Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Meine Damen und Herren, nach der Vereinbarung im Ältestenrat sollen auch diese Berichte erst morgen diskutiert werden.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Notstandsmaßnahmen für Beamte und Behördenangestellte ;
b) Erste. Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts ;
c) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts ;
d) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Teuerungszulage für Beamte ;
e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Beamtenbesoldung ;
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Miessner, Kühn, Gaul, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer und Genossen betreffend Gesetzliche Regelung der Besoldung der kriegsgefangenen Beamten ;
und zwar zunächst 3 a:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Notstandsmaßnahmen für Beamte und Behördenangestellte .
Auch hier soll die Beratung erst morgen erfolgen.
Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.
Dr. Wuermeling , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegende Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU über Notstandsmaßnahmen für Beamte und Behördenangestellte stammt bereits vom 8. Oktober 1952. Ich möchte zunächst meinem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß es erst heute möglich ist, diese Interpellation hier im Plenum zu behandeln, da das Anliegen, um das es hierbei geht, wahrlich so dringlich ist, daß wir die Beratung nun wirklich auch nicht mehr einige Tage hinausschieben können. Wir haben in der Interpellation , ausgeführt, daß die Aufrechterhaltung des jetzigen Zustandes der Besoldung der öffentlichen Beamten und Angestellten schlechthin nicht mehr tragbar sei.
Wenn ich die Begründung dafür geben darf, dann möchte ich kurz folgendes sagen.
Die Besoldungsgrundlagen für die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes beruhen noch heute auf der Besoldungsordnung von 1927. Sie sind also jetzt gerade 25 Jahre alt — 25 Jahre, innerhalb deren sich ja wohl einiges ereignet hat. Wir haben in den letzten Monaten lediglich folgende Teuerungsanpassungsmaßnahmen getroffen: Zunächst haben wir eine 20 %ige Zulage auf das Grundgehalt bewilligt — das sind 16 % auf die Gesamtbezüge —, darüber hinaus wurden im vorigen Sommer bzw. Herbst Bezüge in Höhe eines halben Monatsgehalts zusätzlich als Teuerungszulage bewilligt — das sind, auf das ganze Jahr gerechnet, 4 % —. Den Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes werden also heute 120 % der Bezüge des Jahres 1927 gezahlt.
Meine Damen und Herren, es ist bekannt, daß demgegenüber der vom Statistischen Bundesamt errechnete Lebenshaltungsindex — über dessen Einzelheiten man vielleicht diese oder jene abweichende Meinung haben kann; aber es kommt ja hier nicht auf 4 oder 5 Punkte an — für Oktober 1952 wiederum mit 167 berechnet wurde, so daß also eine ganz erhebliche Divergenz zwischen den Lebenshaltungskosten und den Bezügen der Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes
besteht, Wir müssen sogar feststellen, daß es innerhalb der deutschen Bevölkerung tatsächlich — vielleicht außer den kleinen Hausbesitzern — keine Berufsschicht gibt, die relativ so stark hinter den Teuerungsverhältnissen zurückgeblieben ist, wie es bei der Beamtenschaft und bei den öffentlich Angestellten der Fall ist.
Wenn wir einmal nach den Seiten, nach anderen Berufsständen, blicken, dann stellen wir z. B. — und sicherlich mit großer Freude und Befriedigung und ohne jeden Neid — fest, daß die Durchschnittswochenverdienste der deutschen Industriearbeiterschaft gegenüber 1938 bereits im Mai dieses Jahres 187,5 %, die Stundenverdienste sogar schon 194,7 % erreicht hatten, wobei es sich, wie gesagt, um Durchschnittsverdienste handelt, d. h. viele liegen darunter und viele liegen darüber, aber die Löhne für die weiblichen Industriearbeiter und die Löhne für die Hilfsarbeiter sind genau so in diesen Zahlen enthalten wie die Löhne für die Spitzenkräfte der Facharbeiterschaft. Und wenn Sie die Monatswochenlohnbeträge einmal in Vergleich ziehen, so betrugen diese in der Bundesrepublik brutto im Jahre 1938 39 RM und im Jahre 1948 40 DM, während wir jetzt — die letzten Zahlen habe ich nur aus Rheinland-Pfalz — die Bruttowochenverdienste mit 79 DM im Durchschnitt der Industriearbeiterschaft ermittelt haben.
Ich betone nochmals: Ich sage das in keiner Weise etwa in dem Sinne, daß wir diese Entwicklung nicht begrüßen; es ist im Gegenteil der ganze Stolz der Bundesregierung und der Koalitionsparteien, daß es durch unsere Wirtschaftspolitik möglich gewesen ist, diese reale Aufbesserung der Kaufkraft der Industriearbeiterschaft herbeizuführen.
Das kann uns natürlich nicht daran hindern, nun für den Bereich der öffentlichen Bediensteten die Forderung zu stellen, daß auch hier endlich etwas Fühlbares geschieht.
Wenn wir uns in diesem Zusammenhang auch einmal dem sicher heute noch weithin in großer Not befindlichen Kreise der Rentner aus der Kriegsopferversorgung und der Sozialversicherung zuwenden, so ist festzustellen, daß wir als CDU/ CSU-Fraktion kürzlich auch eine diesen Kreis betreffende große Interpellation gestellt haben, die hier bereits behandelt worden ist. Wir wissen, daß auch auf diesem Sektor zusätzliche Hilfsmaßnahmen in Kürze werden beschlossen werden können. Wir dürfen gleichzeitig feststellen, daß die Ausgaben für die Kriegsopfer von 1,9 Milliarden im Jahre 1949 auf 3,4 Milliarden im Jahre 1952 gesteigert worden sind. Während z. B. die durchschnittliche Rente der Invalidenversicherung im Jahre 1938 rund 36 RM betrug, liegt sie jetzt bei 78 D-Mark. Es kann also nicht behauptet werden, es wäre etwa gar nichts geschehen. Daß hier noch mehr geschehen muß, darüber sind wir uns völlig einig. Aber Hilfsmaßnahmen sind doch vom Bund bereits getroffen.
Dann der dritte Blick nach der Seite: Wenn wir die Entwicklung der Gehälter in der freien Wirtschaft betrachten, so müssen wir feststellen, daß auch hier eine erhebliche Anpassung bereits erfolgt ist. Gewiß, im gewerblichen Mittelstand mag die Lage nicht überall gleichmäßig sein. In vielen Schichten ist dort aber auch eine weitgehende Anpassung erfolgt. Auch bei der Landwirtschaft können wir mit einem durchschnittlichen Preiserlös in Höhe von etwa 200 °/o des Jahres 1938 rechnen.
Wenn man diesen Vergleich so sieht, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn heute ein so großes Ausmaß von geradezu bedenklicher Verschuldung in Kreisen der öffentlichen Beamten und Angestellten festzustellen ist, und dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn uns die Geschäftsinhaber in großen und kleinen Orten erzählen: Die Leute mit der geringsten Kaufkraft, die am bescheidensten einkaufen, sind immer und immer wieder die Beamten und die Angestellten der Behörden.
Eine Folge dieses Zustandes ist, daß die tüchtigen Kräfte aus dem öffentlichen Dienst jetzt mehr und mehr abzuwandern beginnen. Damit fängt diese Frage an, nicht mehr nur eine soziale oder wirtschaftliche Frage für die Beamtenschaft zu sein, sondern sie wird dadurch zu einem geradezu staatspolitischen Problem; denn der Staat hat mit der gesamten Bevölkerung das größte Interesse daran, daß ihm zur Erfüllung seiner wichtigen Aufgaben ein fachlich tüchtiger, leistungsfähiger Beamten- und Angestelltenstab zur Verfügung steht. Was geschehen muß, ist also nicht nur ein ausgleichender Akt der Gerechtigkeit, sondern eine staatspolitische Notwendigkeit.
Darf ich noch ganz kurz zwei Punkte hervorheben: unsere grundsätzliche Forderung, von der wir nicht ablassen, daß die aktiven Beamten bei allen diesen Maßnahmen mit den Pensionären der öffentlichen Hand eine Einheit bilden und daß die Pensionäre — einschließlich der unter Art. 131 fallenden Personen — deswegen genau so behandelt werden müssen wie die aktiven Beamten. Es wird der Bürokratie des Finanzministeriums nicht noch einmal gelingen, uns hier irgendwie wankend zu machen. Wir werden diesen Grundsatz nicht mehr außer acht lassen.
Eine zweite Forderung, die wir gerade im Hinblick auf die großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten innerhalb der öffentlichen Bediensteten erheben müssen, ist die, unseren Familien mit einer größeren Kinderzahl in besonderem Maße zu helfen, weil die herrschende Not sich in den größeren Familien vervielfacht bemerkbar macht.
Meine Damen und Herren! Über diese beiden Grundsätze hinaus möchten wir im Augenblick — und wir haben das in der Interpellation auch nicht getan — keine speziellen Vorschläge bezüglich dessen, was zu geschehen hat, machen, nachdem wir gerade in den letzten Tagen alle denkbaren Wege in Verhandlungen mit dem Finanzministerium und innerhalb der Fraktionen diskutiert haben. Das Entscheidende ist folgendes: es muß unbedingt jetzt etwas Fühlbares herauskommen, und das Fühlbare muß noch im Monat Dezember herauskommen,
damit die Erwartungen und die Hoffnungen der
Beamten und Angestellten nicht enttäuscht werden.
Unsere Forderung an die Regierung geht nun dahin, uns zu sagen, was sie vorschlägt, um nicht nur die wirtschaftliche Notlage zu beheben, sondern um einem Staatsnotstand abzuhelfen, der tatsächlich eingetreten ist.
Meine Damen und Herren, wir sprechen in der Öffentlichkeit soviel über die Verpflichtungen zum Beispiel des Arbeitgebers in der privaten Wirtschaft gegenüber seiner eigenen Belegschaft. Die Grundsätze, die hier gelten, gelten bestimmt auch innerhalb des Treueverhältnisses zwischen dem Staat und den Beamten und den öffentlichen Angestellten, und bei allen sozialen Verpflichtungen, die wir zu erfüllen haben, gilt auch der Satz: Der unsozialste Staat ist der, der seinen eigenen engsten Mitarbeitern die gerechte Vergütung vorenthält.