Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Bei drei Mitgliedern des Beirats nach § 39 des Stasi-
Unterlagen-Gesetzes läuft die fünfjährige Mitgliedschaft
Ende des Jahres aus. Sie müssen daher vom Bundestag
neu gewählt werden. Die Fraktion der CDU/CSU benennt
hierfür wieder die Abgeordneten Hartmut Büttner und
Hartmut Koschyk, die Fraktion der SPD Herrn Profes-
sor Dr. Richard Schröder. Sind Sie mit diesen Vorschlä-
gen einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Damit
sind die genannten Personen in den Beirat nach § 39 des
Stasiunterlagengesetzes gewählt.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, den in der zehnten
Sitzung bereits überwiesenen Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung zur Regelung des Urheberrechts in der Informati-
onsgesellschaft auf Drucksache 15/38 nachträglich dem
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden?
– Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 13 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an dem Einsatz einer Inter-
nationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in
Afghanistan auf Grundlage der Resolutionen
1386 vom 20. Dezember 2001, 1413
vom 23. Mai 2002 und 1444 (2002) vom
27. November 2002 des Sicherheitsrats der Ver-
einten Nationen
– Drucksachen 15/128, 15/223 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Gert Weisskirchen
Dr. Friedbert Pflüger
Dr. Ludger Volmer
Dr. Werner Hoyer
Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 15/231 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Antje Hermenau
Lothar Mark
Herbert Frankenhauser
Dietrich Austermann
Jürgen Koppelin
Ich weise darauf hin, dass wir nach der Aussprache
über die Beschlussempfehlung namentlich abstimmen
werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundesmi-
nister der Verteidigung, Peter Struck, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Afghanistan braucht Hilfe und wir wollen diese Hilfe
heute beschließen.
Dafür ist das nachhaltige Engagement der internationalen
Gemeinschaft erforderlich. Wir übernehmen heute zu-
sätzliche Verantwortung.
Wir wissen, die Stabilisierung des Landes, die Festi-
gung einer multiethnischen Regierung der nationalen
Aussöhnung und die Schaffung von Rahmenbedingungen
für die wirtschaftliche Entwicklung und die gesellschaft-
liche Demokratisierung sind von zentraler Bedeutung für
den Erfolg im Kampf gegen den internationalen Terroris-
mus. Dieser Kampf ist noch lange nicht beendet, wie der
gestrige Vorfall vor unserem Lager in Kabul zeigt. Dort
wurde ein Selbstmordanschlag mit inzwischen drei To-
ten verübt. Das heißt, die Lage ist äußerst instabil und sehr
gefährlich für unsere Soldatinnen und Soldaten.
Unsere herausragende Rolle für die Zukunft Afghanis-
tans wird vom Vertrauen der afghanischen Bevölkerung
und der afghanischen Regierung getragen. Das spürt jeder,
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Bundesminister Dr. Peter Struck
der sich in Kabul ein Bild von der Situation macht. Das
hat übrigens auch Präsident Karzai während der
Petersberg-Konferenz am 2. Dezember erneut hervorge-
hoben.
Wir verstehen unser Engagement in einem sehr umfas-
senden Sinne, weil Stabilität und Sicherheit im Lande nur
durch ein umfassendes Herangehen gefördert werden
können. Die Petersberg-Konferenzen, die wirtschaftliche
Unterstützung unter dem Dach der Europäischen Union,
der Aufbau der Polizei und der Anteil der Bundeswehr an
der Sicherheitspräsenz in Kabul stehen für den deutschen
Beitrag.
Unser Engagement geht weiter. Es ist schon Beein-
druckendes geleistet worden. Doch 20 Jahre Bürgerkrieg
und das grausame Erbe der Taliban können nicht in ein
oder zwei Jahren bewältigt werden. Ohne fortgesetztes in-
ternationales Engagement kann es das afghanische Volk
nicht schaffen. Es ist hierbei völlig unstreitig: In Afghanis-
tan wie in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo und auch an
anderen Orten, wo Gewalt und Zerstörung zu Hause wa-
ren, zeigt sich, dass mit Geld allein die Probleme nicht zu
lösen sind, sondern nur mit internationaler, auch militäri-
scher Präsenz.
Der Wiederaufbau von Polizei und Armee kann nicht
über Nacht erfolgen. Die gewaltigen ethnischen und ge-
sellschaftlichen Spannungen sowie die latente Gefahr der
noch nicht vollständig besiegten Taliban werden die eige-
nen Möglichkeiten der afghanischen Regierung noch für
geraume Zeit überfordern. Deshalb ist die Schaffung ei-
nes sicheren Umfelds für Aufbau und Stabilisierung un-
verzichtbar. Wir verhindern einen Rückfall in Zeiten der
Unterdrückung und des Bürgerkrieges. Wir stellen sicher,
dass Terroristen in Afghanistan kein sicheres Rückzugs-
gebiet und keinen Ausbildungsraum finden. Wir leisten
einen wesentlichen Beitrag, um die Erfolgsaussichten der
global operierenden radikalen Islamisten zu begrenzen.
Wir tragen dazu bei, dass eine von vielerlei Krisen und
Spannungspotenzialen geprägte Region nicht weiter de-
stabilisiert wird.
Der Bundeswehr fällt dabei durch die Übernahme der
anspruchsvollen Leitfunktion für ISAF zusammen mit
unseren niederländischen Freunden ab Februar 2003 wei-
terhin eine besondere Rolle zu. Die Verstärkung auf bis zu
2 500 Soldaten trägt dieser erhöhten Verantwortung Rech-
nung. Erstmalig wird dieser Einsatz auch durch die Be-
reitstellung ausgewählter Fähigkeiten der NATO unter-
stützt. Dies ist vielleicht ein erster Schritt zu mehr
Verantwortung der NATO in Afghanistan und vielleicht
ein Hinweis auf die Übernahme der Lead-Funktion durch
die NATO nach Beendigung unserer Verantwortung.
Die Leistungen unserer Soldatinnen und Soldaten im
Einsatz sind durchgehend beispielhaft.
Ich habe dies gerade erst wieder am vergangenen Wo-
chenende während meiner Besuche bei unseren Soldaten
in Dschibuti, Mombasa und Kuwait feststellen können.
Diese Leistungen werden durch erstklassige Ausbildung,
hohe Motivation und die Unterstützung der vielen in der
Bundeswehr gewährleistet, die hier in Deutschland die in-
ternationalen Einsätze ermöglichen. Ich denke dabei ge-
rade auch an die Familien unserer Soldatinnen und Sol-
daten, für die jeder Einsatz eine schwierige Zeit mit vielen
persönlichen Belastungen darstellt. Ich spreche allen mei-
nen Dank und meine besondere Anerkennung aus.
Vor zwei Wochen habe ich an dieser Stelle deutlich ge-
macht, dass sich die Weiterentwicklung der Reform der
Bundeswehr noch konsequenter als bisher an dem wahr-
scheinlichsten Einsatzspektrum unserer Streitkräfte aus-
richten muss. Seit Jahren bestimmen vorrangig Aufgaben
im Rahmen der internationalen Konfliktverhütung und
der Krisenbewältigung die Einsatzrealität der Bundes-
wehr. Dies muss sich in Strukturen, Umfängen, Fähigkei-
ten und Ausrüstung niederschlagen; sonst wird die Bun-
deswehr wegen struktureller und materieller Defizite
immer wieder an die Grenzen der Belastbarkeit geführt.
Genau diesen Weg habe ich mit ersten Entscheidungen
zu verschiedenen Beschaffungsvorhaben eingeleitet.
Weitere mittelfristige Weichenstellungen werden, wie an-
gekündigt, im Frühjahr erfolgen. Unsere Überlegungen
gehen von der Annahme aus, dass der Schwerpunkt der
Aufgaben der Bundeswehr auf absehbare Zeit im multi-
nationalen Einsatz und jenseits unserer Grenzen liegen
wird. Die Verteidigung an den Grenzen unseres Landes ist
glücklicherweise zu einer unwahrscheinlichen Option ge-
worden.
Um zu verdeutlichen, worum es wirklich geht, habe ich
davon gesprochen, dass unsere Sicherheit auch am Hin-
dukusch verteidigt wird. Deutschland ist sicherer, wenn
wir zusammen mit Verbündeten und Partnern den inter-
nationalen Terrorismus dort bekämpfen, wo er zu Hause
ist, auch mit militärischen Mitteln. Unsere Sicherheit wird
größer, wenn sich die Bundeswehr mit Erfolg am Wieder-
aufbau unter demokratischen Vorzeichen auf dem Balkan
und in Afghanistan beteiligt, indem sie hilft, dort das drin-
gend benötigte sichere Umfeld zu schaffen.
Wo wären wir denn heute in Europa, wenn die Bundes-
wehr sich nicht über Jahre im multinationalen Verbund im
kriegs- und bürgerkriegszerrissenen Südosteuropa enga-
giert hätte?
Ein zeitgemäßes Verständnis von Sicherheit und Ver-
teidigung hat zum Ziel, Bedrohungen und Krisen durch
gemeinsames Handeln auf Distanz zu halten. Verteidi-
gung heute umfasst mehr als Verteidigung an den Lan-
desgrenzen, wobei Landesverteidigung grundsätzlich
auch weiterhin möglich sein muss. Aber zeitgemäße Ver-
teidigung umfasst die Verhütung von Konflikten und Kri-
sen.
Sie umfasst die gemeinsame Bewältigung von Krisen.
Sie umfasst ebenso die Krisennachsorge und die Beteili-
gung am Wiederaufbau und am Nation Building. Mo-
derne Sicherheitspolitik heißt multilaterale Sicherheits-
vorsorge im Rahmen der Vereinten Nationen, der NATO,
der Europäischen Union und der OSZE.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1315
Diese moderne Sicherheitspolitik lässt sich geogra-
phisch nicht eingrenzen. Denn die Risiken und Bedro-
hungen in der heutigen Welt kennen keine Grenzen. Sie
berühren uns auch über große Entfernungen hinweg. Wir
sprechen hier – mit anderen Worten – nicht über ein ta-
gespolitisches Szenario, sondern über einen grundlegen-
den Wandel der sicherheitspolitischen Lage seit dem Ende
des letzten Jahrhunderts. Verteidigung heute ist Wahrung
unserer Sicherheit, wo immer diese gefährdet ist. Es geht
darum, den Herausforderungen für die Sicherheit zu be-
gegnen, „aus welcher Richtung diese Herausforderungen
auch kommen mögen“, wie es im Gipfelkommuniqué der
NATO von Prag heißt. Wir müssen uns gegen äußere Be-
drohungen, die, wie im Falle des internationalen Terroris-
mus, im Inland auftreten können, genauso wie gegen die
akuten Risiken schützen können, die sich im weiteren in-
ternationalen Umfeld ergeben.
Aus diesen Gründen wird der Bundestag heute für eine
Fortsetzung des Bundeswehrengagements in Afghanistan
stimmen. In Afghanistan tun wir das, was der Verantwor-
tung Deutschlands, was unseren Möglichkeiten und unse-
ren Sicherheitsinteressen entspricht, genauso wie auf
dem Balkan und am Horn von Afrika – gemeinsam mit
unseren Partnern und Freunden.
Meine Damen und Herren, als Bundesminister der
Verteidigung bin ich den Fraktionen des Hauses außeror-
dentlich dankbar, dass wir dieses schwierige Mandat in
Afghanistan mit einer sehr großen Zustimmung aller
Fraktionen im Parlament beschließen werden. Darauf ha-
ben unsere Soldatinnen und Soldaten einen Anspruch, die
eine schwierige Arbeit tun, denen ich auch von hier aus
noch einmal ein frohes und gesundes Weihnachtsfest
wünsche und denen ich sage: Kommen Sie alle gesund
nach Hause!
Ich erteile das Wort dem Kollegen Friedbert Pflüger,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Vorgestern hat im Auswärtigen Ausschuss der Kol-
lege Volmer von den Grünen gesagt: Die Grünen stimmen
der Verlängerung des Mandats selbstverständlich zu.
Wir haben uns angesichts der Geschichte der Grünen auf
diesem Gebiet über dieses „selbstverständlich“ etwas ge-
wundert.
Aber wir stimmen im Ergebnis völlig zu. Auch wir sind
der Meinung, dass dieses Mandat verlängert werden
sollte. Selbstverständlich ist das für uns allerdings nicht,
Herr Kollege Volmer.
Denn wir müssen bei einem so großen und risikoreichen
Engagement sehr sorgfältig und sehr genau die Interes-
senlage unseres Landes und die Sicherheitslage für un-
sere Soldaten analysieren. Ich glaube, es ist sehr wichtig,
dass man vor einem solchen Engagement, das den Steu-
erzahler sehr viel Geld kostet, die Dinge wirklich ganz ge-
nau untersucht und nicht sagt: Wir sind selbstverständlich
dafür.
Entscheidend ist in der Tat das, was der Kollege Struck
eben völlig zu Recht ausgeführt hat, nämlich die Frage,
wie es um die deutschen Sicherheitsinteressen steht. Wir
dürfen nicht vergessen: In Afghanistan hat der Terroris-
mus seinen Anfang genommen. Al-Qaida, Osama Bin
Laden und der 11. September verbinden sich mit Afgha-
nistan. Deshalb ist es wichtig, dass wir in Afghanistan
nicht nur den al-Qaida-Terror militärisch bekämpften,
sondern dass wir auch dafür sorgen, dass dem Terrorismus
der Nährboden durch die Arbeit unserer humanitären
Hilfsorganisationen entzogen wird, die unmöglich wäre,
wenn nicht die Internationale Sicherheitsunterstützungs-
truppe unter Beteiligung der Bundeswehr die Aufbauar-
beit schützen würde.
Wir wissen aus dem Bericht der Vereinten Nationen,
dass al-Qaida noch nicht zerschlagen ist, sondern dabei
ist, neue Trainingscamps in Afghanistan aufzubauen. Wir
wissen des Weiteren, dass es dort nach wie vor sehr aktive
Kräfte und auch Waffenlieferungen gibt. Daher ist es ganz
wichtig, dass sich die ISAF-Truppe aus Afghanistan nicht
zurückzieht. Das wäre sonst ein nachträglicher Sieg der
Taliban. Deshalb – darin stimmen wir alle überein – ist es
unter dem Strich notwendig, die Mission in Afghanistan
fortzusetzen.
Siba Shakib – sie ist eine Deutsch-Perserin und hat das
fabelhafte Buch „Nach Afghanistan kommt Gott nur zum
Weinen“ geschrieben; es geht in diesem Buch um die Ge-
schichte von Shirin Gol, einer afghanischen Frau, die die
ganzen Kriegs- und Bürgerkriegswirren miterlebt hat; das
ist ein sehr bestürzendes und bedrückendes Buch – sagt
uns: Wenn ihr Afghanistan verlasst, dann wird die ganze
Welt daran Schaden nehmen, weil sich der Terrorismus
hier wieder regruppieren kann und neue Bedrohungen
von ihm ausgehen werden.
Wir alle wissen doch – das wird von BKA, Bundes-
nachrichtendienst und Verfassungsschutz immer wieder
unterstrichen –: Deutschland ist inzwischen nicht nur
Ruhe- und Vorbereitungsraum, sondern auch ein mög-
licher Zielort für den Terrorismus geworden. Deshalb ist
es wahr: Wenn es in Afghanistan keine Sicherheit gibt,
wenn es dort keinen Wiederaufbau gibt, wenn wir uns
dort zurückziehen, dann leidet auch die Sicherheit in un-
serem Land. Deshalb stimmen heute CDU und CSU der
Verlängerung des Mandats zu.
Wir müssen anerkennen, dass es eine Reihe von wirkli-
chen Fortschritten in Kabul gibt, die aber brüchig sind und
an denen deshalb weitergearbeitet werden muss, damit
Bundesminister Dr. Peter Struck
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Dr. Friedbert Pflüger
sich die dortige Lage stabilisiert. Wir haben bei unserem
kurzen Besuch in Kabul – auch die Kollegen Kossendey
und Raidel sowie Kollegen von anderen Fraktionen wa-
ren dabei – eine Reihe von wirklichen Fortschritten gese-
hen: dass man zum Beispiel ohne Angst und Terror end-
lich wieder vernünftig leben kann, dass sich Frauen auf
der Straße wieder alleine bewegen können, dass sie die
Burka, die der totalen Verschleierung der Frauen dient,
nicht mehr tragen müssen, dass in den Fußballstadien
wieder Fußball gespielt wird und keine Menschen mehr
exekutiert werden. Wir haben aber auch Fortschritte im
täglichen Leben festgestellt. Es gibt wieder Handel auf
den Straßen. Wir haben gesehen, dass wieder Felder an-
gelegt werden und dass Häuser gebaut werden. Man muss
bedenken, dass Kabul zu großen Teilen völlig zerstört ist.
Ein bisschen stelle ich mir so unsere deutschen Großstädte
1945 vor. Jetzt sieht man, dass es zwischen den Ruinen
erste Ansätze eines Wiederaufbaus gibt. Auch Mädchen
können wieder in die Schule gehen. Frauen können wie-
der berufstätig sein. Das alles war unter der Herrschaft der
Taliban nicht möglich. Das alles alleine zu lassen und
nicht mehr abzusichern wäre ein großer Fehler.
Die deutschen Hilfsorganisationen, die Nichtregie-
rungsorganisationen – wir haben mit ihnen gesprochen –
leisten dort eine fantastische Arbeit. Ich nenne nur: Welt-
hungerhilfe, Kinderwerk, Caritas, Misereor, Shelter Now,
Malteser, Minenräuminitiativen, German Medical Ser-
vice, aber auch THW-Freiwillige, Deutscher Entwick-
lungsdienst, Deutscher Akademischer Austauschdienst,
GTZ, Goethe-Institut und BKA, das dort ein großes Poli-
zeiprojekt durchführt. Dort findet also viel statt, auch mit-
hilfe von privaten Spendern. Durch die Bank be-
schwören uns alle: Bleibt hier! Helft uns, dieses Land zu
stabilisieren!
Dieses Land hat es verdient. Es ist kein Fass ohne Bo-
den. Es gibt dort eine Führungsschicht, die dankbar das
aufgreift und selbst daran arbeitet, das Land nach vorn zu
bringen.
Das unterstützen wir in diesem Parlament, glaube ich,
über alle Parteigrenzen hinweg. Herzlichen Dank den
Hilfsorganisationen, die dort wirklich eine gefährliche
und aufopferungsvolle Arbeit leisten!
Das ist nicht nur aus humanitären Gründen notwendig.
Terrorismusbekämpfung – ich wiederhole das – muss im-
mer auf zweierlei Weise erfolgen. Sie muss mit militä-
rischen, polizeilichen und geheimdienstlichen Mitteln er-
folgen, aber auch dadurch, dass man dem Terror den
Nährboden nimmt. Es geht um den Nährboden, der aus
Ungerechtigkeit, Not, Würdelosigkeit und Unbildung
wächst. Diesen Nährboden zu bekämpfen liegt ebenfalls
im Sicherheitsinteresse von uns hier in Deutschland.
Ich habe dort eine Afghanin getroffen – ich möchte das
einfach einmal erzählen, damit man einen Eindruck ge-
winnt –, Mitte 40, würde ich schätzen. Sie hat in Oxford
studiert und dort auch einen Doktortitel erworben. Sie ar-
beitet in Afghanistan in einer Frauenbewegung und sagt:
Wir müssen in dieser Gesellschaft, die tief konservativ-is-
lamisch geprägt ist, aufklären. Wir müssen ihr klar ma-
chen, dass auch Mädchen und Frauen arbeiten dürfen. Das
ist ein gewaltiges Potenzial, das hier völlig brachliegt.
– Sie berichtet, dass die Männer auf Folgendes verweisen:
Die Taliban sagen, Frauen müssten zu Hause bleiben;
Frauen dürften keine Bildung und keinen Beruf haben. –
Diese Afghanin sagt deshalb: Unser aller Aufgabe ist es,
diesen extremistischen Kräften deutlich zu machen, dass
der Islam und der Koran durchaus die Möglichkeit vor-
sehen, dass Frauen ausgebildet werden und arbeiten. Wir
dürfen die Interpretation des Koran und des Islam nicht
den Taliban und anderen extremistischen Kräften überlas-
sen.
Das ist richtig, meine Damen und Herren: Niemals dür-
fen wir diese extremistischen Taliban-Kräfte und diese
al-Qaida-Kräfte mit dem Islam und mit dem Koran im
Ganzen in einen Topf werfen. Das sind ganz unterschied-
liche Dinge. Das festzuhalten ist für unseren weiteren
Kampf gegen die terroristische Bedrohung ganz wichtig.
Ich komme nun zu einem Punkt, von dem wir finden,
dass die Bundesregierung hier bisher nicht genug ge-
macht hat, nämlich die Entwicklung eines politischen
Gesamtkonzepts.
Wir haben Petersberg I und II gehabt, wir haben Ge-
berkonferenzen gehabt. Wichtig ist jetzt, dass die Stabili-
sierung, die im Großraum Kabul erfolgt ist, auf das Land
insgesamt übertragen wird, dass man auch in den anderen
Regionen Afghanistans spürt: Hier wird stabilisiert.
Uns interessiert, zu erfahren: Was ist Ihr Konzept
dafür? Wir wollen ja nicht auf alle Ewigkeit in Afgha-
nistan bleiben. Irgendwann müssen die Afghanen selbst
für ihre Sicherheit sorgen. Wie also kann man die Lage
außerhalb Kabuls stabilisieren? Wie kann man die
Paschtunen, die größte Volksgruppe, besser in den Pro-
zess einbinden, auch um zu verhindern, dass sie wieder zu
den Taliban überwechseln? Wie kann man vor allem ein
konsequenteres Vorgehen gegen den massiven Drogen-
anbau organisieren? Durch den Drogenanbau entsteht im-
mer noch oder wieder ein Einkommen von 1,2 Mil-
liarden Euro für die Leute. Die Summe der Hilfsmittel, die
bisher von der Welt bezahlt worden sind, ist ein bisschen
größer; sie beläuft sich auf 1,3 Milliarden Euro. Der Dro-
genhandel hat also nach wie vor ein ungeheures Gewicht
in Afghanistan. Was tun wir eigentlich dagegen?
Die Frage des ökonomischen Wiederaufbaus ist von
großer Bedeutung. Präsident Karzai hat uns gesagt: Vor
allem müssen Straßen gebaut werden, damit man von der
Zentrale auch wieder in die Regionen des Landes kom-
men kann.
Wenn bei den Afghanen die Hoffnung auf einen baldi-
gen Wiederaufbau schwindet, dann wird es schwierig,
dieses Land wieder zu stabilisieren. Deshalb mahnen
wir bei der Regierung ein Gesamtkonzept an, mit der
Perspektive, Afghanistan zu stabilisieren und unseren
Soldaten eine Möglichkeit zu geben, dieses Land in ab-
sehbarer Zukunft wieder zu verlassen.
Meine Fraktion hat am Mittwoch in den Ausschüssen
die Bundesregierung sehr genau zu den militärischen
Aspekten der Sicherheit und des Schutzes befragt. Denn
es ist unsere Aufgabe als Opposition, uns hinsichtlich un-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1317
seres Einsatzes für den Schutz unserer Soldaten in
Afghanistan von niemandem übertreffen zu lassen.
Kollege Christian Schmidt wird dazu gleich einige aus-
führlichere Angaben machen.
Ich möchte für meine Fraktion Folgendes sagen: Der
Bundeswehreinsatz in Afghanistan ist ohne jeden Zweifel
risikoreich; wäre er das nicht, bräuchte man dort keine
Soldaten. Deswegen ist es für unsere Zustimmung sehr
wichtig, dass die Bundesregierung im Ausschuss erklärt
hat und von hohen Militärs darin bestätigt wurde, dass alle
Vorkehrungen zum Schutz unserer Soldaten getroffen
worden sind. Wir als Abgeordnete können uns nur ein
Bild durch einen kurzen Besuch vor Ort machen. Wir ha-
ben keinen eigenen Geheimdienst. Wir sind auf das an-
gewiesen, was uns die Soldaten vor Ort, die militärische
Führung und letztlich in der politischen Bewertung die
Bundesregierung sagen. Deshalb müssen wir auf ihre
Angaben vertrauen.
Ich halte fest: Sie haben uns in den Ausschüssen zuge-
sichert, dass – trotz der Häufung von Anschlägen und Ra-
ketenbeschuss auf Kabul und trotz des Attentats von ges-
tern – das vorhandene Gerät zum Schutz unserer Soldaten
ausreichend sei; alle Wünsche der militärischen Führung
und auch der Militärs vor Ort seien berücksichtigt wor-
den.
Wir sind ein bisschen irritiert, Herr Minister, durch
eine gewisse Diskrepanz. Wir haben im Ausschuss gehört,
es gebe nur noch ein Restrisiko und ansonsten habe sich
die Lage sehr stabilisiert. Sie dagegen sagten in einem
Interview in der „Berliner Zeitung“ von gestern, die Lage
sei „äußert instabil und gefährlich“. – Wir bitten Sie doch
sehr, Herr Minister Struck, diesen Widerspruch in der Be-
wertung aufzuklären. Zwischen Restrisiko und äußerst in-
stabiler und gefährlicher Lage besteht ein Unterschied.
Wir wären dankbar, wenn Sie uns darüber jetzt Auf-
klärung geben würden.
Wir, die Union, haben in den Ausschüssen und auch
schon in den Beratungen, die wir in Kabul mit den dorti-
gen Militärs hatten, großen Wert darauf gelegt, dass es de-
taillierte Notfallpläne für den Fall einer dramatischen Zu-
spitzung der Lage gibt. Die Menschen in Kabul reagieren
freundlich auf die ISAF-Truppen. Das sieht man an jeder
Ecke. General Schlenker, der dort das Kommando hat, be-
richtet von einer 98-prozentigen Zustimmung. Wenn un-
sere Soldaten patrouillieren – sie sind inzwischen 11 000
Patrouillen gefahren, vor allen Dingen mit den Wieseln,
diesen kleinen gepanzerten Fahrzeugen, mit denen sie
durch die Stadt fahren –, dann spüren sie, dass sie über-
all positiv aufgenommen werden. Trotzdem stellt sich
die Frage: Kann man dem angesichts all der Erfahrun-
gen, die wir mit den Warlords und den konkurrierenden
Gruppen und Clans in Afghanistan gemacht haben, ver-
trauen?
Deshalb ist so ein Notfallplan von großer Wichtigkeit.
Die Bundeswehr – so hat die Bundesregierung zuge-
sichert – hat einen solchen Notfallplan mit allen ISAF-
Partnern erarbeitet. Er sieht in einem solchen Notfall die
Evakuierung von 15 000 Personen innerhalb von fünf Ta-
gen vor. Wir hoffen nicht, dass es dazu kommt; aber wir
sind es unseren Soldaten und ihren Familien schuldig,
dass es solche Notfallpläne gibt. Ich bin dankbar dafür,
dass Sie auf unser Drängen hin einen solchen klaren Not-
fallplan in den Ausschüssen erläutert haben.
Wichtig war uns, dass die Bundesregierung uns zusi-
chert, dass die Amerikaner, von deren Hilfe ISAF- und Zi-
vilpersonal in Afghanistan in Notfallsituationen abhängig
sind, auch im Falle eines Irakkrieges nicht den Um-
fang ihrer Streitkräfte reduzieren oder Spezialkräfte aus
Afghanistan abziehen. Es war ja ein Verdacht, der nahe-
liegt, dass im Falle einer Zuspitzung der Situation im Irak
Kräfte abgezogen werden und unsere Soldaten und unser
Zivilpersonal plötzlich in eine ganz andere Sicherheits-
lage geraten. Hier gibt es vonseiten der Bundesregierung
die klare Zusicherung, dass dies nicht geschehen wird.
Vor dem Hintergrund dieser Zusicherung sind wir der
Meinung, dass es verantwortbar ist – allerdings nicht
selbstverständlich, Herr Kollege Volmer –, der Verlänge-
rung dieses Mandats zuzustimmen.
Wir wünschen den Soldaten, den Vertretern der Nicht-
regierungsorganisationen und dem Zivilpersonal, das dort
Großartiges leistet, eine frohe Weihnacht, ein friedliches
Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr mit dem Rücken-
wind und der Unterstützung aus dem ganzen Deutschen
Bundestag.
Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Winfried Nachtwei,
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur
Vorbereitung der heutigen Entscheidung besuchten die
Obleute des Verteidigungsausschusses und des Auswärti-
gen Ausschusses vor einigen Wochen zusammen mit dem
Außenminister Kabul. Wir sahen überall die Spuren des
Albtraums des Krieges und ein Meer grauer, zerstörter
Häuser. Dazwischen aber waren Marktstände, kleine
Werkstätten, ja sogar Fahrradparkplätze. Sie waren ein
Zeichen des sich wieder entwickelnden Lebens. Aber wir
sahen auch Slalomsperren, Checkpoints und viele Be-
waffnete, Zeichen der noch immer vorhandenen Gewalt.
Vor einem Jahr beschloss der Bundestag die Teilnahme
der Bundeswehr an der Internationalen Sicherheitsunter-
stützungstruppe in Afghanistan. Die PDS-Fraktion lehnte
diesen Beschluss damals als Fehlentscheidung ab und be-
zeichnete ISAF als bloße „Leibwache der neuen Regie-
rung“. Schon lange, aber heute erst recht können wir Fol-
gendes feststellen: ISAF und die Bundeswehr haben ihren
Auftrag voll und bestens erfüllt. In Kabul wurde dazu bei-
getragen, dass es dort nun ein einigermaßen sicheres Um-
feld gibt und dass erste Fortschritte beim Staatsaufbau
Dr. Friedbert Pflüger
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Winfried Nachtwei
und bei der Wiederherstellung eines öffentlichen und
zivilen Lebens gemacht werden konnten. Ohne ISAF
wäre dies undenkbar gewesen.
Der bisherige ISAF-Erfolg war keineswegs sicher. Er
wurde unter anderem aus folgenden Gründen möglich:
Vor Ort sind 5 000 ISAF-Soldaten stationiert, von denen
aber nur ungefähr 1 000 auf der Straße, also auf Patrouille,
zu sehen sind. Wenn man sich das vorstellt, kommt man
zu dem Ergebnis, dass dies in einer unberechenbaren Mil-
lionenstadt mit vielen Tausenden von Bewaffneten eigent-
lich ein extremes Missverhältnis ist.
ISAF konnte vor allem auf zwei Säulen Autorität und
Akzeptanz herstellen. Erstens war dies aufgrund der eige-
nen überlegenen Bewaffnung und Ausstattung möglich,
wobei auffällt, wie verhältnismäßig das Auftreten und die
Bewaffnung sind. Zweitens ging es um eine Strategie des
Kontakts, der Offenheit und der Vertrauensbildung, wo-
durch wirksam Vertrauen zur Bevölkerung geschaffen
werden konnte.
Die ISAF-Präsenz würde auf Dauer allerdings völlig ins
Leere laufen und verpuffen, wenn sie nicht mit umfassen-
den Wiederaufbauanstrengungen einhergehen würde. Von
diesen möchte ich nur zwei, die die unmittelbare Sicher-
heit betreffen, ansprechen. Erstens. Afghanistan ist das
am dichtesten mit Minen verseuchte Land der Erde.
Sicherheit und Wiederaufbau sind ohne beschleunigte
Minenräumung unmöglich. Hierzu leistet zum Beispiel
das „Mine Detection and Dog Center“ einen hervorragen-
den Beitrag. Allein dieses Zentrum beschäftigt 1 200 Mit-
arbeiter und verfügt über ungefähr 210 Minenhunde. So
etwas gibt es weltweit nicht noch einmal. Die Bundesre-
publik trägt 50 Prozent des Etats dieser vorzüglichen Or-
ganisation.
Die Schlüsselfrage des Friedensprozesses ist, wie die
fragile Sicherheit in Kabul stabilisiert und auch landes-
weit gefördert werden kann. Eine ISAF-Ausdehnung
würde ein Vielfaches der bisherigen Truppenstärken er-
fordern und die Anforderungen an Führung, Logistik usw.
potenzieren. Dazu sind die Mitglieder der Staatengemein-
schaft eindeutig nicht bereit. Umso wichtiger ist deshalb
die Förderung von afghanischen Sicherheitsstrukturen,
das heißt die Hilfe beim Aufbau einer afghanischen
Armee und einer afghanischen Polizei.
Die Mitglieder des Verteidigungsausschusses hatten
Gelegenheit, die afghanische Polizei vor Ort – leider
ohne Presse, sodass dies der Öffentlichkeit nicht so be-
kannt ist – zu besuchen. Sie alle wissen aber, dass die
Bundesrepublik die internationale Führungsverantwor-
tung beim Aufbau der afghanischen Polizei übernommen
hat. Es ist schon erstaunlich, was zwölf Beamte vom BGS
und von den Länderpolizeien inzwischen bewirkt haben
– sie haben eine koordinierende und beratende Funktion –,
insbesondere bei der Ausbildung von Polizisten.
Das Technische Hilfswerk hat binnen kürzester Zeit
zum Wiederaufbau der Polizeiakademie von Afghanistan
beigetragen. Dort werden 1 400 Polizeischüler nicht nur
aus Kabul, sondern aus dem ganzen Land auf ihre künf-
tige Tätigkeit vorbereitet. Diese Polizeischüler wurden
zuvor getestet und durchgecheckt. Das ist ein enorm
wichtiger Schritt in Richtung eigenständiger Sicherheits-
strukturen.
Die Bundesregierung beantragt nicht nur die Fortset-
zung der deutschen ISAF-Beteiligung für ein Jahr, son-
dern auch fast eine Verdoppelung des Kontingents. Der
Einsatz kostet 410 Millionen Euro. Für die Soldaten ist er
nicht nur äußerst strapaziös, sondern auch sehr riskant.
Deshalb haben die Steuerzahler und die Soldaten selbst-
verständlich das Recht auf eine sorgfältige und genaue
Begründung dieser Auftragsverlängerung und -erweite-
rung.
In Afghanistan geht es nicht um unmittelbare Interes-
sen der Bundesrepublik, nicht um eine Art erweiterte Lan-
desverteidigung, nicht um ökonomische Interessen. Weil
Afghanistan aber der zentrale Ausbildungs- und Rück-
zugsraum für internationale Terrorismusstrukturen war,
ist die Stabilisierung Afghanistans von zentraler Bedeu-
tung für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus
und damit für die internationale Sicherheit. Insofern hat
die Bundesrepublik ein hohes mittelbares Interesse an
dem Friedensprozess in Afghanistan. Hinzu kommt: Die
Bundesrepublik kann in besonderer Weise dazu beitragen,
weil sie im Unterschied zu vielen anderen Mächten als un-
belastet gilt und historisch nicht in die egoistische Macht-
und Interessenpolitik auf Kosten Afghanistans verwickelt
war.
Das deutsche Kontingent ist außerdem längst zentra-
le Stütze von ISAF und deshalb unverzichtbar. Aus der
Leistung im Laufe des ersten Einsatzjahres ergab sich
der internationale Auftrag an die Bundesrepublik, die
Führungsrolle und damit die militärische Gesamtverant-
wortung für ISAF zu übernehmen. Vor einem Dreivier-
teljahr wäre das nicht möglich gewesen. Inzwischen steht
mit dem Stab des ersten deutsch-niederländischen Korps
aus Münster eine geeignete multinationale Führungsorga-
nisation zur Verfügung, an der insgesamt 19 Nationen
beteiligt sein werden. Die NATO leistet bei der Truppen-
stellung und Aufklärung Unterstützung. Die US-Streit-
kräfte haben Unterstützung für einen schlimmsten Fall
zugesagt.
Man muss – entgegen allen Unterstellungen – hinzufü-
gen, dass dieser deutsche Einsatz keine Ausgleichsleis-
tung für unsere Nichtteilnahme an einem möglichen Irak-
krieg ist. Diese Auftragsfortsetzung und -erweiterung
ergibt sich aus der Notwendigkeit und der Leistung vor
Ort und aus nichts anderem.
Das sind die entscheidenden Aspekte, warum wir den
neuen Auftrag für die deutsche ISAF-Beteiligung für un-
bedingt notwendig und trotz erheblicher Risiken für ver-
antwortbar halten. Wir treffen diese Entscheidung – Kol-
lege Pflüger, das haben Sie verfolgen können – deshalb
in keiner Weise routiniert, aufgrund der von mir vorge-
tragenen Argumente aber selbstverständlich. Deshalb
1318
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1319
stimmt meine Fraktion dem Antrag der Bundesregierung
geschlossen zu.
Abschließend möchte ich den Soldatinnen und Solda-
ten einen erfolgreichen Einsatz wünschen. Ich hoffe, dass
sie und ihre Angehörigen, die indirekt betroffen sind, die-
sen schweren Einsatz im nächsten halben Jahr wohlbe-
halten überstehen. Ich wünsche mir vor allem, dass die-
ser Einsatz durch einen möglichen Irakkrieg, der die
Situation wieder verschärfen würde, nicht konterkariert
wird.
Ich danke Ihnen.
Ich erteile das Wort Kollegen Harald Leibrecht, FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Afgha-
nistan haben wir jahrelang Begriffe wie Menschenrechts-
verletzungen, Unterdrückung, Entrechtung der Frauen
und Unterstützung des internationalen Terrorismus ver-
bunden. Erst durch das entschlossene Handeln unserer
amerikanischen Freunde und deren Verbündeter konnten
dort das Schreckensregime der Taliban und damit auch die
al-Qaida weitgehend beseitigt werden. Heute können die
Menschen in diesem geschundenen Land, in Afghanistan,
nach mehr als zwei Jahrzehnten endlich wieder Hoffnung
schöpfen.
Doch ist das Land weit von dem entfernt, was wir Nor-
malität nennen. Unverändert haben heute noch viel
Afghanen Angst vor Gewalt. Außerhalb Kabuls besteht
durchaus Kriegszustand und die politische Lage ist nach
wie vor absolut fragil. Tausende von Minen fordern täg-
lich unschuldige Opfer. An vielen Orten bekämpfen sich
die Regionalherrscher mit verfeindeten Clans. Durch
diese Machtkämpfe werden die wichtigen Integritätspro-
zesse in Afghanistan behindert. Darüber hinaus befinden
sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit versprengte Tali-
bankämpfer in Kabul und in den umliegenden Bergen.
Al-Qaida soll sich im Osten Afghanistans sogar wieder
neu formieren und dort Ausbildungslager für Terroristen
einrichten. Es steht deshalb außer Frage, dass wir der Sta-
bilisierung des Landes und der Region wegen Präsident
Karzai weiter aktiv stärken.
Trotz erkennbarer Defizite in dem einen oder anderen
Bereich erfüllen unsere Einsatzkräfte ihre wichtige Auf-
gabe dort ganz hervorragend. Ihnen gebührt unser Dank
und Lob.
Unsere Soldatinnen und Soldaten genießen bei den meis-
ten Afghanen ein sehr hohes Ansehen. Jedoch dürfen wir
uns davon nicht trügen lassen. Denn der Einsatz in Af-
ghanistan birgt unverändert große Gefahren für Leib und
Leben unserer Soldaten.
Vor einigen Wochen habe ich mit einer Gruppe afgha-
nischer Diplomaten hier im Bundestag gesprochen. Auch
während dieses Gesprächs wurde ganz deutlich, wie sehr
die Menschen in Afghanistan auf die Hilfe der Völkerge-
meinschaften bauen. Sie sehen diese Hilfe mitnichten als
eine Selbstverständlichkeit an. Sie baten darum, dass wir
Deutsche ihnen auch in Zukunft mit humanitärer Hilfe zur
Seite stehen und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe geben.
Erste gute Schritte in diese Richtung sind getan. So ist
die Mithilfe bei der Polizeiausbildung sicherlich ein
sinnvoller Beitrag zur Stabilisierung der inneren Sicher-
heit von Afghanistan. Auch das Goethe-Institut enga-
giert sich unermüdlich, den Afghanen bei der Rückbesin-
nung auf ihre eigene Kultur zu helfen und nach Jahren der
Unterdrückung zu ihrer eigenen Identität zurückzufinden.
Der Aufbau der Verwaltungsstrukturen und der Bildungs-
einrichtungen ist hier ein durchaus wichtiger Ansatz. Das
Ende der Diskriminierung der Frauen und Mädchen in der
afghanischen Gesellschaft ist darüber hinaus von heraus-
ragender Bedeutung.
Bei aller humanitärer und militärischer Hilfe dürfen
wir niemals vergessen, dass Afghanistan ein selbstständi-
ger Staat ist, der seine inneren Angelegenheiten letztend-
lich selber anpacken und lösen muss. Wir müssen diesem
Land aus einer schwierigen Situation helfen, wir müssen
es herausbegleiten und in eine Lage versetzen, in der es
für sich selber sorgen kann. Wir müssen auch darauf Acht
geben, dass wir nicht in den Geruch kommen, dieses Land
und sein stolzes Volk zu bevormunden. Ich weiß, das ist
auch nicht beabsichtigt.
Meine Damen und Herren, am Ende meines Beitrages
möchte ich diese Debatte zum Anlass nehmen, um an die
beiden deutschen Soldaten zu erinnern, die am 6. März
dieses Jahres beim Entschärfen einer Rakete in Afghanis-
tan ums Leben gekommen sind. Deren Tod zeigt uns,
welch große Verantwortung und welch große Gefahr
solch ein Mandat mit sich bringt. Wir bekennen uns zu
dieser Verantwortung und darum stimmen wir dem Antrag
der Bundesregierung auf Verlängerung des ISAF-Man-
dats zu.
Ich danke Ihnen.
Kollege Leibrecht, ich möchte Ihnen zu dieser Ihrer
ersten Rede herzlich gratulieren.
Nun erteile ich das Wort Bundesminister Joseph
Fischer.
Winfried Nachtwei
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Afgha-
nistan-Konferenz anlässlich des Jahrestages der Peters-
berg-Konferenz hat klar gemacht, dass das politische Um-
feld, die politische Lage, die diese langjährige Tragödie in
Afghanistan hervorgebracht hat, nach wie vor existiert
und dass es demnach zur internationalen Hilfe, zur politi-
schen und zur militärischen Hilfe, zur Sicherheitsstabili-
sierung, zur Wiederaufbauhilfe keine Alternative gibt,
wenn man nicht wieder in genau dieselbe Problemsitua-
tion zurückfallen will, die zu der Entwicklung geführt hat,
mit der wir uns vor über einem Jahr auseinander setzen
mussten.
Schauen wir heute, im Jahre 1 nach dem Ende des
Kampfs gegen die Taliban, auf Afghanistan, können wir
sagen: Es sind große Fortschritte gemacht worden.
Heute können die humanitären Hilfsorganisationen wie-
der überall im Land arbeiten. Wenn diese Arbeit auch
nach wie vor gefahrvoll bleibt, so kann sie stattfinden.
Heute können wir feststellen, dass es zumindest regional
an wichtigen Punkten gelungen ist, mit dem Wiederauf-
bau zu beginnen, dass zumindest im Großraum Kabul
wieder so etwas wie Staatlichkeit entsteht, dass die Rechte
der Frauen und die Rechte von Minderheiten wieder ge-
achtet werden, dass die Taliban-Diktatur zerstört wurde.
Das alles sind beeindruckende Fortschritte. Aber wir
konnten uns davon überzeugen – wir waren mit einer De-
legation in Afghanistan –, dass das Land von einem Zu-
stand, den man mit allergrößtem Optimismus auch nur
annähernd als Normalität bezeichnen könnte, nach wie
vor weit entfernt ist.
Politisch müssen wir feststellen, dass vor allen Dingen
die Problemstruktur, die Konfliktstruktur weiterhin exis-
tiert. Nach wie vor gibt es rivalisierende, widerstreitende,
hoch gerüstete, unterschiedliche Interessen im Land; Kol-
lege Pflüger hat die Warlords erwähnt. Nach wie vor ist es
sehr wichtig, dass die Interessen der regionalen Anrainer-
staaten, der regionalen Nachbarn nicht wieder kontrapro-
duktiv nach Afghanistan hineinwirken, sondern in die
Wiederaufbaubemühungen eingebunden werden. Des-
halb hat Präsident Karzai für den 22. Dezember nach Ka-
bul eingeladen, um eine Vereinbarung über gute regionale
Nachbarschaft zu unterschreiben.
Nach wie vor besteht die Gefahr des Terrorismus, des
Wiedererstarkens, der Reorganisation der Taliban in Ver-
bindung mit der Refinanzierung durch organisierte Kri-
minalität, hier vor allen Dingen Drogenkriminalität. Nach
wie vor besteht auch die Gefahr, dass al-Qaida sich dort
reorganisiert und sich erneut Ausbildungszentren und
Rückzugsräume eröffnet. Damit wird klar: Es gibt zum in-
ternationalen Engagement in Afghanistan keine Alterna-
tive, wenn wir die Lehren aus dem 11. September 2001
wirklich gezogen haben.
Ein zweiter Punkt in diesem Zusammenhang wurde bei
der Reise auch klar: Ohne ISAF gibt es keinen Frieden
und keine Stabilität, gibt es nicht den Ansatz eines Wie-
deraufbaus in Kabul.
Das heißt aber in der Konsequenz – davon konnten wir
uns alle überzeugen, ob Angehörige der Koalition oder
der Opposition oder der Bundesregierung –: Schon heute
ruht die Hauptlast bei ISAF auf dem deutschen Kontin-
gent. Das muss man wissen. Deswegen ist es so wichtig,
dass wir heute eine Verlängerung des Mandats be-
schließen, damit diese sinnvolle, risikohafte, gleichzeitig
aber alternativlose Arbeit an der Sicherung der Stabilisie-
rung des Wiederaufbauprozesses in Afghanistan vorange-
hen kann. Ich denke, es ist klar, dass wir unseren Soldaten
für dieses zweite ISAF-Mandat eine möglichst breite Un-
terstützung geben, denn ihre Arbeit ist gefahrvoll und ri-
sikoreich, wie gerade das gestrige Ereignis klar gemacht
hat. Risiken sind nicht auszuschließen. Auch wenn alles
für eine Risikominimierung getan wird – ich betone
nochmals: es wird alles getan –, bleibt die Situation in Af-
ghanistan ohne jeden Zweifel gefahrvoll. Das kann jeder,
der dort war, schon nach dem ersten Eindruck vor Ort be-
stätigen. Aber diese Mission ist alternativlos und deswe-
gen verdienen unsere Soldatinnen und Soldaten jede Un-
terstützung durch das deutsche Parlament.
Zu Recht wurde die Frage nach der politischen Per-
spektive, nach einem politischen Lösungskonzept ge-
stellt. Natürlich kann der Aufbau nicht auf Kabul, so
wichtig Kabul auch ist, beschränkt bleiben. Gerade die
Zerstörungen in Kabul nach dem Abzug der sowjetischen
Truppen und dem Ende der Invasion durch die damalige
Rote Armee haben klar gemacht, welche Bedeutung der
Besitz von Kabul für jede afghanische Autorität hat. Es ist
aber selbstverständlich: Der Zusammenhalt des Landes
und der Wiederaufbau machen es notwendig, dass die Zen-
tralregierung nicht nur auf die Region Kabul begrenzt ist.
Zur Sicherung des ganzen Landes ist der Aufbau eines
afghanischen Militärs von entscheidender Bedeutung.
Ohne eine eigene afghanische Sicherheitskomponente
wird die Zentralregierung langfristig nur eingeschränkt
handlungsfähig sein. Das muss man klar sehen. Da wir
eine demokratische Zentralregierung wollen – der Pro-
zess für die Wahlen ist im Zusammenhang mit der Um-
setzung des Petersberg-Abkommens angestoßen worden –,
kommt diesem Aufbau eine ganz entscheidende Bedeu-
tung zu. Daran arbeiten vor allen Dingen unsere Partner,
allen voran die USA.
An zweiter Stelle steht der Polizeiaufbau. Die Frage,
wie wir den Drogenanbau besser bekämpfen können, ist
nicht nur eine ökonomische und soziale Frage, sondern
auch eine polizeiliche. Beim Aufbau polizeilicher Struk-
turen in Afghanistan leisten deutsche Polizeibeamte – das
kann ich nur noch einmal unterstreichen – eine hervorra-
gende Arbeit. Das wurde mir von internationalen Partnern
auf bilateraler und auf VN-Ebene bestätigt. Ich möchte
mich bei den Beamten wie auch beim Innenminister für
diese Arbeit herzlich bedanken.
Darüber hinaus gibt es ein vielfältiges Engagement der
Bundesrepublik Deutschland, aber auch vieler anderer
1320
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1321
Partnerländer. Wir konzentrieren uns sehr stark auf die
Hilfe beim Wiederaufbau des Bildungswesens. Ein
Schwerpunkt dabei ist Kabul. Der Frage der Überwin-
dung der Diskriminierung von Frauen und Mädchen ge-
rade im Bildungsbereich kommt eine ganz besondere Be-
deutung zu.
Die Arbeit – Kollege Pflüger hat sie zu Recht hervor-
gehoben – der vielen Nichtregierungsorganisationen, die
vor allem im zivilgesellschaftlichen Bereich für den Wie-
deraufbauprozess unverzichtbar sind, muss man zusam-
menfügen. Man muss aber ehrlich hinzufügen: Es wird
lange dauern. Bereits zum Kosovo haben wir uns schon
oft gefragt, ob wir das im Kosovo jemals werden packen
können. Ich glaube, Kollege Pflüger und alle anderen, die
uns nach Afghanistan begleitet haben, wir können eines
feststellen: Angesichts dessen, was wir in Kabul gesehen
und erlebt haben, wissen wir, dass es ein sehr langfristiges
Engagement wird.
Der Kampf gegen den Terror hat immer zwei Ele-
mente. Ein Element ist militärisch, polizeilich, geheim-
dienstlich. Dort, wo Terror existiert, wo sich Terrorismus
organisiert, müssen seine Strukturen zerstört werden. Ge-
nauso muss aber auch der Nährboden, auf dem sich der
Terrorismus entwickeln und aus dem er sich rekrutieren
kann, trockengelegt werden. Das heißt Hilfe zum Natio-
nenbauen. Das ist eine umfassende und sehr langfristige
Aufgabe. Die Sicherungskomponente spielt dabei eine
wesentliche Rolle, dennoch erschöpft sich diese Aufgabe
nicht allein in der Sicherungskomponente.
Die Bundesregierung weiß sich deshalb beiden Aufgaben
verpflichtet.
Man muss der Ehrlichkeit halber sagen: Das wird ein
sehr langfristiges Engagement sein. Das muss man wis-
sen. Deswegen möchte ich mich bei allen, die heute dem
neuen Mandat zustimmen – ich hoffe, es wird eine sehr
breite Zustimmung hier im Hause geben –, recht herzlich
bedanken.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließen.
Ich sehe zur Erneuerung des Mandats keine Alternative.
Das Mandat nicht zu erneuern hieße, dass der ISAF-Auf-
trag nicht erfüllt werden könnte. Er ist für den Frieden,
den Wiederaufbau und die Stabilität in Afghanistan un-
verzichtbar. Es ist ein Auftrag der Vereinten Nationen.
Er trägt zum Wiederaufbau der Nationen in Afghanistan
bei.
Deswegen: Alle, die dort eingesetzt sind, leisten eine
gefahrvolle, aber unverzichtbare Arbeit. Ich möchte mich
bei den Soldatinnen und Soldaten, aber auch bei allen an-
deren, die sich im Rahmen dieser gefahrvollen Arbeit für
den Wiederaufbau einsetzen, ganz persönlich bedanken.
Ich wünsche ihnen ein frohes Fest, ein gutes neues Jahr
und gesunde Heimkehr.
Ich erteile das Wort Kollege Christian Schmidt,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kol-
legen! Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt heute: „Der
Ohne-Michel in Kabul“. – Ohne mich woanders, deswe-
gen in Kabul. Dies ist ein Thema, über das wir heute auch
reden müssen.
Natürlich steht vorneweg die Erkenntnis – darüber sind
wir uns hier im Hause einig –, dass eine internationale Si-
cherheitspräsenz in Afghanistan notwendig ist. Aber
schon durch die Unterschiede im Titel – Kabul und Af-
ghanistan – wird deutlich, dass hierin weitaus mehr Pro-
bleme liegen, als ab und an auf der Wegstrecke bis hier-
her, bis zum heutigen Tage dargestellt worden ist.
Ich verstehe, dass man es in der Koalition ab und zu so
darstellen muss, als würde es sich bei dem, was dort in Ka-
bul stattfindet, um eine andere Form von Ferienbetreu-
ungsprogramm handeln,
schon allein um die Grundeinstellung der Grünen, um die
fehlende Achtung vor der Bundeswehr zu übertünchen
und zu überdecken, Appeasement bis in die eigene Frak-
tion hinein zu betreiben.
Kurz vor Schluss der Debatte wird dann gestern in der
„Berliner Zeitung“ deutlich gemacht, wie die Wahrheit
aussieht, dass dies nämlich ein extrem gefährlicher Einsatz
ist. Ich kann dem Verteidigungsminister in der Bewertung,
die er in diesem Interview gemacht hat, nur zustimmen.
Am gestrigen Nachmittag unserer Zeit ist dies auch noch
einmal deutlich untermauert worden. Tage vorher haben
wir darüber geredet, dass der Eingang unseres Feldlagers
Warehouse anders gestaltet werden müsse. Dies hat Gott
sei Dank stattgefunden. Ich stelle fest, dass für den Schutz
unserer Soldaten Erhebliches getan worden ist.
Aber wie wichtig und wie gefährlich es ist, mit Patrouil-
len durch Kabul zu fahren, ist deutlich geworden. Dies
muss allen, wie wir hier sitzen, bewusst sein, wenn wir der
Bundesregierung das Plazet dafür geben, dass sie diesen
Einsatz verlängert, weil wir unsere internationale Verant-
wortung sehen. Wir tun dies im Bewusstsein, dass wir der
Bundesregierung damit eine große Verantwortung auferle-
gen: dass sie dafür Sorge zu tragen hat, dass im Falle kri-
senhafter Zuspitzungen eine Evakuierungsmöglichkeit und
in gewissem Rahmen auch eine Verteidigungsmöglichkeit
besteht. Wir müssen fordern, dass die diesbezüglichen Ver-
einbarungen mit anderen Ländern eingehalten werden.
Es ist geradezu eine Ironie, dass man diejenigen, denen
man anderswo vorwirft, sie wollten Abenteuer machen,
Bundesminister Joseph Fischer
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Christian Schmidt
nun dringend darum bitten muss, dass sie Transportkapa-
zitäten zur Verfügung stellen, um im Notfall – –
– Daran störe ich mich nicht, Herr Kollege Glos, denn ent-
weder wird verfahrenswidrig von der Regierungsbank da-
zwischenredet oder geklatscht – was nicht erlaubt ist –
oder es wird nicht zugehört. Aber dies ist halt so, so sind
sie halt beieinander.
– Ja, hören Sie einmal zu! Ich höre auch zu.
Herr Kollege Schmidt, darf ich Sie einen Moment un-
terbrechen?
Jawohl, Herr Präsident.
Kollege Ramsauer, wir hatten uns in diesem Hause ge-
legentlich auf einen Stil geeinigt.
Deswegen sind Zwischenrufe wie der von Ihnen, – „ver-
antwortungsloses Pack“ in Richtung auf die Regierungs-
bank – zurückzuweisen.
Herr Präsident, ich möchte in meiner Rede fortfahren.
Das Spannungsverhältnis zwischen Kabul und dem
restlichen Afghanistan zeigt, dass wir die Sicherheit in Af-
ghanistan mit der ISAF-Präsenz allein überhaupt nicht
garantieren können. Herr Minister, Sie haben in einer Be-
merkung über das Thema Sicherheitspräsenz darauf hin-
gewiesen. In der Sicherheitspräsenz liegt das Problem.
Wir haben diese Woche die Frage diskutiert, ob es sinn-
voll ist, die Aufgaben von ISAF zu ändern. ISAF, das
heißt die Polizeischutzsicherungsgruppe in Kabul für die
Regierung und den Flughafen in Kabul. Mehr ist das
nicht. ISAF steht für die Sicherheitspräsenz in einem
Land, dessen Größe der unseres Landes entspricht. Was
die Bewegungsfreiheit in diesem Land und die Verschie-
denheit der Bevölkerungsgruppen in diesem Land angeht,
ist die Situation außerordentlich zersplittert. In diesem
Land gibt es sehr viele Waffen. Außerdem gibt es dort sehr
viele verschiedene Interessen und Völkerschaften.
Der Kollege der FDP hat darauf hingewiesen, dass uns
im letzten UN-Bericht gewisse Reorganisierungen der Ta-
liban und der al-Qaida angezeigt worden sind. Wenn es
diese Reorganisierungen wirklich gibt, dann wird sich
irgendwann die Frage stellen, welche Konsequenzen aus
dem Engagement für die Sicherheit in Afghanistan – die-
ses Engagement ist hier mehrfach beschworen worden –
zu ziehen sind. Zu klären wäre dann zum Beispiel die
Frage, ob Enduring Freedom und ISAF noch zu trennen
sind.
Natürlich ist es für uns gegenwärtig bequemer – ge-
statten Sie, dass ich das so sage; ich will das gar nicht he-
runterspielen –, beides zu trennen. Wenn die Entwicklung
zeigt, dass die Aktivitäten der Regionalteams, die versu-
chen sollen, ohne deutsche Beteiligung in dem einen oder
anderen Fall zu schlichten, nicht ausreichen, dann kann es
in diesem Lande aufgrund von Auseinandersetzungen
schneller zur Stunde der Wahrheit kommen, als uns allen
hier lieb ist.
Um es ganz klar zu sagen: Wir wollen das nicht. Nicht
nur wegen der Burka, nicht nur wegen der Scharia, son-
dern auch, weil im Zusammenhang mit der Terror-
bekämpfung die Stabilität der ganzen Region im Wesent-
lichen von Afghanistan ausgeht, wollen wir nicht, dass in
Afghanistan gewisse Dinge wieder eintreten. Wer glaubt,
es handele sich hierbei allein um eine Frage von „Natio-
nen bilden“, der greift, sehr diplomatisch gesagt, sehr weit
in die Zukunft.
Diese Auffassung wird mehr von der Hoffnung als von der
Erkenntnis der Realität getragen.
Herr Karzai hat uns das afghanische Militär verspro-
chen. Wer ist Herr Karzai? Es ist eine hoch reputierliche
Persönlichkeit, die in Kabul Macht hat. 70 000 Mann
allein werden die Sicherheit nicht garantieren. Wenn es in
diesem Jahr zu Bewegung in Afghanistan kommt, dann
muss man sich dem stellen.
Ich komme nun auf einen Punkt zu sprechen, der zu
Beginn der Debatte eine Rolle gespielt hat. Es geht um die
Frage, ob die Freiheit, die Sicherheit unseres Landes am
Hindukusch verteidigt werden. Herr Minister Struck, Sie
gestatten, dass ich sage: Ich hatte den Eindruck, dass Sie
versuchen, das, was Sie in der Presseerklärung gesagt ha-
ben, ein bisschen „einzufangen“. Worauf können wir uns
einigen? Die Bekämpfung des internationalen Terrors
ist in der Tat ein Teil der Stabilität und damit auch der
Sicherheit unseres Landes.
Ganz weit vorausgedacht kann man sich die Frage stel-
len: Was wird am Hindukusch gemacht? Ich behaupte,
dort wird nicht verteidigt, sondern es wird versucht, Sta-
bilität zu erhalten. Das sind nämlich noch immer zwei
Paar Stiefel. Landesverteidigung und Bündnisverteidi-
gung sind vielleicht nicht mehr so aktuelle Fragestellun-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1323
gen, wie sie es vor 15 Jahren waren. Diese Fragestellun-
gen sind deswegen aber nicht überflüssig geworden, auch
wenn sie anders geworden sind.
Hindukusch ist das eine, Hindelang und Hinterzarten
sind das andere.
Ob unser Land stabil und sicher vor Terror ist, ist ein
Thema, dem sich Innen-, Außen- und Sicherheitspolitiker
gemeinsam widmen müssen.
Beim Thema Struktur der Bundeswehr – darüber
können wir heute an dieser Stelle nicht ausführlich disku-
tieren – werden wir uns bei einer Frage treffen, nämlich
bei der Frage, inwieweit wir bereit sind, in unserem eige-
nen Land die Strukturen so zu verändern, dass die Bun-
deswehr nicht nur als Einsatzarmee zur Verfügung steht
– das ist richtig und wichtig –, sondern dass auch ihr zwei-
tes Standbein, die Landesverteidigung, neu definiert wird.
Wenn es stimmt und richtig ist – und es ist richtig –, dass
an unseren Grenzen Verteidigung nicht mehr prioritär
stattfinden muss, dann heißt das aber nicht, dass die Bun-
deswehr nur jenseits der Grenzen ein Augenmerk braucht;
sie muss auch innerhalb der Grenzen ein stärkeres Au-
genmerk bekommen. Die Bedrohungen von außen und
von innen gehen ineinander über. Das wird die Grundlage
aller weiterer Planungen für die Bundeswehr sein müssen.
Wenn man sich die Frage stellt, was und wo man ver-
teidigen muss, und wenn man über das Thema Terror-
bekämpfung diskutiert, dann muss man auch die Frage
nach Massenvernichtungswaffen stellen.
Wenn man von den Vereinten Nationen Ende Januar hören
sollte, dass Massenvernichtungswaffen unterwegs sind,
wenn man – –
– Entschuldigung, hören Sie doch mit diesem saudummen
Zwischenruf auf! Das ist ein saudummer Zwischenruf!
Ich muss das einmal deutlich sagen: Mir reicht es lang-
sam, in welcher Art und Weise diese selbst ernannten Frie-
densapostel meinen, sie könnten hier etwas für sich pach-
ten. Wir alle hier sind sehr dafür, dass in diesem Lande
und auf der Welt Frieden bleibt. Sie sollten sich endlich
mit solch dummen Bemerkungen zurückhalten!
Für den Frieden in der Welt tun diejenigen, die zum rech-
ten Zeitpunkt bereit sind, Flagge zu zeigen mehr, als die-
jenigen, die damit schäbigen Wahlkampf führen.
Damit eines völlig klar ist: Wer meint, ohne Mittel in
Kabul mitspielen zu können und meint, deutsche Interes-
sen dort, wo es notwendig ist, nicht vertreten zu müssen,
wie zum Beispiel im Sicherheitsrat der Vereinten Natio-
nen, der muss sich die Frage stellen, ob er den Interessen
unseres Landes gerecht wird. Ich kann Ihnen sagen: Er
wird ihnen nicht gerecht.
Da Weihnachten vor der Tür steht, ein versöhnliches
Wort zum Ende.
Den Soldaten in unserem Lande und in Afghanistan
gehört natürlich unsere Solidarität. Sie müssen sich aber
sicher sein, dass ihnen die Solidarität aller in diesem
Hause gehört. Darüber hinaus müssen sie wissen, dass sie
so bald wie möglich, wenn es die Situation zulässt, wie-
der zurückgeholt werden.
Die Antwort auf diese Fragen steht noch aus.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Gerd Höfer, SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Es ist sehr erstaunlich, welche Emotionen eine De-
batte über einen friedenserhaltenden Einsatz in Kabul los-
treten kann. Es ist erstaunlich, Herr Kollege Schmidt, wie
man allein durch den Begriff „Frieden“ so gereizt werden
kann, wie das bei Ihnen gerade der Fall war.
– Herr Pflüger, ich saß etwas näher dran als Sie. Ich
konnte diese Dinge sicherlich mithören.
– Sie werden mit Ihren dauernden Zwischenrufen alles er-
reichen, nur zwei Dinge nicht: Erstens kriegen Sie mich
nicht aus der Ruhe und zweitens will ich Dinge nicht wie-
derholen, die Sie aufgeregt haben.
Christian Schmidt
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Gerd Höfer
Ich will Sie darauf hinweisen, dass man bei der Beant-
wortung der Frage, wie man Frieden definieren und wie
man ihn erreichen kann, verschiedene Wege gehen kann.
Einer dieser Wege ist derjenige, der jetzt durch den ISAF-
Einsatz in Kabul beschritten wird.
Es gibt weitere Wege, die durchaus in eine Zivilgesell-
schaft hineinpassen und die andere Ansätze haben als die,
die mit Militär zu tun haben.
Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, wie man
innerhalb dieser Debatte an die Regierung zumindest ver-
steckte Vorwürfe richten kann. Davon haben wir dann
auch hinreichend genug bekommen. Es ist schon
schlimm, wenn in einem Zwischenruf von Verantwor-
tungslosigkeit gesprochen wird. Ich würde mich dafür
entschuldigen, dies überhaupt gesagt zu haben.
Es ist aber auch eine andere Art der Verharmlosung,
wenn man eine Rede damit beginnt, anderen zu unterstel-
len, sie stimmten dem Einsatz nur zu, weil das in Kabul so
eine Art Ferienbetreuung sei. Auch dies ist eine ziemlich
heftige Unterstellung. Ich glaube nicht, dass die Kolle-
ginnen und Kollegen von den Grünen nicht genauso in der
Lage sind, Risiken einzuschätzen, wie jeder auf der
Oppositionsbank dies kann.
Also, eine Ferienbetreuung ist das Ganze nicht.
Es ist auch nicht bequem, Enduring Freedom von
ISAF zu trennen. Ich halte es militärisch aber für dringend
notwendig, dass beide Mandate getrennt werden, denn
beide Mandate haben verschiedene Aufträge. Damit sind
wir beim militärischen Teil dieser Dinge. Als Reserveof-
fizier bin ich es gewohnt, nach Aufträgen zu handeln, die
mir politisch gegeben werden.
Die Trennung der beiden Mandate Enduring Freedom und
ISAF ist dringend geboten, weil die Aufträge, die verge-
ben worden sind, völlig andere sind.
Enduring Freedom ist der Auftrag, der speziell der Ter-
rorbekämpfung dient. ISAF ist ein Auftrag, um Stabilität
zu gewähren. Diese Trennung bedeutet ein völlig anderes
Verhalten auch für die Soldaten, bedeutet völlig andere
Rules of Engagement und bedeutet eine völlig andere Be-
wertung ihrer Sicherheit. Die Unsicherheit in der Bewer-
tung der Sicherheitslage besteht darin, dass die Sicherheit
nicht militärisch bedroht ist, sondern durch eine Gesell-
schaft in Afghanistan, die in ihren zivilen Strukturen in-
stabil ist, in ihren zivilen Strukturen bandenähnliche Ein-
heiten, aber auch Fanatiker beinhaltet. Wer die Sicherheit
der Bundeswehrsoldaten in Kabul gefährdet, ist nicht er-
kennbar. In einer militärischen Struktur wäre das erkenn-
bar. Denn dann hätte man Kombattanten, man könnte sie
schon allein an der Uniform erkennen; so kann man es
eben nicht.
Insofern ist den Soldaten zu danken, dass sie eigentlich
keine echt militärische, sondern eine polizeiliche Aufgabe
wahrnehmen. Es ist ihnen zu danken, dass sie diesen Auf-
trag mit großer Umsicht und vor allen Dingen mit einem
guten, in sich ruhenden Selbstbewusstsein erfüllen und
sich dort in keiner Art und Weise gefährden lassen.
Es ist ihnen zu danken, dass sie die Geduld haben, die
Fortschritte, die erkennbar sind, abzusichern. Sie können
das Ergebnis ihrer Arbeit nicht sofort sehen, sondern müs-
sen sehr lange darauf warten, zum Beispiel darauf, dass
sie durch eine selbstbewusste afghanische Polizei, die in
Kabul Streife geht, abgelöst werden können, die die Sol-
daten letztlich ersetzen kann. Der Einsatz in Kabul ist ein
Schlüsseleinsatz für eine künftige Sicherheit für das ge-
samte Land. Es braucht nicht die Frage gestellt zu werden,
ob eine räumliche Ausdehnung des Einsatzes geschehen
muss. Denn wenn Kabul sicher ist und von Kabul aus Si-
cherheit für das Land ausgehen kann, bekommt man dem-
nächst auch die Sicherheit über das ganze Land. Ich hoffe,
dass der Versuch der Amerikaner und der Briten – wie ich
gelesen habe –, mit kleinen Einheiten in anderen Städten
etwas zu bewegen, erfolgreich ist und damit weitere Si-
cherheit in das Land gebracht werden kann.
Insofern besteht kein Spannungsverhältnis zwischen
Kabul und Afghanistan, sondern es geht um eine Ent-
wicklung, die sich von Kabul aus auf Afghanistan er-
strecken muss. Ohne Kabul ist dort nichts zu machen.
Der zweite Hinweis von Herrn Schmidt war in seiner
Leichtigkeit und in seiner leise vorgetragenen Art beinahe
perfide. Zu versuchen, das Verhalten der Bundesregierung
in zwei verschiedenen Politikfeldern in einem Satz mit-
einander zu verknüpfen, ist leichtfertig. Die Frage der
Evakuierung und der selbstverständlichen NATO-Kame-
radschaftshilfe hat nichts mit dem zu tun, was möglicher-
weise in einem anderen Land geschehen soll. Heute wird
in der Presse berichtet, dass noch nicht über einen An-
griffsbefehl befunden worden ist.
Ein Vergleich der beiden Vorhaben zeigt, dass beide
sehr sauber und klar voneinander zu trennen sind. Das
heißt, das Zusammenwirken mit den Amerikanern bei ei-
nem möglichen schnellen Abzug der Truppen hat nichts
mit dem zu tun, was in einer anderen Region der Welt ge-
plant ist. Ich halte es für selbstverständlich, dass die Trup-
pen von Verbündeten, die im selben Land im Einsatz sind,
gegenseitig die notwendige Hilfe leisten.
Die Soldaten in Kabul werden gebraucht, weil es dort
keine zivilen Strukturen gibt. Ihr Einsatz ist nicht nur ein
Ausdruck von Verteidigung, sondern Soldaten sind – um
mit Bert Brecht zu sprechen – auch ein Ausdruck von ei-
gener Souveränität. Wir sollten endlich damit aufhören,
im Zusammenhang mit dem Thema Soldaten nur in
Freund-Feind-Bildern zu denken. Vielmehr gibt es eine in
sich ruhende, selbstverständliche Souveränität, die auch
von Soldaten abgesichert werden kann und wird. Wenn die
in Kabul eingesetzten Soldaten ein ähnliches Selbstver-
ständnis haben sollten, dann wäre das auch im Sinne der
inneren Führung und des Staatsbürgers in Uniform richtig.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1325
Die Frage – um zum Ende zu kommen –, wie hoch das
Risiko für die Soldaten ist, hat der versuchte Einbruch in
das deutsche Lager beantwortet. Die Frage der Sicherheit
kann nicht militärisch beantwortet werden, sondern sie
kann nur nach zivilen Kriterien beurteilt werden. Denn es
handelt sich nicht um einen echten militärischen Einsatz;
vielmehr nehmen die Soldaten dort polizeiähnliche Auf-
gaben wahr. Die Unsicherheit und die Gefahren, mit de-
nen die Soldaten konfrontiert sind, gehen nicht von for-
mierten Truppen aus, sondern sie können von einem
Individuum bzw. von einzelnen Gruppen oder Kriminel-
len in Kabul ausgehen. Die Soldaten sind allen Gefahren
der bestehenden zivilen Strukturen ausgesetzt. Insofern
besteht kein Widerspruch zu der Einschätzung der Lage in
Kabul durch Minister Struck.
Ich habe den Kameradinnen und Kameraden in Kabul
für ihre Geduld und Souveränität zu danken, mit denen sie
ihren Auftrag wahrnehmen. Ich hoffe auch, dass die Sol-
datinnen und Soldaten ein ruhiges Weihnachtsfest und ei-
nen guten Jahreswechsel verleben und dass sie gesund
und munter wieder nach Hause kommen.
Ich erteile dem Kollegen Günther Friedrich Nolting,
FDP-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr
Kollege Höfer, wir alle haben nichts gegen Zwischenrufe,
aber es kommt schon auf die Qualität an.
Wenn dem Kollegen Schmidt unterstellt wird, er wolle
den Krieg – er wurde in der letzten Sitzung als „Kriegs-
treiber“ bezeichnet –,
dann sollten Sie in der SPD-Fraktion einmal über Stil und
den Umgang miteinander reden und darüber, wie Sie mit
der Opposition verfahren.
Sie sollten auch überlegen, wie verantwortungsvoll bzw.
verantwortungslos Sie bei diesem Thema agieren. Das ist
eine Frage des Stils, mit der Sie sich auseinander zu set-
zen haben.
Meine Damen und Herren, unsere Soldatinnen und
Soldaten unterstützen den politischen Befriedungspro-
zess in Afghanistan mit militärischen Mitteln. Tagtäglich
patrouillieren Soldaten verschiedenster Nationen durch
Kabul und schützen durch Präsenz und mutiges Eingrei-
fen die Arbeit der Übergangsregierung. Dabei riskieren
sie ihr Leben. Ich denke, dafür gebührt ihnen unsere
Hochachtung. Wie gefährlich dieser Auftrag ist, mussten
wir gestern leider erfahren. Trotzdem gilt es, die Un-
terstützung durch Entsendung eines deutschen Bun-
deswehrkontingents fortzusetzen. Daher wird die FDP-
Bundestagsfraktion dem Antrag der Bundesregierung zu-
stimmen.
Anfang dieses Jahres waren sich der Kanzler und
sein damaliger Verteidigungsminister darin einig, dass
die Bundeswehr mit der Übernahme der internationalen
Führungsrolle in Afghanistan überfordert wäre. Die FDP-
Bundestagsfraktion hat das schon damals anders gesehen.
Aber die Zeiten ändern sich. Ebenso schnell ändern sich
die Auffassungen und Aussagen der Bundesregierung.
Deutschland wird ab Februar des nächsten Jahres zusam-
men mit den Niederländern die Führungsrolle überneh-
men und die deutsche Truppenpräsenz in Kabul auf bis zu
2 500 Soldaten erhöhen. Das ist richtig und findet die Un-
terstützung der FDP-Bundestagsfraktion.
Der damals zitierte Personalmangel scheint auf wun-
dersame Weise behoben zu sein. Aus anderen Gebieten
wie Mazedonien und Kosovo werden Soldaten abgezogen.
Es sieht so aus, als ob nur so die Präsenz in Afghanistan ge-
währleistet werden kann. Dies ist aus unserer Sicht der
falsche Weg. Richtig wäre es gewesen, die Bundeswehr
schneller und konsequenter auf die neuen Anforderungen
auszurichten. Dann hätten wir schon heute eine größere
Zahl von einsatzbereiten Soldatinnen und Soldaten für die
neuen Aufgaben der Bundeswehr.
Die Einsicht, dass mehr einsatzbereite Soldaten für die
vielfältigen Einsätze der Bundeswehr gebraucht werden,
kam bei der Bundesregierung zu spät. Von Weitsicht und
vorausschauendem Handeln ist nichts zu spüren. Die
Bundesregierung ist Weltmeister im Reagieren. Das Agie-
ren und das gestalterische Handeln hat sie nicht nur im
Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik aus ihrem Re-
pertoire gestrichen.
Wichtig ist nun, für die Beteiligten die Risiken des
Einsatzes zu minimieren. So muss, einer Bedrohungs-
analyse folgend, zum Beispiel der Aktionsradius der Sol-
daten auf die Umgebung von Kabul ausgeweitet werden.
Allein dadurch könnten die Gefahren, die aus den umlie-
genden Bergen drohen, frühzeitig erkannt und bekämpft
werden. Der Kollege Niebel hat auf dieses Problem schon
an anderer Stelle aufmerksam gemacht.
Es gibt eine ganze Reihe von anderen Fragen: Wie sieht
es mit einem Notfallexit aus? Ist dieser überhaupt durch-
führbar? Wie schnell können unsere Soldaten und auch
die Mitglieder der Nichtregierungsorganisationen aus
dem Land herausgeholt werden, wenn es zu einer Ver-
schlechterung der Lage in Afghanistan kommen sollte?
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Der Kollege
Nachtwei hat auf die Notwendigkeit des Minenräumens
hingewiesen. Ich frage mich allerdings, warum im aktuel-
len Regierungsentwurf nur noch rund 2,2 Millionen Euro
enthalten sind, wohingegen für den Haushalt 2003 ein
Bedarf von 11 Millionen Euro angemeldet wurde. Herr
Gerd Höfer
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Günther Friedrich Nolting
Bundesminister Fischer, Sie versuchen, große Reden zu
halten, aber es folgen keine Taten. Hier wird reine Sym-
bolpolitik praktiziert. Damit werden Sie Ihren Aufgaben
nicht gerecht.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Nur mit an-
gemessener Vor- und Umsicht kann dieser militärische
Einsatz als ein Beitrag für einen dauerhaften Frieden gel-
ten. Die Verantwortung, die mit einer Zustimmung zur
Verlängerung des ISAF-Mandats verbunden ist, ist groß.
Wir sind uns dessen bewusst. Wir werden zustimmen.
Vielen Dank.
Ich erteile Kollegin Petra Pau das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
möchte vor allem einem Eindruck widersprechen, dem
Eindruck, es handele sich heute um eine Routineentschei-
dung, dem Eindruck, etwas Begonnenes solle lediglich zu
einem guten Ende geführt werden, und dem Eindruck, der
Worte zu diesem Gegenstand seien genug gewechselt.
Dieser Eindruck trügt und das soll er wohl auch.
Das Afghanistanmandat soll verlängert werden, das
deutsche Kontingent soll verdoppelt werden und die Bun-
deswehr soll eine Führungsrolle übernehmen. Das ist
keine Routine. Das ist eine neue Qualität.
Rot-Grün begrüßt das alles. Die Opposition zur Rechten
stimmt im Prinzip zu. Es bleibt die PDS im Bundestag.
Wir lehnen das ab. Das macht den Unterschied.
Erinnern wir uns noch einmal: Ausgangspunkt der mi-
litärischen Afghanistanmission waren die furchtbaren An-
schläge in den USA am 11. September 2001. Bin Laden
und sein Netzwerk galten als Quelle des Terrors,
Afghanistan als Hort der Planer weltweiter Verbrechen,
die Drahtzieher des Terrors sollten dingfest gemacht und
bestraft werden. Gemessen an diesem Ziel ist der Erfolg
eher mäßig, weshalb Sie den Sinn der Militäroperation
auch ständig umdeuten. Wir haben immer gesagt: Der
Kampf gegen den Terrorismus lässt sich gewinnen, ein
Krieg gegen den Terrorismus nicht. Sie haben den Krieg
gewählt und wollen ihn nun ausweiten.
Reden wir doch einmal Klartext über die humane Mis-
sion, die Sie hier ständig bemühen: Die ARD hat am
Mittwoch eine Reportage des irischen Journalisten Doran
gesendet. Es ging dabei um Massaker und Kriegs-
verbrechen – geduldet von und verantwortet durch
US-Militärs. Ich habe hier kein Wort von den Massakern
in Afghanistan, die in dem Film dokumentiert sind, keine
Widerrede zu den Menschenrechtsverletzungen, die im
Namen der Menschenrechte begangen werden, keinerlei
Kritik an den amerikanischen Verbündeten, die daran be-
teiligt sind, gehört.
Hinzu kommt – ich zitiere Herrn Minister Struck –,
dass Sie meinen: „Landesverteidigung findet heute weit
außerhalb des Landes, zum Beispiel am Hindukusch,
statt.“ Damit segeln Sie, Herr Verteidigungsminister, im
kreuzgefährlichen Sog der neuen US-Doktrin. Sie kreu-
zen auf völkerrechtswidrigem Terrain. Sie tun das nicht
nur mit Worten, sondern Sie richten die Bundeswehr ent-
sprechend aus und die Bundesrepublik darauf ein. Auch
das lehnt die PDS grundsätzlich ab.
Nun sagt Rot-Grün Ja zum Afghanistaneinsatz der
Bundeswehr und zugleich Nein zu einer deutschen Betei-
ligung an einem Irakkrieg. Beides lässt sich aber weder
geographisch noch militärisch trennen und im Übrigen
auch nicht rechtlich. Oder wollen Sie mir ernsthaft das
Bild vermitteln, dass dann, wenn die US-Armada auf den
Irak losgelassen wird, sich die Kommandeure der deut-
schen Spürpanzer in Kuwait eine Scherpe mit der Auf-
schrift „Keine Gewalt!“ überstreifen, die deutschen
Schiffe am Horn von Afrika eine weiße Fahne hissen und
die deutschen AWACS-Flieger lediglich noch die Kolla-
teralschäden zählen und bedauern? Das alles glauben Sie
doch selbst nicht.
Die Gefahr, dass Deutschland erneut zündelt und auch
Helfershelfer wird, ist daher riesengroß. Ohne Not und
verantwortungslos hat die Bundesregierung Überflug-
und andere Hoheitsrechte abgetreten, und zwar ausdrück-
lich auch für den Fall, dass die USA und andere NATO-
Staaten einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen
den Irak führen. Mein Kollege Wolfgang Gehrcke hat des-
halb den Bundeskanzler nach § 80 des Strafgesetzbuches
bei der Bundesanwaltschaft angezeigt.
Es geht nämlich um den Amtseid, um das Friedensgebot
im Grundgesetz und um eine friedliche Welt. Auch dieser
Debatte versuchen Sie stillschweigend auszuweichen.
Im heute diskutierten Antrag zum Afghanistaneinsatz
heißt es lapidar, er koste 409,6 Millionen Euro und da-
für sei Vorsorge getroffen. Die Entwicklungsministerin
Wieczorek-Zeul sprach unlängst über den Wiederaufbau
in Afghanistan und sagte, dafür habe die Bundesregierung
im Jahre 2002 insgesamt 126 Millionen Euro bereit-
gestellt. Rechnen Sie mit, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen: Das Verhältnis zwischen Militäreinsätzen und huma-
nitärer Hilfe beträgt demnach vier zu eins zugunsten des
Militärischen. Genau das beschreibt ein grundsätzliche
Missverhältnis deutscher Politik. Wir kritisieren das.
Auch deshalb sagt die PDS im Bundestag Nein.
Ich erteile das Wort Kollegen Gert Weisskirchen.
1326
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1327
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
finde es schade, dass in den letzten Beiträgen zu dieser
Debatte die Menschen in Afghanistan, die darauf warten,
dass wir ihnen helfen, eigene Formen für ein selbstorga-
nisiertes Leben zu entwickeln, hier leider nicht mehr zur
Sprache gekommen sind. Ich finde das sehr schade.
Ich will auch sagen, warum: Afghanistan, das zwischen
mächtigen Nachbarn eingezwängt ist und das so viele
Jahrhunderte einen Weg zur Selbstbestimmung gesucht
hat, hat zum ersten Mal nach einem ungeheuer schreckli-
chen Zeitraum von 23 Jahren, in dem ein Krieg dem an-
deren gefolgt ist und in dem das Land die Erfahrung ge-
macht hat, dass Mächtige von außen, die das Land zum
Teil überfallen haben, Gewalt nach innen getragen haben
und dass diese Gewalt im Innern aufgenommen und ver-
stärkt worden ist – Brutalität und Gewalt bestimmen also
das kollektive Gedächtnis der Menschen in Afghanistan –,
die Chance, eine ganz andere Erfahrung zu machen. Die-
ses Land kann nämlich erfahren, dass Gewalt nicht von
außen nach innen getragen sowie im Innern verstärkt,
zeitlich verlängert und noch brutaler ausgeübt wird, son-
dern dass eine Chance von außen gegeben wird, dass Si-
cherheit von außen nach innen getragen wird. Nur so kann
die Außenwelt als etwas verstanden werden, was die in-
nere Entwicklung vorantreibt. Es ist entscheidend, dass
die Menschen Sicherheit erfahren. Deshalb brauchen wir
die ISAF und deshalb werden wir der dritten Verlänge-
rung des Mandats zustimmen.
Lieber Christian Schmidt, Sie haben die zentrale Frage
– Sie haben sie leider nicht so beantwortet, wie die Men-
schen in Afghanistan das empfinden – angesprochen. Sie
haben anzudeuten versucht, dass die Frage der Nationen-
bildung viel zu früh gestellt sei. Ich sage Ihnen: Nein, sie
ist nicht zu früh gestellt. Jetzt ist sie vielmehr so gestellt,
dass die Menschen selber die Arbeit in die Hand nehmen
können. Ende Oktober fand in Kabul eine wunderbare
Jugendkonferenz statt, die von der Bundesregierung, na-
mentlich von Frau Ministerin Heidemarie Wieczorek-
Zeul, mitfinanziert wurde. Dort hatten sich 240 Jugendli-
che – davon waren 100 Mädchen – aus allen Landesteilen
versammelt und haben darüber debattiert, wie die Zukunft
des Landes aussehen soll. Sie haben zum ersten Mal – das
berichten Beteiligte – die Erfahrung der Begegnung von
Mädchen und Jungen im Rahmen eines Austauschs von
unterschiedlichen Meinungen gemacht. Es hat eine leb-
hafte und kontroverse Debatte stattgefunden. Unterschied-
liche Gruppierungen aus allen Landesteilen haben mit-
einander gerungen und debattiert, um eine neue Basis für
ein Afghanistan zu schaffen, das ein anderes Afghanistan
ist, als es sich in vielen Jahren, besonders in den letzten,
gezeigt hat. Ich finde, dass dies ein tolles Zeichen dafür
ist, wie die Arbeit der internationalen Gemeinschaft und
besonders der Bundesregierung mithilft, dass ein neues,
ein anderes Afghanistan von unten, aus der Gesellschaft,
heranwächst. Das neue Afghanistan nimmt das Leben in
die eigene Hand.
Genau in zwei Tagen kann Hamid Karzai auf eine ein-
jährige Präsidentschaft zurückblicken. In dieser Zeit hat
sich in Afghanistan sehr viel zum Positiven verändert. Wir
alle – darüber ist heute bereits gesprochen worden – ken-
nen die Bedrohungssituation. Natürlich gibt es, Kollege
Pflüger, noch immer Warlords in den unterschiedlichen
Regionen um Kabul herum. Im Norden, Süden, Westen
und Osten gibt es noch immer die Einflüsse von Mord-
brennern, Verbrechern, Mafiosi und Kriegsfürsten, die ge-
nauso agieren, wie es – das gehört zu unserem kollektiven
Gedächtnis – im Dreißigjährigen Krieg der Fall gewesen
ist.
Umso dringender und wichtiger ist es, dass die Zen-
tralmacht in Kabul gestärkt wird. Natürlich ist zu Recht
die Frage zu stellen, Christian Schmidt: Wie ist es mit der
Sicherheit in Herat oder anderswo? Ich finde es auch gut,
dass die USAnun endlich beginnen, dafür zu sorgen, dass
zumindest kleine militärische Teams in die Regionen hi-
nausgehen und dadurch die Sicherheit über Kabul hinaus
in die Regionen hineintragen. Das ist richtig, das ist not-
wendig und das ist sinnvoll. Wir sollten uns irgendwann
später überlegen, was wir dazu beitragen können, sodass
auch dies verändert werden kann.
Kollege Niebel, wir waren dort
und haben gesehen, wie zukunftsfreudig und hoffnungsvoll
die Kinder an den Straßen beobachten, wie die Internatio-
nalen versuchen, dem Land zu helfen. Die Bundeswehr
trägt zusammen mit den Nichtregierungsorganisationen
dazu bei, diesen Menschen, den jungen zumal, Hoffnung zu
geben. Ich bedanke mich dafür. Was dort im Auftrag der
deutschen Bundesregierung geleistet wird, ist, finde ich,
eine großartige Leistung.
Hamid Karzai ist eine eindrucksvolle Persönlichkeit;
wir haben es hier im Auswärtigen Ausschuss des Bun-
destages selbst erlebt. Es kommt nicht von ungefähr, was
er, als wir dort gewesen sind, in einem offenen und auch
durchaus kontroversen Gespräch zu Joschka Fischer über
die Deutschen gesagt hat. Lieber Christian Schmidt, ich
möchte gern, dass Sie das in dem Artikel von Peter Münch
heute in der „Süddeutschen Zeitung“ nachlesen. Peter
Münch hat ja nicht nur eine Überschrift geschrieben, son-
dern auch in der Substanz etwas gesagt. Er hat zum Bei-
spiel Hamid Karzai wie folgt zitiert: „Wir vertrauen den
Deutschen blind.“ Das ist, finde ich, eine wunderbare Er-
klärung dafür, dass es nötig ist, dass es sinnvoll ist, dass
es auch politisch geboten ist, das dritte Mandat von ISAF
zu unterstützen, zu verstärken und heute zu beschließen.
In der Tat: Es gibt ein Vertrauensverhältnis zwischen
Afghanen und Deutschen. Es ist lange gewachsen. Dieses
Vertrauensverhältnis ist eine feste Grundlage für die
Hilfe. Das Goethe-Institut, die Armani-Oberschule und
andere Schulen beispielsweise werden gebaut. Dort kön-
nen Jungen und Mädchen gemeinsam eine neue Erfahrung
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Gert Weisskirchen
machen, nämlich dass sie nicht von Geschlechts wegen
getrennt werden, sondern gemeinsam lernen, ein Afgha-
nistan aufzubauen, das ein anderes Bild zeigt, das der Welt
zeigt: Dieses Land Afghanistan hat ein so starkes inneres
Potenzial, so eine Fähigkeit, die Zukunft selber friedlich
zu erobern, dass dieses Afghanistan auch wirklich unter-
stützt werden muss.
Wir Deutsche leisten unseren Beitrag dazu. Über die
80 Millionen Euro hinaus, die in diesem Jahr zugesagt
worden sind, leistet Deutschland – es ist vorhin schon zi-
tiert worden – allein in diesem Jahr 160 Millionen Euro
dafür, dass Bildung neu aufgebaut wird und dass bei-
spielsweise neue Schulbücher geschrieben werden. Das
entspricht auch dem, was die UNESCO-Konferenz, die
Jugendkonferenz, die ich schon angesprochen habe, be-
schlossen hat. Junge Menschen – ich zitiere das, was sie
selbst beschlossen hat; das können Sie in ihrer Erklärung
nachlesen, die sich an die Regierung, an die Gesellschaft
und an die internationale Gemeinschaft richtet – wollen
eine Erziehung ohne Vorurteile, eine Erziehung ohne Dis-
kriminierung und eine Erziehung, die darauf gerichtet ist,
dass sich die unterschiedlichen Gruppen in Afghanistan
versöhnen. Das zeigt, dass die Zeichen – die Bundesrepu-
blik Deutschland arbeitet ja mit den anderen 26 Nationen
in ISAF zusammen – in der Gesellschaft aufgenommen
werden.
In zwei Tagen wird Hamid Karzai das zweite Jahr sei-
ner Präsidentschaft erleben können. Am 22. Dezember
– das möchte ich am Schluss sagen – wird nicht nur die
Regierung Karzai auf ein Jahr guter Arbeit zurückblicken
können, sondern es wird auch eine gemeinsame Erklärung
von Afghanistan, Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschi-
kistan, China und Pakistan, also der Länder in der Region,
geben. Sie werden eine gemeinsame Erklärung verab-
schieden, eine Freundschaftserklärung, in der die Nach-
barn Afghanistans sagen: Wir möchten mit euch Afghanen
zusammenarbeiten; wir wollen eine Freundschaftserklä-
rung abgeben. Wir wollen uns nicht mehr von außen in
eure inneren Angelegenheiten einmischen. Wir wollen
euch respektieren.
Genau das ist der wichtige historische und qualitative
Sprung, den Afghanistan braucht, damit es seine eigene
selbstbestimmte Zukunft hat und damit die Menschen,
insbesondere die jungen, die so lange so schreckliche
Kriege haben erleiden müssen, sich jetzt selbst auf den
Weg in eine neue Zukunft machen können. Ich bin froh,
dass wir heute mit dem Beschluss dazu beitragen können,
dass Afghanistan diesen Weg gehen kann.
Vielen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Ralf Brauksiepe,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
bisherige Erfolg des ISAF-Mandates ist bei allen Proble-
men, die es gibt, unbestreitbar. Das macht deutlich, dass
die von der internationalen Staatengemeinschaft einge-
schlagene Politik im Grundsatz richtig war und deswegen
auch fortgesetzt werden sollte. An dieser Sachgerechtig-
keit orientieren wir uns bei unserer Politik und nicht an
den beschimpfenden Zwischenrufen, die hier von Rot-
Grün kommen.
An diesen sachgerechten Fragen orientieren wir uns. Des-
wegen tragen wir dies mit.
Die beispielhaften Leistungen der Soldatinnen und
Soldaten und die großen Opfer, die sie und ihre Familien
bringen, sind schon angesprochen worden. Wir tun si-
cher gut daran, auch alle engagierten und couragierten
Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer und
alle Angehörigen der Hilfsorganisationen in diesen
Dank ausdrücklich einzuschließen. Sie leisten ihren
Einsatz unter mindestens ebenso großen Gefahren und
Anstrengungen und haben unseren Respekt allseits ver-
dient.
Ohne den militärischen Erfolg der internationalen
Staatengemeinschaft gegen das Talibanregime gäbe es gar
keine Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklungs-
politik. Aber umgekehrt gilt auch: Wenn in Afghanistan
keine erfolgreiche Entwicklungspolitik gelingt, kann
auch aller militärischer Einsatz letztlich nicht erfolgreich
sein. Die Bundeswehr wird umso mehr in Gefahr geraten,
je weniger der Wiederaufbau funktioniert. Das ist für uns
ein ganz wichtiges Thema. Es ist eigentlich schade, dass
alle rot-grünen Entwicklungspolitiker in dieser Debatte
schweigen müssen.
Die Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan
muss umfassend konzipiert sein und schnelle Wirksam-
keit zeigen. Nur so erreichen wir eine rasche Besserung
der wirtschaftlichen Situation zugunsten der verarmten
Bevölkerung im Land. Dass es dabei auf afghanischer
Seite, wo sämtliche notwendigen Institutionen von null an
erst aufgebaut werden müssen, noch Probleme gibt, wird
niemanden verwundern.
Ärgerlich ist aber aus unserer Sicht, dass es auf der Ge-
berseite offensichtlich immer noch an einem abgestimm-
ten internationalen Wiederaufbaukonzept mangelt. Dieser
Mangel fängt bei uns schon national bei den sattsam be-
kannten Abstimmungsproblemen zwischen dem Aus-
wärtigen Amt und dem Entwicklungshilfeministerium an.
Das muss dringend behoben werden.
Wir vermissen auch ein schlüssiges Konzept der Ge-
berinstitutionen, wie es denn nun zu der ausgewogenen
Entwicklung zwischen Kabul einerseits und den Provin-
zen des Landes andererseits, die immer angemahnt wird,
kommen soll. Die Unterstützung für die Zentralregierung,
die auch seitens unserer Bundesregierung immer wieder
betont wird, ist sicher wichtig. Aber eine erfolgreiche und
auf Dauer angelegte Entwicklungspolitik kann sich unse-
rer Meinung nach darin nicht erschöpfen. Wir brauchen
1328
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1329
eine Vision, wie eine ausgewogene Struktur zwischen
Kabul und dem Rest des Landes aussehen soll.
Der Sturz des Talibanregimes bietet endlich die
Chance, dass Demokratieförderung, Frauenförderung und
der Aufbau einer Zivilgesellschaft in Afghanistan voran-
kommen. Völlig unstrittig ist auch, dass gerade in der ers-
ten Zeit eines solchen Einsatzes natürlich humanitäre
Hilfe notwendig ist. Aber als Unionsfraktion sagen wir
genauso klar: Wenn man die derzeitige afghanische Re-
gierung gegenüber ihren internen Gegnern wirkungsvoll
stützen will, dann braucht man auch schnelle und sicht-
bare Zeichen des Wiederaufbaus von Straßen und
Brücken, der Strom- und Wasserversorgung, von Schulen,
Krankenhäusern, Flughäfen usw.
Das heißt, wir brauchen eine Belebung der Wirt-
schaft. Wir wissen, dass Sie, Rot-Grün, sich bei dem
Thema Belebung der Wirtschaft auch anderswo schwer
tun. Aber wir brauchen eine Belebung der Wirtschaft
durch Investitionen in die materielle Infrastruktur. Wir
brauchen Bauaktivitäten, die zumindest für eine Über-
gangszeit wichtige Einkommen bei den Menschen schaf-
fen. Gerade Präsident Karzai hat darauf immer wieder
drängend, zuletzt noch bei der Petersberg-Konferenz, hin-
gewiesen.
Ich glaube, die afghanische Regierung betont zu Recht,
dass fehlende schnelle Fortschritte beim materiellen
Wiederaufbau des Landes das Vertrauen in die Regierung
unterminieren und den nach wie vor vorhandenen radika-
len Kräften in die Hände spielen. Diese Sorge müssen wir
ernst nehmen und jetzt, im zweiten Jahr dieses Einsatzes,
auch unsere Prioritäten entsprechend auf diese harten
Faktoren ausrichten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus vielen Berichten
wissen wir, dass es zurzeit eine beachtliche Aufbruch-
stimmung in der Bevölkerung Afghanistans gibt, und
zwar insbesondere in Kabul, zum Teil aber auch außer-
halb der Hauptstadt. Allerdings beobachten wir auch mit
Sorge, dass wirtschaftliche Aktivitäten im Lande zum Teil
in die falsche Richtung gehen.
Zwar blüht der Handel allenthalben wieder sehr stark.
Aber noch wird im Land kaum etwas bzw. zu wenig pro-
duziert. Dort, wo produziert wird, geht die Entwicklung
zum Teil in die falsche Richtung. Afghanistan spielt be-
kanntlich schon seit langem eine sehr unrühmliche Rolle
beim Drogenanbau und beim internationalen Drogen-
handel. Dieses Problem verschärft sich in letzter Zeit of-
fenkundig.
Im Entwicklungshilfeausschuss, aus dem ich dies be-
richten kann, haben wir dies in dieser Woche von der Bun-
desregierung selber gehört. Dort wurde uns berichtet, dass
mittlerweile wieder 75 Prozent des europäischen Heroin-
marktes, also drei Viertel, aus Afghanistan versorgt wer-
den. Die Mohnernte ist in Afghanistan exorbitant ge-
stiegen. In diesem Jahr ist sie aktuellen Zahlen zufolge
zehn- bis fünfzehnmal höher, als dies noch im letzten Jahr
der Fall gewesen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist doch eine
alarmierende Entwicklung. Es ist völlig klar, dass der
wirtschaftliche Wiederaufbau nicht von heute auf morgen
gelingen kann. Es ist klar, dass er sich langsam vollzieht.
Aber wenn man sich diesen Teil der Entwicklung ansieht,
dann muss man sagen: Es geht nicht darum, dass die Ent-
wicklung zu langsam ist. Vielmehr vollzieht sich hier eine
rasante Entwicklung in die falsche Richtung. Die interna-
tionale Gebergemeinschaft muss geschlossen und ent-
schlossen handeln und gegensteuern. Auch ist ein klares
entwicklungspolitisches Konzept erforderlich, das die
Anreize, in die illegale Drogenproduktion im Lande zu in-
vestieren, beseitigt.
Eine solche in sich geschlossene entwicklungspoliti-
sche Konzeption, die wir anmahnen, die wir aber bisher
auch bei der Bundesregierung nicht sehen, wird auf ab-
sehbare Zeit militärisch abgesichert werden müssen.
Auch hier darf man sich keinen Illusionen hingeben. Dies
wird nicht das letzte Mal sein, dass wir über die Verlän-
gerung des ISAF-Mandats zu entscheiden haben. Es wird
noch einen langen Atem brauchen. Der entwicklungspoli-
tische Weg, der gegangen werden muss, muss noch lange
militärisch abgesichert bleiben. Deswegen findet der An-
trag der Bundesregierung zur Verlängerung dieses Man-
dats heute unsere Zustimmung.
Wir wünschen den Soldatinnen und Soldaten, ihren Fa-
milien und allen, die sich in diesem Land in Hilfsorgani-
sationen engagieren, viel Erfolg bei ihrem Einsatz und
Gottes Segen für ihre Arbeit.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksa-
che 15/223 zu dem Antrag der Bundesregierung zur
„Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streit-
kräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheits-
unterstützungstruppe in Afghanistan“. Der Ausschuss
empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/128 anzuneh-
men. Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.
Zur Abstimmung liegt eine persönliche Erklärung des
Kollegen Börnsen vor.1
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Ist das geschehen? –
Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Hat eine anwesende Kollegin oder ein anwesender
Kollege seine Stimme noch nicht abgegeben? – Das ist of-
fensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstim-
mung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der na-
Dr. Ralf Brauksiepe
1 Anlage 2
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Präsident Wolfgang Thierse
mentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gege-
ben.1
Wir setzen die Beratungen fort. Ich bitte Sie, liebe Kol-
leginnen und Kollegen, Platz zu nehmen, damit wir die
Beratungen zum nächsten Tagesordnungspunkt aufneh-
men können.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immu-
nität und Geschäftsordnung zu dem
Antrag der Abgeordneten Dr. Angela Merkel,
Michael Glos, Volker Kauder, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der CDU/CSU
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
– Drucksachen 15/125, 15/256 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Christine Lambrecht
Ronald Pofalla
Volker Beck
Jürgen Koppelin
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Klaus Uwe Benneter, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit
keine Missverständnisse aufkommen: Dieser Untersu-
chungsausschuss ist überflüssig.
Er ist überflüssig, weil mit ihm offensichtlich etwas ganz
anderes beabsichtigt ist als die Aufklärung von Missstän-
den. Aber die Verfassung gibt auch den Minderheiten
Rechte.
Es macht den Rang und den Wert unserer Demokratie aus,
dass Minderheiten auch Überflüssiges beantragen und
durchsetzen können. Allerdings muss die Mehrheit da-
rauf achten, dass solche Begehren verfassungskonform
bleiben. Deshalb haben wir diesen Antrag im Geschäfts-
ordnungsausschuss behandelt.
Zum einen musste geprüft werden, ob dieser Antrag
überhaupt bestimmt genug ist, um den Anforderungen
an die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu
genügen. Zum anderen musste geprüft werden, ob nicht
der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung tan-
giert ist. Denn dieser Bereich wird vom Bundesverfas-
sungsgericht der Exekutive zugestanden und ist der parla-
mentarischen Kontrolle insoweit entzogen.
Diese Klarstellung zum Ursprungsantrag haben wir
vorgenommen. Wir haben darüber einstimmig befunden.
Damit ist klargestellt, dass es richtig war, den Geschäfts-
ordnungsausschuss mit diesem Antrag zu befassen.
Es wäre nicht richtig gewesen – wie es einige befürwortet
haben –, mit großer Hast vorzugehen, zumal dies allein
dazu gedient hätte, mit diesem Ausschuss ein Wahlkampf-
instrument zu haben. Das haben wir als Mehrheit verhin-
dert, weil wir insoweit eine Verantwortung gegenüber der
Verfassung gesehen haben.
Wir haben in dem Antrag nun klargestellt, dass Vereinba-
rungen, die den Kernbereich exekutiver Eigenverantwor-
tung betreffen, von irgendwelchen Überprüfungen ausge-
nommen sind.
Wir haben den Antrag auch ergänzen müssen. Das
Bundesverfassungsgericht lässt solche Ergänzungen
ausdrücklich dann zu, wenn dadurch ein umfassenderes
und wirklichkeitsgetreueres Bild gewonnen wird. Genau
dem dient unsere Ergänzung des Untersuchungsauftrages,
wenn wir den Ausschuss nun damit befassen, dass er zu
klären hat, inwiefern seit der Wiedervereinigung Progno-
sen und Modellrechnungen zutrafen und ob die Staatspra-
xis im Jahr 2002 wesentlich von der der Jahre seit 1990
abgewichen ist. Insofern war dies wichtig: Wir können ein
exakteres und wirklichkeitsgetreueres Bild erlangen, als
wenn wir es bei dem einengenden Antrag der CDU/CSU
belassen hätten.
Wir betreten mit diesem Untersuchungsausschuss dop-
pelt Neuland. Wir betreten juristisches Neuland. Denn
zum ersten Mal geht ein Untersuchungsausschuss des
Deutschen Bundestages nach einem Untersuchungsaus-
schussgesetz vor. Insofern werden wir sicher die eine
oder andere Klippe überwinden müssen. Es wird sich zei-
gen, ob die Kolleginnen und Kollegen, die in der letzten
Legislaturperiode dieses Gesetz neu geschaffen haben, an
alles gedacht haben.
Aber wir betreten auch deshalb Neuland, weil zum ers-
ten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik zumindest
mittelbar Wahlaussagen und Wahlversprechen zum Un-
tersuchungsgegenstand eines solchen Ausschusses ge-
macht werden.
Deshalb ist es gerade für uns als Mehrheit wichtig, dass
dieses Minderheiteninstrument, dieses Minderheitenrecht
nicht missbraucht wird,
1330
1 Ergebnis Seite 1332.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1331
dass es nicht zu einem Krawallausschuss kommt,
dass der Ausschuss nicht dem Klamauk dient und dass er
insbesondere auch keine Bühne darstellt für irgendwelche
angeblich spontanen Ausbrüche von Politikern, gleich
welcher Couleur. Wir werden mit unserer Mehrheit der
politischen Kultur in der Weise dienen, dass wir ein
wichtiges Instrument für Minderheitenrechte nicht ver-
kommen lassen.
Ich gehe davon aus, dass wir die Sacharbeit sehr zügig
durchführen. Die Behauptung, wir würden irgendetwas
verzögern wollen, hat sich ja jetzt schon als unrichtig he-
rausgestellt. Wir haben sehr zügig gearbeitet.
Der Geschäftsordnungsausschuss hat sich so zügig, wie es
nur ging, mit der Sachlage befasst und gestern bis spät in
die Nacht getagt,
um zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis zu kommen.
Sie sollten es nicht gering schätzen, wenn die Mehrheit
hier alles tut, damit die Minderheit so zügig zu ihrem
Recht kommt,
wie es das Gesetz vorsieht.
Deshalb wird dieser Untersuchungsausschuss heute
unverzüglich eingesetzt.
Wir könnten uns ja darauf verständigen, die konsti-
tuierende Sitzung dieses Ausschusses erst in der nächsten
Sitzungswoche im neuen Jahr einzuberufen. Auch das
wäre noch zügig im Sinne des Untersuchungsausschuss-
gesetzes. Aber nein, wir haben uns darauf verständigt, den
Untersuchungsausschuss schon zehn Minuten nach dieser
Debatte einzusetzen, um einem konstituierten Untersu-
chungsausschuss die Möglichkeit zu geben, so schnell
wie möglich mit der Arbeit zu beginnen.
Sie sollten wirklich beachten, dass wir hier fair und sach-
lich vorgehen.
Frau Merkel, für Sie müssten wir ja eigentlich einen
Extra-Untersuchungsausschuss einrichten,
denn Ihr Kollege Merz hat sich darüber beklagt, Sie hät-
ten ihm vor den Wahlen Versprechungen gemacht, die Sie
nach den Wahlen nicht eingehalten haben.
So weit wollen wir nicht gehen,
sondern wir wollen mit Ihnen gemeinsam die Minderhei-
tenrechte wahren und deshalb heute den Untersuchungs-
ausschuss einsetzen.
– Wovor sollen wir Angst haben? Wir zeigen ja gerade
durch die Art und Weise unseres nicht zögernden, sondern
unverzüglichen Vorgehens,
dass wir keine Angst haben.
Aber eines machen wir nicht: Wir werden kleinen Kla-
mauk zulassen.
Wer meint, er müsse nur bestimmte Zeugen hören und das
möglichst noch vor dem 2. Februar, der macht deutlich,
dass es ihm ausschließlich darum geht, den Wahlkampf
mit anderen Mitteln fortzusetzen. Nehmen Sie endlich zur
Kenntnis, dass Sie die Bundestagswahl verloren haben
und solche Ausschüsse nicht dazu da sind, die Wahlaus-
einandersetzung fortzusetzen.
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe
ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über
die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses
zu dem Antrag der Bundesregierung „Fortsetzung der Be-
teiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Ein-
satz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungs-
truppe in Afghanistan“ bekannt. Abgegebene Stimmen
576. Mit Ja haben gestimmt 565. Mit Nein haben ge-
stimmt 9. Enthaltungen 2. Die Beschlussempfehlung ist
damit angenommen.
Klaus Uwe Benneter
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 20021332
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 576
davon
ja: 565
nein: 9
enthalten: 2
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Klaus Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Heinz Köhler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller
Christian Müller
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth
Michael Roth
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Heinz Schmitt
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Brigitte Schulte
Reinhard Schultz
Swen Schulz
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Reinhard Weis
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
Dr. Christoph Zöpel
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1333
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Helge Braun
Paul Breuer
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
Gitta Connemann
Hubert Deittert
Albert Deß
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer
Dirk Fischer
Axel E. Fischer
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Tanja Gönner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Martin Hohmann
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Günther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert Lammert
Barbara Lanzinger
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link
Eduard Lintner
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski
Stephan Mayer
Conny Mayer
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer
Doris Meyer
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Stefan Müller
Bernward Müller
Claudia Nolte
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Melanie Oßwald
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard
Katherina Reiche
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Albert Rupprecht
Peter Rzepka
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Andreas Scheuer
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt
Andreas Schmidt
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Michaela Tadjadod
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Angelika Volquartz
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Peter Weiß
Gerald Weiß
Ingo Wellenreuther
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck
Volker Beck
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer
Katrin Dagmar Göring-
Eckardt
Anja Hajduk
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Fritz Kuhn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth
Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 20021334
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Albert Schmidt
Werner Schulz
Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf
FDP
Daniel Bahr
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Dr. Christian Eberl
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
Eberhard Otto
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Günter Rexrodt
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Nein
CDU/CSU
Dr. Wolf Bauer
Wolfgang Börnsen
Manfred Carstens
Leo Dautzenberg
Henry Nitzsche
Willy Wimmer
FDP
Jürgen Koppelin
fraktionslos
Dr. Gesine Lötzsch
Petra Pau
Enthalten
CDU/CSU
Susanne Jaffke
Norbert Schindler
Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Peter
Altmaier, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Seit heute ist klar: Der Unter-
suchungsausschuss kommt. Er kommt mit unserem ur-
sprünglichen Antrag und er kommt gegen all Ihren Wider-
stand, gegen all Ihre Verzögerungstaktik. Das ist ein Sieg
für die politische Kultur und eine Niederlage für alle, die
versucht haben, dieses Minderheitenrecht zu vereiteln.
– Da können Sie noch so viel schreien.
Ich möchte das wiederholen, was ich Ihnen in der letz-
ten Debatte von dieser Stelle aus angeboten habe: Wir
können bei allem Streit um die Einsetzung und das Man-
dat und bei aller Gegnerschaft, die in der Politik normal
ist und auch in diesem Untersuchungsausschuss stattfin-
den wird,
in diesem Ausschuss fair und sachlich zusammenarbeiten.
Wir sollten uns über Regelungen verstehen und uns vor-
nehmen, den Menschen, die uns heute vor den Fernseh-
bildschirmen, aber auch bei den Sitzungen des Ausschus-
ses und unseren öffentlichen Aktivitäten zuschauen, nicht
Politik zum Abgewöhnen, sondern ein Beispiel dafür zu
bieten, wie man im Parlament fair miteinander streiten
und umgehen kann.
Zu dieser Fairness gehört, keine Vorverurteilungen
vorzunehmen.
Aber wir haben den Ausschuss natürlich deshalb
durchgesetzt, weil wir aus dem Studium der uns vorlie-
genden Akten
und Ihrer Äußerungen in der Öffentlichkeit inzwischen
den Eindruck und den konkreten Verdacht gewonnen ha-
ben, dass der Bundeskanzler, der Bundesfinanzminister,
der Bundesarbeitsminister und die Bundesgesundheitsmi-
nisterin in der Tat nicht nur das Parlament, sondern auch
die Menschen und die Öffentlichkeit in unserem Land vor
der Wahl getäuscht haben, indem sie die Unwahrheit über
die wirtschaftliche Lage im Land gesagt haben.
Mein Eindruck ist übrigens, dass das außer den Be-
troffenen selbst niemand mehr ernsthaft bestreitet, sogar
auf Ihrer Seite nicht. Das ist der Grund für die Einsetzung
dieses Ausschusses, der diesem Verdacht nachgehen wird.
Der Untersuchungsausschuss kann diesen Verdacht be-
stätigen, er kann ihn aber auch widerlegen. Er kann Sie
weiter belasten oder entlasten. Deshalb war es eigentlich
auch nachvollziehbar, dass Ihr Parlamentarischer Ge-
schäftsführer Wilhelm Schmidt am 24. November erklärt
hat: Wir werden
sofort Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundes-
finanzminister Hans Eichel laden, damit sie noch im
Dezember aussagen können, was wirklich geschah.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1335
Von dieser Zusage wollen Sie inzwischen nichts mehr
wissen. Sie flüchten sich in Verfahrenstricks. Sie tun al-
les, um über den Termin der Landtagswahlen am 2. Fe-
bruar zu kommen,
weil Sie selbst nicht mehr daran glauben, dass Ihnen der
Entlastungsbeweis gelingen wird.
Wir bieten Ihnen, Herr Müntefering, wenn Sie zu
Ihrem Wort stehen, an, auf alle Fristeinreden zu verzich-
ten.
Wir sind bereit, zu jeder Tages- und Nachtzeit, zu Wasser,
zu Lande und in der Luft, im Dezember, im Januar mit Ih-
nen im Ausschuss zu arbeiten und dafür zu sorgen, dass
Herr Eichel und Herr Schröder ihre Version zu Protokoll
geben können.
Dann werden wir sehen, was die Akten hergeben und die
Beamten aus den Ministerien sagen. Ich sage Ihnen: Auf
diese Auseinandersetzung freuen wir uns. Denn es darf in
der Politik nicht der Eindruck entstehen, dass Politiker,
Minister und Staatssekretäre, einfach so reden, wie sie es
für richtig halten,
egal ob es der Wahrheit entspricht oder nicht.
Meine Damen und Herren, Ihre Verzögerungstaktik
ist vielleicht nicht besonders aktuell, sie ist auch nicht
überzeugend, aber sie ist immerhin legal, soweit sie im
gesetzlichen Rahmen Ihrer Mehrheitsrechte im Ausschuss
bleibt.
Was Sie aber heute dabei sind zu tun, lieber Herr Kollege,
geht weit über das hinaus. Sie sind mit Ihrem Änderungs-
antrag, mit Ihrem Ergänzungsantrag zu unserem Einset-
zungsbeschluss an der Schwelle zum offenen Verfas-
sungsbruch.
Ich bitte Sie, sich wirklich noch einmal zu überlegen,
ob Sie mit Ihrem Abstimmungsverhalten nachher bereit
sind,
zum ersten Mal in der Geschichte dieses Bundestages und
in der Geschichte der Untersuchungsausschüsse durch
den Beschluss der Mehrheit das Recht der Minderheit in
verfassungswidriger Weise so zu bepacken und zu über-
frachten, dass der eigentliche Untersuchungsauftrag nicht
mehr wahrgenommen werden kann.
Sie wissen im Grunde genau: Was Sie heute be-
schließen, hat in Karlsruhe genauso wenig Bestand wie
Ihre Trickserei im Bundesrat zum Zuwanderungsgesetz.
Dass Sie es trotzdem tun und versuchen, sich wie ein an-
geschlagener Boxer über die Runden zu retten,
ist kein Zeichen von Stärke, sondern ein Zeichen wach-
sender Verzweiflung und Panik.
Ich kann dies ja verstehen, weil Sie in der Diskussion
über diesen Untersuchungsausschuss inzwischen auch in
der Öffentlichkeit hoffungslos in die Defensive gedrängt
worden sind.
Es ist doch richtig, dass es zu Anfang Zweifel gab. Auch
in unseren eigenen Reihen gab es diese Zweifel. Inzwi-
schen aber sagt die Mehrheit der Bevölkerung: Dieser
Ausschuss ist richtig. Ich zitiere aus einer Umfrage für
das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ von der vorletz-
ten Woche: 68 Prozent der 19- bis 29-Jährigen finden
diesen Ausschuss richtig. Daran sollten Sie sich bei Ih-
rer Kritik orientieren. Je mehr Sie von Klamauk reden,
je mehr Sie verzögern und tricksen, desto größer wird
Ihr Glaubwürdigkeitsproblem in der Öffentlichkeit
sein.
Die Menschen draußen haben erkannt: Es geht nicht
um irgendwelche Wahlkampfreden und irgendwelche
Wahlversprechen.
Es geht um die zentrale Frage, ob die Regierung, ob
Minister und Staatssekretäre die Wahrheit gesagt haben.
Die Pflicht zur Wahrheit haben sie zu jedem Zeitpunkt,
egal ob gerade Wahlen stattfinden oder nicht. Daran wer-
den wir Sie in diesem Untersuchungsausschuss messen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie diesen Ausschuss
zu einer Chance werden.
Herr Kollege Altmaier, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Peter Altmaier
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Ich komme sofort zum Ende, Frau Präsidentin. – Las-
sen Sie uns in diesem Ausschuss in der gebotenen Sach-
lichkeit, in der gebotenen Kürze über das sprechen, was
aufzuklären ist, und lassen Sie uns dann darüber sprechen,
wie wir verhindern können, dass sich so etwas in der Zu-
kunft wiederholt.
Dann leisten wir einen Beitrag zum Abbau von Poli-
tikverdrossenheit. Wir leisten einen Beitrag zur Steige-
rung der Glaubwürdigkeit von uns allen in diesem
Land.
Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Jerzy Montag, Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Das Einzige, was Sie, meine Damen und Her-
ren von der Opposition, noch daran hindern könnte, sich
selbst und damit uns allen diesen Untersuchungsaus-
schuss wie einen unnötigen Kropf an den Hals zu hängen,
wäre Ihre bessere Einsicht.
Meine Hoffnung ist gering, aber ich gebe die Hoffnung
nie auf, dass man in einem Diskurs mit Argumenten über-
zeugen könnte.
Deswegen werde ich Ihnen drei Gründe vortragen, wes-
wegen es eigentlich besser und sinnvoller wäre, auf die-
sen Untersuchungsausschuss zu verzichten.
Sie werden auf uns sicherlich nicht hören, aber hören
Sie doch auf die kritischen Stimmen aus Ihren eigenen
Reihen, hören Sie auf die Bürgerinnen und Bürger,
die – im Gegensatz zu dem, was Kollege Altmaier gesagt
hat – immer mehr Unverständnis äußern und sich zu
Recht darüber aufregen, dass der Bundestag Ressourcen-
und Energieverschwendung betreibt für Spiegelfechte-
reien, für Bloßstellungsveranstaltungen, die Sie planen,
und für ein Wahlkampfgetöse für die Herren Wulff und
Koch im Januar des nächsten Jahres.
Bevor ich auf diese drei Gründe zu sprechen komme,
will ich noch einige grundsätzliche Bemerkungen ma-
chen. Natürlich haben Sie als die Minderheit in diesem
Hause ein verfassungsmäßig abgesichertes Recht auf die
Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses.
Wir Grüne, eine Partei, die die Opposition kennt, die die
Oppositionsbank aber nicht nur als hart, sondern auch als
edel verstanden hat,
haben überhaupt nichts dagegen, dass Sie die Ersten sind,
die einen solchen Untersuchungsausschuss nach dem
neuen Untersuchungsausschussgesetz fordern. Wir betre-
ten damit Neuland. Es ist wirklich schade, dass dieses
gute Instrument durch ein völlig unbrauchbares Thema so
in Misskredit gezogen wird, wie Sie es tun.
Wir haben Ihren Antrag nicht bepackt, ihn somit nicht
verfassungswidrig gemacht.
Wir haben ihn auf verfassungsgemäße Art und Weise er-
gänzt. Wir haben überhaupt keine Angst davor, dass Sie
tatsächlich den Weg nach Karlsruhe gehen. Davon kann
ich Ihnen nur abraten.
Jetzt komme ich auf die Gründe zu sprechen.
Der erste Grund lautet: Dieser Untersuchungsausschuss
ist absolut unnötig; denn es gibt nach Ihren eigenen Dar-
stellungen überhaupt nichts aufzuklären. Es gibt nichts auf-
zudecken, es gibt nichts auszuleuchten. Nehmen Sie sich
doch Ihren eigenen Text im Sinne einer Textanalyse einmal
genau vor. Was wollen Sie denn eigentlich? Sie behaupten,
dass Mitglieder der Bundesregierung die Öffentlichkeit
und das Hohe Haus unvollständig oder falsch informiert
haben. Sie beziehen sich auf amtliche Verlautbarungen und
auf Reden in diesem Hohen Hause. Das alles ist bekannt
und muss nicht überprüft und untersucht werden.
Sie wollen das, was bekannt ist, gegenüberstellen – ich
zitiere aus Ihrem Antrag – „... der Situation des Bundes-
haushaltes, der Finanzlage der gesetzlichen Kranken- und
Rentenversicherung sowie der Einhaltung der Stabilitäts-
kriterien des EG-Vertrages ...“ Hinter diesen Punkten ste-
hen Zahlen und diese Zahlen waren uns allen von Monat
zu Monat bekannt. Sie wollen also Bekanntes in Verhält-
nis zu Bekanntem setzen, um daraus Ihre Schlüsse zu zie-
hen. Aber diese Schlüsse haben Sie schon im Wahlkampf
gezogen! Das ist Ihr gutes Recht. Aber nehmen Sie zur
Kenntnis: Der Wahlkampf ist zu Ende! Sie haben die
Wahlen verloren und die Mehrheit der Bürgerinnen und
Bürger hat Ihnen nicht geglaubt, dass es eine Falschaus-
sage der Regierung gegeben hat.
1336
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1337
Der zweite Grund lautet, meine Damen und Herren von
der Opposition: Der von Ihnen gewünschte Untersu-
chungsausschuss ist ein reines Wahlkampfinstrument.
Das belegt zunächst einmal das Verhalten des Mentors
dieser Idee, des Ministerpräsidenten Koch,
der die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses an-
geregt hat. Außerdem belegt das der von Ihnen gewollte
Zeitplan ganz eindeutig.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Gehb?
Wenn es mir nicht von der Zeit abgezogen wird, sehr
gerne.
Herr Kollege Montag, teilen Sie die Auffassung, dass
es einen Unterschied gibt zwischen der Tatsache, dass ein
Dieb oder ein anderer Delinquent auf frischer Tat ertappt
wird,
und der Tatsache, dass man ihn hinterher in einem förm-
lichen Verfahren nach den Regeln der Strafprozessord-
nung im Namen des Volkes verurteilt? Glauben Sie nicht,
dass Dinge, obwohl sie vielleicht pressebekannt, ja noto-
risch sind, in einem förmlichen Verfahren festgestellt wer-
den müssen?
Herr Kollege Gehb, Sie hätten vielleicht gern, dass wir
diesen Untersuchungsausschuss zu einem Strafprozess
machen; aber es ist keiner.
Es ist lediglich ein Verfahren dieses Hohen Hauses. Es
sollen auch keine Strauchdiebe vor Gericht gestellt wer-
den; vielmehr wollen Sie die Bundesregierung bloßstel-
len. Damit missbrauchen Sie das Instrument des Untersu-
chungsausschusses. Das, was Sie machen wollen, ist
Wahlkampf. Wahlkampf sollen Sie auch machen, aber
nicht im Rahmen dieses Ausschusses.
Herr Kollege Gehb, Sie durften eine Zwischenfrage
stellen.
Ich glaube, ich habe die Zwischenfrage beantwortet,
wenn auch nicht zu Ihrer Zufriedenheit. Das ist aber Ihr
Problem und nicht meines.
Der von Ihnen, meine Damen und Herren von der
CDU/CSU, angestrebte Zeitplan weist ebenfalls darauf
hin: Sie wollten die Einsetzung des Untersuchungsaus-
schusses, ohne die Verfassungsmäßigkeit vorher im Ge-
schäftsordnungsausschuss zu prüfen. Sie wollen eine
Konstituierung und Arbeitsaufnahme, ohne dass wir eine
Verfahrensordnung haben und ohne dass wir wissen, wel-
che Akten wir zur Verfügung haben. Sie wollen Beweis-
anträge ins Blaue hinein stellen, ohne dass wir irgend-
welche Akten beiziehen können. Sie wollen Zeugen
vernehmen, ohne dass es in diesem Ausschuss irgend-
welche Akten gibt. Deswegen kann ich zum Glück fest-
stellen, dass die Sachleitung dieses Untersuchungsaus-
schusses nicht in Ihren Händen liegt. Wir werden diesen
Ausschuss in ordnungsgemäßen Bahnen auf der Grund-
lage der Verfassung und der StPO arbeiten lassen.
In aller Kürze der dritte Punkt. Dieser Antrag ist von
Pharisäern gestellt worden.
Mit treuherzigem Augenaufschlag tun Sie so, als ob
Sie die Wahrheit suchen würden. Dabei kamen die
Koch’schen Lügen und die Kohl’schen Verschweigungen
doch aus Ihren Reihen, meine Damen und Herren von der
CDU/CSU. Deswegen können Sie doch nicht glaubwür-
dig behaupten, dass dieser Untersuchungsausschuss, der
erste nach dem neuen Untersuchungsausschussgesetz,
nichts anderem als der Wahrheitsfindung dienen würde.
Ich will zum Schluss eine Passage aus der „Frankfur-
ter Allgemeinen Zeitung“ zitieren und eine Frage wieder-
holen, die in diesem Artikel an Sie, meine Damen und
Herren von der CDU/CSU, gestellt wurde – ich zitiere mit
Erlaubnis der Präsidentin –:
Die Union das Einverständnis darüber aufgekün-
digt, was jedenfalls kein geeigneter Gegenstand für
ein Instrument des Untersuchungsausschusses ist. Er-
innert man sich noch der Klage, im Parteispendenaus-
schuss werde ein Schauprozess inszeniert? Immerhin
konnte er hartnäckige Schweiger und geständige Lüg-
ner vorladen. Was bedeutet es, dass man einen ökono-
mischen Umgang mit Informationen, der eine
Sache politischer Klugheit oder Dummheit ist, durch
ein Gremium aufklären lassen will, das seine Arbeit
gemäß der Strafprozessordnung organisiert?
Jetzt kommt die Frage:
Hat die Opposition die Hoffnung aufgegeben, noch
einmal die Regierung zu stellen?
Ich stelle zum Schluss fest:
Jerzy Montag
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Herr Kollege, kommen Sie damit bitte wirklich zum
Schluss.
Das einzig Positive an diesem Untersuchungsaus-
schuss ist, dass diese Frage gestellt worden ist. Sie beant-
worten sie uns auch: Sie wollen Opposition bleiben.
Danke schön.
Nächster Redner ist der Kollege Max Stadler, FDP-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Die FDP hatte in der Debatte in der letzten Wo-
che vorgeschlagen, dem Antrag der CDU/CSU auf Ein-
setzung eines Untersuchungsausschusses sofort zuzu-
stimmen. Die Heftigkeit dieser Debatte und die langen
Diskussionen im Geschäftsordnungsausschuss, die es da-
rüber gegeben hat, führen mich zu dem Schluss: Das war
alles viel Lärm um nichts. Denn das Recht auf Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses ist vor allem ein Recht
der Minderheit, ein Recht der Opposition. Nach Art. 44
des Grundgesetzes muss der Bundestag solche Aus-
schüsse einrichten, wenn ein Viertel der Mitglieder dies
beantragt. Ein solcher Antrag lag vor.
Nun ist viel darüber geredet worden, ob dieser Antrag
mit der politischen Kultur vereinbar ist. Für uns als FDP
hat das dazu geführt, dass wir unseren kulturpolitischen
Sprecher, Hans-Joachim Otto, in diesen Ausschuss ent-
senden werden. Aber im Ernst: Zum einen wird vorgetra-
gen, die politische Kultur nehme durch einen solchen
Ausschuss Schaden. Das halte ich für stark übertrieben.
Umgekehrt wird gesagt: Mit diesem Ausschuss ergebe
sich die Chance, zu einer neuen politischen Kultur zu
kommen. Da bin ich ebenfalls skeptisch, Herr Kollege
Altmaier.
In Wahrheit ist die Sache viel einfacher. Jakob
Augstein hat das gestern in der „Süddeutschen Zeitung“
auf den Punkt gebracht, allerdings mit einer etwas salop-
pen Formulierung. Er hat geschrieben:
Es ist ein Recht der Opposition, der Regierung Sau-
res zu geben. Mit allen zulässigen Mitteln.
Deswegen kommt es nur darauf an, ob dieser Antrag
zulässig war. Das wurde von SPD und Grünen in der
letzten Woche in Zweifel gezogen. Heute müssen sie zu-
geben, dass die Auffassung der FDP richtig war. Der An-
trag der CDU/CSU ist zulässig. Deswegen war und ist
ihm zuzustimmen, jenseits aller politischen Opportu-
nität.
Meine Damen und Herren, die Verweisung an den Ge-
schäftsordnungsausschuss erwies sich somit als reine Ver-
zögerung.
Das war schon schlimm genug. Aber es kam dort noch
schlimmer. Mit ihrer Mehrheit hat die Koalition in diesem
Ausschuss eine Ausweitung des Untersuchungsauftrags
durchgesetzt. Dies widerspricht erstens dem auch in der
Öffentlichkeit verbreiteten Wunsch, dass dieser Ausschuss
rasch durchgeführt werden soll.
Zweitens finden wir es – das will ich Ihnen schon sa-
gen – wirklich unangemessen, dass Sie mit Ihrem Er-
weiterungsbeschluss nun auch die Mitglieder des Haus-
haltsausschusses des Bundestages überprüfen wollen.
Das ist unkollegial, unangemessen und auch nicht not-
wendig.
Drittens haben Sie natürlich erkannt, dass Ihnen mit
Ihrem Plan, nun auch einige Ministerpräsidenten in die-
sen Ausschuss zu zitieren, entgegengehalten werden
könnte, dass dies nicht Sache des Bundestages, sondern
Sache der Bundesländer sei. Aus diesem Grund haben Sie
diese Ministerpräsidenten – zum Beispiel Stoiber und
Koch – in Ihrem Erweiterungsbeschluss als Mitglieder
des Bundesrates apostrophiert, weil der Bundesrat zwei-
fellos ein Bundesgremium ist.
Gleichwohl ist dies natürlich ein Kniff. Sie werden doch
wohl nicht glauben, dass dieser Kniff von der Öffentlich-
keit nicht durchschaut würde.
Schlimmer ist noch, dass Sie mit Ihrer Überprüfung der
Staatspraxis seit 1990 insinuieren und inhaltlich die Hy-
pothese einführen, es gebe womöglich eine ständige
Staatspraxis unrichtiger und wahrheitswidriger Informa-
tion der Bevölkerung. Ich finde es schlimm, dass das zwi-
schen den Zeilen insinuiert wird.
Das ist auch der Unterschied zum Antrag der Union.
Die Union hat einen konkreten Vorgang, für den es im-
merhin Anhaltspunkte gibt, zum Gegenstand ihres An-
trags gemacht. Sie beziehen sich auf eine angebliche
Staatspraxis seit 1990.
Zum Letzten: Mag es auch legal sein, diese Erweite-
rung mit Ihrer Mehrheit zu beschließen, so komme ich
doch zum Ausgangspunkt der Überlegungen der FDP
zurück. Es ist das Recht der Minderheit, es ist das Recht
der Opposition, einen Untersuchungsausschuss zu verlan-
gen. Wenn Sie gegen den Willen und ohne Zustimmung
der Opposition den Auftrag dieses Ausschusses, den Un-
tersuchungsgegenstand, erheblich verändern, dann mag
1338
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1339
dies vielleicht noch legal sein, legitim ist es auf keinen
Fall.
Dazu wird die FDP aus prinzipiellen Gründen die Hand
nicht reichen.
Am Ende fällt eines auf: Die personelle Besetzung die-
ses Ausschusses scheint sich deutlich von derjenigen des
Parteispendenuntersuchungsausschusses der letzten Legis-
laturperiode zu unterscheiden. Fast ist man versucht zu sa-
gen: Ein neues Ensemble versucht sich an diesem Untersu-
chungsgegenstand. Trotz der Erweiterung, die Sie heute
beschließen, sage ich Ihnen am Ende: Liebe Kolleginnen
und Kollegen, macht bitte schnell mit diesem Ausschuss.
Ihr werdet für andere Aufgaben noch dringend benötigt.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Lambrecht,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es
noch einmal deutlich zu sagen – man kann es gar nicht oft
genug sagen –: Wir halten diesen Untersuchungsaus-
schuss für überflüssig.
Das, was Sie hier begehren, ist ein Thema der politischen
Auseinandersetzung in den Ausschüssen, im Plenum, in
den von Ihnen so gern gehandhabten Talkshows, aber es
ist kein Thema für einen Untersuchungsausschuss. Mit
dieser Meinung stehen wir auch überhaupt nicht al-
lein. Fragen Sie einmal in Ihren Reihen den Herrn
von Weizsäcker oder auch den Herrn Eylmann, einen ganz
profilierten Rechtspolitiker aus Ihren Reihen. Er hat seine
Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Untersuchungsaus-
schusses deutlich zum Ausdruck gebracht
und sogar von Wahlkampfkalkül gesprochen.
Nichtsdestotrotz werden wir uns Ihrem Ansinnen stel-
len. Es wird interessant, noch einmal darzustellen, was
mittlerweile über die Presse schon längst zu erfahren war,
nämlich wer was wusste und wer welche Schlussfolge-
rungen aus diesem Wissen gezogen hat.
Meine Damen und Herren, Herr Altmaier und Herr
Stadler, es handelt sich bei Punkt zwei der Beschlussemp-
fehlung natürlich nicht um eine unzulässige Bepackung.
Herr Altmaier, Sie werden mit Ihrer verfassungsrecht-
lichen Einschätzung genauso auf den Bauch fallen wie bei
der Frage der Besetzung des Vermittlungsausschusses.
Auch dafür haben Sie schließlich in Karlsruhe die Quit-
tung bekommen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Schauerte?
Nein, ich möchte gern im Zusammenhang weiter vor-
tragen. Ich habe vorhin die Zwischenfrage zur Kenntnis
genommen. Sie war qualitativ nicht so hochwertig, dass
man auf so etwas eingehen müsste.
Meine Damen und Herren, es geht uns darum, ein
zulässiges und umfassendes Bild zu erhalten. Es geht aber
nicht darum, Herr Stadler, die Ministerpräsidenten über
das anzuhören, was sie in ihren Ländern machen. Das
wäre sicherlich auch interessant. Es geht vielmehr darum,
warum zum Beispiel Herr Stoiber, der sich immerhin
– wenn auch ziemlich glücklos – aufgemacht hat, in der
Bundesliga zu spielen, und der angeblich so genau über
den bedrohlichen Zustand der öffentlichen Haushalte und
die leeren Kassen Bescheid gewusst hat, noch im August
den Menschen mit einem Sofortprogramm circa 20 Mil-
liarden Euro versprochen hat. Auch über solche unseriö-
sen Versprechen müssen wir reden, wenn es um die Wahr-
heit gehen soll.
Denn wenn ihm die Situation genau bekannt war – und
zwar noch vor den Wirtschaftsinstituten und allen Exper-
ten –, frage ich mich, warum er solche Versprechen ge-
macht hat. Wollte er vielleicht die Wähler täuschen? Das
kann doch wohl nicht sein. Oder war er vielleicht doch
nicht so genau über die Situation informiert? Das werden
wir in dem Untersuchungsausschuss zu klären haben.
Eines ist aber schon heute klar, nämlich dass Sie wegen
der offensichtlich mangelnden Glaubwürdigkeit in der
Bundestagswahl von den Bürgern keine Mehrheit bekom-
men haben und dass Sie sich deswegen jetzt in der Oppo-
sition befinden. Sie meinen, den längst verlorenen Wahl-
kampf noch weiterführen zu müssen. Meine Damen und
Herren, geben Sie dieses Ansinnen endlich auf!
Haben Sie immer noch nicht gemerkt, dass die Bürge-
rinnen und Bürger diesen Dauerwahlkampf nicht wollen?
Dr. Max Stadler
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Christine Lambrecht
Sie wollen endlich Antworten auf die anstehenden Fra-
gen. Dazu ist aber von Ihnen nichts zu hören.
Mit dem Untersuchungsausschuss wollen Sie von dieser
Konzeptionslosigkeit in Ihren Reihen ablenken.
Ihrem Vorwurf, dass wir eine Verzögerungstaktik be-
trieben, kann ich nur eines entgegenhalten: Sie haben erst
in der vorigen Sitzungswoche diesen Antrag eingebracht.
Eine Sitzungswoche später,
nämlich jetzt, wird er sogar unter Verzicht auf Fristeinrede
durch uns behandelt und beschlossen und zehn Minuten
nach Beendigung dieser Debatte wird sich der Untersu-
chungsausschuss konstituieren. Wenn uns dabei noch je-
mand eine Verzögerung vorwerfen will, weiß ich nicht,
wie er diese erklären will.
Ich finde es ziemlich unangemessen, Herr Stadler,
wenn Sie die Behandlung im Geschäftsordnungsaus-
schuss als „viel Lärm um Nichts“ oder als „Verzöge-
rungstaktik“ bezeichnen.
Das halte ich weder für angemessen noch für sachgerecht.
Mir würden dazu auch noch andere Begriffe einfallen.
Gerade im Geschäftsordnungsausschuss ist es in zahlrei-
chen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen – auch
der Union; bei ihnen möchte ich mich für die sachliche
Auseinandersetzung bedanken – gelungen, eine wichtige
Änderung einzubringen, der die Union gestern im Ge-
schäftsordnungsausschuss sogar zugestimmt hat. Daran
sehen Sie, wie wichtig die Behandlung im Geschäftsord-
nungsausschuss war und dass es sich dabei keinesfalls um
eine Verzögerungstaktik gehandelt hat.
Es stellt sich aber die Frage, warum Sie den Antrag
erst in der vergangenen Sitzungswoche eingebracht ha-
ben. Seit Wochen laufen Sie durch die Lande und be-
haupten, hier sei irgendetwas getrickst worden. Ich frage
mich, warum Sie das nicht schon viel früher gemacht ha-
ben.
Warum haben Sie zehn Wochen gebraucht, um einen
einzigen Satz zu formulieren? Ich kann Ihnen die Frage
beantworten: Sie waren innerparteilich erst einmal damit
beschäftigt, Personalquerelen auszutragen, zum Beispiel
Merz gegen Merkel. Da musste gekungelt und dafür ge-
sorgt werden, dass die entsprechenden Strippen gezogen
werden.
Nachdem das alles erledigt war, haben Sie den Ruf aus
Hessen bekommen, endlich von dem Mangel an für Sie
günstigen Themen im dortigen Wahlkampf abzulenken.
Das war der eigentliche Hintergrund, warum jetzt auf
einmal der Untersuchungsauftrag formuliert wurde. Es ist
schon sehr verwunderlich, Frau Merkel, dass Sie sich da-
rauf eingelassen haben. Ich kann mich noch an eine Pres-
sekonferenz erinnern, in der Sie gefragt wurden, ob Sie
Koch vertrauen. Darauf haben Sie ausweichend geant-
wortet: Wir unterstützen ihn und das ist schon viel. – Das
sagt doch eine ganze Menge.
Diesem Ministerpräsidenten Koch ist kurz vor der
Landtagswahl in Hessen aufgefallen, dass ihm für seinen
Wahlkampf noch ein Thema fehlt. Er will nämlich von sei-
nen dürftigen Resultaten im Land ablenken. Dabei kommt
ihm ein solcher Ablenkungsausschuss genau recht.
Ausgerechnet Koch fordert einen Ausschuss, der die
Wahrheit aufdecken soll; ausgerechnet Koch, der das hes-
sische Parlament und die Öffentlichkeit nachweislich be-
logen hat;
ausgerechnet Koch, der persönlich beim Rechenschafts-
bericht der CDU Hessen nachweisbar getrickst hat;
ausgerechnet Koch, der seine eigene Aussage im CDU-
Parteispendenausschuss nicht beeiden lassen wollte; aus-
gerechnet Koch, der dem CDU-Schwarzgeld-Untersu-
chungsausschuss die Herausgabe der notwendigen Akten
verweigert hat.
Ausgerechnet der spielt sich jetzt als Hüter der Wahrheit
auf. Meine Damen und Herren, das hat schon etwas; das
muss man sagen.
Sie, Frau Merkel, lassen sich von diesem Koch auch noch
zur Kellnerin machen. Das verwundert.
Ansonsten sind Sie doch gegenüber Ihren Parteifreunden
nicht zimperlich, wie wir mittlerweile wissen.
Kehren Sie endlich wieder zu einem seriösen Politikstil
zurück. Nehmen Sie endlich Ihre Rolle und auch Ihre Auf-
gabe als Opposition an. Geben Sie endlich Antworten auf
die Fragen. Lenken Sie nicht ständig ab.
Vielen Dank.
1340
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1341
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Hans-Peter
Friedrich, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Lambrecht, Ihre Rede, in der Sie versucht
haben, vom Thema abzulenken, zeigt auch, welch
schlechtes Gewissen Sie im Umgang mit unserem Be-
schluss in den letzten Tagen haben.
Die Art und Weise, wie die Einsetzung dieses Aus-
schusses verzögert worden ist, ist beschämend. Lassen
Sie mich das so sagen. Der Kollege Stadler hat die Rechts-
lage dargestellt. Wenn 25 Prozent der Abgeordneten die
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragen,
hat der Bundestag die Pflicht, dem nachzukommen.
Das Gesetz geht noch weiter. Es heißt dort nämlich: Er ist
unverzüglich einzusetzen.
Bis jetzt haben Sie mit vorgeschobenen Argumenten,
von denen bis zum heutigen Tag kein einziges mehr übrig
geblieben ist, die Einsetzung verzögert. Deswegen stelle
ich fest: Sie haben mit dieser Verzögerung die verfas-
sungsmäßigen Rechte der Minderheit in diesem Hause
beschädigt und behindert.
Aus all dem spricht eine Grundeinstellung, die man bei
Ihnen überall und immer wieder feststellt: Sie glauben,
dass Sie dann, wenn Sie die Mehrheit im Deutschen Bun-
destag haben, den Staat, die Institutionen und das ganze
Parlament zur Beute machen können.
Wo das hinführt, hat Ihnen in dieser Woche das Bundes-
verfassungsgericht in Karlsruhe gezeigt.
Ich sage etwas zu Ihrem vorgeschobenen Argument,
der exekutive Kernbereich sei tangiert. Natürlich gibt es
eine Grenze des exekutiven Kernbereichs. Das haben
wir nie bestritten. Das ist Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgerichts. Deswegen ist für uns völlig klar,
dass eine Grenze vorhanden sein muss. Man muss natür-
lich immer darüber streiten – das werden wir in der Zu-
kunft sicherlich tun –, wo diese Grenze liegt. Insofern
ist die Ergänzung, die Sie vorgenommen haben, in der
Substanz nichts wert. Sie ist rein deklaratorisch. Sie hät-
ten genauso gut schreiben können: Im Übrigen gilt das
Grundgesetz. Oder: Das Völkerrecht wird nicht verletzt.
Der gestrige Beschluss des Geschäftsordnungsausschus-
ses, der Punkt für Punkt die Verfassungsmäßigkeit unse-
res Antrags bestätigt, bestätigt damit inzidenter die
Rechtswidrigkeit Ihres Verhaltens in den vergangenen
zwei Wochen.
Ich sage Ihnen noch etwas zum exekutiven Kern-
bereich. Es gab in der letzten Wahlperiode einen Untersu-
chungsausschuss. Frau Lambrecht, Sie werden sich gut
daran erinnern. Die rot-grüne Regierung hat nie etwas
zum exekutiven Kernbereich gesagt. Bei den Themen Ei-
senbahnerwohnungen und Panzerlieferungen hat man
sich intensiv damit befasst, wie Entscheidungsprozesse in
der Bundesregierung gelaufen sind. Man hat Minister be-
fragt. Man wollte wissen, welche Staatssekretäre wohin
geschickt worden sind. Man hat nach Briefen gefragt.
– Meine lieben Kollegen, die Protokolle sind zum großen
Teil veröffentlicht.
Wir werden uns die Fragen, die Sie gestellt haben, ge-
nau anschauen. Dann werden wir wissen, was Sie unter
exekutivem Kernbereich verstehen, und uns an diese
Grenzen halten.
Dieselben Leute, die damals mit Schaum vor dem
Mund jeden Vermerk, jede Aktennotiz, selbst Visiten-
karten in den Akten als wichtige Beweismittel präsentiert
haben, sagen jetzt, der Kernbereich sei so eine Art Kä-
seglocke, die man über die Regierung stülpen könne, um
sie vor dem Untersuchungsauftrag eines Untersuchungs-
ausschusses zu schützen. Das werden wir so nicht akzep-
tieren und auch nicht zulassen.
Ich sage Ihnen da auch Auseinandersetzungen voraus.
In Bezug auf die von Ihnen verlangten Ergänzungen
hat Kollege Stadler ebenfalls schon Wichtiges gesagt. Ich
sage Ihnen, wie diese Ergänzungen zustande gekommen
sind. Herr Müntefering hat gesagt: Wenn in dem Untersu-
chungsauftrag Schröder steht, dann muss auch der Name
Stoiber herein. – Der arme Kollege Wiefelspütz musste
dann gegen seine juristischen Überzeugungen eine völlig
absurde Bepackung und Ergänzung konstruieren.
Sie wissen ganz genau, dass der Bundestag die Länder-
regierungen nicht untersuchen kann.
Wir wollen – das haben wir mehrfach deutlich ge-
macht – keine Wahlkämpfer und keine Parteivorsitzenden
untersuchen,
wir wollen wissen: Haben Mitglieder der Bundesregie-
rung kraft Autorität ihres Amtes die Menschen im Lande
belogen? Das ist der Auftrag.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Dr. Hans-Peter Friedrich
Mit Ihrer Ankündigung, Mitglieder des Bundesrates
laden zu wollen, fordern Sie nicht nur einzelne Mitglieder
heraus, sondern den Bundesrat insgesamt; dieser aber
wird seine Rechte gegenüber dem Bundestag wahren wol-
len. Ich bin darauf gespannt, wie Sie trotz der von Ihnen
gemachten Einschränkung „im Rahmen der Zuständigkeit
des Bundestages“ verfassungskonform Bundesratsmit-
glieder laden und vernehmen wollen. Ob das möglich ist,
werden wir in den nächsten Monaten noch sehen.
Die Erweiterung des Untersuchungsauftrages um Pro-
gnosen und Modellrechnungen stellt eine reine Verzöge-
rungstaktik dar. So etwas ist eher einem historischen Se-
minar als einem Untersuchungsausschuss zugänglich. Mit
all Ihren Ergänzungen verfolgen Sie nur ein Ziel: die Auf-
klärung zu verhindern. Die Behinderung der Aufklärung
von Unwahrheit ist die Fortsetzung der Unwahrheit mit
anderen Mitteln.
Ich bedaure im Übrigen außerordentlich, dass Sie jetzt
versuchen, das neue Untersuchungsausschussgesetz, das
sich erstmals bewähren soll, umzudrehen, und sich gegen
die Intention, die alle Fraktionen bei der Verabschiedung
dieses Gesetzes hatten, wenden. Sie wissen genau, dass
dieses Gesetz dazu da war, die Minderheitenrechte in ei-
nem Untersuchungsausschuss des Bundestages zu stär-
ken. Sie machen jetzt genau das Gegenteil: Sie versuchen,
durch Ihre Auslegung dieses Gesetzes den Art. 44 Grund-
gesetz unzulässigerweise restriktiv zu interpretieren. Auch
das werden wir nicht akzeptieren.
Jetzt erst recht wollen wir wissen, mit welchen Mitteln
die Bundesregierung Zahlen, Fakten und Daten verschlei-
ert hat. Jetzt erst recht wollen wir wissen, welches Mittel
Rot-Grün recht ist, um die Macht zu erhalten.
Wir werden eines Tages vielleicht auch wissen, ob all das,
was Sie den Menschen in den letzten zwei bis drei Wo-
chen angetan haben, vielleicht von langer Hand vorberei-
tet war,
ob die Bauern, die Ärzte, die Zahntechniker, die Blumen-
händler, die Werbemittelhersteller, die Beitragszahler alle
vor der Wahl schon auf Ihrer Abschussliste standen, weil
Sie Ihre Vorhaben aufgrund besserer Informationen viel-
leicht von langer Hand geplant hatten.
Ganz peinlich wird es für den Herrn Bundesminister
Eichel, wenn sich herausstellen sollte, dass er seine
Pflicht zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien verletzt
haben sollte.
Herr Kollege Friedrich, gucken Sie bitte einmal auf die
Uhr.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Der auf
den Maastricht-Kriterien beruhende Stabilitätspakt ist
von zentraler Bedeutung und Wichtigkeit für die Stabilität
unserer Währung.
Von Tag zu Tag wächst aus all diesen Gründen die Not-
wendigkeit, diesen Untersuchungsausschuss einzusetzen
und die von mir angesprochenen Fragen aufzuklären. Am
Ende wird das für Sie und Ihre Regierung eine ganz bit-
tere Geschichte.
Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die fraktionslose Kollegin Petra
Pau.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Würde die SPD der CDU/CSU alle Lügen der Vergan-
genheit vorhalten, dann nähme das wohl Wochen in An-
spruch.
Anders herum gilt das allerdings ebenfalls. Auch FDPund
die Grünen sind keine Unschuldslämmer, selbst die PDS
nicht.
Immerhin hatten wir vor der Wahl 6 plus x Prozent ver-
sprochen, aber nur 4 Prozent erhalten. Allein an diesem
Beispiel können Sie sehen: Selbst offensichtliche Un-
wahrheiten werden sehr unterschiedlich bewertet. Sie hal-
ten es für gut, dass die PDS ihr Versprechen nicht gehal-
ten hat. Ich halte es für schlimm, übrigens nicht nur für die
PDS, sondern für alle, denen die herrschende Politik zu
kapitalhörig ist.
Überhaupt ist das mit der politischen Lüge so eine Sa-
che. Ich möchte Ihnen das an zwei Beispielen verdeutli-
chen. Erstes Beispiel: Bereits vor der Wahl 1998 hatte die
SPD versprochen, sie wolle mehr direkte Demokratie ein-
führen. Die PDS hatte einen entsprechenden Gesetzent-
wurf eingebracht und war damit auch an Rot-Grün ge-
scheitert. Damit steht die PDS zwar ehrlich, aber ohne
Erfolg da. Die CDU/CSU wiederum steht ehrlich und er-
folgreich da; denn sie wollte auf Bundesebene noch nie
mehr direkte Demokratie.
Zweites Beispiel: Bereits vor der Wahl 1998 hatte die SPD
versprochen, sie wolle große Vermögen in die soziale
Pflicht nehmen. Die PDS fordert noch immer die Wieder-
einführung der Vermögensteuer, bislang wiederum ver-
geblich. Wieder steht die CDU/CSU scheinbar ehrlich da;
denn die offensichtliche Steuerungerechtigkeit ist ja ihr
Programm.
1342
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1343
Es bleibt also die Frage: Wer braucht einen solchen Lü-
genausschuss? Der Volksmund ist sich ohnehin einig: Vor
der Wahl und nach der Jagd wird am meisten gelogen. An-
ders gesagt: Die Wählerinnen und Wähler wissen es. Sie
brauchen also keinen Untersuchungsausschuss. Noch
wichtiger finde ich: Ein Lügenausschuss würde keinerlei
Beitrag zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit, zur Si-
cherung der solidarischen Systeme oder zur Wahrung des
Friedens weltweit leisten. Ein solcher Wahlkampfaus-
schuss hebt nicht die politische Kultur. Er hilft auch nicht
in der Sache. Deshalb lehnen wir ihn ab.
Nun wurde heute bereits mehrfach über das Recht auf
Einsetzung von Untersuchungsausschüssen gesprochen.
Es ist völlig richtig: Wir haben auch jedes Recht, hier po-
litischen Unsinn zu beschließen. Aber ich finde, wir ha-
ben auch das Recht, solchen Unsinn zu vermeiden. Des-
halb werden wir gegen die Einsetzung dieses Ausschusses
stimmen.
Danke.
Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Ronald
Pofalla, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auf der Zuschauertribüne sitzen heute viele junge Men-
schen. Diese haben es satt, belogen zu werden.
Die jungen Menschen sind es übrigens auch satt, dass wir
ständig über alles, selbst über kleinste Details,
streiten.
Daher möchte ich meine Rede mit einer versöhnlichen
Anmerkung – diese ist auch so gemeint – beginnen.
Trotz unüberwindbarer inhaltlicher Differenzen bei der
Formulierung des Einsetzungsantrags – das wird auch
gleich bei der Abstimmung deutlich werden – hatten wir
nicht nur gestern – gestern haben wir über 12 Stunden ver-
handelt –, sondern auch in den vergangenen Tagen ein ak-
zeptables Klima im Geschäftsordnungsausschuss und
sind zu einem Ergebnis gekommen. Das wollte ich an den
Anfang stellen, weil es tagelang nicht so ausgesehen hat,
als ob wir überhaupt zu einem Ergebnis kämen.
Ich möchte jetzt zwei Anmerkungen zu den Beratun-
gen machen.
Erstens. Sie, meine Damen und Herren, haben in der
letzten Sitzungswoche dem Plenum des Deutschen Bun-
destages und damit der Öffentlichkeit gegenüber erklärt,
Sie müssten die Verfassungsmäßigkeit unseres Antrags
prüfen. Jetzt will ich Ihnen sagen, welche textlichen Än-
derungen an unserem Antrag, übrigens mit unserem Ein-
verständnis, vorgenommen werden. Ich lese es Ihnen vor.
Es werden die gigantischen Worte „ob und gegebenen-
falls“ eingefügt.
Es werden die gigantischen Worte „insbesondere auch“
eingefügt. Es wird das Wort „Vereinbarungen“ statt „Ver-
abredungen“ gewählt. Am Schluss wird eine verfassungs-
rechtliche Selbstverständlichkeit, die wir nie bestritten
haben, an den Text angehängt. Ich will auch diese verle-
sen:
... soweit hierdurch nicht der Kernbereich exekutiver
Eigenverantwortung betroffen ist
So weit zur verfassungsrechtlichen Prüfung durch die
rot-grüne Mehrheit, die wir nicht verhindern konnten, die
aber deutlich macht, dass der Antrag, den wir in der letz-
ten Sitzungswoche eingebracht haben, von Anfang an ver-
fassungskonform war.
Die zweite Anmerkung bezieht sich auf das, was Rot-
Grün jetzt empfiehlt. Ich lese Ihnen § 2 Abs. 2 des Unter-
suchungsausschussgesetzes vor:
Der Einsetzungsbeschluss darf den in dem Einset-
zungsantrag bezeichneten Untersuchungsgegen-
stand nicht ändern, es sei denn, die Antragstellenden
stimmen der Änderung zu.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stimmen
Ihrer Änderung nicht nur nicht zu, sondern wir lehnen sie
sogar ab, weil Verfassungsrecht, nämlich Art. 44, und ein-
fachgesetzliches Recht, das Untersuchungsausschussge-
setz, durch Sie in dem Beschluss, der gleich gefasst wer-
den wird, gebrochen werden wird.
Es gibt das Verbot der Bepackung. Das ist durch ent-
sprechende Entscheidungen des Bundesverfassungsge-
richts verfassungsrechtlich garantiert. Herr Müntefering,
ich hätte von Ihrer Fraktion erwartet, vor allem nach der
Entscheidung vom Mittwoch, dass Sie sich mit der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts etwas genauer
auseinander setzen. Wenn Sie das getan hätten, dann hät-
ten auch Sie als Fraktionsvorsitzender, Herr Müntefering,
feststellen können, dass durch die Beschlussempfehlung,
Petra Pau
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Ronald Pofalla
die Ihre Fraktion formuliert hat, wieder Verfassungsrecht
gebrochen wird. Die Beschlussempfehlung widerspricht
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein-
deutig.
Herr Müntefering, Sie gehen auch persönlich als Frak-
tionsvorsitzender einen schweren Weg, weil Sie nämlich
durch die Verfahrensprozedur, die Sie in den letzten bei-
den Wochen im Hinblick auf unseren Antrag betrieben
haben, an der Grenze des rechtlich Zulässigen operiert ha-
ben, indem Sie den Antrag zunächst einmal zur verfas-
sungsrechtlichen Überprüfung an den Geschäftsord-
nungsausschuss überwiesen haben.
Ich füge hinzu: Zum ersten Mal in der Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland ist eine solche Überweisung
zur verfassungsrechtlichen Überprüfung erfolgt.
Herr Müntefering, ich habe Ihnen gerade vorgelesen, wie
das Ergebnis war.
Sie haben jetzt eine Beschlussempfehlung vorgelegt.
Wir werden uns ausdrücklich vorbehalten, in den nächs-
ten Wochen darüber zu entscheiden, ob wir Karlsruhe an-
rufen oder nicht.
Sollten wir Karlsruhe anrufen, werden Sie als Fraktions-
vorsitzender – das sage ich Ihnen voraus – nicht nur die
Entscheidung des vergangenen Mittwochs erlebt haben,
mit der Sie eine bittere Schlappe hinnehmen mussten; Sie
werden dann auch erleben, dass das Bundesverfassungs-
gericht zu einem der ersten Beschlüsse unter Ihrer
Führung die Rechtswidrigkeit und Verfassungswidrigkeit
feststellen wird.
Dann werden Sie, Herr Müntefering, persönlich einen Ti-
tel bekommen. In der kürzesten Zeit, die überhaupt denk-
bar ist, haben Sie als Fraktionsvorsitzender persönlich
schon zu verantworten, dass ein verfassungswidriger Ein-
setzungsbeschluss gefasst worden ist.
Herr Müntefering, ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Vor-
lagen in Zukunft etwas gründlicher prüfen. Wir werden
unsere Minderheitenrechte nicht durch eine Mehrheit von
Rot-Grün rechtswidrig degenerieren lassen. Das sollten
Sie sich merken.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung zu dem Antrag der Fraktion der CDU/
CSU zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses,
Drucksache 15/256. Nach Art. 44 Abs. 1 des Grundgeset-
zes ist der Deutsche Bundestag verpflichtet, einen Unter-
suchungsausschuss einzusetzen, wenn die Einsetzung von
einem Viertel seiner Mitglieder verlangt wird.
Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache
15/125 in der Ausschussfassung anzunehmen. Über Zif-
fer 1 und 2 der Beschlussempfehlung soll getrennt abge-
stimmt werden.
Wer stimmt für die Ziffer 1 der Beschlussempfehlung?
– Gegenprobe! –
– Liebe Kolleginnen und Kollegen, es herrschte gerade
ein bisschen Unklarheit.
Wir wiederholen die Abstimmung. Wer stimmt für die
Ziffer 1 der Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? –
Damit ist die Ziffer 1 der Beschlussempfehlung mit den
Stimmen der CDU/CSU und der FDP bei Gegenstimmen
der beiden fraktionslosen Mitglieder und bei Enthaltung
der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.
Wer stimmt für die Ziffer 2 der Beschlussempfehlung?
– Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Ziffer 2 ist mit den
Stimmen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen bei
Gegenstimmen der CDU/CSU, der FDP und der beiden
fraktionslosen Mitglieder angenommen.
Damit ist der erste Untersuchungsausschuss der
15. Wahlperiode eingesetzt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Auf-
hebung des Gesetzes zur Modulation von Di-
rektzahlungen im Rahmen der gemeinsamen
Agrarpolitik und zur Änderung des GAK-Ge-
setzes
– Drucksache 15/108 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-
wirtschaft
– Drucksache 15/225 –
1344
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1345
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Peter Jahr
Waltraud Wolff
Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP
vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
– Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte diejeni-
gen, die dieser Debatte nicht beiwohnen wollen, bitten,
den Saal möglichst schnell zu verlassen und die Ge-
spräche draußen fortzusetzen, damit ich die Aussprache
eröffnen kann.
Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner in der De-
batte ist der Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten des Freistaates Bayern, Herr Josef Miller.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine Damen und Her-
ren! Der Bundestag berät heute über den Gesetzentwurf
des Bundesrates, dessen Ziel die Aufhebung des deut-
schen Modulationsgesetzes ist. Gegen dieses Modulati-
onsgesetz sprechen viele gewichtige Argumente. Ich
werde nur die wichtigsten ansprechen.
Erstens. Dieses Modulationsgesetz ist unsozial und da-
rüber hinaus ökologisch fragwürdig.
Ich wehre mich entschieden gegen das Totschlagargu-
ment: Wer gegen die Modulation ist, ist gegen mehr Um-
welt. Wir sind nicht gegen mehr Umwelt. Ganz im Ge-
genteil: Die unionsregierten Länder machen es mit ihren
Agrar-Umwelt-Landesprogrammen doch schon lange
vor, wie man den Umweltschutz mit und nicht gegen die
Landwirte gestalten kann. Sie zeigen auch, dass es eine
Frage der politischen Schwerpunktsetzung einer Landes-
regierung ist, was an Finanzmitteln für Umweltmaß-
nahmen bereitgestellt wird. Da sieht es bei Rot-Grün zap-
penduster aus.
Ein Blick in den Bundesagrarbericht wird auch den
letzten Zweifler überzeugen: Die Länder Baden-Würt-
temberg, Bayern, Sachsen und Thüringen stehen mit Zah-
lungen zwischen 50 und 106 Euro pro Hektar und Jahr bei
der Honorierung für umweltgerechte Agrarerzeugung an
der Spitze der Bundesländer. Dagegen sieht die rot-grüne
Bilanz in den Ländern, in denen Sie Verantwortung tra-
gen, nicht nur extrem mager, sondern extrem schlecht aus.
Schlusslichter, weit entfernt von Zahlungen zwischen
50 und 106 Euro, sind Nordrhein-Westfalen mit gerade
einmal 7 Euro pro Hektar,
Niedersachsen mit 3 Euro pro Hektar und Schleswig-Hol-
stein mit 0 Euro pro Hektar. Das ist die Wahrheit.
Vollkommen widersprüchlich zu den Zielen der Mo-
dulation ist es, wenn zum Beispiel bei den Mutterkuh- und
bei den Mutterschafprämien eingespart wird. Gerade
diese Tierarten sind für die Offenhaltung der Landschaft
unverzichtbar
und dienen in besonderer Weise den Agrarumweltmaß-
nahmen. Daran sieht man, wie unglaubwürdig und wie in-
konsequent rot-grüne Agrarpolitik ist.
Kontraproduktiv ist beispielsweise auch die vorgesehene
Kürzung der Rinderprämien. Gerade die Rinderhaltung
erfüllt das in der Modulation geforderte Beschäftigungs-
kriterium in weit höherem Maße, als es im Getreidebau
der Fall ist.
Zweitens. Das Modulationsgesetz ist ein Affront gegen
die Landwirte und führt zu erneuten Wettbewerbsver-
zerrungen in der deutschen Landwirtschaft. Ihnen ist viel
zu wenig bewusst, dass eine ökologisch intakte Land-
schaft nur durch ökonomisch intakte Betriebe erhalten
und weiterentwickelt werden kann. Nur wettbewerbs-
fähige Betriebe können nachhaltig wirtschaften.
Diese Tatsache vergessen Sie. Sie haben kein Gespür für
die Realität.
Mit dem stetigen Aushöhlen der Wettbewerbskraft im
Vergleich zu den anderen EU-Staaten vernichtet die Bun-
desregierung in großem Umfang Bauernhöfe und Arbeits-
plätze im ländlichen Raum. Was die deutschen Bauern
brauchen, sind endlich faire Wettbewerbsbedingungen.
Die Bundesregierung muss endlich erkennen, dass das
weithin anerkannte Ziel eines attraktiven ländlichen
Raumes nur mit und nicht gegen die Landwirtschaft zu er-
reichen ist.
Angesichts der im vergangenen Wirtschaftsjahr zu ver-
zeichnenden Einkommenseinbrüche von durchschnittlich
13 Prozent und des von Eurostat, dem statistischen Amt
der EU, geschätzten Rückgangs der Einkommen der deut-
schen Landwirtschaft im Jahr 2002 mit minus 18 Prozent
– das ist übrigens der vorletzte Platz bei den landwirt-
schaftlichen Einkommen innerhalb der 15 EU-Staaten –
ist die Modulation ein politischer Fehlgriff ersten Ranges.
Sie bewirkt nämlich weitere Einkommenskürzungen,
verstärkt die ohnehin herrschende Verunsicherung der
Landwirte und reduziert die Investitionstätigkeit weiter,
was letzten Endes die Investitionskraft des ländlichen
Raumes nachhaltig schwächt. Sie sind nicht nur gegen die
Landwirtschaft, sondern Sie vernachlässigen auch die
ländlichen Räume ganz massiv.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Staatsminister Josef Miller
Die Modulation verschiebt Mittel von den direkt ein-
kommenswirksamen Zahlungen der ersten Säule in Be-
reiche, von denen viele durch die Kürzung betroffene
Landwirte nicht profitieren, weil die Gelder in ganz an-
dere Verwendungszwecke umgeleitet werden.
Die Bundesregierung verstärkt weiter die von ihr schon
in der letzten Legislaturperiode eingeführten Belastun-
gen. Zusätzlich plant sie einschneidende Verschlechterun-
gen im steuerlichen Bereich. Diese Politik der gezielten
Benachteiligung im europäischen Wettbewerb schwächt
die Landwirtschaft in einer Zeit, in der sie eigentlich ge-
stärkt werden müsste, um mit ihren hohen Kosten und ho-
hen Standards im internationalen Vergleich wettbewerbs-
fähig bleiben zu können. Sie stärken die Landwirtschaft
nicht, sondern schwächen sie ganz massiv mit diesen
Maßnahmen im internationalen Wettbewerb. Das kann an
den Märkten nicht erwirtschaftet werden.
Drittens. Weil eine zusätzliche finanzielle Basis für die
Umsetzung fehlt, geht die Modulation zulasten wichtiger
Agrarstrukturmaßnahmen. Frau Künast, Sie haben das
Modulationsmodell stets mit dem Argument angepriesen,
durch die nationale Kofinanzierung und durch die zusätz-
lich für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ bereitgestellten
Mittel fließe unter dem Strich mehr Geld in die Landwirt-
schaft und den ländlichen Raum. Was ist aber das Ergebnis?
Die verfügbaren Haushaltsmittel werden um mindestens
100 Millionen Euro gekürzt. Die Versprechungen, dass
mehr Geld in den ländlichen Raum fließt, werden angesichts
dieser Kürzungen nicht eingehalten. Dies ist vielmehr eine
weitere Wählertäuschung durch die Bundesregierung.
Jetzt zeigt sich, dass vor allem die finanzschwachen
Länder, insbesondere die neuen Länder, von Frau Künast
mit der Modulation in eine ideologische Falle gelockt wer-
den sollen. Die Länder können die Modulationsmittel nur
dann zurückbekommen, wenn sie für die Kofinanzierung
entsprechende Landesmittel bereitstellen. Damit sind sie
nun gezwungen, die Fördermaßnahmen nach der Modula-
tion auszurichten. Viele Länder müssen andere wichtige
Vorhaben zur Weiterentwicklung der Agrarstruktur und
zur Stärkung der Agrarwirtschaft zurückstellen. Sie ver-
hindern damit Investitionen, die in diesen Ländern drin-
gend notwendig sind.
Dabei hätte jedes Bundesland die Möglichkeit,
Agrarumweltmaßnahmen selbst zu konzipieren und anzu-
bieten, wenn die Mehrheit in dem jeweiligen Länderpar-
lament darin einen Schwerpunkt sieht. Insofern stellt sich
die Frage, warum allen Ländern die Zwangsjacke der na-
tionalen Modulation übergestülpt werden soll. Es gibt ei-
nen viel sinnvolleren und einfacheren Weg: Machen Sie
die Kürzung der Haushaltsmittel für die Gemeinschafts-
aufgabe rückgängig und stellen Sie den Ländern diese
Mittel zur Verfügung! Dann können sie Agrarumwelt-
maßnahmen finanzieren, ohne vorher den Bauern die Ein-
kommen zu kürzen. So einfach ist das.
Sie tun jetzt so, als ob die Fördergrundsätze eine Er-
findung von Ihnen seien. Die meisten davon setzen viele
Länder wie zum Beispiel Bayern, Baden-Württemberg,
Thüringen und Sachsen seit vielen Jahren um. Die Bun-
desregierung hat sie nur abgeschrieben. Wir brauchen
kein derart kompliziertes und hinsichtlich seiner Anlas-
tung sehr riskantes Instrument. Es hat doch gute Gründe,
warum die Modulation heute in Europa in keinem ande-
ren Land – außer im Vereinigten Königreich – durchge-
führt wird. Die Franzosen haben sie wieder rückgängig
gemacht. Deutschland ist neben Großbritannien, das eine
ganz andere Landwirtschaft hat, das einzige Land in Eu-
ropa, das jetzt eine Modulation einführt.
Viertens. Die Modulation verursacht einen unverhält-
nismäßig hohen Verwaltungsaufwand und ist gegenüber
den Steuerzahlern nicht zu vertreten. In Bayern würden
durch die Modulation 4 Millionen Euro freigesetzt. Es
müsste aber 1 Million Euro für den Verwaltungsaufwand
ausgegeben werden. In Baden-Württemberg ist das Ertrag-
Aufwand-Verhältnis mit 2 : 1,4 noch ungünstiger. Im Saar-
land wird wesentlich mehr Geld für das Erheben der Mo-
dulationsgelder aufgewandt, als dadurch hereinkommt.
Die Länder werden mit diesem Gesetz in einen unver-
hältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand gezwungen.
Bauern und Agrarverwaltung brauchen aber nicht noch
mehr, sondern endlich weniger Bürokratie.
Die Bundesregierung kündigt Bürokratieabbau an, han-
delt aber entgegengesetzt. Sie schafft nicht weniger, son-
dern ständig mehr Bürokratie. Sie verantworten uneffi-
ziente Maßnahmen, die die Verwaltungen nur belasten, in
der Sache nichts bringen und die Bauern schädigen.
Schon jetzt zeigt sich, dass bei der Umsetzung des
Modulationsgesetzes enorme Schwierigkeiten im Verwal-
tungs- und Haushaltsvollzug zu erwarten sind und zusätz-
liche Anlastungsrisiken auf uns zukommen. Die Bundes-
regierung tut sich aber leicht; sie wälzt das schlichtweg
auf die Länder ab. Hinzu kommt, dass die Notifizierung
in Brüssel sechs Monate beträgt. Damit steht fest, dass
den Bauern nächstes Jahr das Geld gekürzt wird und das
Geld erst ein Jahr später ausgezahlt werden kann.
Der Bund erschließt sich so – nichts anderes ist es – eine
neue Einkommensquelle zulasten der Bauern
und holt in den SPD- und rot-grün-regierten Ländern das
nach, was in den unionsregierten Ländern längst gemacht
wird.
1346
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1347
Fünftens. Die deutsche Modulation greift der derzeiti-
gen intensiven Diskussion zur Weiterentwicklung der
europäischen Agrarpolitik unnötig vor. Sie müssten von
Fischler eigentlich lernen: Fischler ist dazu übergegan-
gen, die Modulation der EU zurückzustellen. Er räumt ihr
keine Priorität mehr ein. Interessant ist auch, dass mit den
jüngsten Beschlüssen in Kopenhagen den Beitrittsländern
die Umschichtung aus der zweiten Säule in die erste Säule
erlaubt, also eine Umkehrung der Modulation vorgenom-
men wurde.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich bitte
Sie, dieses Modulationsgesetz in der Form, wie es der
Bund vorgelegt hat, das den Landwirten und Verwaltun-
gen schadet und unseren Steuerzahlern nichts bringt, ab-
zulehnen und unserem Vorschlag zuzustimmen. Eine Ver-
besserung der Umwelt und der artgerechten Tierhaltung
kann mit dem bestehenden Instrumentarium viel einfa-
cher, unbürokratischer und praxisorientierter erreicht
werden – wenn Sie nur bereit sind, Ihren politischen Wil-
len mit entsprechenden Geldmitteln zu unterlegen. Damit
machten Sie deutlich, dass Ihnen Agrarumweltschutz et-
was bedeutet. Ich appelliere als Beauftragter des Bundes-
rates an Sie, für die Gesetzesinitiative des Bundesrates zu
stimmen und damit für die Aufhebung eines ineffizienten,
unnötigen Modulationsgesetzes, das in der Sache total
verfehlt ist und niemandem etwas bringt.
Herzlichen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Waltraud Wolff,
SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich habe nach dieser Rede wirklich den Ein-
druck, dass Bayern weder zu Deutschland gehört noch
hier EU-Agrarpolitik vertritt.
Wie anders ist es zu erklären, dass Herr Staatsminister
Miller völlig außer Acht lässt, was in den letzten zwei Jah-
ren in Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde? Aber
darauf komme ich noch zu sprechen.
Zu zwei Punkten aus Ihrer Rede: Sie haben gesagt, die
Modulation sei ökologisch fragwürdig. Was der PLA-
NAK-Beschluss vom letzten Freitag auf den Weg ge-
bracht hat, zeigt, so denke ich, dass davon überhaupt keine
Rede sein kann.
Daneben sind Sie auf das große Höfesterben einge-
gangen. Wir haben in der letzten Legislaturperiode im
Rahmen der Neuorganisation der landwirtschaftlichen
Sozialversicherung über das Höfesterben gesprochen.
Wissen Sie, wann das große Höfesterben stattgefunden
hat? In der Zeit der CDU/CSU-Regierung hat das große
Höfesterben stattgefunden.
Nun zum Modulationsgesetz. Ich habe vor 14 Tagen
im Rahmen der Haushaltsberatungen schon wiederholt
versucht, die Opposition dazu zu bewegen, diesen Ge-
setzentwurf des Bundesrates abzulehnen. Der heute vor-
liegende Antrag der FDP zeigt, dass die Argumente we-
der aufgenommen noch begriffen wurden. Doch dazu
später.
Bund und Länder waren sich einig, mit der Umschich-
tung von Gemeinschaftsmitteln aus dem Marktbereich in
die Förderung von Maßnahmen im ländlichen Raum die
zweite Säule der gemeinsamen Agrarpolitik zu stärken.
Wir wollten damit einen ganz wichtigen Impuls für die
Weiterentwicklung der umweltverträglichen und nachhal-
tigen Landwirtschaft geben.
Genau aus diesem Grund ist es falsch, das Modulations-
gesetz aufzuheben.
Lassen Sie es mich noch einmal erklären.
Die Einführung der Modulation mit der Prämienkür-
zung von jährlich 2 Prozent – das möchte ich noch einmal
festhalten – oberhalb des Freibetrages von 10 000 Euro je
Betrieb bedeutet erstens einen ganz vernünftigen, zwei-
tens einen sozial sehr verträglichen und drittens auch ei-
nen moderaten Einstieg in die Modulation.
Die Umschichtung der eingesparten Mittel in die zweite
Säule der gemeinsamen Agrarpolitik ist nicht nur WTO-
konform, sondern schafft auch neue Chancen für die länd-
lichen Räume, für die Förderung nachhaltiger und um-
weltverträglicher Landwirtschaft.
Es geht hier um äußerst geringe Geldeinbußen. Wenn
wir von 2 Prozent sprechen, kann man ja auch einmal eine
Zahl nennen. Wenn wir bei einem Hof von 30 000 Euro
ausgehen, betragen die Einbußen 600 Euro. Ich denke, da-
ran geht wirklich kein Hof kaputt.
Diese 600 Euro, die von den Direktzahlungen abgezogen
werden, haben aber einen großen Effekt, weil dadurch
Staatsminister Josef Miller
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Waltraud Wolff
sehr viel mehr Mittel vor allem für Agrarumweltmaßnah-
men zur Verfügung stehen.
Meine Damen und Herren, der PLANAK-Beschluss
vom letzten Freitag zeigt doch ganz deutlich, wohin die
Reise geht. Ich will nur einige der Fördermaßnahmen
nennen: die Erweiterung der Fruchtfolge, die Anlage von
Blühflächen, die Förderung ganz besonders umweltver-
träglicher Mulchsaat und Pflanzverfahren und Maßnah-
men zur artgerechten Tierhaltung.
Endlich leisten wir einen Beitrag zur Entzerrung der ho-
hen Viehbesatzdichten in den Veredelungsgebieten, ohne
an dieser Stelle die Wirtschaftskraft zu schwächen. Das ist
doch ein ganz wichtiger Punkt.
Nun zum vorliegenden Entwurf, meine Damen und
Herren. Ich wiederhole noch einmal, auch für Sie, Herr
Staatsminister Miller: Weder Punkt 1 Ihrer Rede, wonach
die nationale Modulation nur für einen kurzen Zeitraum
zur Anwendung kommen würde, noch Punkt 2, in dem
von einem enormen Verwaltungsaufwand die Rede war,
können überzeugen.
Erstens. Die obligatorische Modulation könnte – das
wissen wir, wenn wir uns mit EU-Politik beschäftigen –
auf EU-Ebene erst nach 2006 eingeführt werden. Ich
denke nicht, dass die Zeit von 2002 bis 2006 ein kurzer
Zeitraum ist.
Zweitens. Durch die Herausnahme der kleinen Beihil-
fen für Hopfen, Saatgut, Kartoffelstärke und Tabak sind
wir bereits zu einem vertretbaren Aufwand in der Büro-
kratie gekommen. Dass die Länder das ähnlich sehen – ich
muss ja jetzt sagen: sahen –, beweist das gemeinsame
Vorgehen.
Ich nenne noch einmal die Beschlüsse.Wir haben am
14. Dezember 2001 im Deutschen Bundestag das Modu-
lationsgesetz beschlossen.
Der Vermittlungsausschuss hat am 20. März 2002 be-
schlossen und eine gute Möglichkeit für ein gemeinsames
Vorgehen von Bundesländern und Bundestag gefunden.
Für Sie, Herr Goldmann, noch einmal zum Mitschreiben,
weil Sie es im Ausschuss jüngst angezweifelt haben.
Frau Kollegin Wolff, Sie müssen zum Schluss kom-
men.
Mein letzter Satz: Am 22. März sind wir gemeinsam
mit den Bundesländern zu einem Beschluss gekommen,
der allen Bundesländern entgegenkam. Bitte beachten Sie
auch die PLANAK-Beschlüsse der letzten Woche. Ich
kann nur noch einmal an Sie als Opposition appellieren,
für die positive Perspektive der gemeinsamen EU-Agrar-
politik Einsicht zu zeigen.
Danke schön.
Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Ostendorff,
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich bin
noch einigermaßen neu hier in Berlin, aber das, was Sie,
Herr Minister Miller, und mit Ihnen all jene im Bundes-
rat, die erst die Modulation gefordert haben und sie jetzt
wieder verhindern wollen, den Bäuerinnen und Bauern an
Planungsunsicherheit zumuten, überrascht mich als Bau-
ern doch sehr.
Kurz nach Beginn der großen BSE-Krise haben Sie,
Herr Miller, in Ihrer Regierungserklärung zur Weiter-
entwicklung der Agrarpolitik am 14. März 2001 in Mün-
chen Folgendes erklärt:
Nach EU-Recht ist schon seit dem Jahr 2000 ... die
so genannte Modulation möglich, das heißt die Ab-
schöpfung von Zahlungen an Großbetriebe zuguns-
ten von Umwelt- und ökologischen Leistungen ...
Genau das aber hat Rot-Grün in Deutschland nicht
umgesetzt.
Dann haben Sie gefragt:
Was hindert eigentlich die Bundeslandwirtschafts-
ministerin? Es ist doch höchste Zeit, eine Differen-
zierung als wesentlichen Bestandteil des derzeitigen
Prämiensystems auch in Deutschland einzuführen.
Wie wahr! Wie wahr!
Nun gibt es genau dieses Gesetz, das Sie, Herr Miller,
damals in den Zeiten der Krise so vehement gefordert ha-
ben, und nun wollen Sie es kippen. Mit berechenbarer Po-
litik für die Bäuerinnen und Bauern hat das aus meiner
Sicht und aus der Sicht von Rot-Grün nicht sehr viel zu
tun.
Es mag aber auch sein, Herr Miller, dass das Politik frei
nach dem westfälischen Motto ist: Kräht der Hahn auf
dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt, wie es ist.
Wir Grünen haben in der für die Landwirtschaft
schwierigsten Krise der letzten Jahrzehnte gesagt, dass
wir die Agrarwende wollen. Wir wollen das dafür Not-
wendige tun. Dazu stehen wir. Wir setzen das Schritt für
Schritt um. Das ist ein langer Weg, aber zu ihm gibt es für
die Bäuerinnen und Bauern wie für die Verbraucherinnen
und Verbraucher keine echte Alternative.
Worum geht es, liebe Kolleginnen und Kollegen? Es
geht hier im Kern um die Frage: Wollen wir der Land-
wirtschaft das Signal geben, wie es insbesondere Bayern
und Rheinland-Pfalz heute schon tun, dass die Leistun-
gen der Betriebe zum Erhalt der Kulturlandschaften,
besonders in den benachteiligten Gebieten, beim Boden-
und Grundwasserschutz, beim Naturschutz und bei den
tiergerechten Haltungsformen in Zukunft ordentlich ho-
noriert werden?
– Peter Harry Carstensen, dich nehme ich gleich dran. Ich
nenne Nordrhein-Westfalen beispielhaft, es ist in vielen
Dingen mit Bayern im Gleichschritt.
Wir wollen bei den tiergerechten Haltungsformen wei-
terkommen, das heißt, die Tiere sollen auf Stroh gehalten
werden, die Hühner sollen aus den Käfigen und die Kühe
auf die Weide kommen. Wollen wir, dass diese Leistungen
in Zukunft ordentlich honoriert werden oder soll mit dem
Geld weiterhin der Anreiz gegeben werden, ohne Rück-
sicht auf ökologische Belange und unter Wegrationalisie-
rung von Arbeitsplätzen Getreide, Raps oder Rindfleisch
zu erzeugen, unabhängig davon, ob es gebraucht wird
oder nicht? Sollen sich die Landwirte nur an den Direkt-
zahlungen aus Brüssel orientieren?
Die Gesellschaft erwartet von zukunftsfähiger Land-
wirtschaft, dass die Gelder für die Landwirtschaft für
mehr Ökologie und für mehr Arbeitsplätze im ländlichen
Raum verwendet werden.
Dies liegt auch und besonders im Interesse der Bäuerin-
nen und Bauern. Unsere Aufgabe ist es, dies umzusetzen.
Die heutige Situation ist Folgende: Das bisherige Sys-
tem der Direktzahlungen der EU führt dazu, dass eine
kleine Zahl von Betrieben den Großteil der Gelder unter
sich aufteilt. EU-weit erhalten 20 Prozent der Betriebe 80
Prozent der Direktzahlungen. 70 Prozent der Betriebe – in
Bayern, Rheinland-Pfalz und auch in Baden-Württem-
berg sind es sogar über 80 Prozent – erhalten weniger als
10 000 Euro. Deshalb führen wir bei der Modulation den
Freibetrag von 10 000 Euro ein. Erst darüber hinaus kür-
zen wir die Direktzahlungen für Getreide und Rinder um
2 Prozent – also erst über dem Freibetrag in Höhe von
10 000 Euro. In Bayern betrifft dies nur 20 Prozent der Be-
triebe.
In Deutschland kennen wir allerdings auch rationali-
sierte Ackerbaubetriebe, die umgerechnet auf die be-
schäftigten Arbeitskräfte im Betrieb bis zu 100 000 Euro
und mehr pro Arbeitskraft erhalten – und dies Jahr für
Jahr. Das ist völlig legal.
Diese Betriebe nutzen lediglich die Regelungen konse-
quent aus. Dies kann ihnen niemand vorwerfen.
Deshalb müssen wir uns heute fragen: Geben wir mit
unserer Agrarpolitik noch die richtigen Anreize? Meine
Damen und Herren, wir müssen umsteuern. Dies steht
außer Frage. Diese Zahlen sind der Öffentlichkeit nicht
mehr zu erklären. Auch innerhalb der Landwirtschaft
führen sie zu großen Ungerechtigkeiten.
Eines sei noch bemerkt: Gehen wir diesen Weg nicht,
dann droht uns, dass wir spätestens in den WTO-Verhand-
lungen gezwungen werden, die Gelder schlicht zu kürzen,
weil Prämien, die auch Produktionsanreize bringen, nicht
mehr akzeptiert werden. Sie wären damit für die Land-
wirtschaft verloren. Verlierer werden dann die Bäuerinnen
und Bauern sein, die sich noch die Arbeit machen, Hecken
auf den Stock zu setzen, um Bäume im Feld herum zu pflü-
gen, statt sie zu roden, Kühe mit Heu zu füttern oder
Schweine auf Stroh statt auf Betonspalten zu halten.
Um weiter umzusteuern, brauchen wir die circa 80 Mil-
lionen Euro aus der Modulation. Ohne dieses Geld ist für
die Wende sehr wenig Spielraum. Mit der Modulation
aber halten wir diese 80 Millionen Euro in der Landwirt-
schaft. Dies ist ganz entscheidend.
In der zuständigen Konferenz der Bundesländer – PLANAK
genannt – besteht große Einigkeit zwischen fast allen
Bundesländern über die Ausgestaltung dieses Weges.
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf den angeblich
immensen Verwaltungsaufwand zu sprechen kommen,
der von den Gegnern der Modulation so gern ins Feld ge-
führt wird. Herr Miller, ich vermag das, was Sie sagen,
überhaupt nicht nachzuvollziehen. Wenn meiner Frau und
mir auf unserem 70-Hektar-Betrieb heute per GPS-Satel-
litensystem eine Flächenabweichung von 22 Quadratme-
tern nachgewiesen werden kann, muss es doch – auch in
Bayern – möglich sein, die Prämienhöhe eines Betriebes
zusammenzurechnen. Jeder Betrieb ist doch heute ko-
diert. Die zuständige Zahlstelle hat die Prämienhöhe jedes
einzelnen Betriebes vorliegen. Und da soll es viele Milli-
onen Euro kosten, den Computer dazu zu bringen, bei ei-
nem Viertel der Betriebe, in Bayern bei einem Fünftel der
Betriebe – denn nur so viele sind hier betroffen –, von den
Ergebnissen 2 Prozent abzuziehen? So viel zum Bürokra-
tieaufwand.
Friedrich Ostendorff
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Friedrich Ostendorff
Herr Kollege, ich darf Sie dezent an Ihre Redezeit er-
innern.
Ich komme zum Schluss. Ich bin ja noch neu, wie ich
am Anfang bemerkt habe.
Ich habe den Eindruck, Frau Präsidentin, dass die Geg-
ner selbst kleiner Schritte wie der Modulation, über die
wir heute entscheiden, diese Zusammenhänge sehr genau
kennen. Weil sie aber das langfristige und nachhaltige
Umsteuern verhindern wollen, wollen sie jeden einzelnen
Schritt auf diesem Weg blockieren – und dies ausgerech-
net unter der Führung von Bayern, was ich nun überhaupt
nicht verstehen kann!
Wir wollen die Modulation und lehnen deshalb den
vom Bundesrat vorgelegten Gesetzentwurf zur Aufhe-
bung des Modulationsgesetzes ab.
Vielen Dank.
Herr Kollege Ostendorff, ich gratuliere Ihnen recht
herzlich zu Ihrer ersten Rede hier in diesem Hohen Hause
und wünsche Ihnen für Ihre politische und persönliche
Zukunft alles Gute.
Nächster Redner ist der Kollege Michael Goldmann,
FDP-Fraktion.
– Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht können wir
dem Kollegen Goldmann jetzt die Chance geben, mit sei-
ner Rede zu beginnen.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Ostendorff, wenn etwas Vernünftiges auf
den Weg gebracht wird – da können Sie ganz sicher
sein –, sind wir Liberale dabei. Wenn etwas Vernünftiges
für den ländlichen Raum gemacht wird, wenn etwas Ver-
nünftiges für unsere wettbewerbsorientierten Bauern ge-
macht wird, haben Sie uns an Ihrer Seite.
Nur, Herr Kollege Ostendorff, liebe Kolleginnen und
Kollegen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Staats-
minister Miller hat nun wirklich sehr eindeutig, nach-
weisbar und belegbar aufgezeigt, dass das von Ihnen auf
den Weg gebrachte Modulationsgesetz schlicht und er-
greifend ungeeignet ist.
Herr Ostendorff, die Angelegenheit ist nicht damit aus
der Welt geschafft, dass man sagt: Mein Betrieb ist codiert
und wird vom UPS-System erfasst. Wenn Sie in das Ge-
setz hineinschauen – ich denke, das haben Sie getan –,
dann werden Sie feststellen, dass der bürokratische Auf-
wand hoch ist, dass die Übergangsregelungen sehr teuer
sind und dass der Zeitplan völlig unklar ist.
Sie haben vorhin das schöne Beispiel im Hinblick auf
den PLANAK genannt. Wenn das Gesetz im Bundesrat
nicht zunächst einmal gestoppt worden wäre, dann hätten
wir überhaupt keine Unterlagen zu diesem Gesetz gehabt;
denn die Unterlage des PLANAK ist uns erst nach der
Ausschusssitzung am vorgestrigen Mittwoch zugestellt
worden.
Zu einem am Mittwoch behandelten Tagesordnungspunkt
gab es keine Vorlage aus dem Ministerium.
Vor diesem Hintergrund muss man ganz klar sagen:
Die Dinge, die Sie hier auf den Weg bringen wollen, sind,
was ihre Vorbereitung angeht, völlig unzulänglich. Von
der Effektivität, die Sie zum Ausdruck gebracht haben,
kann keine Rede sein. Sie behaupten, dass man bestimmte
Dinge ändern muss. Dazu kann ich nur sagen: Wir sind
selbstverständlich dazu bereit, diese Dinge zu ändern.
Viele Bundesländer haben diese Änderungen schon in
Angriff genommen. Der eigenverantwortliche Weg, den
diese Bundesländer gehen, ist besser und effektiver.
Außerdem entspricht dieser Weg unserem Staatsaufbau.
Ich wehre mich schlicht und ergreifend dagegen, dass
„Windpuper“ aus der „Reichshauptstadt“ kommen und
sagen, was für Niedersachsen, für das Emsland oder für
Nordrhein-Westfalen gut ist.
Das wissen die Menschen vor Ort selbst besser. Sie kön-
nen mit den ökologischen Herausforderungen – Stichwort
Nachhaltigkeit – umgehen.
Herr Ostendorff, auch wenn das Ihre erste Rede war,
will ich Ihnen Folgendes sagen: Es ist absolut nicht in
Ordnung, dass Sie hier behauptet haben – ich werde das
im Protokoll nachlesen –, dass Bauern bisher ohne Rück-
sicht auf ökologische Belange produziert haben. Dass Sie
Ökobauer sind, ist Ihr sehr gutes Recht. Ich habe dafür
volles Verständnis und Sie haben meine Unterstützung.
– Das haben Sie genau so gesagt. – Die konventionelle
Landwirtschaft hat ökologische Belange bisher sehr wohl
berücksichtigt. Da liegen Sie schlicht und ergreifend
falsch.
1350
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1351
Unser Vorgehen sollte darauf abzielen, die Qualität die-
ses Ministeriums zu verbessern. Es hat sich mittlerweile
zu einem „Verbraucherverunsicherungsministerium“ ent-
wickelt.
Ich will Ihnen das an einem Beispiel erläutern, das uns
im Moment bedrückt. Wir diskutieren im Ausschuss über
Acrylamid.Wir stehen vor der Bewältigung einer großen
Die
Verpackung von Babynahrung muss so gekennzeichnet
sein, dass jeder weiß, wie viel Acrylamid in dem Produkt
enthalten ist. Wissenschaftler sagen: Eine solche Kenn-
zeichnung ist völlig absurd und bringt überhaupt nichts.
Daraufhin teilt die Ministerin mit: Auch ich bin nicht
dafür, dass die Verpackung von Babynahrung so gekenn-
zeichnet ist, dass klar ist, wie viel Acrylamid in dem Pro-
dukt enthalten ist. Der Verbraucher stellt sich die Frage:
Was gilt denn nun?
Was ich meine, will ich Ihnen noch an einem anderen
Beispiel ganz kurz deutlich machen. Es geht um Nitrofu-
ran. Ich halte es für einen Skandal, dass brasilianisches
Geflügelfleisch den deutschen Markt überflutet. Die
Menge von brasilianischem Geflügelfleisch auf dem
deutschen Markt ist von 5 000 Tonnen auf 200 000 Ton-
nen angestiegen.
Herr Kollege Goldmann, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Der deutsche Zoll sorgt sogar noch dafür, dass der Im-
port von nitrofuranbelastetem Fleisch nicht behindert
wird. Die Ministerin schaut diesen Vorgängen untätig zu.
An den parlamentarischen Erörterungen dieses Themas
nimmt sie nicht teil. In dieser Frage lässt sie uns im
Grunde genommen so allein, wie sie die Verbraucherin-
nen und Verbraucher in Deutschland auch sonst allein
lässt. Das ist ein Skandal!
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Gerald
Thalheim, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Herr Staatsminister Miller, als Sie hier Ihre Rede
gehalten haben, habe ich versucht, mir vorzustellen, dass
die Wahl am 22. September anders ausgegangen und
Edmund Stoiber Kanzler geworden wäre. Wenn Edmund
Stoiber für die Osterweiterung so erfolgreich wie Bun-
deskanzler Gerhard Schröder verhandelt hätte, dann hät-
ten Sie Ihre Rede mit viel Lob für Bundeskanzler Edmund
Stoiber begonnen. Ich vermute, Sie hätten sogar eine Wo-
che schulfrei in Bayern gefordert oder Sie hätten den
13. Dezember als „Tag der erfolgreichen Verhandlungen“
zum Feiertag in Bayern erklärt.
Ich vermute auch, Sie hätten darüber hinaus besonders
hervorgehoben, wie erfolgreich sich der Bundeskanzler
mit Präsident Chirac über die Finanzierung der gemein-
samen Agrarpolitik geeinigt hat. Um sich das vorzustel-
len, muss man die Fantasie aber besonders anstrengen.
Denn Ministerpräsident Stoiber hat immer – das wäre das
Problem gewesen – eine Kofinanzierung gefordert. Mit
den Franzosen über eine Kofinanzierung zu reden wäre
jedoch so, als wollte man den Eiffelturm schwarz-rot-gold
anstreichen.
Es wäre also nicht zu einer Einigung gekommen.
Wir fordern weder einen Feiertag noch schulfrei. Aber
wir müssen würdigen, wie wichtig die Einigung über die
Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik war. Sie hat
den Stolperstein für die Osterweiterung aus dem Weg
geräumt und sie lag im Interesse Deutschlands und der
deutschen Bauern.
Deswegen möchte ich – das ist mir besonders wich-
tig – die Kritik von Frau Merkel, die sie gestern hier vor-
gebracht hat, zurückweisen. Sie behaupten immer, dass
die Bauern viel Steuern zahlen müssten. Ich habe in den
ganzen Jahren keinen Bauern kennen gelernt, der für die
Osterweiterung mehr Steuern zahlen müsste. Mit dem Fi-
nanzkompromiss ist Verlässlichkeit für die Landwirt-
schaft geschaffen worden. Das ist am Ende im Interesse
der deutschen Bauern.
Zurück zu Ihnen, Herr Miller. Was hätten Sie weiter ge-
fordert, wenn der Bundeskanzler Stoiber hieße? – Sie hät-
ten sicher mehr Liberalisierung gefordert, weil Sie wis-
sen, wie wichtig am Ende die nächste Welthandelsrunde
ist. Dies hätten Sie nicht nur mit Blick auf den Koali-
tionspartner verlangt, sondern vielleicht auch mit Blick
auf die bayerischen Bauern und die bayerischen Interes-
sen. Denn gerade Bayern dürfte von offenen Märkten pro-
fitieren, wenn man sich anschaut, in welchem Umfang an-
gesichts eines Selbstversorgungsgrads von 180 Prozent
bei Milch und von 220 Prozent bei Rindfleisch Agrar-
erzeugnisse aus dem Freistaat exportiert werden.
Gerade der Freistaat profitiert also von offenen Grenzen.
Demzufolge muss man sich den Konsequenzen stellen
und eine solche Politik mit Reformen bei der gemeinsa-
men Agrarpolitik flankieren.
Herr Miller, Sie hätten vermutlich um Verständnis
dafür geworben, dass auch im Agrarhaushalt Kürzungen
notwendig sind. Denn ich gehe davon aus, dass gerade Sie
als CSU-Minister noch gut in Erinnerung haben, mit
welch umfangreicher Erhöhung der Staatsverschuldung
Hans-Michael Goldmann
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Dr. Gerald Thalheim
Theo Waigel die deutsche Einheit finanziert hat, und dass
es deswegen gerade für Sie nach wie vor eine wichtige
Aufgabe wäre, die Staatsverschuldung zurückzuführen
und diese falsche Politik auch mit den entsprechenden
Konsequenzen für die Landwirtschaft zu korrigieren.
Herr Miller, Sie hätten bei einem Bundeskanzler
Stoiber, mutmaße ich, die Modulation zwar nicht leiden-
schaftlich verteidigt, aber die Kritik wäre wesentlich lei-
ser ausgefallen. Sie müssen sich klar machen, was 2 Pro-
zent Modulation bedeuten, wobei es am Ende eines
Jahres Unterschiede gibt, gerade was die Auszahlung der
Flächenbeihilfen bei Getreide – Grundflächenüber-
schreitung – angeht. 2 Prozent Modulation hätten den Un-
tergang der deutschen Landwirtschaft zur Folge.
Zur Problematik des Vorwurfes von zu viel Bürokratie.
Herr Miller, die Bürokratie ist erst durch den Freibetrag
pro Betrieb in das Gesetz gekommen. Ohne diesen Frei-
betrag, der eine zentrale Forderung Bayerns war, wäre es
nicht zu dieser zusätzlichen Bürokratie gekommen.
Herr Kollege Thalheim, gestatten Sie eine Zwi-
schenfrage des Kollegen Carstensen?
Nein, ich wüsste nicht, wie diese Nachfrage den Vor-
gang noch erhellen könnte.
Denn die Argumente zur Modulation sind ausgetauscht.
Meine Kollegin Wolff hat deutlich gemacht, dass man
sich im PLANAK auf eine ganze Reihe von vernünftigen
Vorschlägen verständigt hat.
Insofern ist mit dem Gesetz eine wichtige Grundlage ge-
schaffen worden, um Reformfähigkeit zu dokumentieren
und sie in Deutschland und in der Europäischen Union
voranzutreiben.
Herr Miller, ich komme am Schluss meiner Rede
zurück zur Realität. Wir wissen, Edmund Stoiber ist nicht
Bundeskanzler geworden. Sie brauchten diese fiktive
Rede also hier nicht zu halten. Ich denke, Sie und Ihre
Kolleginnen und Kollegen sind sehr dankbar dafür, dass
sie sich eine solche Rede nicht anhören mussten. Aber
trotzdem die Bitte: Kommen Sie zurück zur Realität! Ver-
lassen Sie an dieser Stelle die weißblaue Traumwelt! Die
Rahmenbedingungen haben sich insbesondere durch die
Uruguay-Runde und die Agenda 2000 verändert. Dem
muss auch die Agrarpolitik Rechnung tragen. Mit dem
Modulationsgesetz haben wir das getan. Ich bin über-
zeugt, dass Sie diesem Weg in der Zukunft folgen werden.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bundes-
rat eingebrachten Gesetzentwurf zur Aufhebung des Ge-
setzes zur Modulation von Direktzahlungen im Rahmen
der gemeinsamen Agrarpolitik und zur Änderung des
GAK-Gesetzes, Drucksache 15/108. Der Ausschuss für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft emp-
fiehlt auf Drucksache 15/225, den Gesetzentwurf ab-
zulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstim-
men? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter
Beratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP ab-
gelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung
die weitere Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/233.
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegen-
probe! – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist
mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der
FDP und der CDU/CSU abgelehnt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Jörg
van Essen, Rainer Funke, Otto Fricke, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion der FDP einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zum verbes-
serten Schutz des Eigentums
– Drucksache 15/63 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner in der De-
batte ist der Kollege Jörg van Essen, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin Dr. Kastner! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Das Thema Graffiti und ihre Bekämpfung ha-
ben wir schon in der letzten Legislaturperiode bei vielen
verschiedenen Gelegenheiten diskutiert. Wir als FDP sind
ganz außerordentlich unzufrieden damit, dass wir immer
noch nicht vorangekommen sind.
Dass diese Unzufriedenheit nicht nur bei der FDP-
Bundestagsfraktion vorhanden ist, sondern ganz offen-
sichtlich auch bei den Ländern, ersehen Sie daran, dass
heute zeitgleich im Bundesrat ein Gesetzentwurf von
1352
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1353
fünf Bundesländern mit dem gleichen Ziel eingebracht
worden ist.
Graffiti sind manchmal Kunst.
Das sieht man an Keith Haring, das sieht man an Harald
Naegeli, die ich beide als Künstler ganz außerordentlich
schätze.
Aber das, was wir an unseren Brücken, das, was wir an öf-
fentlichen Gebäuden,
das, was wir an unseren Zügen sehen,
das ist schlicht Umweltverschmutzung, das ist Beein-
trächtigung des Eigentums und das ist nicht zu akzeptie-
ren.
Beispielsweise der Städte- und Gemeindebund schätzt
die Kosten für die Beseitigung von Graffiti allein an öf-
fentlichem Eigentum auf 200 bis 250 Millionen Euro pro
Jahr. Das zeigt, wie hoch die Kosten sind. Auch bei der
Bahn entstehen für die Beseitigung jeweils unglaubliche
Kosten. Diese sind vom Steuerzahler und damit von uns
allen zu tragen.
Das, was hier behauptet wird, dass nämlich der bis-
herige strafrechtliche Schutz ausreicht, trifft ja nicht wirk-
lich zu.
Ich komme selbst aus der Strafverfolgung. Häufig müssen
Gutachten eingeholt werden,
weil beispielsweise die Frage der Substanzverletzung,
die nach dem Strafgesetzbuch Voraussetzung für die
Sachbeschädigung ist,
nachgeprüft werden muss. Damit entstehen noch einmal
zusätzliche Kosten für die Öffentlichkeit; denn viele die-
ser Täter sind ja gar nicht in der Lage, beispielsweise die
entsprechenden Kosten des Gerichts zu tragen.
Auch das muss vom Steuerzahler bezahlt werden.
Weil der Begriff des Verunstaltens im Strafgesetzbuch
schon enthalten
und damit überhaupt nichts Neues ist, Herr Kollege
Ströbele, wollen wir mit einer vernünftigen Neuregelung
im Strafgesetzbuch denen in der Strafverfolgung, die die-
sem Unwesen einen entsprechenden Riegel vorschieben
wollen, eine einfach handhabbare gesetzliche Grundlage
geben. Das ist das Ziel unseres Antrages.
Wir werden darauf dringen, dass wir diesmal voran-
kommen. Ich befürchte zwar, dass wir heute bei der ersten
Lesung wieder die bekannten Argumente hören werden.
Aber ich meine, dass insbesondere durch die Initiative des
Bundesrates sichergestellt ist, dass wir diesmal ein Stück
vorankommen.
Wir haben es bei ähnlichen Initiativen der CDU/CSU
erlebt, dass die neue Bundesjustizministerin offensicht-
lich in neuen Kategorien denkt. Ich hoffe, dass sie das
auch in dieser Frage tut.
Wer beispielsweise mit dem Zug durch das Ruhrgebiet
fährt und an den vielen öffentlichen Brücken vorbei-
kommt, die in geradezu unerträglicher Weise beschmiert
worden sind, wird sich darüber freuen, wenn wir strenger
dagegen vorgehen und damit für eine Umwelt sorgen, die
wieder sehenswert ist. Künstler wie Harald Naegeli oder
Keith Haring würden ihren Weg auch ohne Sachbeschä-
digung gehen. Dessen bin ich mir sicher.
Herzlichen Dank.
– So wirklichkeitsfremd sind Sie. Das nehme ich Ihnen
fast ab.
Jörg van Essen
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Hermann Bachmaier
Das entscheidende Problem ist doch – das wissen Sie
genauso gut wie wir –, dass man der Täter in aller Regel
nicht habhaft werden kann. Schon deshalb wird sich das
Katz-und-Maus-Spiel zwischen Strafverfolgern und den-
jenigen, die offensichtlich eine unstillbare Freude daran
haben, Mauern, Wände, Brücken, Straßen und Eisen-
bahnwaggons zu bemalen, zu beschmieren und zu be-
sprühen, fortsetzen.
Wir haben es doch nicht mit einem ins Auge springen-
den Defizit unseres materiellen Strafrechts zu tun,
sondern damit, dass sich die Graffitisprüher nach wie vor
mit bisweilen großem Geschick der Strafverfolgung ent-
ziehen können.
Wenn wir den Straftatbestand der Sachbeschädigung über
die so genannte Substanzverletzung hinaus erweitern,
wird dies an dem Graffitiübel herzlich wenig ändern. Das
muss der Ehrlichkeit halber festgestellt werden.
Meine Damen und Herren, ein symbolisches Straf-
recht, das in der Sache wenig bewirkt, ist nicht dazu an-
getan, die von der Öffentlichkeit mit Recht erwartete
Handlungskompetenz des Staates unter Beweis zu stel-
len.
Wenn wir dennoch meinen, eine kleine Lücke im Straftat-
bestand der Sachbeschädigung beseitigen zu müssen,
dann sollten wir das wenigstens mit den dafür geeigneten
Mitteln versuchen. Am allerwenigsten geeignet ist es, in
den Straftatbestand der Sachbeschädigung den schillern-
den Begriff der Verunstaltung aufzunehmen.
Für viele Richter, Staatsanwälte und Polizisten wäre es
ein Horror, wenn sie sich in Zukunft bei Strafverhandlun-
gen auch noch damit herumschlagen müssten, ob eine
Graffitisprüherei verunstaltender Natur ist oder nicht.
Wenn aber partout die kleine Strafbarkeitslücke in § 3 des
Strafgesetzbuches geschlossen werden soll, dann scheint
uns der vom Bundesrat in Kürze zu erwartende Vorschlag
immer noch der vernünftigere Weg zu sein, obwohl auch
diese Formulierung mit unbestimmten Rechtsbegriffen
gepflastert ist. Danach sollen in Zukunft nicht nur dieje-
nigen wegen Sachbeschädigung bestraft werden können,
die etwas zerstört oder beschädigt haben, sondern auch
diejenigen, die – so heißt es im Gesetzentwurf – das Er-
scheinungsbild einer Sache gegen den Willen des Ei-
gentümers oder sonstig Berechtigten nicht unerheblich
verändern. Dass sich dadurch in der Praxis viel ändert,
wage ich zu bezweifeln.
Statt unser Heil in ständig neuen Erweiterungen der
Straftatbestände zu suchen, wären wir und vor allem die
Bundesländer besser beraten, über im Ansatz durchaus
vorhandene Präventionsstrategien intensiver als bisher
nachzudenken.
Dazu zählt zum Beispiel – die Zeit ist kurz, ich kann nur
einige erwähnen – eine verbesserte Aufklärung vor allem
in Schulen, bei der deutlich gemacht wird, dass auf die
Täter dann, wenn sie erwischt werden, erhebliche Scha-
densersatzforderungen zukommen. Dazu zählen Scha-
densbeseitigungsmaßnahmen im Rahmen des Täter-
Opfer-Ausgleichs. Dazu zählt auch, dass Graffiti-Sprühe-
reien umgehend beseitigt werden, sodass sie im öffentli-
chen Raum keine hohe Bestandskraft haben. Dies sind nur
einige Beispiele. Es ließen sich viele anschließen, mit de-
nen man in der Prävention durchaus Erfolge erzielen kann.
Daneben gibt es erfreulicherweise inzwischen auch bei
der Strafverfolgung erfolgreichere Ansätze als bislang,
zum Beispiel die Registrierung der spezifischen Hand-
schrift der Sprayer und eine aktivere Einbeziehung der
Bevölkerung bei Fahndungsmaßnahmen. Sie wissen, dass
alle Sprayer ein ganz bestimmtes Bild hinterlassen. Wenn
man dieses Identitätsmerkmal erkennt, ist die Strafverfol-
gung wesentlich leichter, als wenn man sie Zufallsprinzi-
pien überlässt.
Strafrecht ist kein Allheilmittel. Wir sollten nicht so
tun, als sei es das.
Wenn wir dennoch bestehende oder vermeintliche Straf-
barkeitslücken beseitigen wollen, sollten wir die ein-
schlägigen Tatbestände daraufhin kontrollieren, ob sie in
der Praxis handhabbar sind, und nicht Steine statt Brot lie-
fern.
– Den machen wir. Ich habe vorhin angedeutet, dass der
Vorschlag des Bundesrates diskussionswürdiger ist als
das, was die FDP in steter Wiederholung aus den vergan-
genen Jahren vorlegt.
Herr Kollege Bachmaier, es gibt den Wunsch des Kol-
legen Bergner nach einer Zwischenfrage.
Bitte sehr, Herr Bergner.
Herr Kollege, ich bin neu im Deutschen Bundestag und
habe die Landespolitik sehr aufmerksam beobachtet.
Was mich ein bisschen wundert, ist der Umstand, dass die
Notwendigkeit einer Strafrechtsänderung unter Kommu-
1354
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1355
nal- und Landespolitikern der SPD ganz anders bewertet
wird, als Sie es tun. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Herr Kollege Bergner, wenn Sie etwas aufmerksamer
zugehört hätten, hätten Sie hören müssen, dass wir den ins
Auge gefassten Antrag des Bundesrates sehr ernsthaft
prüfen, der uns ein besserer Weg als das zu sein scheint,
was mit der ewigen Wiederholung des Verunstaltungsbe-
griffes gemeint ist. Den Begriff der Verunstaltung halten
wir für unselig und nicht weiterführend. Über alles andere
kann man nachdenken.
Dennoch bleibt – ich habe versucht, das auszuführen –,
dass wir mit den Mitteln des Strafrechts bei dem, was wir
gemeinsam verurteilen, nämlich das Überhandnehmen von
Graffitisprayereien, nicht weiterkommen werden. Wir dür-
fen den Menschen nicht vorgaukeln, wir könnten mit den
Mitteln des Strafrechts etwas bewirken und in Wirklichkeit
bewirken wir nichts. Dies sind Scheinmaßnahmen.
Sie lieben ja das symbolische Strafrecht. Sie tun so,
als würden Sie etwas tun. In Wirklichkeit haben Sie nichts
getan und vor allem nichts bewirkt. Das ist doch das Ent-
scheidende.
Aber die Methode, alles ins Strafrecht zu verlagern, um so
die Welt in Ordnung zu bringen, ist eine alte Ideologie der
Konservativen, von der Sie sich langsam verabschieden
sollten.
Vielleicht machen wir uns einmal Gedanken darüber –
das würde ich auch Ihnen empfehlen –, warum so viele Ju-
gendliche das offensichtlich unstillbare Bedürfnis haben,
mit großflächigen und bisweilen sogar monströsen Graf-
fiti in einer für sie nicht immer gerade freundlichen Um-
welt auf sich aufmerksam zu machen. Wir sollten einmal
den gesellschaftlichen Hintergrund von Graffiti diskutie-
ren, wenn wir über Abhilfe reden. Wenn ich nämlich die
Ursache kenne, dann kann ich die Folgen leichter und
sinnvoll bekämpfen.
Herzlichen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Daniela Raab,
CDU/CSU-Fraktion.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen! Dies ist der letzte Sitzungstag des Bundestages in
diesem Jahr. Ich möchte meine Redezeit heute dazu nut-
zen, um deutlich zu machen, dass gerade in den Zeiten, in
denen den Bürgern bei wirklich jeder Gelegenheit das
Geld aus der Tasche gezogen wird,
der Eigentumsschutz besonders wertvoll ist und vom Ge-
setzgeber entsprechend gewürdigt werden muss.
Es ist nicht nur ärgerlich, sondern auch teuer, Graffi-
tischmierereien von Hauswänden oder anderen Flächen
entfernen zu lassen. Es handelt sich hier auch keineswegs
um Bagatelldelikte. Nein, meine Damen und Herren,
Graffitischmierereien sind ein Teil der Alltagskriminalität
und belasten sowohl private Haushalte als auch die öf-
fentlichen Kassen finanziell stark;
denn der volkswirtschaftliche Schaden ist immens. Nach
einer Studie des Deutschen Städtetages kostet die Beseiti-
gung dieses Vandalismus an öffentlichen Verkehrsmit-
teln jährlich 100 Millionen Euro; 60 Millionen Euro müs-
sen Privatleute aufwenden, um ihre Hauswände reinigen
zu lassen; nochmals 40 Millionen Euro kostet den Steuer-
zahler die Reinigung öffentlicher Gebäude.
Die Bemühungen der Bürger und Kommunen, die
Städte attraktiver zu gestalten und Innenstädte aufzuwer-
ten, werden durch Farbschmierereien schlicht konterka-
riert.
Deshalb muss es unser erklärtes Ziel sein, Graffitisprühe-
reien als rechtswidrig und strafbar im Sinne des § 303
Strafgesetzbuch zu qualifizieren.
Wie die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bereits vor
drei Jahren gefordert hat, ist eine Präzisierung der straf-
rechtlichen Sanktionen im Umgang mit Graffitisprayern
unbedingt geboten. Es ist schier ein Affront gegen rechts-
treue Bürger, dass Rot-Grün die Bekämpfung des Graf-
fitiunwesens immer wieder verhindert.
Derartige Verunstaltungen ermuntern Nachahmer; der
Eindruck von Verwahrlosung steigt und die Hemm-
schwelle für andere kriminelle Delikte sinkt.
Um diesen Missstand zu beheben, wollen wir in Kürze
unseren Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbu-
ches, das Graffiti-Bekämpfungsgesetz, erneut zur Diskus-
sion stellen
Dr. Christoph Bergner
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Daniela Raab
und somit nochmals klarstellen, dass solche Schmiere-
reien als Sachbeschädigungen zu betrachten und dem-
entsprechend zu bestrafen sind.
Erst im März dieses Jahres haben wir nun schon zum
fünften Male in diesem Hause über Graffitibekämpfung
beraten. Damals ging es um eine Initiative des Bundesra-
tes, die die gleiche Zielrichtung hatte. Die Bundesregie-
rung hat dabei erneut ihre ablehnende Haltung unter Be-
weis gestellt.
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, der Schutz
des Eigentums ist durch § 303 und § 304 des Strafgesetz-
buches nur lückenhaft abgedeckt. Die Unversehrtheit des
äußeren Erscheinungsbildes einer Sache wird von unse-
rem Strafrecht absolut unzureichend geschützt.
Wir von der Union sind der Meinung, dass auch das
Äußere einer Sache schützenswert ist, gerade auch im
Hinblick darauf, dass diese Beschädigungen und Verun-
staltungen der Sache durch Graffiti ausdrücklich gegen
den Willen des Eigentümers und gegen den Willen des
Verfügungsberechtigten geschehen. Das ist ein ganz ent-
scheidender Gesichtspunkt auch vor dem Hintergrund des
Schutzes des Eigentums nach Art. 14 des Grundgesetzes.
Zur Tatbestandsverwirklichung gehört nach geltender
Rechtslage und Rechtsprechung eine nicht unerhebliche
Beschädigung der Sachsubstanz. Bei einer Verschmut-
zung durch Graffiti wird eine Beschädigung verneint, so-
lange eine Reinigung der Sache, sei sie auch noch so auf-
wendig und teuer, möglich ist.
Um die hier bestehende Rechtsunsicherheit endlich zu
beseitigen, fordern wir, dass bereits das Besprühen einer
Sache als Sachbeschädigung gilt und somit den Tatbe-
stand des § 303 erfüllt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Koaliti-
onsfraktionen, den Gesetzesantrag des Landes Berlin aus
dem Jahre 1998 haben Sie im Frühjahr 2000 abgelehnt.
Unser Gesetzesantrag wurde von Ihnen im März 2000
niedergestimmt. Heute beraten wir in erster Lesung den
Antrag der FDP. Bald werden wir den Gesetzesantrag der
Länder Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg, Thürin-
gen und Sachsen-Anhalt sowie den von uns erneut einge-
brachten Gesetzentwurf beraten.
Wann werden Sie endlich einsehen, dass die Bevölke-
rung Graffiti als ernsthafte Bedrohung ihres Eigentums
ansieht und von uns und auch von Ihnen natürlich die nöti-
gen strafrechtlichen Schritte gegen diesen Vandalismus
einfordert?
Geben Sie sich einen Ruck und sehen Sie endlich ein, dass
Graffiti keine Bagatelle sind und nicht nur durch Präven-
tivmaßnahmen, sondern verstärkt durch eine zu erwar-
tende harte Bestrafung gestoppt werden können.
Ich danke Ihnen.
Frau Kollegin Raab, auch Ihnen gratulieren wir sehr
herzlich zu Ihrer ersten Rede in diesem Hohen Hause und
wünschen Ihnen politisch und persönlich alles Gute.
Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege
Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Frau Kollegin, Sie sollten nicht versuchen, mit falschen
Argumenten – Sie wissen, dass diese falsch sind –
und durch das öffentliche Verbreiten populistischer
Sprüche einen Gesetzentwurf im Bundestag durchzubrin-
gen. Man macht sich schon heute in Deutschland strafbar,
wenn man Graffiti beispielsweise auf die Wände des
Deutschen Bundestages in Berlin sprüht; denn dies wäre
angesichts der porösen Fassade des Deutschen Bundesta-
ges eine Substanzverletzung
und würde vom Amtsgericht Moabit als Sachbeschädi-
gung bestraft werden. Das alles ist Ihnen natürlich be-
kannt.
Sie versuchen trotzdem immer wieder, mit dem öffent-
lichen Unmut über Vandalismus in U-Bahnen und S-Bah-
nen Politik zu machen. Diese Politik ist falsch und ge-
fährlich; denn Sie wissen ganz genau, dass es Graffiti gibt
– das hat selbst der Kollege van Essen zugegeben, der
Oberstaatsanwalt ist –, die Kunst sind, und es gibt Graf-
fiti, die keine Kunst sind. Welcher Sachverständige das je-
weils entscheiden soll, hat uns der Kollege van Essen aber
nicht verraten.
Es gibt ganz zweifellos auch Vandalismus, wenn zum Bei-
spiel in Zügen Scheiben, Lack und Sitze vorsätzlich zer-
kratzt und zerstört werden. Auch wir sehen das als ärger-
lich und rechtswidrig an. Das wollen auch wir verhindern,
soweit das innerhalb unserer Rechtsordnung möglich ist.
Nur, wenn Sie behaupten, dass dies mit dem Gesetz-
entwurf zu erreichen sei, den Sie eingebracht haben, dann
1356
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1357
sage ich Ihnen, Herr Kollege van Essen: Die Praxis zeigt,
dass das nicht funktioniert.
– Das erkläre ich Ihnen jetzt. – Zweifellos ist beispiels-
weise das Zerkratzen von Scheiben – wenn Sie mit den
U- und S-Bahnen durch Berlin fahren, werden Sie fest-
stellen, dass fast ausnahmslos alle Scheiben zerkratzt
sind – nach der Meinung aller eine Sachbeschädigung.
Obwohl das so klar ist – wenn die Täter erwischt werden,
werden sie auch wegen Sachbeschädigung bestraft –,
kann man das nicht verhindern. Das beweist doch, dass al-
lein mit der Feststellung der Strafbarkeit – ich sage aus-
drücklich: leider – solche Verunstaltungen oder Zer-
störungen von Fenstern und Sitzen nicht verhindert
werden können.
Mit Ihrem wieder aufgelegten Vorschlag, den Begriff
der Verunstaltung einzuführen, erreichen Sie nicht mehr;
denn die Sachverständigen, die Sie, Herr van Essen, als
Oberstaatsanwalt offenbar beschäftigen mussten, um fest-
zustellen, ob eine Substanzverletzung vorliegt, müssten
dann bemüht werden, um zu klären, ob ein Graffito, ein
„tag“, auf einer Hauswand oder auf einer U-Bahn eine
Verunstaltung ist oder ob es Kunst ist. Hängt das von der
Gestaltung des Graffito oder davon ab, ob man es an-
schließend in einem Kunstkalender – das kommt manch-
mal vor – wiederfinden kann? Wie wollen Sie das beur-
teilen?
Als weiteres Tatbestandsmerkmal führen Sie an, dass
das Graffito nur mit größerem Aufwand beseitigt wer-
den könne. Was ist denn ein größerer und was ein kleine-
rer Aufwand?
Sie erreichen damit nicht mehr Rechtsklarheit und mehr
Vorgaben, auf die sich die Gerichte, die Staatsanwalt-
schaften und die Verteidiger beziehen können.
Das ist der völlig falsche Weg.
Es gibt sicherlich – das sehen auch wir – ein Vollzugs-
defizit.
Dieses Problem muss aber anders gelöst werden, nämlich
präventiv, soweit das möglich ist. Man muss viel mehr
Wert darauf legen, dass die Täter, die wirklich Vandalis-
mus und Zerstörung betreiben, zivilrechtlich zur Verant-
wortung gezogen werden und dass sie, wenn sie erwischt
werden, auch den Schaden ersetzen müssen.
Lassen Sie mich ein Letztes sagen. Frau Kollegin
Raab, Sie haben darauf hingewiesen, dass in der Öffent-
lichkeit wenig Verständnis dafür besteht, dass nichts da-
gegen unternommen wird. Ich kann Ihnen dazu nur sagen:
Wir sind im Augenblick in einer politischen Diskussion
über die Frage, ob man Steuerbetrüger, die Milliarden-
schäden angerichtet haben, vielleicht dadurch begünsti-
gen kann, dass man sie straffrei stellt, um dadurch zu er-
reichen, dass sie ihr Vermögen nach Deutschland
zurückbringen.
In dieser Situation kommen Sie wegen der Beschädigung
von Eigentum, auch von öffentlichem Eigentum, mit ei-
nem Gesetzentwurf. Kurz vor Weihnachten muss man im
Deutschen Bundestag als Letztes noch über einen Gesetz-
entwurf diskutieren, der sich mit Graffiti beschäftigt. Die
Bundesrepublik Deutschland hat wichtigere Probleme
und sollte sich diesen zuwenden.
Nächster Redner ist der Parlamentarische Staatssekre-
tär im Justizministerium, Alfred Hartenbach.
A
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe
Kollegen! Mit Blick auf den Oberstaatsanwalt van Essen
und die junge Kollegin Raab und die bei ihnen vorherr-
schende Leichtigkeit des Seins möchte ich ein Goethe-Zi-
tat an den Anfang stellen:
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, doch grün
– sagen wir besser: bunt; ich komme gleich noch darauf
zurück –
des Lebens goldner Baum.
Selbstverständlich sind wir alle uns darüber einig, dass
Graffitischmierereien nicht nur eine Straftat sind – wie es
Herr Ströbele schon gesagt hat –, sondern in weiten Tei-
len der Bevölkerung auch als großes Ärgernis angesehen
werden
– sei doch mal ruhig, Mensch! –, werden dadurch doch die
Rechte der Betroffenen missachtet. Die Beseitigung der
Farbschmierereien kommt die Geschädigten oft teuer zu
stehen. Wir alle sind uns darüber einig, dass dieser Zu-
stand nicht hinnehmbar ist.
Hans-Christian Ströbele
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach
Nicht ganz so einfach ist aber die Frage zu beantwor-
ten, was wir tun können und was wir tun müssen, um ge-
genzusteuern. Die FDP hat uns einen Entwurf aus dem
Jahr 1999 wieder vorgelegt. Damit komme ich zu einem
weiteren Zitat, diesmal aus „Max und Moritz“ von
Wilhelm Busch,
nämlich über das Sauerkraut der Witwe Bolte, „wovon sie
besonders schwärmt, wenn es wieder aufgewärmt“. So
kommt mir das bei Ihrem Entwurf ebenfalls vor.
– Quatsch nicht!
Neben dem FDP-Entwurf lagen dem Bundestag 1999
auch Gesetzentwürfe des Bundesrats und der CDU/CSU
mit der gleichen Zielrichtung vor. Wir alle haben noch die
Sachverständigenanhörungen des Rechtsausschusses in
bester Erinnerung. Damals haben wir uns über den Begriff
des Verunstaltens unterhalten, weil dieser Begriff ein
rein subjektives Tatbestandsmerkmal ist und Rechtsan-
wendern, also Staatsanwälten und vor allem den vielen
Amtsrichtern, eine ästhetische Wertung abverlangen
würde. Deshalb hat der Bundestag die Gesetzentwürfe
nach ausführlicher Erörterung im Plenum und in den Aus-
schüssen in seiner Sitzung am 23. März 2000 mehrheit-
lich abgelehnt.
Die damaligen Argumente gelten nach wie vor. Der Be-
griff des Verunstaltens ist für den Tatbestand der Sachbe-
schädigung zu unbestimmt und auslegungsbedürftig.
– Das weiß ich auch; das betrifft aber Urkunden, Herr van
Essen. – Er enthält, zum Beispiel im Bauordnungsrecht,
eine ästhetische Bewertung und damit ein subjektives
Moment. Bei seiner Auslegung im Zusammenhang mit
Sachbeschädigung allein auf objektive Kriterien abzustel-
len, wie es im FDP-Entwurf angedacht wird, dürfte kaum
machbar sein. Die Entscheidung darüber, ob jemand we-
gen einer Straftat verurteilt wird, kann aber nicht von
ästhetischen Urteilen, also von Geschmacksfragen abhän-
gig gemacht werden. Der Begriff des Verunstaltens er-
scheint mir daher für eine etwaige Ausdehnung der Tatbe-
stände der Sachbeschädigung und der gemeinschädlichen
Sachbeschädigung nicht geeignet.
Die FDP macht es sich zu einfach, wenn sie meint, in
ihrem Entwurf auch auf Österreich hinweisen zu sollen.
Was in Österreich gilt, gilt bei uns noch lange nicht.
– Darüber sind wir aber froh, nicht?
Ich schaue mich um, wo Herr Bergner ist. Ich hätte ei-
nen guten Vorschlag, auch für den Oberstaatsanwalt und
für den praktizierenden Staatsanwalt. Warum gehen wir
nicht her und machen allen unseren Länderjustizministern
ein Angebot? Sie könnten doch in den Richtlinien für das
Strafbefehls- und das Bußgeldverfahren ihren Staatsan-
waltschaften klar machen, dass sie künftig keine Einstel-
lungen der Verfahren mehr dulden, dass angeklagt werden
soll oder zumindest Strafbefehle verhängt werden sollen.
Das wäre ein Vorschlag, der der Praxis und nicht nur der
Theorie genügt. Damit könnten wir eine ganze Menge er-
reichen.
Der Bundesrat beschäftigt sich heute, wie eben schon
richtig gesagt worden ist, ebenfalls mit dem Begriff Graf-
fiti. Dort liegt ein Gesetzesantrag der Länder vor, die Sie,
Frau Raab, eben aufgezählt haben; ich muss das nicht
wiederholen. Danach soll der Tatbestand der Sachbeschä-
digung und der gemeinschädlichen Sachbeschädigung um
die Handlungsalternative einer „nicht unerheblichen
Veränderung des Erscheinungsbildes“ ergänzt werden.
Auch dieser Vorschlag ist Ihnen bekannt. Er entspricht
dem Gesetzentwurf des Bundesrates vom 30. November
2001, der in diesem Jahr der Diskontinuität anheim gefal-
len ist.
Ich möchte hier an die Stellungnahme der Bundes-
regierung zu jenem Gesetzentwurf des Bundesrates erin-
nern:
Um dem Graffitiunwesen entgegenzuwirken, bedarf
es neben strafrechtlichen Maßnahmen vorrangig
vielfältiger Anstrengungen auf dem Gebiet der
Prävention.
Nun ist es so, dass – anders als bei dem Begriff des
Verunstaltens – bei dem Begriff der „nicht unerheblichen
Veränderung“ bei uns durchaus ein Nachdenken einge-
setzt hat und wir gerne bereit sind, mit Ihnen vernünftig
darüber zu reden.
– Mein lieber Wolfgang Götzer, nun höre dir einmal mei-
nen Schlusssatz an. – Ich erhoffe mir davon, dass wir dann
nicht immer wieder das alte Weihnachtslied zu singen
brauchen – ich wandele es ein bisschen ab, ein wenig wie
Hans Sachs –: Alle Jahre wieder kommt das Graffito auf
die Menschheit nieder und belästigt sie.
Ich wünsche Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest.
Nächster Redner ist der Kollege Marco Wanderwitz,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir dür-
fen Sachbeschädigungen durch Graffitischmierereien,
wie man sie täglich in unseren Städten und Gemeinden
1358
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1359
sieht – das ist die Realität –, nicht länger hinnehmen. Zu-
mindest so weit sollte die Einigkeit reichen.
Verunstaltungen durch das Graffitiunwesen stellen ei-
nen Straftatbestand dar, wenn dies – das ist nun einmal
der Regelfall – gegen den Willen des Eigentümers pas-
siert.
Bislang können die Täter nur begrenzt zur Rechen-
schaft gezogen werden. Der Tatbestand der Sachbeschä-
digung liegt nach jetziger Rechtslage nur dann vor, wenn
die Fläche nachhaltig geschädigt ist.
Das lässt sich in den seltensten Fällen nachweisen. Des-
wegen soll laut unserem Gesetzentwurf schon das Verun-
stalten einer Fläche als strafbare Handlung geahndet wer-
den.
Wir von der CDU/CSU versuchen seit nunmehr drei
Jahren und, wie schon richtig angesprochen, zum fünften
Mal vergebens, dieses Thema mit Ihnen abzuschließen
und den Straftatbestand umfassender zu gestalten. Meine
Damen und Herren von Rot-Grün, hier treffen Ihre juris-
tischen Winkelzüge auf Unverständnis der breiten Bevöl-
kerung; denn dort entstehen die jährlichen Reinigungskos-
ten von mehreren 100 Millionen Euro.
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, Sie sind doch
angetreten, die öffentlichen Haushalte zu sanieren. Dann
fragen Sie doch einmal in den Kommunen und den kom-
munalen Verkehrsbetrieben nach den Kosten, die durch
die Reinigung entstehen!
– Wenn Sie es wissen, Herr Ströbele, dann ist es umso
schlimmer, dass Sie nicht handeln.
Diese Kosten belasten die Etats und die Haushalte und
führen letztlich dazu, dass die Bürger über höhere Ge-
bühren und Abgaben diese Verunstaltungen auch noch fi-
nanzieren. Die Berliner Verkehrsbetriebe mussten allein
in diesem Jahr 4,6 Millionen Euro für die Entfernung von
Graffiti und Vandalismusschäden aufbringen.
Wir fordern eine Verschärfung der Bestrafung. Die
rot-grüne Bundesregierung fördert dagegen durch ihre be-
währte Strategie des „Weiter so!“ seit nunmehr drei Jah-
ren offensichtlich die Verfestigung dieses Unrechtszu-
stands in der Bevölkerung, nämlich fremdes Eigentum
mutwillig zu beschädigen, und setzt damit dauerhaft ein
rechtspolitisch nicht akzeptables Zeichen. Diese falsche
Politik zieht rasch weitere Sachbeschädigungen und Van-
dalismus nach sich. Insofern ist es ein Irrtum, zu glauben,
man könne Vandalismus und Graffitisprayen auseinander
halten. Zudem steht das Sprayen von Graffiti bereits im
Vorfeld in Verbindung zu anderen Straftaten wie Dieb-
stahl und Hausfriedensbruch. Gehen Sie doch in die ein-
schlägigen Viertel der Städte und schauen Sie sich das Er-
gebnis Ihrer Politik an!
Wir wollen keine Kriminalisierung von Kinderstrei-
chen, sondern eine klare Grenze zwischen Recht und Un-
recht ziehen, die für alle unmissverständlich ist. Um eine
präventive Politik betreiben zu können, muss man aber
den Mechanismus von Eskalation verstehen. Jugendliche
müssen Wertediskussionen führen, sich in die Rolle des
Geschädigten versetzen und den Umfang des Schadens
einschätzen können.
Sie müssen legale Möglichkeiten zur Entfaltung suchen,
aber auch mögliche Konsequenzen und Strafen kennen
lernen.
Ich werde Ihnen sagen, warum. Stellen Sie sich fol-
gende alltägliche Situation einmal vor: Sie wohnen in ei-
ner Häuserzeile und plötzlich taucht da ein Graffito auf.
Wie reagieren Sie? Freuen Sie sich und sagen, ganz toll,
auf so etwas habe ich gewartet, das finde ich schön? Dass
bei Ihnen von Rot-Grün der prozentuale Anteil derjeni-
gen, die dies so sehen würden, höher ist, ist mir klar. Herr
Kollege Ströbele würde wahrscheinlich sagen: Was für
ein künstlerisch schönes „tag“!
Wie naiv sind Sie, zu glauben, die Menschen hierzu-
lande würden so etwas gut finden? Die Folge ist zudem
meist die Verunstaltung der ganzen Straße. Insofern geht
der vorhin geäußerte Einwand fehl, die Schmiererei
müsse schnell entfernt werden; denn irgendwer muss
dafür bezahlen. Das sind die privaten und die öffentlichen
Eigentümer.
Künstlerische Freiheit oder Farbschmierei? Dies ist si-
cher die Frage. Dass wir uns hier uneins sind, ist mir aber
absolut unbegreiflich. Beispielsweise sagte der damalige
baden-württembergische Justizminister Dr. Ulrich Goll
am 22. März 2002:
Ich habe im Bundesrat mit Interesse festgestellt, dass
Ministerpräsident Clement, der mit mir sprach, ge-
sagt hatte, er sei meiner Meinung.
Wir sehen hier wieder einmal, dass der Ministerpräsident
Clement noch für die Verschärfung des Gesetzes war, der
Bundesminister Clement hingegen schweigt.
Ich kann Ihnen noch ein weiteres Beispiel nennen. In
einem Schreiben an „Haus & Grund“ hat die damalige
SPD-Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin wörtlich
geschrieben:
Deshalb bin ich sehr dafür, dass Graffiti in der Öf-
fentlichkeit als das bezeichnet werden, was sie sind:
Marco Wanderwitz
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Marco Wanderwitz
ärgerliche Verunstaltungen und Eingriffe in die
Rechte von Hausbesitzern.
– Schön.
Wir fordern die Bundesregierung und insbesondere die
neue Bundesjustizministerin auf, weniger den Mund voll
zu nehmen – so wie ihre Vorgängerin –, sondern an einem
konstruktiven Weg mit uns zu arbeiten. Mir sei gestattet,
festzustellen, dass ich nach dem Besuch der Bundesjus-
tizministerin in dieser Woche im Rechtsausschuss daran
glaube, dass das so geschehen wird.
Es kann nicht sein – hier gebe ich Ihnen Recht, Herr
Kollege Bachmaier –, dass sich bei den ohnehin wenigen
Verfahren, in denen man Täter dingfest machen kann
– hier sehe ich aber anders als Sie einen generalpräventi-
ven Aspekt –, die Sachverständigen in aufwendigen und
teuren Gutachten über das Für und Wider des Kunstbe-
griffes streiten müssen. Sowohl diese Gutachterstreitig-
keiten als auch die Schadensermittlungen durch weitere
Gutachter wären nach unserem Vorschlag für eine Geset-
zesänderung nicht mehr nötig.
Stellen wir uns einmal jemanden vor, der so etwas
macht. Zumeist geht es dem Täter doch darum, im Freun-
deskreis damit zu prahlen. Dass er damit Sachbeschädi-
gung begeht, stört ihn nicht im Geringsten. Im Gegenteil:
Es ist das Verbotene, das lockt. Im Zweifel ist es ja Kunst.
So etwas soll hier toleriert werden, meine Damen und
Herren von der Koalition?
Akzeptieren Sie endlich die Meinung der Bevölke-
rung! Hören Sie auf den Bundesrat, der seit Ende des letz-
ten Jahres an Initiativen in Sachen Graffitibekämpfung ar-
beitet! Hören Sie auf uns von der CDU/CSU! Hören Sie
auf die FDP! Die Gemeinden und die betroffenen Bürger
hoffen auf strenge Gesetze, und dies zu Recht.
Die Bürgerinnen und Bürger sind für eine Verschär-
fung des Strafgesetzbuches an dieser Stelle, weil sie ihr
Hab und Gut als gefährdet betrachten. Die Bundesregie-
rung kommt aber nach wie vor dieser Forderung nicht
nach. Deshalb ist diese Regierung kein Garant für Sicher-
heit und Ordnung in diesem Land. Eine Regierung, die
Täterschonung zulasten der Opfer betreibt und die über-
triebene Nachsicht gegenüber Menschen übt, die fremdes
Eigentum beschädigen, ist zum Regieren nicht befähigt,
da sie grundlegende Bürgerinteressen missachtet.
An dieser Stelle zeigt sich leider einmal mehr, dass
Rot-Grün ein Werteverständnis besitzt, welches nicht dem
der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger entspricht.
Ich danke.
Herr Kollege Wanderwitz, herzlichen Glückwunsch zu
Ihrer ersten Rede in diesem Hohen Hause. Ich wünsche
Ihnen persönlich und politisch alles Gute.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs
auf Drucksache 15/63 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist es so beschlossen.
Da wir heute noch über Anträge auf Zurückweisung
von Einsprüchen des Bundesrates abzustimmen haben,
der Bundesrat, wie ich höre, aber noch tagt, unterbreche
ich die Sitzung bis zum Ende der Sitzung des Bundesra-
tes. Der Wiederbeginn der Sitzung wird Ihnen rechtzeitig
durch Klingelzeichen und durch Hausdurchsage bekannt
gegeben.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet. Ich setze Ihr Einverständnis
voraus, dass wir die Abwicklung der noch zu erledigen-
den Tagesordnung mit den zu treffenden Entscheidungen
so zügig wie eben möglich über die Bühne bringen.
– Ich bedanke mich für den spontanen Applaus.
Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesord-
nung um die Beratung der Anträge der Fraktionen der
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückwei-
sung von Einsprüchen des Bundesrates zu erweitern und
diese jetzt als Zusatzpunkt 9 aufzurufen. Dazu besteht
ganz offensichtlich allgemeines Einverständnis. Dann ist
so beschlossen.
Ich rufe Zusatzpunkt 9 auf:
Abstimmung über drei Anträge der Fraktionen
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN auf Zurückweisung von Einsprüchen des
Bundesrates
Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass nach unserer
Geschäftsordnung dazu eine Aussprache nicht zulässig
ist. Das erledigt die Frage nach möglichen Rednern und
deren Redezeiten. Es dürfen allenfalls Erklärungen zur
Abstimmung abgegeben werden. Dazu liegen entspre-
chende Ankündigungen vor.
Bevor wir zur Abstimmung über die Anträge kommen,
bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise
zum Abstimmungsverfahren.
Wir führen jetzt drei Abstimmungen durch, die jeweils
namentlich erfolgen.
Nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes ist für die
Zurückweisung eines Einspruchs des Bundesrates die
Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages er-
forderlich. Das sind mindestens 302 Stimmen.
1360
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1361
Wer den Einspruch zurückweisen will, muss mit Ja
stimmen.
Sie benötigen außer Ihren Stimmkarten auch Ihre Stimm-
ausweise in den Farben Grün, Rosa und Blau für die drei
Abstimmungen. Die Farbe des zu verwendenden Stimm-
ausweises werde ich bei der jeweiligen Abstimmung ge-
sondert mitteilen.
Die Stimmausweise können Sie, soweit noch nicht ge-
schehen, wie immer Ihrem Stimmkartenfach entnehmen.
Bitte achten Sie, ebenfalls wie immer, darauf, dass
Stimmkarten und Stimmausweise Ihren Namen tragen.
Bevor Sie Ihre Stimmkarte in die Urne werfen, über-
geben Sie bitte den jeweiligen Stimmausweis einem der
Schriftführer an der Urne. Ich bitte schon jetzt um Ver-
ständnis: Die Schriftführer sind gehalten, eine ordnungs-
gemäße Abstimmung sicherzustellen. Das wird in der
Hektik, mal mit und mal ohne Absicht, auch zum Einsatz
von Ellbogen führen können. Es wäre schön – ich sehe
schon demonstrative Zustimmung der Fraktionsvorsit-
zenden –, wenn wir uns in der Vorbereitung auf besinnli-
che Tage wechselseitig bemühten, uns die notwendigen
Prozesse nicht unnötig schwer zu machen.
Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich, da-
rauf zu achten, dass Stimmkarten nur von Kolleginnen
und Kollegen in die Urnen geworfen werden dürfen, die
vorher ihren Stimmausweis in der richtigen Farbe abge-
geben haben.
Wir kommen jetzt zur ersten namentlichen Abstim-
mung. Sie benötigen Ihren grünen Stimmausweis.
Wir stimmen jetzt über den Antrag der Fraktionen der
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückwei-
sung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Erste Ge-
setz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ab.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle Plätze be-
setzt? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann eröffne ich
hiermit die Abstimmung.
Gibt es noch ein Mitglied des Hauses, das keine Gele-
genheit hatte, seine Stimme für die erste Abstimmung ab-
zugeben? – Zumindest meldet sich keines.
– Doch? Könnten Sie freundlicherweise winken, wenn
diejenigen, die Sie im Auge haben, ihre Stimmkarte in die
Urne geworfen haben?
Ich bekomme gerade den zielführenden Hinweis, ich
sollte mich besser nicht darauf verlassen, dass freiwillig
gewinkt würde. Deswegen frage ich noch einmal: Sind
jetzt alle Stimmen abgegeben? – Ich sehe ein hinreichend
eindeutiges Nicken. Dann schließe ich hiermit die erste
Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der
Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben, sodass
wir die Abstimmungsprozedur fortsetzen können.
Wir kommen jetzt zur zweiten namentlichen Abstim-
mung. Dazu benötigen Sie Ihren Stimmausweis in der
Farbe Rosa. Wir stimmen nun über den Antrag der Frak-
tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf
Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen
das Beitragssatzsicherungsgesetz auf der Drucksache
15/261 ab.
Ich habe den Eindruck, dass die Schriftführerinnen und
Schriftführer ihre vorgesehenen Plätze nicht verlassen
und insofern längst wieder eingenommen haben. Mir wird
auch nirgendwo signalisiert, dass eine der Urnen nicht mit
Schriftführern umstellt wäre. Dann eröffne ich hiermit die
zweite Abstimmung.
Während jetzt die zweite Abstimmung stattfindet,
weise ich darauf hin, dass es zu dieser zweiten namentli-
chen Abstimmung eine Reihe von persönlichen Erklärun-
gen nach § 31 unserer Geschäftsordnung gibt, die wir
nach den Regeln unserer Geschäftsordnung wie immer
dem Protokoll beifügen.
Vereinzelt angemeldete Zweifel, ob der Abstimmungs-
vorgang förmlich eröffnet sei, räume ich dadurch aus,
dass ich bekräftige: Er ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist noch ein Mitglied
des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte nicht hat ab-
geben können? – Das ist offensichtlich nicht der Fall.
Dann schließe ich auch die zweite Abstimmung. Ich bitte
die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen. Auch das Ergebnis dieser Abstimmung
wird Ihnen später bekannt gegeben.
Ich bin von einer bemerkenswert breiten Koalition von
Repräsentanten der Regierung und der Opposition ermu-
tigt worden, die Prozedur, wenn irgend möglich, weiter zu
beschleunigen. Dazu sehe ich rein physisch nur eine ein-
zige Möglichkeit: dass nämlich diejenigen, die schon ab-
gestimmt haben, ihre Weihnachtswünsche nicht neben der
Urne austauschen, sondern ein bisschen schneller Platz
machen. Versuchen wir das jetzt einmal bei der dritten Ab-
stimmung! Sie benötigen für die dritte namentliche Ab-
stimmung Ihren blauen Stimmausweis.
Wir kommen nun zur namentlichen Abstimmung über
den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnis-
ses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruches
des Bundesrates gegen das Gesetz zur Fortentwicklung
der ökologischen Steuerreform, Drucksache 15/262. Ich
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die bereits
eingenommenen Plätze nicht zu verlassen. Sind alle Ur-
nen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne hiermit die
dritte Abstimmung.
Ich entnehme dem fröhlichen Winken im hinteren Teil
des Plenarsaals, dass man dort den verlässlichen Eindruck
hat, dass niemand mehr im Besitz einer Stimmkarte ist,
die er noch abgeben möchte. Ich versichere mich dennoch
förmlich: Hat jemand seine Stimmkarte noch nicht abge-
geben? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe
ich die dritte Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen. Diese haben mir zugesagt,
alles Mögliche zu tun, um das Auszählen der Ergebnisse
in rekordverdächtig kurzer Zeit abzuschließen.
Bis zur Bekanntgabe der Ergebnisse der Abstimmun-
gen unterbreche ich die Sitzung für wenige Minuten.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmungen bekannt. Da für alle drei Abstimmungen das
gleiche Ergebnis ausgezählt worden ist, können wir die
begonnene Übung fortsetzen, so zügig wie möglich zu
verfahren, und drei Vorträge auf einen verdichten.
Zu den drei Anträgen der Koalition zur Zurückweisung
des Einspruchs des Bundesrates – das betrifft erstens das
Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeits-
markt, zweitens das Beitragssatzsicherungsgesetz und
drittens das Gesetz zur Fortentwicklung der ökologischen
Steuerreform; Drucksachen 15/260, 15/261 und 15/262 –
sind jeweils 572 Stimmen abgegeben worden. Mit Ja ha-
ben 305 Kolleginnen und Kollegen gestimmt,
mit Nein haben 267 Mitglieder des Bundestages ge-
stimmt, Enthaltungen hat es in allen drei Abstimmungen
nicht gegeben. Die Anträge sind mit der erforderlichen
Mehrheit angenommen;
1362
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 570
davon
ja: 305
nein: 265
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Klaus Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Heinz Köhler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller
Christian Müller
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth
Michael Roth
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1363
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Heinz Schmitt
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Brigitte Schulte
Reinhard Schultz
Swen Schulz
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Reinhard Weis
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
Dr. Christoph Zöpel
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck
Volker Beck
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer
Katrin Dagmar Göring-
Eckardt
Anja Hajduk
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Fritz Kuhn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth
Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt
Werner Schulz
Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Helge Braun
Paul Breuer
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
Cajus Caesar
Manfred Carstens
Peter H. Carstensen
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Albert Deß
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer
Dirk Fischer
Axel E. Fischer
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Tanja Gönner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Martin Hohmann
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Rudolf Kraus
Günther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert Lammert
Barbara Lanzinger
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link
Eduard Lintner
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski
Stephan Mayer
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 20021364
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer
Doris Meyer
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Stefan Müller
Bernward Müller
Bernd Neumann
Henry Nitzsche
Claudia Nolte
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Melanie Oßwald
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht
Peter Rzepka
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt
Andreas Schmidt
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Michaela Tadjadod
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Angelika Volquartz
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Peter Weiß
Gerald Weiß
Ingo Wellenreuther
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Daniel Bahr
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Dr. Christian Eberl
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
Eberhard Otto
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Günter Rexrodt
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
fraktionslos
Dr. Gesine Lötzsch
Petra Pau
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 570
davon
ja: 305
nein: 265
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Klaus Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1365
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Dr. Heinz Köhler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller
Christian Müller
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth
Michael Roth
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Heinz Schmitt
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Brigitte Schulte
Reinhard Schultz
Swen Schulz
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Reinhard Weis
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
Dr. Christoph Zöpel
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck
Volker Beck
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer
Katrin Dagmar Göring-
Eckardt
Anja Hajduk
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Fritz Kuhn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth
Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt
Werner Schulz
Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Helge Braun
Paul Breuer
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
Cajus Caesar
Manfred Carstens
Peter H. Carstensen
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Albert Deß
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer
Dirk Fischer
Axel E. Fischer
Dr. Maria Flachsbarth
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 20021366
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Tanja Gönner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Martin Hohmann
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Siegfried Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Rudolf Kraus
Günther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert Lammert
Barbara Lanzinger
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link
Eduard Lintner
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski
Stephan Mayer
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer
Doris Meyer
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Stefan Müller
Bernward Müller
Bernd Neumann
Henry Nitzsche
Claudia Nolte
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Melanie Oßwald
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard
Klaus Riegert
Hannelore Roedel
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht
Peter Rzepka
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt
Andreas Schmidt
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Michaela Tadjadod
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Angelika Volquartz
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Peter Weiß
Gerald Weiß
Ingo Wellenreuther
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Daniel Bahr
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Dr. Christian Eberl
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
Eberhard Otto
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Günter Rexrodt
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
fraktionslos
Dr. Gesine Lötzsch
Petra Pau
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 569
davon
ja: 305
nein: 264
Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1367
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Klaus Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Heinz Köhler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller
Christian Müller
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann
Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel
Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth
Michael Roth
Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Heinz Schmitt
Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Brigitte Schulte
Reinhard Schultz
Swen Schulz
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Reinhard Weis
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
Dr. Christoph Zöpel
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck
Volker Beck
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer
Katrin Dagmar Göring-
Eckardt
Anja Hajduk
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Fritz Kuhn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller
Winfried Nachtwei
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 20021368
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth
Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt
Werner Schulz
Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Helge Braun
Paul Breuer
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner
Cajus Caesar
Manfred Carstens
Peter H. Carstensen
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Albert Deß
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer
Dirk Fischer
Axel E. Fischer
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Tanja Gönner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Martin Hohmann
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Siegfried Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Rudolf Kraus
Günther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert Lammert
Barbara Lanzinger
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link
Eduard Lintner
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski
Stephan Mayer
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer
Doris Meyer
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Stefan Müller
Bernward Müller
Bernd Neumann
Henry Nitzsche
Claudia Nolte
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Melanie Oßwald
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard
Klaus Riegert
Hannelore Roedel
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht
Peter Rzepka
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt
Andreas Schmidt
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Michaela Tadjadod
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Angelika Volquartz
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Peter Weiß
Gerald Weiß
Ingo Wellenreuther
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Daniel Bahr
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Dr. Christian Eberl
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann
Klaus Haupt
(C)
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1369
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
Eberhard Otto
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Andreas Pinkwart
Dr. Günter Rexrodt
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
fraktionslos
Dr. Gesine Lötzsch
Petra Pau
die Einsprüche des Bundesrates sind damit zurückgewie-
sen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung.
Wir sind auch am Schluss der parlamentarischen Ar-
beit dieses Jahres. Es war ein Jahr mit manchen Aufre-
gungen, manchen Erfolgen, vielleicht auch manchen Ent-
täuschungen, viel notwendigem, gelegentlich vielleicht
auch vermeidbarem Streit. Gerade weil dies so ist, will
ich auch im Namen der übrigen Kolleginnen und Kolle-
gen des Präsidiums allen Mitgliedern des Bundestages
und ihren Familien ein ruhiges, besinnliches und geseg-
netes Weihnachtsfest und alles Gute für das neue Jahr
wünschen.
Die Sitzung ist geschlossen.