Rede von
Dr.
Hans-Peter
Friedrich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Lambrecht, Ihre Rede, in der Sie versucht
haben, vom Thema abzulenken, zeigt auch, welch
schlechtes Gewissen Sie im Umgang mit unserem Be-
schluss in den letzten Tagen haben.
Die Art und Weise, wie die Einsetzung dieses Aus-
schusses verzögert worden ist, ist beschämend. Lassen
Sie mich das so sagen. Der Kollege Stadler hat die Rechts-
lage dargestellt. Wenn 25 Prozent der Abgeordneten die
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragen,
hat der Bundestag die Pflicht, dem nachzukommen.
Das Gesetz geht noch weiter. Es heißt dort nämlich: Er ist
unverzüglich einzusetzen.
Bis jetzt haben Sie mit vorgeschobenen Argumenten,
von denen bis zum heutigen Tag kein einziges mehr übrig
geblieben ist, die Einsetzung verzögert. Deswegen stelle
ich fest: Sie haben mit dieser Verzögerung die verfas-
sungsmäßigen Rechte der Minderheit in diesem Hause
beschädigt und behindert.
Aus all dem spricht eine Grundeinstellung, die man bei
Ihnen überall und immer wieder feststellt: Sie glauben,
dass Sie dann, wenn Sie die Mehrheit im Deutschen Bun-
destag haben, den Staat, die Institutionen und das ganze
Parlament zur Beute machen können.
Wo das hinführt, hat Ihnen in dieser Woche das Bundes-
verfassungsgericht in Karlsruhe gezeigt.
Ich sage etwas zu Ihrem vorgeschobenen Argument,
der exekutive Kernbereich sei tangiert. Natürlich gibt es
eine Grenze des exekutiven Kernbereichs. Das haben
wir nie bestritten. Das ist Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgerichts. Deswegen ist für uns völlig klar,
dass eine Grenze vorhanden sein muss. Man muss natür-
lich immer darüber streiten – das werden wir in der Zu-
kunft sicherlich tun –, wo diese Grenze liegt. Insofern
ist die Ergänzung, die Sie vorgenommen haben, in der
Substanz nichts wert. Sie ist rein deklaratorisch. Sie hät-
ten genauso gut schreiben können: Im Übrigen gilt das
Grundgesetz. Oder: Das Völkerrecht wird nicht verletzt.
Der gestrige Beschluss des Geschäftsordnungsausschus-
ses, der Punkt für Punkt die Verfassungsmäßigkeit unse-
res Antrags bestätigt, bestätigt damit inzidenter die
Rechtswidrigkeit Ihres Verhaltens in den vergangenen
zwei Wochen.
Ich sage Ihnen noch etwas zum exekutiven Kern-
bereich. Es gab in der letzten Wahlperiode einen Untersu-
chungsausschuss. Frau Lambrecht, Sie werden sich gut
daran erinnern. Die rot-grüne Regierung hat nie etwas
zum exekutiven Kernbereich gesagt. Bei den Themen Ei-
senbahnerwohnungen und Panzerlieferungen hat man
sich intensiv damit befasst, wie Entscheidungsprozesse in
der Bundesregierung gelaufen sind. Man hat Minister be-
fragt. Man wollte wissen, welche Staatssekretäre wohin
geschickt worden sind. Man hat nach Briefen gefragt.
– Meine lieben Kollegen, die Protokolle sind zum großen
Teil veröffentlicht.
Wir werden uns die Fragen, die Sie gestellt haben, ge-
nau anschauen. Dann werden wir wissen, was Sie unter
exekutivem Kernbereich verstehen, und uns an diese
Grenzen halten.
Dieselben Leute, die damals mit Schaum vor dem
Mund jeden Vermerk, jede Aktennotiz, selbst Visiten-
karten in den Akten als wichtige Beweismittel präsentiert
haben, sagen jetzt, der Kernbereich sei so eine Art Kä-
seglocke, die man über die Regierung stülpen könne, um
sie vor dem Untersuchungsauftrag eines Untersuchungs-
ausschusses zu schützen. Das werden wir so nicht akzep-
tieren und auch nicht zulassen.
Ich sage Ihnen da auch Auseinandersetzungen voraus.
In Bezug auf die von Ihnen verlangten Ergänzungen
hat Kollege Stadler ebenfalls schon Wichtiges gesagt. Ich
sage Ihnen, wie diese Ergänzungen zustande gekommen
sind. Herr Müntefering hat gesagt: Wenn in dem Untersu-
chungsauftrag Schröder steht, dann muss auch der Name
Stoiber herein. – Der arme Kollege Wiefelspütz musste
dann gegen seine juristischen Überzeugungen eine völlig
absurde Bepackung und Ergänzung konstruieren.
Sie wissen ganz genau, dass der Bundestag die Länder-
regierungen nicht untersuchen kann.
Wir wollen – das haben wir mehrfach deutlich ge-
macht – keine Wahlkämpfer und keine Parteivorsitzenden
untersuchen,
wir wollen wissen: Haben Mitglieder der Bundesregie-
rung kraft Autorität ihres Amtes die Menschen im Lande
belogen? Das ist der Auftrag.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002
Dr. Hans-Peter Friedrich
Mit Ihrer Ankündigung, Mitglieder des Bundesrates
laden zu wollen, fordern Sie nicht nur einzelne Mitglieder
heraus, sondern den Bundesrat insgesamt; dieser aber
wird seine Rechte gegenüber dem Bundestag wahren wol-
len. Ich bin darauf gespannt, wie Sie trotz der von Ihnen
gemachten Einschränkung „im Rahmen der Zuständigkeit
des Bundestages“ verfassungskonform Bundesratsmit-
glieder laden und vernehmen wollen. Ob das möglich ist,
werden wir in den nächsten Monaten noch sehen.
Die Erweiterung des Untersuchungsauftrages um Pro-
gnosen und Modellrechnungen stellt eine reine Verzöge-
rungstaktik dar. So etwas ist eher einem historischen Se-
minar als einem Untersuchungsausschuss zugänglich. Mit
all Ihren Ergänzungen verfolgen Sie nur ein Ziel: die Auf-
klärung zu verhindern. Die Behinderung der Aufklärung
von Unwahrheit ist die Fortsetzung der Unwahrheit mit
anderen Mitteln.
Ich bedaure im Übrigen außerordentlich, dass Sie jetzt
versuchen, das neue Untersuchungsausschussgesetz, das
sich erstmals bewähren soll, umzudrehen, und sich gegen
die Intention, die alle Fraktionen bei der Verabschiedung
dieses Gesetzes hatten, wenden. Sie wissen genau, dass
dieses Gesetz dazu da war, die Minderheitenrechte in ei-
nem Untersuchungsausschuss des Bundestages zu stär-
ken. Sie machen jetzt genau das Gegenteil: Sie versuchen,
durch Ihre Auslegung dieses Gesetzes den Art. 44 Grund-
gesetz unzulässigerweise restriktiv zu interpretieren. Auch
das werden wir nicht akzeptieren.
Jetzt erst recht wollen wir wissen, mit welchen Mitteln
die Bundesregierung Zahlen, Fakten und Daten verschlei-
ert hat. Jetzt erst recht wollen wir wissen, welches Mittel
Rot-Grün recht ist, um die Macht zu erhalten.
Wir werden eines Tages vielleicht auch wissen, ob all das,
was Sie den Menschen in den letzten zwei bis drei Wo-
chen angetan haben, vielleicht von langer Hand vorberei-
tet war,
ob die Bauern, die Ärzte, die Zahntechniker, die Blumen-
händler, die Werbemittelhersteller, die Beitragszahler alle
vor der Wahl schon auf Ihrer Abschussliste standen, weil
Sie Ihre Vorhaben aufgrund besserer Informationen viel-
leicht von langer Hand geplant hatten.
Ganz peinlich wird es für den Herrn Bundesminister
Eichel, wenn sich herausstellen sollte, dass er seine
Pflicht zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien verletzt
haben sollte.