Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Vorlage des Gesetzentwurfs über die Anrechnung von Renten in der Arbeitslosenfürsorge wurde durch eme Bitte des niedersachsischen Sozialministers ausgelöst, ich nehme an, auch bei der Deutschen Partei.
Er hatte sich an alle niedersächsischen Bundestagsabgeordneten gewandt, um sie zu veranlassen, in dieser Frage für eine bundeseinheitliche Regelung einzutreten, nachdem sich der niedersächsische Landtag in seiner 35. Sitzung damit 'beschäftigt und festgestellt hatte, daß nur durch eine Bundesregelung 'die augenblicklichen Schwierigkeiten behoben werden können.
Die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung ergibt sich daraus, daß durch eine unterschiedliche Landesgesetzgebung, aber auch ganz besonders durch eine unterschiedliche Rechtsprechung der Oberversicherungsämter in einigen Ländern die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz nicht auf die Arbeitslosenfürsorge angerechnet wird, während sie in anderen Ländern, z. B. in Niedersachsen, nach einer Entscheidung des Oberversicherungsamtes auf die Arbeitslosenfürsorge angerechnet werden muß. Dieses Urteil der Spruchkammer wurde damit begründet, daß die Grundrente ein Einkommen sei und deshalb auf die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung angerechnet werden müsse. Die Landesregierung Niedersachsen ist trotz entgegengesetzter Entscheidungen in einigen anderen Ländern gehalten, sich nach diesem Urteil zu richten.
In diesem Zusammenhang möchte ich ganz besonders betonen, daß es außerordentlich bedauerlich ist, daß wir noch immer keine Sozialgerichtsbarkeit haben, die zu bundeseinheitlichen Urteilen kommen würde. Ich nehme an, es gibt im Hause keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und auch die Renten der gesetzlichen Unfallversicherung kein Einkommen im üblichen Sinne darstellen, sondern daß sie als Ausgleich für den erlittenen Körperschaden und für die sich daraus ergebenden Aufwendungen gegeben werden. Diese Auffassung wird auch durch die Tatsache unterstrichen, daß demjenigen, der ein Arbeitseinkommen hat, die Grundrente nicht angerechnet wird. Um so unverständlicher ist allerdings, daß sich eine Spruchpraxis herausgebildet hat, die entschieden hat, daß die Grundrente auf die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung angerechnet werden muß.
Meine Fraktion ist der Bitte des niedersächsischen Sozialministers sehr gern gefolgt, und zwar ganz besonders deshalb, weil wir bereits durch zwei Anfragen versucht haben, das Interesse des Herrn Bundesarbeitsministers auf diesen Fragenkomplex zu lenken. Bereits am 27. September 1951 richteten wir auf Drucksache Nr. 2624 folgende Fragen an den Herrn Bundesarbeitsminister. Wir fragten ihn erstens:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in einer Reihe von Ländern des Bundesgebietes Schwerbeschädigte, die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung beziehen, in zahlreichen Fällen ein geringeres Einkommen durch Kürzung der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung beziehen als
vor Inkrafttreten des Bundesversorgungsgesetzes?
Zweitens fragten wir:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um bis zum Inkrafttreten eines neuen Arbeitslosenfürsorgegesetzes diese Härtefälle auszugleichen?
Die Antwort des Herrn Bundesarbeitsministers vom 26. Oktober 1951 ließ hoffen, daß eine Regelung erfolgen würde. Er sagte:
Das Bundesministerium für Arbeit bereitet zur Zeit den Entwurf eines Gesetzes vor, nach dem bis zur endgültigen Regelung der Arbeitslosenfürsorge ein Teil der Grundrente bei der Bemessung der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung außer Betracht bleiben soll.
Es erfolgte keine Regelung. Am 12. März 1952, durch Drucksache Nr. 3181, fragten wir den Herrn Bundesarbeitsminister erneut. Er antwortete uns, daß er alsbald einen Entwurf zur Arbeitslosenfürsorge vorlegen werde; er sagte weiterhin, daß der angekündigte Gesetzentwurf bereits im Herbst vorigen Jahres vorbereitet, aber zurückgestellt worden sei, da das Zusammentreffen der Grundrente von Kriegsbeschädigten mit anderen Sozialleistungen — Soforthilfe, Lastenausgleich, öffentliche Fürsorge, Arbeitslosenfürsorge — einer grundsätzlichen und einheitlichen Behandlung bedürfe.
Meine Damen und Herren, das Lastenausgleichsgesetz ist inzwischen verabschiedet, und dort ist in § 267 die Regelung getroffen, daß die Grundrente außer Anrechnung bleibt. Wir sind der Meinung, daß man sich auch im Gesetzentwurf über die Änderung und Ergänzung fürsorgerechtlicher Bestimmungen danach hätte richten sollen. Das ist nicht geschehen, und darüber wird im Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge noch zu beraten sein. Das eine jedenfalls muß, glaube ich, einmal gesagt werden: Wenn man die Regelung im Lastenausgleichsgesetz und die Regelung in diesem Fürsorgegesetzentwurf vergleicht, dann kann man feststellen, daß eine unterschiedliche Behandlung ein und derselben Frage erfolgt ist. Das läßt auf einen Mangel an Koordinierung der einzelnen Gesetzentwürfe der Bundesregierung schließen, was sich auf dem Gebiet der Sozialleistungen nicht gerade günstig auswirkt.
Wir bitten Sie jedenfalls, dem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben, und wir hoffen das um so mehr, weil sich im niedersächsischen Landtag alle Fraktionen für eine schnelle Regelung dieser Frage eingesetzt haben.