Rede von
Dr.
Herwart
Miessner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat wiederholt seiner Übereinstimmung dahin Ausdruck verliehen, alles zu tun, um das harte Schicksal derjenigen zu mildern, die noch Jahre nach Niederlegung der Waffen in Kriegsgefangenschaft zurückgehalten werden. Wir haben erst jüngst anläßlich der Gedenkwoche für die Kriegsgefangenen unsere feste Entschlossenheit dazu bekundet.
In der Fragestunde des Bundestages vom 17. September 1952 habe ich den Herrn Bundesminister der Finanzen gefragt, welche Bezüge die Angehörigen der noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Bundesbeamten erhalten. Ich habe, nachdem der Herr Staatssekretär im Bundesfinanzministerium die derzeitige Verwaltungspraxis dargelegt hatte, damals an ihn die Frage gerichtet, ob seitens der Bundesregierung Vorarbeiten für eine bundesgesetzliche Regelung getroffen würden und ob sie eine bundeseinheitliche Regelung für erforderlich I) halte. Diese Frage ist mit dem Hinweis darauf, daß es sich im Bundesgebiet nur noch etwa um 50 Fälle handele, als eine solche der „Gesetzesökonomie" bezeichnet und damit im Endergebnis verneint worden.
Seitens des Herrn Vertreters des Bundesfinanzministeriums ist dabei leider der entscheidende Gesichtspunkt unterdrückt worden, nämlich daß die Bundesbehörden noch heute, mehr als drei Jahre nach der Konstituierung der Bundesorgane, den Angehörigen kriegsgefangener Beamter lediglich gekürzte, im wesentlichen auf die Hälfte reduzierte Beträge gewähren, ohne daß sie gesetzlich dazu ermächtigt sind. Nachdem zunächst die Zahlung von Dienstbezügen an die Angehörigen kriegsgefangener Beamter auf Grund von Anweisungen der Militärregierung verboten worden war, hätte man doch wohl erwarten dürfen, daß nach Aufhebung dieser Verbote alsbald eine einwandfreie rechtliche Regelung erfolgte; und diese hätte doch zweifellos von dem Bestreben getragen sein müssen, durch Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft in der Fürsorge für die Angehörigen der Kriegsgefangenen zum mindesten deren seelisches Leid und deren Sorge um ihre Familienangehörigen zu mildern. Statt dessen erfolgten rigorose Kürzungen. Sie sind im einzelnen bei den verschiedenen öffentlichen Dienstherren unterschiedlich, reduzieren jedoch fast durchweg die Bezüge der verheirateten Beamten großenteils auf die Hälfte oder noch weniger, während sie den ledigen Beamten die Bezüge völlig vorenthalten. Dies geschah aber immerhin bei einem Teil der Länder im Wege einer formal ordnungsmäßigen Rechtsetzung. Die Verwaltungszweige, die jetzt zum Bundesdienst gehören, halten es jedoch für verantwortbar, im Wege einfacher
Verwaltungsanordnungen ohne jede gesetzliche Ermächtigung und mithin unter Verletzung des weitergeltenden Besoldungsgesetzes die Bezüge der Betroffenen willkürlich zu kürzen. Ich stehe nicht an, dazu zu erklären, meine Damen und Herren, daß die Tatsache, daß das bisher überhaupt möglich war, doch wohl nur darauf zurückzuführen ist, daß es sich hier um einen Personenkreis handelt, der in ganz besonderem Maße hilflos und durch andere Sorgen so stark in Anspruch genommen ist, daß er zu einer Rechtsverfolgung vor den Gerichten überhaupt nicht in der Lage war; denn darüber, wie Klagen unter den gegebenen Verhältnissen ausgehen würden, kann unter den Sachkennern überhaupt kein Zweifel bestehen.
Ich darf hier darauf hinweisen, daß im Lande Nordrhein-Westfalen — um nur ein Beispiel zu nennen — eine gesetzliche Neuregelung in Vorbereitung ist, obschon dort bisher immerhin eine gesetzliche Regelung bestand. Dies geht, wenn ich' richtig unterrichtet bin, auf eine allgemeine Initiative des Bundesrats zurück. Ich glaube, es dürfte auch in diesem Hause hier Einigkeit darüber bestehen, daß es allerhöchste Zeit ist, auch für den Bund den nicht gerade rühmlichen rechtlosen — um nicht zu sagen: rechtswidrigen — Zustand zu beenden. Was auch immer die Gründe gewesen sein mögen, die den Bundesfinanzminister zu dieser unverständlichen Passivität veranlaßt haben, so können sie gegenüber der Notwendigkeit, die für eine alsbaldige gesetzliche Regelung spricht, nicht bestehen.
Ich möchte in diesem Zusammenhange auch einmal einen Auszug aus einem Brief verlesen, der mir aus 131er-Kreisen zugegangen ist und der das Problem der Regelung, wie sie im 131er-Gesetz erfolgt ist und wie sie zweifellos auch änderungsbedürftig ist, behandelt.
Frau Rüdiger aus Ulm schreibt mir:
Ich möchte besonders auf die Lage und Versorgung von uns Frauen, die wir unsere Männer noch in russischer Kriegsgefangenschaft haben, hinweisen. Man hat uns zu Hinterbliebenen gestempelt. Man gibt uns Bezüge in Höhe des Witwengeldes. Das können wir nicht anerkennen. Unsere Männer leben und haben damit Anspruch auf ihre Bezüge. Die Hinterbliebenenbezüge sind nur für die Bedürfnisse der Hinterbliebenen bestimmt und nicht auch noch für den Unterhalt des Ernährers. Es ist aber doch allgemein bekannt, daß wir seit Januar 1951 unsere Männer in Rußland zur Aufrechterhaltung der Lebensmöglichkeit laufend mit hochwertigen Lebensmitteln, Kleidung und Gebrauchsgegenständen versorgen, und das alles vom Witwengeld!
Meine Damen und Herren, Grundzug der Regelung, die wir von der Bundesregierung erwarten, muß sein, daß den kriegsgefangenen Beamten die ihnen von Rechts wegen zustehenden Bezüge gewährt werden und daß dabei den beamtenrechtlichen Gegebenheiten in vollem Umfange Rechnung getragen wird.
Ich beantrage auch hier Überweisung an den Beamtenrechtsausschuß.