Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat mich beauftragt, zu dem Punkt 3 b der Tagesordnung zu sprechen. Vor-
ab darf ich bemerken, daß wir Freien Demokraten einverstanden und zufrieden sind, wenn unser Antrag unter Ziffer 3 d der Tagesordnung — Teuerungszulage für Beamte —, der ein halbes Monatsgehalt zum Inhalt hat, auch in dieser anderen Form mit demselben Ergebnis zur Verwirklichung kommt.
Es ist hier sehr viel von Notstand gesprochen worden. Ich meine, es ist ein doppelter Notstand: wirtschaftliche und soziale Not bei den Beamten und Behördenangestellten, auf der andern Seite die Not bei den Verwaltungsstellen, den Schulen und Gerichten, weil sich, verursacht durch die schlechte Bezahlung, der Lehrermangel und der Richtermangel ergeben haben und weil auf die Dauer der Nachwuchs noch mehr abnimmt. Der Finanzminister hat uns aus seinem Entwurf Verbesserungen genannt, die für die Beamten allgemein gelten sollen; etwa die Hilfe für junge Beamte durch Zulagen bei den sozialen Gehaltsteilen, dem Wohnungsgeld und der Kinderbeihilfe, oder der Ausgleich von Notständen bei einzelnen Beamtengruppen in den Ländern, oder die Anrechnung von Dienstzeiten, die außerhalb der Laufbahn im praktischen Dienst verbracht worden sind, die Staffelung der Kinderzuschläge oder eine Änderung in dem Ortsklassenverzeichnis. Wenn durch diese Vorschläge eine wirksame Besserung herbeigeführt wird, sind wir damit einverstanden.
Viele Einzelheiten sind nun allerdings in dem Entwurf über den Lehrer- und den Richterstand vermerkt. Über den Lehrermangel und seine Begründung brauche ich nicht sehr viel zu sagen. Den Zahlen, die mein Kollege Herr Matzner hier angeführt hat, möchte ich noch einige hinzufügen. Wir haben im Bundesgebiet etwa 130 000 Volksschullehrer. Tatsache ist, daß 50 % dieser 130 000 Menschen älter als 45 Jahre sind. Die Jugend fehlt nicht allein, weil sich mittlerweile bei begabten jungen Menschen herumgesprochen hat, daß der Beamtenberuf so wenig einträglich ist. Vom Idealismus allein können sie nicht leben. Sehr viele der ehemals jungen Beamten sind nach Jahren nicht mehr jung; denn sie waren zu lange draußen im Feld und in der Gefangenschaft. Es ist glatt nachzurechnen, in welcher Zeit zwei Drittel bis drei Viertel der Stellen dieser 130 000 Lehrer unbesetzt sein werden.
Ähnlich sieht es bei den Gewerbelehrern, d. h. in Norddeutschland bei den Berufsschullehrern aus. In den anderen Ländern ist hier der Nachwuchsmangel noch viel, viel fühlbarer. Wir wissen, daß dort ein Viertel bis ein Drittel der Planstellen nicht besetzt werden können, weil der Nachwuchs fehlt. Aus Württemberg-Baden ist uns bekannt, daß von 500 Planstellen 200 nicht besetzt werden können, weil die Leute fehlen. Wir wissen, daß die Gewerbelehrer in Württemberg-Baden zu 60 % über 50 Jahre alt sind. Wenn die Lehrer an diesen Schulen fehlen, dann werden die Kinder in den einzelnen Klassen an Zahl zunehmen müssen; denn sie müssen ja doch alle beschult werden. Dann werden wir Klassen von 60 und vielleicht noch mehr Schülern haben. Das bedeutet, daß wir, wenn wir die einzelnen Klassen nicht so voll besetzen können, neue Klassen einrichten, also den Stoff kürzen und auch die Zahl der Stunden in der Woche herabsetzen müssen. Was aber gerade das für die Gewerbeschulen bedeutet, brauche ich wohl nicht zu sagen.
Der Entwurf macht uns hier den Vorschlag — es wurde soeben der Vergleich mit den Verwaltungsbeamten angezogen —, die Zahl der Aufstiegstellen bei den Schulen und im Richterstand zu vermehren. Es wird uns gesagt, ein Sechstel sei ungefähr die richtige Zahl. Rechnen wir doch einmal nach! Bisher war nach dem Aufbau der Schulen das Verhältnis dieser Aufstiegstellen 10 zu 90. Das bedeutete für den sehr wichtigen Beruf des Volksschullehrers, daß 90 % ewig Klassenlehrer blieben. Für sie gab es kaum eine oder gar keine Aufstiegsmöglichkeit. Wenn nun jetzt die Zahl durch das Sechstel vermehrt wird — das bedeutet, rund 16 % —, ist das Verhältnis 26 zu 74. Bei den Verwaltungsbeamten ist es 45 zu 55. Daher glaube ich, daß man hier nicht von einer weitgehenden Annäherung sprechen kann.
Diese Vermehrung der Stellen um ein Sechstel hat noch eine andere Seite, nicht nur eine rechnerische, sondern auch eine moralische. Stellen Sie sich folgenden praktischen Fall vor! An einer voll ausgebauten Schule mit 20 Klassen gibt es einen Rektor, einen Konrektor und 18 Klassenlehrer. Da die Altersschichtung heute so ist, wie Sie es eben gehört haben, gibt es unter diesen 18 Klassenlehrern mehr als drei — das wäre das Sechstel —, die, wenn sie in zwei Jahren das Endgehalt erreicht haben, in den besonderen Genuß der Bewährungszulage von 800 DM ruhegehaltfähig kommen sollen. Nun stellen Sie sich vor, wie nachher die Arbeit, die Harmonie an einer solchen Schule aussehen soll, wenn man von den 18 Lehrern, unter denen vielleicht 12 dieses Alter erreicht haben, drei auf Grund besonderer Bewährung befördert. Wer soll denn diese Bewährung feststellen, wenn die Leute bereits zwei Jahre das Endgehalt erreicht haben? Soll das der Schulleiter tun, der Regierungsvertreter oder der Schulrat? Ich bin der Überzeugung, daß die Harmonie, die in der Gesamtarbeit der Schule vorhanden sein muß, durch dieses Sechstel tatsächlich zerschlagen wird. Ich glaube, so können wir die Dinge nicht machen.
Wie müßte das gemacht werden? Wir sind für alle Verbesserungen. Zu dem Besoldungsgesetz von 1927, Herr Kollege Wuermeling, möchte ich sagen: dieses Gesetz ist ja im Laufe der Jahre mehrere Male geändert worden, 1930 und noch 1948. Aber diese Änderungen waren immer Kürzungen. Erst war es die Brüningsche Notverordnung, und im Jahre 1948 war es jene Verordnung, die unsere Finanzen und die Währung sichern sollte. Und was wir bisher gegeben haben, war doch nichts anderes als eine 20 %ge Teuerungszulage und das halbe Monatsgehalt, das, auf das Jahr umgerechnet, ungefähr 1/24, also 4 % ausmachen würde.
Wir werden im Ausschuß in dieser Angelegenheit kräftig mitarbeiten und Verbesserungen suchen. Ich glaube, wir sollten bei der Lehrerschaft, bei der wir die Zahl der Aufstiegsstellen nicht vermehren können, uns doch überlegen, ob wir nicht den Vorschlag, die Lehrer in die Besoldungsgruppe A 4 c 2 mit dem Anfangsgehalt statt wie bisher der ersten künftig der dritten Stufe einzureihen, annehmen könnten.
Bei den Lehrern an den Gewerbeschulen, besonders bei denen in Württemberg, ist zu sagen, daß die Verkoppelung von Gewerbelehrern, Hilfsschullehrern und Mittelschullehrern in manchen Ländern eine so ungünstige Wirkung hat, daß diese Leute dort tatsächlich zurückgestuft werden. Ich folge der Bitte meiner Württemberger Kollegen aus der Gewerbeschule, wenn ich vorschlage, die
Gewerbelehrer aus der kleinen Besoldungsreform herauszulassen; denn wenn sie zurückgestuft würden, könnte man nicht behaupten, daß das eine Beförderung und Verbesserung sei.
Für die Richter, glaube ich, müssen wir an dieser Stelle ebenfalls ein Wort sagen. Die Richter müssen doch zunächst das Abitur haben, dann müssen sie sechs, mitunter sieben Semester studieren, sie sind dann einige Jahre Referendare. Zur Zeit bekommen sie von einigen Ländern eine bescheidene Unterstützung, aber mit der Verpflichtung, sie zurückzuzahlen, wenn sie nicht in den Staatsdienst eintreten. Dann sind die Menschen, wenn es nicht ganz besondere Ausnahmen sind, etwa 28 Jahre alt, wenn sie verdienen. Nun rechnen Sie nach, was ein 28jähriger Mann bei Gründung einer Familie oder vielleicht schon mit zwei Kindern bekommt und was ihm dann fehlt! Dort ist der Notstand gegeben.
Die Schule! Über den Wert der Schule brauchten
wir, glaube ich, gar nichts zu sagen. Meine Fraktion
ist der Auffassung, daß bei dieser Frage das staatspolitische Moment eine große Rolle spielt. Wenn wir
diese Verbesserungen jetzt nicht schaffen und auch
in Bälde nicht die Besoldung von Grund auf ändern, dann werden wir die Folgen wahrscheinlich
nicht mehr erleben, wohl aber die Generation,
die nach uns kommt. Es ist ja bei der Schule nun
einmal nicht so wie beim Sämann, der sein Korn
auswirft und es dann dem Herrgott, dem Klima und
dem Regen überläßt, sondern erst im Abstand einer
ganzen Generation werden wir sehen können, was
daraus gemacht wird. Das sollte uns doch sehr
ernst stimmen. Wir sollten für diese Leute, die wir
an diese Plätze gestellt haben, bis zu der möglichen
Neuordnung so viel herausholen, daß sie anständig
leben und verantwortungsfreudig arbeiten können.