Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung erkennt an, daß, wie es in der Großen Anfrage auf Drucksache Nr. 3737 heißt, die Gehälter der Beamten und Behördenangestellten hinter der Entwicklung in anderen Berufsständen zurückgeblieben sind. Die Bundesregierung hält es für überflüssig, zu betonen, daß ihr das Wohl der Beamtenschaft, die Aufrechterhaltung des Berufsbeamtentums und die Fürsorge für das Berufsbeamtentum besonders am Herzen liegen.
Sie darf aber darauf verweisen, daß die große Sozialgesetzgebung — Bundesversorgungsgesetz, Fürsorge für den Personenkreis des Art. 131, Anpassung der Sozialrenten aller Art an die gestiegenen Lebenshaltungskosten — die vordringlichste Aufgabe gewesen ist und daß alle diese Aufgaben zusammen nur im Rahmen des Möglichen geleistet werden können.
Ich bitte es nicht als Bemängelung dieser echten Überzeugung zu betrachten, wenn ich betone, daß es mir nicht richtig erscheint, bei einem Vergleich einerseits von den Besoldungsgrundsätzen des Jahres 1927, andererseits aber von den Lebenshaltungskosten des Jahres 1938 auszugehen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß bei einem Vergleich immer nur das gleiche Jahr als Vergleichsjahr genommen werden kann, also, wenn man vom Jahre 1938 für den Lebenshaltungsindex ausgeht, auch die Besoldungsverhältnisse des Jahres 1938 zugrunde gelegt werden müssen. In diesem Jahr war die Besoldung der Beamten aber um 21 % geringer als im Jahr 1927.
Bei Berücksichtigung dieser Tatsache liegt das gegenwärtige Bruttobesoldungsniveau unter Einbeziehung der im Laufe des Jahres 1952 gewährten Jahreszuwendung in Höhe eines halben Monatsgehalts nicht bei 120, sondern bei 150.
Im übrigen muß grundsätzlich bemerkt werden, daß eine automatische Anpassung der Besoldung des öffentlichen Dienstes an den Lebenshaltungsindex zur gleitenden Gehalts- und Lohnskala und damit zu den Folgen einer solchen gleitenden Lohn- und Gehaltsskala führen könnte.
Wie schon in der Begründung zu den Entwürfen eines Zweiten und eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts ausgeführt worden ist, steht auch die Bundesregierung auf dem Standpunkt, ' daß eine grundlegende Reform des geltenden Besoldungsrechts erforderlich ist. Das Ziel einer solchen Reform soll einmal die Beseitigung wirtschaftlicher Notstände und weiter die Festsetzung einer Besoldung sein, die der Leistung und der Verantwortung der Beamten in den einzelnen Laufbahngruppen mehr als bisher Rechnung trägt und damit die in den letzten Jahren aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Werbung qualifizierten Nachwuchses beseitigt. Die Vorarbeiten für das Reformwerk sind bereits seit längerer Zeit im Gang. Bis zum Abschluß dieser Arbeiten wird aber noch eine gewisse Zeit vergehen, da im Interesse einer dauerhaften und den Rechts- und Arbeitsfrieden sichernden Lösung die wirtschaftlichen Ziele sämtlicher Berufsgruppen aufeinander abgestimmt werden müssen. Ich bemerke, daß ich in dieser Überzeugung bisher mit sämtlichen Vertretern aller Organisationen völlig einig gehe.
Die Fragen der Besoldungsreform sind aber auch nicht für sich allein zu lösen. Die Summe sämtlicher Personalausgaben in den öffentlichen Haushalten, die mit rund 10 Milliarden DM jährlich zu beziffern sind, stellt nicht nur für die öffentlichen Haushalte, sondern auch für die gesamte Volkswirtschaft einen gewichtigen Faktor dar. Es müssen daher gleichzeitig mit einer Reform des Besoldungsrechts notwendig andere das wirtschaftliche und soziale Leben des Volkes erfassende Reformen verbunden werden. Eine Besoldungsreform ist nach Auffassung der Bundesregierung ohne eine Finanz- und Steuerreform nicht möglich. Wenn die öffentlichen Haushalte durch eine Besoldungsreform zusätzliche Belastungen erfahren sollen, muß feststehen, welche Steuerquellen diesen öffentlichen Haushalten erschlossen bleiben , und wie diese Steuern im einzelnen gestaltet werden sollen.
Die zukünftige Belastung des einzelnen Beamten mit öffentlichen Abgaben ist für die Gestaltung der Besoldung von wesentlicher Bedeutung. Die von Berufsverbänden und einzelnen Länderparlamenten in Erwägung gezogenen oder geforderten Überbrückungsmaßnahmen für diese Zeit stellen vielfach eine geeignete Lösung bis zur großen Besoldungsreform nicht dar. Es können nur Überbrückungsmaßnahmen in Betracht gezogen werden, die den Arbeitsfrieden wahren, die Besoldungsreform nicht präjudizieren sowie haushaltsmäßig und allgemein wirtschaftlich tragbar sind.
Derartige Überbrückungsmaßnahmen ' werden einmal durch den Entwurf des Dritten Änderungsgesetzes zur Besoldungsordnung getroffen. Schon hierdurch entstehen sämtlichen öffentlichen Haushalten Belastungen im Jahresbetrage von insgesamt 450 Millionen DM, wovon auf den Bundeshaushalt allein rund 45 Millionen DM entfallen. Das Dritte Änderungsgesetz soll vor allem dem wirtschaftlich am meisten der Hilfe bedürfenden Teil der Beamtenschaft, das sind die Beamten mit Kindern und der junge Nachwuchs, Verbesserungen des Einkommens durch Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses, der Kinderzuschläge und anderes bringen.
Darüber hinaus hat aber die Bundesregierung noch erörtert, wie sämtlichen Beamten bis zu einer großen Besoldungsreform oder anderen durchzuführenden steuerlichen Maßnahmen geholfen werden kann. Sie hat mit den Beamtenverbänden und mit den Finanzministern der Länder beraten, auf welche Weise die Hilfe einerseits wirksam für den einzelnen, andererseits tragbar für die öffentlichen Haushalte gestaltet werden könnte. Ich darf hier bemerken, daß diese Besprechungen mit den Vertretern der Länder und Gemeinden nicht ohne Schwierigkeiten gewesen sind, da selbstverständlich die Finanzlage derselben verschiedenartig ist und daher eine Lösung gefunden werden muß, die von allen getragen werden kann. Nach dem Ergebnis der Besprechungen mit den Finanzministern darf die Bundesregierung erklären, daß gemeinsam bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage der Beamtenschaft ein allgemeiner Notstand der Beamtenschaft anerkannt und es daher als zulässig erachtet wurde, zur Behebung dieses Notstandes die Gewährung von steuerfreien Unterstützungen vorzusehen. Ich bemerke, daß dieser Weg vor allem deswegen gewählt wurde, weil einzelne der beteiligten Gemeinden und Verkehrsverwaltungen in ihrem Rahmen nun einmal enger begrenzt sind als andere und ein Weg gefunden werden mußte, der allen Beteiligten die Möglichkeit gab, sich an diesem Unterstützungswerk zu beteiligen.
Demzufolge hat die Bundesregierung beschlossen, folgende Maßnahmen durchzuführen.
Erstens. Die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes einschließlich der Versorgungsempfänger und der 131er — worüber nie Zweifel bestanden hat — sollen ab 1. Januar 1953 für die Dauer von zwölf Monaten eine steuerfreie Unterstützung in Höhe von 7 0/o des Grundgehalts einschließlich der Zulagen und besonderen Zuschläge auf Grund des Ersten Besoldungsänderungsgesetzes oder der entsprechenden Grundvergütungen erhalten.
Zweitens. Nach den Besprechungen mit den Länderfinanzministern sollen diese Unterstützungen entweder monatlich oder auch für größere Zeiträume im voraus gezahlt werden. Die Bundesregierung beabsichtigt nun, diese Unterstützungen für vier Monate im voraus, möglichst noch im Dezember 1952 zur Auszahlung zu bringen. Sie wird die entsprechenden Vorlagen dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages raschestens unterbreiten.
Drittens. Außerdem sollen im Dezember 1952 die Beamten ebenso wie auf Grund der Tarifverträge die Angestellten und Arbeiter eine Weihnachtszuwendung erhalten, die für Verheiratete 50 DM, für Ledige 30 DM und für jedes kinderzuschlagsfähige Kind 15 DM beträgt.
Diese Maßnahmen werden folgenden finanziellen Aufwand erfordern. Die Unterstützungen belaufen sich für sämtliche Haushalte zusammen auf 538 Millionen DM jährlich. Hiervon entfallen auf den Bundeshaushalt 76,2 Millionen DM, auf die Post 66,0 Millionen DM, auf die Bundesbahn 86,8 Millionen DM, zusammen für diese drei Bundeszweige 229 Millionen DM. Der Rest entfällt auf die Länder und Gemeinden. Für die Weihnachtszuwendung ergibt sich bei sämtlichen öffentlichen Haushalten ein Aufwand von 110 Millionen DM. Zuzüglich der Aufwendungen, die das Dritte Besoldungsänderungsgesetz erfordert, nämlich 450 Millionen DM, werden die öffentlichen Haushalte danach insgesamt mit rund 1 Milliarde 100 Millionen DM jährlich belastet.
Die Bundesregierung wird für ihren Bereich in Kürze die Zustimmung der zuständigen parlamentarischen Instanzen zu den geplanten Maßnahmen beantragen. Der Bundeshaushalt als solcher ist der geringst betroffene. Aber die Belastung der gesamten öffentlichen Hand erreicht ein solches Ausmaß, daß ich hoffe, daß die Öffentlichkeit und auch die Beamtenschaft ein Verständnis dafür haben, daß solche Maßnahmen sich nun einmal an einen bestimmten Rahmen, an den Rahmen des Möglichen, halten müssen. Mit diesen Überbrückungsmaßnahmen glaubt die Bundesregierung den Interessen der Beamtenschaft im Rahmen des Möglichen bis zum Inkrafttreten der großen Besoldungsreform oder sonstiger die wirtschaftliche Lage der Beamtenschaft fördernden Regelungen genügend Rechnung getragen zu haben. Das gesamte Besoldungsproblem kann nur dann für die Dienstherren und die Angehörigen des öffentlichen Dienstes zufriedenstellend gelöst werden, wenn die Einheitlichkeit des Besoldungs- und Versorgungsrechts in Bund, Ländern und Gemeinden erhalten bleibt und keine Einzelmaßnahmen getroffen werden, die gegen zwingendes Bundesrecht und damit gegen das Grundgesetz verstoßen. Denn wir sind e i n Volk und e i n Staat, und die Beamtenschaft, die diesem Volk und diesem Staat dient, soll in diesem Volk und in diesem Staat unter den gleichen Rechts- und Wirtschaftsverhältnissen leben können.