Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts — Drucksache Nr. 3847 — Stellung zu nehmen. Zunächst möchte ich hier noch einmal eindeutig zum Ausdruck bringen, wie tief bedauerlich es ist, daß die allgemeine und große Besoldungsreform immer wieder hinausgeschoben wird. Man kann dabei nicht an der Tatsache vorübergehen, daß die Begründung für dieses Hinausschieben und das Vertrösten auf die Zukunft alles andere als überzeugend ist. Wir lesen in dieser Begründung:
Bei den hierfür in Angriff genommenen Vorarbeiten
— nämlich zur großen Besoldungsreform —
hat sich herausgestellt, daß dauerhafte Lösungen der bestehenden Probleme weitaus mehr Zeit erfordern, als sie für eine Vorlage noch in diesem Jahre zur Verfügung steht.
Muß man hier nicht fragen: Ist der Regierung diese große und wichtige Aufgabenstellung erst im Jahre 1952 bekannt geworden? Sie gibt doch selbst zu, daß die gründliche Reform durch die seit 1945 eingetretenen Veränderungen dringend erforderlich geworden ist. Seit 1949 ist die Regierung im Amt. Wenn wir auch gerechterweise eine reichliche Anlaufzeit von einem Jahre zubilligen, die den naturbedingten Schwierigkeiten entspricht, bleiben zwei volle Jahre, die wirklich dafür ausgereicht hätten, dieser Aufgabenstellung in vollem Umfang Rechnung zu tragen.
Wenn die Regierung in der Folge in weiteren Begründungen und manchen negativen Stellungnah-
men zu Anträgen des Bundesrats, die Verbesserungen der von der Bundesregierung selber erkannten dringlichen Teillösungen bringen sollen, immer wieder von Gefährdung des Arbeitsfriedens spricht, so muß man doch fragen: Wird der Arbeitsfriede nur dann erhalten, wenn man eine Beamtengruppe gegen die andere ausspielt, um dringlichste Verbesserungen auf eine ungewisse Zukunft hinauszuschieben? Gibt es nicht die größere Aufgabe der Herstellung des allgemeinen Arbeitsfriedens, eines Arbeitsfriedens, dessen Gefährdung durch selbst von der Bundesregierung zugegebene wirtschaftliche Veränderungen bedingt ist, die mit ihren Auswirkungen besonders die wirtschaftlich Schwächsten treffen? Wird nicht dadurch, daß man immer noch nicht an das Problem herangeht, der Arbeitsfriede schwerer gefährdet? Diese Erkenntnis hätte dazu führen müssen, daß uns spätestens heute an Stelle dieser Teillösung mit den wiederum unbefriedigenden Ergebnissen die große Besoldungsreform vorgelegt wurde.
Weiter hören wir von der Regierung:
Dauerhafte Lösungen, die den Rechts- und Arbeitsfrieden unter den Beamten aller Dienstherren sichern sollen, setzen im übrigen klare und übersehbare wirtschaftliche Verhältnisse sowie eine gewisse Haushaltsfreiheit voraus.
Auch die Herstellung klarer und übersehbarer wirtschaftlicher Verhältnisse gehörte zu den dringlichsten Aufgaben dieser ersten Bundesregierung. In diesem Satz wird nun von der Regierung selbst zugegeben, daß sie dieser Aufgabe bis heute nicht gerecht wurde. Rechtfertigt nicht dies allein die immer wieder vorgebrachte Kritik der Opposition dieses Hohen Hauses? Das Nichteingehen auf die zahlreichen Anträge meiner Fraktion, die in staatspolitischer Verantwortung gestellt wurden, muß nachträglich auf das tiefste bedauert werden. Das mußte als grundsätzliche Stellungnahme zum vorliegenden Gesetzentwurf gesagt werden.
Es liegt nicht in der Aufgabenstellung dieser ersten Lesung, die zahlreichen Einzelbestimmungen zu besprechen. Ich möchte nur ausdrücken, daß die im Rahmen dieser Teillösung vorgeschlagenen Verbesserungen selbstverständlich von meiner Fraktion im wesentlichen begrüßt und unterstützt werden. Es wird aber die dringlichste Aufgabe des zuständigen Ausschusses für Beamtenrecht sein — dem wir diese Vorlage zu überweisen bitten —, alle diese Vorschläge genau zu prüfen und nach Möglichkeit jetzt schon so weit auszubauen, wie es im Sinne unserer grundsätzlichen Stellungnahme erforderlich ist. Besonders aber wird der Vorschlag auf Verbesserungen, die auf der sozialen Linie liegen, so z. B. die Abschaffung der Ortszulagenklasse D und die teilweise Erhöhung des Kinderzuschlags, von uns gutgeheißen. Dagegen erscheinen uns die Vorschläge für die Besserstellung der in den Beamtenberuf hineinwachsenden jüngeren Generation sehr unzulänglich und ausbauwürdig. Hier liegen im besonderen Maße neben der Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf Menschen- und Familienschicksale staatspolitische Erfordernisse von größter Bedeutung vor.
In diesem Zusammenhang muß ich doch ein Teilgebiet aus dem Inhalt des Gesetzentwurfs herausgreifen, das, obwohl hier alle grundsätzlichen Punkte doppelt schwer wiegen und besonders das Problem der Zeitnot hervorstechend ist, von der Bundesregierung nicht nur vollständig unzureichend angegriffen wurde, es scheint vielmehr — und das ist wohl das Bedenklichste —, als wenn der Bundesregierung das so schwerwiegende Problem gar nicht in vollem Umfang zum Bewußtsein gekommen wäre. Es dürfte Ihnen allen, meine Damen und Herren, wohl schon klar sein, was ich damit meine. Es handelt sich um die Gruppe der Lehrer und Erzieher im allgemeinen und um den Nachwuchs dieser Berufsgruppe im besonderen. Gewiß ist die Kulturpolitik nach dem Aufbau und den Grundsätzen unseres Grundgesetzes Aufgabe der Länder. So ist es begreiflich, daß die ersten Impulse, die auf die Auswirkungen des derzeit unhaltbaren Zustandes zurückzuführen sind, von einzelnen Ländern kommen. Dies blieb nicht ohne Auswirkung auf die Stellungnahme des Bundesrats, obwohl dieser in der Gesamtheit noch nicht erkannt hat, wie verhängnisvoll die Auswirkungen sein werden, wenn nicht umfassende Abhilfe geschaffen wird.
Sie werden mich fragen, was dies mit dem vorliegenden Besoldungsgesetzentwurf zu tun hat. In dieser dritten Besoldungsänderung versucht die Regierung, die ihr nach dem Grundgesetz zustehende Gesetzgebungsbefugnis so auszuüben, daß sie die Rahmen- und damit auch die Grenzbestimmungen für alle Länder und Gemeinden festlegt. Dies betrifft natürlich auch die Besoldung der Lehrer aller Kategorien. Ihnen allen ist aus Ihrer Tätigkeit in allen Teilen des Bundesgebietes bekannt, daß z. B. die Besoldung des Lehrernachwuchses so unzureichend ist, daß schon jetzt, besonders auf der männlichen Seite, bald kein Nachwuchs mehr vorhanden ist. Halten Sie daneben, daß z. B. in einem Land unserer Bundesrepublik heute schon Hunderte von Lehrerstellen wegen mangelnden Nachwuchses nicht besetzt werden können, und bedenken Sie dazu, daß sich das in diesem selben Land zu einer Erziehungs- und Bildungskatastrophe auswachsen muß, wenn jetzt schon feststeht, daß ab 1954 und bis 1959 zwei Drittel aller Lehrerstellen durch den Altersabgang nach Erreichung der Altersgrenze verwaisen. Die Verhältnisse in den anderen Ländern der Bundesrepublik werden sicher ähnlich liegen. Diese einfache Feststellung müßte doch schon heute, wenn sie in ihrer vollen Bedeutung und Auswirkung für das Gesamtleben unseres Volkes erkannt wird — und es gibt keinen Ausschnitt aus diesem, der nicht davon erfaßt würde —, dazu angetan sein, SOS-Rufe auszusenden. Ein nicht rechtzeitiges Erkennen, ja eine ungenügende Voraussicht und unzureichende Maßnahmen kämen einer freiwilligen Demontage eines der wichtigsten Teile des Volksvermögens gleich, eines Volksvermögens, das über die ideelle Bedeutung hinaus weit in das Gebiet der materiellen Güter hineinreicht.
Ich muß es mir heute versagen, die Bedeutung und das Unzureichende der Maßnahmen in allen Einzelheiten hervorzuheben. Lassen Sie wenige Dinge für viele sprechen. Die vorgeschlagenen Lösungen in dieser Hinsicht beschränken sich z. B. auf ein Sechstel der Bewährungsstellen bei den Lehrern an Volksschulen. In dieses Sechstel werden die Ersten Lehrer und Konrektoren eingeschlossen, was die Zahl dieser Bewährungsstellen natürlich bedeutend verringert. Wenn wir auch anerkennen wollen, daß das für diese Lehrer ein Ausgleich für die in diesem Beruf weniger gegebenen Beförderungsmöglichkeiten ist, wenn wir auch anerkennen müssen, daß das eine kleine Leistungszulage für diese Lehrer in einem vorgerückten Alter bedeutet, so müssen wir doch klar erkennen, daß diese Lösung an das Grundproblem nicht im geringsten rührt.
Eine zweite Sache! Ich sagte vorhin, daß nach der vorliegenden Stellungnahme der Bundesregierung der Eindruck entstehen muß, daß sie die volle Schwere dieser Frage nicht erkannt habe. Dazu folgende Feststellung: der Bundesrat hat für den Lehrernachwuchs vorgeschlagen, nach Erledigung des Vorbereitungsdienstes das Anfangsgehalt mit der dritten Dienstaltersstufe beginnen zu lassen. Er begründet das wie folgt:
Der Nachwuchsmangel im Lehrerberuf droht zu einer Katastrophe zu werden. Im Interesse der Erziehung und der Ausbildung der Kinder muß ein genügend zahlreicher und befähigter Nachwuchs für den Lehrerberuf gewonnen und der Not besonders der Junglehrer gesteuert werden. Die Befürchtung, daß bei Durchführung der vom Ausschuß empfohlenen Maßnahme andere Beamtenkategorien dieselbe Vergünstigung verlangen könnten, erscheint dem Ausschuß in Anbetracht des Umstandes, daß die Verantwortung des Lehrers bei Dienstbeginn dieselbe ist wie nach langjähriger Dienstzeit und daß seine Ausbildung sich seit Erlaß des Besoldungsgesetzes entscheidend geändert hat sowie in Anbetracht des erheblichen öffentlichen Interesses an einer guten Erziehung und Ausbildung der Kinder nicht gerechtfertigt.
Sie wissen selbst, was die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme gesagt hat und was auch der Herr Finanzminister heute erklärt hat. Die Bundesregierung lehnt diesen bescheidenen Verbesserungsvorschlag, der zumindest einen kleinen Anreiz geboten hätte, einen Nachwuchs für den Lehrerstand zu finden, rundweg ab. Hier können wir nicht auf die große Besoldungsreform warten; das ist wohl allen klar. Ein Kommentar im Sinne der früheren Ausführungen zu dieser Stellungnahme der Bundesregierung ist wohl überflüssig.
Was müssen wir nun angesichts dieser Lage dem Hohen Hause und seinen Mitgliedern im Beamten-rechtsausschuß vorschlagen? Nichts anderes, als in voller Erkenntnis dieser Notlage und der dadurch drohenden Gefahren in voller Verantwortungsfreudigkeit eine Lösung zu suchen, die, wenn sie auch scheinbar einen althergebrachten Rahmen sprengt, der Bedeutung dieser Sache in vollem Umfang gerecht wird.
Ich darf nicht unterlassen, zu erwähnen, daß es auf diesem Gebiet ebenso bedrohliche Teilerscheinungen gibt. In meinem Heimatland, in Baden-Württemberg, bedeutet die in dieser Gesamtentwicklung vorgesehene Einstufung aller Gewerbelehrer teilweise eine Bildungskatastrophe mit all ihren Auswirkungen auf die traditionell hohe Entwicklung unseres Handwerks, des Gewerbes, der Industrie und auch der Landwirtschaft. Was das für Auswirkungen auf die Exportmöglichkeiten hat, die zu Nutzen oder zu Schaden des ganzen Bundesgebiets gehen, brauche ich hier nicht näher zu kennzeichnen. Wir werden die nötigen Ausführungen dazu im zuständigen Ausschuß mit aller Gründlichkeit machen. Auch hier muß eine Lösung gefunden werden, die diese Gefahr beseitigt.
Lassen Sie mich zum Schluß zusammenfassen: Die Bedeutung dieser Vorlage geht weit über den Rahmen einer sonstigen Vorlage hinaus. Wir alle müssen den Mut haben, aus diesen schwerwiegenden Gründen heraus diese Vorlage nach den Erfordernissen des Lebens und der Zeit, in der wir leben, weitgehend umzugestalten. Wenn wir mit einer verbesserten Vorlage wieder in das Plenum dieses Hauses kommen, werden wir Sie bitten, mit uns die Verantwortung für eine großzügigere Lösung zu tragen. Für uns, das heißt für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, kann ich heute erklären, daß wir in echter staatspolitischer Verantwortung mitarbeiten und, wenn uns die Lösung befriedigend erscheint, auch dafür mit die Verantwortung zu tragen bereit sind. Hier gilt mehr als je zuvor — das sage ich besonders hinsichtlich einiger Ausführungen und denke zum Beispiel 'daran, daß drei Jahre Zeit gewesen ist, diese Dinge anzugreifen, für die auch heute nur Teillösungen angestrebt werden — das Wort: Der Worte sind genug gefallen; laßt uns endlich Taten sehen!