Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist nach der Großen Anfrage vom 30. Oktober betreffend Kriegsopfer nun innerhalb von 4 Wochen die zweite „Große Anfrage", diesmal die Beamtenbesoldung betreffend, die die CDU/CSU an ihren Fraktionskollegen, den Herrn Finanzminister, richtet: Was gedenkt der Herr Finanzminister zugunsten dieses Personenkreises der Beamten und Behördenangestellten, zu tun? Man könnte den Eindruck gewinnen, als ob zwischen der Fraktion und ihrem großen Bruder so ein weltweiter Abstand bestände, daß es gar keine andere Möglichkeit gäbe, hinter seine Pläne zu kommen, als die, hier eine Große Anfrage zu stellen.
Ich bin aber nicht so dumm, das anzunehmen.
Darum sage ich, warum dieses Theater hier aufgezogen worden ist: es ist aufgezogen worden, um vor
der Beamtenschaft angesichts ihrer Forderungen
zu Weihnachten und ihrer allgemeinen Forderungen
einen großen Bluff zu machen. Das ist der Inhalt.
Wenn Sie, Herr Dr. Wuermeling, dann noch feststellen, daß die Beamtenschaft eigentlich seit 20 Jahren in einer Besoldungslage steckt, die schlechthin nicht mehr tragbar ist, dann ist doch die zweite Frage — —
— In ihrem eigenen Antrag steht, 'daß die Besoldung „schlechthin nicht mehr tragbar" ist.
— Jetzt, schön!
— Aber seit 4 Jahren sind Sie doch schon mit Ihrem Herrn Dr. Adenauer hier und jetzt kommen Sie erst dahinter!
— Drei Jahre genügen auch. Ich wäre sogar zufrieden, wenn Sie mit Ihrem Herrn Dr. Adenauer so schnell wie möglich abgingen, vor Ablauf des vierten Jahres.
Nun gibt Herr D r. W u e r m e l i n g für seinen Antrag eine sehr eigenartige Begründung. Er
spricht von der staatspolitischen Notwendigkeit einer Befriedung der Beamtenschaft.
Hitler hat auch einmal von „Befriedung" gesprochen. Wissen Sie, wann er daran gegangen ist, die Beamtenschaft zu „befrieden"? Kurz vor Kriegsausbruch!
Wenn man einen Krieg durchführen will, dann muß man eine willfährige Beamtenschaft haben, und der muß man dann schon entsprechende Gehälter zahlen.
— Das liegt auf der hohlen Hand. Und dann stellt sich derselbe Herr Wuermeling hin und sagt: Nicht wahr, es ist doch eine stolze Sache für die Regierung, daß es auf anderen Sektoren gelungen ist, gewisse Verbesserungen zu erreichen. Er spricht zum Beispiel von den glänzenden Löhnen der Arbeiter. Er vergleicht sogar die Sozialrenten mit der Beamtenbesoldung, kommt aber dann zu der Schlußfolgerung: Spezielle Forderungen stellen wir nicht, aber es muß etwas Fühlbares geschehen. Dann kommt der Herr Minister und sagt, was „Fühlbares" geschehen muß. Er spricht von der Gesamtbelastung der öffentlichen Hand, von der Verschuldung der Beamtenschaft und kommt zu der Schlußfolgerung: 7 % pro Monat Zulage zum Grundgehalt. Und dann sagt er, das kann ja auf vier Monate zusammengezogen und auf einen Schlag ausgezahlt werden. Danach kommt der Herr Miessner von der FDP mit dem „Grundsatzantrag", ein halbes Monatsgehalt zu zahlen. Im Laufe seiner Ausführungen beweist er, daß vier mal sieben Prozent gleich fünfzig Prozent sind.
Er sagt nämlich: Wenn der Herr Minister mit seinem Vorschlag zu demselben Ergebnis kommt, das in unserem Antrag gefordert wird, sind wir damit zufrieden.
Herr Miessner, 4 mal 7 ist 28,
und wenn man 7 % des Grundgehalts auf vier Monate zusammendrängt und auf einmal bezahlt, ist das kein halbes Monatsgehalt. So schlau sollten Sie sein, Sie haben ja den Doktor-Titel.
Die Beamtenschaft hat konkrete Forderungen gestellt, die uns allen bekannt sind. Die Beamtenschaft fordert 50 % des Dezember-Bruttogehalts. Durch ihre Berufsorganisation verlangt sie darüber hinaus eine 30%ige allgemeine Gehaltserhöhung. Und dafür stimmen wir Kommunisten!
Wir stimmen ebenso für eine grundsätzliche Neuregelung des Besoldungsrechts im Sinne einer wirklichen Reform. Auch für die Gleichstellung der Ruhegehaltsempfänger mit dem aktiven Beamtentum stimmen wir.
— Jawohl, dafür stimmen wir. Wir haben auch für die 131er gestimmt.
— Ich habe nur drei Minuten Redezeit und kann nicht mit Ihnen über die Ostzone diskutieren; und wenn ich Ihnen die Wahrheit darüber sage, glauben Sie es doch nicht,
weil Sie nicht dürfen.
Wir sind also der Meinung, daß schnellstens eine grundsätzliche Reform vorgenommen und der Beamtenschaft zu Weihnachten das halbe Bruttomonatsgehalt gewährt werden muß.
Wir werden, wenn diese Anträge aus dem Ausschuß zurückkommen, d. h. wenn der Gesetzentwurf, den Sie beantragen, vorliegt — hoffentlich wird er noch vor dem Sankt-Nimmerleins-Tag kommen —, im Sinne unserer Ausführungen die entsprechenden, uns notwendig erscheinenden Verbesserungsanträge stellen. Das ist unsere Haltung zu diesem Problem.
Nun möchte ich an die Adresse der Beamtenschaft ein Wort sagen.
— Ja, wählt KPD, wählt KPD, wählt KPD, dann
seid ihr nämlich nicht dazu verurteilt, mit solchen
Hungergehältern zu existieren und dabei auch noch
eure Intregrität zu wahren. Ihr verlangt nämlich
nicht nur hungernde Beamte, ihr verlangt ja auch
noch, daß sie sich die Finger sauber halten. Daß das
bei Ihrer Methode überhaupt noch möglich ist, ist
ein Wunder; und daß das tatsächlich- noch der Fall
ist, dafür danken wir der deutschen Beamtenschaft.
Das ist unsere Haltung zu diesem Problem.