Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es werden sehr viele Ausführungen über das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz gemacht, die eine unberechtigte Kritik darstellen. Denn das vom Wirtschaftsrat beschlossene Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz hatte die Aufgabe, zur Anpassung von Leistungen der Sozialversicherung an das veränderte Preis- und Lohngefüge beizutragen. Das Sozialversicherungs-Anpas-
sungsgesetz hat dementsprechend allen Rentenempfängern eine einheitliche Zulage gewährt, ebenso allen Witwen und allen Waisen, und zwar im ersten Falle von 15 DM, im zweiten von 12 und im dritten von 6 DM pro Monat. Das ist sicherlich der einzig richtige Schritt gewesen, den der Wirtschaftsrat tun konnte, um entsprechend der Verteuerung der Lebenshaltung den Rentnern, Witwen und Waisen zu helfen.
Des weiteren hat das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz eine Ungleichheit zwischen den Arbeitern und Angestellten beseitigt, indem es den Arbeitern unter gleichen Voraussetzungen den Anspruch auf einen Rentenbezug zuerkannt hat wie auch den Angestellten. Das heißt, bei 50 %iger Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit können sowohl Arbeiter wie Angestellte ihren Rechtsanspruch, erworben auf Grund einer jahrelangen Beitragsleistung, bei dem Versicherungsträger geltend machen. Das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz hat aber weiter auch die Arbeiterwitwe mit der Angestelltenwitwe und der Beamtenwitwe gleichgestellt. Das heißt, im Falle des Todes des Ehemannes, des Ernährers der Familie, hat die Arbeiterwitwe seit dem Inkrafttreten des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes Anspruch auf ein Witwengeld, wie ihn die Angestelltenwitwe und die Beamtenwitwe schon immer hatten.
Bitte, ich frage Sie, ob das ungerecht oder unsozial war, oder wie Sie es sonst bezeichnen wollen. Wer daran Kritik übt, kennt entweder die Sachlage nicht, oder er übt diese Kritik wider besseres Wissen.
Und dieses Empfinden habe ich, sooft hier eine bestimmte Kollegin zu dieser Frage spricht.
Nun zu dem Antrag selbst. Der Antrag sieht vor, daß das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz hinsichtlich seiner Auswirkungen bezüglich der Leistungsgestaltung und der Versicherungspflichtgrenze überprüft wird. Der Antrag trägt die Drucksachennummer 35 und ist vom 27. September 1949. Meine Kolleginnen und Kollegen, die dem Sozialpolitischen Ausschuß angehören, werden mir, ganz gleich, von welcher Fraktion sie sind, bestätigen, daß wir uns sofort an die Bearbeitung dieses Antrages gemacht haben, daß es aber die Vertreterin der Deutschen Partei, die Frau Kalinke, war, die eine Menge Fragen an die Regierungsvertreter stellte und eine Menge Unterlagen und Berechnungen verlangte; es hat lange Zeit in Anspruch genommen, bis diese uns unterbreitet werden konnten.
Der Beschluß des Ausschusses für Sozialpolitik trägt die Drucksachennummer 2174 und ist vom 14. April 1951. Kein Mitglied des Sozialpolitischen Ausschusses hat dazu beigetragen, daß die Dinge bis heute — eineinhalb Jahre — verzögert wurden, bis sie dem Hohen Hause unterbreitet werden konnten. Wir mußten warten, ida Frau Kollegin Kalinke hierzu noch ihre Bedenken hatte und sich noch besonders äußern wollte. Die Äußerung ist vor kurzem so erfolgt, daß sie sich an den Sekretär des Sozialpolitischen Ausschusses mit dem Ersuchen gewandt hat, den mündlichen Bericht dem Bundestag zu unterbreiten, was ich als Ausschuß-Vorsitzender sofort veranlaßt habe.
Frau Kalinke hat bei dem vorhergehenden Punkt auch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz gestreift. Sie hat es ein unseliges Gesetz genannt. Ich halte es nicht für ein unseliges Gesetz, sondern für ein Gesetz, das für die Rentenempfänger, die Witwen und Waisen der Invalidenversicherung und der Angestelltenversicherung die erste Hilfe war. Ich glaube, alle Empfänger haben damals diese relativ wenigen Mark, die sie pro Monat bekommen haben, doch auch als eine Hilfe und als ein Bestreben des Wirtschaftsrats anerkannt, sozialpolitisch ausgleichend zu wirken.
Nun wurde darauf hingewiesen, in dem Beschluß des Sozialpolitischen Ausschusses werde zum Ausdruck gebracht, daß die Reform der Sozialversicherung vorzulegen sei. Bei idem vorhergehenden Punkt der Tagesordnung hat sich der Herr. Bundesarbeitsminister zu der gleichen Frage geäußert. Ich darf deshalb dem Hohen Hause noch einmal in Erinnerung rufen: im Februar dieses Jahres war es, als anläßlich des Antrags der SPD-Fraktion auf Errichtung einer unabhängigen Studienkommission zur Überprüfung aller sozialpolitischen Belange und Gesetze von Ihnen der Antrag eingebracht wurde, nicht eine unabhängige sozialpolitische Studienkommission zu errichten, sondern einen Beirat beim Bundesarbeitsministerium, der natürlich nur auf Einberufung und entsprechend den ihm unterbreiteten Gegenständen arbeiten und funktionieren kann. Der Beschluß wurde, wenn ich nicht irre, Mitte Februar dieses Jahres von Ihnen gefaßt. Im Mai dieses Jahres wurde die SPD-Fraktion aufgefordert, Vorschläge für Mitglieder dieses Beirates zu machen. Anfang Juni dieses Jahres hat meine Fraktion eine dahingehende Rückfrage an den Herrn Bundesarbeitsminister gerichtet und hat gebeten, ihr mitzuteilen, wieviel Beiratsmitglieder auf sie als SPD-Fraktion entfallen Würden, da sie ja danach ihre Vorschläge richten wollte und richten mußte. Diese Rückfrage von Anfang Juni wurde nicht beantwortet.
Die SPD-Fraktion hat nochmals mit einem Schreiben vom September dieses Jahres reklamieren müssen,
da sie keine Antwort auf ihre Frage erhalten hat. Anfang Oktober dieses Jahres wurde die Antwort von dem Herrn Bundesarbeitsminister gegeben, und eine Woche später hat die SPD-Fraktion ihre Vorschläge gemacht. Ich kann Ihnen die genauen Daten im Augenblick nicht mitteilen; aber die Akten sind, wenn es gewünscht wird, sehr leicht zu erreichen, und es kann dies nachgeholt werden. Ich teile das nur deshalb mit, um nicht den Eindruck zu erwekken, als ob idle einzelnen Fraktionen — es wird bei Ihnen genau so liegen — hier versagt hätten. Ich will nicht von einem „Versagen" des Bundesarbeitsministeriums sprechen. Ich glaube, daß wir mit der Methode und idem System des Beirats beim Bundesarbeitsministerium nicht das erreichen, was wir erreichen müssen, wenn wir eine vernünftige Sozialpolitik im Interesse des schaffenden Volkes betreiben wollen. Deshalb bedaure ich heute noch, daß Sie die unabhängige Studienkommission, die schon längst arbeiten würde und die uns von Sachverständigen ausgearbeitetes Material unterbreitet hätte, damit wir als Gesetzgeber tätig sein könnten, abgelehnt haben.