des Staates gleichzeitig ein Kredit der Wirtschaft in diesem Staate ist und daß der deutsche Kaufmann im Ausland nur so lange Kredit haben wird, als auch der deutsche Staat im Ausland Kredit hat.
Wenn ich es infolgedessen in diesem Jahre wagen kann, mit einer langfristigen Bundesanleihe an die Öffentlichkeit heranzutreten, so darf ich sagen, daß auch hier die Arbeit der vergangenen Jahre Früchte zu tragen beginnt.
Ich hoffe, daß die Bundesanleihe auch die Bewährungsprobe besteht und daß damit das deutsche Volk und die deutsche Wirtschaft ihr Vertrauen in die Dauerhaftigkeit unserer finanziellen Verhältnisse beweisen.
Die Bundesregierung hat zunächst mit der Vorlage des Haushalts 1952/53 für dieses Haushaltsjahr ihre Aufgabe, diese Ordnung der Finanzen aufrechtzuerhalten und den Haushalt nach der Verfassung abgeglichen vorzulegen, erfüllt. Mit dem Tage, an dem der Haushalt diesem Hohen Hause vorgelegt wird, geht die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Ordnung der Finanzen und der Abgeglichenheit in Einnahmen und Ausgaben in erster Reihe auf dieses Hohe Haus über.
Ich darf den Wunsch aussprechen, daß Bundesregierung und Bundestag in der Erfüllung dieser Aufgabe Verbündete sind um des deutschen Volkes willen.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat vereinbart, die Aussprache über diese Begründung erst morgen zu halten.
Ich rufe Punkt 2 b der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Lausen und Genossen betreffend Förderungsmaßnahmen der Wasserversorgung der Länder und Gemeinden (Nrn. 3874, 2368 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Gengler. Ich erteile ihm das Wort zur Berichterstattung.
Auch die Diskussion über diese Berichte wird erst morgen stattfinden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag der Abgeordneten Lausen und Genossen — Drucksache Nr. 2368 — hat sich der Haushaltsausschuß eingehend beschäftigt. Im Hinblick auf die Bedeutung und die materielle Ausdehnung der in dem Antrag enthaltenen Fragen betreffend Förderungsmaßnahmen der Wasserversorgung der Länder und Gemeinden hat der Haushaltsausschuß sich veranlaßt gesehen, auch die zuständigen Fachausschüsse zu hören. Infolgedessen haben sich der Ausschuß für innere Verwaltung, der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Wirtschaftspolitische Ausschuß ebenfalls mit diesem Antrag befaßt. In sämtlichen Ausschüssen kam übereinstimmend zum Ausdruck, daß die Frage der Wasserversorgung eine hochbedeutsame ist und die Lane sich dergestalt geändert hat, daß hier umfangreiche Maßnahmen notwendig sind.
Der Bedarf an Trink- und Brauchwasser ist bei der Bevölkerung durch Verbesserung der Lebensgewohnheiten und bei der Wirtschaft durch die Kapazitätsausweitung, Verfeinerung der Produktionsverfahren, durch neue, viel Wasser gebrauchende Industrien und anderes mehr wesentlich gestiegen. Die Quellen reichen längst nicht mehr aus. Auch die Grundwasserversorgung macht in vielen Teilen des Bundesgebiets wegen Rückgangs der Wasservorräte durch zu starke Inanspruchnahme erhebliche Schwierigkeiten. Es hat sich hierdurch die Heranziehung des Oberflächenwassers aus Wasserläufen, Seen und Talsperren als notwendig erwiesen. Wegen der zunehmenden Verunreinigung der Flüsse und Seen durch häusliche und gewerbliche Abwässer ist dies aber nur unter Anwendung komplizierter und kostspieliger Wasseraufbereitungsmethoden möglich.
Die Entwicklung geht vom Einzelbrunnen über zentrale Gemeindeversorgung, Gruppenwasserversorgung zur Fernversorgung. Die gleiche Entwicklung wie in Deutschland ist auch in allen außerdeutschen wirtschaftsintensiven Ländern zu verzeichnen. Die Schwierigkeiten nehmen zu, da der Bedarf bei Bevölkerung, gewerblicher Wirtschaft und Landwirtschaft weiter steigt. In vieler Beziehung ist der Friedensstand noch nicht erreicht, da seit 1936 Hemmungen in der Durchführung von Baumaßnahmen für Erneuerung, Erweiterung und Neubau von Wasserversorgungs- und Abwasser-
reinigungsanlagen vorliegen. Die Ursachen dieses Rückstandes liegen im Verbot der Ausführung im Vierjahresplan und im Kriege. In der Reichsmark-zeit fehlten Materialien und Baustoffe; die Währungsumstellung beseitigte die Rücklagen. Seither bestehen erhebliche Kapitalbeschaffungsschwierigkeiten. Für Wasserpreise und Kanalisationsgebühren gilt noch der Preisstopp, der die Ausweitung der Wasserversorgungsbetriebe stark hemmt. Es besteht daher noch immer ein erheblicher echter Nachholbedarf. Unter anderem fehlen etwa 50 bis 70 % des für die Sicherung des Betriebes und des Feuerlöschwesens notwendigen Speicherraums.
Zur Zeit werden im Bundesgebiet jährlich rund 6 bis 6,5 Milliarden Kubikmeter Wasser gebraucht. Die beabsichtigte 25 %ige Kapazitätsausweitung verlangt jährlich mindestens 1 Milliarde Kubikmeter Trink- und Brauchwasser mehr. Der Geldbedarf zur Aufholung dieser wasserwirtschaftlichen Aufgaben beträgt, soweit er sich heute übersehen läßt, 6 bis 7 Milliarden DM. Der jährliche Geldbedarf für baureife vordringliche Maßnahmen der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung wird auf 500 Millionen DM veranschlagt. Nach ihrer Auffassung können die Unternehmungen der Wasserwirtschaft, Wasserwerke, Wasserverbände und -verwaltungen nur etwa ein Drittel dieses Betrages selbst aufbringen. 1951 und 1952 haben die Länder zusammen rund 200 Millionen DM, der Bund aus zentral gesteuerten Mitteln — ERP, Zins- und Tilgungsrückflüsse, Sofort- und Sanierungsprogramm, Versicherungsprogramm, Investitionshilfe — zusammen 150 Millionen DM aufgebracht. Dabei sind 35 Millionen DM aus ERP-Mitteln, 60 Millionen DM aus Investitionshilfe. Ungedeckt blieben jährlich 150 bis 200 Millionen DM.
Die öffentliche Wasserversorgung im Bundesgebiet liegt in der Hand von rund 13 000 Wasserwerken. Diese befinden sich zum allergrößten Teil im Besitz der öffentlichen Hand. Ein geringer Teil allerdings sehr bedeutender Unternehmungen wird in der Form gemischtwirtschaftlicher Gesellschaften oder in privater Form geführt.
-Die Eigentumsunterschiede begründen keinerlei Unterschiede in der öffentlichen Aufgabe dieser Unternehmungen. Diese besteht in der Verpflichtung zur sicheren und ausreichenden Versorgung von Bevölkerung, Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie mit Trink- und Brauchwasser. Die ausreichende Erfüllung dieser Aufgabe bildet die Grundlage jedes Lebens und jeder Wirtschaft. In weiten Kreisen der Bevölkerung wird es allmählich Allgemeingut, daß die frühere selbstverständliche Sicherheit, mit der die Verbraucher bisher die Wasserversorgung beurteilt haben, ihre Grundlagen zu verlieren beginnt. Die Erfahrungen und die von mir dargelegten Zahlen lassen eindeutig erkennen, daß sich die Wasserversorgung in naher Zukunft, wenn nicht jetzt schon, auf vielen Gebieten zu einem bedenklichen Engpaß entwickeln wird. In diesem Sinne waren sich die Ausschüsse in der Beurteilung der Grundfrage einig.
Wegen der Mittel, die erstens von den wasserwirtschaftlichen Unternehmungen und zweitens von den Ländern aufzubringen wären, ist die Frage aufgeworfen worden, inwieweit sich der Bund weiterhin daran beteiligen kann. Im Haushaltsausschuß wurde mit Nachdruck betont, daß die Unternehmungen der Wasserwirtschaft Ländern und Gemeinden oder Gemeindeverbänden gehören und
daß eine Verschiebung dieses Aufgabengebiets zu Lasten des Bundes nicht stattfinden konne. Andererseits wurde ebenso nachdrücklich betont, im Hinblick auf die Allgemeinbedeutung der Frage musse auch der Bund hier helfend mit eingreiten. In diesem Sinne liegt Ihnen der Antrag des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 374 vor. Er fordert in der Spitze, daß die Bundesregierung mit den Ländern einen Plan zur Beseitigung des Wassermangels für die öffentliche Wasserversorgung und zur Abwässerbeseitigung aufstellen und ferner auf die Lander einwirken soll, daß verstärkt Haushaltsmittel der Lander für die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung bereitgestellt werden. Es ist hierin nicht nur auf die Frage der Behebung des Wassermangels als solche abgehoben, sondern auch auf die dringende Notwendigkeit der Abwässerbeseitigung, weil die Verschmutzung der Wasserlaufe ebenfails zu einer Gefahr für die gesamte Wasserversorgung und die Gesundheit breitester Schichten wird.
In zweiter Linie wird in dem Antrag die Bundesregierung ersucht,
zu prüfen, ob folgende Maßnahmen durchgeführt werden können:
a) Bereitstellung von angemessenen Mitteln im außerordentlichen Haushalt für Zwecke der öffentlichen 'Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung;
b) Berücksichtigung der öffentlichen Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung bei der Vergabe von Krediten aus zentral gesteuerten Mitteln;
c) Übernahme von Bürgschaften im Interesse der öffentlichen Waserversorgung und Abwasserbeseitigung.
Im Auftrag des Haushaltsausschusses bitte ich um Zustimmung zu dem Antrag Drucksache Nr. 3874.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf Punkt 2 c der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher, Dr. Meitinger, Dannemann, Tobaben, Kriedemann und Genossen betreffend Erhaltung des deutschen Flachs- und Hanfanbaues (Nrn. 3875, 3718 der Drucksachen).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Brese als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache Nr. 3718 betr. Erhaltung des deutschen Flachs- und Hanfanbaues wurde im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und im Haushaltsausschuß eingehend beraten. Nach übereinstimmender Auffassung beider Ausschüsse handelt es sich um eine sehr wichtige und dringliche Angelegenheit. Zunächst wurde der Antrag nur im Ernährungsausschuß beraten, nachdem er in der 233. Sitzung des Bundestages vom 9. Oktober 1952 dorthin überwiesen worden war. Bald aber stellte es sich als notwendig heraus, den Antrag auch im Haushaltsausschuß, und zwar von diesem federführend, beraten zu lassen.
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich mit dem Antrag eingehend
befaßt und sich einmütig auf den Standpunkt gestellt, daß die Bundesregierung ersucht werden soll, in den Nachtragshaushalt 1952 den für die Subventionierung des Flachs- und Hanfanbaues erforderlichen Betrag einzusetzen, damit der deutsche Flachs- und Hanfanbau durch einen Zuschuß von 8 DM je Doppelzentner Flachs und 6 DM je Doppelzentner Hanf ausreichend gestützt werden kann. Der Haushaltsausschuß hat sich nun in seiner Sitzung am 14. November 1952 als federführender Ausschuß gleichfalls mit dieser Angelegenheit befaßt. Noch einmal wurden die entscheidenden Probleme kurz behandelt. Das Ernährungsministerium vertrat den Standpunkt, daß die vom Ernährungsausschuß vorgeschlagenen Subventionssätze zur Aufrechterhaltung des Anbaus und der Verarbeitung unbedingt erforderlich seien, zumal es sich im Schwergewicht um eine Verarbeitung handle, die von Vertriebenen geleistet werde. Die Nichtsubventionierung werde zur Folge haben, daß dieser Produktionszweig bald zum Erliegen komme; die Schäden für die deutsche Wirtschaft seien nicht wiedergutzumachen, ganz abgesehen davon, daß wertvolle Fachkräfte aus den Reihen der Vertriebenen in erheblichem Umfang brachgelegt würden. In den Nachbarländern wird im übrigen der Flachs- und Hanfanbau zur Zeit durch weit höhere Subventionen gestützt.
Das Bundesfinanzministerium hat sich nicht bereit erklären können, der vom Ernährungsausschuß vorgeschlagenen Subventionierung - die Kosten würden sich auf 5 Millionen DM belaufen — zuzustimmen, weil einmal die Mittel hierzu nicht vorhanden seien und weil zum andern auch die Notwendigkeit einer Stützung nicht unbedingt eingesehen werde. Der Haushaltsausschuß hat sich die Einwendungen des Bundesfinanzministeriums nicht zu eigen machen können, sondern hat sich auf den Standpunkt des Ernährungsausschusses gestellt. Der vorliegende Mündliche Bericht ist das Ergebnis der Beratungen.
Im übrigen sei bemerkt, daß sich schon der Wirtschaftsrat im Jahre 1949 mit dieser Angelegenheit befaßt hat. Bereits damals wurde die Notwendigkeit einer Stützung des Flachs- und Hanfanbaus mit fast den gleichen Beträgen anerkannt, und die Subventionierung wurde von der damaligen Verwaltung für Finanzen durchgeführt. Auch in der darauffolgenden Zeit sind Subventionen gezahlt worden. Leider ist auch heute noch keine ausreichende Veränderung eingetreten, die eine Subventionierung überflüssig machen könnte.
Namens des Haushaltsausschusses darf ich Sie bitten, dem Mündlichen Bericht in der Fassung des Antrags Drucksache Nr. 3875 zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Meine Damen und Herren, nach der Vereinbarung im Ältestenrat sollen auch diese Berichte erst morgen diskutiert werden.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Notstandsmaßnahmen für Beamte und Behördenangestellte ;
b) Erste. Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts ;
c) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts ;
d) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Teuerungszulage für Beamte ;
e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Beamtenbesoldung ;
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Miessner, Kühn, Gaul, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer und Genossen betreffend Gesetzliche Regelung der Besoldung der kriegsgefangenen Beamten ;
und zwar zunächst 3 a:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Notstandsmaßnahmen für Beamte und Behördenangestellte .
Auch hier soll die Beratung erst morgen erfolgen.
Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.
Dr. Wuermeling , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegende Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU über Notstandsmaßnahmen für Beamte und Behördenangestellte stammt bereits vom 8. Oktober 1952. Ich möchte zunächst meinem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß es erst heute möglich ist, diese Interpellation hier im Plenum zu behandeln, da das Anliegen, um das es hierbei geht, wahrlich so dringlich ist, daß wir die Beratung nun wirklich auch nicht mehr einige Tage hinausschieben können. Wir haben in der Interpellation , ausgeführt, daß die Aufrechterhaltung des jetzigen Zustandes der Besoldung der öffentlichen Beamten und Angestellten schlechthin nicht mehr tragbar sei.
Wenn ich die Begründung dafür geben darf, dann möchte ich kurz folgendes sagen.
Die Besoldungsgrundlagen für die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes beruhen noch heute auf der Besoldungsordnung von 1927. Sie sind also jetzt gerade 25 Jahre alt — 25 Jahre, innerhalb deren sich ja wohl einiges ereignet hat. Wir haben in den letzten Monaten lediglich folgende Teuerungsanpassungsmaßnahmen getroffen: Zunächst haben wir eine 20 %ige Zulage auf das Grundgehalt bewilligt — das sind 16 % auf die Gesamtbezüge —, darüber hinaus wurden im vorigen Sommer bzw. Herbst Bezüge in Höhe eines halben Monatsgehalts zusätzlich als Teuerungszulage bewilligt — das sind, auf das ganze Jahr gerechnet, 4 % —. Den Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes werden also heute 120 % der Bezüge des Jahres 1927 gezahlt.
Meine Damen und Herren, es ist bekannt, daß demgegenüber der vom Statistischen Bundesamt errechnete Lebenshaltungsindex — über dessen Einzelheiten man vielleicht diese oder jene abweichende Meinung haben kann; aber es kommt ja hier nicht auf 4 oder 5 Punkte an — für Oktober 1952 wiederum mit 167 berechnet wurde, so daß also eine ganz erhebliche Divergenz zwischen den Lebenshaltungskosten und den Bezügen der Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes
besteht, Wir müssen sogar feststellen, daß es innerhalb der deutschen Bevölkerung tatsächlich — vielleicht außer den kleinen Hausbesitzern — keine Berufsschicht gibt, die relativ so stark hinter den Teuerungsverhältnissen zurückgeblieben ist, wie es bei der Beamtenschaft und bei den öffentlich Angestellten der Fall ist.
Wenn wir einmal nach den Seiten, nach anderen Berufsständen, blicken, dann stellen wir z. B. — und sicherlich mit großer Freude und Befriedigung und ohne jeden Neid — fest, daß die Durchschnittswochenverdienste der deutschen Industriearbeiterschaft gegenüber 1938 bereits im Mai dieses Jahres 187,5 %, die Stundenverdienste sogar schon 194,7 % erreicht hatten, wobei es sich, wie gesagt, um Durchschnittsverdienste handelt, d. h. viele liegen darunter und viele liegen darüber, aber die Löhne für die weiblichen Industriearbeiter und die Löhne für die Hilfsarbeiter sind genau so in diesen Zahlen enthalten wie die Löhne für die Spitzenkräfte der Facharbeiterschaft. Und wenn Sie die Monatswochenlohnbeträge einmal in Vergleich ziehen, so betrugen diese in der Bundesrepublik brutto im Jahre 1938 39 RM und im Jahre 1948 40 DM, während wir jetzt — die letzten Zahlen habe ich nur aus Rheinland-Pfalz — die Bruttowochenverdienste mit 79 DM im Durchschnitt der Industriearbeiterschaft ermittelt haben.
Ich betone nochmals: Ich sage das in keiner Weise etwa in dem Sinne, daß wir diese Entwicklung nicht begrüßen; es ist im Gegenteil der ganze Stolz der Bundesregierung und der Koalitionsparteien, daß es durch unsere Wirtschaftspolitik möglich gewesen ist, diese reale Aufbesserung der Kaufkraft der Industriearbeiterschaft herbeizuführen.
Das kann uns natürlich nicht daran hindern, nun für den Bereich der öffentlichen Bediensteten die Forderung zu stellen, daß auch hier endlich etwas Fühlbares geschieht.
Wenn wir uns in diesem Zusammenhang auch einmal dem sicher heute noch weithin in großer Not befindlichen Kreise der Rentner aus der Kriegsopferversorgung und der Sozialversicherung zuwenden, so ist festzustellen, daß wir als CDU/ CSU-Fraktion kürzlich auch eine diesen Kreis betreffende große Interpellation gestellt haben, die hier bereits behandelt worden ist. Wir wissen, daß auch auf diesem Sektor zusätzliche Hilfsmaßnahmen in Kürze werden beschlossen werden können. Wir dürfen gleichzeitig feststellen, daß die Ausgaben für die Kriegsopfer von 1,9 Milliarden im Jahre 1949 auf 3,4 Milliarden im Jahre 1952 gesteigert worden sind. Während z. B. die durchschnittliche Rente der Invalidenversicherung im Jahre 1938 rund 36 RM betrug, liegt sie jetzt bei 78 D-Mark. Es kann also nicht behauptet werden, es wäre etwa gar nichts geschehen. Daß hier noch mehr geschehen muß, darüber sind wir uns völlig einig. Aber Hilfsmaßnahmen sind doch vom Bund bereits getroffen.
Dann der dritte Blick nach der Seite: Wenn wir die Entwicklung der Gehälter in der freien Wirtschaft betrachten, so müssen wir feststellen, daß auch hier eine erhebliche Anpassung bereits erfolgt ist. Gewiß, im gewerblichen Mittelstand mag die Lage nicht überall gleichmäßig sein. In vielen Schichten ist dort aber auch eine weitgehende Anpassung erfolgt. Auch bei der Landwirtschaft können wir mit einem durchschnittlichen Preiserlös in Höhe von etwa 200 °/o des Jahres 1938 rechnen.
Wenn man diesen Vergleich so sieht, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn heute ein so großes Ausmaß von geradezu bedenklicher Verschuldung in Kreisen der öffentlichen Beamten und Angestellten festzustellen ist, und dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn uns die Geschäftsinhaber in großen und kleinen Orten erzählen: Die Leute mit der geringsten Kaufkraft, die am bescheidensten einkaufen, sind immer und immer wieder die Beamten und die Angestellten der Behörden.
Eine Folge dieses Zustandes ist, daß die tüchtigen Kräfte aus dem öffentlichen Dienst jetzt mehr und mehr abzuwandern beginnen. Damit fängt diese Frage an, nicht mehr nur eine soziale oder wirtschaftliche Frage für die Beamtenschaft zu sein, sondern sie wird dadurch zu einem geradezu staatspolitischen Problem; denn der Staat hat mit der gesamten Bevölkerung das größte Interesse daran, daß ihm zur Erfüllung seiner wichtigen Aufgaben ein fachlich tüchtiger, leistungsfähiger Beamten- und Angestelltenstab zur Verfügung steht. Was geschehen muß, ist also nicht nur ein ausgleichender Akt der Gerechtigkeit, sondern eine staatspolitische Notwendigkeit.
Darf ich noch ganz kurz zwei Punkte hervorheben: unsere grundsätzliche Forderung, von der wir nicht ablassen, daß die aktiven Beamten bei allen diesen Maßnahmen mit den Pensionären der öffentlichen Hand eine Einheit bilden und daß die Pensionäre — einschließlich der unter Art. 131 fallenden Personen — deswegen genau so behandelt werden müssen wie die aktiven Beamten. Es wird der Bürokratie des Finanzministeriums nicht noch einmal gelingen, uns hier irgendwie wankend zu machen. Wir werden diesen Grundsatz nicht mehr außer acht lassen.
Eine zweite Forderung, die wir gerade im Hinblick auf die großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten innerhalb der öffentlichen Bediensteten erheben müssen, ist die, unseren Familien mit einer größeren Kinderzahl in besonderem Maße zu helfen, weil die herrschende Not sich in den größeren Familien vervielfacht bemerkbar macht.
Meine Damen und Herren! Über diese beiden Grundsätze hinaus möchten wir im Augenblick — und wir haben das in der Interpellation auch nicht getan — keine speziellen Vorschläge bezüglich dessen, was zu geschehen hat, machen, nachdem wir gerade in den letzten Tagen alle denkbaren Wege in Verhandlungen mit dem Finanzministerium und innerhalb der Fraktionen diskutiert haben. Das Entscheidende ist folgendes: es muß unbedingt jetzt etwas Fühlbares herauskommen, und das Fühlbare muß noch im Monat Dezember herauskommen,
damit die Erwartungen und die Hoffnungen der
Beamten und Angestellten nicht enttäuscht werden.
Unsere Forderung an die Regierung geht nun dahin, uns zu sagen, was sie vorschlägt, um nicht nur die wirtschaftliche Notlage zu beheben, sondern um einem Staatsnotstand abzuhelfen, der tatsächlich eingetreten ist.
Meine Damen und Herren, wir sprechen in der Öffentlichkeit soviel über die Verpflichtungen zum Beispiel des Arbeitgebers in der privaten Wirtschaft gegenüber seiner eigenen Belegschaft. Die Grundsätze, die hier gelten, gelten bestimmt auch innerhalb des Treueverhältnisses zwischen dem Staat und den Beamten und den öffentlichen Angestellten, und bei allen sozialen Verpflichtungen, die wir zu erfüllen haben, gilt auch der Satz: Der unsozialste Staat ist der, der seinen eigenen engsten Mitarbeitern die gerechte Vergütung vorenthält.
Wird gleich geantwortet? — Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung erkennt an, daß, wie es in der Großen Anfrage auf Drucksache Nr. 3737 heißt, die Gehälter der Beamten und Behördenangestellten hinter der Entwicklung in anderen Berufsständen zurückgeblieben sind. Die Bundesregierung hält es für überflüssig, zu betonen, daß ihr das Wohl der Beamtenschaft, die Aufrechterhaltung des Berufsbeamtentums und die Fürsorge für das Berufsbeamtentum besonders am Herzen liegen.
Sie darf aber darauf verweisen, daß die große Sozialgesetzgebung — Bundesversorgungsgesetz, Fürsorge für den Personenkreis des Art. 131, Anpassung der Sozialrenten aller Art an die gestiegenen Lebenshaltungskosten — die vordringlichste Aufgabe gewesen ist und daß alle diese Aufgaben zusammen nur im Rahmen des Möglichen geleistet werden können.
Ich bitte es nicht als Bemängelung dieser echten Überzeugung zu betrachten, wenn ich betone, daß es mir nicht richtig erscheint, bei einem Vergleich einerseits von den Besoldungsgrundsätzen des Jahres 1927, andererseits aber von den Lebenshaltungskosten des Jahres 1938 auszugehen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß bei einem Vergleich immer nur das gleiche Jahr als Vergleichsjahr genommen werden kann, also, wenn man vom Jahre 1938 für den Lebenshaltungsindex ausgeht, auch die Besoldungsverhältnisse des Jahres 1938 zugrunde gelegt werden müssen. In diesem Jahr war die Besoldung der Beamten aber um 21 % geringer als im Jahr 1927.
Bei Berücksichtigung dieser Tatsache liegt das gegenwärtige Bruttobesoldungsniveau unter Einbeziehung der im Laufe des Jahres 1952 gewährten Jahreszuwendung in Höhe eines halben Monatsgehalts nicht bei 120, sondern bei 150.
Im übrigen muß grundsätzlich bemerkt werden, daß eine automatische Anpassung der Besoldung des öffentlichen Dienstes an den Lebenshaltungsindex zur gleitenden Gehalts- und Lohnskala und damit zu den Folgen einer solchen gleitenden Lohn- und Gehaltsskala führen könnte.
Wie schon in der Begründung zu den Entwürfen eines Zweiten und eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts ausgeführt worden ist, steht auch die Bundesregierung auf dem Standpunkt, ' daß eine grundlegende Reform des geltenden Besoldungsrechts erforderlich ist. Das Ziel einer solchen Reform soll einmal die Beseitigung wirtschaftlicher Notstände und weiter die Festsetzung einer Besoldung sein, die der Leistung und der Verantwortung der Beamten in den einzelnen Laufbahngruppen mehr als bisher Rechnung trägt und damit die in den letzten Jahren aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Werbung qualifizierten Nachwuchses beseitigt. Die Vorarbeiten für das Reformwerk sind bereits seit längerer Zeit im Gang. Bis zum Abschluß dieser Arbeiten wird aber noch eine gewisse Zeit vergehen, da im Interesse einer dauerhaften und den Rechts- und Arbeitsfrieden sichernden Lösung die wirtschaftlichen Ziele sämtlicher Berufsgruppen aufeinander abgestimmt werden müssen. Ich bemerke, daß ich in dieser Überzeugung bisher mit sämtlichen Vertretern aller Organisationen völlig einig gehe.
Die Fragen der Besoldungsreform sind aber auch nicht für sich allein zu lösen. Die Summe sämtlicher Personalausgaben in den öffentlichen Haushalten, die mit rund 10 Milliarden DM jährlich zu beziffern sind, stellt nicht nur für die öffentlichen Haushalte, sondern auch für die gesamte Volkswirtschaft einen gewichtigen Faktor dar. Es müssen daher gleichzeitig mit einer Reform des Besoldungsrechts notwendig andere das wirtschaftliche und soziale Leben des Volkes erfassende Reformen verbunden werden. Eine Besoldungsreform ist nach Auffassung der Bundesregierung ohne eine Finanz- und Steuerreform nicht möglich. Wenn die öffentlichen Haushalte durch eine Besoldungsreform zusätzliche Belastungen erfahren sollen, muß feststehen, welche Steuerquellen diesen öffentlichen Haushalten erschlossen bleiben , und wie diese Steuern im einzelnen gestaltet werden sollen.
Die zukünftige Belastung des einzelnen Beamten mit öffentlichen Abgaben ist für die Gestaltung der Besoldung von wesentlicher Bedeutung. Die von Berufsverbänden und einzelnen Länderparlamenten in Erwägung gezogenen oder geforderten Überbrückungsmaßnahmen für diese Zeit stellen vielfach eine geeignete Lösung bis zur großen Besoldungsreform nicht dar. Es können nur Überbrückungsmaßnahmen in Betracht gezogen werden, die den Arbeitsfrieden wahren, die Besoldungsreform nicht präjudizieren sowie haushaltsmäßig und allgemein wirtschaftlich tragbar sind.
Derartige Überbrückungsmaßnahmen ' werden einmal durch den Entwurf des Dritten Änderungsgesetzes zur Besoldungsordnung getroffen. Schon hierdurch entstehen sämtlichen öffentlichen Haushalten Belastungen im Jahresbetrage von insgesamt 450 Millionen DM, wovon auf den Bundeshaushalt allein rund 45 Millionen DM entfallen. Das Dritte Änderungsgesetz soll vor allem dem wirtschaftlich am meisten der Hilfe bedürfenden Teil der Beamtenschaft, das sind die Beamten mit Kindern und der junge Nachwuchs, Verbesserungen des Einkommens durch Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses, der Kinderzuschläge und anderes bringen.
Darüber hinaus hat aber die Bundesregierung noch erörtert, wie sämtlichen Beamten bis zu einer großen Besoldungsreform oder anderen durchzuführenden steuerlichen Maßnahmen geholfen werden kann. Sie hat mit den Beamtenverbänden und mit den Finanzministern der Länder beraten, auf welche Weise die Hilfe einerseits wirksam für den einzelnen, andererseits tragbar für die öffentlichen Haushalte gestaltet werden könnte. Ich darf hier bemerken, daß diese Besprechungen mit den Vertretern der Länder und Gemeinden nicht ohne Schwierigkeiten gewesen sind, da selbstverständlich die Finanzlage derselben verschiedenartig ist und daher eine Lösung gefunden werden muß, die von allen getragen werden kann. Nach dem Ergebnis der Besprechungen mit den Finanzministern darf die Bundesregierung erklären, daß gemeinsam bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage der Beamtenschaft ein allgemeiner Notstand der Beamtenschaft anerkannt und es daher als zulässig erachtet wurde, zur Behebung dieses Notstandes die Gewährung von steuerfreien Unterstützungen vorzusehen. Ich bemerke, daß dieser Weg vor allem deswegen gewählt wurde, weil einzelne der beteiligten Gemeinden und Verkehrsverwaltungen in ihrem Rahmen nun einmal enger begrenzt sind als andere und ein Weg gefunden werden mußte, der allen Beteiligten die Möglichkeit gab, sich an diesem Unterstützungswerk zu beteiligen.
Demzufolge hat die Bundesregierung beschlossen, folgende Maßnahmen durchzuführen.
Erstens. Die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes einschließlich der Versorgungsempfänger und der 131er — worüber nie Zweifel bestanden hat — sollen ab 1. Januar 1953 für die Dauer von zwölf Monaten eine steuerfreie Unterstützung in Höhe von 7 0/o des Grundgehalts einschließlich der Zulagen und besonderen Zuschläge auf Grund des Ersten Besoldungsänderungsgesetzes oder der entsprechenden Grundvergütungen erhalten.
Zweitens. Nach den Besprechungen mit den Länderfinanzministern sollen diese Unterstützungen entweder monatlich oder auch für größere Zeiträume im voraus gezahlt werden. Die Bundesregierung beabsichtigt nun, diese Unterstützungen für vier Monate im voraus, möglichst noch im Dezember 1952 zur Auszahlung zu bringen. Sie wird die entsprechenden Vorlagen dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages raschestens unterbreiten.
Drittens. Außerdem sollen im Dezember 1952 die Beamten ebenso wie auf Grund der Tarifverträge die Angestellten und Arbeiter eine Weihnachtszuwendung erhalten, die für Verheiratete 50 DM, für Ledige 30 DM und für jedes kinderzuschlagsfähige Kind 15 DM beträgt.
Diese Maßnahmen werden folgenden finanziellen Aufwand erfordern. Die Unterstützungen belaufen sich für sämtliche Haushalte zusammen auf 538 Millionen DM jährlich. Hiervon entfallen auf den Bundeshaushalt 76,2 Millionen DM, auf die Post 66,0 Millionen DM, auf die Bundesbahn 86,8 Millionen DM, zusammen für diese drei Bundeszweige 229 Millionen DM. Der Rest entfällt auf die Länder und Gemeinden. Für die Weihnachtszuwendung ergibt sich bei sämtlichen öffentlichen Haushalten ein Aufwand von 110 Millionen DM. Zuzüglich der Aufwendungen, die das Dritte Besoldungsänderungsgesetz erfordert, nämlich 450 Millionen DM, werden die öffentlichen Haushalte danach insgesamt mit rund 1 Milliarde 100 Millionen DM jährlich belastet.
Die Bundesregierung wird für ihren Bereich in Kürze die Zustimmung der zuständigen parlamentarischen Instanzen zu den geplanten Maßnahmen beantragen. Der Bundeshaushalt als solcher ist der geringst betroffene. Aber die Belastung der gesamten öffentlichen Hand erreicht ein solches Ausmaß, daß ich hoffe, daß die Öffentlichkeit und auch die Beamtenschaft ein Verständnis dafür haben, daß solche Maßnahmen sich nun einmal an einen bestimmten Rahmen, an den Rahmen des Möglichen, halten müssen. Mit diesen Überbrückungsmaßnahmen glaubt die Bundesregierung den Interessen der Beamtenschaft im Rahmen des Möglichen bis zum Inkrafttreten der großen Besoldungsreform oder sonstiger die wirtschaftliche Lage der Beamtenschaft fördernden Regelungen genügend Rechnung getragen zu haben. Das gesamte Besoldungsproblem kann nur dann für die Dienstherren und die Angehörigen des öffentlichen Dienstes zufriedenstellend gelöst werden, wenn die Einheitlichkeit des Besoldungs- und Versorgungsrechts in Bund, Ländern und Gemeinden erhalten bleibt und keine Einzelmaßnahmen getroffen werden, die gegen zwingendes Bundesrecht und damit gegen das Grundgesetz verstoßen. Denn wir sind e i n Volk und e i n Staat, und die Beamtenschaft, die diesem Volk und diesem Staat dient, soll in diesem Volk und in diesem Staat unter den gleichen Rechts- und Wirtschaftsverhältnissen leben können.
Ich rufe auf Punkt 3 b der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Dritten
Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des
Besoldungsrechts .
Wer begründet diesen Entwurf?
— Ich hatte gefragt, wer den Gesetzentwurf begründet. — Das Wort zur Begründung hat der Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe auf diesen Gesetzentwurf bereits in der vorausgegangenen Erklärung der Bundesregierung Bezug genommen. Ich darf nur das Wesentliche dieses Änderungsgesetzes darlegen.
Das Dritte Änderungsgesetz sollte in erster Linie den sozialen Unterschieden, die innerhalb der Beamtenschaft noch bestehen, abhelfen. Es war gedacht als ein Gesetz für Überbrückungsmaßnahmen bis zum Inkrafttreten der neuen Besoldungsreform. Es war in erster Linie infolgedessen gedacht an die kinderreiche Beamtenfamilie. Infolgedessen ist vorgesehen die Staffelung des Kinderzuschlags nach dem Lebensalter der Kinder und die Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses für Beamte mit drei und mehr Kindern.
Der Kinderzuschlag beträgt gegenwärtig einheitlich 20 DM monatlich. Er soll künftig von vornherein auf monatlich 25 DM, vom 6. Lebensjahr, dem Beginn der Schulzeit ab auf monatlich 30 DM und vom 16. Lebensjahr ab — also für Lehrlinge, Fachschüler oder höhere Schüler — auf monatlich 35 DM erhöht werden.
Darüber hinaus soll den Familien mit drei und mehr Kindern durch eine Erhöhung des Wohnungs-
geldzuschusses geholfen werden. Die Familien mit drei und vier Kindern sollen fortan den Wohnungsgeldzuschuß erhalten, der bisher Familien mit fünf und mehr Kindern gewährt wurde. Der Wohnungsgeldzuschuß für Familien mit fünf und mehr Kindern soll um 12,5 % erhöht werden.
Besonders vordringlich erscheint der Bundesregierung eine Förderung des Beamtennachwuchses und der jungen Beamten durch Verbesserung ihrer Bezüge. Diesem Zweck dienen Maßnahmen auf dem Gebiet des Wohnungsgeldzuschusses. Die jungen Beamten sollen künftig von vornherein den Wohnungsgeldzuschuß nach der Tarifklasse erhalten, den sie nach dem geltenden Recht erst im mittleren Lebensalter erreichen können. Eine weitere Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses der jungen Beamten ergibt sich dadurch, daß der Wohnungsgeldzuschuß aller Beamten mit weniger als drei Kindern von bisher 120 auf 130, d. h. um 8 1/3 % erhöht wird. Bei den Beamten auf dem Lande und in den kleineren Städten kommt als weitere Verbesserung hinzu, daß alle Orte der Ortsklasse D in die Ortsklasse C eingereiht werden sollen. Diese Änderung der Ortsklasseneinteilung wird besonders von den Beamten der Eisenbahn, der Post, der Zollverwaltung, der Polizei und den Lehrern begrüßt werden. Nachdem die Diäten der außerplanmäßigen Beamten durch das im August 1952 in Kraft getretene Zweite Besoldungsänderungsgesetz erhöht worden sind, tritt durch die in dem vorliegenden Entwurf des Dritten Änderungsgesetzes auf dem Gebiet des Wohnungsgeldzuschusses vorgesehenen Maßnahmen für die jungen Beamten eine recht beachtliche weitere Verbesserung ihrer Bezüge ein. Das Anfangseinkommen eines ledigen Junglehrers in der Ortsklasse D, das im Juli 1952 242,50 DM betrug, hat sich ab 1. August 1952 auf 284,50 DM erhöht und wird mit Inkrafttreten des Dritten Änderungsgesetzes weiter auf 306 DM steigen. Bei einem ledigen Assessor in der Ortsklasse A beträgt die Erhöhung der Dienstbezüge durch das Zweite und Dritte Änderungsgesetz monatlich 122 DM. Sein Monatseinkommen betrug im Juli noch 401 DM. Es ist ab 1. August 1952 auf 493 DM gestiegen und wird sich mit Inkrafttreten des Dritten Änderungsgesetzes auf 523 DM erhöhen.
Die schon erwähnte Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses von 120 auf 130 v. H. ist nicht nur für die jungen Beamten, sondern für alle Beamten ohne Kinder oder mit weniger als drei Kindern bedeutsam. Damit erfahren auch die Beamten, für die sich aus den einzelnen Sozialmaßnahmen keine Verbesserung ergibt, eine gewisse Erhöhung der Bezüge.
Für die älteren ledigen Beamten sieht der Entwurf des Dritten Änderungsgesetzes eine weitere Verbesserung insofern vor, als sie vom 45. Lebensjahr ab wieder — wie vor 1936 — den Wohnungsgeldzuschuß eines verheirateten Beamten erhalten sollen. Diese Regelung wird in erster Linie den ledigen weiblichen Beamten zugute kommen, die durch den gegenwärtigen Frauenüberschuß zur Ehelosigkeit und zur Berufsausübung gezwungen sind. Sie dürfen erwarten, daß ihnen die Führung eines eigenen Hausstandes durch Gewährung des hierfür bestimmten Wohnungsgeldzuschusses erleichtert wird.
Einen weiteren wesentlichen Teil des Inhalts des Dritten Änderungsgesetzes stellen Rahmenbestimmungen dar, die den Ländern die Möglichkeit geben sollen, notwendige Modifikationen auf dem Gebiet der Besoldungsordnungen vorzunehmen. Obwohl alle Änderungen der Besoldungsordnungen bis zur Durchführung einer umfassenden Besoldungsreform zurückgestellt bleiben müssen, läßt sich eine Angleichung der Aufstiegsmöglichkeiten für einige auf diesem Gebiet benachteiligte Beamtengruppen nicht umgehen. Hierzu zählen die Lehrer, die Studienräte, die Amtsgerichtsräte, die Landgerichtsräte und die Staatsanwälte. Für diese Beamtengruppen, die gegenüber den vergleichbaren Beamten der übrigen Verwaltungen in den Beförderungsaussichten benachteiligt sind, soll ein Ausgleich in der Weise geschaffen werden, daß einem Sechstel zwei Jahre nach Erreichung des Endgehalts eine ruhegehaltsfähige Stellenzulage verliehen werden kann.
Für die Schulleiter sieht der Entwurf gewisse Vergünstigungen vor, die zum Teil schon früher bestanden haben und deren Wiedereinführung berechtigt erscheint, um auch diese Beamten in ihrer Besoldung und ihren Beförderungsverhältnissen den Beamten der übrigen Verwaltungen anzugleichen.
Die im Entwurf des Dritten Änderungsgesetzes enthaltenen Änderungen der Besoldungsordnung für die Beamten der Deutschen Bundesbahn stellen keine Neuregelungen im eigentlichen Sinne dar. Es handelt sich hier um Anpassungen, die durch die Änderung der staatsrechtlichen Verhältnisse und durch die neue Organisation der Deutschen Bundesbahn durch das Bundesbahngesetz bedingt sind.
Wie in der Beantwortung der Großen Anfrage bereits zum Ausdruck gebracht, ergibt die Durenführung des Gesetzes für alle offentlichen Haushalte eine Mehrausgabe von 45u Millionen DM jahrlich. Hiervon entfallen allein auf die Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses für den Beamten mit weniger als drei Kindern 112 Millionen DM. Der Anteil an dem 450 Millionen DM betragenden Gesamtaufwand ist für den Bund auf 44,6, für die Post auf 50,6 und für die Bahn auf 88,5 Millionen DM zu beziffern.
Ich rufe die Punkte 3 c) und 3 d) der Tagesordnung auf:
c) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts ;
d) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Teuerungszulage für Beamte .
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst erklären, daß ich im Augenblick nicht zu den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers Stellung nehme, sondern die Anträge der FDP begründe. Ich kann auch deshalb im Augenblick nicht dazu Stellung nehmen, weil die Dinge wohl erst noch besprochen werden müssen, da die Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers teils über die Besprechungen, die stattgefunden haben, hinausgehen, teils aber dahinter zurückbleiben.
Meine Damen und Herren, in Erkenntnis der Tatsache, daß die Not der Beamten und Ange-
stellten des öffentlichen Dienstes immer drückender geworden ist, hat die FDP Ende vorigen Monats zwei Anträge eingebracht, deren Ziele als ausgesprochene Notmaßnahmen zu betrachten sind. ' In dem einen Antrag fordert die FDP als Sofortmaßnahme die Auszahlung eines halben Monatsgehalts im Dezember 1952. Mit dem anderen Antrag, der die Beseitigung der Sperrklausel verlangt, zielt die FDP auf eine Auflockerung der verkrampften Besoldungspolitik des Bundes von der Länderseite her ab.
Lassen Sie mich zunächst den Antrag auf Zahlung eines halben Monatsgehalts begründen. Im Sommer dieses Jahres wurde von seiten der Regierung erstmals der Gedanke laut, den Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes ein halbes Monatsgehalt zu zahlen. Diese neuartige Gehaltszahlungsweise begegnete damals in Beamtenkreisen vielfacher Kritik, und sie wurde auch von allen Seiten dieses Hauses geteilt, als bekannt wurde, daß das halbe Monatsgehalt nur für die aktive Beamtenschaft gedacht war. Man sah sich hier einem erneuten Versuch des Bundesfinanzministers und seines Besoldungsreferenten gegenüber, die Pensionäre und die 131er abzuhängen. Die Gefahr ist damals abgewendet worden. Nach sehr harten Verhandlungen wurde erreicht, daß die Pensionäre und 131er drei Monate später dieselbe Zulage erhielten. Nach der Zahlung sowohl an die aktive Beamtenschaft als auch an die Pensionäre und 131er kann man heute eine etwas ruhigere Betrachtung dieser neuen Institution der Zahlung eines halben Monatsgehalts anstellen. Ich möchte die Dinge einmal vom gehaltspsychologischen Gesichtspunkt aus betrachten. Es ist die Frage, ob es psychologisch richtig ist, es auch in Zukunft so zu machen, daß man denjenigen Berufsgruppen, die ohnehin ständig unterbezahlt sind und wohl leider in der nächsten Zeit auch bleiben werden, gewissermaßen von Amts wegen für mehrere Monate einen Teil ihres Gehalts zusammenfaßt und diese größeren Beträge in Intervallen, also vielleicht alle vier oder sechs Monate, in einer Summe auszahlt. Das hat den Vorteil, daß demjenigen, der nicht in der Lage ist, von seinem laufenden Gehalt Rücklagen zu machen, vielleicht für die Reise oder für Weihnachten oder für Notzeiten oder für Kleidung die Sorge für diese Sonderfälle des Lebens sozusagen von Staats wegen abgenommen wird, indem er mit der globalen, kumulierten Zahlung
Beträge erhält, die ihm eine Anschaffung oder eine Reise ermöglichen. Ich darf betonen, daß insofern nunmehr auch in der Beamtenschaft der Gedanke besteht, dieses Institut einer Intervallzahlung, also etwa die Zahlung des halben Monatsgehalts, beizubehalten. Aus diesem Grunde hat die Freie Demokratische Partei, obwohl sie zunächst dieser Einrichtung zurückhaltend gegenüberstand, diese Methode aufgegriffen und für den Dezember die erneute Zahlung eines halben Monatsgehalts verlangt. Es war auch nötig, daß in der zweiten Hälfte des Haushaltsjahres noch einmal etwas für den öffentlichen Dienst geschah. Wenn man das erste halbe Monatsgehalt auf die Monate von April bis Oktober verrechnet, so bedeutet es auf die Gesamtbezüge etwa eine Steigerung von 8,4 %. Wir stehen nunmehr, wenn wir für die zweite Hälfte dès Haushaltsjahres den Stand der ersten Hälfte des Haushaltsjahres wahren wollen, vor der Notwendigkeit, eine Erhöhung mindestens in gleicher Höhe vorzunehmen. Das wäre der Fall, wenn gemäß dem Antrag der FDP im Dezember ein halbes Monatsgehalt gezahlt würde. Dann wäre insoweit für das laufende Haushaltsjahr die Höhe der Besoldung gehalten.
Ich stehe nun aber nicht an, für die Freie Demokratische Partei zu erklären, daß wir selbstverständlich auch bereit sind, auf die soeben gemachten Vorschläge des Herrn Bundesfinanzministers einzugehen. Wir müßten allerdings noch prüfen, ob sie etwa zu demselben Ergebnis führen. Wir sind keineswegs unbedingt darauf erpicht, daß die Zahlung den Namen eines halben Monatsgehalts erhalten muß.
Meinetwegen kann man es auch so gestalten, wie der Herr Bundesfinanzminister soeben erklärt hat. Danach sieht man vom 1. Januar an eine prozentuale Erhöhung vor, zahlt sie für vier Monate vorweg, noch im Dezember, und zwar neben dem festen Weihnachtsgeld von 30 DM für den Ledigen, von 50 DM für den Verheirateten und 15 DM für jedes Kind. Wenn diese beiden Beträge zusammen im Dezember zur Auszahlung kommen, dürfte das etwa dem Antrag der FDP entsprechen und per Saldo auf dasselbe hinauskommen. Insofern könnten wir damit einverstanden sein.
Eine andere Frage, zu der aber erst in der Beratung Stellung genommen werden soll, ist die, wieweit das Dritte Besoldungsgesetz hier hineinspielt oder außer Betracht zu lassen ist. Wenn ich den Herrn Bundesfinanzminister recht verstanden habe, soll sich die prozentuale Zulage ab 1. Januar nur auf das Grundgehalt beziehen. Das würde bedeuten, daß alle diejenigen, die verheiratet sind, und insbesondere diejenigen, die Kinder haben, hier schlechter gestellt werden.
— Das werden wir ja noch sehen, Herr Schröder. — Insoweit müßte dann ein Ausgleich durch das Dritte Besoldungs-Änderungsgesetz geschaffen werden, dessen Inkrafttreten man dann auf einen entsprechenden Termin vorverlegen müßte.
Ich möchte nun den zweiten Antrag der FDP begründen:
— Ach, Herr Renner, wenn Sie das nicht verstehen! So stur wie Sie sind wir nun einmal nicht.
Wenn wir ein halbes Monatsgehalt beantragen und der Bundesfinanzminister gibt denselben Betrag und nennt ihn nur anders, so lehnen wir das nicht deshalb ab, nur weil es nicht den Namen unseres Antrages trägt. Das überlasse ich Ihnen, Herr Renner, in einem solchen Falle dann aus übertriebener Dogmatik heraus die Dinge völlig zu verneinen. Es geht hier darum, der notleidenden Beamtenschaft materiell irgendwie zu helfen. Dabei stoßen wir uns nicht daran, ob nun dieser oder jener Antrag unserer Partei formell zum Zuge kommt. Es kommt uns allein auf das Ergebnis an!
Meine Damen und Herren, den anderen Antrag zu begründen, ist natürlich für die FDP etwas schwierig. Ausgerechnet die FDP, die bestimmt keine föderalistische Partei ist, hat den Antrag auf
Beseitigung der Sperrklausel gestellt. Sie werden ja nicht glauben, daß damit nun die FDP in das Lager der Föderalisten gegangen ist und vorhat, eine allgemeine Buntscheckigkeit im Beamtenrecht einzuführen. Nein, die Dinge haben den ausgesprochenen Hintergrund, die Besoldungslage von der Länderseite her aufzulockern, nachdem wir das Gefühl hatten, daß es hier von Bundes wegen nicht recht vorwärts kam.
— Ja, hören Sie nur, was ich sage, Herr Kollege!
— Die Sperrklausel hat bereits ein eigenartiges Schicksal gehabt. Sie war ursprünglich beim Ersten Besoldungsänderungsgesetz in der Regierungsvorlage enthalten. Der Beamtenrechtsausschuß des Bundestages hat dann in seiner Mehrheit gerade dem Argument zugestimmt, daß es nicht zweckmäßig sei, heute schon die Dinge durch eine Sperrklausel auf die Bundesregelung einheitlich festzulegen. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, in dem wir alle noch das Gefühl hatten, daß die Bundesregelung keineswegs vorbildlich sei. Das waren die Gründe, weswegen wir damals im Beamtenrechtsausschuß auf die Sperrklausel verzichtet haben. Man kann eben auch als Unitarier die Einheitsregelung nur dann und erst dann wollen, wenn man von der eigenen guten Regelung überzeugt ist. Der Bund sollte doch niemals den Weg gehen, die eigene noch mangelhafte Regelung den Ländern aufzuzwingen, wenn diese eine bessere haben. Der Verzicht auf die Sperrklausel war also wohl begründet.
Der Bundesrat hat dann allerdings durch seinen Einspruch im Vermittlungsausschuß die Sperrklausel wieder hergestellt, und zwar auf den Wunsch sämtlicher Länder. Nun haben wir das seltsame Bild, daß jetzt gerade die Länder gegen die Sperrklausel Sturm laufen. Das tun besonders Nordrhein-Westfalen und Hamburg, weil sie sich durch die Sperrklausel an der Verbesserung der Besoldung gehindert sehen. Nunmehr müßten Nordrhein-Westfalen und Hamburg den übrigen Ländern klarmachen, daß die Regelung, die sie damals herbeigeführt haben, wieder beseitigt wird.
Wir denken uns bei der Freien Demokratischen Partei die Behandlung dieses Antrags zur Sperrklausel so. Wir sind damit einverstanden, daß der von uns vorgelegte Initiativ-Gesetzantrag dem Ausschuß überwiesen wird; er kann im Ausschuß auch eine Weile ruhen, sagen wir einmal, bis zum Beginn des nächsten Haushaltsjahres, also bis zum 1. April 1953. Wir werden dann sehen, welche Regelung für das nächste Haushaltsjahr bis zu der großen Besoldungsreform, die immer noch vor uns steht, in Aussicht genommen ist. Ich darf allerdings jetzt schon erklären, Herr Bundesfinanzminister: Ich glaube nicht, daß sich die von Ihnen vorgeschlagene Regelung bis zu der großen Besoldungsreform wird durchhalten lassen! Allerdings sind meine politischen Freunde der Ansicht daß mit einer Regelung, die etwa unserem Antrag auf Zahlung eines halben Monatsgehalts im Ergebnis gleichkommt, für dieses Haushaltsjahr, also bis zum 31. März 1953 — abgesehen von dem Dritten Besoldungsänderungsgesetz, das ich vorhin schon ausgeklammert habe —, erst einmal eine gewisse Beruhigung eintreten kann. Wir müßten uns dann Anfang nächsten Jahres rechtzeitig darüber unterhalten, wie die Dinge im nächsten Haushaltsjahr weiter gestaltet werden können. Je nachdem, ob die Dinge sich dann gut oder schlecht anlassen, würden wir bereit sein, notfalls auch den Antrag auf Beseitigung der Sperrklausel ganz zurückzunehmen.
Ich beantrage, beide Anträge dem Beamtenrechtsausschuß zu überweisen.
Auch dem Haushaltsausschuß.
— Und dem Haushaltsausschuß, sicher!
Ich rufe auf Punkt 3 c der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts
.
Das Wort zur Begründung des Antrags hat Herr Abgeordneter Arnholz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Recht ist hier darauf hingewiesen worden, daß die Besoldungsordnung von 1927, die ja jetzt ihr silbernes Jubiläum feiern könnte, immer noch die Grundlage für die gegenwärtige Besoldung bietet; daß das Flickwerk der prozentualen Zuschläge und der Zulagen, so wie sie bisher gewährt worden sind, nicht ausreicht; daß ferner die Preiserhöhungen durch diese Bezüge bei weitem nicht ausgeglichen worden sind und daß darüber hinaus auch die Gehälter und Löhne der freien Wirtschaft den Regelungen im öffentlichen Dienst davongelaufen sind. Die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien, die diese Entwicklung seit langer Zeit beobachten mußten, haben in diesem Punkte völlig versagt.
Sie hatten drei lange Jahre Zeit. Und was ist geschehen? Welch ein klägliches Bild der Flickschusterei bietet es, daß innerhalb eines Jahres drei Gesetze zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts vorgelegt wurden und daß zwischendurch noch ein halbes Monatsgehalt gezahlt werden mußte, um allerdringendster Not zu begegnen!
Wir Sozialdemokraten haben immer wieder eine Besoldungsreform an Haupt und Gliedern gefordert, wie es auch der Deutsche Gewerkschaftsbund getan hat.
Wir haben damit bis vor ganz kurzer Zeit, Herr Dr. Wuermeling, sehr wenig Gegenliebe bei der Bundesregierung gefunden, und dafür tragen Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, die Verantwortung.
Erst kurz vor den Gemeindewahlen vom 9. November ist es anscheinend der CDU, aber hauptsächlich auch nur in Nordrhein-Westfalen, wie Schuppen von den Augen gefallen.
Damals fuhr man in einem Gesetzentwurf, der dem Landtag unterbreitet wurde, schwerstes Geschütz auf. Man sprach von offenkundiger Vertrauens- und Nachwuchskrise, von innerer Abwendung der Beamtenschaft vom Staat, vom Verfall des Staatsapparats. Auch Herr Dr. Wuermeling hat gleiche
Töne heute hier angeschlagen. Aber man fuhr
schweres Geschütz nur auf, man schoß es nicht ab,
oder man schoß bestenfalls Salutmunition. Denn man wußte, daß diese Demonstration mit Rücksicht auf die Sperrvorschriften des Ersten Ergänzungsgesetzes vom 6. Dezember 1951 eben nur eine Demonstration bleiben mußte, — solange der Herr Bundesfinanzminister nicht bereit war, im Bunde mindestens eine gleichwertige Verbesserung des Besoldungsrechts zuzulassen. Und wie wenig er dazu bereit ist, das hat er uns heute, glaube ich, deutlich genug gesagt. Diese Manöver, meine Damen und Herren von der CDU, kennen wir zur Genüge, und es ist nur zu wünschen, daß auch die Beamtenschaft sie durchschaut. Es genügt nicht, zur Ablenkung auf die Ministerialbürokratie loszutrommeln. Verantwortlich, Herr Dr. Wuermeling, ist der Bundesfinanzminister und nicht seine Verwaltung.
Der Bundesfinanzminister aber gehört Ihrer Fraktion an.
— Wenn sie sagen, Herr Kollege Wuermeling, Sie ließen sich in Zukunft durch die Ministerialbürokratie nicht wieder ablenken, so ist das — entschuldigen Sie, daß ich das so eindeutig sage — ein katastrophales Armutszeugnis für Sie als Mitglied dieses Hauses.
Anstatt daß Sie hier im Bundestag einen gleichen oder vielleicht noch besseren Gesetzentwurf als den von Nordrhein-Westfalen eingebracht und damit Ihr schweres Geschütz zielklar abgeschossen hätten, haben Sie sich hier wieder mit einer Demonstration begnügt
und nur eine Große Anfrage eingebracht, die sich darauf beschränkt, zu fragen, welche Maßnahmen die Bundesregierung zu treffen beabsichtige.
— Ach so, ja, aber der Herr Bundesfinanzminister ist doch der für alle diese Dinge Verantwortliche.
Haben Sie denn, Herr Dr. Wuermeling, bevor Sie den Entwurf in Nordrhein-Westfalen einbrachten,
auch mit dem Bundesfinanzminister darüber verhandelt, ob bei einer gleichen Vorlage hier im Bundestag die nötige Deckung vorhanden ist? Nur dann könnten Sie Ihren Einwand mit Recht erheben. Alles andere ist weiter nichts als ein Roßtäuscherstück.
Sie fragen, welche Maßnahmen die Bundesregierung beabsichtige, um den derzeitigen Notstand der Beamten und Behördenangestellten zu beheben und ihnen eine fühlbare Hilfe zuteil werden zu lassen. Von Maßnahmen, die die wesentlich weiter gesteckten Ziele von Nordrhein-Westfalen verwirklichen sollten, ist in der Großen Anfrage noch nicht die Rede. Nun, meine Damen und Herren, damit Sie dieses Spiel, das die Angehörigen des öffentlichen Dienstes verbittern muß, nicht weiterspielen können, bitten wir Sie, unserem Antrag Drucksache Nr. 3841 Ziffer 1 zuzustimmen und die Bundesregierung zu beauftragen, dem Bundestag baldmöglichst den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechtes zuzuleiten. Dabei gehen wir davon aus, daß die Vorarbeiten dafür an den zuständigen Stellen so weit gediehen sind, daß diese Vorlage in den nächsten zwei Monaten hier unterbreitet werden kann.
Wir sind selbstverständlich aber auch der Meinung, daß die Zeit bis zum Inkrafttreten eines solchen Gesetzes überbrückt werden muß. Die Begründung hierfür ergibt sich aus dem, was ich bereits gesagt habe. Wir bitten daher, auch der Ziffer 2 unseres Antrages zuzustimmen, die die Auszahlung eines halben Monatsgehalts bzw. der halben Monatsbezüge bis spätestens zum 31. Dezember dieses Jahres fordert.
Schließlich bitten wir um Ihre Zustimmung zu der Ziffer 3 unseres Antrages, wonach die Bundesregierung beauftragt werden soll, beschleunigt — ich lege Wert darauf zu betonen: beschleunigt — eine Gesetzesvorlage zu unterbreiten, die eine Erhöhung der ruhegehaltsfähigen Bezüge entsprechend der eingetretenen Teuerung vorsieht.
Vorsorglich darf ich dazu erklären, daß die Bundestagsfraktion der SPD eine Erhöhung der Zuschläge um wenige Prozente — man sprach hier und da von 7 % — unter keinen Umständen als angemessen betrachtet. Entsprechend unserer bisherigen Forderung sollen selbstverständlich auch die Empfänger von Versorgungsbezügen in die Erhöhung einbezogen werden. Gerade wir sind es ja gewesen, die bei früheren Gelegenheiten die Anträge gestellt haben, über die Vorlage des Bundesfinanzministeriums hinauszugehen und die aktiven Beamten und die Beamten im Ruhestand als eine Einheit zu betrachten. Wir sind also der Meinung, daß auch die Empfänger von Versorgungsbezügen in die laufenden Erhöhungen wie auch in die Regelung für die einmaligen Zahlungen einbezogen werden müssen. Auch die Erhöhung der Unterhaltszuschüsse für Beamte im Vorbereitungsdienst muß entsprechend vorgesehen werden. Denn gerade diese Angehörigen des öffentlichen Dienstes gehören zu denen, die die allergeringsten Einkünfte haben.
Auch den Empfängern von Mindestversorgungsbezügen müssen die Erhöhungen in gleicher Weise zugebilligt werden. Denn wenn man es vor längerer Zeit für notwendig gehalten hat, Mindestbezüge festzusetzen — und das war richtig —, dann muß man folgerichtig auch diese Mindestbezüge der Entwicklung anpassen. Deshalb hoffen wir, meine Damen und Herren, daß Sie auch der Ziffer 4 unseres Antrages Ihre Zustimmung nicht versagen werden.
Die Angehörigen des öffentlichen Dienstes legen keinen Wert darauf, daß der Bundesfinanzminister hier betont, daß das Wohl der Beamtenschaft ihm und der Bundesregierung am Herzen liege. An Ihren Taten, meine Damen und Herren, werden die Angehörigen des öffentlichen Dienstes Sie, die Bundesregierung wie auch die Koalition, erkennen. , Erwartet wird also von Ihnen, daß jetzt nicht mehr
nur der Mund gespitzt wird. Es muß endlich gepfiffen sein! Stimmen Sie also unserem Antrag zu.
Ich rufe auf Punkt 3 f der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Miessner, Kühn, Gaul, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer und Genossen betreffend gesetzliche Regelung der Besoldung der kriegsgefangenen Beamten .
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat wiederholt seiner Übereinstimmung dahin Ausdruck verliehen, alles zu tun, um das harte Schicksal derjenigen zu mildern, die noch Jahre nach Niederlegung der Waffen in Kriegsgefangenschaft zurückgehalten werden. Wir haben erst jüngst anläßlich der Gedenkwoche für die Kriegsgefangenen unsere feste Entschlossenheit dazu bekundet.
In der Fragestunde des Bundestages vom 17. September 1952 habe ich den Herrn Bundesminister der Finanzen gefragt, welche Bezüge die Angehörigen der noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Bundesbeamten erhalten. Ich habe, nachdem der Herr Staatssekretär im Bundesfinanzministerium die derzeitige Verwaltungspraxis dargelegt hatte, damals an ihn die Frage gerichtet, ob seitens der Bundesregierung Vorarbeiten für eine bundesgesetzliche Regelung getroffen würden und ob sie eine bundeseinheitliche Regelung für erforderlich I) halte. Diese Frage ist mit dem Hinweis darauf, daß es sich im Bundesgebiet nur noch etwa um 50 Fälle handele, als eine solche der „Gesetzesökonomie" bezeichnet und damit im Endergebnis verneint worden.
Seitens des Herrn Vertreters des Bundesfinanzministeriums ist dabei leider der entscheidende Gesichtspunkt unterdrückt worden, nämlich daß die Bundesbehörden noch heute, mehr als drei Jahre nach der Konstituierung der Bundesorgane, den Angehörigen kriegsgefangener Beamter lediglich gekürzte, im wesentlichen auf die Hälfte reduzierte Beträge gewähren, ohne daß sie gesetzlich dazu ermächtigt sind. Nachdem zunächst die Zahlung von Dienstbezügen an die Angehörigen kriegsgefangener Beamter auf Grund von Anweisungen der Militärregierung verboten worden war, hätte man doch wohl erwarten dürfen, daß nach Aufhebung dieser Verbote alsbald eine einwandfreie rechtliche Regelung erfolgte; und diese hätte doch zweifellos von dem Bestreben getragen sein müssen, durch Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft in der Fürsorge für die Angehörigen der Kriegsgefangenen zum mindesten deren seelisches Leid und deren Sorge um ihre Familienangehörigen zu mildern. Statt dessen erfolgten rigorose Kürzungen. Sie sind im einzelnen bei den verschiedenen öffentlichen Dienstherren unterschiedlich, reduzieren jedoch fast durchweg die Bezüge der verheirateten Beamten großenteils auf die Hälfte oder noch weniger, während sie den ledigen Beamten die Bezüge völlig vorenthalten. Dies geschah aber immerhin bei einem Teil der Länder im Wege einer formal ordnungsmäßigen Rechtsetzung. Die Verwaltungszweige, die jetzt zum Bundesdienst gehören, halten es jedoch für verantwortbar, im Wege einfacher
Verwaltungsanordnungen ohne jede gesetzliche Ermächtigung und mithin unter Verletzung des weitergeltenden Besoldungsgesetzes die Bezüge der Betroffenen willkürlich zu kürzen. Ich stehe nicht an, dazu zu erklären, meine Damen und Herren, daß die Tatsache, daß das bisher überhaupt möglich war, doch wohl nur darauf zurückzuführen ist, daß es sich hier um einen Personenkreis handelt, der in ganz besonderem Maße hilflos und durch andere Sorgen so stark in Anspruch genommen ist, daß er zu einer Rechtsverfolgung vor den Gerichten überhaupt nicht in der Lage war; denn darüber, wie Klagen unter den gegebenen Verhältnissen ausgehen würden, kann unter den Sachkennern überhaupt kein Zweifel bestehen.
Ich darf hier darauf hinweisen, daß im Lande Nordrhein-Westfalen — um nur ein Beispiel zu nennen — eine gesetzliche Neuregelung in Vorbereitung ist, obschon dort bisher immerhin eine gesetzliche Regelung bestand. Dies geht, wenn ich' richtig unterrichtet bin, auf eine allgemeine Initiative des Bundesrats zurück. Ich glaube, es dürfte auch in diesem Hause hier Einigkeit darüber bestehen, daß es allerhöchste Zeit ist, auch für den Bund den nicht gerade rühmlichen rechtlosen — um nicht zu sagen: rechtswidrigen — Zustand zu beenden. Was auch immer die Gründe gewesen sein mögen, die den Bundesfinanzminister zu dieser unverständlichen Passivität veranlaßt haben, so können sie gegenüber der Notwendigkeit, die für eine alsbaldige gesetzliche Regelung spricht, nicht bestehen.
Ich möchte in diesem Zusammenhange auch einmal einen Auszug aus einem Brief verlesen, der mir aus 131er-Kreisen zugegangen ist und der das Problem der Regelung, wie sie im 131er-Gesetz erfolgt ist und wie sie zweifellos auch änderungsbedürftig ist, behandelt.
Frau Rüdiger aus Ulm schreibt mir:
Ich möchte besonders auf die Lage und Versorgung von uns Frauen, die wir unsere Männer noch in russischer Kriegsgefangenschaft haben, hinweisen. Man hat uns zu Hinterbliebenen gestempelt. Man gibt uns Bezüge in Höhe des Witwengeldes. Das können wir nicht anerkennen. Unsere Männer leben und haben damit Anspruch auf ihre Bezüge. Die Hinterbliebenenbezüge sind nur für die Bedürfnisse der Hinterbliebenen bestimmt und nicht auch noch für den Unterhalt des Ernährers. Es ist aber doch allgemein bekannt, daß wir seit Januar 1951 unsere Männer in Rußland zur Aufrechterhaltung der Lebensmöglichkeit laufend mit hochwertigen Lebensmitteln, Kleidung und Gebrauchsgegenständen versorgen, und das alles vom Witwengeld!
Meine Damen und Herren, Grundzug der Regelung, die wir von der Bundesregierung erwarten, muß sein, daß den kriegsgefangenen Beamten die ihnen von Rechts wegen zustehenden Bezüge gewährt werden und daß dabei den beamtenrechtlichen Gegebenheiten in vollem Umfange Rechnung getragen wird.
Ich beantrage auch hier Überweisung an den Beamtenrechtsausschuß.
Meine Damen und Harren, die Anträge sind eingebracht und begründet.
Ich habe das Haus beim Aufruf von Punkt 3 der Tagesordnung nicht ganz zutreffend über die
Vereinbarungen im Ältestenrat unterrichtet. Ich habe mich geirrt: der Ältestenrat hat nicht vereinbart, die Aussprache auf morgen zu verschieben, sondern die Aussprache soll heute erfolgen. Wir werden nach dieser Vereinbarung verfahren.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für das Ganze, also für 3 a bis f, eine Aussprachezeit von insgesamt 90 Minuten vor. Ist das Haus einverstanden? — Das ist der' Fall.
Das Wort hat der Abgeordnete Pannenbecker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um mit dem letzten anzufangen: Ich schließe mich dem an, was Herr Kollege Dr. Miessner hinsichtlich der Kriegsgefangenen gesagt hat. Auch meine politischen Freunde und ich sind der Auffassung, daß da nun endlich das Notwendige und das Rechte geschehen muß.
Im übrigen glaube ich, daß es ebensowenig Sinn wie Zweck hat, hier große Begründungen ob der Not der Beamtenschaft zu geben. Aber das eine darf man ja wohl feststellen: Nichts ist besser kennzeichnend für das Durcheinander auf besoldungsrechtlichem Gebiete als die Vielheit der Anträge und die Vielfalt dessen, was aus den Anträgen hervorgeht, und wenn der Antrag vorgelegt worden ist, die Sperrbestimmungen aufzuheben, dann muß man schon sagen, daß das nur deswegen notwendig wird, weil die Bundesregierung auf diesem Gebiete wenig mustergültig vorgegangen ist.
Meine Damen und Herren! Soweit ich den Herrn Finanzminister eben verstanden habe, geht sein Bestreben dahin, den Beamten für eine gewisse Zeit — darauf, wie er die Zulage bezeichnet hat, komme ich noch — eine Zulage von 7 % des Grundgehalts zu geben. Unser Antrag, der Antrag der FU, ging schon seinerzeit dahin, 20 % auf die gesamten Bezüge zu geben. Wenn jetzt wieder nur das Grundgehalt angezogen wird, dann — da gebe ich dem Herrn Kollegen Miessner wieder recht — sind die Beamten mit Familie, Familienväter mit Kindern und Familien mit zahlreichen Kindern immer wieder benachteiligt. Man kann schon deswegen nicht nur vom Grundgehalt ausgehen, sondern muß die anderen Bezüge, den Wohnungsgeldzuschuß und das Kindergeld, einbeziehen, wenn man überhaupt eine Zulage geben will.
Nun sehe ich Herrn Kollegen Wuermeling hier nicht. Ich würde ihm gern gesagt haben, daß ich wünschte, daß er die starken Worte, die er eben gesprochen hat, auch in die Tat umsetzen würde,
und ich würde ihn jetzt fragen: Herr Kollege Wuermeling, entspricht das, was der Herr Bundesfinanzminister, Ihr Fraktionskollege, soeben angekündigt hat, Ihren starken Worten?
Meine Damen und Herren, man gibt jetzt dieser Zulage von 7 % den Charakter einer Unterstützung. Unterstützungen, die man den Beamten gewährt hat, sind auch bis jetzt steuerfrei gewesen. Also dagegen wäre nichts einzuwenden. Aber wie weit sind wir denn gekommen, meine Damen und Herren, wenn man allen Beamten jetzt nur, weil das Einkommen nicht ausreicht, eine laufende Unterstützung, eine Unterstützung für zunächst zwölf oder dreizehn Monate gibt!? Das ist ein Tiefstand, der, ich muß schon sagen: eigentlich nicht weiter getrieben werden kann. Ich weiß nicht, ob man den Ausdruck gebrauchen darf: Hier handelt es sich nicht mehr um eine Unterstützung, sondern mehr oder weniger um ein Trinkgeld.
Was den Antrag der CDU im nordrhein-westfälischen Landtag betrifft, so handelt es sich da nicht um eine Erhöhung von 40 %, wie in der Öffentlichkeit zunächst bekanntgemacht worden ist, sondern nur um eine Erhöhung von 20 %; denn die bereits bewilligten 20 % sollten bei der Reform von den 40 %, die dort beantragt waren, abgezogen werden. Also so liegen die Dinge in Nordrhein-Westfalen.
Ich weiß nicht — ich habe es im Augenblick nicht überschlagen können —, wie weit wir mit den 7 % kommen. Ich bin aber der Meinung, daß sie nicht ausreichen, und ich kündige deswegen einen Antrag meiner Fraktion an, den Beamten erneut eine Teuerungszulage von 20 % zu geben.
Bezüglich des halben Monatsgehalts liegen die Dinge so, daß in vielen, vielen Fällen nach Abzug der Steuern nur 55 % und weniger dieses halben Monatsgehalts ausgezahlt worden sind. Das ist keine Hilfe; dann müßte man nach meiner Meinung auch da steuerliche Begünstigungen gewähren, mindestens aber müßte das geschehen für die nach meiner Auffassung zu niedrig bemessene Weihnachtszulage, die der Herr Finanzminister angekündigt hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts — Drucksache Nr. 3847 — Stellung zu nehmen. Zunächst möchte ich hier noch einmal eindeutig zum Ausdruck bringen, wie tief bedauerlich es ist, daß die allgemeine und große Besoldungsreform immer wieder hinausgeschoben wird. Man kann dabei nicht an der Tatsache vorübergehen, daß die Begründung für dieses Hinausschieben und das Vertrösten auf die Zukunft alles andere als überzeugend ist. Wir lesen in dieser Begründung:
Bei den hierfür in Angriff genommenen Vorarbeiten
— nämlich zur großen Besoldungsreform —
hat sich herausgestellt, daß dauerhafte Lösungen der bestehenden Probleme weitaus mehr Zeit erfordern, als sie für eine Vorlage noch in diesem Jahre zur Verfügung steht.
Muß man hier nicht fragen: Ist der Regierung diese große und wichtige Aufgabenstellung erst im Jahre 1952 bekannt geworden? Sie gibt doch selbst zu, daß die gründliche Reform durch die seit 1945 eingetretenen Veränderungen dringend erforderlich geworden ist. Seit 1949 ist die Regierung im Amt. Wenn wir auch gerechterweise eine reichliche Anlaufzeit von einem Jahre zubilligen, die den naturbedingten Schwierigkeiten entspricht, bleiben zwei volle Jahre, die wirklich dafür ausgereicht hätten, dieser Aufgabenstellung in vollem Umfang Rechnung zu tragen.
Wenn die Regierung in der Folge in weiteren Begründungen und manchen negativen Stellungnah-
men zu Anträgen des Bundesrats, die Verbesserungen der von der Bundesregierung selber erkannten dringlichen Teillösungen bringen sollen, immer wieder von Gefährdung des Arbeitsfriedens spricht, so muß man doch fragen: Wird der Arbeitsfriede nur dann erhalten, wenn man eine Beamtengruppe gegen die andere ausspielt, um dringlichste Verbesserungen auf eine ungewisse Zukunft hinauszuschieben? Gibt es nicht die größere Aufgabe der Herstellung des allgemeinen Arbeitsfriedens, eines Arbeitsfriedens, dessen Gefährdung durch selbst von der Bundesregierung zugegebene wirtschaftliche Veränderungen bedingt ist, die mit ihren Auswirkungen besonders die wirtschaftlich Schwächsten treffen? Wird nicht dadurch, daß man immer noch nicht an das Problem herangeht, der Arbeitsfriede schwerer gefährdet? Diese Erkenntnis hätte dazu führen müssen, daß uns spätestens heute an Stelle dieser Teillösung mit den wiederum unbefriedigenden Ergebnissen die große Besoldungsreform vorgelegt wurde.
Weiter hören wir von der Regierung:
Dauerhafte Lösungen, die den Rechts- und Arbeitsfrieden unter den Beamten aller Dienstherren sichern sollen, setzen im übrigen klare und übersehbare wirtschaftliche Verhältnisse sowie eine gewisse Haushaltsfreiheit voraus.
Auch die Herstellung klarer und übersehbarer wirtschaftlicher Verhältnisse gehörte zu den dringlichsten Aufgaben dieser ersten Bundesregierung. In diesem Satz wird nun von der Regierung selbst zugegeben, daß sie dieser Aufgabe bis heute nicht gerecht wurde. Rechtfertigt nicht dies allein die immer wieder vorgebrachte Kritik der Opposition dieses Hohen Hauses? Das Nichteingehen auf die zahlreichen Anträge meiner Fraktion, die in staatspolitischer Verantwortung gestellt wurden, muß nachträglich auf das tiefste bedauert werden. Das mußte als grundsätzliche Stellungnahme zum vorliegenden Gesetzentwurf gesagt werden.
Es liegt nicht in der Aufgabenstellung dieser ersten Lesung, die zahlreichen Einzelbestimmungen zu besprechen. Ich möchte nur ausdrücken, daß die im Rahmen dieser Teillösung vorgeschlagenen Verbesserungen selbstverständlich von meiner Fraktion im wesentlichen begrüßt und unterstützt werden. Es wird aber die dringlichste Aufgabe des zuständigen Ausschusses für Beamtenrecht sein — dem wir diese Vorlage zu überweisen bitten —, alle diese Vorschläge genau zu prüfen und nach Möglichkeit jetzt schon so weit auszubauen, wie es im Sinne unserer grundsätzlichen Stellungnahme erforderlich ist. Besonders aber wird der Vorschlag auf Verbesserungen, die auf der sozialen Linie liegen, so z. B. die Abschaffung der Ortszulagenklasse D und die teilweise Erhöhung des Kinderzuschlags, von uns gutgeheißen. Dagegen erscheinen uns die Vorschläge für die Besserstellung der in den Beamtenberuf hineinwachsenden jüngeren Generation sehr unzulänglich und ausbauwürdig. Hier liegen im besonderen Maße neben der Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf Menschen- und Familienschicksale staatspolitische Erfordernisse von größter Bedeutung vor.
In diesem Zusammenhang muß ich doch ein Teilgebiet aus dem Inhalt des Gesetzentwurfs herausgreifen, das, obwohl hier alle grundsätzlichen Punkte doppelt schwer wiegen und besonders das Problem der Zeitnot hervorstechend ist, von der Bundesregierung nicht nur vollständig unzureichend angegriffen wurde, es scheint vielmehr — und das ist wohl das Bedenklichste —, als wenn der Bundesregierung das so schwerwiegende Problem gar nicht in vollem Umfang zum Bewußtsein gekommen wäre. Es dürfte Ihnen allen, meine Damen und Herren, wohl schon klar sein, was ich damit meine. Es handelt sich um die Gruppe der Lehrer und Erzieher im allgemeinen und um den Nachwuchs dieser Berufsgruppe im besonderen. Gewiß ist die Kulturpolitik nach dem Aufbau und den Grundsätzen unseres Grundgesetzes Aufgabe der Länder. So ist es begreiflich, daß die ersten Impulse, die auf die Auswirkungen des derzeit unhaltbaren Zustandes zurückzuführen sind, von einzelnen Ländern kommen. Dies blieb nicht ohne Auswirkung auf die Stellungnahme des Bundesrats, obwohl dieser in der Gesamtheit noch nicht erkannt hat, wie verhängnisvoll die Auswirkungen sein werden, wenn nicht umfassende Abhilfe geschaffen wird.
Sie werden mich fragen, was dies mit dem vorliegenden Besoldungsgesetzentwurf zu tun hat. In dieser dritten Besoldungsänderung versucht die Regierung, die ihr nach dem Grundgesetz zustehende Gesetzgebungsbefugnis so auszuüben, daß sie die Rahmen- und damit auch die Grenzbestimmungen für alle Länder und Gemeinden festlegt. Dies betrifft natürlich auch die Besoldung der Lehrer aller Kategorien. Ihnen allen ist aus Ihrer Tätigkeit in allen Teilen des Bundesgebietes bekannt, daß z. B. die Besoldung des Lehrernachwuchses so unzureichend ist, daß schon jetzt, besonders auf der männlichen Seite, bald kein Nachwuchs mehr vorhanden ist. Halten Sie daneben, daß z. B. in einem Land unserer Bundesrepublik heute schon Hunderte von Lehrerstellen wegen mangelnden Nachwuchses nicht besetzt werden können, und bedenken Sie dazu, daß sich das in diesem selben Land zu einer Erziehungs- und Bildungskatastrophe auswachsen muß, wenn jetzt schon feststeht, daß ab 1954 und bis 1959 zwei Drittel aller Lehrerstellen durch den Altersabgang nach Erreichung der Altersgrenze verwaisen. Die Verhältnisse in den anderen Ländern der Bundesrepublik werden sicher ähnlich liegen. Diese einfache Feststellung müßte doch schon heute, wenn sie in ihrer vollen Bedeutung und Auswirkung für das Gesamtleben unseres Volkes erkannt wird — und es gibt keinen Ausschnitt aus diesem, der nicht davon erfaßt würde —, dazu angetan sein, SOS-Rufe auszusenden. Ein nicht rechtzeitiges Erkennen, ja eine ungenügende Voraussicht und unzureichende Maßnahmen kämen einer freiwilligen Demontage eines der wichtigsten Teile des Volksvermögens gleich, eines Volksvermögens, das über die ideelle Bedeutung hinaus weit in das Gebiet der materiellen Güter hineinreicht.
Ich muß es mir heute versagen, die Bedeutung und das Unzureichende der Maßnahmen in allen Einzelheiten hervorzuheben. Lassen Sie wenige Dinge für viele sprechen. Die vorgeschlagenen Lösungen in dieser Hinsicht beschränken sich z. B. auf ein Sechstel der Bewährungsstellen bei den Lehrern an Volksschulen. In dieses Sechstel werden die Ersten Lehrer und Konrektoren eingeschlossen, was die Zahl dieser Bewährungsstellen natürlich bedeutend verringert. Wenn wir auch anerkennen wollen, daß das für diese Lehrer ein Ausgleich für die in diesem Beruf weniger gegebenen Beförderungsmöglichkeiten ist, wenn wir auch anerkennen müssen, daß das eine kleine Leistungszulage für diese Lehrer in einem vorgerückten Alter bedeutet, so müssen wir doch klar erkennen, daß diese Lösung an das Grundproblem nicht im geringsten rührt.
Eine zweite Sache! Ich sagte vorhin, daß nach der vorliegenden Stellungnahme der Bundesregierung der Eindruck entstehen muß, daß sie die volle Schwere dieser Frage nicht erkannt habe. Dazu folgende Feststellung: der Bundesrat hat für den Lehrernachwuchs vorgeschlagen, nach Erledigung des Vorbereitungsdienstes das Anfangsgehalt mit der dritten Dienstaltersstufe beginnen zu lassen. Er begründet das wie folgt:
Der Nachwuchsmangel im Lehrerberuf droht zu einer Katastrophe zu werden. Im Interesse der Erziehung und der Ausbildung der Kinder muß ein genügend zahlreicher und befähigter Nachwuchs für den Lehrerberuf gewonnen und der Not besonders der Junglehrer gesteuert werden. Die Befürchtung, daß bei Durchführung der vom Ausschuß empfohlenen Maßnahme andere Beamtenkategorien dieselbe Vergünstigung verlangen könnten, erscheint dem Ausschuß in Anbetracht des Umstandes, daß die Verantwortung des Lehrers bei Dienstbeginn dieselbe ist wie nach langjähriger Dienstzeit und daß seine Ausbildung sich seit Erlaß des Besoldungsgesetzes entscheidend geändert hat sowie in Anbetracht des erheblichen öffentlichen Interesses an einer guten Erziehung und Ausbildung der Kinder nicht gerechtfertigt.
Sie wissen selbst, was die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme gesagt hat und was auch der Herr Finanzminister heute erklärt hat. Die Bundesregierung lehnt diesen bescheidenen Verbesserungsvorschlag, der zumindest einen kleinen Anreiz geboten hätte, einen Nachwuchs für den Lehrerstand zu finden, rundweg ab. Hier können wir nicht auf die große Besoldungsreform warten; das ist wohl allen klar. Ein Kommentar im Sinne der früheren Ausführungen zu dieser Stellungnahme der Bundesregierung ist wohl überflüssig.
Was müssen wir nun angesichts dieser Lage dem Hohen Hause und seinen Mitgliedern im Beamten-rechtsausschuß vorschlagen? Nichts anderes, als in voller Erkenntnis dieser Notlage und der dadurch drohenden Gefahren in voller Verantwortungsfreudigkeit eine Lösung zu suchen, die, wenn sie auch scheinbar einen althergebrachten Rahmen sprengt, der Bedeutung dieser Sache in vollem Umfang gerecht wird.
Ich darf nicht unterlassen, zu erwähnen, daß es auf diesem Gebiet ebenso bedrohliche Teilerscheinungen gibt. In meinem Heimatland, in Baden-Württemberg, bedeutet die in dieser Gesamtentwicklung vorgesehene Einstufung aller Gewerbelehrer teilweise eine Bildungskatastrophe mit all ihren Auswirkungen auf die traditionell hohe Entwicklung unseres Handwerks, des Gewerbes, der Industrie und auch der Landwirtschaft. Was das für Auswirkungen auf die Exportmöglichkeiten hat, die zu Nutzen oder zu Schaden des ganzen Bundesgebiets gehen, brauche ich hier nicht näher zu kennzeichnen. Wir werden die nötigen Ausführungen dazu im zuständigen Ausschuß mit aller Gründlichkeit machen. Auch hier muß eine Lösung gefunden werden, die diese Gefahr beseitigt.
Lassen Sie mich zum Schluß zusammenfassen: Die Bedeutung dieser Vorlage geht weit über den Rahmen einer sonstigen Vorlage hinaus. Wir alle müssen den Mut haben, aus diesen schwerwiegenden Gründen heraus diese Vorlage nach den Erfordernissen des Lebens und der Zeit, in der wir leben, weitgehend umzugestalten. Wenn wir mit einer verbesserten Vorlage wieder in das Plenum dieses Hauses kommen, werden wir Sie bitten, mit uns die Verantwortung für eine großzügigere Lösung zu tragen. Für uns, das heißt für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, kann ich heute erklären, daß wir in echter staatspolitischer Verantwortung mitarbeiten und, wenn uns die Lösung befriedigend erscheint, auch dafür mit die Verantwortung zu tragen bereit sind. Hier gilt mehr als je zuvor — das sage ich besonders hinsichtlich einiger Ausführungen und denke zum Beispiel 'daran, daß drei Jahre Zeit gewesen ist, diese Dinge anzugreifen, für die auch heute nur Teillösungen angestrebt werden — das Wort: Der Worte sind genug gefallen; laßt uns endlich Taten sehen!
Das Wort hat der Abgeordnete Reimer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist nach der Großen Anfrage vom 30. Oktober betreffend Kriegsopfer nun innerhalb von 4 Wochen die zweite „Große Anfrage", diesmal die Beamtenbesoldung betreffend, die die CDU/CSU an ihren Fraktionskollegen, den Herrn Finanzminister, richtet: Was gedenkt der Herr Finanzminister zugunsten dieses Personenkreises der Beamten und Behördenangestellten, zu tun? Man könnte den Eindruck gewinnen, als ob zwischen der Fraktion und ihrem großen Bruder so ein weltweiter Abstand bestände, daß es gar keine andere Möglichkeit gäbe, hinter seine Pläne zu kommen, als die, hier eine Große Anfrage zu stellen.
Ich bin aber nicht so dumm, das anzunehmen.
Darum sage ich, warum dieses Theater hier aufgezogen worden ist: es ist aufgezogen worden, um vor
der Beamtenschaft angesichts ihrer Forderungen
zu Weihnachten und ihrer allgemeinen Forderungen
einen großen Bluff zu machen. Das ist der Inhalt.
Wenn Sie, Herr Dr. Wuermeling, dann noch feststellen, daß die Beamtenschaft eigentlich seit 20 Jahren in einer Besoldungslage steckt, die schlechthin nicht mehr tragbar ist, dann ist doch die zweite Frage — —
— In ihrem eigenen Antrag steht, 'daß die Besoldung „schlechthin nicht mehr tragbar" ist.
— Jetzt, schön!
— Aber seit 4 Jahren sind Sie doch schon mit Ihrem Herrn Dr. Adenauer hier und jetzt kommen Sie erst dahinter!
— Drei Jahre genügen auch. Ich wäre sogar zufrieden, wenn Sie mit Ihrem Herrn Dr. Adenauer so schnell wie möglich abgingen, vor Ablauf des vierten Jahres.
Nun gibt Herr D r. W u e r m e l i n g für seinen Antrag eine sehr eigenartige Begründung. Er
spricht von der staatspolitischen Notwendigkeit einer Befriedung der Beamtenschaft.
Hitler hat auch einmal von „Befriedung" gesprochen. Wissen Sie, wann er daran gegangen ist, die Beamtenschaft zu „befrieden"? Kurz vor Kriegsausbruch!
Wenn man einen Krieg durchführen will, dann muß man eine willfährige Beamtenschaft haben, und der muß man dann schon entsprechende Gehälter zahlen.
— Das liegt auf der hohlen Hand. Und dann stellt sich derselbe Herr Wuermeling hin und sagt: Nicht wahr, es ist doch eine stolze Sache für die Regierung, daß es auf anderen Sektoren gelungen ist, gewisse Verbesserungen zu erreichen. Er spricht zum Beispiel von den glänzenden Löhnen der Arbeiter. Er vergleicht sogar die Sozialrenten mit der Beamtenbesoldung, kommt aber dann zu der Schlußfolgerung: Spezielle Forderungen stellen wir nicht, aber es muß etwas Fühlbares geschehen. Dann kommt der Herr Minister und sagt, was „Fühlbares" geschehen muß. Er spricht von der Gesamtbelastung der öffentlichen Hand, von der Verschuldung der Beamtenschaft und kommt zu der Schlußfolgerung: 7 % pro Monat Zulage zum Grundgehalt. Und dann sagt er, das kann ja auf vier Monate zusammengezogen und auf einen Schlag ausgezahlt werden. Danach kommt der Herr Miessner von der FDP mit dem „Grundsatzantrag", ein halbes Monatsgehalt zu zahlen. Im Laufe seiner Ausführungen beweist er, daß vier mal sieben Prozent gleich fünfzig Prozent sind.
Er sagt nämlich: Wenn der Herr Minister mit seinem Vorschlag zu demselben Ergebnis kommt, das in unserem Antrag gefordert wird, sind wir damit zufrieden.
Herr Miessner, 4 mal 7 ist 28,
und wenn man 7 % des Grundgehalts auf vier Monate zusammendrängt und auf einmal bezahlt, ist das kein halbes Monatsgehalt. So schlau sollten Sie sein, Sie haben ja den Doktor-Titel.
Die Beamtenschaft hat konkrete Forderungen gestellt, die uns allen bekannt sind. Die Beamtenschaft fordert 50 % des Dezember-Bruttogehalts. Durch ihre Berufsorganisation verlangt sie darüber hinaus eine 30%ige allgemeine Gehaltserhöhung. Und dafür stimmen wir Kommunisten!
Wir stimmen ebenso für eine grundsätzliche Neuregelung des Besoldungsrechts im Sinne einer wirklichen Reform. Auch für die Gleichstellung der Ruhegehaltsempfänger mit dem aktiven Beamtentum stimmen wir.
— Jawohl, dafür stimmen wir. Wir haben auch für die 131er gestimmt.
— Ich habe nur drei Minuten Redezeit und kann nicht mit Ihnen über die Ostzone diskutieren; und wenn ich Ihnen die Wahrheit darüber sage, glauben Sie es doch nicht,
weil Sie nicht dürfen.
Wir sind also der Meinung, daß schnellstens eine grundsätzliche Reform vorgenommen und der Beamtenschaft zu Weihnachten das halbe Bruttomonatsgehalt gewährt werden muß.
Wir werden, wenn diese Anträge aus dem Ausschuß zurückkommen, d. h. wenn der Gesetzentwurf, den Sie beantragen, vorliegt — hoffentlich wird er noch vor dem Sankt-Nimmerleins-Tag kommen —, im Sinne unserer Ausführungen die entsprechenden, uns notwendig erscheinenden Verbesserungsanträge stellen. Das ist unsere Haltung zu diesem Problem.
Nun möchte ich an die Adresse der Beamtenschaft ein Wort sagen.
— Ja, wählt KPD, wählt KPD, wählt KPD, dann
seid ihr nämlich nicht dazu verurteilt, mit solchen
Hungergehältern zu existieren und dabei auch noch
eure Intregrität zu wahren. Ihr verlangt nämlich
nicht nur hungernde Beamte, ihr verlangt ja auch
noch, daß sie sich die Finger sauber halten. Daß das
bei Ihrer Methode überhaupt noch möglich ist, ist
ein Wunder; und daß das tatsächlich- noch der Fall
ist, dafür danken wir der deutschen Beamtenschaft.
Das ist unsere Haltung zu diesem Problem.
Das Wort hat der Abgeordnete Rümmele.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Herr Vorredner hat in sehr temperamentvoller Weise zu beweisen versucht, was man nicht beweisen, kann, und der erste
Redner der SPD, der verehrte Herr Kollege Arnholz, hat etwas zu sehr Holz gehackt auf der
CDU.
Man kann der CDU alles Unmögliche nachsagen und für sie keine Sympathie haben, aber das kann man ihr bestimmt nicht nachreden, daß sie nicht beamtenfreundlich war oder wäre und bleiben würde.
Das ist für die CDU immer eine große Selbstverständlichkeit gewesen.
— Nein, das sind keine Worte, das sind Taten, und sie bestehen darin, daß wir die Sicherheit der Beamtenstellung mit den anderen positiven Elementen des Volkes erhalten haben.
Es gäbe in Deutschland vielleicht kein Berufsbeamtentum mehr, wenn nicht auch die CDU — ich will das gerne der SPD und zum Teil auch anderen zugestehen — jederzeit positiv für das Beamtentum eingetreten wäre. Wenn Sie uns etwas Schlechtes zutrauen, nun, mein Gott, das geht einmal im
Leben so. Zwischen Opposition und Koalition kann ja nicht ewig Frieden sein; das wäre zuviel verlangt.
Eines dürfen Sie uns aber nicht zutrauen, nämlich daß wir so dumm wären, für diese große und bedeutende Schicht mit ihrem Verdienst, das sie hat, mit ihrer Tradition, die sie mitbringt, und mit der Notwendigkeit, die sie für den Staat, die sie für Bund, Länder, Städte und Gemeinden hat, nicht einzusehen, daß wir weiter auf dem Boden des Berufsbeamtentums stehen müssen und, soweit wir die Möglichkeit sehen, den Beamten helfen müssen.
Nun muß ich allerdings sagen: ich würde lieber mit dem Herrn Bundesfinanzminister einer Meinung sein; ich kann es aber nicht sein.
Ich habe aber auch hier eine Verpflichtung, vorher zu sagen — das gehört auch dazu —: ich erkenne — und die Fraktion selbstverständlich — die ganz großen Verdienste unseres Herr Finanzministers an.
Es wird wohl niemand in diesem Hause sein, der etwa neidisch wäre auf sein Amt und die ungeheure Verantwortung, die er trägt. Es ist zweifellos richtig, wenn er immer wieder sagt: Es ist natürlich leicht, Ausgaben zu beschließen, es ist auch leicht, Steuern zu senken; es ist aber schwer, für den Mann, der die Verantwortung trägt, mit diesem Etat dann auszukommen und ihn auszugleichen und auch noch auf seinem Sektor mitzuhelfen, an erster Stelle mitverantwortlich mitzuhelfen, daß auch die Währung und das Geldwesen gesund bleiben.
Insofern: alle Anerkennung, Herr Bundesfinanzminister!
Ich kann aber nicht umhin, die Meinung der Fraktion der CDU/CSU in einigen Punkten darzulegen, die nicht auf der Linie dessen liegt, was uns der Finanzminister in Aussicht gestellt hat. Zunächst einmal eine Bemerkung. Es ist richtig: man kann nur vergleichen, was vergleichbar ist. Ich glaube aber nicht, daß die Angabe ganz stimmen kann, im Jahre 1938 hätten die Beamten 21 % weniger Besoldung als 1927 gehabt.
Ich habe diese Zeit j a auch noch mitgemacht, und ich erinnere mich an die 6 % der sogenannten Brüningschen Notverordnung, die bestanden hat. Ich erinnere mich aber nicht, daß weitere gesetzliche Abzüge in diesem Ausmaß erfolgt seien. Ich weiß nicht, ob da nicht irgendein Irrtum unterlaufen ist.
Ich darf noch etwas hinzufügen. Der Finanzminister nannte die Summe von 10 Milliarden DM an Aufwendungen für den gesamten öffentlichen Dienst, — eine respektable Summe, die tatsächlich eine Größenordnung ohnegleichen darstellt.
Wir dürfen aber auch nicht vergessen: in diesem
öffentlichen Dienst sind auch rund 650 000 Arbeiter, sind über 500 000 Angestellte und sind etwa 800 000 Beamte insgesamt beschäftigt. Es verteilt sich also nicht etwa nur auf die Beamten, es verteilt sich auf alle diese großen Gruppen. Das, was der öffentliche Dienst darstellt, ist ja ein Stück Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Es wird immer eine gewisse Unkostenbasis dasein müssen. Man darf darüber jedenfalls nicht erschrecken.
Nun sagt der Herr Finanzminister: „Was ich tun kann, will ich tun; ich erkenne die Notlage der Beamtenschaft an." Es wäre Wasser in den Rhein getragen, wenn ich jetzt die Notlage der Beamtenschaft noch einmal begründen würde. Alle meine Vorredner haben das bereits getan. Wenn aber der Herr Finanzminister nun sagt: „Ich gebe mit der dritten Novelle insgesamt, mit all den Dingen, die dort drin sind, von der Erhöhung der Kinderzulagen bis zur Abschaffung der letzten Ortsklasse für die Beamten, mit dem verbesserten Wohnungsgeldzuschlag und den verbesserten Sonderzuschlägen für die Lehrerschaft jeder Art, ich -gebe mit den Beihilfen, die ich zu Weihnachten geben will in der Höhe, wie sie die Beamten, Angestellten und Arbeiter bekommen — 50 DM für Verheiratete, 30 DM für Ledige und 15 DM für jedes Kind —, mit diesen 538 Millionen DM, die ich hier geben will und die ich auf ein Jahr befristen möchte und die ich für vier Monate zusammen im Dezember ausbezahlen will, damit gebe ich über 1 Millarde DM aus", — so bezweifle ich diese Summe nicht.
— Selbstverständlich sind die Länder und Gemeinden mit einbegriffen. Ich glaube aber, es wäre vielleicht richtiger gewesen, man hätte den größten Teil dieser Summe in die Erhöhung der Gesamtbezüge direkt mit hineingesteckt. Aber auch der Beamte weiß eben, daß er 120 % des Einkommens hat und daß die Indexzahl 168 -ist und daß auf diesem Gebiet etwas Beachtliches notwendig ist.
Ich will kein Wort gegen das, was in der dritten Novelle steht, sagen. Manches ist verbesserungsfähig und -notwendig, aber davon redet nachher der Kollege Dr. Kleindinst. Ich will mich auf andere Dinge hier beschränken. Wichtig ist aber doch zweifellos folgendes. Der Beamte sieht seinen Gehaltszettel, seine Tüte, in der das Geld ist; er sieht, was drüber steht und was unten bleibt. Nun kann man ihm dadurch helfen, daß man sein Realeinkommen erhöht. Dafür gibt es direkte und indirekte Wege. Entscheidend ist zum Schluß natürlich die Kaufkraft. Aber ich glaube, man brauchte auch gar nicht etwa ängstlich zu sein. Man hätte den Beamten, die diese zurückliegende Spanne tragen, die also auch dem Staat in ihrem Treueverhältnis dem Staat gegenüber geholfen, die ihm treu gedient und Verständnis für den Staat gezeigt haben, ruhig auf dem Wege der direkten Erhöhung der Gehälter, der Gesamtbezüge besser helfen sollen. Das hätte im Staatsinteresse gelegen und wäre, glaube ich, auch einfacher gewesen. Es ist — das gilt, glaube ich, nicht nur für uns im Parlament, sondern auch für die Herren vom Bundesfinanzministerium — immer noch besser, eine einfache Sache einfach zu machen, als Dinge, die man einfach machen kann, zu komplizieren.
Wenn nun die 538 Millionen DM, die also aus der 7 %igen Erhöhung der Grundgehaltssumme herrühren sollen — das wären 8,4 % auf das Grundgehalt, wenn die 8,4 % auf die Gesamtgrund-
gehaltssumme mit in Frage kämen —, in Form von Unterstützung gegeben wird, so muß ich sagen: ich bedaure außerordentlich, daß man diesen Ausdruck „Unterstützung" gewählt hat. Eine Unterstützung soll man eigentlich für einen bestimmten Notstand geben, nicht aber für die Dauer einer ganzen Gruppe. Man soll hier ruhig sagen: Wir geben eine Gehaltserhöhung von soundso viel Prozent und gleichen, soweit wir können, soweit wir die Mittel haben und es uns möglich ist, an und bauen auf. Auch die Beamtenschaft weiß — sie hat so viel Verantwortung —, daß der Staat nicht alles auf einmal zwingt. Sie weiß, daß der Staat, der im Treueverhältnis mit ihr steht — und sie mit ihm —, der ja auch die Versorgung für Frau und Kind und auch die Pension im Alter garantieren muß, von den Beamten wahrscheinlich mehr Rücksicht verlangen muß als von den anderen. Aber man darf diese Forderung auf Rücksicht auch nicht übertreiben. Man darf nicht zu lange warten. Man muß den Mut haben, Lücken, die bestehen, einmal auszufüllen.
Was aber besonders zu beanstanden ist, ist nach Meinung des größten Teils unserer Fraktion — wir haben uns darüber lange unterhalten — die Tatsache, daß man einen Gehaltsteil für die Beamten steuerfrei macht und damit indirekt die Aufbesserung geben will. Wenn es als Unterstützung gegeben wird, ist es klar; Unterstützungen waren und sind steuerfrei. Aber wenn es ein Dauerzustand eines ganzen Jahres für 800 000 Beamte ist, wird in der Offentlichkeit doch wieder manches gegen die Beamten gesagt werden, etwa in der Form: „sie kriegen Erhöhungen der Bezüge steuerfrei, wir anderen müssen Steuern bezahlen". Dadurch wird die Beamtenschaft sicherlich nicht beliebter, als sie da und dort leider Gottes ist, wenn auch das Verständnis für die Beamtenschaft erfreulicherweise gewachsen ist. Es wäre also unseres Erachtens besser, das, was wir geben können, in direktem Geld, in direkter Summe und unter Zurechnung der geplanten Steuerermäßigung voll zu geben, in direkter Zulage, und nicht eine Steuerermäßigung damit zu verknüpfen.
Es sollte aber nicht weniger, sondern mindestens dasselbe gegeben werden, aber es sollten die Bezüge, weil sie in irgendeiner Art doch Gehaltsbezüge sind, steuerlich mit allen anderen Einkommen gleich behandelt werden.
Nun weiß ich j a — und das ist wohl auch die Stimmung des Herrn Bundesfinanzministers und seiner Mitarbeiter gewesen —, daß bei der Bundespost und bei der Bundesbahn, die ja zur Zeit — die Bahn seit längerer Zeit — von der Hand in den Mund leben müssen, also ihre Ausgaben mit den Einnahmen decken müssen — es kann nicht jeden Augenblick eine Tariferhöhung kommen —, die Dinge schwieriger sind. Die Länder haben den Rückfluß an Steuern, und zwar bekommen sie von dem Rückfluß an Einkommensteuer 63 %; der Bund bekommt von dem Rückfluß 37 %. Wenn nun der Herr Finanzminister rechnet, wird er vielleicht sagen: „Gebe ich die Summe steuerfrei, dann sind noch 250 Millionen DM ersparte Steuern darin", vielleicht auch 200 Millionen; ich weiß es nicht. Aber auf der andern Seite kann man auch sagen: Wenn der Finanzminister auf diese Einnahmen verzichtet, warum gibt er dann nicht direkt das, was den Leuten zufällt, und läßt das Steuerrecht einheitlich und unangetastet? Das wäre meiner Schätzung nach viel besser, und dann könnte man durch diese Summen, die dem Staatssäckel zufließen, erstens einmal die Kritik von der Beamtenschaft fernhalten, man hätte es einfach gemacht, und man könnte zweitens der Post und der Bahn, vor allem der Bahn, die sich in der größten Notlage befindet infolge des Zwanges, aus eigener Kraft den Wiederaufbau zu finanzieren — der Nachholbedarf, auch die politischen Lasten, die die Bahn übernommen hat, sind groß —, dann könnte man der Bahn aus diesen Mitteln, die der Finanzminister indirekt wieder einnimmt, sehr wohl die Mehraufwendungen, die durch dieses direkte Verfahren entstünden, vergüten. Ich bin der Meinung, der Finanzminister würde nicht einmal ein schlechtes Geschäft machen, sondern ich glaube, es würde sich ungefähr so ergeben, daß er mit diesen Summen auskäme.
Dann noch etwas zu der Auszahlung im Dezember: Ich gestehe Ihnen ganz offen, die Forderung der Beamtenverbände aller Richtungen und — ich möchte sagen — der Parteien aller Richtungen im Hause auf Auszahlung eines halben Monatsgehalts im Dezember unter Berechnung des steuerfreien Teils wie bei den übrigen Zuwendungen im Weihnachtsmonat wäre wahrscheinlich viel einfacher gewesen.
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Es käme im Endergebnis auch ungefähr auf die Summe heraus, und da ist die Rechnung nicht ganz so, daß man sagt: 4 mal 7 gleich 28 %, denn daneben stehen auch noch die 50 oder 30 DM, und es stehen noch je 15 DM Kinderzulage, die steuerfrei gegeben werden, weil sie für alle steuerfrei sind. Das wäre kein Ausnahmerecht für die Beamten. Ich kann mir denken, daß auf die Art auch schon zweifellos ungefähr ein halbes Monatsgehalt für die Beamten zusammenkommt. Aber so ist es ein Umweg, es ist eine Komplizierung, es ist nicht die einfache Art und Weise, die auch in der Beamtenschaft zweifellos am besten verstanden würde.
Ich will aber nun meinem Freund Dr. Kleindinst, der zur dritten Novelle redet, nicht unnötig Zeit wegnehmen. Ich will auch nicht unnötig wiederholen, was gesagt worden ist. Nur noch folgendes.
— Eine Minute noch!' Sie sehen, ich passe also auf. Ich will noch folgendes sagen: Es ist selbstverständlich. und ich stelle auch namens der CDU den Antrag, daß alle diese Anträge und die dritte Novelle an den Beamtenrechtsausschuß, federführend, und natürlich auch an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. Das ist wohl auch ganz klar. Ich darf dabei den Wunsch aussprechen, daß die Ausschüsse sehr schnell arbeiten,
und den Wunsch voranschicken, daß der Herr Bundesfinanzminister seine Vorlagen sehr schnell schriftlich an den Ausschuß bringt,
denn wir haben sie ja noch nicht schriftlich; wir haben heute nur die mündlichen Ausführungen. Ich darf dann beide Ausschüsse bitten, entsprechend dem Druck der Zeit zur Behebung der Notlage der Beamtenschaft im Rahmen des Möglichen schnell zu arbeiten, und ich zweifle gar nicht daran, daß wir, auch wenn wir ein unbefriedigendes Ergebnis gegenüber den vorhandenen berechtigten Wünschen
etwa berücksichtigen müssen, dennoch im Parlament alles tun werden, damit die zur Auszahlung kommenden Gelder noch vor Weihnachten gegeben werden.
Im übrigen: Jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert, aber auch jeder Angestellte und jeder Beamte seines Gehalts. Und wenn eine Treupflicht besteht und anerkannt wird, dann muß die Treupflicht auch darin bestehen, das, was man tut, schnell zu tun und es im Rahmen des Möglichen zu tun, soweit es eben geht.
Das Wort hat der Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei hat mit Befriedigung davon Kenntnis genommen, daß die Regierung den außerordentlichen Gehaltsnotstand der Beamten, der Pensionäre, der 131er und der Angestellten im öffentlichen Dienst anerkannt hat und bis zur umfassenden organischen Besoldungsneuregelung für den Rest dieses Haushaltsjahres im Dezember eine Unterstützungssumme gewähren will, die 7 % des gegenwärtigen Grundgehalts ausmacht und für 4 Monate in einer Summe ausgezahlt werden soll. Vielleicht wäre noch — und das wäre auch ein Anliegen meiner Fraktion, allerdings unter der Voraussetzung, daß die Höhe der Summe dieselbe bleibt — die Steuerfreiheit zu beseitigen. Wir haben den Wunsch, daß der Finanzminister uns die entsprechende Vorlage baldigst zuleitet, damit die erforderliche Maßnahme so schnell als möglich in die Wege geleitet werden kann.
Der vorliegende Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts, der weitere Unzulänglichkeiten in der Besoldung bis zur umfassenden Besoldungsneuregelung mildern soll, kommt reichlich spät. Wir möchten aus dieser Verspätung nicht die Konsequenz ziehen; daß auch die Inkraftsetzung des Gesetzes verspätet erfolgen wird. Vielmehr wünschen wir als Zeitpunkt des Inkrafttretens nach wie vor den 1. Oktober 1952.
Mit der Neuregelung des Wohnungsgeldzuschusses sind wir einverstanden. Wir bezweifeln allerdings, daß die vorgesehene Regelung als Übergangsmaßnahme genügt, da die Preisunterschiede früherer Zeiten zwischen kleineren, mittleren und großen Orten in der Bundesrepublik nicht mehr bestehen. Neben der Ortsklasse D müßte nach unserer Auffassung, wenn es irgend möglich ist, auch die Ortsklasse C gestrichen werden.
Nicht einverstanden sind wir damit, daß die bisherige Tabelle b gänzlich wegfallen soll. Sie müßte für die Beamten mit ein oder zwei Kindern, für die der Kinderzuschlag in Frage kommt, bleiben. Die vorgesehene Erhöhung des Kinderzuschlags halten wir für notwendig; wir bejahen die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung.
Ganz und gar nicht einverstanden sind wir mit der Zulagenregelung als Ausgleich für die nicht vorhandenen Beförderungsstellen bei Lehrern und Richtern. Es soll eine Bewährungszulage sein und einem Sechstel dieser Personengruppe zugute kommen. Es ist mir und meinen Freunden ziemlich unklar, wer diese Bewährung bei Erziehern feststellen soll. Es besteht nur Klarheit darüber, daß diese Bewährung ausschließlich unter parteipolitischen Gesichtspunkten erfolgen könnte. Eine solche Bewährung lehnen wir aber grundsätzlich und bei Erziehern und Richtern im besonderen ab. Wenn auch bei der Zulagenregelung für Richter das Wort „Bewährung" nicht gebraucht ist, so liegt doch in derselben „Ein-Sechstel-Zulagen-Regelung" die Voraussetzung für diesen Begriff. Bei den Ausschußberatungen wäre vielleicht zu erwägen, ob man nicht die Bewährungsregelung für Erzieher und Richter aus dem Gesetz ganz herausnehmen und sie von den Ländern durchführen lassen sollte, um in freier Konkurrenz die Kulturentwicklung von dieser Seite aus einmal voranzutreiben. Der Antrag der FDP betreffend Aufhebung der Besoldungssperre könnte im vorgeschriebenen Rahmen, soweit es ein Äquivalent für die fehlenden Beförderungsstellen bei Erziehern und Richtern zu schaffen gilt, den Weg dafür frei machen.
Sollte dieser Weg nicht gangbar sein, bestehen wir darauf, daß für die jungen Erzieher eine Höherstufung erfolgt, d. h. daß sie ein Anfangsgehalt bekommen, welches zumindest über dem Einkommen eines gleichaltrigen ungelernten Arbeiters liegt. Wir sehen sonst in den nächsten Jahren die Katastrophe heraufkommen, daß begabte und befähigte junge Menschen für den Lehrerberuf nicht mehr zu bekommen sind. Ebenso bestehen wir darauf, daß die Lehrerstellen auf dem Lande bevorzugt in Beförderungsstellen umgewandelt werden. Statt der unmöglichen Bewährungszulage verlangen wir, wenn eine andere Regelung nicht möglich sein sollte, eine allgemeine Zulage, die aber nicht erst nach Erreichung des Höchstgehalts, sondern bereits nach 15- oder 20-jähriger Dienstzeit ohne Unterschied gewährt werden müßte. Erziehungsaufgaben unterliegen nicht der unterschiedlichen Bewertung wie Aufgaben der Verwaltung. Sie lassen sich also nicht in Beförderungs- oder Bewährungsnormen bringen.
Wie unmöglich die Ausgleichsregelung für Erzieher und Richter im vorliegenden Gesetzentwurf teilweise ist, ergibt sich insbesondere aus der Besoldungsverschlechterung für Gewerbelehrer, die zumindest eine dreijährige Lehrpraxis, sechs technische Studiensemester und sechs Lehrerstudiensemester absolvieren müssen, um dann nach der Vorlage in 4 a 2 eingegliedert zu werden. Nur an ihrer Ausbildung gemessen, käme für sie unseres Erachtens die Besoldungsstufe A 3 a in Betracht.
In den Ausschußberatungen müssen die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehenen Verbesserungen, die hinsichtlich der Sonderregelungen für die Erzieher und Richter nach unserer Auffassung Verschlechterungen sind — und zwar in Fortzetzung der Verschlechterungen der Besoldungsgesetze von 1927 und 1937 —, sehr stark unter die Lupe genommen werden. Wir möchten sie in dem angedeuteten Sinne geändert wissen.
Mit dem Antrag der FDP, die Besoldung der kriegsgefangenen Beamten zu regeln, sind wir einverstanden; ebenso mit der Überweisung der übrigen Anträge an die genannten Ausschüsse.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Gaul.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat mich beauftragt, zu dem Punkt 3 b der Tagesordnung zu sprechen. Vor-
ab darf ich bemerken, daß wir Freien Demokraten einverstanden und zufrieden sind, wenn unser Antrag unter Ziffer 3 d der Tagesordnung — Teuerungszulage für Beamte —, der ein halbes Monatsgehalt zum Inhalt hat, auch in dieser anderen Form mit demselben Ergebnis zur Verwirklichung kommt.
Es ist hier sehr viel von Notstand gesprochen worden. Ich meine, es ist ein doppelter Notstand: wirtschaftliche und soziale Not bei den Beamten und Behördenangestellten, auf der andern Seite die Not bei den Verwaltungsstellen, den Schulen und Gerichten, weil sich, verursacht durch die schlechte Bezahlung, der Lehrermangel und der Richtermangel ergeben haben und weil auf die Dauer der Nachwuchs noch mehr abnimmt. Der Finanzminister hat uns aus seinem Entwurf Verbesserungen genannt, die für die Beamten allgemein gelten sollen; etwa die Hilfe für junge Beamte durch Zulagen bei den sozialen Gehaltsteilen, dem Wohnungsgeld und der Kinderbeihilfe, oder der Ausgleich von Notständen bei einzelnen Beamtengruppen in den Ländern, oder die Anrechnung von Dienstzeiten, die außerhalb der Laufbahn im praktischen Dienst verbracht worden sind, die Staffelung der Kinderzuschläge oder eine Änderung in dem Ortsklassenverzeichnis. Wenn durch diese Vorschläge eine wirksame Besserung herbeigeführt wird, sind wir damit einverstanden.
Viele Einzelheiten sind nun allerdings in dem Entwurf über den Lehrer- und den Richterstand vermerkt. Über den Lehrermangel und seine Begründung brauche ich nicht sehr viel zu sagen. Den Zahlen, die mein Kollege Herr Matzner hier angeführt hat, möchte ich noch einige hinzufügen. Wir haben im Bundesgebiet etwa 130 000 Volksschullehrer. Tatsache ist, daß 50 % dieser 130 000 Menschen älter als 45 Jahre sind. Die Jugend fehlt nicht allein, weil sich mittlerweile bei begabten jungen Menschen herumgesprochen hat, daß der Beamtenberuf so wenig einträglich ist. Vom Idealismus allein können sie nicht leben. Sehr viele der ehemals jungen Beamten sind nach Jahren nicht mehr jung; denn sie waren zu lange draußen im Feld und in der Gefangenschaft. Es ist glatt nachzurechnen, in welcher Zeit zwei Drittel bis drei Viertel der Stellen dieser 130 000 Lehrer unbesetzt sein werden.
Ähnlich sieht es bei den Gewerbelehrern, d. h. in Norddeutschland bei den Berufsschullehrern aus. In den anderen Ländern ist hier der Nachwuchsmangel noch viel, viel fühlbarer. Wir wissen, daß dort ein Viertel bis ein Drittel der Planstellen nicht besetzt werden können, weil der Nachwuchs fehlt. Aus Württemberg-Baden ist uns bekannt, daß von 500 Planstellen 200 nicht besetzt werden können, weil die Leute fehlen. Wir wissen, daß die Gewerbelehrer in Württemberg-Baden zu 60 % über 50 Jahre alt sind. Wenn die Lehrer an diesen Schulen fehlen, dann werden die Kinder in den einzelnen Klassen an Zahl zunehmen müssen; denn sie müssen ja doch alle beschult werden. Dann werden wir Klassen von 60 und vielleicht noch mehr Schülern haben. Das bedeutet, daß wir, wenn wir die einzelnen Klassen nicht so voll besetzen können, neue Klassen einrichten, also den Stoff kürzen und auch die Zahl der Stunden in der Woche herabsetzen müssen. Was aber gerade das für die Gewerbeschulen bedeutet, brauche ich wohl nicht zu sagen.
Der Entwurf macht uns hier den Vorschlag — es wurde soeben der Vergleich mit den Verwaltungsbeamten angezogen —, die Zahl der Aufstiegstellen bei den Schulen und im Richterstand zu vermehren. Es wird uns gesagt, ein Sechstel sei ungefähr die richtige Zahl. Rechnen wir doch einmal nach! Bisher war nach dem Aufbau der Schulen das Verhältnis dieser Aufstiegstellen 10 zu 90. Das bedeutete für den sehr wichtigen Beruf des Volksschullehrers, daß 90 % ewig Klassenlehrer blieben. Für sie gab es kaum eine oder gar keine Aufstiegsmöglichkeit. Wenn nun jetzt die Zahl durch das Sechstel vermehrt wird — das bedeutet, rund 16 % —, ist das Verhältnis 26 zu 74. Bei den Verwaltungsbeamten ist es 45 zu 55. Daher glaube ich, daß man hier nicht von einer weitgehenden Annäherung sprechen kann.
Diese Vermehrung der Stellen um ein Sechstel hat noch eine andere Seite, nicht nur eine rechnerische, sondern auch eine moralische. Stellen Sie sich folgenden praktischen Fall vor! An einer voll ausgebauten Schule mit 20 Klassen gibt es einen Rektor, einen Konrektor und 18 Klassenlehrer. Da die Altersschichtung heute so ist, wie Sie es eben gehört haben, gibt es unter diesen 18 Klassenlehrern mehr als drei — das wäre das Sechstel —, die, wenn sie in zwei Jahren das Endgehalt erreicht haben, in den besonderen Genuß der Bewährungszulage von 800 DM ruhegehaltfähig kommen sollen. Nun stellen Sie sich vor, wie nachher die Arbeit, die Harmonie an einer solchen Schule aussehen soll, wenn man von den 18 Lehrern, unter denen vielleicht 12 dieses Alter erreicht haben, drei auf Grund besonderer Bewährung befördert. Wer soll denn diese Bewährung feststellen, wenn die Leute bereits zwei Jahre das Endgehalt erreicht haben? Soll das der Schulleiter tun, der Regierungsvertreter oder der Schulrat? Ich bin der Überzeugung, daß die Harmonie, die in der Gesamtarbeit der Schule vorhanden sein muß, durch dieses Sechstel tatsächlich zerschlagen wird. Ich glaube, so können wir die Dinge nicht machen.
Wie müßte das gemacht werden? Wir sind für alle Verbesserungen. Zu dem Besoldungsgesetz von 1927, Herr Kollege Wuermeling, möchte ich sagen: dieses Gesetz ist ja im Laufe der Jahre mehrere Male geändert worden, 1930 und noch 1948. Aber diese Änderungen waren immer Kürzungen. Erst war es die Brüningsche Notverordnung, und im Jahre 1948 war es jene Verordnung, die unsere Finanzen und die Währung sichern sollte. Und was wir bisher gegeben haben, war doch nichts anderes als eine 20 %ge Teuerungszulage und das halbe Monatsgehalt, das, auf das Jahr umgerechnet, ungefähr 1/24, also 4 % ausmachen würde.
Wir werden im Ausschuß in dieser Angelegenheit kräftig mitarbeiten und Verbesserungen suchen. Ich glaube, wir sollten bei der Lehrerschaft, bei der wir die Zahl der Aufstiegsstellen nicht vermehren können, uns doch überlegen, ob wir nicht den Vorschlag, die Lehrer in die Besoldungsgruppe A 4 c 2 mit dem Anfangsgehalt statt wie bisher der ersten künftig der dritten Stufe einzureihen, annehmen könnten.
Bei den Lehrern an den Gewerbeschulen, besonders bei denen in Württemberg, ist zu sagen, daß die Verkoppelung von Gewerbelehrern, Hilfsschullehrern und Mittelschullehrern in manchen Ländern eine so ungünstige Wirkung hat, daß diese Leute dort tatsächlich zurückgestuft werden. Ich folge der Bitte meiner Württemberger Kollegen aus der Gewerbeschule, wenn ich vorschlage, die
Gewerbelehrer aus der kleinen Besoldungsreform herauszulassen; denn wenn sie zurückgestuft würden, könnte man nicht behaupten, daß das eine Beförderung und Verbesserung sei.
Für die Richter, glaube ich, müssen wir an dieser Stelle ebenfalls ein Wort sagen. Die Richter müssen doch zunächst das Abitur haben, dann müssen sie sechs, mitunter sieben Semester studieren, sie sind dann einige Jahre Referendare. Zur Zeit bekommen sie von einigen Ländern eine bescheidene Unterstützung, aber mit der Verpflichtung, sie zurückzuzahlen, wenn sie nicht in den Staatsdienst eintreten. Dann sind die Menschen, wenn es nicht ganz besondere Ausnahmen sind, etwa 28 Jahre alt, wenn sie verdienen. Nun rechnen Sie nach, was ein 28jähriger Mann bei Gründung einer Familie oder vielleicht schon mit zwei Kindern bekommt und was ihm dann fehlt! Dort ist der Notstand gegeben.
Die Schule! Über den Wert der Schule brauchten
wir, glaube ich, gar nichts zu sagen. Meine Fraktion
ist der Auffassung, daß bei dieser Frage das staatspolitische Moment eine große Rolle spielt. Wenn wir
diese Verbesserungen jetzt nicht schaffen und auch
in Bälde nicht die Besoldung von Grund auf ändern, dann werden wir die Folgen wahrscheinlich
nicht mehr erleben, wohl aber die Generation,
die nach uns kommt. Es ist ja bei der Schule nun
einmal nicht so wie beim Sämann, der sein Korn
auswirft und es dann dem Herrgott, dem Klima und
dem Regen überläßt, sondern erst im Abstand einer
ganzen Generation werden wir sehen können, was
daraus gemacht wird. Das sollte uns doch sehr
ernst stimmen. Wir sollten für diese Leute, die wir
an diese Plätze gestellt haben, bis zu der möglichen
Neuordnung so viel herausholen, daß sie anständig
leben und verantwortungsfreudig arbeiten können.
Das Wort hat der Abgeordnete Kleindinst.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Mir obliegt es lediglich, zur dritten Besoldungsnovelle einige Worte als Stellungnahme der Fraktion vorzutragen. Dieses dritte Besoldungsänderungsgesetz ist ja, wie der Herr Minister hervorgehoben hat, lediglich eine Übergangslösung bis zur großen Besoldungsreform. Es ist Kritik geübt worden, daß diese große Besoldungsreform noch nicht vorliegt. Aber diese große Besoldungsreform hat dem Übergang von Aufgaben von den Ländern auf den Bund infolge des Grundgesetzes Rechnung zu tragen, und dieser Übergang von Aufgaben und Einrichtungen hat sich erst im Laufe dieser Jahre vollzogen. Außerdem haben wir bis in die letzte Zeit neue Bundeseinrichtungen und Bundesanstalten geschaffen, über deren Wirkungskreis, Ausstattung und endgültige Betätigung wir noch kein Erfahrungsmaterial haben. Ferner handelt es sich um die Berücksichtigung des technischen Dienstes, der in so vielen Verwaltungszweigen, ganz abgesehen von Bundesbahn und Bundespost, eine immer größere Ausdehnung genommen hat. Diese Aufgabe ist nur in Jahren zu lösen,
und unser Bundestag wäre auch gar nicht mehr imstande, den Entwurf einer derart großen und umfassenden Besoldungsordnung noch bis zu seiner Auflösung zu beraten.
Deshalb handelt es sich jetzt in dieser dritten Besoldungsnovelle nur um diesen Übergang.
Hinsichtlich der Verbesserungen des Wohnungsgeldzuschusses und der Kinderzuschläge, die die Familie und den 40jährigen unverheirateten Beamten berücksichtigen, werden wir wohl eine allgemeine Zustimmung erreichen. Die Gleichstellung der Postassistentinnen mit den Postassistenten hebe ich nur hervor, weil hier im Besoldungsrecht die Gleichberechtigung der Beamtinnen mit den Beamten zum Ausdruck kommt und zur rechtlichen Wirkung gebracht wird.
Dagegen werden wir uns hinsichtlich der Bestimmungen für die Lehrkräfte und für die Richter eine eingehende Prüfung vorbehalten. Hier wird möglicherweise über das Besoldungsrecht Schulpolitik getrieben; wenn auch nicht die Absicht besteht, so ist es doch in der Auswirkung der Fall. Die Lehrkräfte sind j a eigentlich erst im Jahre 1937 in die Besoldungsordnung des Reiches hineingekommen. Schon damals hat sich gezeigt, daß diese Besoldungsordnung des Reiches für sie ein Prokrustesbett geworden ist. In der Schule handelt es sich um eine wesentlich andere Arbeit als in der Verwaltung. Hier tritt die pädagogische Persönlichkeit, die persönliche schöpferische Tätigkeit noch stärker hervor als in der reinen Vollzugsverwaltung, neben der erst die aktive Verwaltung steht. Wenn nun hervorgehoben wird, daß für gewisse Lehrkräfte die vorgeschlagene Verbesserung von zwei Dritteln oder von der Mehrheit der Dienstherren befürwortet worden ist, so ist zu bedenken: es kommt darauf an, ob die Minderheit der Dienstherren nicht gerade über die Schulen verfügen wird, insbesondere über die Berufsschulen und Gewerbeschulen, die eine ganz besondere Berücksichtigung verdienen, weil sie in Jahrzehnten geschaffen, ausgebaut und entsprechend ihrer wirtschaftlichen Bedeutung mit technischen und kunstgewerblichen Kräften versehen worden sind. Deshalb ist es notwendig, hier besondere Rücksicht obwalten zu lassen, damit nicht über das Besoldungsrecht eine schulische Nivellierung in der Weise eintritt, daß für die Zukunft die von diesen Dienstherren — seien es nun Länder oder seien es Kommunen — gestellten hohen Aufgaben nicht mehr erfüllt werden können. Es ist besoldungspolitisch und schulpolitisch ein Unterschied, ob die Bewertung von unten auf in der Nähe der Anstalten erfolgt oder ob von Bundes wegen ein Schema über sie gezogen werden soll. Deshalb ist es für uns von besonderer Wichtigkeit, dieser Seite in der dritten Besoldungsnovelle ein besonderes Augenmerk zuzuwenden.
Die Bewährungszulage ist an- sich schon dem Begriff nach etwas bedenklich, denn jeder, der nicht berücksichtigt wird, wird gewissermaßen als nicht bewährt bezeichnet. Hier wird, wenn überhaupt diese Methode beibehalten wird, eine andere begriffliche Bezeichnung gefunden werden müssen
Nun ist auch vorgesehen, Richtlinien über die Besoldung der leitenden Kommunalbeamten durch die Herren Bundesminister des Innern und der Finanzen zu erlassen. Ich spreche in dieser Frage wirklich nicht pro domo, sondern für das öffentliche Interesse. Ich möchte hervorheben, daß ein merkwürdiger Gegensatz folgender Art besteht Im neuen Gemeinderecht seit 1945 geht das Bestreben — und es geht zu weit — nach einer Kommunalisierung der öffentlichen Verwaltung und weiter dahin — und auch das geht nach der Erfahrung
zu weit —, die Kommunen unter Rechtsaufsicht und nicht nur unter allgemeine Kommunalaufsicht zu stellen. Demgegenüber soll nun eine Rechtsvorschrift in der Lage sein, vielleicht für die Bezüge der leitenden Kommunalbeamten festzusetzen. Wie das mit den ersten Tendenzen vereinbar sein soll, ist mir nicht erfindlich. Großstadt ist bekanntlich nicht gleich Großstadt, und die verschiedenen kulturellen oder wirtschaftlichen Aufgaben lassen sich nicht nach der Hunderttausend-Zahl der Bevölkerung bemessen. Also auch hier sind grundsätzliche Bedenken und Widersprüche festzustellen.
Der Bundesrat hat lediglich Bedenken gehabt, ob hier nicht der Art. 80 des Grundgesetzes verletzt sei. Aber hier tritt im Zusammenhang mit der ganzen Aufgabe eine weitere verfassungsrechtliche Frage in die Erscheinung: Rahmenvorschriften und Besoldungsordnung! Der Begriff Rahmenbestimmungen ist noch nicht geklärt. Das heißt, er ist für mich geklärt, aber er ist in unserer Gesetzgebung noch nicht geklärt. Es ist unmöglich, daß erschöpfende Gesetze, die das Letzte regeln, oder Gesetze, die nur in einzelnen Bestimmungen Ermächtigungen geben, als Rahmengesetze aufgefaßt werden. Daß eine vollkommene Besoldungsordnung mit kleinen Ermächtigungen als Rahmengesetz angesehen werden kann, daran hat im Parlamentarischen Rat sicher niemand gedacht. Diese Frage "muß einer Klärung zugeführt werden. Sie ist zum erstenmal bei dem Bundesjagdgesetz aufgetreten. Sie tritt aber hier in voller Breite auf, und zwar mit einer Wirkung auf die Schulen und insbesondere gerade auf die Schulen der Minderheit der Dienstherren, die von besonderer Bedeutung sind. Deshalb muß auch zu dieser Frage im Ausschuß grundsätzlich Stellung genommen werden.
Wir schließen uns dem Antrag auf Überweisung an den Ausschuß an. Wir werden dem Entwurf namentlich im Hinblick auf die Stellung der Lehrkräfte der Berufsschulen, der Gewerbeschulen und auch der Oberschulen und .dann der Richter ein besonderes Augenmerk zuwenden.
Das Wort hat der Abgeordnete Arnholz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat mich einigermaßen in Erstaunen gesetzt, als ich den Antrag Drucksache Nr. 3793 auf den Tisch bekam, der die gesetzliche Regelung der Besoldung der kriegsgefangenen Beamten betrifft. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß der Ausschuß für Beamtenrecht vor ganz kurzer Zeit eine sehr verwandte Frage behandelt hat, nämlich die Frage derjenigen, die als verschollen betrachtet wurden und dann trotzdem zurückgekommen sind. Die Regierung hatte vorgeschlagen, überhaupt keine Nachzahlung zu leisten, sondern vom Ersten des Monats ab zu zahlen, in dem der Betreffende zurückkehrte. Im Ausschuß ist darüber hinaus der Standpunkt vertreten worden, eine Nachzahlung für eine längere Zeit sei nicht zu rechtfertigen, weil ja der Verschollene für seinen Lebensunterhalt hier in der Heimat keinerlei Aufwendungen habe machen müssen. Abgesehen davon, daß schon diese Begründung sehr eigenartig ist, ist man dann dazu gekommen, zunächst einem Antrag, der vorsah, eine Nachzahlung für zwei bis drei Jahre zu leisten, nicht zuzustimmen. Vielmehr hat die Mehrheit des
Ausschusses — und das waren in diesem Fall die Regierungsparteien — `einer Nachzahlung für nur ein Jahr zugestimmt.
Damit läßt sich meines Erachtens dieser Antrag nicht in Übereinstimmung bringen. Es besteht auch da der Verdacht, daß er aus ganz bestimmten Gründen der Propaganda gestellt worden ist. Wir werden sehr gern bei der Beratung dieses Antrags mitwirken und uns für eine gerechte Behandlung nicht nur der verschollen gewesenen, sondern auch der kriegsgefangenen Beamten einsetzen.
Es ist hier ferner ausgeführt worden, daß ich zuviel Holz auf der CDU gehackt habe. Nun, meine Damen und Herren, Sie haben das recht gut ausgehalten, und das ist eigentlich ein Beweis dafür, daß die CDU recht hartgesotten ist.
— Ja, j a, so habe ich gesagt.
— Das freut mich, daß Sie Kummer gewöhnt sind!
Es ist ferner gesagt worden, die CDU sei beamtenfreundlich. Nun, Freundlichkeit ist selbstverständlich sehr schön, aber — —
— Das haben Sie bisher im Ausschuß für Beamtenrecht nicht bewiesen, Herr Kollege Dr. Wuermeling,
wie ich wiederholt hier festzustellen Gelegenheit gehabt habe.
— Sie werden j a die Gelegenheit dazu haben! Seien Sie nur nicht so voreilig. Ich komme Ihnen mit einem Antrag, bei dem Sie durch Ihre Zustimmung beweisen können, daß Sie diese Freundlichkeit nicht nur mit Worten, sondern daß Sie sie auch mit der Tat haben.
Ich denke bei meinem Antrag daran, daß es bei der Gewährung der notwendigen Bezüge wichtiger und entscheidender ist, daß Sie, wie Ihr Kollege aus der CDU-Fraktion ausgeführt hat, den Mut haben müssen, das Notwendige zu tun. Dazu werden wir Ihnen Gelegenheit geben.
Hier ist darauf hingewiesen worden, es sei der CDU im besonderen zuzuschreiben, daß das Berufsbeamtentum aufrechterhalten worden ist.
Dazu darf ich Sie an eines erinnern, Herr Kollege Etzenbach: Bereits im März des Jahres 1946 hat der Deutsche Gewerkschaftsbund sich für die Erhaltung des Berufsbeamtentums, und zwar mit dem ganzen Gewicht, das sich aus der Größe seiner Organisation ergab, gegenüber den Besatzungsmächten eingesetzt. Ich hoffe, Sie wissen — Herr Kollege Rümmele stimmt mir durch Nicken zu —, daß es damals ohne dieses Einsetzen des Deutschen Gewerkschaftsbundes den Besatzungsbehörden gegenüber nicht gelungen wäre, zu verhindern, daß
die Besatzungsbehörden das Berufsbeamtentum beseitigten.
Es ist ferner darauf hingewiesen worden, daß ja sieben mal 4 %, zusammen also 28 % gegeben werden sollten, und zwar zuzüglich der Steuerfreiheit, so daß man dann ungefähr auf das halbe Monatsgehalt herauskomme. Ja, meine Damen und Herren, auch das scheint mir wieder etwas Wind vor der Hoftür zu sein; denn die Pressestelle des Landes Nordrhein-Westfalen hat heute bekanntgegeben, daß diese Zahlung für vier Monate, die allerdings noch vor Weihnachten erfolgen soll, unter dem Vorbehalt der Anrechnung auf spätere Bezüge erfolgen würde. Das heißt also — wenn deutsche Worte noch einen Sinn haben —, daß es keine zusätzliche Leistung ist, sondern eine Leistung, die später bei der allgemeinen Regelung wieder durch Aufrechnung hereingeholt wird. W i r wollen, daß das halbe Monatsgehalt neben der in Ziffer 3 unseres Antrags geforderten laufenden Erhöhung gezahlt wird, d. h. also besser gesagt, nicht neben, sondern bereits vorher, noch vor Weihnachten, und ab Januar nächsten Jahres die allgemeine Erhöhung. Nur wenn das geschieht, wird der Beamtenschaft und auch den übrigen Bediensteten im öffentlichen Dienst nachhaltig geholfen werden.
Wenn hier Vorwände für die Verzögerung der Besoldungsneuregelung angeführt worden sind, so möchte ich hier — da die Zeit sicher nicht ausreicht — nicht im einzelnen darauf eingehen. Eines steht aber doch fest: daß dieser Bundestag natürlich nicht mehr genug Zeit haben würde — wie es hier gesagt worden ist —, wenn die Vorlage erst, wie es angekündigt war, im Sommer 1953 gemacht werden würde. Es ist eben so, daß die Bundesregierung zu lange damit gezögert hat. Diese Feststellung, daß es nun zu spät sei, ist doch letzten Endes ein schwerer Vorwurf gegen die Bundesregierung, die ja von Ihnen getragen wird.
Auf die Einzelheiten des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts möchte ich nicht eingehen. Wir behalten uns vor, im Ausschuß Anträge zu stellen. Wir sind z. B. der Meinung, daß auch die Taubstummenlehrer bei dieser Regelung, wie sie vorgesehen ist, beachtet werden müssen. Sie sind anscheinend vergessen worden. Die Proteste der Gewerbelehrer aus dem Südweststaat sind auch uns bekannt. Wir sind bereit, ihnen Rechnung zu tragen; ob dadurch, daß man diese Gewerbelehrer aus der Regelung herausläßt, oder besser dadurch, daß man eine günstigere Regelung auch für die anderen Gewerbelehrer trifft, muß im Ausschuß geprüft werden.
Nun sind viele Anregungen gegeben worden, die sich bei den Regierungsparteien — soweit ich es überschauen kann — nicht zu Anträgen verdichtet haben. Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß diese Anregungen nicht Theorie bleiben dürfen. Der Beamtenrechtsausschuß muß sich mit diesen Anregungen beschäftigen können; er muß die Möglichkeit haben, sie in die Praxis umzusetzen. Nach früheren Erfahrungen geschieht es in solchen Fällen häufig, daß man sich, wenn alle Stricke reißen, darauf zurückzieht, der Beamtenrechtsausschuß habe keinen Auftrag, sich mit diesen Anregungen zu befassen. Wir sind der Meinung, daß wir heute dem Beamtenrechtsausschuß vorsorglicherweise ausdrücklich diesen Auftrag erteilen sollten. Wir bitten Sie deshalb, folgendem Antrag der Fraktion der SPD zuzustimmen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Ausschuß für Beamtenrecht wird beauftragt, falls das ohne erhebliche Verzögerung seines Berichtes über die Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts möglich ist, zu prüfen, ob er im Sinne der heutigen Aussprache über den oben bezeichneten Gesetzentwurf hinausgehende Vorschläge unterbreiten kann, Diese wären in die Vorlage hineinzuarbeiten.
Ich darf ihn dem Herrn Präsidenten überreichen.
— Ich glaube j a, daß das so geht. Aber Herr Dr. Wuermeling, ich habe vorhin schon gesagt, es ist wiederholt vorgekommen, daß, wenn ein vorliegender Entwurf wesentlich erweitert werden sollte, immer der Einwand kam: Dazu hat der Ausschuß keinen Auftrag.
— Das habe ich ja nicht behauptet. Eigenartig, daß Sie sich sofort betroffen fühlen!
— Nein ich will mich nicht selber decken. Wir haben wiederholt im Ausschuß solche Anträge gestellt; dann ist uns dieser Einwand entgegengehalten worden. Nun, Herr Kollege Wuermeling, um allen Möglichkeiten gerecht zu werden, stellen wir vorsorglich diesen Antrag. Stimmen Sie ihm zu! Dann haben wir ohne weiteres die Möglichkeit, die Anregungen, die hier theoretisch gegeben worden sind, in die Praxis umzusetzen. Damit werden wir der Beamtenschaft und den übrigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes dienen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Abgeordneter des Landes Baden-Württemberg möchte ich nicht versäumen, nochmals auf die Bedeutung einer Frage hinzuweisen, die schon von einigen der Herren Vorredner angeschnitten worden ist. Sie verdient es aber, nach allen Richtungen hin gesehen und in ihrer Wichtigkeit erkannt zu werden.
Das Land Württemberg und das Land Baden haben seit mehr als hundert Jahren besondere Mühe darauf verwendet, einen hochqualifizierten Gewerbe- und Handelsschullehrerstand heranzubilden. Sie haben das vor allem deshalb getan, weil ihnen daran gelegen war, einen ausgezeichneten Facharbeiternachwuchs zu sichern. Diese Bemühungen haben reiche Früchte gezeitigt. Wenn unsere Länder in weiten Teilen von kleineren und mittleren Industrieunternehmungen besiedelt sind, die erstklassige und hochwertige Veredelungserzeugnisse hervorbringen, so ist das vor allem dem Umstand zu verdanken, daß sie diesen hochqualifizierten Facharbeiterstand zur Verfügung hatten. Wohl-
stand und Blüte unserer Länder haben wir weithin jenen Männern zu verdanken, die vor 100 Jahren den Aufbau der Gewerbeschulen betrieben.
Nun haben die Nationalsozialisten in den Jahren 1937/38 den Versuch gemacht, unseren Ländern Vorschriften dahingehend zu machen, daß es ihnen nicht mehr gestattet sein soll, den Gewerbelehrerstand so zu besolden, wie sie es bisher für nötig gehalten hatten. Dieser Eingriff in die Verfügungsgewalt der Länder hat sich für den Gewerbelehrerstand außerordentlich nachteilig ausgewirkt. Der Zustrom an jungen Kräften, die bereit waren, sich dieser Aufgabe zu widmen, hat ständig nachgelassen. Man hat zwar nach dem zweiten Weltkrieg versucht, diese Entwicklung etwas zu korrigieren. Aber die Dinge liegen heute noch so, daß von 500 Planstellen 200 einfach deshalb nicht besetzt werden können, weil keine Anwärter da sind. Nun kommt der Herr Finanzminister und will in die Fußtapfen der Gesetzgeber der Jahre 1937 und 1938 treten. Wir glauben nicht, daß ihm das gut ansteht. Wir sind Föderalisten und möchten, daß die besonderen Verhältnisse unseres Landes geachtet und respektiert werden.
Wir wünschen nicht, daß der Bund diesen sinnvollen und fruchtbaren Bemühungen unserer Länder zur Heranbildung eines gehobenen Gewerbelehrerstandes im Interesse eines guten Facharbeiternachwuchses irgendwie entgegentritt. Deshalb sind wir der Meinung — und ich glaube, im Namen aller Abgeordneten unserer Länder sprechen zu dürfen —, man sollte diese Bestimmungen über die Besoldung der Gewerbe- und Handelsschullehrer überhaupt aus der Besoldungsnovelle herausnehmen
und es den Ländern überlassen, auf diesem Gebiet das zu tun, was sie für zweckmäßig und nützlich halten.
Das möchte ich hier ausdrücklich gesagt haben. Die Herren, die im Ausschuß für Beamtenrecht tätig sind, möchte ich angelegentlichst darum gebeten haben, diesen Wunsch der Abgeordneten von Baden-Württemberg sorgfältigst zu beachten.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich glaube, ich muß zunächst über den zuletzt gestellten und mir übergebenen Antrag abstimmen lassen. Ich brauche ihn wohl nicht ein zweites Mal zu verlesen. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich lasse nunmehr über die weiteren Punkte abstimmen. Zu Ziffer 3 b der Tagesordnung ist vorgeschlagen, den Entwurf an den Ausschuß für Beamtenrecht zu verweisen; zu Ziffer 3 c ist dasselbe vorgeschlagen. Zu 3 d ist Überweisung an den Ausschuß für Beamtenrecht und an den Haushaltsausschuß beantragt, wobei der Ausschuß für Beamtenrecht federführend sein soll. Für 3 e sind Ausschuß für Beamtenrecht und Haushaltsausschuß vorgeschlagen, für 3 f Ausschuß für Beamtenrecht. Ist das Haus damit einverstanden, daß so verfahren wird?
— Dann ist so beschlossen. Ich rufe Ziffer 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland .
Wer begründet den Entwurf?
— Es ist ein Gesetzesantrag Ihrer Fraktion und steht auf der Tagesordnung.
— Ist das Haus damit einverstanden, daß diese Vorlage ohne Begründung und ohne Aussprache an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen wird?
— Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
— Ja, außerdem der Ausschuß für Verfassungsschutz; federführend der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht.
Ich rufe Ziffer 5 auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts .
Hier haben sich die Fraktionen darüber verständigt, daß die Vorlage ohne Begründung und ohne Aussprache an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht verwiesen werden soll.—Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Dasselbe gilt für Ziffer 6 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung und des Verfahrensrechts (Nr. 3839 der Drucksachen).
Ist das Haus einverstanden, daß die Vorlage ohne Begründung und ohne Aussprache an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen wird? —
— Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Dann rufe ich Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Schaffung einheitlichen Rechts in der Angestelltenversicherung (Nrn. 3732, 3305 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat Frau Abgeordnete Döhring.
Der Ältestenrat schlägt eine Gesamtaussprachezeit von 40 Minuten vor.
Frau Döhring , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Antrag der Fraktion 'der Deutschen Partei auf Drucksache Nr. 3305 betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Schaffung einheitlichen Rechts in der Angestelltenversicherung wurde vom Ausschuß für Sozialpolitik in seiner Sitzung vom 2. Oktober dieses Jahres eingehend geprüft. Wie aus dem Antrag ersichtlich ist, war die Bundesregierung ersucht worden, das unterschiedliche Recht in der Angestelltenversicherung zu beseitigen, insbesondere bezüglich der Anwartschaft und des Leistungsrechts, der Anwendung bzw. der allgemeinen Wiedereinführung des § 397 des Angestelltenversicherungsgesetzes und bezüglich der Aufhebung der Sozialversicherungsdirektive Nr. 20 Ziffer 3.
Der Antrag wurde von 'der antragstellenden Partei eingehend begründet. Vor allem wurde dabei herausgestellt, welche Unterschiede auf dem Gebiete der Sozialversicherung in den einzelnen Ländern der Bundesrepublik je nach der Gesetzgebung, wie sie die Militärregierungen in Iden einzelnen 'Ländern geschaffen haben, bestehen. Der Regierungsvertreter war mit den Mitgliedern des Ausschusses der Auffassung, daß die Rechtsunterschiede in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung dringend einer Neuordnung bedürfen, daß jedoch diese Unterschiedlichkeiten nicht nur in 'der Angestelltenversicherung bestehen, 'auf die der Antrag besonders abstellt, sondern ebenso in 'der Invaliden- wie in 'der Krankenversicherung.
Der Ausschuß hat sich mit den einzelnen Fragen näher beschäftigt, jedoch keine Beschlüsse zu den einzelnen Punkten gefaßt. Insbesondere erstreckte sich der Gedankenaustausch auf die sozialpolitischen Probleme, die sich bei einer allgemeinen Wiedereinführung des § 397 des Angestelltenversicherungsgesetzes ergeben würden, d. h. wenn die Zahlung eines Ruhegeldes an Angestellte, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und ein Jahr arbeitslos sind, allgemein wieder eingeführt würde. Durch die Ausführungen des Regierungsvertreters wurde 'diese Problematik noch unterstrichen. Insbesondere wurde von ihm darauf hingewiesen, daß es sich hierbei schließlich um ein Arbeitslosenrisiko handle, das nicht ohne weiteres allgemein auf die Angestelltenversicherung verlagert werden könne.
Von Ausschußmitgliedern wurde hierzu noch betont, daß diese Frage 'dann gerechterweise auch in der 'Rentenversicherung 'für Arbeiter ähnlich gelöst werden müsse, 'da nachweisbar auch die Arbeitslosenzahl der älteren Arbeiter und vor allen Dingen 'der älteren Arbeiterinnen verhältnismäßig hoch sei.
— Die Bundesregierung hat sich mit uns gemeinsam
immer darum bemüht — ich bin nicht ihr Anwalt
einheitliches Recht in den Versicherungen Deutschlands zu schaffen, und hoffentlich werden Sie nach Ihrer Erklärung mit Ihren politischen Freunden dazu beitragen, daß das einheitliche Recht der Angestelltenversicherung und der Invalidenversicherung im Bundesgebiet gilt. Wir erwarten von der Regierung, daß sie in der Vorlage selbstverständlich auch die Berlin-Klausel einfügt, weil endlich einheitliches Recht für alle Versicherten in der „Invaliden-" wie in der „Rentenversicherung der Angestellten" und der „Knappschaft" notwendig ist.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu dieser Frage nur eine kurze Erklärung abgeben.
Die Beseitigung der in der Nachkriegszeit durch die unterschiedliche Zonen- und Ländergesetzgebung in der Sozialversicherung eingetretenen Rechtszersplitterung soll durch einen in der Abteilung IV meines Ministeriums bereits in der Vorbereitung, ja bereits vor idem Abschluß stehenden Gesetzentwurf in Ordnung gebracht werden. Sie wissen, daß Sie selbst in diesem Hause bei der letzten großen Generaldebatte über die Frage der Sozialversicherung beschlossen haben, daß die Fragen der Sozialversicherung mit einem besonderen Ausschuß, der in meinem Ministerium zu bilden ist, vorbesprochen werden sollen. Ich habe die Parteien des Hohen Hauses und auch die Sozialpartner schon vor einer längeren Zeit aufgefordert, mir für diesen Ausschuß die entsprechenden Vorschläge zu machen. Ich darf Ihnen sagen, daß ich die letzten Vorschläge am 28. Oktober dieses Jahres bekommen habe.
— Fragen Sie ,das bei Ihrer Parteileitung! Sie wird es Ihnen gerne sagen! Ganz bestimmt zwei oder drei Monate vorher!
Die ganze Sache könnte viel weiter gediehen sein, wenn man sich dieser Dinge mit einem größeren Ernstangenommen hätte.. Denn in dem Moment, wo ein Ausschuß auf Wunsch des Hohen Hauses ein Gesetz berät, ist es doch wohl ausgeschlossen, daß in der Zwischenzeit das Ministerium eine Gesetzesvorlage vorlegt, ohne sie mit diesem Ausschuß tatsächlich besprochen zu haben. Ich bitte Sie, die Unterlassungssünden doch nicht nur beim Ministerium zu suchen, sondern auch einmal sich selber zu fragen, ob man alles getan hat, was- notwendig war, um die Dinge so schnell wie möglich vorwärtszutreiben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3732, Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Bevor ich den nächsten Punkt aufrufe, bitte ich, zu Punkt 4 zurückzuschauen, zum
Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland .
Da ist versäumt worden, eine Überweisung zur Mitberatung auch an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung vorzunehmen.
— Mir ist das so hinterlassen worden. — Bitte, Herr Dr. Schröder!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, bei dieser kleinen Novelle zum Wahlgesetz wird es gut sein, wenn nicht allzu viele Ausschüsse sie behandeln. Ich habe gehört, daß vorhin beschlossen worden ist, sie dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und dem Ausschuß zum Schutz der Verfassung zu überweisen. Was sie in dem letzteren Ausschuß verloren hat, weiß ich überhaupt nicht. Ich möchte Ihnen vorschlagen, diesen Beschluß aufzuheben und die Vorlage nur dem Ausschuß für ' Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sämtliche Wahlrechtsvorlagen, alle Änderungsanträge und Novellen zum bisherigen Wahlrecht sind allein im Ausschuß zum Schutze der Verfassung beraten worden. Das ist seit Beginn des Bundestags so gewesen.
Ich würde also vorschlagen, daß zum mindesten die Federführung dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung gegeben wird: ich glaube aber, es genügt auch, wenn man den Gesetzentwurf diesem Ausschuß allein überweist.
Meine Damen und Herren, es stehen sich zwei Auffassungen gegenüber. Der eine Antrag lautet, den Entwurf dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen; der andere Antrag wünscht Überweisung an den Ausschuß zum Schutz der Verfassung. Ich glaube, wir stimmen ab und stellen dadurch die Mehrheitsverhältnisse fest.
Welcher Antrag weitergeht, kann man nicht gut feststellen. Wir stimmen also zunächst über den Antrag, den Entwurf an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen, ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, eine Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen über den zweiten Antrag ab, den Entwurf gleichzeitig — ich nehme an, daß es jetzt so gemeint ist — an den Ausschuß zum Schutz der Verfassung zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, eine Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, können wir zu Punkt 8 der Tagesordnung übergehen:
Beratung des mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Überprüfung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes (Nrn. 2174, 35 der Drucksachen).
Dazu schlägt der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vor. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
Das Wort zum Bericht hat der Abgeordnete Schüttler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner 12. Sitzung vom 20. Oktober 1949 den Antrag Nr. 35 der Fraktion der Deutschen Partei dem Sozialausschuß zur Beratung überwiesen. Leider ist es erst heute — nach etwa drei Jahren — möglich, dem Hohen Hause über die Beratung Bericht zu erstatten.
Schon in der zweiten Sitzung am 26. Oktober 1949 befaßte sich der Ausschuß mit dem Antrag. Er faßte in dieser Sitzung einstimmig den Beschluß, das Arbeitsministerium zu ersuchen, einen Bericht über die finanziellen Auswirkungen einer etwaigen Aufhebung der einschränkenden Bestimmungen des § 21 Ziffer 3 bis 6 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes vom 17. Juni 1949 zu ,erstatten. Eine erneute Beratung des Antrags fand in der 15. Sitzung am 1. März 1950 statt. Auch bei dieser Beratung kam man zu keinem abschließenden Ergebnis, da man die finanzielle Lage der Sozialversicherung wegen des Fehlens einer versicherungsmathematischen Bilanz nicht überblicken konnte. Der Vertreter des Herrn Arbeitsministers glaubte, eine solche Übersicht und Bilanz innerhalb von zwei bis drei Monaten vorlegen zu können. Der Antrag wurde dann erst wieder in der 52 Sitzung am 29. September 1950 auf die Tagesordnung gesetzt Die Unterlagen über die' finanzielle Lage und Entwicklung der Sozialversicherung lagen auch zu diesem Termin noch nicht vor und so wurde der Antrag erneut zurückgestellt. Das Bundesarbeitsministerium wurde anläßlich dieser Beratung nochmals dringend ersucht, schnellstens die Unterlagen vorzulegen. In der 54. Sitzung am 19. Oktober 1950 sowie in der 60. Sitzung am 24. November 1950 befaßte sich der Ausschuß dann erneut mit dem gleichen Problem, ohne zu einem positiven Entschluß und Ergebnis zu kommen. Von seiten der Regierung wurde ausgeführt. daß man nun ernstlich dabei sei. einen Entwurf über die Neuordnung der Sozialversicherung vorzulegen, und daß dabei auch die Überprüfung und die Auswirkung des Sozialversicherungs-Annassungsgesetzes ihre Berücksichtigung fänden. Es sei ratsam, diese Frage bis zu diesem Zeitpunkt zurückzustellen. Aus diesem Grunde hat der Ausschuß in der Sitzung vom 13. April 1951 den Beschluß gefaßt,
nun dem Plenum Bericht zu erstatten, siehe Drucksache Nr. 2174. Diese Drucksache wurde jedoch auf Wunsch der antragstellenden Fraktion auf Grund einer Vereinbarung im Ältestenrat von der Tagesordnung abgesetzt. Unterdessen haben sich neue Gesichtspunkte nicht ergeben, und da auch der Gesetzentwurf zur Reform der Sozialversicherung in der nächsten Zeit noch nicht vorliegen wird, erstattet der Ausschuß für Sozialpolitik heute Bericht.
Der Ausschuß hat den Beschluß gefaßt, folgenden Antrag vorzulegen:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag der Bundesregierung zu überweisen mit dem Ersuchen, möglichst bald den Gesetzentwurf zur Reform der Sozialversicherung vorzulegen.
Der Ausschuß bittet das Hohe Haus, diesem einstimmig beschlossenen Antrag zuzustimmen, damit der Antrag auf Drucksache Nr. 35, der über drei Jahre alt ist, endlich seine Erledigung findet.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort ist nicht gewünscht.
— Ich habe keine Wortmeldung bekommen. — Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist sicherlich ungewöhnlich, daß ein Problem von solchem Ausmaß wie die Auswirkung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes laut Beschluß des Ältestenrats in diesem Hohen Hause in 40 Minuten, also von der antragstellenden Fraktion in 5 Minuten behandelt werden soll. Bei der Begründung unseres Antrags Nr. 35 habe ich schon 1949 auf die unerhörten Härten des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes und darauf hingewiesen, daß durch die Erhöhung der Beiträge auf Grund dieses Gesetzes die Leistungen und insbesondere die Steigerungsbeträge für die Angestellten herabgesetzt wurden Daß weiter durch die Einführung der Mindestrenten eine Problematik entstanden ist, weil Fürsorgebeträge und Versicherungsleistungen miteinander verquickt wurden, daß ein neuer Invaliditätsbegriff geschaffen wurde, der durch die Einführung des Stichtages und die Vorschriften des § 21 SVAG unerhörte unsoziale Härten gebracht hat, daß die Witwen der Invalidenversicherung ihre Rente nur dann bekommen, wenn sie den Antrag nach dem 31. Mai 1949 stellen, daß also von zwei Invalidenwitwen, die im selben Haus, im selben Stockwerk wohnen, die eine, deren Mann im Mai 1949 gestorben ist, die Rente nicht erhält, während die andere, deren Mann in den ersten Junitagen gestorben ist, Anspruch darauf hat. Ebenso hart ist, daß die Stammversicherten, die vielen Angestellten, die in der Jugend Beiträge in der Invalidenversicherung gezahlt haben und ab 1911 angestelltenversicherungspflichtig wurden, Beiträge in der Invalidenversicherung sogar noch freiwillig weiter gezahlt haben, bei der Gewährung ihrer Renten, wenn sie vor dem 65. Lebensjahr berufsunfähig werden und die Rente beantragen, zwar die Angestelltenversicherungsbeiträge als Leistung angerechnet erhalten, die Invalidenversicherungsbeiträge nur dann, wenn sie den Antrag nach dem 31. Mai 1949 gestellt haben. Das heißt also, daß hier eine dem Versicherungsprinzip absolut widerstrebende, ja eine ungerechte Nichtanrechnung — ich möchte ein kritischeres Wort nicht gebrauchen — geleisteter Beiträge erfolgt, weil man damals beim Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz aus wer weiß welchen politischen Gründen zu reformieren begann, ohne die finanziellen Voraussetzungen zu haben, um gleiches Recht für alle da zu schaffen, wo aus Gründen der Versicherungsgerechtigkeit eben nur gleiche Leistungen gegeben werden können. Auf der andern Seite hat man diejenigen ihres Rechtsanspruches beraubt, die Jahrzehnte Beiträge gezahlt haben, und durch die Übergangsvorschriften zum SVAG offensichtlich benachteiligt.
Nun könnte jemand sagen, die vor der Währungsreform in der Sozialversicherung geleisteten Beiträge seien genau so entwertet wie die Beiträge auf der Sparkasse. Aber, meine Herren und Damen, es erhalten Leute Renten nach dem Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz, die mit wenigen Beitragsmarken und mit einigen Beträgen, die praktisch schon am Tage X entwertet waren, als sie ihre Beiträge nachklebten, sich einen Rentenanspruch auf Lebenszeit erworben haben!
Ich bedauere außerordentlich, daß es mir wegen der 5 Minuten Redezeit nicht möglich ist, die Problematik, die durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz aufgeworfen ist und die nie aufgehört hat, die Öffentlichkeit zu beschäftigen, hier zu vertiefen. Die Sozialdemokratische Partei hat sich immer wieder auf den § 21 Abs. 3 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes bezogen und dagegen gewandt, daß hier zweierlei Invalidenrecht geschaffen werde. Sie hat auch in der öffentlichen Diskussion oft erklärt, daß sie selber diesem zweierlei Recht zugestimmt hat, weil ihr die übrigen Partner nicht die Mittel gewährt haben. Die Deutsche Partei glaubt, daß Sozialpolitik, die aus politischen Gründen gemacht wird und zweierlei Recht schafft, die schlechteste Sozialpolitik ist. Deshalb halten wir es auch für unerträglich, daß über unseren Antrag nach drei Jahren — und dieser Vorwurf richtet sich auch an unsere Koalitionspartner — im Ausschuß in unserer Abwesenheit in einer Weise entschieden worden ist, die ihm eine Beerdigung erster Klasse bereitet hat, d. h. es soll auf die Reform der Sozialversicherung gewartet werden.
— Auf solche törichten oder unverschämten Zwischenrufe antworte ich nicht. — Wir sind der Auffassung, daß das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz endlich revidiert werden sollte und daß uns der Arbeitsminister nun wirklich einen Vorschlag über die Revision der versicherungsungerechten und unsozialen Leistungen nach dem Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz vorlegen sollte.
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es werden sehr viele Ausführungen über das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz gemacht, die eine unberechtigte Kritik darstellen. Denn das vom Wirtschaftsrat beschlossene Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz hatte die Aufgabe, zur Anpassung von Leistungen der Sozialversicherung an das veränderte Preis- und Lohngefüge beizutragen. Das Sozialversicherungs-Anpas-
sungsgesetz hat dementsprechend allen Rentenempfängern eine einheitliche Zulage gewährt, ebenso allen Witwen und allen Waisen, und zwar im ersten Falle von 15 DM, im zweiten von 12 und im dritten von 6 DM pro Monat. Das ist sicherlich der einzig richtige Schritt gewesen, den der Wirtschaftsrat tun konnte, um entsprechend der Verteuerung der Lebenshaltung den Rentnern, Witwen und Waisen zu helfen.
Des weiteren hat das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz eine Ungleichheit zwischen den Arbeitern und Angestellten beseitigt, indem es den Arbeitern unter gleichen Voraussetzungen den Anspruch auf einen Rentenbezug zuerkannt hat wie auch den Angestellten. Das heißt, bei 50 %iger Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit können sowohl Arbeiter wie Angestellte ihren Rechtsanspruch, erworben auf Grund einer jahrelangen Beitragsleistung, bei dem Versicherungsträger geltend machen. Das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz hat aber weiter auch die Arbeiterwitwe mit der Angestelltenwitwe und der Beamtenwitwe gleichgestellt. Das heißt, im Falle des Todes des Ehemannes, des Ernährers der Familie, hat die Arbeiterwitwe seit dem Inkrafttreten des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes Anspruch auf ein Witwengeld, wie ihn die Angestelltenwitwe und die Beamtenwitwe schon immer hatten.
Bitte, ich frage Sie, ob das ungerecht oder unsozial war, oder wie Sie es sonst bezeichnen wollen. Wer daran Kritik übt, kennt entweder die Sachlage nicht, oder er übt diese Kritik wider besseres Wissen.
Und dieses Empfinden habe ich, sooft hier eine bestimmte Kollegin zu dieser Frage spricht.
Nun zu dem Antrag selbst. Der Antrag sieht vor, daß das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz hinsichtlich seiner Auswirkungen bezüglich der Leistungsgestaltung und der Versicherungspflichtgrenze überprüft wird. Der Antrag trägt die Drucksachennummer 35 und ist vom 27. September 1949. Meine Kolleginnen und Kollegen, die dem Sozialpolitischen Ausschuß angehören, werden mir, ganz gleich, von welcher Fraktion sie sind, bestätigen, daß wir uns sofort an die Bearbeitung dieses Antrages gemacht haben, daß es aber die Vertreterin der Deutschen Partei, die Frau Kalinke, war, die eine Menge Fragen an die Regierungsvertreter stellte und eine Menge Unterlagen und Berechnungen verlangte; es hat lange Zeit in Anspruch genommen, bis diese uns unterbreitet werden konnten.
Der Beschluß des Ausschusses für Sozialpolitik trägt die Drucksachennummer 2174 und ist vom 14. April 1951. Kein Mitglied des Sozialpolitischen Ausschusses hat dazu beigetragen, daß die Dinge bis heute — eineinhalb Jahre — verzögert wurden, bis sie dem Hohen Hause unterbreitet werden konnten. Wir mußten warten, ida Frau Kollegin Kalinke hierzu noch ihre Bedenken hatte und sich noch besonders äußern wollte. Die Äußerung ist vor kurzem so erfolgt, daß sie sich an den Sekretär des Sozialpolitischen Ausschusses mit dem Ersuchen gewandt hat, den mündlichen Bericht dem Bundestag zu unterbreiten, was ich als Ausschuß-Vorsitzender sofort veranlaßt habe.
Frau Kalinke hat bei dem vorhergehenden Punkt auch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz gestreift. Sie hat es ein unseliges Gesetz genannt. Ich halte es nicht für ein unseliges Gesetz, sondern für ein Gesetz, das für die Rentenempfänger, die Witwen und Waisen der Invalidenversicherung und der Angestelltenversicherung die erste Hilfe war. Ich glaube, alle Empfänger haben damals diese relativ wenigen Mark, die sie pro Monat bekommen haben, doch auch als eine Hilfe und als ein Bestreben des Wirtschaftsrats anerkannt, sozialpolitisch ausgleichend zu wirken.
Nun wurde darauf hingewiesen, in dem Beschluß des Sozialpolitischen Ausschusses werde zum Ausdruck gebracht, daß die Reform der Sozialversicherung vorzulegen sei. Bei idem vorhergehenden Punkt der Tagesordnung hat sich der Herr. Bundesarbeitsminister zu der gleichen Frage geäußert. Ich darf deshalb dem Hohen Hause noch einmal in Erinnerung rufen: im Februar dieses Jahres war es, als anläßlich des Antrags der SPD-Fraktion auf Errichtung einer unabhängigen Studienkommission zur Überprüfung aller sozialpolitischen Belange und Gesetze von Ihnen der Antrag eingebracht wurde, nicht eine unabhängige sozialpolitische Studienkommission zu errichten, sondern einen Beirat beim Bundesarbeitsministerium, der natürlich nur auf Einberufung und entsprechend den ihm unterbreiteten Gegenständen arbeiten und funktionieren kann. Der Beschluß wurde, wenn ich nicht irre, Mitte Februar dieses Jahres von Ihnen gefaßt. Im Mai dieses Jahres wurde die SPD-Fraktion aufgefordert, Vorschläge für Mitglieder dieses Beirates zu machen. Anfang Juni dieses Jahres hat meine Fraktion eine dahingehende Rückfrage an den Herrn Bundesarbeitsminister gerichtet und hat gebeten, ihr mitzuteilen, wieviel Beiratsmitglieder auf sie als SPD-Fraktion entfallen Würden, da sie ja danach ihre Vorschläge richten wollte und richten mußte. Diese Rückfrage von Anfang Juni wurde nicht beantwortet.
Die SPD-Fraktion hat nochmals mit einem Schreiben vom September dieses Jahres reklamieren müssen,
da sie keine Antwort auf ihre Frage erhalten hat. Anfang Oktober dieses Jahres wurde die Antwort von dem Herrn Bundesarbeitsminister gegeben, und eine Woche später hat die SPD-Fraktion ihre Vorschläge gemacht. Ich kann Ihnen die genauen Daten im Augenblick nicht mitteilen; aber die Akten sind, wenn es gewünscht wird, sehr leicht zu erreichen, und es kann dies nachgeholt werden. Ich teile das nur deshalb mit, um nicht den Eindruck zu erwekken, als ob idle einzelnen Fraktionen — es wird bei Ihnen genau so liegen — hier versagt hätten. Ich will nicht von einem „Versagen" des Bundesarbeitsministeriums sprechen. Ich glaube, daß wir mit der Methode und idem System des Beirats beim Bundesarbeitsministerium nicht das erreichen, was wir erreichen müssen, wenn wir eine vernünftige Sozialpolitik im Interesse des schaffenden Volkes betreiben wollen. Deshalb bedaure ich heute noch, daß Sie die unabhängige Studienkommission, die schon längst arbeiten würde und die uns von Sachverständigen ausgearbeitetes Material unterbreitet hätte, damit wir als Gesetzgeber tätig sein könnten, abgelehnt haben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Art und Weise, wie Frau K a -
linke das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz in den Orkus verbannt hat, kann auch ich nicht unwidersprochen lassen.
Ich bin damals im Frankfurter Wirtschaftsrat einer der Mitverantwortlichen an der Gestaltung dieses Gesetzes gewesen, und es sitzen ja hier in diesem Hohen Hause noch einige Damen und Herren, die ebenso wie der Kollege Richter, der damals der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik war — und ich hatte das Vergnügen, der stellvertretende Vorsitzende zu sein —, die ebenso wie wir an diesem Gesetz mitgearbeitet und auch mit dafür gestimmt haben. Ich glaube, man muß jetzt in dieser Situation doch auch die Feststellung 'treffen, daß auch die damaligen Abgeordneten ,der Deutschen Partei im Frankfurter Wirtschaftsrat diesem Sozialversicherungsgesetz — ich müßte mich sehr täuschen — zugestimmt haben.
— Wenn das nicht richtig ist, mag Frau Kollegin Kalinke mich korrigieren. Aber selbst wenn diese Abgeordneten der Deutschen Partei dagegen gestimmt haben, muß man, wenn man die Dinge heute rückwirkend beurteilen will, den damaligen Verhältnissen und der Zeitlage sicherlich Gerechtigkeit widerfahren lassen.
Der Frankfurter Wirtschaftsrat, der eben nur für die britische und amerikanische Zone zuständig war, wie Sie wissen, ist im Juni 1947 gebildet worden, und erst ein ganzes Jahr später haben uns die Kontrollmächte die Erlaubnis gegeben, auch eine Verwaltung für Arbeit einzurichten.
Im Spätherbst des Jahres 1948 konnte damals Herr Storch als Direktor der Verwaltung für Arbeit erst seine Tätigkeit aufnehmen. Wir sind dann im Dezember 1948 zur Verabschiedung dieses Sozialversicherungs-Anpassungsgeseetzes gekommen, und ich darf, meine sehr verehrten Damen und Herren, etwa das wiederholen, was der Kollege Richter seinerzeit gesagt hat: Es war die erste Möglichkeit, unter den damaligen Verhältnissen in diesen Dingen etwas zu tun; unter Verhältnissen, die durch all die Jahre, die wir hinter uns hatten, so geworden waren.
Ich bekenne sehr offen und ehrlich, meine Damen und Herren, daß, wenn wir heute ein derartiges Gesetz zu machen hätten, darin manches wahrscheinlich anders aussehen würde.
Aus unserer Grundkonzeption heraus und unter den heutigen Umständen im Vergleich zu damals gesehen hat dieses Gesetz selbstverständlich seine Fehler und seine Mängel. Vom Versicherungsmäßigen her gesehen ist es sicherlich nicht richtig, daß wir damals eine Mindestrente geschaffen haben, für die sich aus versicherungsrechtlicher Grundlage, also aus gezahlten Beiträgen heraus, eine derartige Rentenhöhe nicht errechnen ließe. Aber gerade in dieser Frage müssen wir uns, glaube ich, in die damalige Situation hineinversetzen.
Wir haben in dem vorjährigen Renten-Zulagegesetz auch in dieser Beziehung wenigstens eine erste Korrektur vorgenommen.
Die verehrte Frau Kollegin Kalinke hebt ganz besonders diese unterschiedliche Behandlung in der Frage der Witwenrente hervor. Jawohl, meine Damen und Herren, wir haben uns darüber damals in Frankfurt im Ausschuß und auch im Plenum sehr ernsthaft unterhalten und die Köpfe zerbrochen. Aber es war damals ebenso, wie es auch heute bei unserer finanziellen Lage ist. Auch wir schaffen heute hin und wieder ein sozialpolitisches Gesetz mit dieser oder jener Neuerung, sind uns klar dar-
über, daß man die Verbesserung, die man jetzt hier beschließt, nicht für die gleiche Kategorie — auf, was weiß ich, wie lange Zeit — noch rückwirkend beschließen kann, weil das einfach die Finanzlage nicht zuläßt. Ich möchte zum Beispiel an das Bundesversorgungsgesetz erinnern und an die Frage der Abfindung der Witwen, die wieder heiraten. Auch da gibt es einen Teil von Witwen, die in früheren Jahren verwitwet waren und die sich wieder verheiratet haben, ,die es als eine Ungerechtigkeit ansehen, daß man ihnen das nicht gegeben hat. Aber man konnte es ihnen nicht geben, weil eine solche rückwirkende Lösung 'nicht möglich war. So liegt es auch hier in diesen Dingen. Man soll deshalb eine Verbesserung, die wir damals in dieser Beziehung — wenigstens von diesem Stichtag an — durchgeführt haben, nicht deshalb verurteilen, weil sie ein Teil der früheren Witwen nicht bekommen konnte. Ich würde meinen, man sollte sich darüber freuen, daß diese Verbesserung wenigstens von diesem Stichtag ab gewährt werden konnte.
Ich möchte abschließend folgendes sagen. Sicherlich werden wir uns über das Sozialversicherungs-
Anpassungsgesetz und seine tatsächlichen oder vermeintlichen Mängel noch gründlich unterhalten müssen. Ich bin aber der Meinung — und vertrete damit auch die Auffassung meiner Freunde —, daß es hier ebenso ist wie bei vielen anderen Fragen, von denen wir überzeugt sind, daß sie irgendwie korrigiert werden müssen. Wir können nicht jede Einzelfrage vorwegnehmen, sondern wir müssen diesen Komplex auf die kommende Gesamtreform verschieben.
So bin ich der Meinung, daß es erst recht bei diesem Gesetz notwendig wird, es im Zusammenhang mit den demnächst stattfindenden Beratungen über eine Gesamtreform zu behandeln, weil ich sonst fürchte, daß wir vielleicht jetzt wieder etwas machen 'würden, was wir unter Umständen bei einer späteren Reform so oder so wieder zu korrigieren gezwungen sein könnten. Ich halte also dafür, daß man diese Dinge im Gesamtkomplex sehen muß und daß man sie bei dieser Gesamtlösung regelt. Das ist die Auffassung meiner Freunde. Ich möchte noch einmal sagen: wenn wir Kritik am damaligen Gesetz üben, dann sollten wir uns dabei doch wenigstens bewußt bleiben, daß es nur unter der damaligen Situation gesehen werden kann. Ich hätte beinahe gesagt, wie es der Skatspieler tut: nachkarten ist immer leicht, aber in jedem Augenblick das Richtige tun ist manchmal sehr schwer.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Es ist zwar richtig, daß seinerzeit in Frankfurt im Wirtschaftsrat die FDP mit DP zusammen gegen dieses Gesetz gestimmt hat; es ist aber auch richtig, daß inzwischen unter den drei Koalitionspar-
teien in der Beurteilung aller sozialpolitischen Probleme im wesentlichen eine begrüßenswerte Einigkeit entstanden ist. Wir sehen deshalb nicht ein, aus welchem Grunde dieses Streitgespräch in einem Augenblick weitergeführt wird, in dem wir sehr viele gemeinsame Arbeit auf sozialpolitischem Gebiet in Deutschland vor uns haben.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident Meine Herren und Damen! Es ist nicht so, wie es Herr Richter darzustellen versucht hat, daß unser Antrag etwa die Mindestrente oder :die Teuerungszulage oder die Anpassung der Renten an die gesteigerten Lebenshaltungskosten beanstandet hat. Unser Antrag hat die Ungerechtigkeit und den hintergründigen Sinn des Gesetzes beanstandet,
mit dem die Reform vorweggenommen werden sollte und zum Teil vorweggenommen worden ist: eine weitgehende Vereinheitlichung des Rechts in der Angestellten- und Invalidenversicherung mit nivellierenden Tendenzen!
Er beanstandet weiter die ungerechte Lösung hinsichtlich des Stichtages vom 31. Mai 1949, der zur Folge hat, daß versicherungsungerechte Leistungen gemacht werden. Auch ist psychologisch eine Situation entstanden, die kein sozial gerecht empfindender Politiker verantworten kann.
Mögen -wir nicht nur aus der heutigen Diskussion, sondern auch aus diesem Gesetz lernen, Herr Kollege Horn, daß einem dann auch „im geeigneten Augenblick" die Fehler einfallen, die man in der Vergangenheit gemacht hat! Ich bin überzeugt, daß wir nicht nur unter den Kollegen der CDU und FDP, sondern bis weit in die Reihen der SPD hinein Freunde für diese Auffassung finden werden.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Rednerliste erschöpft und die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt die Drucksache Nr. 2174 vor. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; damit ist das angenommen.
Ich rufe nun Punkt 9 a) und b) der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der DP/ DPB eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anrechnung von Renten in der Arbeitslosenfürsorge ;
b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPDeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anrechnung von Renten in der Arbeitslosenfürsorge .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den beiden antragstellenden Fraktionen zur Begründung je eine Zeit von 10 Minuten und für die Aussprache eine Gesamtredezeit von 40 Minuten zu geben. — Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
Wer begründet den Antrag der Fraktion der DP/ DPB? — Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Infolge der unterschiedlichen Landesgesetzgebung und der unterschiedlichen Rechtsprechung in den Ländern wird in einer Reihe von Ländern Süddeutschlands, ferner in Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein die Grundrente aus dem Bundesversorgungsgesetz nicht auf die Arbeitslosenfürsogre angerechnet, während sie z. B. nach Entscheidungen des Oberversicherungsamtes Hannover im Bezirk des Landesarbeitsamtes Niedersachsen angerechnet wird. Darüber ist schon im Bundesrat diskutiert worden. Dort bestand darin Einigkeit, daß auf eine Neuregelung in der öffentlichen Fürsorge — durch die Fürsorgerechtänderungs-Novelle —, die schon lange zugesagt worden ist, nicht gewartet werden kann und eine bundesgestzliche Regelung notwendig ist. Wir haben nun den ungewöhnlichen Tatbestand, daß die Auffassung des Bundesrats, der wir uns, meine politischen Freunde in der Fraktion der Deutschen Partei, vollinhaltlich angeschlossen haben, acht Tage später durch den Antrag Drucksache Nr. 3845 such von der Sozialdemoktratischen Partei aufgegriffen worden ist.
Wir freuen uns darüber, weil wir der Meinung sind, daß gerade in der Frage der Anrechnung der Grundrente — und der Frage des Versorgungsrechts nach dem BVG überhaupt —, das in diesem Hause gemeinsam, von allen Parteien, beschlossen wurde, auch ein einheitliches Recht bestehen sollte.
Man kann sehr lange darüber diskutieren, welche Konsequenzen die Anrechnung oder die Nichtanrechnung der Grundrente, die Anrechnung der halben Grundrente oder eines Teiles haben kann und sicherlich auch haben wird. Aber eindeutig sind wir wohl alle darin einer Meinung, daß bei der Anwendung ides Bundesversorgungsgesetzes unterschiedliches Recht in den Ländern unmöglich ist und daß wir dafür Sorge tragen müssen, daß besonders in den Notstandsgebieten, in denen viele Vertriebene unid auch eine hohe Zahl von notleidenden Empfängern der Arbeitslosenfürsorge leben, die Grundrente nicht angerechnet wird.
Wir hoffen, daß dieser Antrag heute einstimmig angenommen wird, damit noch vor Jahresende die Möglichkeit gegeben ist, die Anrechnung von Grundrenten in der Arbeitslosenfürsorge in Zukunft unmöglich zu machen. Der Antrag wird sicherlich, so hoffe ich, keine Diskussion auslösen sondern dazu beitragen, daß 'das schwere Schicksal der Beschädigten und der Arbeitslosen — die, sei es als Vertriebene, sei es als arbeitsunfähige Kranke oder als Arbeitslose in den Notstandsgebieten an der Zonengrenze wohnen und noch nicht wieder in den Arbeitsprozeß eingereiht werden konnten — noch zum Jahresende eine kleine Aufhellung dadurch erfährt, daß die Grundrente in der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung in Zukunft nicht mehr angerechnet wird. Wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
Zur Begründung Gesetzentwurfes unter 9 b) Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Vorlage des Gesetzentwurfs über die Anrechnung von Renten in der Arbeitslosenfürsorge wurde durch eme Bitte des niedersachsischen Sozialministers ausgelöst, ich nehme an, auch bei der Deutschen Partei.
Er hatte sich an alle niedersächsischen Bundestagsabgeordneten gewandt, um sie zu veranlassen, in dieser Frage für eine bundeseinheitliche Regelung einzutreten, nachdem sich der niedersächsische Landtag in seiner 35. Sitzung damit 'beschäftigt und festgestellt hatte, daß nur durch eine Bundesregelung 'die augenblicklichen Schwierigkeiten behoben werden können.
Die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung ergibt sich daraus, daß durch eine unterschiedliche Landesgesetzgebung, aber auch ganz besonders durch eine unterschiedliche Rechtsprechung der Oberversicherungsämter in einigen Ländern die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz nicht auf die Arbeitslosenfürsorge angerechnet wird, während sie in anderen Ländern, z. B. in Niedersachsen, nach einer Entscheidung des Oberversicherungsamtes auf die Arbeitslosenfürsorge angerechnet werden muß. Dieses Urteil der Spruchkammer wurde damit begründet, daß die Grundrente ein Einkommen sei und deshalb auf die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung angerechnet werden müsse. Die Landesregierung Niedersachsen ist trotz entgegengesetzter Entscheidungen in einigen anderen Ländern gehalten, sich nach diesem Urteil zu richten.
In diesem Zusammenhang möchte ich ganz besonders betonen, daß es außerordentlich bedauerlich ist, daß wir noch immer keine Sozialgerichtsbarkeit haben, die zu bundeseinheitlichen Urteilen kommen würde. Ich nehme an, es gibt im Hause keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und auch die Renten der gesetzlichen Unfallversicherung kein Einkommen im üblichen Sinne darstellen, sondern daß sie als Ausgleich für den erlittenen Körperschaden und für die sich daraus ergebenden Aufwendungen gegeben werden. Diese Auffassung wird auch durch die Tatsache unterstrichen, daß demjenigen, der ein Arbeitseinkommen hat, die Grundrente nicht angerechnet wird. Um so unverständlicher ist allerdings, daß sich eine Spruchpraxis herausgebildet hat, die entschieden hat, daß die Grundrente auf die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung angerechnet werden muß.
Meine Fraktion ist der Bitte des niedersächsischen Sozialministers sehr gern gefolgt, und zwar ganz besonders deshalb, weil wir bereits durch zwei Anfragen versucht haben, das Interesse des Herrn Bundesarbeitsministers auf diesen Fragenkomplex zu lenken. Bereits am 27. September 1951 richteten wir auf Drucksache Nr. 2624 folgende Fragen an den Herrn Bundesarbeitsminister. Wir fragten ihn erstens:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in einer Reihe von Ländern des Bundesgebietes Schwerbeschädigte, die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung beziehen, in zahlreichen Fällen ein geringeres Einkommen durch Kürzung der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung beziehen als
vor Inkrafttreten des Bundesversorgungsgesetzes?
Zweitens fragten wir:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um bis zum Inkrafttreten eines neuen Arbeitslosenfürsorgegesetzes diese Härtefälle auszugleichen?
Die Antwort des Herrn Bundesarbeitsministers vom 26. Oktober 1951 ließ hoffen, daß eine Regelung erfolgen würde. Er sagte:
Das Bundesministerium für Arbeit bereitet zur Zeit den Entwurf eines Gesetzes vor, nach dem bis zur endgültigen Regelung der Arbeitslosenfürsorge ein Teil der Grundrente bei der Bemessung der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung außer Betracht bleiben soll.
Es erfolgte keine Regelung. Am 12. März 1952, durch Drucksache Nr. 3181, fragten wir den Herrn Bundesarbeitsminister erneut. Er antwortete uns, daß er alsbald einen Entwurf zur Arbeitslosenfürsorge vorlegen werde; er sagte weiterhin, daß der angekündigte Gesetzentwurf bereits im Herbst vorigen Jahres vorbereitet, aber zurückgestellt worden sei, da das Zusammentreffen der Grundrente von Kriegsbeschädigten mit anderen Sozialleistungen — Soforthilfe, Lastenausgleich, öffentliche Fürsorge, Arbeitslosenfürsorge — einer grundsätzlichen und einheitlichen Behandlung bedürfe.
Meine Damen und Herren, das Lastenausgleichsgesetz ist inzwischen verabschiedet, und dort ist in § 267 die Regelung getroffen, daß die Grundrente außer Anrechnung bleibt. Wir sind der Meinung, daß man sich auch im Gesetzentwurf über die Änderung und Ergänzung fürsorgerechtlicher Bestimmungen danach hätte richten sollen. Das ist nicht geschehen, und darüber wird im Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge noch zu beraten sein. Das eine jedenfalls muß, glaube ich, einmal gesagt werden: Wenn man die Regelung im Lastenausgleichsgesetz und die Regelung in diesem Fürsorgegesetzentwurf vergleicht, dann kann man feststellen, daß eine unterschiedliche Behandlung ein und derselben Frage erfolgt ist. Das läßt auf einen Mangel an Koordinierung der einzelnen Gesetzentwürfe der Bundesregierung schließen, was sich auf dem Gebiet der Sozialleistungen nicht gerade günstig auswirkt.
Wir bitten Sie jedenfalls, dem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben, und wir hoffen das um so mehr, weil sich im niedersächsischen Landtag alle Fraktionen für eine schnelle Regelung dieser Frage eingesetzt haben.
Wir treten in die Aussprache ein, gleichzeitig zu a) und b).
Das Wort hat Herr Abgeordneter Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beide vorliegenden Anträge wollen die Grundrente gemäß dem § 31 des Bundesversorgungsgesetzes bei der Errechnung der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung anrechnungsfrei lassen. Weiterhin sollen die gesetzlichen Unfallrenten noch anrechnungsfrei bleiben in Höhe des anrechnungsfreien Betrages, der bisher allgemein für die Arbeitslosenfürsorge galt. Wir müssen uns darüber im klaren sein, zu welchen Auswirkungen diese Anträge führen bzw. führen können. Wir wissen, daß die Grundrenten in der Kriegsopferversorgung zwischen 15 und 75 DM liegen. Bisher waren in der Arbeitslosenfürsorge allgemein anrechnungsfrei
6 DM die Woche, also 26 DM im Monat. Würde den Anträgen entsprochen, dann würde das bedeuten, daß die anrechnungsfreien Beträge zwischen 31 und 101 DM im Monat lägen. Ich glaube, es wird notwendig sein, zu prüfen, ob nicht eine so weitgehende Befreiung unter Umständen dazu führen kann, daß wir mit dem anrechnungsfreien Betrag plus Unterstützung in allzu große Nähe des wirklichen Lohnes kommen. Über die Auswirkungen müssen wir uns klar sein.
Dem Bundestag liegt zur Zeit ein Gesetzentwurf über die Änderung und Ergänzung fürsorgerechtlicher Bestimmungen vor. Bei diesem Gesetzentwurf taucht gleichfalls das Problem auf, was nun bei Fürsorgeleistungen an Einkommen frei bleiben soll. Von der Bundesregierung war vorgeschlagen worden, die Grundrenten sollten zu 50 % anrechnungsfrei bleiben, mindestens aber solle ein Betrag von 10 DM anrechnungsfrei bleiben. Ich erinnere mich, daß der Bundesrat diesen Vorschlägen im wesentlichen zugestimmt hat.
Eine bundesgesetzliche Regelung dieses Problems ist meines Erachtens notwendig, weil in den Ländern differenzierte Regelungen bestehen, sowohl bezüglich der Arbeitslosenfürsorge wie bezüglich der allgemeinen Fürsorge. Hier muß versucht werden, die Dinge aufeinander abzustimmen.
Ich sagte, bezüglich ,der Arbeitslosenfürsorge sind die Verhältnisse sehr differenziert: generell — in allen Ländern — 6 DM die Woche anrechnungsfrei, darüber allerdings in einigen Ländern Befreiung der Grundrente von der Anrechnung und darüber hinaus in einigen Ländern noch einmal Anrechnung des freien Betrages von 6 DM auf den Rest der gezahlten Renten. Es sind fünf Länder, die diese Regelung getroffen haben zu einer Zeit, als sie für diese Regelung noch zuständig waren. Sie wissen, daß die Arbeitslosenfürsorge aus Bundesmitteln beglichen wird. Hier erscheint es also notwendig, zu einer einheitlichen Regelung zu kommen.
In der Fürsorgegesetzgebung ist die Differenzierung noch buntscheckiger. Allerdings ist es hier so, daß die Zuständigkeit der Länder im allgemeinen weitergeht. Dieses ganze Problem muß sorgfältig geprüft werden, und eine Abstimmung auf die Situation auf den verschiedensten Sachgebieten ist notwendig.
Ich darf darüber hinaus auch erwähnen, daß wir uns darüber unterhalten müssen, wie anderer Verdienst angerechnet werden muß. Wir reden nur von gesetzlichen Unfallrenten. Ich könnte mir vorstellen, daß auch andere Leistungen ähnlicher Art in unsere Diskussion mit einbezogen werden müssen.
Ich möchte vorschlagen, die beiden Anträge dem Ausschuß für Arbeit — federführend — zuzuweisen; darüber hinaus wäre zu erwägen, ob wir nicht auch den Kriegsopferausschuß damit beschäftigen, wegen der Rückwirkung auf die Kriegsopferversorgung, und den Ausschuß für Sozialpolitik wegen der Rückwirkung auf die Unfallrente.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Viele von Ihnen werden, wie ich, überrascht gewesen sein, als sie die völlige Übereinstimmung des Wortlauts dieser beiden Anträge feststellen konnten. So ist es uns heute also tatsächlich beschieden gewesen — vielleicht als eine Vorwirkung der seligen Weihnachtszeit —, Frau Korspeter und Frau Kalinke Arm in Arm in diesem Hause erscheinen zu sehen.
Was den Inhalt der Gesetzesvorlage angeht, so ist zu § 1 Abs. 1 zu sagen, daß nach unserer Auffassung die Grundrente der Kriegsopfer deshalb unabdingbar ist, weil sie einen Ehrensold darstellt. Andere Überlegungen, die von dem Gedanken der Versicherungsgerechtigkeit ausgehen, bewegen uns bei Abs. 2. Aber auch sie werden wohl zu ähnlichen Resultaten kommen.
Wir befürworten den Gedanken dieser beiden Anträge und stimmen der Überweisung an die Ausschüsse zu.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesversorgungsgesetz beruht auf der Teilung der Rente in eine Grundrente und in die Ausgleichsrente, wobei nur die Ausgleichsrente der wirtschaftlichen Sicherung des Beschädigten dient. Die Grundrente dagegen soll in etwa den Schaden ausgleichen, den der Betreffende sein ganzes Leben zu tragen hat. Sie soll den Mehraufwand decken, den der Betreffende, je nach dem Grade seiner Beschädigung, in erheblichem Maße hat und einen Ausgleich bilden für die Beeinträchtigung im Existenzkampf gegenüber dem Gesunden. Die Grundrente stellt darum kein Einkommen dar, das auf Leistungen anderer Art angerechnet werden könnte.
Daß dies nicht nur der Wille des Gesetzgebers, sondern auch die Absicht der Bundesregierung bei Einbringung der Vorlage zum Bundesversorgungsgesetz war, geht eindeutig aus der Begründung zum Bundesversorgungsgesetz hervor, aus der ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einmal etwas vorlesen und in Erinnerung bringen möchte. Hier heißt es:
Jedoch haben Beschädigte, deren Erwerbsfähigkeit infolge einer Schädigung um 25 bis 30 v. H. oder mehr gemindert ist, Mehraufwendungen oder Ausgaben, die ein gesunder Mensch nicht hat, oder Ausfälle an wirtschaftlichen Vorteilen oder Betätigung außerhalb des Berufs, die einen gewissen Ausgleich erfordern. Für diesen Ausgleich ist in § 28 Abs. 1 eine neben jedem sonstigen Einkommen zahlbare Grundrente vorgesehen.
Um den Charakter dieser Grundrente nicht antasten zu lassen, j a um ihn zu unterstreichen, hat der Bundestag von einer Einkommenshöchstgrenze bei der Zahlung dieser Grundrente abgesehen. Wenn wir nun aber den Beziehern höchster Einkommen diese Grundrente lassen, wäre es doch geradezu im höchsten Maße unsozial, ja einfach unbegreiflich, wollten wir sie den Beziehern niedrigster Einkommen, den sozial Schlechtestgestellten, d. h. in diesem Falle den Beziehern von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung, entziehen. Die Verordnung Nr. 117 in der britischen Zone über Arbeitslosenfürsorge sagt in § 7 Ziff. 2 a:
Ausgenommen von der Anrechnung sind:
Leistungen, die zur Abgeltung eines erhöhten Aufwandes gewährt werden.
Um eine solche Abgeltung erhöhten Aufwandes handelt es sich bei der Grundrente. Darüber waren wir uns, glaube ich, in diesem Hohen Hause immer einig. Wenn nun Oberversicherungsämter den Charakter dieser Grundrente und den Willen des Gesetzgebers in einer solchen Weise mißverstehen, daß Urteile ergehen, die dazu führen, daß diese Grundrente in einigen Ländern der Bundesrepublik auf andere Leistungen angerechnet wird, so ist das sehr bedauerlich. Ganz unbegreiflich aber ist die Haltung der Bundesregierung, die auf diese Mißstände, die durch die uneinheitliche Gesetzgebung in verschiedenen Ländern entstanden sind, schon mehrfach hingewiesen worden ist, und zwar nicht nur durch den Herrn Sozialminister von Niedersachsen, nicht nur durch einen Initiativgesetzantrag im Bundesrat, sondern auch durch die schon von meiner Kollegin Frau Korspeter hier angeführten Anfragen meiner Fraktion.
Die Beantwortung dieser Anfragen durch die Bundesregierung ist absolut unbefriedigend. Es wird hier immer auf einen kommenden Gesetzentwurf hingewiesen. Dabei hätte es ein besonderes Anliegen der Bundesregierung sein müssen, beschleunigt dieser Uneinheitlichkeit, die hier in der Bundesversorgung eingetreten ist, abzuhelfen.
Besonders merkwürdig aber mutet es an, wenn die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 28. März 1952 erklärt, sie habe beschlossen, daß „bei Kriegsbeschädigten ein Mehraufwand in Höhe der halben Grundrente anzuerkennen sei". Hier weicht die Bundesregierung von ihrer eigenen Begründung zu § 28 des Bundesversorgungsgesetzes ab und trägt dadurch selbst zu einer Rechtsunsicherheit bei, die in den Kreisen der Betroffenen die Unzufriedenheit vermehren und zwangsläufig zu politisch ungünstigen Auswirkungen führen muß.
Nun sind aber nicht nur die Opfer des Krieges, sondern auch die Opfer der Arbeit, die Unfallbeschädigten, in einer Lage — zwar auf Grund einer anderen Ursache, aber doch auf Grund des gleichen Tatbestandes —, die für sie dieselben Mehraufwendungen notwendig macht und sie in dieselbe ungünstige Lebenssituation bringt wie die Opfer des Krieges. Wir sind der Meinung, daß auch sie daher hier einen notwendigen Ausgleich erhalten müssen. Der Bundestag hat in § 291 des Lastenausgleichsgesetzes den Charakter der Grundrente bejaht und die Unfallbeschädigten, wenn auch leider nicht vollständig, mit einbezogen. Wir sind der Meinung, daß es notwendig ist, auch die Opfer der Arbeit, die Unfallbeschädigten, in der gleichen Höhe an einem solchen Ausgleich teilnehmen zu lassen wie die Opfer des Krieges und ihnen daher einen Freibetrag in Höhe der Grundrente zu gewähren, die der Kriegsbeschädigte mit der entsprechenden Erwerbsminderung erhält.
Die Notwendigkeit, diesen Gesetzentwurf hier einzubringen und vom Parlament aus initiativ zu werden, zeigt wieder, daß die Bundesregierung versäumt hat, da tätig zu werden, wo es ihre Angelegenheit gewesen wäre, die Einheitlichkeit auf dem Gebiet des Bundesversorgungswesens aufrechtzuerhalten. Die Mißstände und die Unsicherheit, die durch die verschiedenartige Rechtsprechung besonders in der britischen Zone entstanden ist, ist so groß, daß hier wirklich gehandelt werden muß. Ich bitte daher, diese Gesetzentwürfe nicht erst durch die Ausschüsse laufen zu lassen; denn das würde eine unnötige Verzögerung hervorrufen. Ich bitte, heute auch in die zweite und dritte Lesung dieser
Gesetzentwürfe einzutreten und sie heute in diesem Hause zu verabschieden.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorrednerin hat mir den Antrag, den ich stellen wollte, vorweggenommen. Ich bin ebenfalls der Meinung, daß es hohe Zeit wird, eine Einheitlichkeit der Praxis herzustellen. Die Materie, um die es sich hier handelt, ist lange und genau bekannt. Darüber hinaus bin ich auch der Meinung, daß die Bundesregierung längst Zeit gehabt hätte, die Sache von sich aus aufzugreifen und uns schon vor langer Zeit einen Gesetzentwurf hätte vorlegen können. Ich will mich nicht darüber auslassen, welchen Charakter die Grundrente hat, weil die heutige Aussprache darüber vollkommene Klarheit geschaffen hat. Nach meiner Meinung ist der Grundcharakter dieser Sonderrente richtig dargestellt worden. Ich verweise nur auf eine gewisse Unlogik: was man bei der Kriegsopfergrundrente im Prinzip anerkannt hat, muß man auch bei der Unfallrente anerkennen.
— Jawohl, Sie haben das gesagt! Aber ich glaube, man tut nicht gut daran, die Sache nun dadurch zu komplizieren, daß man in einzelnen Punkten noch konkretere Formulierungen vorschlägt. Ich bitte also ebenfalls, diesem Gesetzentwurf heute bereits in zweiter und dritter Beratung zuzustimmen. Eine Beratung ist völlig überflüssig, da die Materie klar ist und die Rechtsungleichheit so schnell wie möglich aus der Welt geschaffen werden muß.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Eine Fraktion hat hier beantragt, unseren Antrag in den Ausschuß für Arbeit und in den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Es hätte auch noch beantragt werden müssen, den Antrag an den Ausschuß für öffentliche Fürsorge zu überweisen. Die Überweisung an den Ausschuß für Arbeit, an den Ausschuß für Sozialpolitik und an den Ausschuß für öffentliche Fürsorge hätte zur Folge, daß es wahrscheinlich Frühjahr werden würde, ehe wir in diesen drei Ausschüssen mit der Beratung eines so wichtigen Gesetzentwurfs und mit der Herbeiführung einer schon so lange fälligen Entscheidung fertig wurden. Sie alle erinnern sich, daß wir uns schon bei der Beratung und Verabschiedung des Bundesversorgungsgesetzes immer wieder über die Frage der Unabdingbarkeit der Grundrente unterhalten haben. Ich habe schon anfangs gesagt, daß man durchaus verschiedene Meinungen darüber haben kann. Nachdem aber die Auffassung über diese Unabdingbarkeit auch in der Begründung des Gesetzes so eindeutig gegeben ist und nachdem bereits Entscheidungen vorliegen und unterschiedliches Recht vorhanden ist, sehen wir keine Möglichkeit mehr, hier durch Ausschußberatungen eine bessere Lösung zu finden, die den Tatbestand verändern würde. Und deshalb glauben wir nicht, daß die übrigen Fragen, wie etwa die Prüfung der Relation zum Grundlohn oder die Frage der Novelle zum Gesetz über die Fürsorgerichtsätze oder Fragen der Änderung der Leistungen, durch eine Novelle zum Bundesversorgungs-
Besetz bei dieser Gelegenheit geklärt werden können. Wir wünschen nicht, daß nur Entschließungsanträge gefaßt werden, sondern möchten, daß hier unser Initiativantrag einstimmig — ich bitte darum — möglichst heute noch in zweiter und dritter Lesung verabschiedet wird. Dann wollen wir gern bei der Novelle zum Bundesversorgungsgesetz und bei der Neuordnung der Fürsorgerichtsätze alle die Probleme diskutieren, die Herr Sabel hier angeschnitten hat. Ich bitte Sie daher, die Anträge auf Ausschußüberweisung abzulehnen; die Fraktion der Deutschen Partei wird dem Antrag auf endgültige Verabschiedung, der hier bereits gestellt ist, zustimmen. Ich bitte, den Antrag der deutschen Partei und den Antrag der Sozialdemokratischen Partei in zweiter und dritter Lesung noch heute gemeinsam anzunehmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Dem Wunsch nach sofortigem Anschluß der zweiten und dritten Beratung kann ich nur stattgeben, wenn nicht widersprochen wird. In der Stellung von Überweisungsanträgen ist aber dieser Widerspruch bereits enthalten. Infolgedessen kann ich die Frage der zweiten oder dritten Beratung überhaupt gar nicht erörtern, sondern muß über die Überweisungsanträge abstimmen lassen, solange sie aufrechterhalten sind. Sie sind nicht zurückgezogen. Demnach muß ich über sie abstimmen lassen.
Zunächst ist die Überweisung an den Ausschuß für Arbeit vorgeschlagen worden. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann liegt noch ein Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für öffentliche Fürsorge vor, und schließlich ist auch der Ausschuß für Sozialpolitik in der Debatte genannt worden. Also: Ausschuß für öffentliche Fürsorge. Ich bitte diejenigen, die den Vorschlag —
— Wir sind j a in der Abstimmung. Ich kann ja nur die Anträge, die in der Debatte erörtert worden sind, zur Abstimmung stellen, und da geht der zweite Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für öffentliche Fürsorge. Ich bitte diejenigen, die für die Beratung im Ausschuß für öffentliche Fürsorge sind, die Hand ,zu heben. — Das ist offenbar nicht gewünscht.
Damit, meine Damen und Herren, ist kein Überweisungsbeschluß zustande gekommen.
— Ich bin, nachdem widersprochen worden ist, nicht in der Lage, in eine zweite und dritte Beratung einzutreten.
— Ich bin doch an die Geschäftsordnung gebunden. Es besteht keine Möglichkeit, jetzt in die zweite Lesung einzutreten. Nun sind aber zur gleichen Zeit Überweisungsanträge abgelehnt. Damit ist die Behandlung dieses Antrags gegenstandslos
Wir treten bei der nächsten Gelegenheit ohne Ausschußberatung in die zweite Beratung ein.
Die Beratung dieser Vorlage muß auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen kommen. Das ist die einzige Behandlungsmöglichkeit, die jetzt noch gegeben ist.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dr. Müller und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes (Nr. 3825 der Drucksachen).
Dazu hat der Ältestenrat neuerdings vorgeschlagen, die Begründung anzuhören und dann ohne Debatte die Überweisung an den zuständigen Ausschuß vorzunehmen. Ich nehme an, daß so verfahren werden kann.
Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Dr. Dr. Müller (CDU), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Ich hatte dem Präsidenten vor einer Stunde schon den schriftlichen Antrag überreicht, diesen Gesetzentwurf ohne Begründung und Debatte den Ausschüssen zu uberweisen
Meine Damen und Herren, ich sehe in der von mir übernommenen Erbmappe, daß ein derartiger Antrag vorliegt. Dann wird also auch auf die Begründung verzichtet.
Es ist beantragt, die Vorlage zunächst an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als den federführenden Ausschuß zu überweisen. Ich lasse abstimmen und bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Das scheint die Mehrheit zu sein. Damit ist das beschlossen. Weiter ist beantragt, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist auch die Mehrheit. Dann ist so beschlossen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich habe die nächste, die 239. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 27. November 1952, 13.30 Uhr zu berufen und schließe die 238. Sitzung des Deutschen Bundestages.