Rede von
Karl
Gengler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag der Abgeordneten Lausen und Genossen — Drucksache Nr. 2368 — hat sich der Haushaltsausschuß eingehend beschäftigt. Im Hinblick auf die Bedeutung und die materielle Ausdehnung der in dem Antrag enthaltenen Fragen betreffend Förderungsmaßnahmen der Wasserversorgung der Länder und Gemeinden hat der Haushaltsausschuß sich veranlaßt gesehen, auch die zuständigen Fachausschüsse zu hören. Infolgedessen haben sich der Ausschuß für innere Verwaltung, der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Wirtschaftspolitische Ausschuß ebenfalls mit diesem Antrag befaßt. In sämtlichen Ausschüssen kam übereinstimmend zum Ausdruck, daß die Frage der Wasserversorgung eine hochbedeutsame ist und die Lane sich dergestalt geändert hat, daß hier umfangreiche Maßnahmen notwendig sind.
Der Bedarf an Trink- und Brauchwasser ist bei der Bevölkerung durch Verbesserung der Lebensgewohnheiten und bei der Wirtschaft durch die Kapazitätsausweitung, Verfeinerung der Produktionsverfahren, durch neue, viel Wasser gebrauchende Industrien und anderes mehr wesentlich gestiegen. Die Quellen reichen längst nicht mehr aus. Auch die Grundwasserversorgung macht in vielen Teilen des Bundesgebiets wegen Rückgangs der Wasservorräte durch zu starke Inanspruchnahme erhebliche Schwierigkeiten. Es hat sich hierdurch die Heranziehung des Oberflächenwassers aus Wasserläufen, Seen und Talsperren als notwendig erwiesen. Wegen der zunehmenden Verunreinigung der Flüsse und Seen durch häusliche und gewerbliche Abwässer ist dies aber nur unter Anwendung komplizierter und kostspieliger Wasseraufbereitungsmethoden möglich.
Die Entwicklung geht vom Einzelbrunnen über zentrale Gemeindeversorgung, Gruppenwasserversorgung zur Fernversorgung. Die gleiche Entwicklung wie in Deutschland ist auch in allen außerdeutschen wirtschaftsintensiven Ländern zu verzeichnen. Die Schwierigkeiten nehmen zu, da der Bedarf bei Bevölkerung, gewerblicher Wirtschaft und Landwirtschaft weiter steigt. In vieler Beziehung ist der Friedensstand noch nicht erreicht, da seit 1936 Hemmungen in der Durchführung von Baumaßnahmen für Erneuerung, Erweiterung und Neubau von Wasserversorgungs- und Abwasser-
reinigungsanlagen vorliegen. Die Ursachen dieses Rückstandes liegen im Verbot der Ausführung im Vierjahresplan und im Kriege. In der Reichsmark-zeit fehlten Materialien und Baustoffe; die Währungsumstellung beseitigte die Rücklagen. Seither bestehen erhebliche Kapitalbeschaffungsschwierigkeiten. Für Wasserpreise und Kanalisationsgebühren gilt noch der Preisstopp, der die Ausweitung der Wasserversorgungsbetriebe stark hemmt. Es besteht daher noch immer ein erheblicher echter Nachholbedarf. Unter anderem fehlen etwa 50 bis 70 % des für die Sicherung des Betriebes und des Feuerlöschwesens notwendigen Speicherraums.
Zur Zeit werden im Bundesgebiet jährlich rund 6 bis 6,5 Milliarden Kubikmeter Wasser gebraucht. Die beabsichtigte 25 %ige Kapazitätsausweitung verlangt jährlich mindestens 1 Milliarde Kubikmeter Trink- und Brauchwasser mehr. Der Geldbedarf zur Aufholung dieser wasserwirtschaftlichen Aufgaben beträgt, soweit er sich heute übersehen läßt, 6 bis 7 Milliarden DM. Der jährliche Geldbedarf für baureife vordringliche Maßnahmen der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung wird auf 500 Millionen DM veranschlagt. Nach ihrer Auffassung können die Unternehmungen der Wasserwirtschaft, Wasserwerke, Wasserverbände und -verwaltungen nur etwa ein Drittel dieses Betrages selbst aufbringen. 1951 und 1952 haben die Länder zusammen rund 200 Millionen DM, der Bund aus zentral gesteuerten Mitteln — ERP, Zins- und Tilgungsrückflüsse, Sofort- und Sanierungsprogramm, Versicherungsprogramm, Investitionshilfe — zusammen 150 Millionen DM aufgebracht. Dabei sind 35 Millionen DM aus ERP-Mitteln, 60 Millionen DM aus Investitionshilfe. Ungedeckt blieben jährlich 150 bis 200 Millionen DM.
Die öffentliche Wasserversorgung im Bundesgebiet liegt in der Hand von rund 13 000 Wasserwerken. Diese befinden sich zum allergrößten Teil im Besitz der öffentlichen Hand. Ein geringer Teil allerdings sehr bedeutender Unternehmungen wird in der Form gemischtwirtschaftlicher Gesellschaften oder in privater Form geführt.
-Die Eigentumsunterschiede begründen keinerlei Unterschiede in der öffentlichen Aufgabe dieser Unternehmungen. Diese besteht in der Verpflichtung zur sicheren und ausreichenden Versorgung von Bevölkerung, Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie mit Trink- und Brauchwasser. Die ausreichende Erfüllung dieser Aufgabe bildet die Grundlage jedes Lebens und jeder Wirtschaft. In weiten Kreisen der Bevölkerung wird es allmählich Allgemeingut, daß die frühere selbstverständliche Sicherheit, mit der die Verbraucher bisher die Wasserversorgung beurteilt haben, ihre Grundlagen zu verlieren beginnt. Die Erfahrungen und die von mir dargelegten Zahlen lassen eindeutig erkennen, daß sich die Wasserversorgung in naher Zukunft, wenn nicht jetzt schon, auf vielen Gebieten zu einem bedenklichen Engpaß entwickeln wird. In diesem Sinne waren sich die Ausschüsse in der Beurteilung der Grundfrage einig.
Wegen der Mittel, die erstens von den wasserwirtschaftlichen Unternehmungen und zweitens von den Ländern aufzubringen wären, ist die Frage aufgeworfen worden, inwieweit sich der Bund weiterhin daran beteiligen kann. Im Haushaltsausschuß wurde mit Nachdruck betont, daß die Unternehmungen der Wasserwirtschaft Ländern und Gemeinden oder Gemeindeverbänden gehören und
daß eine Verschiebung dieses Aufgabengebiets zu Lasten des Bundes nicht stattfinden konne. Andererseits wurde ebenso nachdrücklich betont, im Hinblick auf die Allgemeinbedeutung der Frage musse auch der Bund hier helfend mit eingreiten. In diesem Sinne liegt Ihnen der Antrag des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 374 vor. Er fordert in der Spitze, daß die Bundesregierung mit den Ländern einen Plan zur Beseitigung des Wassermangels für die öffentliche Wasserversorgung und zur Abwässerbeseitigung aufstellen und ferner auf die Lander einwirken soll, daß verstärkt Haushaltsmittel der Lander für die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung bereitgestellt werden. Es ist hierin nicht nur auf die Frage der Behebung des Wassermangels als solche abgehoben, sondern auch auf die dringende Notwendigkeit der Abwässerbeseitigung, weil die Verschmutzung der Wasserlaufe ebenfails zu einer Gefahr für die gesamte Wasserversorgung und die Gesundheit breitester Schichten wird.
In zweiter Linie wird in dem Antrag die Bundesregierung ersucht,
zu prüfen, ob folgende Maßnahmen durchgeführt werden können:
a) Bereitstellung von angemessenen Mitteln im außerordentlichen Haushalt für Zwecke der öffentlichen 'Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung;
b) Berücksichtigung der öffentlichen Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung bei der Vergabe von Krediten aus zentral gesteuerten Mitteln;
c) Übernahme von Bürgschaften im Interesse der öffentlichen Waserversorgung und Abwasserbeseitigung.
Im Auftrag des Haushaltsausschusses bitte ich um Zustimmung zu dem Antrag Drucksache Nr. 3874.