Protokoll:
1081

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 1

  • date_rangeSitzungsnummer: 81

  • date_rangeDatum: 28. Juli 1950

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:12 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:23 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag – 81. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juli 1950 3027 81. Sitzung Bonn, Freitag, den 28. Juli 1950. Geschäftliche Mitteilungen 3029B, 3081D Bericht des Bundeskanzlers betr. Maßnahmen zur verstärkten Bekämpfung des Schmuggels und Frage der Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer (Drucksache Nr. 1252) 3029C Änderung der Tagesordnung 3029C Ergänzungswahl eines Stellvertreters der Bundesrepublik Deutschland in der Beratenden Versammlung des Europarates 3029C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Entlassung des Bundeswirtschaftsministers Dr. Erhard (Nr. 1176 der Drucksachen) 3029D Dr. Schmid (Tübingen) (SPD), Antragsteller 3029D, 3038A Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 3033B, 3037D Dr. von Brentano (CDU) 3034B Euler (FDP) 3035A Schoettle (SPD) 3035D Dr. von Merkatz (DP) 3035D Paul (Düsseldorf) (KPD) 3036C Dr. Reismann (Z) 3037C Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers 3039A Beratung der Interpellation der Abg. Mayer (Stuttgart), Bausch u. Gen. betr. Fortführung der Schulspeisungen (Nr. 1156 der Drucksachen) 3039B Mayer (Stuttgart) (FDP), Interpellant 3039C Dr. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 3040A Mertins (SPD) 3040B Bausch (CDU) 3041B Frau Thiele (KPD) 3042A Dr. Vogel (CSU) 3042D Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wiederverwendung der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nr 1201 der Drucksachen) 3043A Kühn (FDP), Antragsteller 3043B Mellies (SPD) 3044C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Notgesetzes für die deutsche Hochseefischerei (Nr. 1172 der Drucksachen) 2044D Dr. Niklas, Bundesminister für. Ernährung, Landwirtschaft und Forsten . . 3044D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs zum deutsch-französischen Wirtschaftsabkommen (Nr. 1207, 590 der Drucksachen) in Verbindung mit der Zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das vorläufige Handelsabkommen vom 4. März 1950 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Pakistan (Nr. 1086, 1208 der Drucksachen) 3044D Freudenberg (FDP-Hosp.), Berichterstatter 3045A Margulies (FDP), Berichterstatter . . 3046C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten während der Wertpapierbereinigung (Nr. 985, 1219 der Drucksachen) 3047D Dr. Preusker (FDP), Berichterstatter 3047D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 3048D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über die Anträge der Fraktion der DP, der Fraktion der KPD und der Abg. Dr. Mühlenfeld u. Gen. betr. Watenstedt- Salzgitter (Nr. 1220, 254, 688, 653, 1077 der Drucksachen) 3049A Etzel (Duisburg) (CDU), Berichterstatter 3049A Kuhlemann (DP) 3054C Harig (KPD) 3054D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Entlassung von politisch Geschädigten aus den Diensten der Verwaltung für Wirtschaft (Nr. 1185 und 717 der Drucksachen) 3055D Rümmele (CDU), Berichterstatter . . 3056A Gundelach (KPD) 3056B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Renner u. Gen. betr. Beibehaltung der Gehaltserhöhung für Beamte im Bundesdienst trotz der Aufhebung der Ersten Gehaltskürzungsverordnung vom 1. Dezember 1930 (Nr. 1186, 291 der Drucksachen) 3056C Farke (DP), Berichterstatter 3056C Gundelach (KPD) 3057A Dr. Wuermeling (CDU) 3057B Mellies (SPD) 3058B Hartmann, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium . . . . 3058D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen (15. Ausschuß) über den Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP, BP und DP betr. Bereitstellung von Mitteln zum Wiederaufbau der Hochschulen (Nr. 1199, 666 der Drucksachen) . 3059B Dr. Baade (SPD), Berichterstatter . . . 3059B Kohl (Stuttgart) (KPD) 3060D Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Wahl der Mitglieder des Vorläufigen Richterwahlausschusses für den Bundesfinanzhof (Nr. 1241 der Drucksachen) . . 3061A Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Neuwahl der Mitglieder des Kontrollausschusses beim Hauptamt für Soforthilfe (Nr. 1242 der Drucksachen) 3061A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Flurbereinigung (Nr. 1223, 1025 der Drucksachen) . 3061B Dannemann (FDP), Berichterstatter . . 3061C Dr. Horlacher (CSU) 3061D Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der BP betr. Ausbau von Bundesfernverkehrsstraßen in Oberbayern (Nr. 1171, 1007 der Drucksachen) . 3062C Schoettle (SPD), Berichterstatter . . . 3062D Übersicht über Anträge des Petitionsausschusses nach dem Stand vom 23. Juli 1950 (Drucksache Nr. 1251) 3063A Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts (Nr. 530, 1138 der Drucksachen) 3063B Dr. Arndt (SPD) 3063C, 3072A Gundelach (KPD) 3065B Ewers (DP) 3065B, 3073D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 3066B Dr. Krone (CDU) 3067A Dr. Nevermann, Senator, Stellvertretendes Mitglied des Bundesrats 3067C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 3068C, 3070A, 3071A, 3072A, D, 3073A, 3074D, 3076B Dr. Reismann (Z) 3068C 3070D, 3072C, 3074B, 3075A, 3076A Dr. Kather (CDU) 3069A, 3070C Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . 3069B, 3074C Wagner (SPD) . . . . 3069D, 3074A, 3075D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) 3070B Dr. Greve (SPD) 3071B, 3073A Dr. von Brentano (CDU) . . . 3073C, 3075C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Drucksachen Nr. 924, 1029) 3077A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP), Berichterstatter 3077A Dr. Laforet (CSU) 3077B Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 3078B Paul (Düsseldorf) (KPD) . . . . 3078D, 3079D Dr. Etzei (Bamberg) (BP) 3079A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . . 3080B Beratung des Antrags der Abg. Kiesinger, Dr. Dr. Höpker-Aschoff u. Gen. betr. Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Biersteuergesetzes (Drucksache Nr. 1264) . 3080D Kiesinger (CDU), Antragsteller . . . . 3080D Erklärung außerhalb der Tagesordnung betr. Wahl der Delegierten zur Beratenden Versammlung des Europarates: Dr. von Brentano (CDU) 3081C Nächste Sitzungen 3029C, 3081D Die Sitzung wird um 9 Uhr 12 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schäfer eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108100000
Meine Damen und Herren! Die 81. Sitzung des Deutschen Bundestages ist eröffnet. Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der fehlenden, kranken und entschuldigten Mitglieder zu verlesen.
Eickhoff (DP), Schriftführer: Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Frau Dr. Brökelschen, Dr. Gerstenmaier, Morgenthaler, Welke, Kalbitzer, Meitmann, Mißmahl, Minister Hellwege, Dr. Mühlenfeld, Dr. Bertram. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Gockeln, Dr. Henle, Ehren, Dr. Holzapfel, Kopf, Povel, Kahn, Klabunde, Henßler, Brandt, Dr. Suhr, Wönner, Dr. Middelhauve, Wallner, Niebergall. Außerdem fehlen die Abgeordneten Reimann, Rische, Renner, Vesper, Müller (Offenbach), Fisch.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108100100
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich noch einige Mitteilungen zu machen.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 26. Juli 1950 gemäß der in der 66. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 2. Juli 1950 gefaßten Entschließung über die Maßnahmen zur verstärkten Bekämpfung des Schmuggels berichtet und die Auffassung der Bundesregierung über die Einbringung von Gesetzentwürfen zur Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer dargelegt. Das Schreiben wird als Drucksache Nr. 1252 vervielfältigt.
Für die erste Woche nach der Sommerunterbrechung hat der Altestenrat die folgenden 'Termine festgelegt: Dienstag, den 29. August 1950, 15 Uhr: Altestenrat zur Festlegung der Tagesordnungen; Mittwoch, den 30. August 1950, nachmittags: Fraktionssitzungen; Donnerstag, den 31. August 1950, 14.30 Uhr: 82. Sitzung des Deutschen Bundestages; Freitag, den 1. September 1950, 9.30 Uhr: 83. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Die heutige Tagesordnung wird ergänzt durch die übliche Ubersicht über die Antrage des Ausschusses für Petitionen nach dem Stand vom 23. Juli 1950, Drucksache Nr. 1251; sie bedarf lediglich der Zustimmung des Hauses.
Dann haben wir noch eine Ergänzungswahl zu der Bestellung der Delegation für den Europarat vorzunehmen. Es war die Wahl eines Stellvertreters zurückgestellt worden. Auf Grund der interfraktionellen Vereinbarung ist als stellvertretendes Mitglied der Delegation der Herr Abgeordnete Dr. Reif vorgeschlagen. Ich bitte diejenigen, die mit dieser Nachwahl einverstanden sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe nun auf Punkt 1 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Entlassung des Bundeswirtschaftsministers Dr. Erhard (Nr. 1176 der Drucksachen).
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Schmid.
Dr. Schmid (Tübingen) (SPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Vor einigen Tagen sagte mir ein Kollege, der einer anderen Fraktion angehört, in bezug auf den Antrag, den zu begründen ich die Ehre habe: „Warum wollt ihr denn mit Kanonen nach Spatzen schießen?".

(Heiterkeit.)

Nun, lassen wir es auf sich beruhen, ob es sich bei dem Objekt dieser Anfrage um einen Spatzen handelt!

(Heiterkeit bei der SPD.)

Aber ich habe meinem Freunde — er sitzt mehr in dieser Richtung — damals gesagt: „Wenn Sie Interventionen dieser Art für einen Beschuß mit Bomben und Granaten halten, welche Waffen gedenken Sie dann ins Feld zu führen, wenn es sich einmal — nach Ihrer Auffassung — um etwas anderes als um ein Spatzenschießen handeln sollte?" Meine Damen und Herren, hier wird nicht mit Kanonen nach Spatzen geschossen; es werden hier nicht Proportionen verschoben, sondern hier wird ein Mittel in Vorschlag gebracht, das genau adäquat der Sache ist, die es heute zu bereinigen gilt.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Es gibt da etwas, was bereinigt werden muß,

(sehr wahr! bei der SPD)



(Dr. Schmid [Tübingen])

eine Sache, die nicht anders in Ehren bereinigt werden kann als im Sinne des Antrages, für den ich spreche.

(Widerspruch und Rufe von den Regierungsparteien: Oho! — Rufe rechts: Äh! Ah!)

— Da scheinen sich einige der Kollegen im Krähen geübt zu haben.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Ein anderer Kollege sagte mir: „Wollt ihr denn schon wieder eine wirtschaftspolitische Debatte auslösen?" Ich habe ihm geantwortet: „Nein, unser Antrag hat nicht den Zweck, die Qualitäten des Herrn Wirtschaftsministers einer neuen Erörterung zu unterwerfen; es soll keine wirtschaftspolitische Debatte ausgelöst werden". Ja, meine Herren — nun krähen Sie wieder; tun Sie es getrost, wenn Sie Lust haben! —, dieser Antrag hat auch nichts damit zu tun, ein bestimmtes parteipolitisches Anliegen zur Geltung zu bringen.

(Widerspruch rechts.)

Es geht dabei um etwas anderes: es geht um dieses Parlament!

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Widerspruch rechts.)

Dazu will ich sprechen, und ich hoffe, das so zu tun, daß man auf allen Bänken dieses Hauses wenigstens fühlen kann: nostra res agitur.

(Rufe rechts: Aha! — Zuruf des Abg. Aumer.)

— Herr Abgeordneter Aumer, ich habe Sie schon witziger gehört. Sie bleiben wirklich unterhalb Ihrer Talente. —

(Heiterkeit bei der SPD.)

Es geht darum, daß dieses Haus bei der Aussprache über diesen Antrag und bei der Abstimmung über ihn einmal zeigen kann, wie es sich selber einschätzt, welchen Begriff es von seinen Funktionen hat und wo es seinen politischen Ort im Koordinatensystem der Verfassung der Bundesrepublik sieht.

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

Es geht darum, ob dieses Haus glaubt, jemand auf der Regierungsbank dulden zu können, der Entscheidungen der großen Mehrheit dieses Parlaments — dem diese Regierung ja schließlich verantwortlich ist! — öffentlich als Ausflüsse der Hysterie bezeichnet hat.

(Sehr gut! bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Pfui!)

Am 17. Juli dieses Jahres hat der Herr Bundesminister Professor Dr. Erhard in München — in Ihrer Heimatstadt, Herr Abgeordneter Aumer — zu dem Beschluß des Bundestages vom 14. Juli, der die Regierung ersuchte, den Brotpreis wie bisher weiter zu stützen, erklärt: „Hier waren wieder einmal" — ich wiederhole: „wieder einmal"! — „Hysteriker als Wirtschaftspolitiker am Werk."

(Entrüstete Rufe von der SPD: Pfui!) Meine Damen und Herren! Das ist öffentlich gesagt worden, und das ist vor einem internationalen Gremium gesagt worden,


(erneute Entrüstung und Rufe bei der SPD: Pfui!)

nämlich vor der Deutsch-Belgisch-Luxemburgischen Handelskammer.

(Erneute Rufe bei der SPD: Pfui!)

Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat also dieser seiner Meinung von diesem Parlament — auch v in Ihnen, Herr Abgeordneter Aumer — eine internationale Publizität gegeben und so dieses Haus der
Weltöffentlichkeit als Halbnarren, zum mindesten aber als eine Versammlung von Psychopathen charakterisiert.

(Widerspruch rechts und bei den Regierungsparteien.)

— Halten Sie eine solche Ansprache für normal, wenn es sich um Ihre Person handelt, Herr Dr. Preusker?

(Abg. Dr. Preusker: Ich habe mich überhaupt nicht getroffen gefühlt!)

— Nein, aber andere in diesem Hause sollten damit getroffen werden.

(Wiederholte Zurufe rechts.)

— Jeder schätzt sich so ein, wie er sich bewertet.

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

Meine Damen und Herren! Man spricht viel von der Parlamentskrise in Deutschland. In diesem Lande mag der einzelne Parlamentarier Achtung genießen; das Parlament als Ganzes genießt sehr wenig Achtung. „Wer soll das bezahlen!", das ist alles, was die Existenz dieses Parlaments in den Gemütern der Wanderer auszulösen scheint, die hier vorüberziehen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

In anderen Ländern ist es umgekehrt.

(Unruhe rechts.)

Ich will Ihnen sagen, wen die Schuld trifft. In diesen Ländern mag der einzelne Parlamentarier sehr wenig Ansehen genießen, das Volk aber ehrt sein Parlament, steht zu ihm und ist stolz darauf, es zu haben.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Warum ist das so?
Gewisse Parlamente haben sich diese Achtung verdient, nicht durch fleißige Ausschußarbeit, — —

(Abg. Matthes: Nicht durch Schlägereien! — Zustimmung rechts.)

— Ach, Herr Kollege Matthes, wenn Sie da oben als Schriftführer neben mir sitzen, sind Sie viel netter! —

(Heiterkeit.)

Gewisse Parlamente haben sich diese Achtung verdient, nicht so sehr durch fleißige Ausschußarbeit
als dadurch, daß sie dem Volk je und je als Ausdruck demokratischer Selbstachtung erschienen sind,

(Sehr gut! bei der SPD)

oder dadurch, daß sie durch ihr Verhalten dem Volke je und je glaubhaft machen, daß es im Parlament einen Verteidiger hat, wenn es um Dinge geht, die ihm teuer sind. Verteidiger gegen wen? Nun, die Zeiten sind vorbei, in denen man in Ländern mit Parlamenten eine Verteidigung gegen Despotie und Dunkelmänner brauchte. Wo es das gibt, gibt es ja keine Parlamente mehr. Aber auch hier und jetzt kann das Parlament das Volk verteidigen gegen die Gewaltigen dieser Welt, wenn es darum geht, gegen sie Positionen zu verteidigen, die auch dieses Volk noch hält. Vor allem aber, meine Damen und Herren, will das Volk vom Parlament, daß dieses es verteidigt gegen „den Übermut der Ämter",

(Sehr gut! bei der SPD)

dagegen, daß in den elementaren Bereichen das Los des Volkes zum Gegenstand von Berechnungen der Bürokraten und der Tabellen der Fachleute gemacht wird, daß man es gegen eine Welt verteidigt, in der das Wort — es fiel gestern leider Gottes auch hier —„Menschenmaterial" einen Sinn hätte. Wenn ein Volk sagen kann: Gegen solches verteidigt uns das Parlament, dann wird dieses Parlament ihm ans Herz wachsen. Denn es will sein Parlament ja nicht


(Dr. Schmid [Tübingen])

sehen als ein Gremium von „Fachleuten", als eine Art diskutierender Ersatzbürokratie, nicht als ein Kollegium von Technokraten, sondern als eine Einrichtung, bei der es auch — und ich möchte sagen: vordringlich — auf das Herz ankommt.

(Sehr richtig! bei der SPD. — Sehr gut! rechts.) Nicht der tüchtige Fachmann Carnot ist es gewesen, sondern der Nichtfachmann Danton, der den Franzosen ihr Parlament liebgemacht hat. Freilich: die Entscheidungen, bei denen das Herz im Spiel ist, sind nicht gemacht, um die Fachleute zu erfreuen; das Herz stört immer, wenn man nur Tabellen zur Hand hat. Aber es ist nun einmal nicht die Aufgabe der Herren Technokraten — auch dann nicht, wenn sie Minister sind —, in einer Demokratie die Ziele zu setzen und die Impulse zu bestimmen, sondern es ist ihre Aufgabe, das was aus den Zielsetzungen des Parlaments und aus den Impulsen, die dort lebendig werden, folgt, technisch auszugestalten und zu realisieren. Können sie es nicht, dann sollen sie anderen, die sich mehr zutrauen, Platz machen.

In dem konkreten Fall, um den es sich hier handelt, ging es um den Brotpreis. Und das macht diesen Fall so gravierend. Der Brotpreis ist doch zu allen Zeiten etwas Besonderes gewesen, Herr Kollege Hammer, jenseits aller Teufelei und aller Dämonologie. Das Fleisch mag teurer werden — das empfindet jeder als bedauerlich und als eine ungute Sache; es rührt aber nicht die Tiefenschichten in den Seelen der armen Leute auf. Zu allen Zeiten jedoch ist der Ruf „Das Brot wird verteuert" ein Sturmglockenzeichen gewesen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Dieser Ruf hatte je und je und hat auch in dieser Zeit ein biblisches Pathos.

(Oho-Rufe rechts.)

— Sehen Sie das anders?

(Zurufe rechts. — Gegenruf des Abg. Dr. Schumacher: Ach Gott, ach Gott!)

Es ist sehr gut, daß Sie öffentlich bekunden, daß Sie hier anders empfinden.

(Beifall bei der SPD.)

Die Regierung hatte versprochen, es werde keine Verteuerung des Brotes und keine Verschlechterung des Brotes geben. Anderntags kam aber schon die Verteuerung, kam die Verschlechterung; zum mindesten drohten sie zu kommen. Da begriff das Parlament, was das Volk von ihm erwartete. Es rief am 14. Juli — und viele hier auf dieser Seite (nach rechts) haben da mutig mitgerufen — den Fachleuten zu: „Halt, eure Tabellen in Ehren — aber das Brot ist ein besonderes Ding, das darf nicht verteuert werden;

(Sehr gut! bei der SPD)

die Regierung muß die Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Brotpreises weiterlaufen lassen, und ihr da oben seid dazu da, die Mittel hierzu ausfindig zu machen!
Meine Damen und Herren, wer in diesen Tagen draußen dem Volk aufs Maul geschaut hat, der weiß, daß hier endlich einmal ein Echo gekommen ist.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Ich habe in Mannheim manches Mal von den Leuten dort gehört: Es hat d o c h einen Sinn, daß wir ein Parlament in Bonn haben. Es war fast so wie damals, als der Müller von Sanssouci sagte: Es gibt noch ein Kammergericht in Berlin! Die Leute sagten: Es gibt noch ein Parlament zu Bonn! Zum ersten Mal habe ich damals das Wort gehört: Unser Bundestag.

(Zustimmung bei der SPD.)

Und nun geht der Herr Bundeswirtschaftsminister hin und erklärt: „Da waren Hysteriker am Werk und keine Wirtschaftspolitiker".

(Pfui-Rufe bei der SPD.)

Nun geht der Herr Bundeswirtschaftsminister her und denunziert urbi et orbi das Parlament als eine Art Verein von Psychopathen. Ein anderer Minister soll gesagt haben — ich weiß nicht, ob es stimmt —, der Beschluß des Bundestages sei idiotisch. Sei es drum! Wenn es wahr sein sollte, paßt es ins Bild. Vielleicht sind wir dann allerdings mehr im Gebiet der Folklore oder dessen, was man heimatliches Brauchtum zu nennen pflegt.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Meine Damen und Herren! Dieses Haus wird sich fragen müssen, ob es sich eine solche Behandlung gefallen lassen will. Es geht dabei nicht darum, ob man einem Minister die Manieren nachsehen will oder nicht; auch dann nicht, wenn dieser selbe Minister in derselben Stadt München am 16. Oktober 1948 laut den „Tagesnachrichten der Verwaltung für Wirtschaft" — es ist sein eigenes Blatt — vom 18. Oktober 1948 gegenüber anderen Gremien schon einmal mit dem Wort „Hysteriker" operiert hat. Es geht darum: Ist dieses Parlament damit einverstanden, daß Minister der Bundesregierung glauben, es sei ihres Amtes, Beschlüsse des Parlaments zu zensieren?

(Sehr gut! bei der SPD.)

Mit anderen Worten: es geht darum, zu entscheiden: Wer ist wem verantwortlich, das Parlament den Ministern oder die Minister dem Parlament?

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Ich meine, daß das Grnudgesetz dieser Bundesrepublik darüber einige Aussagen macht.
Wenn das Parlament einen Beschluß faßt, dann hat die Regierung diesen Beschluß auszuführen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Tut sie es nicht und läßt dieses Parlament der Regierung dies nach, dann verrät es damit, daß es ihm an Selbstgefühl mangelt;

(Sehr richtig! bei der SPD)

dann darf es sich nicht wundern, wenn das Volk es ebenso einschätzt, wie es selber sich einschätzt. (Sehr gut! bei der SPD.)

Darum war es vielleicht auch nicht glücklich, daß dieses Haus am 20. Juli, jüngst also, gegen einen Antrag gestimmt hat, durch den festgestellt werden sollte, daß die Regierung den Beschluß des Parlaments nicht ausgeführt hat.
Meine Damen und Herren, ich habe schon ein andermal gesagt: Wenn es sich darum handelt, ob ordnungsgemäß gefaßte Beschlüsse dieses Parlaments von der Regierung beachtet oder nicht beachtet werden, dann sollte sich jeder in diesem Hause — ob er hier sitzt oder ob er dort sitzt — in erster Linie als Verteidiger der Prärogativen dieses Hauses fühlen und nicht als Eideshelfer der Regierung!

(Sehr gut! bei der SPD.)

Wenn ein Minister einen solchen Beschluß nicht verantworten kann, so mag das gute Gründe haben. Es mag vorkommen, und dabei braucht nicht der geringste Makel auf den Minister zu fallen. Aber dann muß er zurücktreten. Ein Nachfolger wird sich finden lassen. Aber statt den Beschluß des Bundestages auszuführen oder statt zu erklären, „Ich kann vor meinem Gewissen den Beschluß nicht ausfüh-


(Dr. Schmid [Tübingen])

ren", hat der Herr Bundesminister dieses Haus beschimpft. Und das ist unerträglich!

(Sehr richtig! und Beifall bei der SPD.)

Das dar f dieses Haus sich nicht gefallen lassen, nicht aus albernen Prestigeerwägungen heraus, sondern weil es hier gilt: principiis obsta!

(Zuruf: Deutsch!)

— ach, Verzeihung: „Widersetze dich den Anfängen!" — und weil es sich darum handelt, meine Damen und Herren, hier eine der Tugenden der Demokratie zu üben, jene, die da heißt: Wachsamkeit!

(Sehr gut! bei der SPD.)

Es scheint mir so, als ob bei einigen Herren des Ministeriums viel zuviel Neigung bestünde, dieses Haus als eine Art von eigentlich überflüssiger Erschwerung der Regierungsgeschäfte zu betrachten.

(Sehr gut! bei der SPD. — Zurufe rechts.)

Es ist auch völlig richtig — Herr von Rechenberg, Sie werden mir zustimmen, wir sind oft einig —, es ist auch völlig richtig: es regiert sich sehr viel bequemer ohne Störungen aus diesem Hause. Denn was wollen Sie alles wissen, meine Damen und Herren! — Fast lauter Dinge, die „Sie nichts angehen" und die die Herren Minister viel besser verstehen als wir alle. Eine parlamentarische Demokratie erschwert den Betrieb der Bürokratie; aber, meine Damen und Herren, unter sehr vielen anderen Dingen heißt Demokratie auch Verzicht auf Patentlösungen, und Demokratie heißt, diese Erschwerungen — obwohl man sie als Erschwerungen kennt — wollen, weil man weiß, daß allzu bequemes Regieren etwas kostet, nämlich die Freiheit.

(Beifall bei ' der SPD und FDP.)

Es gibt dann noch eine Reihe anderer Vorfälle, die man nur dann richtig in ihrer Gesamtheit verstehen kann, wenn man davon ausgeht, daß die Regierung glaubt, dem Parlament nicht allzuviel Achtung schuldig zu sein. Da gibt es zum Beispiel einen Brief vom 10. Juli, den der Herr Bundesjustizminister an den Ausschuß für Geld und Kredit gerichtet hat:

(Hört! Hört! bei der SPD.)

„Auf Grund eines Beschlusses des Bundeskabinetts vom 7. Juli sehe ich mich nicht in der Lage, dem Ausschuß die in Aussicht gestellten Vorschläge zur Formulierung der Beschlüsse vom 7. Mai zu übermitteln."

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Mit anderen Worten: die Bundesregierung hat beschlossen, ihren bürokratischen Apparat diesem Parlament dann nicht zur Verfügung zu stellen, wenn aus diesem Hause Initiativanträge kommen, die ihr nicht gefallen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Dieses Haus wird hier Remedur schaffen. Wenn ihm die Regierung ihren Beamtenapparat versagt, werden wir uns selber einen schaffen müssen!

(Sehr gut! und Beifall bei der SPD, der FDP und beim Zentrum.)

Und wir werden es tun.
Dann erinnere ich Sie nur an die höchst „rücksichtsvolle" Information dieses Hauses über wichtigste Angelegenheiten. Man wollte offensichtlich unsere Nerven schonen und hat uns die meisten Dinge erst dann mitgeteilt, wenn der Deckel auf dem Brunnen lag. Oder: Mitteilungen, die ein Ausschuß erbeten hat, werden lediglich zu Händen des Ausschußvorsitzenden gegeben mit der Auflage,
diese Auskünfte den Mitgliedern des Ausschusses nicht mitzuteilen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Was fängt der Ausschußvorsitzende mit solchen Mitteilungen an? Er ist doch kein Schlüssellochgucker; er will doch diese Mitteilungen haben, um den Ausschuß informieren und um eine Debatte im Ausschuß wecken zu können, eine Debatte, aus der heraus dann nützliche Anregungen an die Regierung gehen sollen!
Oder denken Sie daran, wie leer häufig die Regierungsbank ist! Noch gestern wurde Ihnen von einer Reihe von Rednern aus der Mitte des Hauses geklagt, daß die Regierung Beschlüsse dieses Parlaments nicht honoriert habe, daß sie gezögert habe, ja daß sie zögerlich gehandelt habe, weil ihre diese Beschlüsse nicht in den Kram paßten, obwohl das Volk wartete: beim Mitbestimmungsrecht, beim Versorgungsgesetz, beim Lastenausgleich!
In dies e Zusammenhänge, meine Damen und Herren, gehört der Ausspruch des Herrn Bundeswirtschaftsministers. Wenn sich das Haus eine solche Behandlung und eine solche Einschätzung gefallen lassen will, gut! Es wird aber dann die Folgen zu tragen haben; denn das Volk wird das Parlament so einschätzen, wie dieses sich selber einschätzt und dann, meine Damen und Herren — und hier wird die Sache bedenklich —, werden Kräfte aufstehen und Gehör finden, die zu primitiven oder elementaren Lösungen mehr Vertrauen haben als zu konstitutionellen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Wenn das Haus das nicht will — und es dar f das nicht wollen —, wenn es begreift, daß Demokratie die politische Ausdrucksform des Willens eines Volkes zur Selbstachtung ist, dann wird es sich diese Behandlung vom Herrn Bundeswirtschaftsminister nicht gefallen lassen können, sondern wird dagegen Front machen müssen.

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

Aber hier genügt nicht ein platonischer Protest. Ich sage Ihnen — und ich meine es ohne jeden Sarkasmus, sondern so, wie es gesagt ist —: man sollte dem Herrn Bundeswirtschaftsminister gegenüber soviel Achtung aufbringen, daß man ihm zumutet, für seine Worte in angemessener Weise einzustehen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Denn was hier geschehen ist, ist keine Bagatelle, ist nicht eine bloße Entgleisung, sondern ist der Ausdruck einer Gesinnung gewesen,

(lebhafte Zustimmung bei der SPD)

das ist der Ausdruck einer politischen Haltung gewesen,

(Sehr gut! bei der SPD)

das ist der Ausdruck einer Staatsgesinnung gewesen, die nicht demokratisch ist.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Widerspruch und erregte Zurufe in der Mitte.)

Meine Damen und Herren, wir haben in Art. 98 des Grundgesetzes — —

(Große Unruhe. — Pfeifen. — Rufe in der Mitte: Frechheit! — Wiederholtes Glockenzeichen des Präsidenten. — Erregte Rufe und Gegenrufe in der Mitte und links.)

Meine Damen und Herren, wir haben in Art. 98 des Grundgesetzes eine Bestimmung, die sich auf die Richter, also auf die Organe unseres Staates bezieht,

(anhaltende große Unruhe)



(Dr. Schmid [Tübingen])

die Gott sei Dank unabhängig und unabsetzbar sind. In diesem Artikel steht, daß ein Richter dann der Richteranklage unterworfen werden kann, wenn er innerhalb oder außerhalb des Dienstes gegen die demokratischen Grundsätze dieser Bundesrepublik verstößt. Wir haben diesen Satz damals im Parlamentarischen Rat einstimmig dahin definiert: ein solcher Verstoß liege dann vor, wenn der Richter ohne kriminelles oder disziplinäres Verschulden durch sein Verhalten zeigt, daß er nicht von dem demokratischen Pathos getragen ist, das diesem Staat zugrunde liegen soll.

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

Wenn ein Richter diese Worte gebraucht hätte, dann, meine Damen und Herren, hätte man ihn unter die Richteranklage gestellt,

(Sehr richtig! bei der SPD; — lebhafter Widerspruch in der Mitte)

und das Bundesverfassungsgericht hätte ihn verworfen.

(Erneuter lebhafter Widerspruch in der Mitte.)

Hier muß klar zum Ausdruck gebracht werden, daß Männer von solcher politischer Grundgesinnung — mögen sie sonst so ehrenwert sein wie auch immer — auf der Regierungsbank nichts zu suchen haben;

(Zustimmung bei der SPD)

denn dorthin gehört nur, wer zutiefst davon überzeugt ist, daß die Staatsgewalt vom Volk ausgeht,
daß das Parlament dieses Volk vergegenwärtigt und
daß, wer das Parlament beschimpft, das Volk trifft.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Darum schlagen wir Ihnen, meine Damen und Herren, vor, Sie möchten beschließen, den Herrn Bundeskanzler zu ersuchen, dem Herrn Bundespräsidenten die Abberufung des Herrn Bundeswirtschaftsministers vorzuschlagen. Der Herr Bundespräsident hat Respekt vor der Verfassung; er weiß, was demokratische Selbstachtung gebietet, und er weiß auch, wie teuer es zu stehen kommt, wenn die Zeit eines Tages die Rechnung für verpaßte Gelegenheiten präsentiert. Er wird, wenn das Haus so beschließen sollte, wie es das — ich sage es noch einmal — seiner Ehre schuldig ist, der Empfehlung des Herrn Bundeskanzlers Folge leisten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und beim Zentrum.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108100200
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Aussprache über den vorliegenden Antrag eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vor. — Ich höre keinen Widerspruch, nehme also Ihre Zustimmung zu dieser Regelung an.
Zunächst hat das Wort der Herr Bundeswirtschaftsminister.

(Zuruf links: Der Angeklagte trete vor!)


Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0108100300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, zu dieser Demonstration der SPD mit gleich großen Worten um eine banale Sache zu sprechen.

(Erregte Zurufe von der SPD: Unerhört! — Klappen mit Pultdeckeln. — Glocke des Präsidenten.)

Meine Damen und Herren, ich glaube, daß in dieser Zeit stärkster weltpolitischer Spannung – —

(Erregte Zurufe von der SPD. – Große Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108100400
Meine Damen und
Herren! Ich muß doch darauf aufmerksam machen, daß es

(Zuruf links: Er soll sich anders benehmen!) auch zur Haltung und Geltung des Parlaments gehört, daß jeder die Auffassung des andern ruhig und sachgemäß anhört.


(Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts. — Abg. Dr. Schumacher: Warum haben Sie das nicht vor einer Viertelstunde gesagt?)


Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0108100500
Ich glaube, daß in dieser Zeit stärkster weltpolitischer Spannung diese Hohe Haus, die Regierung und alle Abgeordneten vor dem deutschen Volk vor allen Dingen die Verpflichtung haben, Zeichen ruhiger Besinnung und einer festen Haltung zu geben.

(Lebhafte Zurufe von der SPD.)

Meine Damen und Herren, Sie sprachen vorhin von Weltöffentlichkeit und von deutscher Öffentlichkeit. Lassen Sie mich Ihnen sagen, daß die Weltöffentlichkeit und das deutsche Volk für derlei Demonstrationen nach meiner festen Überzeugung nicht das geringste Verständnis haben.

(Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts. — Abg. Dr. Schumacher: Aber mit Frechheit allein können Sie es doch auch nicht machen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle ausdrücklich fest: Ich habe weder eine Institution noch eine Fraktion noch eine Person angesprochen, und ich habe vor allen Dingen nicht vor einem internationalen Forum, sondern vor deutschen Industriellen gesprochen, die am Außenhandel mit Belgien und Luxemburg interessiert sind,

(Zuruf von der SPD: Um so schlimmer!)

Ich habe in einer Aussprache mit meinen Freunden
diese Dinge in wenigen Minuten bereinigt gehabt,
weil nur etwas guter Wille dazu gehört, um zu verstehen, was sich hier abgespielt hat. Es lag mir
völlig fern, irgendeine Fraktion, eine Institution
oder eine Person zu beleidigen; es konnten sich ja
ebensogut zwei Leute angesprochen fühlen wie 402.

(Aha! bei der SPD. — Abg. Dr. Schumacher: Das ist erbärmlich!)

Ich sagte, ich habe nicht die Absicht, lange darüber zu sprechen.

(Abg. Mellies: Das ist auch besser! — Zuruf von der SPD: Weil Sie nichts zu sagen haben!)

Es ist auch sehr wenig dazu zu sagen, aber es ist
geradezu grotesk, wie dieser Fall einmal hier zu
grundsätzlichen Fragen staatsrechtlicher Art aufgebauscht wird, obwohl ich auch dazu feststellen
möchte, daß ich das Grundgesetz in allen seinen
Teilen stets gewissenhaft gehalten habe und daß
ich mich vor allen Dingen immer bemühte, zwischen
meinem Ministerium und dem Bundestag in allen
Teilen und zu allen Ausschüssen das beste Einvernehmen und die engste Zusammenarbeit zu wahren.

(Lebhafter Beifall bei der CDU.)

Die Verhältnisse aber werden da auf den Kopf gestellt. Ich werde gewissermaßen als der Vertreter einer Bürokratie gebrandmarkt, die in einem Gegensatz zu dem lebendigen Leben, zu den Menschen mit Herz stünde. Ich habe bisher immer die Erfahrung gemacht, daß ich wohl mehr als jeder andere in diesem Hause alles getan habe, um den Übermut der Bürokratie zu brechen,

(Sehr richtig! bei der CDU)

gegen Ihren Willen, meine Herren (nach links)! (Lebhafter Beifall bei der CDU.)


(Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wird niemand hier sein, der etwa der Meinung ist, hier stünden wirklich so große staatspolitische Prinzipien, hier stünden sogar die Ehre und die Würde dieses Hauses auf dem Spiel,

(Abg. Dr. Schumacher: Haben Sie das Parlament beschimpft?)

und ich wäre gewissermaßen der erste gewesen, der sie verletzt hätte. Ich muß Ihnen sagen: soweit ich mit der SPD und ihren Vertretern in Berührung gekommen bin, habe ich nicht den Eindruck gehabt, daß sie sich durch besondere Zartheit der Sprache und des Ausdrucks ausgezeichnet haben.

(Lebhafte Zustimmung bei der CDU. — Abg. Dr. Schumacher: Denken Sie an den letzten Wahlkampf!)

Wenn die Würde des Hauses verletzt worden ist, Herr Dr. Schumacher,

(Abg. Dr. Schumacher: S i e sind der größte Schimpfbold!)

dann haben Sie es mit der Erklärung „Bundeskanzler der Alliierten" viel mehr getan,

(lebhafter Beifall bei der CDU)

und Sie haben die Abgeordneten der Regierungsparteien, mit deren Stimmen der Kanzler gewählt worden ist, damit persönlich beleidigt,

(Abg. Wehner: Warum kneifen Sie, Herr Erhard?)

während ich niemand angesprochen habe. Sie werden es ja auch niemand begreiflich machen,

(erneuter Zuruf von der SPD: Warum kneifen Sie, Herr Erhard?)

daß dahinter tatsächlich die Absichten stehen, die Professor Schmid vorgetragen hat. Nein, meine. Damen und Herren, Sie wollen einen Mann be seitigen, der Ihnen mit Erfolg Widerstand geleistet hat!

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schumacher: Wir haben Sie noch nie als einen Mann angesehen!)

Meine Damen und Herren! Ich kann zum Schluß und will zu Ihrem Antrag nur das eine sagen: Das könnte Ihnen so passen!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der DP. — Erregte Zurufe von der SPD. — Große Unruhe links.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108100600
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Brentano.

(Zuruf links: Zum Tatbestand sprechen!)


Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0108100700
Meine Damen und Herren! Es ist nicht ganz einfach, in dieser Stimmung, in die das Haus geraten ist, zu einer solchen Frage noch sachlich Stellung zu nehmen. Ich hätte es begrüßt, wenn wir — und das möchte ich Herrn Kollegen Schmid ehrlich sagen – doch vielleicht einen besseren Anlaß benutzt hätten, um uns einmal über die Aufgaben und die Prärogativen des Parlaments zu unterhalten.

(Sehr gut! bei der CDU. — Zuruf von der SPD: Bessere Minister stellen!)

Ich werde auf die Äußerung, die Herr Minister Erhard gemacht hat, eingehen; ich erlaube mir aber, eines zu sagen, das uns alle angeht, daß wir vielleicht alle, die wir hier im Hause sitzen, etwas dazu beigetragen haben, die erste Prärogative des Parlaments zu verletzen, nämlich einen echten parlamentarischen Stil zu schaffen.

(Ah! Ah! bei der SPD.)

— Ja, ich glaube, daß gerade der Ruf, der eben kam, mir beweist, daß ich recht habe.
Der Herr Kollege Schmid hat dann gesagt, es sei die Aufgabe des Parlaments, das Volk gegen die Gewaltigen dieser Erde zu verteidigen. Erstens meine ich doch, daß diese Ausdrucksform etwas zu viel Pathos in sich birgt!

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Zum zweiten weiß ich nicht, ob der Herr Kollege Schmid damit sagen wollte, daß er meinen Freund Erhard zu den Gewaltigen dieser Erde rechnet.

(Heiterkeit bei der CDU. — Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Das wäre ein Mißverständnis!)

Ich glaube nicht, lassen Sie mich das hier einmal sagen, daß durch eine Äußerung, wie sie Herr Professor Erhard in München getan hat, etwa die Ehre des Parlaments oder der Parlamentarier angegriffen wird, dann nämlich nicht — und darin bin ich nicht Ihrer Meinung, Herr Kollege Schmid —, wenn aus dieser Äußerung nicht etwa eine subversive Staatsgesinnung spricht.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Subversiv nicht!)

Aber wenn Sie sagten, aus dieser Äußerung spricht eine innere Haltung, eine Staatsgesinnung,

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]:: Staatsgesinnung!) dann, meine Damen und Herren, muß ich Ihnen sagen, diesen Vorwurf gegenüber einem Minister zu machen, der den Eid auf die Verfassung geleistet hat, der Ihnen vielleicht unbequem ist, der Ihnen aber bisher keinen Anlaß gegeben hat, an seiner Gesinnung zu zweifeln,


(Sehr richtig! bei der CDU)

halte ich aus diesem Anlaß für nicht berechtigt.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Wie ich die Äußerung gelesen habe, habe ich — das dürfen Sie mir glauben — auch die Stirne gerunzelt und mich gefragt, ob es die Aufgabe eines Mitglieds des Kabinetts sei, Zensuren zu erteilen.

(Zuruf von der SPD: Er grinst darüber!)

Nein, ich glaube es nicht. — Ich habe dann in der ersten Fraktionssitzung Herrn Minister Erhard gebeten, zu diesen Dingen Stellung zu nehmen, und habe ihm gesagt, wie ich selbst und ein großer Teil meiner Fraktion darüber denken. Aber wie Ihnen Herr Minister Erhard sagte, hat es nur einer kurzen Aussprache bedurft, und ich glaube, wenn hier der gute Wille wäre, wäre es auch in einer kurzen Aussprache erledigt.
Meine Damen und Herren, es geht hier nicht um die Ehre des Volkes — das ist auch zu viel des Pathos —, und ich lehne die Feststellung ab, wir seien es uns selbst um unserer Ehre willen schuldig,

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Sehr richtig!)

hier wegen einer solchen Äußerung etwa ein Mißtrauen gegen einen Minister auszusprechen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wir wollen nicht allzu fein, nicht allzu zart besaitet sein. Ich glaube, es geht, wenn wir die Demokratie schaffen wollen, nicht darum, daß wir die Worte auf die Goldwaage legen.

(Widerspruch bei der SPD.)

Es geht wohl darum, daß wir jede Gesinnung bekämpfen, die sich gegen den Staat richtet. Wenn


(Dr. von Brentano)

Sie das tun, meine Damen und Herren, werden Sie alle unsere Freunde auf Ihrer Seite haben.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Nicht den Staat als Organisation!)

Wenn Sie aber einen Vorgang von äußerer und, wie ich glaube, peripherer Bedeutung zum Anlaß nehmen, um eine Haupt- und Staatsaktion zu starten, wenn Sie glauben, daß hier wegen dieses Anlasses etwa ein staatspolitischer und verfassungsrechtlicher Streit zwischen dem Kabinett und dem Parlament ausgetragen werden müsse, dann, meine Damen und Herren, werden wir Ihnen nicht folgen. Ich persönlich glaube, daß man den Antrag der SPD nach den Erklärungen des Herrn Ministers Erhard für erledigt erklären kann.

(Lebhafter Beifall in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Das ist der ganze parlamentarische Stil! Das ist eine Frechheit! — Abg. Schoettle: Herr Präsident!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108100800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Euler. 8 Minuten.

August-Martin Euler (DP):
Rede ID: ID0108100900
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine politischen Freunde wünschen zum Ausdruck zu bringen, daß diese Debatte auf der Regierungsbank sehr ernst genommen werde. Wenn irgend etwas in dieser Zeit geeignet ist, die Demokratie in den Augen des Volkes herabzusetzen, dann sind es in der Tat unvorsichtige, nicht den strengsten Anforderungen gerecht werdende Äußerungen der Minister in der Öffentlichkeit. Das möchten wir unumwunden sagen.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Wenn wir uns in starkem Maße bemüht haben, in diesem Hause eine Form herzustellen, die dem in dieser Zeit sehr angebrachten strengen Anspruch des Volkes an seine Abgeordneten entspricht, dann, müssen wir sagen, sollte das um so mehr das Anliegen der Männer sein, die nun, mit dem Ausdruck des besonderen Vertrauens dieses Hauses beladen, die Ministertätigkeit ausüben.

(Sehr wahr! bei der FDP.)

Wir möchten schon, daß das Volk in seinem Vertrauen und in seinem Respekt gegenüber der Regierung durch eine Art der Äußerungsform der
Minister in der Öffentlichkeit gestärkt wird, die das
Vertrauen geradezu nötig macht. Wir haben immer
wieder draußen in der Bevölkerung feststellen können, wie empfindliche Reaktionen es auslöst, wenn
Minister in ihren Reden — man kann sich fragen,
ob diese Reden nicht zu häufig gehalten werden —

(Sehr gut! bei der SPD)

diese strengen Ansprüche, die das Volk mit Recht stellt, nicht befriedigen.
In diesem Zusammenhang halten wir auch die weiter angesprochenen Themen über die Behandlung von Initiativanträgen seitens der Regierung und die verzögerte Ausführung von Beschlüssen — gerade solcher Beschlüsse, an denen auch den Regierungsparteien außerordentlich viel gelegen war — für sehr bedeutungsvoll.
Wenn ich all dieses als den sachlichen Kern dessen, was hier heute der Regierung an Mahnung zuzurufen ist, voranstelle, dann lassen Sie mich weiter sagen, daß der sozialdemokratische Antrag trotz dessen, was an den Äußerungen von Minister Dr. Erhard in München zu beanstanden ist, trotz dessen, daß es richtig war, das Thema hier zur Sprache zu bringen und der Regierung eine Mahnung zuzurufen, unangemessen ist. Denn niemand wird bestreiten — und es wird auch vielen Ihrer Anhänger daußen im Lande so gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie —, daß ein Minister von den Verdiensten Professor Dr. Erhards und ein Minister von einer so unzweifelhaften positiven Staatseinstellung und einer so unzweifelhaften demokratischen Gesinnung nicht deshalb zum Rücktritt gezwungen werden kann, daß man — mit Recht — sagen mag, er habe bei einer seiner Reden Formulierungen gefunden, die nicht verteidigt werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie begegnen da mit einem unangemessenen Verlangen einem Mann, dessen Äußerungen in diesem Falle weniger deplaciert waren als die Äußerungen Ihrer maßgeblichen Führer gegenüber Regierungsmitgliedern und gegenüber der Tendenz der Regierungspolitik, wie Sie sie eigentlich fortgesetzt in die Öffentlichkeit setzen.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.) Ich erinnere an die üblen Motive, die Sie den Regierungsparteien und den Ministern unausgesetzt in der Öffentlichkeit unterschieben. Es vergeht fast keine Woche, ohne daß von Ihrer Seite Äußerungen in die Öffentlichkeit gesetzt werden, die den Ministern und den Regierungsparteien den guten Willen, die gute Absicht absprechen. Wenn es irgend etwas Diffamierendes gibt, wenn es irgend etwas gibt, was darauf angelegt ist, in der Bevölkerung — wenigstens in Teilen der Bevölkerung — den Glauben an die Achtbarkeit des politischen Gegners zu zerstören, dann ist es das Verhalten, das Ihre maßgeblichen Sprecher dauernd in der Öffentlichkeit unter Beweis stellen. Schon aus diesem Grund sehen sich meine Freunde nicht imstande, Ihren Antrag zu unterstützen.


(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108101000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0108101100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fühle mich weder sachlich noch aus der Situation heraus in der Lage, die staatsrechtlichen Überlegungen weiterzuspinnen, die mein Parteifreund Carlo Schmid hier angestellt hat. Ich möchte ganz persönlich und menschlich zu der Frage Stellung nehmen. Ich habe heute morgen in der sozialdemokratischen Fraktion einen einstimmigen Beschluß herbeigeführt, der ein Mitglied unserer Fraktion zwingt, sich gegenüber einem Mitgliede dieses Hauses für einen Zwischenruf zu entschuldigen, der gestern in diesem Hause gefallen ist.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Euler: Das haben wir sehr begrüßt!)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat öffentlich vor einem viel größeren Forum als diesem Bundestag, nämlich durch die ganze Presse verbreitet, gegenüber diesem Hause eine Taktlosigkeit begangen. Anstatt sich hier vor diesem Hause zu entschuldigen, hat er geglaubt, er könne mit einer Retourkutsche aufwarten. — Das ist das, was ich aufs tiefste bedaure und für schädlich halte.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108101200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.

Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0108101300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

(Große Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)



Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108101400
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe. Gerade wenn der Gegenstand ernst ist, ist auch . eine gewisse Ruhe angebracht.

Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0108101500
Regieren ist eine Kunst, und Opposition machen vielleicht eine noch größere Kunst.

(Heiterkeit.)

Seit Monaten wird in diesem Hause erheblich viel Zeit damit verloren, daß Anträge von der Opposition eingebracht werden, denen die finanzielle Deckung oder die praktische Durchführungsmöglichkeit in vielen Punkten fehlt. Dies und ebenso die Form der Auseinandersetzung, wie sie in diesem Hause oft in ernsten Fragen stattfindet, eine Auseinandersetzung, die oft ein Moment persönlicher Gereiztheit enthält, was vollkommen überflüssig ist — alles das trägt nicht unerheblich dazu bei, daß das Ansehen des Parlamentes im Volk in Frage gestellt wird.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Meine Fraktion, meine Freunde wenden sich in dieser Stunde, die sie für außerordentlich ernst für
unser ganzes Vaterland halten, mit einem dringenden Appell an alle, daß hier unsere Auseinandersetzung, jene Spannung — jene gesunde Spannung,
die zwischen Regierung und Opposition statthaben
muß — in Formen abläuft, die auf der persönlichen
Achtung eines jeden gegenüber dem anderen beruht.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen): Bestreiten Sie

das unserem Antrag?)
Wir können uns diesem Antrage nicht anschließen.

(Zuruf von der SPD: Sicher!)

Das Volk wünscht jetzt in dieser Stunde einen klaren Kurs. Hier handelt es sich um den Mann, dessen Konzeption die vielleicht wirksamste praktische Widerlegung in der Welt gebracht hat. daß mit plan- und zwangswirtschaftlichen Konzeptionen ein Wiederaufbau der Wirtschaft nicht möglich ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe bei der SPD. — Abg. Mellies: Ist das ein und dasselbe?)

Wir wenden uns dagegen, daß in der Auseinandersetzung um diese Idee ein Grund vorgeschoben wird,

(Zuruf von der SPD: Ach nee!)

der in gar keinem Verhältnis zu dem Ernst und der Tragweite dieser Frage steht.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Beifall rechts.)

Es ist das gute Recht, ja die Pflicht des Parlaments, Kritik an einem Minister zu üben. Es ist aber ebenso das Recht eines Ministers, Kritik an den Ideen und Konzeptionen zu üben, die in einem Parlament geäußert werden.

(Zurufe links.)

Dazu noch ein weiteres. Beschlüsse des Parlaments sind meiner Ansicht nach für eine Regierung nur dann bindend, wenn sie in Gesetzesform ergehen. Alles andere bedeutet eine Anregung zur Erwägung, wie im Rahmen des praktisch Möglichen

(Zurufe und Widerspruch bei der SPD)

die Dinge geordnet werden können. Der Vertreter
der Sozialdemokratie hat Respekt vor der Ver-
fassung und vor dem Geiste dieses Grundgesetzes
gefordert. Wir fordern diesen Respekt desgleichen.
Man kann einer Regierung in ihrer Handlungsfreiheit
nicht mehr auferlegen als das, was die Verfassung
verlangt. Man kann der Regierung nicht in Form
von schnellgefaßten Beschlüssen durch Zufallsergebnisse der Abstimmung und der schwankenden Stimmungen etwas abzwingen wollen, dem die reale Grundlage fehlt.

(Dauernde Zurufe von der SPD. — Anhaltende Unruhe.)

Dazu kommt ein weiteres. Der Antrag, so wie er hier gestellt ist, bedeutet eine Umgehung der Artikel 67 und 68 des Grundgesetzes, die darauf abgestellt sind, eine Stabilität des parlamentarischen Systems zu ermöglichen, und diese Stabilität haben wir besonders in diesem Moment nötig.

(Beifall bei den Regierungsparteien und rechts.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108101600
Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul.

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0108101700
Meine Damen und Herren! Der Anlaß, der den Antrag und die De batte des heutigen Tages ausgelöst hat, ist kennzeichnend für die gesamte Situation, und die Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers in München und an anderer Stelle des Westens Deutschlands sind gleichfalls bezeichnend für die Kinderstube, aus der er hervorgegangen ist.

(Hört! Hört! — Lebhafte Zurufe und Unruhe rechts.)

Er ist würdig, Mitglied dieses Hauses zu sein! Die Mehrheit des Hauses hat sich ja gestern noch ganz anders, noch viel flegeliger benommen.

(Hört! Hört! — Lebhafte Zurufe: Unerhört! — Unruhe und Pultdeckelklappen rechts. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108101800
Herr Abgeordneter Paul, Sie haben soeben mit einem Schimpfwort die Gesamtheit dieses Hauses bedacht. Ich rufe Sie zur Ordnung!

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0108101900
Das können Sie machen!

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108102000
Herr Abgeordneter Paul, ich muß Sie dringend davor warnen, an meinen Maßnahmen irgendwelche Kritik zu üben; die steht Ihnen in dieser Form nicht zu.

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0108102100
Eine Kritik am Präsidenten ist einem Abgeordneten sehr wohl erlaubt.

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108102200
Nein!

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0108102300
Ich hätte erwartet, daß der Präsident gestern jene Ausdrücke des Herrn Strauß wie „Mörderbande, Schweinebande" usw. gerügt hätte. Das ist nicht geschehen.

(Abg. Strauß: Wenn einer hier den politischen Mord verteidigt! — Glocke des Präsidenten.)

Ich stelle das sachlich fest, weil damit jene Schule gekennzeichnet ist, aus der der Herr Wirtschaftsminister hervorgegangen ist.

(Lachen und große Unruhe rechts. — Zurufe rechts: Raus!)

Herr Professor Erhard ist unter den werktätigen Massen bereits ein Begriff geworden.

(Abg. Kunze: Gott sei Dank!)

Er ist ein Begriff geworden für Brotpreiserhöhungen,

(Sehr wahr! links)



(Paul [Düsseldorf])

für Androhung von Mietpreiserhöhung, für die Steigerung der Arbeitslosigkeit, für die Sabotage des Ost-Westhandels und für den Ausverkauf unserer Wirtschaft an den amerikanischen Monopolkapitalismus.

(Heiterkeit und Zurufe rechts.)

Der Herr Wirtschaftsminister hat sich mehr als einmal erlaubt, die Forderungen der größten Organisation des werktätigen Volkes, nämlich der Gewerkschaften, zur Politik der Vollbeschäftigung lächerlich zu machen. In Hamburg und an anderen Stellen hat er erklärt, das sei Unsinn, das sei illusionär; Vollbeschäftigung bedeute nur eine Kaufkraftverfälschung usw. Ein solcher Wirtschaftsminister muß verschwinden, wenn das werktätige Volk nicht noch weitere Lasten der Spaltungspolitik tragen soll.

(Zurufe rechts.)

Ich wundere mich allerdings darüber, daß die Sozialdemokratische Partei diesen Mißtrauensantrag gegen den Wirtschaftsminister Erhard nur wegen der in München gefallenen Ausdrücke stellt. Ich wundere mich darüber um so mehr, als es im werktätigen Volk nur eine einheitliche Auffassung darüber gibt, daß der Wirtschaftsminister eben ein Teil dieser volksfeindlichen Adenauer-Regierung ist.

(Zurufe rechts: Pfui!)

Viel leichter würde es heute sein, diese Regierung und einen solchen Minister zu stürzen, wenn die sozialdemokratische Fraktion im Parlamentarischen Rat nicht mit den übrigen bürgerlichen Fraktionen im Grundgesetz solche Fesseln verankert hätte, die praktisch eine Abberufung eines einzelnen Ministers unmöglich machen. Man sollte den Mißtrauensantrag auf die ganze Regierung ausdehnen.

(Widerspruch und Zurufe rechts.)

Die Regierung — darüber bin ich mir allerdings im klaren — wird durch dieses Parlament nicht gestürzt werden. Sie kann machen, was sie will. Solange sie die Interessen des Großkapitals und der Junker vertritt, solange wird sie die Unterstützung auch aller Hörigen des Monopolkapitals und der Junker finden.

(Zuruf rechts: Das ist ja Geschwafel!)

Aber im außerparlamentarischen Kampf der Massen ist noch nicht das letzte Wort gesprochen.

(Sehr wahr! links.)

Die Streiks und Bewegungen der Arbeiter gegen die Brotpreiserhöhung und gegen die übrigen volksfeindlichen Maßnahmen der Regierung zeigen den ansteigenden Willen der Massen, nunmehr mit einer Regierung und mit einer Politik Schluß zu machen, die einzig und allein darauf abzielt, alle Lasten des Krieges, alle Lasten der Spaltung Deutschlands und des Kolonialregimes auf die Schultern der breiten Volksmassen abzuwälzen. Wir werden den Mißtrauensantrag der sozialdemokratischen Fraktion gegen Professor Erhard unterstützen. Wir sind allerdings der Meinung, daß nicht nur er, sondern die ganze Regierung verschwinden muß, damit endlich der Weg für eine Neuordnung auch Westdeutschlands freigemacht wird

(Zuruf rechts: Noch lauter!)

im Sinne einer echten Demokratie, im Sinne der
demokratischen Volksrechte und mit dem Ziel der
Wiedervereinigung Deutschlands und der Sicherung des Friedens.

(Lebhafter Beifall hei der KPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108102400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0108102500
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zentrumsfraktion ist heute morgen in abwartender Haltung in diese Sitzung gekommen. Wir waren der Ansicht. zunächst einmal müsse vor dem Hause geklärt werden, was der Wirtschaftsminister Erhard wirklich gesagt hat. Die Klärung hat stattgefunden, überraschend einfach. Er hat nämlich zugegeben, daß er das gesagt hat, was ihm vorgeworfen wird. Dann hätten wir erwartet, er werde dazu in einer Weise Stellung nehmen, die vielleicht geeignet sein würde, die berechtigte Empörung der Mitglieder dieses Hauses zu beschwichtigen, und zwar dadurch, daß er gesagt hätte, es sei ihm im Eifer des Gefechts eine Äußerung entflohen, bei der er sich nicht darüber klar geworden wäre, in wie ungeheurer Art und Weise sie das Ansehen der Mehrheit dieses Hauses und auch seiner eigenen Fraktionsangehörigen berühre.

(Sehr gut! beim Zentrum und links.)

Das hat er aber nicht getan, sondern er hat obendrein diejenigen, die sich beleidigt fühlten, heute dadurch noch mehr beleidigt, daß er ihnen einen Vorwurf daraus gemacht hat. Nunmehr sehen wir uns allerdings nicht mehr in der Lage, zu glauben, daß dieser Minister ein Repräsentant dieses Hauses sein kann — denn das ist doch die Regierung — und daß er länger ein Repräsentant des Volkes sein kann, der in der Lage ist, getreulich die Beschlüsse, die das Haus faßt, auch dann auszuführen, wenn sie ihm einmal nicht passen.
Das sind die Konsequenzen, die die Zentrumsfraktion aus dem bisherigen Verlauf dieser Debatte heute morgen zieht.

(Beifall beim Zentrum und bei der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108102600
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.

Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0108102700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine vorigen Ausführungen waren der Ausfluß der Ausführungen von Herrn Professor Carlo Schmid.

(Zuruf von der SPD: Nanu!)

Nachdem mich Herr Abgeordneter Schoettle persönlich angesprochen hat, möchte ich noch einmal das wiederholen, was ich erklärt habe. Ich sagte ausdrücklich, ich habe weder dieses Hohe Haus im ganzen noch irgendeine Fraktion noch irgendeine Person angesprochen.

(Zurufe links.)

– Bitte, meine Herren, lassen Sie mich zu Ende reden. Ich wollte lediglich zum Ausdruck bringen, daß hier im Zusammenhang mit dem ganzen Problem, das da zur Lösung anstand, Kräfte am Werke waren, die nicht mit der nach meiner Auffassung notwendigen ruhigen Überlegung an diese schwierige Aufgabe herangegangen sind. Wenn ich also sage, daß ich weder das Haus noch eine Fraktion noch eine Person angesprochen habe — und das ist ja aus den Ausführungen deutlich zu lesen —, dann kann jeder daraus schließen, daß mir die Absicht fernlag, das Hohe Haus oder eine


(Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard)

Fraktion oder eine Person im speziellen zu kränken.

(Abg. Schoettle: Dann entschuldigen Sie sich, zum Donnerwetter nochmal! — Zurufe von der SPD: Das ist doch mehr als kümmerlich! — Erbärmlich!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108102800
Meine Damen und Herren! Ich bitte doch, die Unruhe auf ein verständiges Maß zu beschränken.
Daß Schlußwort für die Antragsteller hat Herr Abgeordneter Dr. Schmid.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108102900
Meine Damen und Herren! Ich habe einige Worte des Widerspruches zu den Ausführungen des Herrn Kollegen von Merkatz zu sagen. Herr Kollege von Merkatz ist der Meinung, daß die Regierung aus diesem Hause nur Anregungen bekomme, daß dieses Parlament also nicht die Befugnis habe, durch Beschlüsse die Regierung zu verpflichten. So kann man denken, wenn man ein Konservativer ist, der Herr von Merkatz ja ist; das ist durchaus kein Vorwurf, Herr von Merkatz. Aber es entspricht, glaube ich, nicht mehr dem, was man heutzutage unter einer parlamentarischen Demokratie versteht und verstehen sollte!

(Zustimmung links.)

Es ist nämlich nicht so — wie die Konservativen meinen —, daß alle Rechtsvermutungen für die Obrigkeit sprechen, sondern die Vermutung spricht für die Staatsgewalt, die vom Volke ausgeht,

(Sehr richtig! links)

und die Obrigkeit — das ist die Regierung — hat genau die Befugnisse, die dieses Haus ihr gibt – auf der Grundlage der Verfassung —, und die Verfassung gibt ausreichende Grundlagen für Beschlüsse, die die Regierung verpflichten. Das ist das eine.
Das Zweite: Es ist richtig, auch in diesem Hause fallen oft böse Worte und sind oft böse Worte gefallen. Aber, meine Damen und Herren, das ist eine Angelegenheit unter uns, eine Sache, die wir unter uns regeln auf Grund der disziplinarischen Befugnisse des Herrn Präsidenten

(Zuruf von der KPD: Ihres Mißbrauchs!) und dadurch, daß wir uns, wenn der Anlaß gegeben ist, voreinander entschuldigen.

Hier liegt etwas anderes vor, hier handelt es sich nicht um eine Angelegenheit unter uns, denn der Herr Bundesminister hat nicht als Abgeordneter dieses Hauses in diesem Hause gesprochen, sondern als Minister vor diesem Hause. Es handelt sich also um die Frage — und um nichts anderes —: Kann die Regierung das Parlament zensurieren oder kann umgekehrt das Parlament der Regierung Zensuren erteilen?
Meine Damen und Herren! Ich muß gestehen, wenn der Herr Bundesminister sagt: Ich habe Sie ja gar nicht gemeint, ich habe nur von Kräften gesprochen, die sich hier ausgewirkt haben, — dann tut es mir leid, daß er diesen Weg gewählt hat.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Er hat doch von dem Beschluß des Bundestags gesprochen,

(Sehr richtig! bei der SPD)

und er hat gesagt: „hier waren Hysteriker als
Wirtschaftspolitiker am Werk!" Er hat dabei doch
nicht von Geistern gesprochen, sondern von Menschen von Fleisch und Blut, von Ihnen hier in diesem Saal!

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wenn er auch den Namen „Bundestag" nicht genannt hat, wenn er auch keine Fraktion, keine Person genannt haben mag, so hat er doch den Beschluß des Bundestages gemeint und damit dieses Haus selbst.

(Lebhafte Zustimmung links.)

Meine Damen und Herren, wenn sich der Herr Bundeswirtschaftsminister hier entschuldigt hätte, nun, dann hätte man die Sache erledigen können.

(Abg. Ritzel: Das wäre mannhaft gewesen!)

Er hat sich aber nicht entschuldigt, er hat sein Wort aufrechterhalten. Damit, meine Damen und Herren, hat er zu meinem Schmerz bestätigt, was ich Ihnen vorher sagte: Was geschehen ist, war keine Entgleisung — es ist der Ausdruck einer Gesinnung, einer politischen Gesinnung.

(Abg. Dr. Schumacher: Einer erbärmlichen!)

Natürlich ist der Herr Bundeswirtschaftsminister diesem Staat gegenüber „treu". Ich habe nur die Befürchtung, daß er in diesem Staat mehr eine Angelegenheit der Organisation von Kompetenzen sieht als den Ausdruck einer bestimmten inneren, nämlich demokratischen Haltung.

(Lebhafter Beifall links.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108103000
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 1176. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist damit abgelehnt.

(Abg. Schoettle: Ich bitte, die Enthaltungen festzustellen, Herr Präsident!)

— Also, wer hat sich der Stimme enthalten?

(Zurufe.)

— Meine Damen und Herren, nach der jetzt erfolgten Feststellung der Enthaltungen sind allerdings bei uns Zweifel über das Ergebnis der Abstimmung entstanden. Unter diesen Umständen müssen wir durch Hammelsprung abstimmen, damit Klarheit besteht. Ich bitte daher diejenigen, die für den Antrag sind, durch die Ja-Tür, diejenigen, die gegen den Antrag sind, durch die Nein-Tür, und diejenigen, die sich der Stimme enthalten wollen, durch die Mitteltür hereinzukommen.
Meine Damen und Herren, während des Hammelsprungs dürfen sich in der Wandelhalle nur Mitglieder des Hauses aufhalten; alle anderen Personen werden ersucht, die Wandelhalle sofort zu verlassen. Die Logen hier unten im Saal, links und rechts vom Haupteingang, dürfen während dieser Zeit nicht verlassen werden. Ich bitte die Abgeordneten, den Plenarsaal so bald wie möglich zu verlassen. Ich werde nach drei Minuten die Türen schließen lassen. Die Damen und Herren, die bis dahin den Saal nicht verlassen haben, können an der Abstimmung nicht teilnehmen.

(Die Abgeordneten verlassen den Saal.)

Ich bitte die Abstimmungstüren zu schließen. — Sind an den Türen je zwei Schriftführer?

(Zurufe: Jawohl!)



(Vizepräsident Dr. Schäfer)

Dann bitte ich, die Abstimmungstüren zu öffnen., Die Zählung beginnt. Meine Damen und Herren, ich bitte, im Interesse einer raschen Durchführung der Verhandlungen der Abstimmungspflicht so schnell wie möglich zu genügen.

(Der Wiedereintritt der Abgeordneten und die Zählung erfolgen.)

Ich bitte, die Türen zu schließen. —
Die Abstimmung ist geschlossen. Ich bitte die Schriftführer, die Eingangstüren zu schließen und mir das Ergebnis ihrer Zählung mitzuteilen. —
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 142, mit Nein 187, Enthaltungen 28 Stimmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Damit ist der Antrag Drucksache Nr. 1176 abgelehnt.
Das Wort hat der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers.
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich als den in diesen Wochen Verantwortlichen nach der Abstimmung einige Worte sagen, einige Worte, hinter denen auch Wille und Ansicht der Bundesregierung stehen.
Der Herr Abgeordnete von Merkatz hat mit Ernst von der Lage gesprochen, in der wir uns befinden. Ich stehe nicht an, deswegen ausdrücklich das eine zu sagen: Nichts würde dem Wunsche der Bundesregierung und ihrer Ansicht vom Notwendigen mehr widersprechen, als wenn in dieser Zeit Äußerungen getan würden, die vom politischen Gegner etwa erkennen lassen oder erkennen lassen sollen, daß er nicht mit der gleichen Sorge um das Ganze handle, und wir sind der Überzeugung, daß es die Verpflichtung eines jeden ist, und daß wir alle diejenigen, die zu uns gehören, darum bitten müssen, gerade in diesem Augenblick ängstlicher mit dem Wort umzugehen, als das in anderen Zeiten der Fall ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)

Meine Damen und Herren! Sehen Sie darin nichts anderes als das Bekenntnis zu der Notwendigkeit, gerade in solchen Zeiten wie diesen sich selbst zurücktreten zu lassen und nichts zu tun, was in unserem Volke den Eindruck erwecken könnte, als ob es letzten Endes bei den Auseinandersetzungen irgendwo nur um die Partei ginge.
Meine Damen und Herren! Wir haben dieses Abstimmungsergebnis jetzt hinter uns. Ich darf den Wunsch äußern: mögen diese Stunden trotz allem, was sie an Unangenehmen aufgeworfen haben, für ähnliche Lagen in der Zukunft ein Beispiel und kein Vorbild sein.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108103100
Meine Damen und Herren! Ich rufe nun auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Abgeordneten Mayer (Stuttgart), Bausch und Genossen betreffend Fortführung der Schulspeisungen (Nr. 1156 der Drucksachen).
Das Wort hat zur Begründung Herr Abgeordneter Mayer (Stuttgart). 10 Minuten!

(Große Unruhe.)

Meine Damen und Herren! Ich bitte, private Gespräche außerhalb des Hauses stattfinden zu
lassen, denn es ist unmöglich, bei dieser Unruhe im Saal zu verhandeln.
Mayer (Stuttgart) (FDP), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich kann mich mit einer sehr kurzen Begründung unserer Interpellation begnügen. Dem Hause liegen aus den letzten Wochen verschiedene Drucksachen vor, die sowohl regierungsseitig als auch seitens der Parteien dieses Hauses die Frage der Schulspeisung aufgeführt haben. Unsere Interpellation entspringt der Sorge, daß ein sehr rühmliches Liebeswerk, für das wir dem amerikanischen Volk ewig dankbar sein müssen, ein sehr unrühmliches Ende durch ein deutsches Versagen finden könnte. Die gleiche Sorge hat meine Freunde in den letzten Monaten bereits bewegt; sie haben ihr Ausdruck gegeben in einer Anfrage vom 3. März 1950, auf die am 19. April 1950 durch den Herrn Bundesernährungsminister Antwort dahingehend erteilt worden ist, daß er beabsichtige, 60 Millionen zur Fortführung der Schulspeisung in den Etat einzustellen. Heute — das darf ich bemerken — ist nach Ansicht der interessierten Kreise weniger als die Hälfte dieses Betrages genügend. Am gleichen Tage, also am 19. April 1950, erging eine Antwort des Herrn Bundesernährungsministers an den Herrn Kollegen Dr. Frey wegen der Verwendung deutscher Frischmilch bei der Schulspeisung
Am 26. Juni erging ein Runderlaß des Herrn Bundesinnenministers an die Innenminister der Länder wegen der Fortführung der Schulspeisung. Der Erlaß wurde allerdings 3 Tage später wieder zurückgestellt. Mittlerweile ist der 1. Juli, zu dem die Amerikaner die Speisung eingestellt haben, verstrichen. Die Schulspeisung läuft jetzt überall aus, das heißt sie droht zusammenzubrechen. Nordrhein-Westfalen hat eingestellt; Bayern befindet sich am Ende; in Württemberg-Baden schleppt man sie noch weiter aus Restbeständen amerikanischer Liebesgaben; in Württemberg-Baden hatte man — den Intentionen des Bundesernährungsministeriums und der Parteien dieses Hauses folgend — die Speisung ab 1. Juli auf deutsche Milch umstellen wollen. Es ist nicht gelungen, weil die Mittel fehlen. Bremen schleppt sie aus Restbeständen weiter. Wenn nicht regierungsseitig jetzt etwas geschieht, wird sie auslaufen, nachdem erst vor wenigen Wochen aus diesem Haus und mit einer Unterschrift der Regierung eine Dankadresse an Mr. Hoover abgegangen ist, in der ihm versichert wird, daß die Schulspeisung, mit deutschen Kräften weitergeführt, künftig den Namen „Hooverspende" tragen soll. Sie droht jetzt zusammenzubrechen, obwohl die Aussicht besteht, daß, wenn erst deutsche Mittel miteingesetzt werden, auch weiterhin amerikanische Spenden kommen.
Meine Damen und Herren! Meine Freunde und ich, die wir diese Interpellation eingebracht haben, halten es für denkbar, daß man den Kreis der Versorgten einschränkt; sie halten es für denkbar, daß man viel mehr als bisher sich auf deutsche Nahrungsmittel umstellt; sie halten es auch für möglich, daß sich der Herr Bundesfinanzminister mit den Herren Finanzministern der Länder darüber unterhält, wie man sie weiter finanzieren kann; aber für undenkbar und für unmöglich, meine Damen und Herren, halten wir dies: daß man eine Notlage unserer Kinder feststellt, solange fremde Kräfte bereit sind, sie zu beheben, und daß man sie leugnet, wenn wir selbst bezahlen sollen.

(Lebhafter Beifall.)



Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108103200
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft.

Dr. Wilhelm Niklas (CSU):
Rede ID: ID0108103300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf auf meine mit Drucksache Nr. 1095 vom 20. Juni 1950 erteilte Antwort bezüglich der Anfrage Nr. 75 — Drucksache Nr. 910 — betreffend Fortführung der Schulspeisungen hinweisen.
Zu der Interpellation darf ich wie folgt Stellung nehmen:
Zu 1: um eine Weiterführung der Schulspeisung nach dem 30. Juni 1950 in gewissem Umfange zu gewährleisten, wurden im Monat Juni die in den Sperrbeständen des Bundesernährungsministeriums vorhandenen Schulspeisungslebensmittel an die Landesregierungen übergeben. Das aus den Verkaufserlösen der für die Schulspeisungen ungeeigneten Waren vorhandene Vermögen von ca. 1,5 Millionen DM ist zur Beschaffung von Lebensmitteln vorschußweise eingesetzt worden. Die Alliierte Hohe Kommission „food und agriculture division" ist gebeten worden, Lebensmittel aus der von der amerikanischen Regierung beabsichtigten Freigabe überschüssiger Nahrungsmittel zu verbilligten Preisen oder allenfalls gegen Erstattung der Frachtkosten zur Fortsetzung der Schulspeisung zur Verfügung zu stellen. Die Antwort steht noch aus.
Zu 2: die kostenlose Teilnahme von Kindern an der Schulspeisung regelt sich nach der Reichsfürsorgepflichtverordnung und den Reichsgrundsätzen über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge. Soweit es sich dabei um eine Pflichtleistung der Fürsorgeverbände und um Kinder handelt, die zum Kreis der Kriegsfolgen-Hilfeempfänger nach dem gemeinsamen Erlaß der Bundesminister des Innern und der Finanzen vom 17. März 1950 gehören, beteiligt sich der Bund an den Kosten der Speisung in Höhe von 75 vom Hundert.
Im übrigen finden über die Finanzierung der Schulspeisung noch Verhandlungen zwischen dem Herrn Bundesminister der Finanzen und den Herren Finanzministern der Länder statt.
Zu 3: Es soll außer der für mehrere Monate ausreichend vorhandenen amerikanischen Trokkenmilch einheimische Vollmilch ohne Minderung der bisherigen Nährwerte der Mahlzeiten verwendet werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108103400
Meine Damen und Herren! Für die nun folgende Ausprache hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgeschlagen. Ich nehme Ihre Zustimmung dazu an. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mertins.

Arthur Mertins (SPD):
Rede ID: ID0108103500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir ein Bedürfnis, diese Gelegenheit zu benutzen, um auch im Namen meiner Freunde dem amerikanischen Volke, und zwar vornehmlich auch dem Organisator der Kinderspeisung in Deutschland, Herrn Präsident Hoover, unseren tiefgefühlten Dank auszusprechen. Wir verbinden mit diesem Dank aber den Wunsch, daß der Bund nach dem Fortfall der amerikanischen Hilfe es als seine Pflicht ansieht, die Kinderspeisung auch nach dem 30. Juni 1950 fortzuführen. Seit fast einem Jahr ist diese Angelegenheit Gegenstand von Besprechungen in den verschiedensten Ministerien des Bundes und zwischen den Bundesministerien und den Länderministerien. Wir wollen nicht darauf eingehen, daß Unstimmigkeiten in der Regierung zur Verzögerung der Durchführung geführt haben; denn jede Polemik in dieser Angelegenheit würde der Sache nur schaden, und wir wollen ihr dienen.
Die Notwendigkeit, die Schulspeisung fortzuführen, wird von keiner Seite bestritten. Lassen Sie mich nur zwei Zahlen nennen! In Bremen sind anläßlich einer Reihenuntersuchung von 60 000 Kindern 51 % gefährdete Kinder festgestellt worden. In dem mittleren Ort Hernburg in Württemberg sind 60 % aller Schulkinder noch immer gefährdet. Ich glaube, wir können für die Zukunft Deutschlands und den Wiederaufstieg der Bundesrepublik nichts Besseres tun, als das kostbarste Gut, das wir in den Kindern haben, vor dem Untergang zu bewahren.
Um nun die Schulspeisung wirklich fortführen zu können und um Aktivität in die ganze Angelegenheit hineinzubringen, haben meine Freunde und ich einen Antrag eingereicht, zu dem ich kurz Stellung nehmen möchte. Die Ziffer 1 dieses Antrages lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
1) Das Referat Schulspeisung untersteht ab sofort dem Bundesinnenminister. Die Durchführung der Schulspeisung ist Sache der Länder.
Wir sind der Meinung, daß die Schulspeisung nicht den Anschein einer Hilfsaktion für die Landwirtschaft haben soll. Wir wissen sehr wohl — und gerade meine Freunde haben im Ausschuß für Landwirschaft, Ernährung und Forsten immer darauf hingewiesen —, daß alles Erdenkliche zu tun ist, um der Landwirtschaft in ihrer bedrängten Lage beizuspringen. Es soll durch unseren Antrag auch nicht gesagt sein, daß wir etwa dagegen sind, einheimische Lebensmittel, soweit sie für die Schulspeisung Verwendung finden können, zu verwenden. Im Gegenteil, wir würden es begrüßen, wenn in weitgehendem Maße die einheimischen Lebensmittel, insbesondere die Frischmilch, für die Schulspeisung herangezogen würden. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, daß nach Mitteilungen, die mir zugegangen sind, von den Steilen, die die Schulspeisung durchführen, für 1 Liter Milch, und zwar in Flaschen abgefüllt, 60 Pfennig verlangt werden. Ich möchte den Herrn Bundesernährungsminister bitten, doch ja sein Augenmerk hierauf zu richten und zu versuchen, solche überspitzten Forderungen auf ein erträgliches Maß zurückzuführen.
Wir verlangen weiter in Ziffer 2 unseres Antrages folgendes:
Zur Unterstützung des Bundesinnenministers und zu seiner Beratung in grundsätzlichen Fragen wird ein Beirat gebildet, der sich aus Vertretern der Kultusministerien der Länder, Vertretern der Innen- bzw. Sozialministerien der Länder, Vertretern der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrt und den Länderreferenten für Schulspeisung zusammensetzt. Der Innenminister regelt durch Verordnung Zusammensetzung und Verfahrensweise des Beirats.
Wir halten das für notwendig, weil die beste Form der Schulspeisung herausgefunden werden soll und weil wir der Meinung sind, dad in manchen Teilen


(Mertins)

unseres Vaterlandes eine Überprüfung der Organisation notwendig ist.
Im dritten Absatz unseres Antrages verlangen wir folgendes:
Im Sinne der Vorlage des Bundesinnenministers vom Juni dieses Jahres ist mit Rücksicht auf die Dringlichkeit der Angelegenheit die Fortführung der Schulspeisung nach den Sommerferien unverzüglich durch Erlaß sicherzustellen.
Wir wissen, daß dieser Erlaß bereits fertiggestellt ist, und wir bitten nunmehr um schleunigste Inkraftsetzung.
In der Ziffer 4 unseres Antrages heißt es dann: Die in dem Erlaß des Innenministers vom 17. März 1950 aus Mitteln der Kriegsfolgenhilfe bereitgestellten Gelder sind sofort flüssig zu machen und den Ländern zur Verfügung zu stellen.
Meine Damen und Herren! Unser Antrag enthält keine neue materielle Belastung in irgendeiner Form. Es ist also kein Deckungsvorschlag notwendig; denn über diese Mittel ist ja bereits gesprochen worden, und sie sind nach meinen Informationen zur Verfügung gestellt worden. Wir halten deshalb eine Ausschußüberweisung unseres Antrages für überflüssig und bitten im Interesse der Dringlichkeit, besonders im Hinblick darauf, daß nach den Sommerferien unverzüglich die Schulspeisung fortgeführt werden muß, um sofortige Annahme unseres Antrages im Plenum.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108103600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bausch.

Paul Bausch (CDU):
Rede ID: ID0108103700
Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Auch ich möchte die Gelegenheit benutzen, um dem amerikanischen Volke für die großen
Leistungen, die es zugunsten der deutschen Jugend durch die Hoover-Speisung vollbracht hat, auch im Namen meiner Freunde den herzlichsten Dank zu sagen.

(Bravo! bei der CDU.)

Es gereicht dem amerikanischen Volke, dem Volk, das in diesem Kriege gesiegt hat, zur hohen Ehre, daß es sich entschlossen hat, dem besiegten deutschen Volk und seiner Jugend, die durch den Krieg unerhört schwer gelitten hat, in so großherziger Weise beizustehen.
Alle Sachverständigen sind sich darüber einig, daß durchaus Anlaß besteht, die Durchführung der Speisung der Schulkinder, so wie sie bisher stattgefunden hat, einer Überprüfung zu unterziehen. Es besteht heute längst nicht mehr in dem Ausmaß, wie das in den Jahren nach dem Krieg der Fall war, das Bedürfnis, diese Speisungen fortzuführen. Andererseits ist es aber außer jedem Zweifel, daß es noch eine ganz beträchtliche Zahl von Kindern gibt, die dieser Speisung durchaus bedürftig sind. Es handelt sich hier — und hierbei weiche ich von den Erklärungen, die der Herr Minister für Ernährung und Landwirtschaft gegeben hat, ab — nicht nur um die Kinder von Fürsorgeempfängern; es handelt sich auch um die Kinder von Schwerkriegsbeschädigten, von Arbeitslosen, um Kinder aus kinderreichen Familien, um Kinder von sonst irgendwie Minderbemittelten, um Kinder, deren Eltern auf der Schattenseite des Lebens stehen. Es gibt im deutschen Volk bis zum heutigen Tag eine ganz beträchtliche Zahl von Familien, die im wesentlichen von Kartoffeln und Brot leben müssen, weil sie nicht die Mittel zur Verfügung haben, sich hochwertigere Lebensmittel zu kaufen. Die Kinder aus diesen Familien sollten auch weiterhin durch die Schulspeisungen betreut werden.
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß es sich hier darum handelt, Kriegsfolgen entgegenzutreten. Wenn irgendwie zwischen den Ressorts oder zwischen dem Bund und den Ländern ein Streit darüber entstehen sollte, ob es sich um Kriegsfolgelasten handelt oder nicht, so muß festgestellt werden, daß jedenfalls ein beträchtlicher Teil der Kosten, die durch die Fortführung der Speisung entstehen, dadurch entsteht, daß es nötig ist, Kriegsschäden entgegenzutreten, um sie in positiver Weise zu überwinden. In jedem Falle aber werden die Kosten der Kinderspeisungen sehr viel geringer sein als bisher. Der Herr Bundesfinanzminister braucht keine große Sorge zu haben, daß es ihm etwa nicht gelingen werde, im Benehmen mit den Ländern diese Kosten aufzubringen. Sicher wird das möglich sein. Für diese Aufgabe muß das nötigste Geld flüssig gemacht werden. Diese Aufgabe ist dringend und notwendig. Es handelt sich um die deutsche Jugend. Die deutsche Jugend muß uns etwas wert sein. Wir müssen dazu helfen, daß die zahlreichen in ihrer Gesundheit gefährdeten Kinder durch diese Zeit hindurchgebracht werden.
Sodann möchte ich noch auf folgenden Punkt hinweisen: Wenn diese Dinge nicht bald und rasch durch eine gute Zusammenarbeit aller beteiligten Behörden geordnet werden, besteht die große Gefahr, daß der Apparat für die Durchführung der Hoover-Speisung, der im Laufe der Jahre n wirklich vorbildlicher Weise aufgebaut wurde, irgendwie verlorengeht. Das wäre höchst bedauerlich. Es hat bei der Hoover-Speisung viele wertvolle Kräfte gegeben, die sich ehrenhalber und unter großer Hingabe dieser Aufgabe gewidmet haben. Diese Kräfte sollten irgendwie zusammengehalten werden, damit die Aufgabe auch weiterhin erfüllt werden kann.
Weiter möchte ich darauf hinweisen, daß es notwendig sein wird, die bisher angewandte Methode der Speisungen zeitgemäß zu ändern. Der Schwerpunkt wird künftig darauf gelegt werden müssen, den Kindern Milch mit einem gewissen Zubehör zu reichen. Dies würde auch der Landwirtschaft zugute kommen. Der Zeitpunkt der Umstellung des ganzen Verfahrens ist auch der richtige für die Änderung des Speisezettels.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn der Bundestag sich in dem Willen einig werden könnte, der Regierung zu sagen, daß wir die Fortführung der Schulspeisung in dem bezeichneten Umfang wünschen und ferner wünschen, daß die Mittel dafür so bald wie möglich mobilisiert werden.
Ich habe deshalb den auf Drucksache Nr. 1257 vorliegenden Antrag gestellt:
Der Bundestag wolle beschließen,
die Bundesregierung zu ersuchen, gemäß früheren Zusagen die Fortführung der Schulspeisung im Sinne der vom Innenministerium am 26. Juni 1950 erlassenen Richtlinien zu ermöglichen.
Ich wäre dankbar, wenn Sie diesem Antrag zustimmen würden.
Der von der SPD gestellte Antrag scheint, so wie ich ihn verstanden habe, irgendwie auch auf dieser Linie zu liegen. Ich hätte deshalb keine Bedenken, auch diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)



Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108103800
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.

Grete Thiele (KPD):
Rede ID: ID0108103900
Meine Herren und Damen! Vor mir liegt ein Schreiben des Verbandes der deutschen Studentenschaften. Dieses Schreiben zeigt die ganze Not auf, die innerhalb der westdeutschen Jugend besteht.

(Zuruf rechts: Nur der westdeutschen?)

Die westdeutsche Studentenschaft schreibt an unsere Fraktion, daß im letzten Wintersemester 13 % aller Studenten sich nicht regelmäßig ein warmes Mittagessen haben leisten können. Wenn die Not hier schon so groß ist und die Studenten uns bitten – sie werden das Schreiben wahrscheinlich auch an einige andere Fraktionen gerichtet haben —, uns für die Sache einzusetzen, ist es mit einem Milchprogramm allein nicht getan. Die Schulspeisung muß vielmehr so gestaltet werden, daß den Studenten auch die Möglichkeit gegeben wird, ein warmes Mittagessen zu erhalten.
Aber wenn dort die Not schon so groß ist, wieviel mehr noch in den Schichten und Kreisen, deren Einkommen 100 oder 120 Mark im Monat nicht übersteigt. Wenn Sie berücksichtigen, daß der Gesundheitszustand unserer Kinder, unserer Kriegsgeneration, sehr schlecht, die Tuberkulosegefahr so ungeheuer groß ist und an die Tatsache denken, daß in einer ganzen Reihe von Fällen die Kinder heute noch, fünf Jahre nach Beendigung des Krieges, in Bunkern wohnen, ohne Licht und ohne Luft — ich kann Ihnen aus meiner Heimatstadt sagen, daß es dort Familien gibt, die seit fünf Jahren mit den Kindern in den Bunkerzellen leben —, dann müssen Sie zu der Auffassung gelangen, daß man tatsächlich alles tun muß, um hier nicht nur die unmittelbare Not zu lindern, sondern auch den Gesundheitszustand dieser Kinder wirklich zu bessern.
Darum sind wir der Auffassung, daß es nicht genügt, nur die Kinder von Fürsorgeempfängern mit einer kostenlosen Schulspeisung zu bedenken; denn dann ist es nichts anderes als eine Bettelgeschichte. Man muß die kostenlose Schulspeisung vielmehr auf alle jene Kinder ausdehnen, bei denen das Einkommen der Angehörigen 300 Mark nicht übersteigt. Wir sind der Auffassung, daß es dringend notwendig ist, daß der Bund diese Mittel bereitstellt und daß er sie nicht auf die Länder abwälzt. Auch die Behandlung in einigen Ländern, die die kostenlose Schulspeisung wohl deklarieren, aber die Sache dann so handhaben, daß man freiwillig zahlen soll, lehnen wir ab. Das bedeutet eine Klassifizierung innerhalb der Kinder, und das sollte man nicht machen. Nach unserer Auffassung ist die Erklärung des Ministers darüber, welche Hilfe der Bund bereitstellen will, vollkommen ungenügend. Wir sind, wie ich bereits gesagt habe, der Meinung — die wir auch als Antrag, den wir noch einreichen wollen, hier bekanntgeben —, daß die kostenlose Schulspeisung auf die Kinder ausgedehnt werden muß, deren Eltern nicht mehr als 300 Mark im Monat haben. Wir sind der Auffassung, daß man weiterhin überprüfen muß, ob die Schulspeisung den Bedürfnissen entspricht, die wir hinsichtlich der Wiederherstellung des Gesundheitszustandes unserer Kinder, die durch den Krieg, die Nachkriegsfolgen und das Wohnungselend so gelitten haben, zu stellen haben.

(Beifall bei der KPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108104000
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. An diese Interpellation sind zwei Anträge geknüpft worden, der Antrag der Abgeordneten Bausch, Mayer und Genossen, Drucksache Nr. 1257, und der Antrag der SPD-Fraktion, der noch keine Nummer trägt. Der Antrag der SPD ist hier erst handschriftlich eingereicht worden. Er stellt teilweise einen Abänderungsantrag zur Drucksache Nr. 1257, teilweise eine Ergänzung dar. Es ist aus dem Hause über die Behandlung der Anträge nichts gesagt worden, ob Ausschußüberweisung verlangt wird oder nicht.

(Zurufe: Keine Überweisung!)

— Sollen diese beiden Anträge unmittelbar an die Regierung überwiesen werden?

(Zurufe: Jawohl!)

— Dann lasse ich zunächst über den Antrag der SPD abstimmen, der der weitestgehende ist.

(Abg. Dr. von Brentano: Würden Sie diesen Antrag nochmals vorlesen?)

— Ja! Er setzt sich eigentlich aus vier verschiedenen Punkten zusammen, über die ich am besten getrennt abstimmen lassen werde.
1. Das Referat Schulspeisung untersteht ab sofort dem Bundesinnenminister. Die Durchführung der Schulspeisungen ist Sache der Länder.
Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
2. Zur Unterstützung des Bundesinnenministers und zu seiner Beratung in grundsätzlichen Fragen wird ein Beirat gebildet, der sich aus Vertretern der Kultusministerien der Länder, Vertretern der Innen- bzw. Sozialministerien der Länder, Vertretern der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrt und den Länderreferenten für Schulspeisung zusammensetzt. Der Innenminister regelt durch Verordnung Zusammensetzung und Verfahrensweise des Beirats.

(Abg. Dr. Vogel: Ich bitte ums Wort!)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Vogel.

Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0108104100
Ich möchte dazu einen Zusatzantrag stellen derart, daß in dieses Gremium ein Vertreter der Landwirtschaftsministerien hineingenommen wird.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108104200
Zu diesem Antrag ist nun wieder ein Ergänzungsantrag gestellt, nach dem auch ein Vertreter der Landwirtschaftsministerien in den Beirat hineingenommen werden soll.

(Abg. Dr. von Brentano: Ich würde anregen, daß wir vielleicht diesen Punkt 2 dem Ausschuß überweisen!)

— Es ist hier zunächst für Punkt 2 Ausschußüberweisung beantragt. Darüber müßte zuerst abgestimmt werden. Wer für Überweisung dieses Punktes 2 an den Ausschuß ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.

(Zuruf links: Welcher Ausschuß wäre das?)

— Das müßte der Ausschuß für innere Verwaltung sein?

(Zustimmung.)

Wir kommen zu Ziffer 3:


(Vizepräsident Dr. Schäfer)

3. Im Sinne der Vorlage des Bundesinnenministers vom Juli dieses Jahres ist mit Rücksicht auf die Dringlichkeit der Angelegenheit die Fortführung der Schulspeisungen nach den Sommerferien unverzüglich durch Erlaß sicherzustellen.
Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
4. Die in dem Erlaß des Innenministers vom 17. März 1950 aus Mitteln der Kriegsfolgenhilfe bereitgestellten Gelder sind sofort flüssig zu machen und den Ländern zur Verfügung zu stellen.
Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den
Antrag der Abgeordneten Bausch, Mayer und Genossen, Drucksache Nr. 1257. Ich bitte diejenigen,
die dafür sind, die Hand zu erheben. — Das ist
die Mehrheit. Es ist so beschlossen. Damit ist
dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen nun zu Punkt 3 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wiederverwendung der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nr. 1201 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt für diesen Punkt eine kurze Begründung durch die Antragsteller, keine Aussprache, sondern gleich Überweisung an den Ausschuß für Beamtenrecht vor.
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Kühn.

Walther Kühn (FDP):
Rede ID: ID0108104300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als das Hohe Haus am 2. Dezember 1949 den Beschluß faßte, der eigentlich als der erste maßgebliche zu dem Art. 131 des Grundgesetzes angesehen werden kann, hatten wir die Hoffnnung, daß sich dieser Beschluß sehr bald als wirksam erweisen würde, und wir meinten, daß etwa bis Ende März des Jahres 1950 ein Gesetz zu Art. 131 würde verabschiedet werden können.
Ich will hier nicht im einzelnen auf die außerordentlichen Schwierigkeiten hinsichtlich der Fragen eingehen, die die Grundlagen zu einem solchen Gesetz zu bilden haben, muß aber bei dieser Gelegenheit heute doch der außerordentlichen Enttäuschung, ja geradezu der Verbitterung derjenigen Kreise Ausdruck geben, die unter den Art. 131 fallen. Meine Damen und Herren, Sie wissen wahrscheinlich alle aus den vielen Zuschriften, die Sie jeden Tag aus den Kreisen bekommen, die unter Art. 131 des Grundgesetzes fallen, wie groß die Not und das Elend dieser Menschen heute noch sind. Es ist ja nicht ein Elend und es ist nicht eine Not, die nur seit engen Monaten dauert, sondern es ist so, daß diese Not in weiten Kreisen dieser Menschen zum größten Teil schon seit 1945, also seit fünf Jahren herrscht.
Trotz aller Entschließungen und Beschlüsse, die auf diesem Gebiet gefaßt worden sind, trotz energischer Maßnahmen auch von seiten des zuständigen Beamtenrechtsausschusses ist es nicht gelungen, die Regierung zu bewegen, einen Gesetzentwurf zur Regelung der Fragen des Art. 131 zu verabschieden. Auch der Termin des 1. Juli, der erst letzthin gestellt worden ist, ist beinahe um vier Wochen überschritten. Erst in den lezten Tagen ist vom Kabinett ein Gesetzentwurf zu Art. 131 verabschiedet worden. Meine Damen und Herren, Sie werden aber alle wissen, daß der Entwurf, der seinerzeit als Referentenentwurf bekanntgeworden ist, auf den allergrößten Widerstand und auf die allergrößte Ablehnung der betroffenen Kreise gestoßen ist. Wenn wir den Entwurf ansehen, den jetzt das Kabinett verabschiedet hat, können wir keine großen Unterschiede zwischen dem seinerzeit veröffentlichten Referentenentwurf und dem jetzt dem Bundesrat zugegangenen Entwurf des Kabinetts feststellen. Wir wollen aber schon froh darüber sein, daß in dieser Frage die Gesetzgebungsmaschine dadurch überhaupt in Gang gekommen ist, daß der Bundesrat nunmehr mit diesen Dingen befaßt worden ist.
Meine Damen und Herren, wir wollen hoffen, daß der Bundesrat in dieser Frage bis zum Ende der Parlamentsferien zu einer endgültigen Entschließung kommt und die Bundesregierung bis Anfang September dazu Stellung nimmt. Wir glauben, daß es dringend notwendig ist, die zuständigen Ausschüsse des Bundestags schon in den ersten Tagen des September mit dieser Angelegenheit zu befasen; denn wir können nicht noch länger warten, nachdem seit jenem Beschluß vom 2. Dezember 1949 über sieben Monate vergangen sind.
Wir sind uns vollkommen im klaren darüber, daß die Probleme, die dieser Gesetzentwurf zu lösen hat, außerordentlich schwierig sind. Es wird sich dabei um eine Entscheidung darüber handeln, ob die Bestimmungen des Art. 131 konstitutiv oder deklaratorisch sind. Es wird sich darum handeln, wie man die Frage der Gleichstellung löst. Auch wird es sich um die überaus schwierige Frage drehen, die finanzielle Lösung zu finden.
Meine Damen und Herren! Ehe dieser Entwurf, der jetzt vom Kabinett verabschiedet worden ist, hier bekannt war, haben meine politischen Freunde angesichts der Dinge, die ich vorhin geschildert habe, doch den Entschluß fassen müssen, endlich einmal etwas Positives zu tun. Wir haben uns in der Fraktion der Freien Demokratischen Partei dazu entschlossen, einen Initiativgesetzentwurf zur Regelung eines Teilkomplexes herauszubringen, und zwar eines Teilkomplexes, der nur die Frage der Unterbringung, der Wiederverwendung dieser unter den Art. 131 fallenden Menschen behandelt. Wir glauben, daß keine Bedenken dagegen erhoben zu werden brauchen, wenn man aus dem Gesamtkomplex einen bestimmten Teil in einen Gesetzentwurf zur Regelung herausnimmt.
Meine Damen und Herren, ich darf daran erinnern, daß nach dem ersten Weltkrieg für alle diejenigen Behördenbediensteten, die aus den damals zwangsweise abgetretenen Gebieten wie etwa aus Oberschlesien, aus der Provinz Posen, aus Ostpreußen und Westpreußen gehen mußten, ähnliche Verhältnisse bestanden. Auch diese Menschen mußten ja nun, soweit sie Bedienstete von Behörden und behördenähnlichen Institutionen waren, untergebracht werden. Die Preußische Landesversammlung hat bereits im Jahre 1920 ein Gesetz erlassen, das damals diesen Fragenkomplex regelte. Wer sich noch an diese Zeiten erinnern kann, wird zugeben, daß die Unterbringung sowohl der Staatsbeamten als auch der Behördenbediensteten sonstiger Art in verhältnismäßig kurzer Zeit vor sich ging, und zwar sind die damals doch auch verhältnismäßig zahlreichen Menschen in den östlichen


(Kühn)

Provinzen Preußens untergebracht worden. Meine Damen und Herren, das ist ein Beispiel dafür, daß man gerade auf diesem Gebiet sehr schnell zu einer Lösung kommen kann.
Ich glaube, daß man sich, wenn auch das Kabinett jetzt einen Gesetzentwurf verabschiedet hat, doch auf den Standpunkt stellen sollte, den in unserem Initiativgesetzentwurf behandelten Fragenkomplex gesondert zu regeln und vorwegzunehmen; denn ich befürchte — ich bin in dieser Hinsicht kein Optimist —, daß gerade wegen der vorhin von mir angedeuteten außerordentlich schwierigen Probleme das endgültige Gesetz zu Art. 131 noch eine ganze Zeit auf sich warten lassen wird, so traurig das auch ist.
Lassen Sie mich nun ganz kurz einmal, ohne auf Einzelheiten einzugehen, einige Grundsätze sagen, die in diesem Gesetzentwurf enthalten sind. Wir halten es aus den Ihnen vorhin angedeuteten Gründen für unbedingt notwendig, daß die Menschen, die unter den Art. 131 fallen und draußen auf der Straße stehen, die nur zu einem Teil berufsfremd beschäftigt sind und zu einem großen Teil gar nichts tun, jetzt irgendwie wieder untergebracht werden. Meine Damen und Herren, wenn Sie mit diesen Kreisen einmal sprechen, werden Sie immer wieder von ihnen die Antwort bekommen: Wir streben ja gar nicht so sehr nach dem Geld, das uns als Pension oder als Wartegeld gezahlt werden soll, sondern wollen in erster Linie wieder Arbeit und Beschäftigung in dem Beruf haben, den wir einmal gelernt haben. Es scheint mir nicht sehr sinnvoll zu sein, wenn man diese Menschen, die schließlich einmal durch ihre Schulausbildung, durch die Universität und durch andere Möglichkeiten der Ausbildung den Staat etwas gekostet haben, nun beiseite stehen läßt und nicht wieder beschäftigt. Es bestehen sogar Gefahren, wenn wir das nicht tun. Es besteht die Gefahr der Radikalisierung dieser Menschengruppen. Es besteht die Gefahr, daß gerade die Heimatvertriebenen, die einen großen Teil dieses Personenkreises darstellen, sagen: Das soll jetzt einmal ein Prüfstein für die Stellungnahme zu diesem Gesamtproblem der Heimatvertriebenen sein. Und es scheint mir auch im Interesse der fortschreitenden Befriedung dringend geboten, alles, aber auch alles zu vermeiden, was Anlaß geben könnte, das Vertrauen in den im Aufbau begriffenen Staat als Rechtsstaat in Zweifel zu ziehen.
Meine Damen und Herren! Ich erinnere noch an die Anträge bezüglich des sogenannten Justitiums des Satzes 3 des Art. 131 des Grundgesetzes, die hier vorliegen und die auch im Rechtssausschuß beraten werden. Auch darüber, ob dieser Satz überhaupt noch als verfassungsmäßig angesehen werden kann oder nicht, werden wir uns in Kürze zu unterhalten haben. Ich möchte nur diese Grundsätze gesagt haben und auf Einzelheiten nicht eingehen; das werden wir im Beamtenrechtsausschuß noch eingehend tun. Wenn wir gemeinsam gerade an diesem Sonderproblem des Art. 131 des Grundgesetzes, dem Problem der Unterbringung und Wiederverwendung dieser Menschen arbeiten, dann sind wir einen großen Schritt weitergekommen auf dem Wege zur Befriedung dieses mehrere hunderttausend Menschen umfassenden Personenkreises. Ich bitte Sie deshalb, damit einverstanden zu sein, daß dieser Entwurf der Freien Demokratischen Partei zur Weiterberatung dem Beamtenrechtsausschuß und dem Heimatvertriebenenausschuß überwiesen wird.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108104400
Meine Damen und Herren! Es ist der Antrag gestellt, Drucksache Nr. 1201 dem Ausschuß für Beamtenrecht zu überweisen — —

(Abg. Dr. Wuermeling: Und an den Ausschuß für Heimatvertriebene!)

— und an den Ausschuß für Heimatvertriebene.

(Abg. Mellies: Ich bitte ums Wort!) Herr Abgeordneter Mellies!


Wilhelm Mellies (SPD):
Rede ID: ID0108104500
Meine Damen und Herren! Ich bin gewiß nicht für die Überweisung an möglichst viele Ausschüsse. Dieser Gesetzentwurf muß aber unbedingt an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung kommen, denn er berührt doch in sehr einschneidender Weise die Interessen der Länder und Gemeinden. Ich bitte also, den Entwurf auch diesem Ausschuß zu überweisen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108104600
Ich verstehe Sie also so: die Sache ist an den Ausschuß für Beamtenrecht, der die Federführung haben soll, und zugleich an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen. Zugleich wird Überweisung an den Ausschuß für Heimatvertriebene gewünscht?

(Zustimmung.)

— Das wird aufrechterhalten. Dann darf ich zusammenfassen: Federführung Ausschuß für Beamtenrecht, zugleich Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und Ausschuß für Heimatvertriebene. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Notgesetzes für die deutsche Hochseefischerei (Nr. 1172 der Drucksachen).
Der Ältestenrat hat vorgesehen, daß nach der Einbringung durch die Regierung unter Verzicht auf die Aussprache eine Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen stattfindet. Das Wort hat zur Einbringung Herr Bundesminister Niklas.

Dr. Wilhelm Niklas (CSU):
Rede ID: ID0108104700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich sehr kurz fassen. Die Regelung ist durch Notgesetz vom 16. März 1950 getroffen worden. Die Verhältnisse in der Hochseefischerei haben sich seit diesem Zeitpunkt nicht verbessert, sondern sogar noch weiter verschlechtert. Infolgedessen empfiehlt die Regierung die Verlängerung dieses Gesetzes bis zum 30. Juni 1951.
Der Bundesrat hat der Regierungsvorlage einstimmig seine Zustimmung erteilt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108104800
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen beantragt. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 5 a der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der


(Vizepräsident Dr. Schäfer)

SPD betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs zum deutsch-französischen Wirtschaftsabkommen (Nr. 1207, 590 der Drucksachen).
Dieser Punkt ist zugleich mit Punkt 5 b der Tagesordnung zu beraten:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das vorläufige Handelsabkommen vom 4. März 1950 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Pakistan (Nr. 1086 der Drucksachen);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 1208 der Drucksachen).

(Erste Beratung: 73. Sitzung.)

Meine Damen und Herren! Ehe ich dem Berichterstatter das Wort erteile, komme ich eben zu einer kurzen Berichtigung auf den vorigen Tagesordnungspunkt zurück. Ich hatte nach der Notiz, die hier vorliegt, den Ausschuß für Verkehrswesen vorgeschlagen. Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß der Ausschuß für Ernährungswirtschaft zuständig ist. Ich nehme Ihre allseitige Zustimmung dazu an.
Ich bitte also dann zu Punkt 5 a den Herrn Abgeordneten Freudenberg zur Berichterstattung.
Freudenberg (FDP-Hosp.), Berichterstatter:
Meine Damen und Herren! Unter dem 17. Februar 1950 hat die Fraktion der SPD auf Drucksache Nr. 590 den Antrag gestellt, die Bundesregierung zu ersuchen, das deutsch-französische Wirtschaftsabkommen vom 10. Februar 1950 gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes als Gesetzentwurf einzubringen.
In der Plenarsitzung vom 31. März 1950 ist nach
B) eingehender Debatte beschlossen worden, den Antrag der SPD an den Ausschuß für Außenhandelsfragen und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht unter Federführung des Ausschusses für Außenhandelsfragen zu überweisen. Dabei war man sich unabhängig von der rein verfassungsrechtlichen Beurteilung darüber einig, daß unter allen Umständen ein Weg gefunden werden müsse, der sicherstellt, daß einerseits das Parlament auf die Gestaltung der Waren- und Zahlungsabkommen vor deren Abschluß Einfluß nehmen kann und daß andererseits die Einschaltung des Parlaments in einer Weise erfolgt, die den Bedürfnissen und den Notwendigkeiten der Praxis ausreichend Rechnung trägt.
Der Außenhandelsausschuß hat zunächst den Rechtsausschuß gebeten, zu der Frage Stellung zu nehmen. Der Rechtsausschuß hat sich nicht zu einer einmütigen Meinung durchringen können und hat seine Ansicht in einem Mehrheits- und einem Minderheitsgutachten festgelegt.
Das Mehrheitsgutachten, das am 15. 3. 1950 er-
stattet worden ist, hat folgenden Wortlaut:
1. Nach Art. 59 Abs. 2 bedürfen Handelsverträge entsprechend der deutschen Überlieferung der Ratifikation durch das Parlament. Das gilt auch dann, wenn sie ihrem Inhalt nach nicht von allgemein politischer Bedeutung sind, aber keine Zollgesetze abändern, also insbesondere auch für die Zahlungs- und Warenabkommen, die seit Einführung der Devisenbewirtschaftung die alten Handelsabkommen über Zolltarife völlig verdrängt haben. Da der Devisenmangel seit Jahren praktisch jede Einfuhr unmöglich gemacht hat, enthält ein Abkommen, durch das eine besondere Verrechnungsweise eingerichtet und die zur Einfuhr freigegebenen Warenkontingente festgesetzt werden, außenhandelspolitische Entscheidungen von großer Tragweite, die selbst nach 1933 der Gesetzgebung vorbehalten blieben, indem die entsprechenden Abkommen ausdrücklich unter Berufung auf Art. 48 im Reichsgesetzblatt veröffentlicht wurden. Die allgemeine devisenrechtliche Ermächtigung der Verwaltungsstellen, Geschäfte in fremder Währung zu genehmigen oder ihnen die Genehmigung zu versagen, kann nicht als Ermächtigung der Regierung ausgelegt werden, die gesamte Außenhandelspolitik unter Ausschaltung des Parlaments zu machen, hat diese also nicht zu einem Vorbehaltsgebiet der Exekutive gemacht.
2. Andererseits ist angesichts der Kurzfristigkeit und der großen Zahl der modernen Handelsabkommen ein Ermächtigungsgesetz etwa im Sinne des Reichsgesetzes von 1926 eine praktische Notwendigkeit.
gez. Dr. Wahl. Dr. Arndt.
Das Minderheitsgutachten, erstattet vom Abgeordneten Dr. von Merkatz und Abgeordneten Dr.
Hermann Kopf, hat folgenden Wortlaut: Abkommen zur Regelung des Warenverkehrs mit dem Ausland bedürfen nur dann der staatsrechtlichen Ratifikation gemäß Art. 59 Abs. 2 ,des Grundgesetzes, wenn sie das wirtschaftliche und soziale Gefüge der Bundesrepublik in so grundlegender Weise berühren, daß dadurch der innere und äußere Zustand der Bundesrepublik verändert wird. Ein solches Abkommen regelt dann nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die politischen Beziehungen der Bundesrepublik.
Handelsverträge bedürfen ferner der staatsrechtlichen Ratifikation gemäß Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes, wenn zu ihrer Erfüllung eine Änderung der bestehenden Bundesgesetze erforderlich wird. Nur in einem solchen Falle kann man davon sprechen, daß sie sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen und zu ihrer Durchführung der Erlaß erforderlich wird. Nur in einem solchen Falle verträge bedürfen insbesondere dann nicht der Ratifikation, wenn sie nicht Gegenstände der Bundesgesetzgebung, sondern der Bundesverwaltung berühren. Die zur Zeit zum Abschluß kommenden kurzfristigen Handelsverträge betreffen in der Regel Gegenstände der Bundesverwaltung (Devisenverwaltung, Kontingentsverwaltung, Zollverwaltung). Der saatsrechtlichen Ratifikation bedarf es also nicht, wenn bei Handelsabkommen weder eine Änderung des politischen Status gegeben ist, noch zu ihrer Erfüllung ein Akt der Gesetzgebung erforderlich wird. Die vorliegende Frage, ob .die Handelsverträge, soweit sie nicht bestehende Gesetze, insbesondere zollpolitischer Art, berühren, der Zustimmung des Bundestags bedürfen, wird also wie folgt beantwortet:
Handelsverträge dieser Art bedürfen nur dann der Zustimmung des Bundestags, wenn sie nach ihrem Inhalt die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Bundesrepublik derart ändern, daß durch sie nicht nur die wirtschaftlichen, sondern die politischen Beziehungen des Bundesrepublik einer Regelung unterworfen werden.


(Freudenberg)

Der Außenhandelsausschuß hat sich einstimmig dem Mehrheitsgutachten angeschlossen. Gemäß dem in der Plenarsitzung vom 31. März 1950 bekundeten Willen hat sich der Außenhandelsausschuß anschließend, nachdem er sich schon in einem früheren Stadium wiederholt mit der Frage befaßt hatte, in mehrfachen Sitzungen bemüht, ohne ein Ermächtigungsgesetz, gegen das von seiten des Justizministeriums besondere Bedenken erhoben worden sind, einen gangbaren Weg zu finden, der sicherstellt, daß einerseits das Parlament auf die Gestaltung der Waren- und Zahlungsabkommen vor dem Abschluß Einfluß nehmen kann, ohne daß andererseits der Ablauf der Geschäfte gestört wird. Wir waren uns dabei immer klar, daß wir hart an der Grenze zwischen Legislative und Exekutive stehen. Wir waren ferner der Meinung, daß man die Streitfrage nicht vertagen sollte, bis eine Entscheidung durch den Bundesverfassungsgerichtshof herbeigeführt werden würde, weil dadurch praktisch die nach unserer einmütigen Meinung notwendige Mitwirkung des Parlaments in diesen Dingen verspätet zum Zuge käme. In wiederholten Besprechungen hat der Außenhandelsausschuß mit der Regierung trotz deren grundsätzlichem Beharren auf dem von ihr eingenommenen Rechtsstandpunkt eine Absprache getroffen, die nach unserer einhelligen Auffassung als modus vivendi zu einer praktischen Lösung auf diesem Gebiet führt. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß die Bundesregierung bei dem Zustandekommen dieser Absprache in jeder Weise positiv mitgearbeitet hat, weil auch sie, wie sie wiederholt bekundet hat, entscheidenden Wert darauf legt, auf diesem Gebiet in voller Übereinstimmung mit dem Parlament zu handeln. Die Regierung hat diesem modus vivendi, der in Ziffer 2 der Drucksache Nr. 1207 in fünf Punkten seinen Niederschlag gefunden hat, ihre Zustimmung gegeben. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen ist einmütig zu der Auffassung gekommen, daß auf dieser Grundlage für die Zukunft zu erwarten ist, daß nunmehr das Zusammenarbeiten zwischen Parlament und Regierung beim Abschluß handelspolitischer Vereinbarungen gegeben ist.
Das Frankreich-Abkommen, das Gegenstand des Antrages Nr. 590 ist, bedarf nach der einmütigen Ansicht des Ausschusses der gesetzlichen Zustimmung, zumal nach Ansicht des Außenhandelsausschusses in voller Übereinstimmung mit der Parlamentsdebatte vom 31. März 1950 in diesem Abkommen ein ausgesprochenes Politikum um des-willen zu sehen ist, weil es in gewissen Paragraphen oder Nebenabsprachen zum Beispiel auf die Frage des Saargebietes Bezug nimmt. An sich ist die Frage materiell überholt, weil das Abkommen vom 10. Februar inzwischen abgelaufen ist. Wegen seiner Verlängerung wird zur Zeit schon wieder neu verhandelt. Der Außenhandelsausschuß legt jedoch Wert darauf, ausdrücklich festzustellen, daß das Abkommen nach seiner Meinung, gestützt auf das Mehrheitsgutachten des Rechtsausschusses, der Zustimmung des Parlamentes bedarf.
Ich habe deswegen gemäß den Beschlüssen des Außenhandelsausschusses folgende Anträge zu stellen. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen stellt den Antrag, der Drucksache Nr. 590 unverändert nach Vorlage zuzustimmen. Er stellt ferner den Antrag, zustimmend von der in fünf Punkten festgelegten Absprache des Ausschusses für Außenhandelsfragen mit der Bundesregierung (Drucksache Nr. 1207 Ziff. 2) über das künftige Zusammenwirken zwischen Parlament und Regierung beim Abschluß handelspolitischer Vereinbarungen Kenntnis zu nehmen. Ich weiß nicht, ob es noch notwendig ist, daß ich die fünf Punkte verlese.

(Nein! bei der CDU.)

Sie sind in der Drucksache Nr. 1207 festgelegt. Ich glaube, das sollte genügen.

(Zustimmung bei der CDU.)

Zu Punkt 5 b ist Herr Abgeordneter Margulies Berichterstatter.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108104900
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Das Wort zur Berichterstattung zu Punkt 5 b hat Herr Abgeordneter Margulies.

Robert Margulies (FDP):
Rede ID: ID0108105000
Hohes Haust Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich in zwei Sitzungen mit dem vorläufigen Handelsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Pakistan beschäftigt, das die Bundesregiegierung mit Drucksache Nr. 1086 zur Ratifikation durch den Bundestag vorgelegt hat. Die Regierung beschränkt sich dabei auf die grundlegenden Bestimmungen des Handelsabkommens, für die eine Ratifikationspflicht durch den Bundestag von der Regierung nicht bestritten wird, verzichtet aber in Wahrung ihres Rechtsstandpunktes darauf, die mit dem Handelsabkommen zugleich vereinbarten Warenlisten und das Zahlungsabkommen vorzulegen. Ich kann mich hier auf die Ausführungen beziehen, die der Herr Kollege Freudenberg soeben gemacht und in denen er Ihnen schon mitgeteilt hat, daß unter Wahrung des beiderseitigen Rechtsstandpunktes, der zur Zeit nicht entschieden werden kann, eine Arbeitsgrundlage gefunden worden ist.
Der Ausschuß hat sich besonders mit den Auswirkungen des Art. 1 beschäftigt, in welchem es heißt, daß alle Vorteile, Vergünstigungen, Vorrechte oder Befreiungen, die irgendeinem anderen Lande eingeräumt werden, dem Vertragspartner einzuräumen sind, mit Ausnahme der Vorteile, die benachbarten und den an ein benachbartes Land unmittelbar angrenzenden Ländern einzuräumen sind. Es blieb die Frage zu klären, ob etwa im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den Marshallplan-
Ländern einem nicht benachbarten und auch nicht unmittelbar an ein benachbartes Land angrenzenden Staat eingeräumte Vorteile im Rahmen des vorliegenden Handelsabkommens auch Pakistan eingeräumt werden müßten. Die Regierung stellt sich dazu auf folgenden Standpunkt. Die Bestimmungen des Art. 1 des vorgenannten Abkommens entsprechen fast wörtlich dem general agreement on trade and tariffs, wie sie auf Grund der Havanna-Charta in Genf vereinbart wurden. Danach ist eine gegenseitige Meistbegünstigung für alle mit der Warenbewegung in Frage kommenden Abgaben wie Zölle, Steuern und anderes gewährleistet. Irgendwelche etwa mit anderen Staaten vereinbarte Warenquoten werden hiervon naturgemäß nicht betroffen. Wenn also solche Vereinbarungen etwa innerhalb der europäischen Zahlungsunion durch Festlegung von Freilisten etc. vereinbart werden, so berührt dies nicht den Art. 1 des Abkommens. Sollte sich aber infolge dieser Zahlungsunion eine europäische Zollunion entwickeln, so würde diese unter den Vorbehalt des Art. 1 Absatz 1 fallen, wonach die Vorteile usw., die sich aus einer Zoll union oder aus einem Freihandelsvertrag ergeben, von der Gewährung der gegenseitigen Meistbegünstigung ausgeschlossen werden.
Hinzu kommt ferner, daß die auf der deutschen Exportliste aus Pakistan stehenden Waren derartig


(Margulies)

spezifisch sind, daß sie im Handel der europäischen Länder untereinander keine Rolle spielen. Falls also etwa zwischen der Bundesrepublik und einem anderen europäischen Land, das nicht benachbart ist, oder an ein benachbartes Land angrenzt, eine einzelne Zollvergünstigung vereinbart werden sollte, so würde dies zwar theoretisch sofort auf den Vertrag mit Pakistan Anwendung finden müssen; dies würde aber praktisch kaum in Erscheinung treten.
Eine weitere Diskussion entstand über die Frage der Erfüllung des vorläufigen Handelsabkommens, an das sich offensichtlich auf beiden Seiten Hoffnungen geknüpft hatten, die sich bisher als unerfüllbar erwiesen haben. Bekanntlich ist in der Warenliste eine Einfuhr von 250 000 t Weizen vorgesehen, die bisher nicht zustande gekommen ist, so daß auch an sich schon abgeschlossene Exportaufträge im Werte von 21,5 Millionen Dollar nicht effektuiert werden konnten. Der Ausschuß bat daher den Herrn Bundesminister für Wirtschaft und den Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, insbesondere deshalb um Auskunft, weil sich die Vertreter der Regierung von Pakistan sehr enttäuscht über diesen Vorfall gezeigt haben und nicht ausführbare Vertragsabmachungen geeignet sein würden, den deutschen Ruf als Handelspartner empfindlich zu schädigen. Die deutsche Regierung hatte sich in den Vereinbarungen verpflichtet, die Ausschreibung des Weizens vorzunehmen, und ist dieser Verpflichtung im März dieses Jahres nachgekommen. Die Bedingungen der Ausschreibung erwiesen sich jedoch als für den Importhandel nicht tragbar, zumal die Regierung in Pakistan wiederum nicht gewillt war, die geforderte Qualitätsgarantie zu geben, und euch einen überhöhten Preis forderte. Die Verhandlungen über dieses Geschäft werden seitdem ununterbrochen geführt, ohne daß es bei der eingetretenen Verärgerung bisher gelungen wäre, zu irgendeinem Abschluß zu kommen.
Zwischenzeitlich war bei uns noch klar geworden, daß Subventionen in der erforderlichen Höhe nicht mehr aufgebracht werden können. Der Ausschuß kam daher zu der Überzeugung, daß die nach der langen Pause erforderliche Unterrichtung über die Möglichkeiten der Durchführung solcher Geschäfte anscheinend nicht mit der erforderlichen Gründlichkeit vorgenommen wurde oder die Pakistani den ihnen mitgeteilten Tatsachen, die entscheidend für die Durchführung des Geschäftes sind, nicht genügend Gewicht beigemessen haben. Möglich ist auch, daß das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten angesichts der gerade akuten Auseinandersetzungen über eine Einfuhr von argentinischem Weizen den Gerüchten über die Qualität des Weizens aus Pakistan zuviel Bedeutung beigemessen hat und aus diesem Grunde die Ausschreibung außergewöhnlich schwierig wurde. Andererseits war die Regierung von Pakistan nicht bereit, zu garantieren, daß es sich nicht um überalterten oder lange im Freien gelagerten Weizen handele.
So schwierig es war, die Ursachen für das Nichtzustandekommen des Geschäfts in der Vergangenheit zu ermitteln, so schwierig war es auch, die Bemühungen zu fördern, die Angelegenheit nun doch zu einem guten Ende zu bringen. Ich darf darüber noch kurz berichten.
In der Zwischenzeit haben unter persönlicher Mitwirkung des Herrn Abgeordneten Freudenberg in seiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender des Außenhandelsausschusses Verhandlungen zwischen den beteiligten Ressort stattgefunden, bei denen sich herausstellte, daß der Herr Finanzminister über den bereits für die Zeit bis zum 30. September zur Verfügung gestellten Betrag hinaus noch weitere Mittel für die Subventionen wird bewilligen müssen. Der Herr Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat seine Qualitätsbedenken zurückgestellt, und der Herr Minister für Wirtschaft war ohnehin mit dem Abschluß einverstanden, so daß jetzt dem Abschluß des Vertrages nichts mehr im Wege steht.
Der Ausschuß bittet Sie daher, auf Drucksache Nr. 1208, dem Gesetzentwurf unverändert nach der Vorlage zuzustimmen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108105100
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Zunächst liegt der Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 1207 vor. Wer diesem Ausschußantrag zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Jetzt rufe ich in der
zweiten Beratung
den Entwurf eines Gesetzes über das vorläufige Handelsabkommen vom 4. März 1950 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Pakistan auf. Ich rufe auf die Artikel I, - II, - III, - Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. — Dann ist so beschlossen.
Damit ist die zweite Beratung dieses Gesetzes beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem soeben in zweiter Beratung angenommenen Gesetz in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Damit ist dieses Gesetz in dritter Beratung angenommen.
Wir gehen nun zu Punkt 6 der Tagesordnung über:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten während der Wertpapierbereinigung (Nr. 985 der Drucksachen);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (12. Ausschuß) (Nr. 1219 der Drucksachen).

(Erste Beratung: 71. Sitzung.)

Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Preusker.

Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0108105200
Meine Damen und Herren! Das Gesetz, das Ihnen zur zweiten und dritten Lesung vorgelegt wird und dessen Annahme in der Fassung der Drucksache Nr. 1219 Ihnen der Ausschuß für Geld und Kredit empfiehlt, ist ein technisches Gesetz, das einen durch die Kriegsfolgen entstandenen Notstand überbrücken soll.
Sie wissen alle, daß wir uns gegenwärtig in der D-Mark-Umstellung des Kapitals der Aktiengesellschaften befinden und es außerordentlich wichtig ist, daß dieser Prozeß möglichst schnell zum Abschluß gelangt, damit die deutsche Wirtschaft wieder auf festen Rechtsverhältnissen hinsichtlich des


(Dr. Preusker)

Kapitals und der Bilanzen fußt. Dieser Umstellungsprozeß kann nur durch Hauptversammlungsbeschlüsse bekräftigt werden.
Es handelt sich nun darum, diese Hauptversammlungen, die die Umstellung zu beschließen haben, beschlußfähig zu machen. Das Wertpapierbereinigungsverfahren dauert nach allem, was man sich nach dem notwendigen Anmeldeverfahren ausrechnen kann, etwa eineinhalb bis zwei Jahre. Es geht nicht an, daß man während dieser ganzen Zeit nur die wenigen — vielleicht auf höchstens 15 bis 20 % zu schätzenden — noch vorhandenen effektiken Aktienrechte zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte zuläßt, sondern man muß eine Hilfskonstruktion finden, um möglichst allen, die nach Abschluß des Wertpapierbereinigungsverfahrens wieder berechtigte Aktionäre sind, die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte zu gestatten. Das ist der Sinn dieses, wie ich sagte, technischen Gesetzes.
An der Regierungsvorlage sind eine Reihe von redaktionellen Änderungen untergeordneter Bedeutung vom Bundesrat vorgenommen worden. Sowohl der Rechtsausschuß wie der Ausschuß für Geld und Kredit haben sich diesen redaktionellen Änderungen angeschlossen. Darüber hinaus hat der Ausschuß für Geld und Kredit noch einige materielle Änderungen vorgenommen, die ich Ihnen ganz kurz begründen möchte.
Der Kernpunkt dieser Änderungen ist der neu eingefügte § 6 a. Die Begründung ist durch die praktische Entwicklung des Wertpapierhandels seit dem Anmeldestichtag zur Wertpapierbereinigung vom 1. Oktober 1949 gegeben. Es hat sich, ohne daß wir untersuchen wollen, inwieweit das der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers entsprochen hat, ein Treuhandgiroverkehr in Zuteilungsrechten an Sammelbeständen der Wertpapiersammelbanken herausgebildet. In der Praxis entfallen etwa 80 % der gesamten Aktienumsätze an den Börsen auf diese Zuteilungsrechte.
Nun wäre es nicht mit der wirtschaftlichen Vernunft zu vereinbaren gewesen, wollte man die gegenwärtigen Inhaber dieser Zuteilungsrechte, die ja zweifellos Aktienrechte erwerben wollen, von der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte ausschließen bei Beschlüssen, die die zukünftige Entwicklung der Gesellschaften, für die sie sich interessiert haben, grundlegend beeinflussen. Ich brauche Ihnen das nur mit zwei Worten zu sagen. Es ist ein recht erheblicher Unterschied für die zu erwartenden Erträgnisse aus einer Gesellschaft, ob das Aktienkapital 1 zu 1 oder, sagen wir, 10 zu 1 umgestellt wird.
Um die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte zu ermöglichen, ist also der § 6 a geschaffen worden mit den notwendigen Sicherungen, die sich im ganzen an das Verfahren der Wertpapierbereinigung anschließen. Aus der Einfügung des § 6 a ergeben sich zwangsläufig die Anfügungen des dritten Absatzes des § 5 und des dritten Absatzes des § 6.
Dann ist noch eine zweite materielle Änderung erfolgt, die die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten bei Namensaktien betrifft. Der Ausschuß war sich vollständig klar darüber, daß eine Umschreibung von Namensaktien selbstverständlich erst erfolgen kann, wenn das Verfahren der Wertpapierbereinigung abgeschlossen ist. Er wollte aber ebenso wie im Falle des Treuhandgiroverkehrs auch hier die Möglichkeit eröffnen, daß diejenigen, die analog dem im Wertpapierbereinigungsgesetz vorgeschriebenen Verfahren ihre Mitgliedschaftsrechte nachweisen können, auch nicht von der Teilnahme an grundlegenden Beschlüssen der Hauptversammlungen ausgeschlossen sind.
Dann zum Schluß noch eine weniger bedeutsame Änderung oder Ergänzung des Gesetzes: Wir haben sowohl im Falle der Inhaber- wie im Falle der Namensaktien die Möglichkeit eröffnet, daß diejenigen, die ihre Gesamtrechtsnachfolge an einem Aktienbestand, also als Erben oder im Wege der Fusion, nachweisen können, auch die Möglichkeit erhalten, die Mitgliedschaftsrechte auszuüben.
Ich darf Sie daher bitten, diesem Gesetz zuzustimmen, dessen Bedeutung vor allen Dingen darin liegt, daß es möglichst schnell in Kraft tritt, damit noch im Laufe der zweiten Hälfte dieses Jahres die Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften zur Umstellung ihres Aktienkapitals mit wirklich zuverlässiger Mehrheit der gegenwärtigen Berechtigten durchgeführt werden können.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108105300
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf in zweiter Beratung § 1, — 2, — 3, – 4, – 5, — 6, — 6 a, — 7, — 8, — 9, — 10, —11, — 12, – 13, — 14, — 14 a. Wer mit diesen Paragraphen einverstanden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. Ich bitte um das Handzeichen. -- Gegenprobe! — Angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Ich rufe auf in
dritter Beratung
§ 1.

(Bundesjustizminister Dr. Dehler: Darf ich ums Wort bitten!)

Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0108105400
Ich habe lediglich die Bitte, daß § 14 a gestrichen wird, weil er sich von selbst versteht. Nach dem Grundgesetz tritt ein Gesetz, wenn nichts anderes bestimmt ist, 14 Tage nach seiner Verkündung in Kraft, so daß es dieser Bestimmung nicht bedarf.

(Abg. Dr. Preusker: Einverstanden!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108105500
Keine Wortmeldungen dagegen?
Ich rufe auf die §§ 1 bis 14. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Gegenprobe! — Angenommen.
Es ist der Antrag gestellt, § 14 a zu streichen. Mir scheint das richtig zu sein. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke schön! Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Einleitung und Überschrift. Ich bitte um ein Handzeichen. – Danke! Gegenprobe! — Angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme dieses Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das Gesetz ist gegen wenige Stimmen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren, mir wird mitgeteilt, daß der Ausschuß für Rechtswesen und V erfassungsrecht gegenwärtig noch tagt. Dort sitzt die Creme unserer Juristen. Wir hätten jetzt Punkt 7 der Tagesordnung, den Entwurf eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts zu besprechen. Ich glaube aber, daß das Deutsche Recht vielleicht Schaden leiden könnte, wenn wir dieses Gesetz behandelten, ohne daß die Herren dabei sind.

(Heiterkeit.)

Aus diesem Grunde schlage ich Ihnen vor, daß wir jetzt zunächst Punkt 8 aufrufen. Sind die Damen und Herren damit einverstanden?

(Zustimmung.)

Dann rufe ich auf Punkt 8 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über die Anträge der Fraktion der DP, der Fraktion der KPD und der Abgeordneten Dr. Mühlenfeld und Genossen betreffend Watenstedt-Salzgitter (Nr. 1220, 254, 638, 653 und 1077 der Drucksachen).
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten
Etzel (Duisburg).

(Zuruf: Nicht da, muß geholt werden!)

-- Wir haben seit gestern Pech mit den Herren Berichterstattern.

(Kurze Pause.)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Etzel (Duisburg).

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0108105600
Meine Damen und meine Herren! Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik erhielt in der 70. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 21. Juni 1950 den Auftrag, die Erklärung der Bundesregierung zu der Interpellation Drucksache Nr. 653 zur weiteren Klarstellung der Lage im Gebiet Watenstedt-
Salzgitter gemäß Antrag Drucksache Nr. 1077 zu überprüfen. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik 1 hat sich in Erfüllung dieses Auftrages nach Watenstedt-Salzgitter begeben und hat in zwei Sitzungen am 18. und 19. Juli 1950 in Watenstedt-Salzgitter und in zwei weiteren Sitzungen am 20. und 21. Juli in Bonn diesen Auftrag ausgeführt. Er ist dabei über den formellen Auftrag des Deutschen Bundestags hinausgegangen und hat eingehend untersucht, in welchem Umfange Hilfsmaßnahmen für das Gebiet Watenstedt-Salzgitter erforderlich und möglich sind.
Angesichts der Propaganda, welche um das Problem Watenstedt-Salzgitter nach der politischen Seite hin gemacht wird, hat der Ausschuß für Wirtschaftspolitik es für notwendig gehalten, einmal zu untersuchen, welche bisherigen Leistungen von Bund und Land Niedersachsen für Watenstedt-Salzgitter aufgewandt worden sind. Das Land Niedersachsen hat seit dem 1. Januar 1949, der Bund ab November 1949 für das Gebiet Watenstedt-Salzgitter folgende finanziellen Maßnahmen getroffen.
Zunächst einmal hat der Bund Kredite im Rahmen des sogenannten Schwerpunktprogramms der Bundesregierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gegeben, und zwar folgende: an die Steine und Erden GmbH. 5,2 Millionen DM, an die Reichswerke AG. für Erzbergbau und Eisenhütten 3,3 Millionen DM, an die Erzbergbau Salzgitter GmbH. 1,5 Millionen DM, an die Aktiengesellschaft für Bergbau und Hüttenbedarf 350 000 DM und an andere gewerbliche Unternehmen im Gebiet Watenstedt-Salzgitter 2,2 Millionen DM.
Darüber hinaus, d. h. außerhalb des Schwerpunktprogramms, sind von seiten des Bundes unmittelbar an Krediten gegeben worden: an die
Reichswerke Aktiengesellschaft für Erzbergbau und Eisenhütten 5,5 Millionen DM und an die Stahlwerke Braunschweig GmbH. 5,4 Mill. DM.
Weiter ist eine Bürgschaft der Bundesregierung für einen Auftrag der Deutschen Bundesbahn an die Stahlwerke Braunschweig in Höhe von 7,5 Millionen DM übernommen worden.
Das Land Niedersachsen hat außerhalb dieser Beträge weitere folgende Kredite gegeben: an Steine und Erden GmbH. 300 000 DM, an die Aktiengesellschaft für Bergbau und Hüttenbedarf 150 000 DM, an die Reichswerke Aktiengesellschaft für Erzbergbau und Eisenhütten 4,5 Millionen DM, dann eine Bürgschaft zugunsten der Stahlwerke Braunschweig GmbH. für die Finanzierung von Bundesbahnaufträgen 6 Millionen DM, schließlich eine Liquiditätshilfe und Bürgschaft zugunsten der Stahlwerke Braunschweig GmbH. für einen Auftrag der Hamburger Hochbahn 3,5 Millionen DM.
Mithin sind vom Bund und vom Land Niedersachsen in dem Zeitraum vom 1. Januar 1949 bzw. November 1949 gegeben worden an Krediten 28,4 Millionen DM und an Bürgschaften 17 Millionen DM, zusammen also 45,4 Millionen DM für ein Gebiet, das eine Menschenzahl von 100 000 umfaßt.
Darüber hinaus sind Aufwendungen für den Bau der Bahnstrecke von Lebenstedt nach Immendorf, zu der der Bund und das Land Niedersachsen verlorene Zuschüsse in Höhe von 6 Millionen DM gegeben haben, in den vorstehenden Beträgen nicht berücksichtigt.
Ich stelle weiter fest, daß die im Schwerpunktprogramm bewilligten Mittel bankmäßig bei der Braunschweigischen Staatsbank und der Niedersächsischen Landesbank bereitgestellt sind und dort nach Bedarf abgerufen werden können.
Die im Rahmen des Schwerpunktprogramms zur Verfügung gestellten Mittel werden wie folgt verbraucht: für den Wiederaufbau der Schmiede in Höhe von 721 000 DM mit 300 neu zu schaffenden Arbeitsplätzen, für die Errichtung einer Schlakkengranulation 25 000 DM mit 12 Arbeitsplätzen, für die Errichtung einer Roheisen-Granulation 300 000 DM mit 20 Arbeitsplätzen, für den Wiederaufbau der Gießerei 1,5 Millionen DM. — Weiter sind in Aussicht genommen eine weitere Million D-Mark, Arbeitsplätze zusätzlich 500 —, für die Instandsetzung des Koksofen-Gasbehälters 500 000 DM mit 8 zusätzlichen Arbeitsplätzen.
Es soll weiter ein Ytonwerk errichtet werden. um die anfallende Flugasche zu Baustoffen zu verwenden und diese zu Großformatsteinen für aufgehendes Mauerwerk zu verbrauchen. Hierfür werden benötigt 3 Millionen DM, 2,2 Millionen DM sind zur Verfügung gestellt. Hierdurch werden insgesamt 350 neue Arbeitsplätze geschaffen.
Die Schlackenverwertung erfordert einen Betrag von 800 000 DM; hierdurch werden 70 Arbeitsplätze geschaffen.
Das Hochofen-Zementwerk erfordert insgesamt 2,2 Millionen DM., 1,7 Millionen DM sind zur Verfügung gestellt. Es sollen dadurch 175 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Es ist zu bemerken, daß eine Abstimmung mit der niedersächsischen Zementindustrie zwecks Verhinderung einer übermäßigen Kapazität getroffen worden ist.
Weiter soll eine Schlacken-Splitt-Granulationsanlage hergerichtet werden, welche 20 neue Arbeitsplätze schafft. Die Anlagekosten hierfür sind,


(Etzel [Duisburg])

wie ich bereits vorher erwähnte, bei der Errichtung einer Schlacken-Granulation bereits vorgesehen.
Eine Umspannstation soll zur Versorgung gewisser Anlagen mit Strom errichtet werden. Hierfür werden 180 000 DM benötigt, neue Arbeitsplätze allerdings nicht geschaffen.
Schließlich soll eine Flugasche-Leichtstein-Fabrik hergerichtet werden, allerdings nicht als eine selbständige Fabrik, sondern im Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Ytonwerk.
Weiter wird ein Roheisen-Masselgießbett errichtet; das kostet 74 000 DM und schafft 15 neue Arbeitsplätze.
Es soll eine Verwertungsanlage für Kokereiteer hergestellt werden. Zu diesem Punkt liegt ein Kreditantrag noch nicht vor. Die Anlage wird ebenfalls neue Arbeitsplätze bringen.
Schließlich müssen Mittel aufgewandt werden zur Erhaltung der Wasserversorgung der Reichswerke. Die Wasserwerke der Reichswerke haben eine Leistungskapazität von 90 Millionen Kubikmeter Wasser. Nach Abzug einer Ausgleichsreserve von 30 Millionen Kubikmeter Wasser verbleibt eine verwendbare Menge von 60 Millionen Kubikmeter Wasser. Von diesem wird ein Teil zur Zeit genutzt, ein weiterer Teil wird im Rahmen des städtischen Nachholbedarfes, auf den ich noch komme, im städtischen Notprogramm abgesetzt werden können. Die restlichen 30 Millionen Kubikmeter Wasser können im Lande Niedersachsen frei verfügbar abgesetzt werden.
Das vorstehend erwähnte Arbeitsbeschaffungsprogramm, also das Schwerpunktprogramm, sieht vor, daß 1510 neue Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden.
Weiter sollen für die Aktiengesellschaft für Bergbau und Hüttenbedarf zwecks Finanzierung von Exportaufträgen für Bergbaumaschinen insgesamt 1,7 Millionen DM bis Ende 1951 zugewandt werden. Hierdurch werden zusätzlich 400 Menschen in Arbeit gebracht. Von dieser Summe ist ein Be-. trag von 0,35 Millionen DM bereits vergeben; dafür sind 150 Menschen in Arbeit gebracht worden. Die übrigen 1,35 Millionen DM sollen aus der Reserveliste entnommen oder im zweiten Arbeitsbeschaffungsprogramm untergebracht werden.
Die Erzbergbau Salzgitter-GmbH. beabsichtigt, für eine Sinterkühl- und Verladeeinrichtung einen Betrag von 1,5 Millionen DM zu investieren. Es wird hierdurch eine Steigerung der Absatzmöglichkeiten für Salzgitter-Erze erwartet, eine zusätzliche Beschäftigung von Menschen allerdings nicht.
Der Ausschuß hat in Erfüllung seines Auftrages durch Befragen der Werksleitung, der Leitung der Tochtergesellschaften und der zuständigen Ministerien festgestellt, daß sämtliche Beträge für das Programm zur Verfügung gestellt und auch schon teilweise verwendet wurden. Der Abruf dieser Mittel erfolgt nach Maßgabe des Fortschritts der verschiedenen Arbeiten. Bisher sind 4,2 Millionen DM abgerufen. Die in der Regierungserklärung vom 21. Juni 1950 hierzu gegebenen Antworten treffen somit in vollem Maß und in vollem Umfang zu.
Es war aber, wie erwähnt, notwendig, zu überlegen, welche weiteren Maßnahmen erforderlich sind, um das Problem Watenstedt-Salzgitter überhaupt zu erledigen. Die Arbeitslosigkeit in Watenstedt-Salzgitter betrug zu Beginn des Jahres, am 1. Februar 1950, 14 124 Menschen; sie ist in der Zwischenzeit durch verschiedene Maßnahmen auf 9133 Menschen heruntergegangen. Unter Berücksichtigung einer vorsichtigen Schätzung ist damit zu rechnen, daß durch das von mir soeben im einzelnen dargestellte sogenannte Schwerpunktprogramm insgesamt 1600 Personen in Arbeit gebracht werden können, so daß eine Arbeitslosigkeit von weiteren 7500 Personen bestehen bleibt.
Ich muß bemerken, daß in dem Augenblick, da die Demontagearbeiten in Watenstedt-Salzgitter eingestellt werden, von dort her eine neue zusätzliche Arbeitslosigkeit zu erwarten ist. Diese zur Zeit 7500 Arbeitslosen, nach Ingangsetzung des Schwerpunktprogramms, können durch die vorhandene Industrie und durch die vorhandene Wirtschaft nur zum Teil aufgenommen werden; ein wesentlicher Teil kann nur dann Arbeit bekommen, wenn zusätzliche Industrien nach Watenstedt-Salzgitter gebracht werden. Die Einzelheiten hierüber ergeben sich aus dem folgenden. Ich möchte noch bemerken, daß der Arbeitslosenzahl im Januar 1950 eine Beschäftigtenzahl von 33 275 und im April 1950 eine Beschäftigtenzahl von 32 328 gegenüberstanden. Die Zahl der Beschäftigten ist also leicht zurückgegangen.
Die vorstehend mitgeteilten Ziffern beziehen sich auf das Gebiet des Arbeitsamtes Watenstedt-Salzgitter, das größer ist als das Stadtgebiet. Die Einwohnerzahl beträgt 100 000 Menschen. Die Zahl, welche vom Arbeitsamt Watenstedt-Salzgitter betreut wird, beträgt 125 000 Menschen. Es sind außerdem 30 000 Flüchtlinge vorhanden.
Untersuchen wir nun einmal, welche Aufnahme an Beschäftigten in der vorhandenen Industrie noch möglich ist.
Hier muß sich unsere Aufmerksamkeit zunächst den Reichswerken Watenstedt-Salzgitter und ihren Tochtergesellschaften zuwenden.
In erster Linie hat die Erzbergbau Salzgitter GmbH unsere Aufmerksamkeit gefunden. Die vorgenannte Gesellschaft fördert monatlich 200 000 Tonnen Erze. Bei einer Absatzmöglichkeit von zusätzlich 100 000 Tonnen — gleich 1,2 Millionen Tonnen jährlich – würden nach entsprechender Umschulung unter Zugrundelegung von 25 Arbeitstagen weitere 1000 Personen zusätzlich Beschäftigung finden; darunter 250 gelernte Bergleute.
Unter Voraussetzung der Aufrechterhaltung der derzeitigen Stahlproduktion würde allerdings der Absatz einer zusätzlichen Förderung in Salzgitter bei anderen Gruben, z. B. Echte, Hansa, Friderike, Fortuna, Süddeutsche Dogger und Gruben im Lahn-
Dill-Gebiet, etwa 2000 Menschen arbeitslos machen. Es muß dabei darauf hingewiesen werden, daß diese Gruben kostenmäßig sehr ungünstig liegen. Im Rahmen des Schumanplans ist die Aufrechterhaltung ihrer Förderung allerdings ohnehin gefährdet. Die Umsetzung eines Teils der Bergleute würde möglich sein, wodurch die gewünschte Zahl von zusätzlich 1000 Beschäftigten um die Zahl der umgesetzten Bergleute vermindert würde. Nach der Preisseite hin ist zu beachten, daß die in Watenstedt-Salzgitter geförderten Erze zu konkurrenzfähigen Preisen angeboten werden können.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik empfiehlt daher, das Bundeswirtschaftsministerium zu beauftragen, in Zusammenarbeit mit technischen und wirtschaftlichen Sachverständigen zu klären, ob die zusätzliche Abnahme von Erzen aus Watenstedt-
Salzgitter möglich und unter Berücksichtigung der


(Etzel [Duisburg])

gesamtwirtschaftlichen Verhältnisse zu empfehlen ist.
Die Reichswerke AG. für Erzbergbau und Eisenhütten in Watenstedt-Salzgitter haben uns erste Vorschläge zur Verbesserung ihrer Wirtschaftlichkeit gemacht. Hierdurch sollen nach den Errechnungen 1600 neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Diese Vorschläge befinden sich noch im Stadium einer ersten Prüfung. Nähere Feststellungen über die Durchführbarkeit der Vorschläge konnten im augenblicklichen Stadium noch nicht getroffen werden.
Die Stadtverwaltung in Watenstedt-Salzgitter hat ihrerseits ebenfalls Kreditanträge für bestehende und neu anzusiedelnde gewerbliche Betriebe in einer Gesamtsumme von 6 484 000 DM vorgelegt. Durch diese Anträge sollen 1280 Arbeitsplätze geschaffen werden.
Die Wirtschaftsvereinigung Watenstedt-Salzgitter hat Kreditanträge in einer Höhe von 1 698 000 DM ausgearbeitet. Es handelt sich bei diesen Anträgen im wesentlichen um selbständige Gewerbetreibende aus dem Stadtgebiet. Diese Betriebe ermöglichen bei relativ geringem Kapitaleinsatz eine große Beschäftigungsquote. Die Anträge sind nach Angabe der Wirtschaftsvereinigung Watenstedt-Salzgitter vom Arbeitsamt und der Stadtverwaltung befürwortet. Durch die Bewilligung dieser Anträge sollen 1039 Neueinstellungen ermöglicht werden.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik war selbstverständlich nicht in der Lage, zu den übermittelten Kreditanträgen Stellung zu nehmen. Er empfiehlt daher, mit dem Land Niedersachsen Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel, in Zusammenarbeit mit örtlichen Banken als Hausbanken eine besondere Kreditempfehlungsliste für das Stadtgebiet Watenstedt-Salzgitter aufzustellen. Aus einer solchen Liste würde für das zweite Arbeitsbeschaffungsprogramm schon jetzt festgestellt werden können, welchen Firmen mit einem besonderen Nutzeffekt Kapitalien gegeben werden könnten. Nach den vorgelegten, bisher geprüften Plänen könnten maximal 4800 Menschen Arbeitsplätze finden.
Es kann allerdings nach unserer Meinung nicht damit gerechnet werden, daß alle Vorschläge einer Prüfung standhalten. Bei einer Arbeitslosenzahl von 7500 Menschen — nach Durchführung des sogenannten Schwerpunktprogramms – bleibt daher ausdrücklich festzustellen, daß durch die von der Wirtschaft in Watenstedt-Salzgitter vorgeschlagenen weiteren Maßnahmen die Arbeitslosigkeit in Watenstedt-Salzgitter nicht vollständig beseitigt werden kann. Die dann noch vorhandenen Erwerbslosen können nur durch zusätzliche Ansiedlung gewerblicher Unternehmungen aufgenommen werden. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß in Watenstedt-Salzgitter in seltener Häufung Arbeitskräfte, Wohnungen, genügend Boden für industrielle Anlagen und auch Energie, nämlich Elektrizität, Gas und Wasser in hinreichender Menge vorhanden sind. Aus diesem Grunde drängt sich eine Ansiedlung von industriellen Unternehmungen in Watenstedt-Salzgitter geradezu auf. Um der Stadtverwaltung die Möglichkeit günstiger Angebote zu geben, sind aber aus dem Grundbesitz der Reichswerke vorab die benötigten Flächen für die Ansiedlung solcher industrieller Betriebe zur Verfügung zu stellen. Auf jeden Fall wird die Erwerbslosigkeit durch
die unter diesem Punkt behandelten Projekte keineswegs schnell beseitigt werden können.
Der Ausschuß hat daher die Frage untersucht, mit welchen Maßnahmen bis zur strukturellen Eingliederung der Erwerbslosen die zur Zeit bestehende Arbeitslosigkeit sofort wesentlich eingeschränkt werden kann. Hierbei ist der Ausschuß auf die kommunalpolitischen Probleme gekommen. Die vorübergehende Behebung der vorhandenen Erwerbslosigkeit ist zu einem Teil möglich, wenn die Beseitigung der kommunalpolitischen Notstände sofort entschlossen in Angriff genommen wird.
Die Stadt Watenstedt-Salzgitter ist bekanntlich ein Phänomen besonderer Art. Ich will angesichts der früheren Debatten in diesem Hause auf die Einzelheiten nicht eingehen, sondern will nur noch einmal daran erinnern, daß sie im Jahre 1942 durch den Zusammenschluß von 28 ländlichen Gemeinden gegründet wurde. Der erforderliche Wohnraum für den Zuwachs der Bevölkerung, die ursprünglich 19 000 Menschen betrug und heute rund 100 000 Menschen ausmacht, wurde zu 80 % geschaffen und ist völlig unzerstört. Der Bau der notwendigen öffentlichen und sonstigen Einrichtungen unterblieb jedoch zum größten Teil und wurde zunächst zurückgestellt. Soweit solche Einrichtungen vorhanden sind, sind sie halbfertig und können nicht einmal als Provisorien angesehen werden.
Es handelt sich dabei um folgende Aufgaben. Zunächst gibt es im Gebiet Watenstedt-Salzgitter in völlig unzureichendem Maße Volksschulraum oder Schulraum überhaupt. Die Schulen halten ihren Unterricht in drei Schichten. Die Gesamtstundenzahl ist so gering, daß gemessen am übrigen Bundesdurchschnitt die Schüler in Watenstedt-Salzgitter nicht eine achtjährige Schulzeit, sondern eine sechsjährige Schulzeit haben. Es müssen daher dringend mindestens vier Volksschulen, und zwar je eine in Watenstedt und Flachstöckheim, sowie eine Mittelschule in Lebenstedt einschließlich Inventar errichtet werden. Nach Erstellung dieser Schulen wird immer noch eine Benutzung dieser Schulräume in zwei Schichten erforderlich sein. Hierfür werden benötigt 3,6 Millionen DM und ein Gelände mit einer Größenordnung von 1,8 ha.
Die Kläranlagen in Lebenstedt, Salzgitter, Gebhartshagen, Ringelheim und die Schölkeverrohrung sind unvollständig angelegt. Der derzeitige Zustand, ist eine Gefahr für die örtliche Gesundheit. Die Kläranlagen müssen unbedingt fertiggestellt werden. Hierzu werden 2,05 Millionen DM mit einem Gelände von 9,4 ha benötigt.
Ferner muß eine Bahnunterführung, die einen besonderen Gefahrenpunkt darstellt, mit einem Kostenaufwand von 0,54 Millionen und einem Gelände von 1,1 ha schnellstens hergerichtet werden.
Die Wasserversorgung ist angefangen, aber ebenfalls völlig unzulänglich und nicht fertiggestellt. Es fehlt an Zubringerleitungen in dem groß-ten Teil der vorhandenen Gemeinden, die ich im einzelnen nicht aufführen kann. Hausanschlüsse sind selbstverständlich ebenfalls nicht vorhanden. Es sind hierfür 2,6 Millionen DM nötig.
Schließlich fehlt es im Gebiet an den nötigen
Krankenhauseinrichtungen, und zwar muß ein Krankenhaus mit einer Größenordnung von 350 Betten errichtet werden, um auf die erforderliche Bettenzahl von 840 Betten zu kommen. Die vor-


(Etzel [Duisburg])

handenen Krankenhäuser sind zum Teil in Baracken untergebracht und genügen den hygienischen Anforderungen nicht. Für diesen Zweck werden 5,3 Millionen DM benötigt.
Es muß -ein zentrales Schlachthaus errichtet werden. Mangels Herrichtung irgendwelcher geeigneten Baulichkeiten werden die Schlachtungen heute zum Teil in Wohnräumen vorgenommen, was selbstverständlich keinerlei veterinärpolizeilichen Vorschriften entspricht. Das Schlachthaus würde 1,2 Millionen DM erfordern.
Es besteht dann noch ein großer kommunaler Landbedarf für öffentliche Friedhofsanlagen. Es sind nicht genügend Friedhöfe vorhanden. Es muß eine Leichenhalle gebaut werden.. Industrielles Gelände — das sagte ich schon — fehlt. Es kostet nichts, es muß aber Gelände zur Verfügung gestellt werden. Es fehlt an Sportplätzen, Grünflächen, Kinderspielplätzen, Kleingärten und ähnlichen Dingen. Es fehlt aber auch an einem Verwaltungsgebäude. Es ist zwar in Lebenstedt eine Verwaltung vorhanden, aber sie ist zur Zeit in Wohnungen untergebracht. Durch Herrichtung eines Verwaltungsgebäudes, so daß hier endlich auch ein Rathaus geschaffen werden würde, würden hundert moderne Wohnungen sehr schnell frei, was sich nach der wohnungspolitischen Seite hin sofort rentierlich machen würde. Hierfür sind 1,2 Millionen DM erforderlich.
Es sind weiter verschiedene kommunale Einrichtungen wie Straßenbeleuchtung, Bedürfnisanstalten erforderlich, wofür noch einmal 120 000 DM nötig sind. Schließlich ist eine Straßenverbindung Nordsüd mit einem Kostenaufwand von 1,76 Millionen DM notwendig. Für gewisse Kultureinrichtungen wird ein Betrag von 1,2 Millionen DM benötigt.
Meine Damen und Herren! Die Objekte, die ich im Vorstehenden vorgetragen habe, sind von mir in der Reihenfolge vorgetragen worden, die ihrer Dringlichkeit entspricht. Ich darf darauf hinweisen, daß der hierfür erforderliche Kapitalbedarf im Gesamtbetrage von 20,114 Millionen DM durch die beteiligten Ministerien eingehend überprüft und aus einer Gesamtanmeldung von 120 Millionen DM, also auf ein Sechstel zusammengestrichen worden ist. Die von mir unter 1 bis 4 vorgetragenen Projekte - Volksschulen, Kläranlagen, Bahnunterführung und Wasserversorgung — sind planungsmäßig vollständig fertiggestellt; sie können, wenn das erforderliche Geld zur Verfügung gestellt wird, sofort begonnen werden und erfordern einen Kapitalbetrag von 8,74 Millionen DM. Diese 8,74 Millionen DM würden sofort 1200 Menschen Arbeit bringen.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hält es für dringend erforderlich, daß nicht nur zur Beseitigung der Erwerbslosigkeit, sondern auch zur Beseitigung völlig unzulänglicher Schulverhältnisse, Versorgungsverhältnisse, der Wasserzufuhr und Entwässerung sowie zur Beseitigung eines dringenden Verkehrsgefahrenpunktes dieser Betrag sofort zur Verfügung gestellt wird.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat in seiner Sitzung vom 21. Juli 1950 in Bonn die finanzielle Deckung für diesen Vorschlag mit dem Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hartmann, und mit dem Finanzminister des Landes Niedersachsen, Dr. Strickrodt, eingehend besprochen. Dabei wurde festgestellt, daß hierfür eine Kommunalanleihe der Stadt Watenstedt-Salzgitter aufgelegt werden soll. Aus wirtschaftlichen, arbeitspolitischen und auch gesamtdeutschen Gründen soll die Zwischenfinanzierung durch einen mittelfristigen Schatzwechselkredit an das Land Niedersachsen mit Zweckbindung vorgenommen werden. Wir bitten das Hohe Haus ganz besonders, diesen Vorschlag zu befürworten. Die beteiligten Finanzministerien haben unter der Voraussetzung dieser Befürwortung die Zwischenfinanzierung einer entsprechend hohen Kommunalanleihe als durchaus möglich angesehen.
Die politischen Verhältnisse in Watenstedt-
Salzgitter und die ungewöhnlich große Jugendnot machen aus mehrfachen Gründen besondere Maßnahmen dringend erforderlich. Ich will nur andeutungsweise sagen, daß hier gerade aus politischen Gründen etwas getan werden muß. Es wurde uns mitgeteilt, daß die Ostzone z.B. den Vorschlag gemacht hat, der Jugendnot dadurch zu begegnen, daß man sofort 1 000 Lehrlinge in die Ostzone nimmt, um ihnen dort geeignete Lehrstellen zu geben und ihnen geeignete Ausbildung zuteil werden zu lassen. Sie wissen alle, daß von der Ostzone her bisher schon Kinderverschickungen aufgenommen worden sind, um hier der Not zu begegnen. In dieser Situation glaubten auch wir diesen Dingen unsere besondere Aufmerksamkeit zuwenden zu müssen, und ich darf Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß in Richtung auf die Beseitigung der Jugendnot in diesen Tagen wesentliche Dinge geschehen.
Zunächst soll eine Erholungsfürsorge für Schulkinder eingerichtet werden. Zusätzlich zu städtischen Maßnahmen soll 9 000 Schulkindern ein vierwöchiger Schulerholungsurlaub in den Sommertagen bewilligt werden. Das erfordert einen Kostenaufwand von 900 000 DM. Weiter soll eine pflegerische Betreuung der Jugendlichen in der Gestalt stattfinden, daß in Ausgestaltung eines 9. Schuljahrs durch Einrichtung handwerklicher Werkräume so wie hauswirtschaftlicher Unterrichtsstunden — und zwar 5 Schulküchen, 5 Werkräume, Ausgestaltung von Näh- und Handarbeitsklassen mit 50 Nähmaschinen insgesamt 75 000 DM aufgewendet werden. Für die Durchführung von Maßnahmen, die der Berufsberatung, der Berufsfindung und Berufsvorbereitung sowie der geistigen, seelischen und sittlichen Förderung der Jugendlichen dienen und die sich in Erwerbslosenlehrgänge für Jugendliche, in Zeltlager für besonders erholungsbedürftige Jugendliche bis zu 21 Jahren, in Teilnahme erwerbsloser Jugendlicher am internationalen Jugendgemeinschaftslager und in Grundlehrgänge für Jugendlichen-Erwerbslosenlehrgänge aufteilen, werden insgesamt 9 000 DM benötigt.
Darüber hinaus soll eine pflegerische Betreuung von 1 000 arbeitslosen Jugendlichen durch Notstandsarbeiten in verschiedenen Gebieten stattfinden. Durch Herrichtung eines Flüchtlingslagers, durch Wegebau, durch Schaffung von Grünanlagen, durch Schaffung eines Kinderspielplatzes an der Schule II in Lebenstedt sowie eines Spiel- und Sportplatzes an der Schule in Steterburg, durch Schaffung eines Kinderspielplatzes in Lebenstedt, durch Erweiterung eines Friedhofs, durch Zusatzkosten für Mittagessen bei den eingesetzten Gruppen, durch Ausbau eines Kinderspielplatzes, durch Ausbau eines Schwimmbades usw. sollen nochmals 202 000 DM aufgewandt werden.
Schließlich soll zur Schaffung von Lehrwerk-Stätten geschritten werden. An Jugendlichen bis


(Etzel [Duisburg])

zu 21 Jahren sind vom Arbeitsamt 1 200 Menschen erfaßt. Etwa 800 weitere Jugendliche, darunter 600 Mädchen und 200 Jungen, sind nicht erfaßt. Im 9. Schuljahr sind rund 800 Jugendliche, hiervon 600 bis 700 Jungen. Für diese müssen Lehrstellen geschaffen werden. Diese Lehrstellen können in Hann.-Münden, in den ehemaligen Reichswerken zusätzlich und in Dortmund geschaffen werden. Für diesen Zweck werden 200 000 DM in den Reichswerken, 168 000 DM in Hann.-Münden und 350 000 DM durch Errichtung eines Lehrlingsheims Salzgitter in Dortmund benötigt. Der Gesamtbedarf für diesen Zweck beträgt 2 Millionen DM. Diese 2 Millionen DM werden dergestalt aufgeteilt, daß der Bund 1 Million DM und das Land Niedersachsen 1 Million DM übernimmt. Der Bund hat nach einer Mitteilung des Vertreters des Bundesinnenministeriums, die in unserer Sitzung gemacht wurde, die auf ihn entfallenden Kosten von 1 Million DM durch das Bundesinnenministerium in diesen Tagen übernommen. Das Land Niedersachsen hat auf seinen Anteil bereits 500 000 DM zur Verfügung gestellt. Der Herr Finanzminister des Landes Niedersachsen, Dr. Strickrodt, hat in unserer Sitzung erklärt, daß er sich für die Bewilligung der weiteren 500 000 DM stark machen werde. Die Durchführung dieses Programms ist für die Beseitigung der Lehrlingsnot von besonderer Bedeutung. In Watenstedt-Salzgitter sind rund 1 000 Jugendliche ohne Lehrstellen. Durch dieses Programm dürfte sich die Arbeitslosenziffer um rund 600 Menschen ermäßigen.
In Watenstedt-Salzgitter können zur Beseitigung der Erwerbslosigkeit weiter Maßnahmen durchgeführt werden, um die Verwaltung räumlich unterzubringen. Es fehlen jegliche geeignete Verwaltungsgebäude. Es fehlen Gebäude für die Post und für das Fernmeldewesen, für die Justiz, für die Finanzverwaltung, für die Allgemeine Ortskrankenkasse und auch für die Kirchen. Ein einfaches Telefongespräch innerhalb des Stadtgebiets wird heute noch als Ferngespräch behandelt. Die zuständigen Verwaltungen sind daher zu veranlassen, schnellstens geeignete Verwaltungsgebäude an zentralen Stellen zu errichten, um der Bevölkerung endlich zu ermöglichen, die erforderlichen Verwaltungseinrichtungen an einer Stelle in Anspruch zu nehmen. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß im Gebiet Watenstedt-
Salzgitter keine ausreichenden Friedhöfe zur Verfügung stehen.
Ein wichtiges und wesentliches Problem ist die Ordnung des Grund und Bodens. Bei der Errichtung der Reichswerke wurden im Gebiet Watenstedt-Salzgitter zahlreiche Bauern enteignet. Die enteigneten Ländereien wurden von der Umsiedlungsgesellschaft mit beschränkter Haftung verwaltet und durch eine Reichswerke-Güterverwaltung bewirtschaftet. Die Bauern, welche ihre Ländereien bis zum Jahre 1939 abgeben mußten, sind größtenteils entschädigt worden. Bei den übrigen Bauern steht die Entschädigung noch aus. Die Grundstücke sind zu einem großen Teil nicht einmal aufgelassen. Da der Grundbesitz von der Umsiedlungsgesellschaft verwaltet wird und die Eigentumsverhältnisse ungeklärt sind, ist eine Ansiedlung neuer Industriefirmen erschwert oder völlig unmöglich. Es ist daher erforderlich, daß das aus der nicht zu Ende geführten Stadtgründung entstandene Grund- und Bodenproblem schnellstens geklärt wird. Die beteiligten Ministerien hatten bereits beschlossen, einen dreiköpfigen Ausschuß, bestehend aus Sachverständigen des Ernährungsministeriums, des Bundeswirtschaftsministeriums und des Innenministeriums zu bilden. Dieser Ausschuß sollte schnellstens die Grundstücksverhältnisse klären und die für die Ordnung erforderlichen Vorschläge in Verbindung mit den einheimischen Behörden machen. Es muß darauf hingewiesen werden, daß einer endgültigen Ordnung bisher die Tatsache entgegenstand, daß das Vermögen der Reichswerke der Beschlagnahme gemäß Gesetzen der Militärregierung unterliegt. Die Aufhebung dieser Beschlagnahme müßte daher zu diesem Zweck erbeten werden.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik ist nun der Meinung, daß unter der Leitung des Bundesministeriums der Finanzen ein Bevollmächtigter der Bundesregierung für einen begrenzten Zeitraum von 6 Monaten nach Watenstedt-Salzgitter geschickt werden muß, der die Aufgabe hat, die Arbeiten des vorerwähnten Ausschusses in enger Zusammenarbeit mit den Reichswerken, der Stadtverwaltung und insbesondere den bäuerlichen Organisationen zu klären. Alle zwei Monate soll dabei dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik über den Stand der Arbeiten berichtet werden, damit diese Arbeit sich nicht ungewöhnlich lange hinzieht. Der Ausschuß ist der Meinung, daß es nur durch eine besondere Verwaltungsmaßnahme möglich sein wird, die verworrenen Grundstücksverhältnisse zu klären. Es wird auch die Aufgabe dieses Bevollmächtigten sein, dafür zu sorgen, daß der Stadt Watenstedt-Salzgitter geeignetes Gelände für industrielle Ansiedlungen in verkehrsaufgeschlossener Lage zur Verfügung gestellt wird.
Ein letztes: Die Regierung des Landes Niedersachsen wie auch die Bundesregierung haben in ständigen, immer wiederkehrenden Vorstellungen versucht, die Demontage der Werksanlagen in Watenstedt-Salzgitter weitgehend zu mildern. Diese Versuche sind teilweise erfolgreich gewesen. Von wesentlicher Bedeutung war die Demontage des Stahl- und Walzwerks und von neun Hochöfen, einer Koksbatterie und der Gießerei nebst allen dazugehörigen Hilfs- und Nebenanlagen. Nachdem es im Petersberger Abkommen nicht gelungen war, die Demontage der Reichswerke Watenstedt-
Salzgitter zu verhindern und in dieses Abkommen einzubeziehen, hat die Bundesregierung mehrfach versucht, den Werken weitere Entlastungen zu bringen. Diese Versuche führten zu einem Schriftwechsel zwischen dem Hohen Kommissar General Robertson und dem Bundeskanzler Dr. Adenauer. Im Verlaufe dieses Schriftwechsels wurde von General Robertson der Erhaltung bestimmter Anlagen zugestimmt. Der Demontagebefehl betreffend die beiden verbliebenen Stahlwerk- und Walzwerkhallen wurde im Rahmen der erforderlichen Entmilitarisierung aufrechterhalten und die Einstellung der Demontage bezüglich der zugestandenen Anlagen davon abhängig gemacht, daß dieser Vorschlag als endgültige Abmachung angenommen wurde. Angesichts dieser Sachlage hat der Bundeskanzler im Schreiben vom 19. Juni 1950 sich gezwungen gesehen, dem Vorschlag seine Zustimmung zu geben. Mit Rücksicht auf die durch die erneute Demontage der beiden Werkhallen entstandenen politischen Schwierigkeiten hat der Ausschuß für Wirtschaftspolitik durch Mitglieder aller beteiligten Parteien Vorstellungen bei dem Landeskommissar Niedersachsens erhoben und seiner Meinung dahin Ausdruck gegeben, daß die Demontage dieser beiden Hallen eingestellt werden müßte. Der Landeskommissar des Landes Nieder-


(Etzel [Duisburg])

sachsen hat diese Vorstellungen entgegengenommen.
Nach dieser Begründung haben wir dem Hohen Hause folgenden Antrag vorzulegen:
Antrag des Ausschusses:
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Die Bundesregierung wird ersucht,
1. das Bundeswirtschaftsministerium zu beauftragen, Untersuchungen über eine erhöhte Abnahme von Erzen aus Watenstedt-Salzgitter seitens der Ruhrhütten einzuleiten und darüber bis zum 1. Oktober 1950 dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu berichten;
2. das Bundeswirtschaftsministerium zu beauftragen, in Zusammenarbeit mit der Landesregierung Niedersachsen eine Kreditempfehlungsliste für sonstige förderungswürdige Objekte im Gebiet Watenstedt-Salzgitter einschließlich der Reichswerke vorzulegen;
3. alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um im Rahmen des Programms der kommunalen Erstausstattung der Stadt Watenstedt-Salzgitter die Mittel für 4 Schulen, für Kläranlagen, für eine Bahnunterführung und für die Wasserversorgung im Gesamtbetrag von 8.74 Millionen DM in Form einer kommunalen Anleihe zur Verfügung zu stellen und alles zu tun, um die Zwischenfinanzierung durch einen mittelfristigen Schatzwechselkredit an das Land Niedersachsen mit Zweckbindung bis zum 31. August 1950
— es muß 1955 heißen —zu ermöglichen. Es sind dieserhalb sofort Verhandlungen mit der Bank Deutscher Länder aufzunehmen. Dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik ist über das Ergebnis der Verhandlungen bis zum 15. September 1950 zu berichten;
4. das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen zu beauftragen, vordringlich in Watenstedt-Salzgitter ein eigenes Postgebäude an zentraler Stelle zu errichten und den Postverkehr und das Fernmeldewesen im gesamten Stadtgebiet einheitlich zusammenzufassen;
5. auf die Landesregierung Niedersachsen einzuwirken, daß sie in Watenstedt-Salzgitter Gebäude für die Justiz-, Arbeits- und Wirtschaftsverwaltung und für die Allgemeine Ortskrankenkasse erstellt und nach Fertigstellung dieser Gebäude in jedem Zweig eine einheitliche Verwaltung einrichtet;
6. für die Bereitstellung geeigneter Grundstücke für kirchliche Zwecke und für die Anlage von Friedhöfen zu sorgen;
7. einen Bevollmächtigten der Bundesregierung unter der Zuständigkeit des Bundesfinanzministeriums auf eine begrenzte Zeit von 6 Monaten nach Watenstedt-Salzgitter zu entsenden, um in Zusammenarbeit mit dem interministeriellen Ausschuß, mit den Reichswerken, der Stadtverwaltung und den örtlichen bäuerlichen Organisationen die Grundstücksverhältnisse so zu klären, daß nach Ablauf von
6 Monaten der Bundesregierung abschließende Vorschläge über die Verwendung des Grund und Bodens in Watenstedt-Salzgitter gemacht werden. Der Bevollmächtigte ist zu veranlassen, alle 2 Monate dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik über seine Arbeitsergebnisse Bericht zu erstatten;
II. den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu beauftragen, in Ergänzung seines Berichtes die Struktur der Aktiengesellschaft für Berg-und Hüttenbetriebe und ihrer Tochtergesellschaften auf ihre Zweckmäßigkeit zu prüfen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108105700
Ich danke dem Herrn
Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Kuhlemann.

(Zuruf von der SPD: Das Interesse der Bundesregierung ist evident! Die Regierungsbank ist vollkommen leer!)


Christian Kuhlemann (DP):
Rede ID: ID0108105800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Fraktion der Deutschen Partei mit Drucksache Nr. 254 den Antrag gestellt hatte, die Angelegenheit Watenstedt-Salzgitter im Plenum zu behandeln, und nachdem wir die Antwort durch den Herrn stellvertretenden Bundeskanzler Blücher bekommen und, dadurch veranlaßt, die Angelegenheit nochmals dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Untersuchung überwiesen haben, können wir nun mit Befriedigung feststellen, daß durch diese Ausführungen, die soeben von dem Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, Herrn Abgeordneten Etzel, gemacht worden sind, der Öffentlichkeit endlich einmal hier vor dem Plenum genügend Material vorgelegt worden ist, um die Lage im Gebiet Watenstedt-
Salzgitter kritisch beurteilen zu können. Wir freuen uns, daß durch den Besuch der Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaftspolitik in dem dortigen Gebiet auch die Herren, die sonst nur schriftlich oder in irgendwelchen Erklärungen etwas darüber hören, die Lage vor Augen geführt bekommen haben und einmal persönlich Einblick in die Verhältnisse nehmen konnten. Wenn nun dieser Bericht, der aus der ganzen Entwicklung entstanden ist, den Anlaß dazu gibt, daß sich die Bundesregierung und das Land Niedersachsen und vielleicht auch weiterhin der Ausschuß für Wirtschaftspolitik mit dem Problem Watenstedt- Salzgitter befassen, werden wir wenigstens instand gesetzt, in der dort bestehenden Not irgendwie Linderung zu schaffen, die unbedingt erforderlich ist. Wir freuen uns, daß der Antrag eine Erledigung gefunden hat, mit der wir uns zufrieden erklären können.

(Beifall bei der Deutschen Partei.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108105900
Meine Damen und Herren, ich habe vergessen — ich entschuldige mich dafür —, Ihnen zu sagen, daß Ihnen der Ältestenrat vorschlägt, als Maximum eine Redezeit von 60 Minuten für die Debatte vorzusehen. Sind Sie einverstanden?

(Zustimmung.)

— Es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Abgeordnete Harig. Sie haben 5 Minuten Redezeit.
Harig (KPD) Meine: Damen und Herren! Nichts ist bezeichnender für die Lage und die Stimmung im Gebiet Watenstedt-Salzgitter als der Ausspruch


(Harig)

des Oberbürgermeisters dieser Stadt: „Es sind nun genug Leute hiergewesen; wir wollen endlich einmal Hilfe haben!"
Zu dem, was der Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Linderung der Not und zur Änderung der Verhältnisse vorgeschlagen hat, erkläre ich: das ist ein Tropfen auf einen heißen Stein. Das A und O liegt doch bei der Stahlerzeugung und bei der Erzgewinnung, wenn man natürliche und solide Arbeitsbedingungen schaffen will.

(Sehr richtig! bei der KPD.)

Das haben wir festgestellt, als wir das Gebiet besichtigten. Wir müssen deshalb von der Frage ausgehen, wie die Stahlerzeugung ermöglicht und die Erzförderung erhöht werden kann.
Der Befehl Robertsons vom 23. April zur Zerstörung der Stahlwerkshalle und der Fundamente hat in der ganzen Bevölkerung große Empörung ausgelöst; aber noch größer ist der Arger über die Zustimmung des Bundeskanzlers in seinem Brief vom 19. Juni. Es ist eben ein Unterschied, ob man einen aus Konkurrenzgründen erteilten Befehl entgegennimmt oder ob man sich zum Vertragspartner macht und damit eine Verpflichtung zur Vertragstreue eingeht, wie das im Petersberger Abkommen geschehen ist. Das weiß auch die Bevölkerung. Die Sprengung der Fundamente hat die Zerstörung der Stahlerzeugungsbasis zur Folge. Das wissen diejenigen, die dort waren, daß es, wenn die Sprengung vollzogen worden ist, nicht mehr möglich ist, dort ein Stahlwerk und ein Walzwerk aufzubauen. Die im Betrieb befindlichen Hochöfen müssen im Betrieb bleiben, weil davon die Energieversorgung abhängt. Je Tonne Umschmelzeisen entsteht in Permanenz ein Verlust von 12,70 DM. Würde aber ein Stahl- und Walzwerk aufgebaut, so wäre gegenüber den Preisen der Ruhrindustrie ein Plus von 25 M je Tonne vorhanden. Das ist alles angeführt nach den Worten des Direktors Dr. Rheinländer selbst. Wenn ein Stahl- und Walzwerk dort entstände, könnten außerdem 2500 Arbeitslose Arbeit und Brot finden. Im Erzbergbau könnten ohne Investierungen 1,2 Millionen Tonnen mehr Erz gefördert werden.

(Hört! Hört! bei der KPD.)

Dadurch könnten ohne Aufbringung zusätzlicher Geldmittel weitere tausend Arbeitslose Arbeit und Brot finden. Aber der Schuman-Plan verhindert eine Mehrförderung von Erz, weil lothringische Erze eingeführt werden sollen.

(Abg. Kohl [Stuttgart]: Sehr richtig!)

Durch Abschluß eines Handelsabkommens mit dei Deutschen Demokratischen Republik wäre für natürlichen Absatz gesorgt. Fünf neue metallurgische Betriebe mit einer Kapazität von rund 2 Millionen Tonnen Rohstahl werden dort jetzt gebaut. Dort entsteht auch ein neues Hüttenkombinat mit einer Kapazität von einer halben Million Tonnen Roheisen. Und außerdem wird die Eisenerzförderung auf 1,8 Millionen Tonnen erhöht. Die Deutsche Demokratische Republik wäre ein natürliches Absatzgebiet für das in Watenstedt-
Salzgitter geförderte Erz.
Es ist unbedingt notwendig, daß auch der Stadtverwaltung geholfen wird, Krankenhäuser, Schulen, Kläranlagen zu bauen, wie es hier schon vorgetragen worden ist.
Nach der Vorlage sollen für die Kinderlandverschickung 2 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden. Ich will Ihnen dazu etwas sagen. Alle
Sprecher, die wir dort gehört haben, haben erklärt, daß aus der Deutschen Demokratischen Republik Angebote vorliegen, bei denen es kein Geld kostet. Warum soll man dann diese zwei Millionen DM ausgeben?

(Sehr richtig! bei der KPD.)

Es liegen Angebote vor, wonach dort rund 15 000 Kinder kostenlos aufgenommen werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108106000
Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schluß!

Paul Harig (KPD):
Rede ID: ID0108106100
Ich komme sofort zum Schluß. — Lehrlinge können dort gründlich und unentgeltlich ausgebildet werden, und man gibt das Versprechen, daß sie nach der Ausbildung wieder zurückgehen können.

(Große Heiterkeit.)

Ich schlage deshalb folgendes vor.
Erstens: Der Kampf muß organisiert werden für die Einstellung der Demontage, damit die Stahlwerkshalle und die Stahlwerksbasis erhalten bleibt.
Zweitens: Die Erzförderung muß erhöht werden, damit wir ohne Geld sofort 1000 Arbeitern Arbeit schaffen.
Drittens: 20 Millionen DM müssen sofort zur Verfügung gestellt werden zum Bau von Wohnungen für die Flüchtlinge und für Krankenhäuser.

(Glocke des Präsidenten.)

Viertens: Der Handel mit der Deutschen Demokratischen Republik als natürliches Absatzgebiet muß sofort aufgenommen werden.
Fünftens: Zur Linderung der sozialen Not soll man sofort seitens der Bundesregierung in Besprechungen mit der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik kommen, damit die Kinder, die dort aufgenommen werden können, und die rund 1000 Schulentlassenen, die die Lehre in diesem Gebiete hier nicht aufnehmen können, auf geregeltem Wege dort hinkommen können.

(Beifall bei der KPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108106200
Keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Meine Damen und Herren, ich bin soeben vom Herrn Kollegen Etzel darauf aufmerksam gemacht worden, daß in I Ziffer 2 der Drucksache Nr. 1220 ein Druckfehler ist. Es ist dort vergessen worden, hinter dem Wort „Watenstedt-Salzgitter" die beiden Worte „einschließlich Reichswerke" einzufügen. Ich nehme an, daß es genügt, wenn wir dieses redaktionell ändern, ohne zu beschließen.
Dann bitte ich um Abstimmung. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 1220 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! – Er ist angenommen. Dieser Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.
Ich rufe auf Ziffer 9 der Tagesordnung.
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Entlassung von politisch Geschädigten aus den Diensten der Verwaltung für Wirtschaft (Nr. 1185, 717 der Drucksachen).
Ich erteile dem Abgeordneten Rümmele als Berichterstatter das Wort, möchte aber, ehe Sie, Herr Berichterstatter, beginnen, dem Hause mitteilen,


(Vizepräsident Dr. Schmid)

daß der Ältestenrat für den Ausschußbericht 10 Minuten und für die Debatte insgesamt als Maximum 60 Minuten vorschlägt. Ist das Haus einverstanden? — Das ist der Fall. Es ist also so beschlossen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108106300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der KPD-Fraktion Drucksache Nr. 717 betrifft die Entlassung von politisch Geschädigten aus den Diensten der Verwaltung für Wirtschaft. Dieser Antrag hat zwei Absätze. Im ersten Absatz wird die Bundesregierung ersucht, dem Bundestag Auskunft zu geben, wieviele politisch Geschädigte bei der Übernahme in die Organe der Bundesregierung entlassen wurden. Der zweite Absatz ersucht insbesondere den Bundeswirtschaftsminister, dem Bundestag eine Stellungnahme zuzuleiten, wievielen politisch, rassisch und religiös Verfolgten gekündigt wurde, und einen Einspruch der Betreuungsstelle der Stadt Frankfurt am Main vom 14. März 1950 zu beantworten, auch zu beantworten, wieviele Kündigungen eventuell noch beabsichtigt sind.
Der Beamtenausschuß hat zu diesen Dingen Stellung genommen. Er hat auch eine Antwort vom Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums, Herrn Ministerialdirektor Dr. Krautwig, am 14. Juni 1950 erhalten. In dieser Antwort stellt Ministerialdirektor Dr. Krautwig fest, daß der Stellenplan des Bundeswirtschaftsministeriums gegenüber dem der Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt eine Kürzung von rund 200 Stellen vorgesehen habe, dabei handle es sich zu 80 % um echte Einsparung der Stellen. Es wird dazu weiter gesagt, daß bisher in diesem Zusammenhang noch kein anerkannt politisch, rassisch oder religiös Verfolgter entlassen worden sei und daß auch nicht beabsichtigt sei, irgendeinem Angehörigen dieser Gruppen eine Kündigung zuzustellen.
Der Beamtenrechtsausschuß hat sich deshalb einstimmig auf den Standpunkt gestellt, daß durch diese Erklärung des Vertreters des Bundeswirtschaftsministeriums der Übergang zur Tagesordnung oder die Erledigung des Antrags vorgeschlagen werden könne. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß der Ausschuß einstimmig zu dieser Einstellung gekommen ist. Ich bitte das Hohe Haus, diesem Beschluß beizutreten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108106400
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Gundelach. — Sie haben 5 Minuten.

Gustav Gundelach (KPD):
Rede ID: ID0108106500
Meine Damen und Herren! Zu der Zeit, als meine Fraktion den Antrag auf Drucksache Nr. 717 einbrachte, waren von der Verwaltung für Wirtschaft doch eine Anzahl von Kündigungen, darunter auch solche von Angestellten, die dem Kreis der Opfer des Faschismus angehörten, erfolgt. Aus diesem Grunde haben wir damals diesen berechtigten Antrag gestellt, um Klärung in dieser Sache zu erhalten. Inzwischen sind infolge eines Einspruches von seiten der Betreuungsstelle für politisch, rassisch und religiös Verfolgte der Stadt Frankfurt die Kündigungen besprochen und dann wieder zurückgenommen worden. Insofern sind wir also, nachdem dieses Ergebnis vorliegt, mit dem Beschluß des Ausschusses für Beamtenrecht einverstanden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108106600
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache.
Ich lasse abstimmen. Wer für Annahme des Antrags Drucksache Nr. 1185 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Renner und Genossen betreffend Beibehaitung der Gehaltserhöhung für Beamte im Bundesdienst trotz der Aufhebung der Ersten Gehaltskürzungsverordnung vom 1. Dezember
1930 (Nr. 1186 und 291 der Drucksachen).
Hier hat der Ältestenrat Ihnen vorzuschlagen:
10 Minuten für die Begründung, für die Aussprache als Maximum 40 Minuten. — Es erhebt
sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Farke als
Berichterstatter.

Ernst August Farke (DP):
Rede ID: ID0108106700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Sitzung des Beamtenrechtsausschusses am 13. Juni wurde der vorliegende Antrag beraten. Bei der Beratung ging aus der Stellungnahme des Finanzministeriums hervor, daß im Vereinigten Wirtschaftsgebiet im Jahre 1948 die von der Teuerung am stärksten betroffenen Beamten und Angestellten der unteren Gruppen — also die wirtschaftlich Schwächsten — von den Auswirkungen der sechsprozentigen Gehaltskürzung vorweg befreit wurden. In einer Reihe von Fällen hat diese Aufbesserung der Bezüge nicht nur dieses Ziel erreicht, sondern den durch die Gehaltskürzung bedingten Einkommensausfall sogar überschritten. Da die im Jahre .1948 vorgenommenen Gehaltserhöhungen nicht auf der Grundlage bestimmter Einkommensgrenzen durchgeführt worden sind, sondern auf Besoldungs- und Vergütungsgruppen abgestellt wurden, hatten sie das unerwünschte Ergebnis, daß sich Überschneidungen bei bislang einkommensmäßig gleichgestellten Beamten und Angestellten ergaben. So konnte es z. B. dahin kommen, daß ein Angehöriger einer niedrigeren Besoldungs- oder Vergütungsgruppe durch die Zulage besser als ein Angehöriger einer höheren Gruppe mit einem Grundgehalt oder einer Grundvergütung gleicher Höhe gestellt wurde.
Es wurde im Laufe der Verhandlungen weiter darauf hingewiesen, daß die Annahme dieses Antrages haushaltsmäßig nicht vertretbar sei; er würde nämlich eine Mehrausgabe von jährlich rund 50 Millionen DM zur Folge haben, von der auf die Bundesbahn allein 25 Millionen DM ent fallen würden. Daraufhin stellte der Abgeordnete Dr. Brönner den Antrag, daß der Ausschuß erst nach Kenntnis des genauen Zahlenmaterials über die Vorlage abstimmen sollte. Die Abstimmung ergab ein Stimmenverhältnis von 8:8. Damit wurde der Antrag abgelehnt.
Von der Gegenseite wurde darauf aufmerksam gemacht, daß man die Not der unteren Gehaltsgruppen anerkennen und demgemäß dem Antrag der KPD zustimmen müsse. Es wurde dann abgestimmt. Das Stimmenverhältnis lag so, daß 9 Stimmen für den Antrag waren und 7 Stimmen dagegen.
Das Hohe Haus hat zu entscheiden, ob dem Antrag entsprochen werden soll oder nicht.


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108106800
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gundelach. 3 Minuten.

Gustav Gundelach (KPD):
Rede ID: ID0108106900
Meine Damen und Herren! Wir haben die Tatsache zu verzeichnen, daß die Beamten heute immer noch nach dem Reichsbesoldungsgesetz aus dem Jahre 1927 entlohnt werden. Das ist für die große Zahl besonders der unteren und mittleren Beamten ein ganz unerträglicher Zustand, vor allem angesichts der Tatsache, die Ihnen allen bekannt ist, daß seit dieser Zeit, insbesondere in der Zeit nach 1945 bis heute, eine außerordentlich starke Verteuerung eingetreten ist. Nun haben eine größere Zahl gerade der unterer und auch ein Teil der mittleren Beamten — diejenigen mit niedrigem Einkommen — gewisse Teuerungszulagen erhalten, die sie dringend benötigen, die aber keineswegs auch nur annähernd ausreichen, einen Ausgleich für die eingetretene Verteuerung zu schaffen.
Diese Tatsache veranlaßte meine Fraktion, den Antrag Drucksache Nr. 291 zu stellen, der besagt:
Der Bundestag wolle beschließen:
Bisher erfolgte Gehaltserhöhungen für Beamte im Bundesdienst bleiben durch die Aufhebung der Ersten Gehaltskürzungsverordnung vom 1. Dezember 1930 unberührt.
Der Beamtenrechtsausschuß hat sich, wie bereits vom Herrn Berichterstatter hier ausgeführt worden ist, in seiner Mehrheit dieser berechtigten Forderung nicht verschließen können; er stimmte dem Antrag zu und anerkennt damit die Berechtigung der Forderung der Beamten und ihrer Organisation, daß bei Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung die Teuerungszulage als Bestandteil ihres pensionsfähigen Gehaltes aufrechterhalten bleibt.
Meine Damen und Herren, im Interesse der großen Zahl der betroffenen Beamten sollte der Bundestag dem Antrag der Mehrheit des Beamtenrechtsausschusses seine Zustimmung geben. Damit wäre dem Interesse der größeren Zahl der Beamten erheblich gedient.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108107000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling.

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0108107100
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tatsache, daß eine Zufallsmehrheit des Beamtenrechtsausschusses dem Antrag der KPD zugestimmt hat, scheint mir keine entscheidende Begründung dafür zu sein, daß dem Antrag stattzugeben ist.
Es handelt sich um einen kommunistischen Antrag, der noch vom 6. Dezember 1949 herrührt und damals sicher nicht weniger aus Gründen des guten Eindrucks nach außen gestellt worden ist als die sonst hier im Hause gestellten kommunistischen Anträge.

(Abg. Kohl [Stuttgart]: Haben Sie keine andere Platte? Furchtbar, so etwas!)

Wir kennen als Vertreter der Regierungsparteien die Notlage gerade in den Schichten der unteren Beamtengruppen nicht weniger genau als die Abgeordneten der Kommunistischen Partei und die Abgeordneten der Opposition.

(Abg. Kohl [Stuttgart]: Das scheint mir aber nicht so zu sein!)

Nach unserer Auffassung muß immer und immer wieder darauf hingewiesen werden, daß kein Berufsstand in seinen Einkommensverhältnissen im Vergleich zu früher so wenig den jetzigen Verhältnissen angepaßt worden ist wie der Berufsstand der Beamten, der noch auf den Gehältern von 1927, und dazu noch vielfach mit einer Kürzung von 6%, steht. Das muß immer und immer wieder herausgestellt werden, schon weil so oft in der Öffentlichkeit gegenüber den Beamten der Standpunkt vertreten wird, als wäre bei ihnen alles in Gold.
In besonderem Ausmaße gilt das natürlich von den unteren Beamtengruppen; und weil man das wußte, deswegen hat man ja im Wirtschaftsrat seinerzeit diese Zulagen für die unteren Beamtengruppen gewährt, aber gewährt als Vorleistung auf die Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung, die man ja in absehbarer Zeit wieder vornehmen wollte und die nach wie vor auf der Bundesebene bevorsteht. Wenn das aber eine Vorleistung war, meine Damen und Herren, dann muß sinngemäß diese Vorleistung, diese Vorschußleistung bei der endgültigen Leistung angerechnet werden, wenn nicht unser Besoldungssystem noch mehr durcheinandergeraten soll, als es bisher schon durcheinandergeraten ist, wie ich ja auch gestern abend schon darzulegen Gelegenheit hatte. Die Überschneidungen zwischen den unteren und den mittleren Besoldungsgruppen würden sich, wenn diese Anrechnung nicht erfolgt, noch mehr steigern als bisher. Ich darf darauf hinweisen, daß wir ja im Beamtenrechtsausschuß den Versuch gemacht haben, durch den Antrag unseres Kollegen Dr. Brönner eine Klärung über das Ausmaß dieser Überschneidungen durch eine Anfrage an das Finanzministerium herbeizuführen. Aber dieser Antrag ist mit Stimmengleichheit abgelehnt worden, woraus sich ergibt, daß die Hälfte der abstimmenden Mitglieder nicht einmal den Wunsch hatte, über das Ausmaß dieser Überschneidungen Kenntnis zu erhalten. Also der erste Gesichtspunkt, der gegen eine Annahme des Antrages spricht, ist dieser materiell besoldungsrechtliche.
Der zweite, noch viel wichtigere Gesichtspunkt — denn daß Änderungen in den unteren Gruppen erfolgen müssen, darüber sind wir uns alle klar — ist der finanzielle, daß nämlich dem Bund 50 Millionen Mehrausgaben aufgebürdet werden, die er einfach nicht leisten kann. Ich habe bereits heute nacht bei einem anderen Antrage den Standpunkt darlegen müssen, daß es nicht angängig ist, durch Anträge von dieser oder jener Partei immer wieder Mehrausgaben im Plenum beschließen zu lassen, die dann nicht geleistet werden können, weil die Mittel nicht vorhanden sind. Allerdings ist es hier im allgemeinen Aufgabe der Regierungsparteien, für die haushaltsrechtliche Ordnung zu sorgen; und die Opposition hat die Möglichkeit, draußen im Lande herumzuziehen und zu sagen: Ja, die bösen unsozialen Regierungsparteien wollen natürlich für die kleinen Leute nichts tun; aber wir, die Opposition, sind bereit, diese Dinge ohne weiteres zu machen.

(Zurufe links und Unruhe.)

Ich habe gestern dargelegt: Dem Haushaltsrecht des Bundestages entspricht auch die Haushaltungspflicht des Bundestages; und deswegen können wir Mehrausgaben nur bewilligen, wenn ein Deckungsvorschlag gemacht ist,

(erneute Zurufe von der SPD) der hier bislang nicht vorliegt.



(Dr. Wuermeling)

Als letztes dann aber auch noch ein formeller Gesichtspunkt. Was soll dieser Beschluß eigentlich gesetzestechnisch bedeuten? Ist das ein Gesetz? Ist das eine Entschließung? Ist das ein Ansuchen an die Bundesregierung? — Die Dinge liegen doch so: Die Regelung der Aufhebung der sechsprozentigen Kürzung kann doch nur durch ein Gesetz erfolgen. Also können diese Details, ob die Anrechnung erfolgt oder nicht, auch nur durch ein Gesetz geregelt werden, nicht aber durch eine Entschließung oder einen derartigen Beschluß, wie er uns hier vorliegt.
Meine Damen und Herren! Aus diesen drei Gründen, den materiellen, den finanziellen und den formellen, möchte ich den Antrag stellen, den Antrag des Beamtenrechtsausschusses der Bundesregierung als Material zu überweisen, nicht aber ihm zuzustimmen oder ihn abzulehnen; ihm nicht zuzustimmen, weil es finanziell nicht möglich ist, ihn aber auch nicht abzulehnen, weil wir durch eine Überweisungs-Beschlußfassung den Willen bekunden wollen, daß für uns das Problem noch nicht endgültig geklärt ist und daß auch wir eine möglichst weitgehende Besserung der Besoldungsverhältnisse vor allem in den untersten Beamtengruppen wünschen.

(Zurufe von der SPD.)

Ich überreiche also dem Herrn Präsidenten den Antrag:
Der Antrag des Ausschusses für Beamtenrecht Drucksache Nr. 1186 wird der Bundesregierung als Material überwiesen.

(Abg. Kohl [Stuttgart]: Womit Sie sagen: Wird dem Papierkorb überwiesen!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108107200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mellies.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108107300
Meine Damen und Herren! Heute morgen sind in diesem Hause sehr viele wertvolle Worte darüber gesprochen worden, daß es in der heutigen Zeit sehr notwendig sei, zu überlegen, was man sage, und sich der Bedeutung der Worte, die man ausspricht, namentlich wenn das in der Öffentlichkeit geschieht, auch bewußt zu sein. Der Herr Abgeordnete Wuermeling hat hier eben die Arbeit und die Tätigkeit der Opposition in einer Weise gekennzeichnet, die dem, was hier heute morgen gewünscht wurde, wohl direkt widerspricht.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Er hat so getan, als wenn die Opposition nichts besseres zu tun habe, als mit billiger Agitation draußen im Lande herumzureisen und darauf hinzuweisen, daß sie selbst das Beste wolle, aber die böse Regierung das eben verhindere.

(Abg. Dr. Wuermeling: Ich habe von einer Zufallsmehrheit gesprochen, im übrigen von der KPD!)

— Sie haben allgemein von der Opposition gesprochen

(Sehr richtig! bei der SPD)

und nicht von der KPD allein. — Ich weiß nicht, ab Herr Wuermeling die Überzeugung gewonnen hat, daß die Opposition sich die Arbeit so leicht macht; ich glaube, aus der Arbeit der sozialdemokratischen Fraktion kann er derartige Behauptungen bestimmt nicht herleiten.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Sie wissen genau, daß wir die Finanzpolitik der. Regierung für verfehlt halten. Darüber haben wir hier im Plenum, darüber haben wir noch mehr in
den Ausschüssen gesprochen, und darüber wird noch sehr eindeutig gesprochen werden müssen, wenn demnächst der Haushaltsplan verabschiedet wird. Wenn aus dieser verfehlten Finanzpolitik der Regierung heraus bestimmte Aufgaben nicht geleistet werden können, dann, glaube ich, werden Sie der Opposition nicht das Recht bestreiten können, ihrerseits Anträge zu stellen bzw. diese Dinge, die von den Regierungsparteien getan werden, zu kritisieren.
Im übrigen, wenn Sie von billiger Agitation reden wollen, dann verweise ich doch nur auf den berühmten Antrag mit den 120 Millionen für die Hausratshilfe, den wir erst in der vorigen Woche

(Sehr gut! bei der SPD)

hier behandelt haben. Ich glaube, wenn Sie da selbst einmal ein wenig über ihre Tätigkeit nachdenken würden, dann würden Sie keine Ursache mehr haben, der Opposition solche Vorwürfe zu machen.

(Abg. Dr. Wuermeling: Die 120 Millionen konnten ja bewilligt werden!)

Wenn Sie die Form des Antrags kritisieren, so möchte ich auf folgendes hinweisen. Soweit ich unterrichtet bin, sind Sie Mitglied des Beamtenrechtsausschusses. Als Mitglied des Beamtenrechtsausschusses wäre es Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Anträge in einer Form an das Plenum gelangen, daß sie hier auch durch Beschlußfassung entsprechend erledigt werden können. Die Kritik, die Sie in dieser Form ausgesprochen haben, richtet sich also gegen Sie selbst.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108107400
Keine Wortmeldungen? — Ich erteile das Wort dem Herrn Staatssekretär Hartmann als Vertreter der Regierung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108107500
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling hat vorhin die sehr starken Bedenken, die gegen diesen Beschluß des Ausschusses bestehen, so ausführlich und so nachdrücklich geschildert, daß ich dem namens des Herrn Bundesministers der Finanzen eigentlich gar nichts hinzuzufügen habe. Es sind besoldungsrechtliche Gründe. Wir können die Gleichstellung von unteren und mittleren Beamten, die in der Besoldungsordnung so verankert ist, daß ein unterer Beamter im höheren Lebensalter dasselbe Gehalt bekommt wie etwa ein mittlerer Beamter im jüngeren Lebensalter, bei Annahme des Antrags nicht aufrechterhalten. Diese Durchbrechung der Gehaltsskala ist auf die Dauer nicht erträglich und müßte durch eine Änderung der Besoldungsordnung beseitigt werden. Die damalige Zulage war ein Vorschuß auf die spätere Regelung. Sie sollte aber nach einem ausdrücklichen Beschluß des Wirtschaftsrates bei Wegfall der Gehaltskürzungen nach und nach beseitigt werden. Die Vermeidung von Härten ist dadurch gesichert, daß die bisherigen Bezüge in jedem Fall beibehalten werden sollen. Eine Verminderung der Bezüge tritt also nicht ein.
Das zweite ist die haushaltsmäßige Lage, insbesondere die Einwirkung auf die Finanzen der Post und der Bahn. Was die Bahn betrifft, so ist die Situation im einzelnen ja wohl bekannt. Es ist bekannt, daß die Neuerrichtung einer gesunden Finanzbasis für die Bahn wirklich nicht damit beginnen kann, ihr neue Gehaltslasten zuzumuten. Man verhindert dann entweder die notwendigen Investitionen in diesem Umfange oder der an sich bedauerliche Druck, Entlassungen bei der Bahn


(Staatsekretär Hartmann)

vorzunehmen – ich darf auf das Gutachten der ausländischen Gutachter verweisen wird hierdurch nur noch verstärkt.
Zum Schluß darf ich zur formellen Seite noch einmal das unterstreichen, was der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling gesagt hat. Der Antrag scheint mir in der vorliegenden Form überhaupt nicht für eine Behandlung geeignet zu sein. Die endgültige Regelung wird ja durch das Gesetz erfolgen, durch das demnächst die Gehaltskürzungen aufgehoben werden sollen. Im Moment kann es sich daher wohl nur um eine Entschließung handeln, die der Regierung als Material zu überweisen wäre.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108107600
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Meine Damen und Herren! Der Antrag des Herrn Kollegen Dr. Wuermeling ist nicht als Abänderungsantrag gestellt, sondern ist ein eigener Antrag. Daher muß ich zuerst über den Antrag Drucksache Nr. 1186 abstimmen lassen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Nun die Abstimmung über den Antrag Dr. Wuermeling. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung, indem ich davon ausgehe, daß es dem Hohen Hause wohl lieber sein wird, wenn wir die Justizgesetze am Schluß zur Beratung und Abstimmung bringen.
Punkt 11 der Tagesordnung lautet:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen (15. Ausschuß) über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, BP und DP betreffend Bereitstellung von Mitteln zum Wiederaufbau der Hochschulen (Nr. 1199, 666 der Drucksachen).
Zur Berichterstattung erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Baade.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen 10 Minuten Redezeit für den Ausschußbericht und 40 Minuten maximal für die Beratung vor. — Da kein Widerspruch erfolgt, ist so beschlossen.

(Zuruf von der CDU: Gar keine Aussprache!) Ich hoffe, es wird keine geben.


Dr. Fritz Baade (SPD):
Rede ID: ID0108107700
Meine Damen und Herren! Eine interfraktionelle Gruppe hatte den Antrag gestellt:
die Bundesregierung zu ersuchen, bei der
Verteilung der nächsten ERP-Rate 50 Millionen DM zum Wiederaufbau der Universitäten, der Technischen und der Landwirtschaftlichen Hochschulen bereitzustellen.
Der ERP-Ausschuß hat diesen Antrag beraten und dabei als erstes einstimmig festgestellt, daß es wohl aussichtslos sein würde, von der ECA-Mission die Zustimmung dafür zu bekommen, daß aus Gegenwertmitteln Ausgaben bestritten werden, die zu den normalen Aufgaben der Länder gehören. Das heißt: diese Förderung der Universitäten mußte darauf verzichten, den Lehrbetrieb der Universitäten zu finanzieren, da dieser Lehrbetrieb Länderangelegenheit ist. Es mußte daher von vorn-
herein versucht werden, diese Finanzierung vollständig auf die Forschung zu konzentrieren, und zwar auf diejenige Forschung, die im engsten Zusammenhang mit den Aufgaben des Marshallplans steht. Dabei handelt es sich um eine Forschung, von deren Ergebnissen praktische und kurzfristig zu erzielende Beiträge für die Unabhängigkeit Deutschlands von weiterer Auslandshilfe zu erhoffen sind.
Nachdem wir dies grundsätzlich im ERP-Ausschuß klargestellt hatten, haben wir den Antrag an den Ausschuß für Kulturpolitik weitergeleitet, der sich in einer Sitzung vom 7. Juli damit befaßt hat und unseren Gesichtspunkten grundsätzlich zustimmte, uns aber ersuchte, bei der Verteilung dieser Mittel das Bundesinnenministerium federführend einzuschalten.
Wir haben dann erneut im ERP-Ausschuß eingehend über diese Frage gesprochen und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß wir hier alles vermeiden müßten, was die Bewilligung dieser Mittel durch die letzten Endes ja zuständige ECA-Mission gefährden könnte und daß wir infolgedessen die Ausrichtung des Einsatzes dieser Mittel für diejenigen Aufgaben der Forschung, deren Ergebnisse die Abhängigkeit Deutschlands von amerikanischer Hilfe beseitigen können, so stark wie nur möglich herausarbeiten müßten.
Wir haben dann zu unserer Freude festgestellt, daß ziemlich gleichzeitig mit unseren Arbeiten die Bundesregierung schon einen Betrag von ursprünglich 17,5 Millionen — er wurde dann schließlich auf 22 Millionen erhöht — bei der ECA-Mission für solche Forschungszwecke beantragt hatte und daß gerade in den Tagen, an denen wir darüber berieten, bereits aus der ersten Tranche der Freigabe von Gegenwertfonds ein Betrag von 22 Millionen DM für solche Forschungszwecke von der ECA-Mission endgültig genehmigt worden war.
Für diese Forschungsaufgaben war bereits von den zuständigen Bundesministerien ein allgemeines Programm aufgestellt worden. Dieses Programm war im wesentlichen nach den Richtlinien aufgestellt worden, deren wichtigste Punkte ich eben erwähnt habe: Konzentration auf konkrete praktische Forschungsaufgaben auf dem Gebiet der technologischen und naturwissenschaftlichen Forschung und zu einem sehr bescheidenen Teil auf dem Gebiet der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung, Forschungen, von denen zu erwarten ist, daß entweder unsere Dollareinnahmen aus dem Export in absehbarer Zeit dadurch vergrößert werden oder daß wir Dollarausgaben sparen.
Wir hatten aber doch das Gefühl, daß diese Forschungsarbeiten noch wesentlich schärfer koordiniert werden müßten, als das bisher geschehen war. Es ergab sich auch das Problem, wieweit aus diesen ERP-Gegenwertmitteln, die nach dem gestern hier in diesem Hause angenommenen Antrag nun ganz eindeutig Haushaltsmittel des Bundes sind,

(Abg. Dr. Pünder: Sehr richtig!)

die Forschungen von Instituten der Privatindustrie finanziert oder durch Kredite gefördert werden dürften. Wir waren uns sehr frühzeitig darüber im klaren, daß im allgemeinen diese Mittel nicht den privaten Forschungsinstituten der Industrie zufließen sollten, sondern den öffentlichen Forschungsinstituten, insbesondere unseren technischen Hochschulen. Unsere technischen Hochschulen sind wirklich durch Mangel an Mitteln in einer geradezu erschreckenden Weise in ihrer For-


(Dr. Baade)

schungstätigkeit gehemmt, sehr zum Schaden der deutschen Wirtschaft, die ja letzten Endes ihre Konkurrenzfähigkeit im Export ganz weitgehend den früheren großen Pionierleistungen der deutschen Forschung verdankt. Es war daher dringend notwendig, die Mittel auf diese Aufgaben zu konzentrieren.
Wir haben uns dann mit dem ERP-Ministerium über allgemeine Richtlinien für den Einsatz dieser Mittel verständigt und auch darüber, daß es nötig sein würde, für die Überwachung und Koordination dieser Forschung einen besonderen Ausschuß einzusetzen. Dabei ist es unmöglich, nur ein einziges Bundesressort zu beteiligen. Es sind vier Bundesressorts, die unbedingt daran beteiligt sein müssen; das ist als federführendes Ministerium das ERP-Ministerium, es ist das Bundesinnenministerium in seiner Zuständigkeit für allgemeine Kulturangelegenheiten, es ist das Bundesfinanzministerium und das Bundesministerium für Wirtschaft. Es ist auch klar, daß bis zu einem gewissen Grade die Ländergesichtspunkte dabei zur Geltung kommen müssen. Wir haben vorgeschlagen, in den Steuerungsauschuß einen Vertreter der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder hineinzunehmen. Wir haben auch dem ERP-Ministerium zu erkennen gegeben, daß wir es unbedingt für nötig hielten, daß sich nicht nur Beamte, sondern auch Parlamentarier an dieser Nachprüfung der Forschungsprojekte, an ihrer Koordinierung und an ihrer Konzentration auf die vordringlichsten Aufgaben beteiligen. Es wurde vorgeschlagen, daß drei Parlamentarier zu den fünf Beamten hinzutreten sollten und so ein Achterausschuß gebildet werden sollte.
Bei diesem Stand der Verhandlungen haben wir uns dann mit dem wirtschaftspolitischen Ausschuß in Verbindung gesetzt und haben unsere Gesichtspunkte zum Einsatz und zur Steuerung dieser Forschungsmittel dort vorgetragen. Der wirtschaftspolitische Ausschuß hat einstimmig unseren Gesichtspunkten bezüglich dieses Einsatzes der Mittel und bezüglich der personellen Überwachung dieses Einsatzes zugestimmt. Auf Grund dieser Zustimmung des wirtschaftspolitischen Ausschusses ist dann wiederum einstimmig der Beschluß des ERP-Ausschusses entstanden, der Ihnen in Gestalt der Drucksache Nr. 1199 hier vorliegt.
Im ersten Absatz wird die Bundesregierung ersucht,
aus der 2. und 3. Tranche der ERP-Gegenwertmittel zur Förderung der Forschung einen Betrag von insgesamt 49 Millionen DM bereitzustellen ohne Anrechnung der von der ECA-Mission für denselben Zweck bereits bewilligten 22 Millionen DM.
Es ist gar kein Zweifel, daß 50 Millionen DM für dieses ungeheuer wichtige Gebiet der Forschung ein ungenügender Betrag sein würden. Es wäre sehr erwünscht, wenn trotz der uns jetzt drohenden allgemeinen Kürzung der Gegenwertmittel auch diesem Beschluß Rechnung getragen werden könnte.
Ich glaube, ich kann Ihnen wirklich nur ehrlich empfehlen, diesem Absatz 1 zuzustimmen. Wir könnnen nur den Wunsch haben, daß es der Bundesregierung gelingen wird, bei den Verhandlungen mit der ECA-Mission auch für diesen Wunsch Erfüllung zu bekommen.
Im zweiten Teile dieses Antrages wird die Bundesregierung ersucht, für die Aufstellung des aus den ERP-Mitteln zu fördernden Forschungsprogramms einen Ausschuß zu konstituieren, der, wie ich Ihnen eben sagte, aus den Vertretern der vier Bundesressorts, einem Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der Länder und drei Parlamentariern zusammengesetzt ist.
Wir haben schon angefangen, mit einem solchen Achterausschuß zu arbeiten. Ich darf aus diesen Arbeiten berichten: wir hatten das Gefühl, daß es sehr nützlich war, in dieser Weise eine sehr straffe Koordination sämtlicher Forschungsaufgaben vorzunehmen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, den ich vorhin vorgetragen habe, diese Mittel nach Möglichkeit auf die Universitätsinstitute und die übrigen öffentlich finanzierten Forschungsinstitute zu konzentrieren und die Forschung der Industrie im wesentlichen auf die eigenen Mittel der Industrie zu verweisen. Wir können diesem Gesichtspunkt nicht hundertprozentig folgen, denn es gibt sehr wertvolle Forschungsinstitute auch in der Industrie. In den Fällen, in denen solche Institute auch finanziert werden, muß mit allem Nachdruck und mit aller Wirksamkeit dafür gesorgt werden, daß diese aus öffentlichen Mitteln finanzierten Forschungsergebnisse nicht der betreffenden Firma allein zugute kommen, sondern der gesamten deutschen Wirtschaft zugänglich gemacht werden.
Ich darf berichten, daß ich mit den parlamentarischen Kollegen, mit denen ich in diesem Ausschuß zusammenarbeite — das sind die Abgeordneten Dr. Pünder und Freudenberg — gerade in der scharfen Durchsetzung dieses Prinzips vollkommen einig bin. Ich glaube, daß wir auf diese Weise einen erheblichen Nutzen stiften können.
Der Ausschuß empfiehlt Ihnen also die Annahme der Drucksache Nr. 1199 und die Zustimmung zu den Prinzipien, die ich Ihnen in diesem Bericht vorgetragen habe.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108107800
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kohl. 3 Minuten!

Rudolf Kohl (KPD):
Rede ID: ID0108107900
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte mit einigen Sätzen die Auffassung meiner Fraktion zu diesem Antrag darlegen. Wir stehen der Frage des Aufbaus der Hochschulen absolut aufgeschlossen gegenüber, sind nur der Meinung, daß man vermeiden soll, Illusionen zu erwecken, die nach unserer Auffassung in den kommenden Monaten enttäuscht werden müssen. Wir wissen — und das ist Ihnen genau so gut bekannt wie uns —, daß die Gegenwertmittel erst in der letzten Zeit um 300 Millionen gestrichen worden sind. Wer die Presse eingehend verfolgt, weiß, daß mit einer weiteren Abzweigung von Gegenwertmitteln für die sogenannte Verteidigung Westeuropas zu rechnen ist. Man spricht davon, daß der Einsatz solcher Mittel den Beitrag Westdeutschlands zur Verteidigung Westeuropas darstelle. Wenn wir diese Dinge ins Auge fassen, dann müssen wir vor Illusionen warnen, die mit diesem Antrage verknüpft sind.
Aber noch etwas anderes kommt hinzu. Die ERP-Mittel sind Pfandmittel. Als solche haben sie natürlich auch in ihrer Anlegung gerade beim Aufbau von Hochschulen außerordentlich starke Bedenken bei uns erweckt. Wir verlangen deshalb den Einsatz ordentlicher Etatmittel, weil wir dann allein die Verfügung über die Ausgestaltung unserer Hochschulen haben können.

(Beifall bei der KPD.)



Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108108000
Keine weitere Wortmeldung. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich bitte um Abstimmung. Wer für Annahme des Antrags Drucksache Nr. 1199 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen. Damit ist Punkt 11 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 12:
Beratung des Interfraktionellen Antrags
betreffend Wahl der Mitglieder des Vorläufigen Richterwahlausschusses für den Bundesfinanzhof (Nr. 1241 der Drucksachen).
Hier liegt ein Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP und DP vor. Nach diesem Antrag sollen gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof vom 29. Juni 1950 als Mitglieder des Vorläufigen Richterwahlausschusses für den Bundesfinanzhof vorgeschlagen werden die Herren Abgeordneten Brese, Dr. Dresbach, Neuburger, Dr. Oesterle, Sabel, Böhm, Dr. Greve, Lausen, Seuffert, Dr. Dr. Höpker-Aschoff und Ewers.
Ich eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldung. Ich schließe die Aussprache.
Wir schreiten zum Wahlakt. Wer für die Wahl der Herren, deren Namen ich verlesen habe, ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen. Die Herren sind Mitglieder des Vorläufigen Richterwahlausschusses für den Bundesfinanzhof.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung: Beratung des Interfraktionellen Antrags betreffend Neuwahl der Mitglieder des Kontrollausschusses beim Hauptamt für Soforthilfe (Nr. 1242 der Drucksachen).
Es handelt sich darum, daß die Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP folgende Damen und Herren vorgeschlagen haben: Herrn Braun, die Abgeordneten Dr. Bucerius, Dr. Kather, Schütz, Herrn Dr. Brecht, die Abgeordneten Heiland, Frau Krahnstöver, Dr. Oellers.
Mir liegt ein Abänderungsantrag Bucerius und CDU-Fraktion vor, an Stelle des Namens Dr. Bucerius den Namen Hermann Eplée zu setzen. Wir brauchen darüber hier nicht abzustimmen, wir berichtigen einfach die Vorlage.
Ich eröffne die Aussprache. — -Keine Wortmeldung. Ich schließe die Ausprache.
Wir schreiten zum Wahlakt. Wer für die Wahl der Damen und Herren, deren Namen ich soeben verlesen habe, ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen. Die von mir genannten Damen und Herren sind als Mitglieder des Kontrollausschusses beim Hauptamt für Soforthilfe auf die Dauer eines weiteren Jahres gewählt.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Baade, Brünen, Happe, Höhne, Frau Keilhack, Kriedemann, Mertins, Dr. Schmidt (Niedersachsen), Frau Strobel und Fraktion der SPD betreffend Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Flurbereinigung (Nr. 1025 und 1223 der Drucksachen).
Der Ältestenrat hat Ihnen vorzuschlagen, meine Damen und Herren: für den Ausschußbericht 10 Minuten, für die Aussprache im Maximum 40 Minuten. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dannemann als Berichterstatter.

Robert Dannemann (FDP):
Rede ID: ID0108108100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits der Wirtschaftsrat hat sich seinerzeit eingehend mit der Frage der Umlegung befaßt und ein Flurbereinigungsgesetz ausgearbeitet, dessen Verabschiedung nicht mehr erfolgte, sondern über das die Entscheidung dem Bundestag vorbehalten bleiben sollte. Im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bestand einmütig die Auffassung, daß eine der vordringlichsten, aber auch erfolgversprechendsten Maßnahmen zur Erzeugungssteigerung eine Flurbereinigung sei. Von den in Westdeutschland vorhandenen 14,7 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche sind nach den angestellten Erhebungen nicht weniger als rund 5 Millionen Hektar, d. h. ein Drittel der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche, dringend umlegungsbedürftig.
In diesem Hohen Hause ist in den wiederholten Agrardebatten auf die großen Schwierigkeiten hingewiesen worden, unter denen die Landwirtschaft Westdeutschlands zu leiden hat. Eine der Ursachen für diese Schwierigkeiten ist die sehr starke Zersplitterung der Betriebe, die vielfach so weit geht, daß jeglicher wirtschaftlicher Einsatz von Maschinen einfach unmöglich gemacht wird. Es liegt aber nicht nur im Interesse der Landwirtschaft, sondern im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse, hier schnellstens eine Änderung herbeizuführen. Die bis jetzt gültige Reichsumlegungsordnung vom Jahre 1937 schafft dafür aber nicht die Voraussetzungen. Sie ist viel zu schwerfällig und vor allen Dingen in der Ausführung viel zu zeitraubend. Würde man nach ihr die Umlegung in Westdeutschland vornehmen, wäre dafür mindestens ein Zeitraum von etwa 30 bis 50 Jahren erforderlich. Diese Zeit haben wir einfach nicht, wenn unsere Landwirtschaft im Zuge der Liberalisierung leistungs- und wettbewerbsfähig gemacht werden soll und wenn vor allen Dingen zum Nutzen der Verbraucher die Erzeugungskosten so weit herabgedrückt werden sollen, daß die Nahrungsmittel zu erträglichen Preisen der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden sollen. Jede Umlegung ist nun aber nur dann von Erfolg gekrönt, wenn für ihre Durchführung auch die erforderlichen Mittel bereitgestellt werden.
Aus diesem Grunde hat daher auch der Ausschuß einmütig den Antrag der SPD im Grundsatz befürwortet und schlägt dem Hohen Haus folgende Entschließung vor:
Die Bundesregierung wird ersucht, beschleunigt ein Gesetz zur Flurbereinigung vorzulegen und für die Bereitstellung von Mitteln Vorsorge zu tragen, die zu einer schnellen Inangriffnahme der Flurbereinigung nötig werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108108200
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Horlacher.

Dr. Michael Horlacher (CSU):
Rede ID: ID0108108300
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darüber kann gar kein Zweifel sein, daß die Flurbereinigung eines der wichtigsten technischen Mittel ist, um den Fortschritt in der Landwirtschaft, die Steigerung der Produktion und eine Senkung der Unkosten herbeizuführen. Aber man darf sie nicht als Allheilmittel hinstellen. Ich


(Dr. Horlacher)

denke an die Lage der vielen kleinen Spezialbetriebe, ich erinnere an unsere Obst- und Gemüsekulturen, an unseren Weinbau und an die anderen Spezialkulturen wie Tabakbau usw. Hier hängt die Sache von der agrarpolitischen Führung ab und nicht allein von der Flurbereinigung. Denn die Leute, die mit ihren Familienangehörigen auf diesem kleinen Fleckchen Erde leben, haben schon eine Flurbereinigung, d. h. sie haben so viel bzw. so wenig Land in hockentwickelter Spezialkultur, daß es ohnehin schon zusammengelegt ist. Die Flurbereinigung also als ein Allheilmittel zur Sanierung aller landwirtschaftlichen Verhältnisse hinzustellen, geht zu weit. Auch kommt noch hinzu, daß die Flurbereinigung, obwohl sie mit allen Mitteln gefördert werden muß, immerhin eine gewisse Anzahl von Jahren beanspruchen wird. Sie kann nicht von heute auf morgen durchgeführt werden.
Ich habe es außerordentlich bedauert, daß der ursprüngliche Plan der Amerikaner, einige wichtige Punkte besonders förderungsreif zu machen — zu denen auch die Flurbereinigung gehört – und für sie erhebliche Mittel aus ERP-Geldern zur Verfügung zu stellen, nicht verwirklicht worden ist. Deswegen bin ich durchaus dafür, daß wir der Bereitstellung der notwendigen Mittel aus allen möglichen Quellen den entsprechenden Nachdruck verleihen. Hier kommen die Quellen der Länder in Frage, soweit sie dazu noch Geld haben. Dann kommen noch in Frage der Bund, soweit er noch Geld hat, und die ERP-Mittel. Die Hauptfrage richtet da der Herr Bundesfinanzminister an uns, woher nämlich die Mittel kommen sollen, um all das zu finanzieren, was an sich wünschenswert ist. Aber es ist wünschenswert, daß das gefördert wird.
Jetzt kommt noch eine andere' Frage. Wenn Sie das aus meinem Munde hören, mag das auf Sie besonderen Eindruck machen. Denn Sie wissen ja, daß ich sonst in diesem Hause bestrebt bin, trotz meiner Herkunft aus Bayern auf der deutschen Ebene zu arbeiten, soweit es irgend geht.

(Bravo! bei der CDU/CSU.)

Aber hier kommt ein Spezialfall in Frage. Das hat mit Bayern gar nichts zu tun, das ist bei anderen Ländern genau so. Hier handelt es sich um die Organisation des Flurbereinigungswesens. Die Organisation des Flurbereinigungswesens war in erster Linie Sache der Länder. Es ist auch die Schuld der Länder, wenn sie nicht rechtzeitig entsprechende Flurbereinigungsgesetze gemacht haben. Wir in Bayern haben seit geraumer Zeit ein Flurbereinigungsgesetz, das modernisiert ist und die Verhältnisse vereinfacht. Dazu gehört auch, daß die alten Bestimmungen der Reichsumlegungsordnung beseitigt werden, denn die Mitbestimmung der Beteiligten muß in den Flurbereinigungsgesetzen unter allen Umständen mitberücksichtigt werden.

(Zuruf von der CDU: Aber nicht von Amts wegen!)

— Nicht allein von Amts wegen! Denn die Gescheitheit beruht nicht bloß darauf, daß einer zufällig ein Amt innehat, obwohl man sagt, wenn einer ein Amt bekommt, bekommt er auch einen Verstand. Aber das ist nicht immer der Fall, hier kommt j a der entsprechende Verkehr mit dem Publikum hinzu. Das Vertrauensverhältnis zu unseren Bauern herzustellen, ist eine sehr schwierige Aufgabe.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Deswegen ist hier der Wille der Beteiligten einzuschalten.
Ich habe diesem Antrag nur zugestimmt, damit ein neues Gesetz vorgelegt wird, damit die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden. Das will ich momentan nicht aufhalten. Ich will also meinem Herzen eine gewisse Weite geben, aber dabei den föderalistischen Gedanken nicht aufgeben. Wir werden uns unsere Stellungnahme vorbehalten, wenn das Gesetz kommt. Denn ich kann mich wohl auf den Standpunkt stellen, daß es hier genügt, gewisse Rahmenbestimmungen zu schaffen, damit die Länder, die noch keine Flurbereinigungsgesetze haben, gehalten werden, diese zu machen, daß man aber nicht in den Bereich der schon bestehenden Gesetzgebungswerke eingreift.
Insofern muß ich etwas Wasser in den Wein meines Kollegen Dannemann hineingießen. Er soll mir nicht böse sein. Wir werden dann eine ernsthafte Unterhaltung haben, wenn einmal der Gesetzentwurf der Regierung vorliegt. Und der Regierung gebe ich die Mahnung, auf die Gesichtspunkte, die ich hier schon zum Ausdruck gebracht habe, etwas Rücksicht zu nehmen. Sie wird dabei besser fahren, als wenn sie das Gegenteil tut.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108108400
Keine weiteren Wortmeldungen? – Ich schließe die Aussprache. Wir stimmen ab. Wer für die Annahme des Ausschußantrags Drucksache Nr. 1223 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! Es ist so angenommen und beschlossen.
Ich rufe auf Ziffer 15 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Parzinger, Dr. Ing. Decker, Eichner, Mayerhofer und Fraktion der Bayernpartei betreffend Ausbau von Bundesfernverkehrsstraßen in Oberbayern (Nr. 1171, 1007 der Druchsachen).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Schoettle.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor: für den Ausschußbericht 5 Minuten, für die übrigen Redner
40 Minuten Maximum. — Es erhebt sich kein
Widerspruch; es ist so beschlossen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0108108500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß, dem der Antrag Drucksache Nr. 1007 zur Beratung überwiesen war, sah sich diesem gegenüber in derselben Lage wie bei mehreren ähnlichen Anträgen aus der Mitte des Hauses. Wir wissen nichts über das praktische Ergebnis der Beratungen zwischen den einzelnen Ressortministerien und dem Bundesfinanzministerium hinsichtlich der Aufstellung des Bundeshaushalts für 1950, aber wir wissen soviel, daß in interministeriellen Besprechungen die Beträge erheblich zusammengestrichen worden sind, die für neue Verkehrsprojekte – Straßenbauten, Wasserstraßenbauten und ähnliche Aufgaben — in Ansatz gebracht worden sind. Der Haushaltsausschuß sah sich deshalb nicht in der Lage, materiell in diesem Augenblick zu dem Antrag Drucksache Nr. 1007 Stellung in der Weise zu beziehen, daß er dem Hause positiv die Annahme dieses Antrages hätte empfehlen können. Alles, was der Haushaltsausschuß beschließen konnte, war, dem Hause vorzuschlagen, die Drucksache Nr. 1007 der Regierung als Material für den Bundeshaushaltsplan 1950 zu überweisen.
Ich will dazu nicht viel mehr sagen als dies: Es wird schließlich Sache der endgültigen Haushaltsberatungen sein müssen, ein richtiges Verhältnis herzustellen zwischen dem Bedürfnis nach Aus-


(Schoettle)

gleich des Bundeshaushalts und der Inangriffnahme dringender Aufgaben auf dem Gebiet, das hier durch die Drucksache Nr. 1007 angesprochen worden ist. Wahrscheinlich aber wird man sich angesichts der gesamten Haushaltslage dazu entschließen müssen, diejenigen Aufgaben zu bevorzugen, die entweder schon in Angriff genommen worden sind oder deren Inangriffnahme verhindert, daß wir in den nächsten Jahren in einen unnötigen Verzug kommen. In der Regel wird es sich darum handeln, nur solche neue Projekte in Angriff zu nehmen, die eine Fortsetzung bereits vorhandener sind, oder solche Projekte, die eine Wiederherstellung und Aufhaltung des Zerfalls von Straßen und dadurch die Verhütung von größeren Schäden mit sich bringen. Ich schlage Ihnen also namens des Haushaltsausschusses vor, den Antrag Drucksache Nr. 1007 der Bundesregierung für die Haushaltsberatungen 1950 als Material zu überweisen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108108600
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Keine Wortmeldungen? — Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Ausschußantrags Drucksache Nr. 1171 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Nun, meine Damen und Herren, bitte ich Sie um die Genehmigung, einen weiteren Punkt auf die Tagesordnung zu setzen. Erschrecken Sie nicht, es wird sehr bald vorübergegangen sein:
Ubersicht über Anträge des Petitionsausschusses nach dem Stand vom 23. Juli 1950 (Drucksache Nr. 1251).
Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu
erheben. — Die Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Nun haben wir noch zwei größere Brocken zu verdauen: der eine ist die kleine Justizreform, der andere ist der gestern auf heute verwiesene Entwurf eines Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. Ich schlage Ihnen vor, daß wir ohne Mittagspause diese beiden Entwürfe zu Ende bringen. Nur glaube ich, wäre es gut, wenn die Fraktionen ihre Juristen hier in den Saal kommandieren würden, vielleicht auch die anderen Mitglieder des Hauses; denn es wird Abstimmungen geben.

(Abg. Dr. Laforet: Kurze Pause!) Ich rufe auf zur

Dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts (Nr. 530, 1138 der Drucksachen);
Zusammenstellung der Beschlüsse der zweiten Beratung (Nr. 1246 der Drucksachen). (Erste Beratung: 43. Sitzung, zweite Beratung: 79. Sitzung.)
Zur Förderung dieser dritten Beratung bitte ich Sie, ehe ich das Wort zur Generalaussprache erteile, um eine Ermächtigung Ihrerseits. Ich schlage Ihnen vor, mich zu ermächtigen, nicht alle einzelnen Ziffern und Paragraphen aufzurufen, sondern lediglich die mit deutschen Ziffern bezeichneten Artikel. Inerhalb dieser Artikel gibt es eine Reihe von Abänderungsanträgen, die wir zu bescheiden haben. Ich schlage Ihnen vor, daß lediglich zu diesen Anträgen gesprochen wird. Sind Sie damit einverstanden, meine Damen und Herren?

(Zurufe: Jawohl!)

— Es ist so beschlossen.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0108108700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat sich entschlossen, in der dritten Lesung dieses Gesetzes keine Abänderungsanträge zu stellen außer einem einzigen, nämlich dem Antrag: Sitz des Bundesgerichtshofes soll Berlin sein.
Zu dieser Haltung bestimmen uns im wesentlichen zwei Gründe: erstens soll dadurch die bloße Vorläufigkeit dieser Justizreform als der sogenannten kleinen Justizreform unterstrichen werden, und zweitens halten wir es gerade bei Justizgesetzen für unerläßlich, den eigentlichen Zeitpunkt der Reife abzuwarten. Unsere Zustimmung zu diesem Gesetz bedeutet also keineswegs, daß wir die Justizgesetze nicht für reformbedürftig hielten, im Gegenteil, wir bedauern durchaus die vielen Reden, die der Herr Bundesjustizminister zu halten pflegt und für die im allgemeinen das gelten soll, was der Herr Kollege Euler heute morgen hier im Hause gesagt hat. Wir sind der Auffassung, daß eine grundsätzliche Reform notwendig und eine ganz andersartige Gestaltung des Rechtsganges, besonders in Strafsachen, denkbar und wünschenswert ist. Aber darum handelt es sich heute nicht, und wir sind bewußt entschlossen zu einer Sparsamkeit der Mittel und zum Maßhalten und haben uns dieser Haltung allseits — das gilt für alle Fraktionen – auch im Ausschuß befleißigt.
Ein typisches Beispiel hierfür sollte der § 81 c der Strafprozeßordnung sein, den das Hohe Haus in der zweiten Beratung gestrichen hat. Derartige Dinge lassen sich nicht sozusagen zwischen Tür und Angel und durch eine eilige Abstimmung hier im Hause regeln. Dazu sind solche Bestimmungen viel zu weittragend. Allein die Überlegung, was „ein körperlicher Eingriff" heißt, was die Rechtsprechung daraus machen kann, welche Gefahren daraus entstehen, ist so schwierig, daß sie sich nicht in wenigen Minuten anstellen läßt. Meine Freunde und ich haben gerade in den letzten 24 Stunden noch einmal darum gerungen, zu prüfen, ob es möglich ist, hier eine Bestimmung in das Gesetz einzufügen, die allen Erfordernissen rechtsstaatlichen Denkens Rechnung trägt. Aber wir sind darauf gestoßen, daß es heute viel zu schwierig wäre, den Begriff der Zumutbarkeit eines solchen Eingriffs zu bestimmen. Denn was ist zumutbar? Ist Narkose unter den modernen Verhältnissen zumutbar? Ist ein Eingriff, der im Schneiden besteht, zumutbar? Ist es der Person, die nicht beschuldigt ist, zumutbar, starke Schmerzen auszuhalten? Alles das sind so offene Fragen, die sich ohne genaueste Überlegung und gutachtliche Beratung durch alle dazu berufenen Vereinigungen nicht entscheiden lassen. Wir sind deshalb der Überzeugung, daß man gerade im Bereich der Justizgesetzgebung nichts überhasten soll, sondern äußerst behutsam vorgehen muß.
Zu § 81 c würden wir, falls die Bundesregierung Gewicht darauf legen sollte, unter Umständen bereit sein, einer sehr vorsichtigen Formulierung zuzustimmen, die nicht über die bisherige Rechtsprechung hinausgeht und einerseits der Würde und Unversehrtheit des Menschen Genüge tut, aber andererseits den Erfordernissen der Wahrheitserforschung entspricht.
Aber, meine Damen und Herren, durch die Selbstbeschränkung, die wir uns bei Stellung der Anträge auferlegt haben – obgleich wir sehr, sehr viele


(Dr. Arndt)

Wünsche hätten; auch sehr viele ernste Wünsche, z. B. gerade in der Frage der Zuständigkeitsgrenze zwischen Amts- und Landgerichten in der Zivilgerichtsbarkeit —, bemühen wir uns, den Blick auf das Wesentliche dieses Gesetzes zu lenken. Das Wesentliche ist doch heute, die Rechtseinheit und die Rechtssicherheit wiederherzustellen.

(Abg. Dr. Laforet: Sehr richtig!)

Das ist der Gesichtspunkt, der allem anderen und allen möglichen Wünschen, die in sehr vieler Hinsicht denkbar sind, unbedingt vorausgestellt werden muß.

(Abg. Dr. Laforet: Sehr richtig!)

Die Bedeutung dieser beiden Grundgedanken, Rechtseinheit und Rechtssicherheit wiederherzustellen, geht über die Sphäre des rein Rechtlichen weit hinaus. Denn das Recht als Kulturerscheinung ist doch von außerordentlich ausstrahlender Wirkungskraft. Letzten Endes handelt es sich dabei doch um die deutsche Einheit, die auf dem Rechtsgebiet und durch das einheitliche Recht auch wiederhergestellt werden soll, und um unser Einssein mit der europäischen Kultur.
Ich bitte Sie herzlich, in diesem Sinne auch unseren Antrag zu sehen, Berlin zum Sitz des oberen Bundesgerichts für Zivil- und Strafsachen zu machen. Es darf sich dabei um keinen Streit um Städte handeln. Der Herr Kollege Ewers hat bei der zweiten Lesung von diesem Platze aus die sachlichen Erfordernisse sehr richtig aufgezählt, die an den Ort gestellt werden müssen, an den das obere Bundesgericht gesetzt werden soll: daß es sich um eine Großstadt mit pulsierendem Leben handeln muß, aber auch um eine Stadt mit Hochschule — Universität — und Bibliothek. Der Herr Kollege Ewers hat mit Recht darauf hingewiesen, daß nur einige wenige Städte, die er genannt hat, diesen Erfordernissen gerecht werden.
Aber, meine Damen und Herren, es geht um noch mehr. Es geht nicht nur um die Entscheidung für oder gegen eine Stadt, sondern es geht hier bei diesem Gesetz und bei diesem Beschluß um eine gesamtdeutsche Entscheidung.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich habe bange Sorge, ob es mir in dieser späten Minute noch gelingen wird und gelingen kann, Ihr Gehör zu finden, da der eine oder der andere landsmannschaftlich die eine oder die andere Stadt liebt, die sicherlich alle ihre Vorzüge haben. Aber ich bitte Sie doch dringend, mir dieses Gehör zu schenken und die Gründe zu erwägen und zu wägen, die uns zu unserem Antrage veranlaßt haben. Ich habe unter allem, was eingewandt worden ist, eigentlich nur eins gehört, was überlegbar wäre, nämlich die Erwägung des Herrn Kollegen Ewers, daß Berlin ja die deutsche Hauptstadt sei und es einem alten Brauch entspreche, das höchste Gericht nicht an den Sitz der Regierung zu verlegen. Aber dieser Grundsatz ist kein Dogma, und dieser Grundsatz entspricht auch durchaus nicht immer der Geschichte. Ich darf Sie daran erinnern, daß zum Beispiel, ehe das Deutsche Reich gegründet war, die Landeshauptstädte wie Berlin, Dresden oder München ganz selbstverständlich auch Sitz der höchsten Gerichte gewesen sind. Aber unsere Lage ist ja doch auch eine andere, als sie zu bestehen pflegt, wenn man in aller Freiheit einen solchen Entschluß trifft. Denn die erste Stadt, die einen wirklich unbestreitbaren Anspruch darauf hätte, Sitz des höchsten Gerichts zu werden, ist ja Leipzig. Da wir aber Leipzig nicht wählen können, muß und kann nur Berlin stellvertretend für Leipzig Sitz des höchsten Gerichts sein.
Ich bin gefragt worden, was denn diese „Demonstration" — wie man es bezeichnet hat — hier soll, ob wir uns das nicht überlegen wollen. Ich bin darauf hingewiesen worden, wir machten unter Umständen durch einen Antrag, der der Ablehnung verfiele, mehr Schaden als Nutzen. Wir haben uns das auf das allerernsteste überlegt. Ich kann Ihnen sagen, wenn wir den Antrag, Berlin zum Sitz des oberen Bundesgerichts für Zivil- und Strafsachen zu machen, hier stellen, so handelt es sich für uns nicht um eine Demonstration, sondern um Integration. Es handelt sich darum, durch diese Wahl das gesamtdeutsche Schicksal zu symbolisieren und damit erkennen zu geben, daß Berlin mehr als eine Stadt und sogar mehr als eine Hauptstadt ist, daß Berlin vielmehr der erste Ort in Deutschland ist, der sich die Achtung der freiheitlichen Welt für uns alle wiedergewonnen hat.

(Beifall bei der SPD.)

Wodurch hat sich Berlin diese Achtung wiedergewonnen? Denken Sie an die Tage, als die Blokkade begann. Bei aller Wertschätzung der technischen Leistung der Luftbrücke und bei aller Anerkennung, daß ohne die Luftbrücke der Kampf um Berlin nicht hätte gewonnen werden können, muß man doch aussprechen, daß es nicht nur die Luftbrücke, sondern auch die eigene Entscheidung der Berliner und die eigene Haltung der deutschen Menschen in Berlin gewesen ist, die den Erfolg gesichert und herbeigeführt hat.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Diese eigene Haltung ist auch heute für uns alle erforderlich. Denken Sie bitte daran, was für Worte über den Ernst der Stunde und die Not unseres geschichtlichen Augenblicks heute morgen hier seitens des Herrn Vizekanzlers, des Herrn Kollegen Euler und des Herrn Kollegen von Merkatz gesprochen worden sind. Dürfen wir uns gegenüber diesem Ernst selber als zu klein erweisen? Müssen wir nicht gerade deshalb den Blick auf das Ganze richten und erkennen, daß die Gefahr in Berlin nicht größer ist als an jedem anderen Orte Deutschlands, Europas und der Welt?

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wir dürfen nicht aus irgendwelchen technischen Gesichtspunkten, weil angeblich das Reisen nach Berlin schwierig ist, hier vor einer Entscheidung zurückschrecken, die politisch eine notwendige und unausweichliche Entscheidung ist.
Ich darf noch einmal auf die Gefahr zurückkommen. Die Gefahr in Berlin ist nicht größer, aber sie ist sichtbarer als anderswo. Es ist gerade gut, daß sie sichtbar ist. Denn hüten wir uns doch vor der Flucht in die Unwirklichkeit, dieser Flucht, der man hier im idyllischen Bonn allzu leicht zu erliegen droht. In dieser Stunde und bei diesem Gesetz gilt es, ein Bekenntnis abzulegen. Man kann die Fragen, die uns aufgegeben sind, nicht durch Ausweichen lösen, sondern einzig durch Glauben. Berlin hat den Glauben bewiesen, den Glauben an sich selbst, den Glauben an Deutschland und den Glauben an Europa, an die Menschenrechte und die Freiheiten. Heute sind die Blicke von Berlin her auf uns, auf Sie, meine Damen und Herren, gerichtet. Berlin wartet auf eine solche Entscheidung. Berlin ist in einer Notlage, die diejenige des übrigen Deutschlands leider noch übertrifft, zumal Berlin früher Verwaltungshauptsitz war, so daß ein unverhältnismäßig großer Anteil der Bevölkerung, bis zu 45 %, als Beamte und Angestellte in der Verwaltung tätig war. Diesen Menschen können Sie nur dadurch Arbeit


(Dr. Arndt)

geben, daß Sie Berlin wieder zu einem hauptsächlichen Verwaltungssitz machen.
Man hat bisher gegenüber diesem Verlangen stets einzuwenden gepflegt, obere Bundesbehörden seien noch nicht errichtet und infolgedessen sei es noch nicht möglich gewesen, Berlin zu bedenken. Tatsächlich hat man allerdings eine Behörde wie das Bundespatentamt von Berlin fortgenommen. Heute handelt es sich um die erste derartige Bundesbehörde, die errichtet wird. Bei der Errichtung dieser ersten Bundesbehörde können und dürfen wir an Berlin nicht vorbeigehen. Dies muß ein Prüfstein für unsere Stellung zu diesem Problem sein.
Ich darf bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß die Sprache der Gesetze, die Sie heute verabschieden sollen, ja nicht von ungefähr ist. Wenn Sie darauf achten, werden Sie sehen, daß die Worte „Bundesgebiet" oder auch „Bundesrepublik Deutschland" darin nicht oder nur an den richtigen Stellen vorkommen. Warum? Weil nach der einhelligen Auffassung im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht entgegen dem leider weitum eingerissenen Mißbrauch Bundesgebiet stets das ganze deutsche Gebiet ist und weil die Bundesrepublik identisch ist mit dem einen gesamten deutschen Staat, der nie einen Tag zu existieren aufgehört hat. Deshalb muß die Einheit des Rechts, die wir heute hier wieder schaffen wollen, auch die Einheit Deutschlands symbolisieren. Darum muß, wie der Kollege Bucerius mit Recht gesagt hat, die höchste Behörde auf dem Gebiete der Rechtsprechung mit sichtbarer Leuchtkraft gerade in die umkämpfte Stadt gelegt werden.
Meine Damen und Herren! Ich beschwöre Sie in diesem Sinne, sich so zu entscheiden, daß es nach Verabschiedung dieses Gesetzes heißt: Das deutsche Recht wird in Berlin gesprochen!

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108108800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gundelach.

Gustav Gundelach (KPD):
Rede ID: ID0108108900
Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion erkläre ich, daß wir das vorliegende Gesetz ablehnen. Ich will darauf verzichten, noch des weiteren Begründungen anzuführen, da bereits bei der ersten Lesung mein Parteifreund Fisch unsere Stellungnahme dazu bekanntgegeben hat. Dieses Gesetz entspricht nicht den Interessen der Mehrheit unseres Volkes. Deshalb lehnen wir es ab.

(Lachen und Zurufe in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108109000
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.

Hans Ewers (DP):
Rede ID: ID0108109100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die allgemeinen Grundsätze der Behandlung dieser Vorlage in der dritten Lesung anlangt, so darf ich im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir uns der Auffassung, die Herr Dr. Arndt vorgetragen hat, voll anschließen. Diese Auffassung ist belegt durch die Erfahrungen bei der zweiten Lesung. Es bilden sich hier bei juristischen Formulierungen im großen Hause Zufallsmehrheiten und Irrtümer, die bei einem Gesetz fehl am Platze sind. Die Entscheidungen der zweiten Instanz mögen so in einzelnen Punkten beeinflußt sein; aber es wäre angesichts des lediglich vereinheitlichenden Charakters dieser Vorlage zweck- und sinnwidrig, heute darüber noch länger zu sprechen, was im einzelnen verbesserungsfähig sein könnte. Wir sind also ebenfalls der Meinung, daß Abänderungsanträge im einzelnen fehl am Platze sind mit Ausnahme etwa des zu § 81 c von der Regierung gestellten, wo vielleicht eine mißglückte Entscheidung bei der zweiten Lesung getroffen worden ist.
Ich bemerke ausdrücklich, daß auch ich mir vorgenommen hatte, bei der zweiten Lesung eine Reihe von mehr als berechtigten Wünschen des Deutschen Anwaltvereins, dessen Beirat ich mit anderen Kollegen im Bundestag angehöre, mindestens zur Erörterung zu stellen. Ich habe aber auf Grund der Erfahrungen davon abgesehen, da für neue Gedanken juristischer Art das Plenum des Parlaments nicht aufnahmefähig sein kann.
Ich darf mich mit diesen allgemeinen Bemerkungen begnügen und dann auf die Argumente eingehen, die zur Frage des Sitzes des Bundesgerichtshofes vorgebracht worden sind.
Was Herr Dr. Arndt über die Stellung und Bedeutung unserer Hauptstadt Berlin gesagt hat, wird, wie ich annehme, von allen Mitgliedern dieses Hohen Hauses durchaus gewürdigt und bestätigt. Die Tatsache, daß wir mit Stolz und mit einer gewissen Bitterkeit auf Berlin sehen — Bitterkeit wegen der historischen Situation, die man dort angerichtet hat, und zwar ohne unser Dazutun, wie klar ist —, und die Tatsache, daß wir Berlin und seiner Bevölkerung dankbar sind, sind selbstverständlich; ebenso liegt zutage, daß wir eine unlösbare Einheit mit Berlin bilden wollen. Nur allein, ob man bei der Wahl des Sitzes des Bundesgerichts eine Geste machen darf, das ist die Frage, die das Haus zu entscheiden hat.

(Sehr gut! rechts.)

Die Herren der SPD haben im Rechtsausschuß den Wunsch geäußert, daß die Frage Berlin unabhängig von den objektiven Umständen, die für die Wahl maßgeblich sein müssen, geprüft würde. Das ist von a allen anderen Mitgliedern abgelehnt worden. Die Grundeinstellung muß in der Tat die sein, daß wir mit diesem Gesetz der deutschen Rechtspflege zu dienen haben. Wir können mit diesem Gesetz nicht eine Geste im Interesse einer Stadt machen, wenn wir uns auch deren Bedeutung und deren unendlicher politischer Tragweite voll bewußt sind. Neben dem Gesichtspunkt der Unvereinbarkeit von Hauptstadt und Sitz des obersten Gerichtshofes kommt entscheidend für uns der Umstand in Betracht, daß man in Berlin — Herr Dr. Arndt hat es ausdrücklich gesagt — in noch sorgenvolleren, noch der Not näheren Umständen lebt als im Gebiet des Geltungsbereichs unserer Gesetze.

(Abg. Löbe: Um so mehr!)

— Nein! Um so weniger kann der Sitz des obersten Gerichts, das am Leben der Bevölkerung teilhaben muß, für die es Recht zu sprechen hat, an einem Ort sein, der unter einem bedauerlichen internationalen Ausnahmerecht steht; denn der Gerichtshof muß in Fühlung bleiben mit der Fülle der Menschen, der Umstände und der Verhältnisse, über die es zu Gericht zu sitzen hat.
Neben den rein verkehrsmäßigen Schwierigkeiten, neben der Duplizität von Hauptstadt und Sitz des obersten Gerichts kommt insbesondere in dieser Zeit, in dieser unglückseligen Zeit, wie ich betonen möchte, der Gesichtpunkt in Betracht, daß man ein Gericht nicht in die Diaspora schicken kann, wenn man von ihm eine volksnahe und verständliche Jurisprudenz verlangt.
Ich habe hiermit meinen Antrag zu wiederholen, dem § 123 die Fassung zu geben: „Sitz des Bundesgerichtshofes ist Hamburg". Den Antrag überreiche ich hiermit. Ich möchte dazu heute nur


(Ewers)

noch in wenigen Sätzen folgendes anführen. Ich bin nicht landschaftlich irgendwie an Hamburg gebunden. Wieso ich zu dem Antrag für Hamburg gekommen bin, das habe ich in meinen Ausführungen vorgestern deutlich zum Ausdruck gebracht. Ich habe dem nichts hinzuzusetzen. Ich hoffe, die Herren Kollegen haben trotz des unruhigen Hauses die Worte damals im wesentlichen verstanden.
Gegen Hamburg sprach in den vorbereitenden Sitzungen der Umstand, daß über Hamburg in bezug auf die räumliche Unterbringung von Gericht und Beamten bisher keine hinreichenden oder befriedigenden Auskünfte vorlagen. Warum nicht, weiß ich nicht; ich habe es weder zu vertreten noch zu verantworten, ich habe es nur festzustellen. Hamburg schied also auf Grund der allgemeinen Richtlinien aus, da kein sofort beziehbares, kein mehr als ein Provisorium bildendes Gebäude vorhanden zu sein schien und über die Möglichkeit der Unterbringung von Beamten in etwa 120 freien Wohnungen dem Ausschuß nichts bekannt war. Ich habe hier nun — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — ein Telegramm zu verlesen, das ich gestern aus Hamburg erhalten habe und das ich hier auf den Tisch des Hauses niederlege. Dieses Telegramm, unterzeichnet von Bürgermeister Brauer, lautet:
Entgegen anders lautenden Mitteilungen bestätige ich nochmals die Bereitschaft Hamburgs, für Bundesgerichtshof die Räume des früheren Zentraljustizamtes und oder
— also eventuell —
des Hanseatischen Oberlandesgerichts sowie 140 Wohnungen sofort zu überlassen. Bürgermeister Brauer.
Ich darf das hier niederlegen. Ich bin nicht Vertreter Hamburgs und muß es dem Senat Hamburgs überlassen, diese kurze Telegrammitteilung zu ergänzen und zu bestätigen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108109200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.

Dr. Hermann Etzel (FU):
Rede ID: ID0108109300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion beabsichtigte ursprünglich nicht, dem Hohen Hause noch einmal die Bewerbung Bambergs vorzulegen, obwohl dazu an und für sich schon der Umstand hätte Anlaß geben können, daß die Feststellungen, die das Bundesjustizministerium über die Brauchbarkeit und Zulänglichkeit des modernen Baues der ehemaligen OPD als Dienstgebäude des Bundesgerichtshofes getroffen hat, ebensowenig als richtig anzuerkennen waren wie die Behauptung des Unterausschusses des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, daß die Verkehrslage Bambergs ungünstig sei. Ich habe diesen unrichtigen Stellungnahmen im Gesamtausschuß ausdrücklich und entschieden widersprochen. Wenn wir gleichwohl die Bewerbung Bambergs erneut vor dieses Hohe Haus bringen zu müssen glaubten, so lag der Grund dafür in einem Vorgang, der sich vorgestern hier abgespielt hat. Als die Bewerbung Bambergs bekanntgegeben wurde, bemächtigte sich eines beträchtlichen Teils dieses Hohen Hauses eine amüsierte Heiterkeit. Ich habe die Gründe dieser Heiterkeit bis jetzt nicht ermitteln können, glaube aber, sie galt der Tatsache, daß sich eine Stadt von der Größe Bambergs anmaßt, unter die Bewerber zu treten.
Ich möchte dazu folgendes erklären. Bamberg ist immerhin eine alte Bischofs- und Kaiserstadt zu einer Zeit gewesen, als in anderen Teilen Deutschlands weder das Licht des Christentums noch das der abendländischen Kultur und Gesittung verbreitet war.

(Beifall bei der BP. — Widerspruch in der Mitte.)

Von dieser alten Kaiser- und Bischofsstadt sind Ströme deutschen Wesens, deutscher Kraft und deutscher Größe in jene Gegenden gedrungen.

(Lebhafte Zurufe von der Mitte.)

Die Bundesregierung hat die Absicht,

(Zuruf: Nach Bamberg zu gehen?)

den Kopf des Bamberger Reiters, einer Gestalt der deutschen Natur und Art, auf das neu auszuprägende Fünfmarkstück aufdrücken zu lassen.

(Bravorufe in der Mitte, rechts und bei der SPD.)

Der Bamberger Dom ist eines der ragendsten und charakteristischsten Denkmale deutscher Kunst.

(Bravorufe und stürmische Heiterkeit.)

Ich darf weiter sagen, daß diese Stadt eine alte Juristenstadt ist,

(Erneute Bravorufe und anhaltende Heiterkeit)

und feststellen, daß die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Bambergs in den Archiven, in den Zeitungen, in den Sammelwerken, die die maßgeblichen und beachtlichen Entscheidungen veröffentlicht haben, immer eine bedeutende Rolle gespielt haben.

(Abg. Dr. Greve: Und daß Herr Dr. Dehler aus Bamberg stammt! — Weitere lebhafte Zurufe und fortdauernde Heiterkeit.)

Die Stadt Bamberg hat auch in der heutigen Zeit nicht geschlafen, sie ist der Sitz der Bamberger Symphoniker, eines Orchesters von internationalem Rang,

(Bravorufe und Heiterkeit)

das als erstes deutsches Orchester nach dem zweiten Weltkrieg die Größe der deutschen Musik in den romanischen Ländern Frankreich, Spanien und Portugal verkündet hat.

(Stürmische Bravorufe und fortdauernde Heiterkeit.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf, wenn gerade ich es mir herausgenommen habe, diese Ausführungen zu machen, die Legitimation zu einer solchen Verteidigung, zu einer solchen Apologie daraus herleiten, daß ich selber der Gründer dieses Klangkörpers bin.

(Erneute stürmische Bravorufe und anhaltende Heiterkeit.)

Bei der zweiten Beratung der kleinen Justizreform haben verschiedene Antragsteller die Meinung geäußert, das Grundgesetz lasse es nicht mehr zu, daß in den einzelnen Ländern Staatsoberhäupter bestehen. Das waren die Herren, die den Änderungsantrag zu dem § 376 ZPO und dem § 49 StPO eingebracht haben. Ich halte diese Auffassung für so offenbar unrichtig, daß ich mit der „verwegenen" Möglichkeit, ja sogar Wahrscheinlichkeit rechnen möchte, die Urheber des Antrags könnten in der Zwischenzeit die Unhaltbarkeit ihrer Ansicht erkannt und sich gleichzeitig davon überzeugt haben, daß ihre Demonstration die verfassungsrechtliche Lage nicht ändert und daß dieser juristische Zwirnsfaden, den sie ziehen wollen, die unausweichlich kommende politische Entwicklung nicht verhindern und Länder des Bundes, welche alte große Staaten sind, nicht davon abhalten kann,

(Abg. Dr. Greve: Wieder ein König?)



(Dr. Etzel [Bamberg])

von dem verfassungmäßigen Recht, sich ein Staatsoberhaupt zu geben, Gebrauch zu machen. (Lebhafte Zurufe von der Mitte.)

Wenn Länder, weil sie gestern noch eine preußische Provinz waren, das Bedürfnis nach einer solchen Institution noch nicht haben oder fühlen, so mögen sie in ihrer Abstinenz verharren,

(Heiterkeit und Zurufe)

bis sie in ein echtes Staatstum erwachsen;

(Oho-Rufe und Heiterkeit)

aber man möge darauf verzichten, die Bundesfreudigkeit von Mitgliedern des Bundes, die Staaten
sind, durch derartige Nadelstiche zu beeinträchtigen.

(Heiterkeit und lebhafte Zurufe von der Mitte und von der SPD. — Beifall bei der BP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108109400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Krone.

Dr. Heinrich Krone (CDU):
Rede ID: ID0108109500
Meine Damen und Herren! Die Reihenfolge der Wortmeldungen will es, daß ich als Berliner nach dem Herrn Abgeordneten Dr. Etzel spreche, der in so beredten Worten für Bamberg eingetreten ist. Ich habe schon des öfteren hier im Hause anerkennend festgestellt, daß unsere bayerischen Landsleute durchaus gewillt sind, auch unsere Sorgen in Berlin zu verstehen und uns zu helfen. Ich habe auch durchaus Verständnis dafür, daß Herr Kollege Etzel sich als Bayer so beredt für Bamberg eingesetzt hat.

(Abg. Dr. Wuermeling: Aber nicht so!)

Ein Grund allerdings, den er anführte, hat mich ) etwas stutzig gemacht, wenn er davon sprach, daß Bamberg eine große, repräsentative Stadt christlichen Denkens schon zu der Zeit gewesen sei, wo irgendwo anders noch eine jedenfalls andere Kultur oder Unkultur geherrscht habe. Bei allem Verständnis für Tradition und Geschichte, meine Freunde — meine Kollegen aus Bayern, muß ich doch sagen, daß wir in dieser Stunde eben doch das Jahr 1950 schreiben

(Sehr richtig! in der Mitte)

und daß wir unsere Entscheidung, die uns zur Aufgabe gesetzt ist, aus der Stunde treffen müssen.
Man möge es mir deshalb gestatten, daß ich aus diesem Gedanken in den Chor der Städte, die sich bemühen, nochmals den Namen Berlin einsetze.

(Beifall bei der SPD.)

Berlin vor allen Dingen deshalb, nicht weil es eine wichtige Stadt unter den anderen Städten auch ist, sondern weil es darum geht, daß wir diese Stadt aus großen politischen Gründen in ihrem Kampf um Deutschlands Zukunft herausheben müssen. Das scheint mir überhaupt der Sinn der Verlegung einer repräsentativen Behörde nach Berlin zu sein. Wir hätten hier die Gelegenheit, in dieser Stunde nicht nur unsere Anerkennung für Berlin auszusprechen, sondern durch die Wahl Berlins zu dokumentieren, daß das deutsche Land und die deutsche Kultur weit über die Zonengrenzen hinausragen. Deshalb bitte ich Sie, meine verehrten Damen und Herren, daß Sie bei Ihren Entscheidungen — trotz aller Bedenken, die hier von Herrn Kollegen Ewers geäußert worden sind — berücksichtigen, daß es nicht nur eine Geste ist, wenn wir uns hier für Berlin einsetzen,

(Sehr richtig! bei der SPD)

sondern daß es entscheidende politische Gesichtspunkte gesamtdeutscher Art sind, die uns bewegen, hier das Wort für Berlin einzulegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108109600
Zur Generalaussprache liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Generalaussprache und erteile für Hamburg das Wort Herrn Senator Nevermann.
Dr. Nevermann, Senator, Stellvertretendes Mitglied des Bundesrats: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist als Vertreter Hamburgs im Bundesrat nicht meine Aufgabe, hier ein Plaidoyer für die Hansestadt Hamburg zu halten. Es liegt mir nur am Herzen, dem Hohen Hause nochmals zu bestätigen, daß ein offizieller Senatsbeschluß darüber vorliegt, daß für den Bundesgerichtshof das Gebäude des Hanseatischen Oberlandesgerichts zur Verfügung gestellt wird. Der Senat hat ferner beschlossen, daß in dem Fall, daß die Räume im Oberlandesgerichtshof nicht ausreichen, weitere Räume in einem Nachbargebäude zur Verfügung stehen, in dem bisher des Zentral-Justizamt der britischen Zone untergebracht war.
Ich kann ferner bekunden und tue das auch in meiner Eigenschaft als Dezernent für das Bau- und Wohnungswesen, daß für die wohnungsmäßige Unterbringung der Richter und der Bediensteten gesorgt sein wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108109700
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Art. 1, womit sämtliche Ziffern und Paragraphen des Artikels mit aufgerufen sind. Der erste Abänderungsantrag ist ein Antrag zu Ziffer 20. Der Antrag geht dahin, in § 23 Nr. 1 die Streitwertgrenze auf zweitausend Deutsche Mark festzusetzen und Nr. 2 Abs. 2 zu streichen.

(Zurufe von der Mitte: Wie denn? Es wird nicht gestrichen!)

— Der Antrag ist gestellt. Er ist ein Abänderungsantrag zu dem gestern oder vorgestern angenommenen § 23. Wird der Antrag zurückgezogen?

(Abg. Dr. Laforet: Nein! Er ist angenommen!)

— Keine Wortmeldungen.
Ich lasse abstimmen. Wer dafür ist, daß an die
Stelle der bei der zweiten Beratung beschlossenen
Fassung der Ziffer 20 eine Ziffer 20 des Inhalts tritt: In § 23 Nr. 1 wird die Streitwertgrenze auf zweitausend Deutsche Mark festgesetzt. Nr. 2 Abs. 2 wird gestrichen,
den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Der zweite Abänderungsantrag zu Art. 1 betrifft die Ziffer 51, den § 123. Es ist die Frage des Sitzes des Bundesgerichtshofs. Hier sind wiederum und diesmal drei Abänderungsanträge vorgelegt. Das Haus hat ja in der zweiten Beratung beschlossen: „§ 123. Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe." Nunmehr liegen drei Abänderungsanträge vor: Bamberg, Berlin und Hamburg. Wird das Wort zu diesem Paragraphen gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache darüber.
Wir stimmen wieder in der Reihenfolge ab, in der wir das letzte Mal abgestimmt haben, d. h. in alphabetischer Reihenfolge, zunächst also über den Antrag, Bamberg zum Sitz des Bundesgerichtshofs zu machen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Dies war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Nunmehr der Antrag, Karlsruhe durch Berlin zu ersetzen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!

(Zurufe: Hammelsprung!)

— Meine Damen und Herren, ich fühle mich außerstande, eine Entscheidung zu treffen. Es tut mir leid: ich muß Sie wieder in Bewegung setzen. Wer für Berlin ist, der trete nachher durch die Ja-Tür, wer gegen Berlin ist, durch die Nein-Tür, und wer sich der Stimme enthalten will, möge durch die Mitteltür eintreten.

(Die Abgeordneten verlassen den Saal.)

Meine Damen und Herren! Die Abstimmung beginnt. Ich bitte, durch die Abstimmungstüren zu kommen.

(Der Wiedereintritt der Abgeordneten und die Auszählung erfolgen.)

Ich bitte, die Türen zu schließen. — Die Abstimmung ist beendet. —
Meine Damen und Herren! Das Ergebnis ist: mit Nein haben 165 Mitglieder des Hauses gestimmt, mit Ja 138, 5 haben sich enthalten. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

(Vereinzeltes Händeklatschen rechts. — Abg. Neumann: Da klatschen die auch noch; sie sollten sich was schämen! — Abg. Dr. Schumacher: Pfui Deibel!)

Die nächste Abstimmung: Hamburg. Wer für Hamburg ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit. — Der Schriftführer zweifelt meine Entscheidung an.

(Zuruf von der CDU: Hammelsprung machen!) — Wir müssen wieder auszählen. Wer für Hamburg ist. den bitte ich, durch die Ja-Tür rechts von mir hereinzukommen; wer nicht für Hamburg als Sitz des Bundesgerichtshofes ist, den bitte ich, durch die Tür links von mir, die Nein-Tür, zu kommen. Ich bitte, die Wandelhalle zu räumen.


(Die Abgeordneten verlassen den Saal.) Meine Damen und Herren, die Abstimmung beginnt.


(Der Wiedereintritt der Abgeordneten und die Zählung erfolgen.)

— Ich bitte doch um Beschleunigung. — Meine Damen und Herren, ich lasse die Türen in einer Minute schließen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist geschlossen.

(Pause.)

Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung ist: Nein 187, Ja 107, Enthaltungen 7. Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Abg. Dr. Schumacher: Eine Brille für den Schriftführer!)

Damit, meine Damen und Herren, scheinen keine Abänderungsanträge zu diesem Paragraphen mehr vorzuliegen.
Artikel 1 hat keine Abänderungsanträge mehr aufzuweisen. Wird zu einem bestimmten Paragraphen oder zu einer bestimmten Ziffer von Artikel 1 noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Damit ist die Aussprache darüber geschlossen. Ich lasse abstimmen. Wer für den Artikel 1 in der nunmehr beschlossenen Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich rufe Artikel 2 auf. Hier ist der erste Abänderungsantrag ein Antrag der Regierung zu Ziffer 11. Will der Herr Justizminister ihn begründen? — Ich erteile ihm das Wort.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0108109800
Zu § 91 a der Zivilprozeßordnung bitte ich, die Fassung des Regierungsentwurfs, die vom Rechtsausschuß angenommen war, wieder aufzunehmen. Ich halte die in der zweiten Lesung gefaßte Formulierung nicht für sachdienlich und kann mich dabei auf die allgemeine Stellungnahme der Praktiker, auch der Arbeitsgemeinschaft der Rechtsanwaltskammern im Bundesgebiet, stützen. Wenn Sie die Fassung der zweiten Lesung aufrechterhielten, würden Sie den prozessierenden Parteien keinen Gefallen tun. Im Gegenteil! Es handelt sich um die Frage, wie die Kosten behandelt werden sollen, wenn die Hauptsache eines Rechtsstreites erledigt ist.
Zur Klarstellung ein Beispiel: Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts müßte in dem Falle, daß sich durch eine Gesetzesänderung ein Rechtsstreit in der Hauptsache erledigte, grundsätzlich der Kläger die Kasten tragen. Sicherlich eine unbillige Härte! Deswegen muß man das Gericht freier stellen, und das geschieht nur in der Fassung, wie wir sie vorgeschlagen haben. Mein Antrag geht also dahin, nicht die Fassung der zweiten Lesung zu wählen, sondern zur ursprünglichen Fassung zurückzukehren.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108109900
Keine Wortmeldungen hierzu!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Reismann.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0108110000
Meine Damen und Herren! Wir haben uns vorgestern eingehender, als es heute möglich sein wird, über diese Frage unterhalten. Ich möchte nur kurz darauf hinweisen, daß der Fall der Gesetzesänderung als Anlaß für eine gerichtliche Entscheidung über die Kosten der allerseltenste ist, der überhaupt gedacht werden kann. Der häufigste Fall wurde neulich von Herrn Kollegen Weber oder jemand, der seine Worte zitierte, vorgetragen. Das ist nämlich der Fall, wenn sich das Objekt durch nachträgliche Erfüllung erledigt. Es besteht kein Grund, den Richter dann vom Gesetz freizustellen. Wenn sich Unbilligkeiten durch die Einführung neuer Gesetze ergeben sollten, würde es Sache des Justizministeriums sein, bei der Vorlage neuer Gesetze die Regelung der Kostenfrage nach der Billigkeit vorzuschlagen. Was der Herr Justizminister soeben vorgetragen hat, ist für die damaligen Justizministerien höchstens ein Tadel, weil in der damaligen Gesetzesbearbeitung die Kostenregelung nicht nach den Gesichtspunkten der Billigkeit vorgenommen wurde. Aber unter den bewährten Händen des jetzigen Herrn Justizministers wird das sicherlich nicht wieder vorkommen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108110100
Keine weiteren Wortmeldungen! Die Aussprache ist geschlossen. Ich lasse abstimmen.
Wer für den Abänderungsantrag der Regierung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Abänderungsantrag ist angenommen. Damit ist die Vorlage wiederhergestellt.
Der nächste Abänderungsantrag ist ein Antrag Dr. Seelos und Genossen zu Art. 2 Ziffer 48, § 376 Abs. 4 der Fassung der Vorlage wiederherzustellen. Das Wort scheint nicht gewünscht zu werden. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für diesen Abänderungsantrag Drucksache Nr. 1262 Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die überwiegende Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Der nächste Abänderungsantrag ist ein Antrag Dr. Kather und Genossen, Drucksache Nr. 1256 Ziffer 1. Er ist zu Art. 2 Ziffer 63 gestellt und betrifft § 510. Die Regierungsvorlage soll wiederhergestellt werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kather.

Dr. Linus Kather (CDU):
Rede ID: ID0108110200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich auch bei dieser Angelegenheit darum, einen Beschluß der zweiten Lesung rückgängig zu machen. Der Antrag bezieht sich auf die Ziffern 63 und 64. Entscheidend ist die Ziffer 64.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108110300
Dann gilt Ziffer 64 als mit aufgerufen.

Dr. Linus Kather (CDU):
Rede ID: ID0108110400
Es handelt sich um die Festlegung einer Berufungsgrenze von 100 DM, wie wir sie bis jetzt gehabt haben. In der zweiten Lesung ist die Berufungsgrenze abgeschafft worden. Es bestehen sehr erhebliche Bedenken, diese Regelung aufrechtzuerhalten. Das würde dazu führen, daß jeder Prozeß auch wegen der kleinsten Summe in die Berufungsinstanz gehen kann, was mit einer starken Belastung unserer Landgerichte verbunden sein würde. Wir leiden schon seit langem daran, daß unsere Gerichte bisher allzusehr mit Bagatellsachen befaßt wurden. Wir müssen danach streben, den Richterstand im ganzen zu heben und die Richter auch besser zu bezahlen, wie das zum Beispiel in England der Fall ist. Wenn wir sie aber zwingen, sich mit Streitwerten von 10 Mark und darunter zu befassen, dann ist das meiner Ansicht nach eine Verschwendung geistigen Kapitals. In anderen Ländern haben wir es ja, daß dort Bagatellsachen selbst nicht in der ersten Instanz durch einen gelehrten Richter behandelt werden. Wenn wir das schon aufrechterhalten, dann sollten wir uns damit begnügen, daß das in einer Instanz geschieht.
Meine Damen und Herren! Wir haben eine Berufungsgrenze seit 1935, und die Grenze von 100 Mark haben wir von 1931 bis 1939 gehabt, in einer Zeit, in der wir alle, die wir hier Anwälte sind, schon praktiziert haben. Ich habe noch nie gehört, daß irgendwelche Klagen über diese Berufungsgrenze gekommen sind. Es würde sich auch hier um eine grundsätzliche Angelegenheit handeln. Wir wollen ja keine grundsätzlichen Angelegenheiten in diesem Rahmen entscheiden. Deshalb bitte ich Sie, die Ausschußfassung wiederherzustellen.
Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß man eine Berufungsgrenze von 100 DM beibehalten will, dann erledigt sich auch der Antrag zu Ziffer 63; denn da bekommen wir das Schiedsurteil, und dann sind diese Bestimmungen, die dort vorgestern gestrichen worden sind, absolut notwendig.
Ich darf Sie also bitten, dem von mir und meinen Freunden gestellten Abänderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108110500
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker.

Dr. Max Becker (FDP):
Rede ID: ID0108110600
Meine Damen und Herren! Ich beantrage meinerseits, diesen Antrag abzulehnen und es bei den Beschlüssen zweiter Lesung zu belassen. Von 1879 nach einem wohl überlegten Gesetzgebungswerk bis 1915 hat die in der zweiten Lesung hergestellte Fassung bestanden, wonach auch in den kleinsten Wertstufen jedermann zwei Instanzen hatte. Diese in den siebziger Jahren wohlüberlegte, auf wirklich demokratischer Grundlage beruhende Regelung ist dann im ersten Weltkrieg abgeschafft worden, in einem Zeitpunkt, als man glaubte, die zweite Instanz entlasten zu sollen, indem man bei Streitwerten unter 50 Mark und daran anschließend unter 100 Mark die Berufungsmöglichkeit versagte. Ich habe in den ersten Jahren meiner amtlichen Tätigkeit diese Zeit noch miterlebt und kann Ihnen versichern, daß im allgemeinen sehr wenig Gebrauch davon gemacht wurde. Die Befürchtung der Justizverwaltungen, es könnte eine so enorme Belastung der Landgerichte durch die Zulassung der unbeschränkten Berufung eintreten, daß organisatorisch andere Maßnahmen erforderlich seien, ist unzutreffend. Sie ist unbewiesen und unbeweisbar schon deshalb, weil, wenn seit 1915 keine Berufung zulässig war, auch keine Statistik über solche Fälle vorliegen kann.
Umgekehrt ist die Frage der Zuständigkeit zwischen 1000 und 2000 DM beim Amtgericht oder Landgericht viel eher geeignet, die Dinge am Landgericht in puncto Belastung anders ansehen zu lassen als sonst. Aber hier haben wir diesen Gesichtspunkt nicht hervorgehoben.
Den weiteren Gesichtspunkt des Herrn Kollegen Kather, daß die Richterkraft für Bagatellprozesse in zweiter Instanz zu schade wäre, kann ich nun wahrhaftigen Gotts nicht teilen. Für den kleinen Mann ist ein Prozeß über 10 oder 50 Mark oft von größerer Bedeutung als für einen betuchten Menschen ein Prozeß über 500 oder 1000 DM. Warum hier in dieser Form den kleinen Leuten die zweite Instanz genommen werden soll, sehe ich nicht ein.
Außerdem ist es ein Rechtsgrundsatz: man soll niemandem die zweite Instanz versagen. Wer das in Deutschland noch nicht gewußt hat, dem hat es die amerikanische Militärregierung in der Zeit seit 1945 beigebracht.
Ich bitte Sie also, es bei dem, was sich seit 1879 in damals wohlüberlegter Regelung bis 1915 ohne irgendwelche Nachteile als richtig erwiesen hat, zu belassen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108110700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wagner.

Friedrich Wilhelm Wagner (SPD):
Rede ID: ID0108110800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, an Stelle der 100 DM im § 510 c 50 DM zu setzen. Der Antrag, der bei einem Streitwert unter 100 DM überhaupt keine Berufung zulassen will, geht uns bedeutend zu weit. Insofern muß ich im Prinzip den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Becker durchaus zustimmen und meiner Verwunderung darüber Ausdruck verleihen, daß ausgerechnet ein Vertreter der Flüchtlinge keine Berufung bei einem Streitwert unter 100 DM zulassen will. Vergegenwärtigen Sie sich doch: 100 Mark, das ist oft sogar mehr als zwei Wochenlöhne eines Arbeiters. Das ist ein Betrag, der wirtschaftlich für den größten Teil unseres Volkes viel bedeutet. Wir können die Dinge nicht nur vom großkapitalistischen Standpunkt aus betrachten. Wenn ein Mann ein Streitobjekt hat und meinetwegen um 80 Mark klagt, so ist das für ihn so bedeutend, daß wir ihm schon die Möglichkeit geben sollten, mit der Berufung das Urteil des Erstrichters anzufechten.
An und für sich wäre uns das Prinzip, das der Kollege Becker hier erwähnt hat, gegen alles Berufung einzulegen, grundsätzlich eine zweite Instanz zu schaffen, sehr sympathisch. Wir fürchten allerdings, daß es dann in sehr vielen Fällen Berufungen bei so kleinen Streitwerten von 8 oder 10


(Wagner)

oder 12 Mark geben wird bei Leuten, die nun einmal am Prozeßführen besondere Freude haben.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Damit würde eine Belastung der Gerichte eintreten. die in keinem Verhältnis zu dem stünde, was man erreichen will.

(Zuruf in der Mitte: Hat es früher auch gegeben!)

Wir glauben deshalb, daß wir, wenn wir 50 Mark annehmen, beiden Gesichtspunkten in einer wohlabgewogenen Weise und damit auch dem gerecht werden, was man erreichen will. Wir bitten Sie daher um Ihre Zustimmung.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108110900
Herr Abgeordneter Wagner, ist Ihr Antrag von 10 Mitgliedern des Hauses untersützt? In dritter Lesung bedarf ein Antrag einer solchen Unterstützung.

(Zurufe von der SPD.)

— Ich sehe, daß er genügend unterstützt ist. Können Sie den Antrag schriftlich vorlegen?

(Bundesjustizminister Dr. Dehler: Ich bitte ums Wort!)

Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0108111000
Ich gebe dem Herrn Kollegen Dr. Becker durchaus recht, daß es überaus mißlich sein kann, wenn bei einem bestimmten Streitwert die Berufungsmöglichkeit genommen ist. Es ist eine reine Frage der Prozeßökonomie, ob man eine Grenze setzen soll oder nicht. Es gibt Fälle, die trotz des geringen Streitwertes für cue Parteien von Bedeutung sind. Wenn zum Beispiel über Wassergebühren, überhaupt über Mietteile prozessiert wird, so sind das Dinge, bei denen die Berufungssumme oft nicht erreicht wird, deren Entscheidung aber für die Beteiligten oft erheblich ist. Ebenso haben Streitgegenstände wie Speditionsgebühren für den Beteiligten wirtschaftliche Bedeutung, so daß er den Wunsch hat, die Entscheidung eines höheren Gerichts anzurufen.
Ich sehe bei Abwägung der Umstände in dem Antrag des Herrn Abgeordneten Wagner eine richtige Lösung, und ich möchte ihn von mir aus unterstützen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108111100
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache über diesen Punkt. Habe ich Sie recht verstanden, Herr Kollege Wagner: „fünfzig Deutsche Mark" in § 510 c und „fünfzig Deutsche Mark" in § 511 a Abs. 1?

(Abg. Wagner: Ja!)

Dann lasse ich zunächst darüber abstimmen, ob in § 510 c, fünfte Zeile, statt „einhundert Deutsche Mark" „fünfzig Deutsche Mark" gesetzt werden soll. Dieser Antrag scheint mir am weitesten zu gehen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —

(Widerspruch in der Mitte und rechts.)

– Pardon, nein, nach dem Antrag Kather sollen es einhundert Deutsche Mark sein.

(Abg. Dr. Kather: Der geht doch weiter als der über fünfzig Mark! – Abg. Dr. Dr. Höpker-Aschoff: Ich bitte ums Wort!)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Höpker-
Aschoff.

Dr. Hermann Höpker-Aschoff (FDP):
Rede ID: ID0108111200
Der Antrag
Wagner kann nicht als Abänderungsantrag zu dem
Abänderungsantrag Kather behandelt werden, sondern der Antrag Kather ist der weitergehende Antrag, der zunächst zur Abstimmung gestellt werden muß. Wird er abgelehnt, dann kann man darüber abstimmen, ob „fünfzig Deutsche Mark" eingesetzt werden soll.

(Abg. Dr. Kather: Ich bitte ums Wort!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108111300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kather.

Dr. Linus Kather (CDU):
Rede ID: ID0108111400
Meine Damen und Herren! Ich ziehe meinen Antrag zurück und schließe mich dem Antrag des Herrn Kollegen Wagner an.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Ich möchte aber folgendes sagen, Herr Kollege Wagner: Es bestand nicht die geringste Veranlassung, mich hier als Flüchtlingsvertreter zu apostrophieren. Ich habe mich lediglich bemüht, die Fassung des Ausschusses wiederherzustellen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Ich habe nicht die Ehre, dem Rechtsausschuß anzugehören. Ich dachte, Sie hätten sich die Sache dort überlegt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108111500
Herr Kollege Dr. Kather, ziehen Sie den ganzen Antrag zurück oder nur die Zahl „einhundert"?

(Abg. Dr. Kather: Ich bin damit einverstanden, daß es heißt „fünfzig Deutsche Mark"!)

— Im übrigen soll also Ihr Antrag bleiben?

(Abg. Dr. Kather: Ja!)

-- Dann darf ich Ihren Antrag als auf „fünfzig Deutsche Mark" abgeändert betrachten. Das ändert den Abstimmungsmodus.
Dann lasse ich zunächst abstimmen über den Antrag, in § 510 c die Worte „einhundert Deutsche Mark" zu ersetzen durch die Worte „fünfzig Deutsche Mark". Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nunmehr stimmen wir ab über den Abänderungsantrag zu Ziffer 64 mit dem Unterschied, daß nunmehr „fünfzig Deutsche Mark" statt „einhundert Deutsche Mark" einzusetzen ist. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Der nächste Abänderungsantrag betrifft die Ziffer 30, Antrag des Zentrums, in § 546 Abs. 2 den ersten Satz zu streichen und dem Satz 2 eine andere Fassung zu geben. Herr Abgeordneter Dr. Reismann, ich sehe, Sie wollen sich dazu zum Wort melden. Ich erteile Ihnen das Wort.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0108111600
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, die Zulässigkeit der Revision nicht allein von den Entscheidungen der Oberlandesgerichte abhängig zu machen, denn darum handelt es sich in diesem Falle. Es ist die Frage, ob das Gericht, das das angefochtene Urteil gefällt hat, auch in der Lage sein soll, zu verhindern, daß eine obere Instanz angerufen wird. Es gibt ein einfaches und ein sehr wenig kostspieliges Mittel dagegen, nämlich die Zulassung einer sofortigen Beschwerde gegen eine solche Ablehnung, die das Gericht ausgesprochen hat. Dann hat sich das Revisionsgericht mit der Frage zu befassen und selber zu entscheiden, ob dieser Fall revisionswürdig ist oder nicht. Wie die Vergangenheit zeigt, hat das Fehlen einer solchen Bestimmung dazu geführt, daß die


(Dr. Reismann)

Gerichte entgegen dem, was sie sollten, in der Ebene der Oberlandesgerichte eine selbständige Rechtsprechung neben dem Reichsgericht her entwickelt haben. Das müssen wir für das Bundesgericht vermeiden. Wenn Sie diesem Antrag stattgeben, so können auf keinen Fall irgendwelche Nachteile für die Rechtspflege daraus entstehen, sondern nur Vorteile.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108111700
Keine weitere Wortmeldung hierzu? – Ich schließe die Aussprache.
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0108111800
Ich erfülle nur meine Pflicht, wenn ich nochmals bitte, diesem Antrag nicht zu entsprechen. Es ist nicht richtig, wenn Herr Kollege Reismann meint, diese Änderung sei nicht kostspielig, sondern einfach. Sie wäre überaus kostspielig. Sie würde ein gewaltiges Anwachsen der Arbeitslast des Bundesgerichtshofs bedeuten. Wir wären nach unseren Berechnungen genötigt, an Stelle von fünf Zivilsenaten acht Zivilsenate zu schaffen.

(Hört! Hört! bei der CDU.)

Denn die Bearbeitung dieser Beschwerden gegen
die Nichtzulassung einer Revision wäre mühereicher als die Behandlung einer Revision. Eine
ordnungsgemäß begründete Revision beschränkt
sich formatrechtlich auf bestimmte Rügen, während das Revisionsgericht, wenn ihm eine solche
nicht motivierte Beschwerde vorgelegt wird, genötigt wäre, das gesamte Verfahren zu überprüfen,

(Abg. Dr. Laforet:. Sehr richtig!)

auch darauf, ob in dem Verfahren ein Verstoß liegt, der von grundsätzlicher rechtlicher Bedeutung ist.

(Abg. Dr. Reismann: Dazu ist es doch da!) Auch dieses Problem kann nicht Gegenstand unserer jetzigen kleinen Reform sein, die — darüber sind wir uns doch einig — als Ziel hat die Vereinheitlichung unserer Verfahrensrechtes, um uns wieder den Boden der Rechtssicherheit zu geben. Alle anderen Dinge müssen wir auf die große Reform zurückstellen.


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108111900
Keine weiteren Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Dr. Greve!

Dr. Otto Heinrich Greve (SPD):
Rede ID: ID0108112000
Meine Damen und Herren! Wir vermögen im gegenwärtigen Stadium der Abstimmung dem Abänderungsantrag des Herrn Kollegen Reismann nicht zuzustimmen. Die Formulierung, die uns in dem Antrag des Herrn Kollegen Reismann vorgelegt worden ist, entspricht auch nicht dem, was gestern hier im Plenum besprochen worden ist. Im übrigen ist es meines Erachtens nicht möglich, diese schwierigen Fragen, auf die soeben der Herr Bundesjustizminister mit Recht hingewiesen hat, jetzt in der dritten Lesung noch zu erledigen. Wir müssen die Erledigung dieser Angelegenheit der großen Justizreform überlassen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108112100
Keine weiteren Wortmeldungen? – Ich schließe die Aussprache über diesen Punkt.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Dr. Reismann Nr. 1258 Ziffer 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! – Der Antrag ist abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, liegen zu Art. 2 keine Abänderungsanträge mehr vor. Wir können abstimmen lassen.

(Abg. Dr. Reismann: Ziffer 44a!)

– Das ist Art. 3, Herr Kollege Reismann!
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Art. 2. Wer für Art. 2 in der nunmehrigen Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! — Angenommen.
Ich rufe auf Art. 3. Hier ist der erste Abänderungsantrag, ein Antrag zu Ziffer 15, Antrag Dr. Etzel, Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei, Nr. 1262 Ziffer 3, § 49 in der Fassung der Vorlage wiederherzustellen. Durch die Ablehnung von Ziffer 2 des Antrags derselben Partei, Drucksache Nr. 1262, ist das eigentlich erledigt. Herr Dr. Seelos, Sie können diesen Antrag zurückziehen.

(Zustimmung.)

— Der Antrag wird zurückgezogen.
Der nächste Abänderungsantrag ist ein Antrag der Regierung. Er betrifft in Ziffer 29 den § 81 c. Das ist auf Seite 43 der Vorlage. Soll der Antrag begründet werden?
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0108112200
Meine Damen und Herren! Wir haben auf Veranlassung des Herrn Kollegen Wagner das Problem der richtigen Fassung des § 81c bei der zweiten Lesung eingehend behandelt. Die jetzige Beschlußfassung würde eine Verschlechterung der bisherigen Rechtslage bedeuten, so daß ich bitte, das Problem doch noch einmal zu überprüfen. Der jetzt geltende § 81a der Strafprozeßordnung, der seit 1933 rechtswirksam ist, lautet dahin, daß eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten angeordnet werden kann, wenn sie für das Verfahren von Bedeutung ist, daß andere Personen ohne ihre Einwilligung nur untersucht werden dürfen, wenn festgestellt werden muß, ob sich an ihrem Körper eine bestimmte Spur oder Folge einer strafbaren Handlung befindet, daß die Entnahme von Blutproben — also hier ist schon von Eingriffen die Rede, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden — ohne Einwilligung des zu Untersuchenden nur zulässig ist, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu besorgen ist, und daß die Anordnung grundsätzlich dem Richter, bei Gefahr im Verzuge aber auch der Staatsanwaltschaft und ihren Hilfsbeamten zusteht.
Vor der Einführung dieser Bestimmung, die den Zweck hatte, Zweifelsfragen zu beseitigen, hatte die Vornahme einer körperlichen Untersuchung bei verdächtigen und bei unverdächtigen Personen auf Grundsätzen beruht, die von der Rechtsprechung des Reichsgerichts seit langen Jahren entwickelt worden waren, besonders in Ausweitung der Grundsätze, die für die Durchsuchung maßgebend sind, welche sich auch auf eine körperliche Untersuchung erstrecken und auch bei Unverdächtigen vorgenommen werden kann.

(Abg. Wagner: Herr Minister, wie steht es mit der Berücksichtigung des Zeugnisverweigerungsrechts?)

– Das ist auch ein Problem; ich habe es nur noch nicht aufgegriffen. Man könnte durchaus darüber sprechen, daß diese Prüfungspflicht nur im Rahmen der Zeugnispflicht besteht. Es ist allerdings schwer, jetzt im Rahmen der dritten Lesung diese Feinheit noch aufzunehmen. Ich habe eine Fassung gewählt, die auf jeden Fall den Absichten des Rechtsausschusses entspricht und keine Verschlechterung, sondern eine Verbesserung der bisherigen Rechtslage bedeutet.


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108112300
Vielleicht darf ich mir den Vorschlag erlauben, als letzten Satz in § 81c Abs. 1 zu sagen: „Die Untersuchung ist unzulässig, wenn sie dem Betreffenden bei Würdigung aller Umstände nicht zugemutet werden kann oder wenn der Betroffene das Recht zur Verweigerung des Zeugnisses hat."

(Abg. Wagner: Es kommt ein Antrag der SPD!)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0108112400
Hierzu liegt mein schriftlicher Antrag vor. Die Anregung des Herrn Präsidenten ist durchaus zu erwägen, daß man also im Satz 2 des Abs. 1 die Einschränkung im Rahmen des Zeugnisverweigerungsrechtes aufnimmt. Bisher war die Rechtslage die, daß der Grundsatz der Zeugnisverweigerung bei der Durchsuchung und damit auch bei der Vornahme von Eingriffen in die körperliche Integrität nicht Platz greift. Meine Anregung würde dahin gehen, diese Fassung als Zwischenlösung anzunehmen und im übrigen die Verfeinerung der endgültigen Strafrechtsreform zu überlassen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108112500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Arndt.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0108112600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden diesem Änderungsantrag der Bundesregierung unsere Zustimmung nicht versagen. Ich habe aber zwei Abänderungsanträge zu stellen, die ich gleich schriftlich vorlegen werde. Zunächst muß eingefügt werden: „welche als Zeugen in Betracht kommen", und zwar hinter „andere Personen";

(Abg. Dr. von Brentano: Gut!)

denn es muß klargestellt werden, daß es nicht irgendwelche Personen sind, sondern nur solche, die Beweismittel im Prozeß sind. Ich sage das auch nicht aus dem Stegreif, sondern auf Grund der Formulierungen, die wir auch gestern vielfach gemacht und auch mit dem Bundesjustizministerium im einzelnen besprochen haben. Es soll also heißen:
Andere Personen als Beschuldigte dürfen,
wenn sie als Zeugen in Betracht kommen,
ohne ihre Einwilligung nur untersucht
werden
und nicht „wenn", sondern „soweit", weil auch da noch ein Unterschied sein kann. Hinter den ersten Satz wird einzufügen sein — auf Grund der Anregung des Herrn Kollegen Neuburger —:
Die Untersuchung kann aus den gleichen Gründen wie das Zeugnis verweigert werden.

(Abg. Dr. von Brentano: Gut!)

Die Grundsätze der Durchsuchung sind hier unseres Erachtens nicht anwendbar, weil das eigentliche Beweismittel nicht ein Gegenstand, sondern ein Mensch oder der menschliche Körper ist; und die Ehefrau, die Eltern und die Kinder müssen das gleiche Recht haben, ihren Körper als Beweismittel zu verweigern, wie sie das Recht haben, ihre Aussage zu verweigern.
Ich glaube, daß seitens der Bundesregierung keine Einwendungen zu erheben sein werden. Ich überreiche es sofort dem Herrn Präsidenten schriftlich.

(Abg. Dr. von Brentano: Einverstanden!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108112700
Keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe die Aussprache.
Wir haben zunächst über die Abänderungsanträge zum Abänderungsantrag der Regierung abzustimmen. Ich kann über diese Anträge en bloc abstimmen lassen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! — Angenommen!
Nunmehr lasse ich abstimmen über den Abänderungsantrag der Regierung, in Art. 81 c die nunmehr beschlossene Fassung einzufügen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! — Angenommen!
Der nächste Abänderungsantrag ist zu Ziffer 44 auf Seite 47 gestellt; es ist ein Antrag des Zentrums.
Herr Dr. Reismann!

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0108112800
Bei dem kurzen Abänderungsantrag zum Art. 3 Ziffer 44 handelt es sich darum, daß einer bisher schlechten Übung bei polizeilichen Vernehmungen ein Ende gemacht wird. Wir nehmen keineswegs einen Teil der Justizreform, die wir später vorhaben, vorweg, wenn wir hier von der Polizei verlangen, daß sie bei einer Vernehmung die Beschuldigten darüber belehrt, daß sie nicht verpflichtet sind, Aussagen zu machen. Das ist ein Verfahren, worauf ich gestern schon hingewiesen habe, das sich anderorts sehr bewährt hat und das bei dem oft sehr ungleichmäßigen Stand der kriminalistischen Ausbildung und Praxis bei der Polizei außerordentlich notwendig erscheint. Ich bitte Sie, nicht mit dem allgemeinen Hinweis: Wir stehen jetzt in der dritten Lesung, über diese Sache hinwegzugehen. Die zweite und dritte Lesung ist dazu da, daß man sich mit diesen kleinen und nicht allzu weitgehende Folgen ergebenden Fragen noch eingehend befaßt. Kosten verursacht diese Sache überhaupt nicht. Es ist eine kleine Verbesserung, die sich in der Praxis sehr günstig auswirken wird. Ich bitte Sie, Ihre Zustimmung nicht zu versagen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108112900
Keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe die Aussprache hierüber.
Herr Justizminister, wollen Sie dazu sprechen? — Bitte!

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0108113000
Die Anregung des Herrn Abgeordneten Dr. Reismann ist durchaus erwägenswert, aber sie ist in dieser Fassung nicht aufzunehmen. Sie muß nach der Art des § 136 a StPO. technisch noch durchgearbeitet werden. Insbesondere müssen die Folgen der Verletzung festgelegt werden. Es ist vielleicht bitter, weil etwas Gutes in dem Gedanken drinsteckt; aber wir können es in der Form nicht übernehmen und im Augenblick wohl auch nicht technisch vervollkommnen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108113100
Keine weiteren Wortmeldungen? — Die Aussprache ist geschlossen.
Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag Dr. Reismann Nr. 1258 Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Der nächste Abänderungsantrag betrifft die Ziffer 97 dieses Art. 3 auf Seite 57. Es sind zwei Abänderungsanträge, einer des Zentrums und einer der SPD. Ich habe den Eindruck, daß diese Anträge übereinstimmen. — Sie stimmen überein. Es soll das Wort „übereinstimmenden" in der vierten Zeile des § 239 gestrichen werden. Keine Wortmeldungen dazu? — Dann schließe ich die Aussprache.
Der Herr Justizminister!


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0108113200
Es handelt sich zwar nur um die Streichung eines Wortes, aber die Tragweite dieser Lücke wäre von sehr großer Bedeutung. Jetzt ist ein Kreuzverhör in unserem Strafverfahren nur möglich, wenn Staatsanwalt und Verteidiger übereinstimmend den Antrag stellen, daß die von ihnen benannten Zeugen auch durch sie vernommen werden. Der Antrag muß aber übereinstimmend sein.
Das Ideal, das dem Antrag zugrunde liegt, ist das angelsächsische Strafverfahren, bei dem die Beweiserhebung ausschließlich in den Händen der Parteien, dargestellt durch Staatsanwalt und Verteidiger, liegt. Wenn wir jetzt diese Änderung durchführen würden, würde der Grundsatz unseres Strafverfahrens — daß die Leitung der Verhandlung in der Hand des Vorsitzenden liegt, daß er den Angeklagten, die Zeugen und die Sachverständigen vernimmt, daß er eben die ganze Aufnahme des Beweises in der Hand hat — ganz wesentlich durchbrochen. Auch dieses Problem ist zur Entscheidung nicht reif. Wir werden uns ernstlich fragen müssen, ob die Erfahrungen, die uns aus dem angelsächsischen Strafverfahren jetzt durch die besonderen Verhältnisse nahegebracht worden sind, für uns wertvoll sind und von uns übernommen werden sollen. Aber ich würde doch davor warnen, jetzt durch eine solche Änderung eine wirklich tiefgreifende Teilreform vorwegzunehmen und die Struktur unseres Strafverfahrens wesentlich zu ändern.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108113300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Greve.

Dr. Otto Heinrich Greve (SPD):
Rede ID: ID0108113400
Meine Damen und Herren! Ich vermag den Ausführungen des Herrn Bundesministers der Justiz nicht beizutreten. Es handelt sich hier nicht darum, daß dem Vorsitzenden des Gerichts die Leitung aus der Hand genommen werden soll. Auch wenn dem Antrag des Herrn Kollegen Reismann und dem von meiner Fraktion gestellten Antrag stattgegeben wird, behält der Richter nach wie vor die Leitung der Verhandlung in der Hand. Es liegt an ihm selbst, wenn. er sie nicht in der Hand behält. Daß es sich um eine Veränderung der Struktur unseres ganzen Prozeßverfahrens handelt, wenn lediglich das Wort „übereinstimmenden" gestrichen wird, das glaubt der Herr Bundesjustizminister wohl selbst nicht. Ich möchte hier nur zum Ausdruck bringen — und darin werden mir alle Beteiligten zustimmen —, daß es zu einem großen Teil auf einen Kuhhandel zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung hinausgelaufen ist, wenn es sich darum handelte, der Bestimmung des § 239 stattzugeben oder nicht. Der Staatsanwalt wollte nur dann der Bestimmung des § 239 Genüge tun, wenn auch der Verteidiger seinerseits der Bestimmung Genüge tat. Wenn also Staatsanwalt und Verteidiger aushandelten, welche Zeugen im Kreuzverhör vernommen werden sollten, klappte die Sache; waren sie sich nicht einig, dann klappte die Sache nicht. Damit ist aber dem Prozeß selbst und dem Ausgang des Verfahrens in keiner Weise gedient. Wenn der Staatsanwalt den Wunsch hat, daß ein Zeuge, der von ihm benannt ist, im Kreuzverhör vernommen wird, und wenn der Verteidiger den Wunsch hat, daß ein von ihm benannter Zeuge im Kreuzverhör vernommen wird, dann besteht keine Veranlassung, einem entsprechenden Antrag, den der Staatsanwalt oder der Verteidiger stellt, nicht stattzugeben, da die übrigen prozessualen Vorschriften es durchaus gestatten, daß auch bei einem solchen Kreuzverhör der Vorsitzende des Gerichts die Leitung des Verfahrens in der Hand behält.
Ich bitte dem hier gestellten Antrag stattzugeben, vor allem auch deswegen, weil es nicht notwendig ist, diese Regelung der großen Justizreform zu überlassen, und weil die Struktur des Prozeßverfahrens in keiner Weise verändert wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108113500
Herr Dr. von Brentano!

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0108113600
Meine Damen und Herren! Wenige Worte zu dieser Frage. Ich möchte mich in dieser Frage den Ausführungen des Herrn Justizministers anschließen. Ich persönlich bin auch der Meinung, daß es gut und wünschenswert wäre, wenn unser Strafprozeßverfahren einer grundsätzlichen Revision unterzogen würde. Aber in der heutigen Form ist es tatsächlich so, daß die Verhandlungsführung in der Hand des Vorsitzenden liegt. Es ist aber auch weiter so, daß nicht wie im angelsächsischen Recht Verteidiger und Staatsanwaltschaft das Verfahren beherrschen und sich als Gleichberechtigte unter dem Vorsitz des Richters gegenüberstehen. Ich glaube deswegen, wir würden tatsächlich einen Strukturbruch begehen, der sich vielleicht auch sehr unerfreulich auswirken könnte. Ich bin bereit und entschlossen, bei der endgültigen Strafprozeßreform diese Vorstellungen, von denen auch Herr Kollege Greve sprach, zu verwirklichen. Ich möchte aber darum bitten, daß wir heute – damit wir nicht eine Entwicklung erleben, die vielleicht, weil sie sich nicht bewährt, eine endgültige Justizreform auf diesem Gebiet verhindern kann— diese Entwicklung nicht einleiten. Wenn wir anfangen, Teilgebiete oder Teilfragen im Grundsätzlichen zu klären, dann gefährden wir vielleicht das Endergebnis, das auch ich in Übereinstimmung mit dem Kollegen Greve anstrebe.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108113700
Herr Abgeordneter Ewers.

Hans Ewers (DP):
Rede ID: ID0108113800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf feststellen: mit einer Vereinheitlichung hat dies nichts zu tun. Was hier begehrt wird, ist ein völliges Novum, aber ein Novum, bei dessen Begründung ich Herrn Kollegen Dr. Greve immerhin in einigem Betracht recht geben muß. Bisher ist die Vorschrift des § 239 StPO. nämlich fast nur papierenes Recht gewesen. Ich möchte vorschlagen, daß man, wenn man überhaupt der Anregung folgen will, einen Mittelweg ins Auge faßt, indem man den Text so ändert, daß er eine Kann-Vorschrift ist:
Die Vernehmung eines von dem einen oder anderen benannten Zeugen kann der Staatsanwaltschaft oder dem Verteidiger auf deren Antrag von dem Vorsitzenden überlassen werden.
Damit behält der Vorsitzende die Leitung. Wenn
er es für unzweckmäßig hält, folgt er der Kann-
Vorschrift nicht. Es ist jedenfalls nicht ein Bruch
in der ganzen Systematik. Der obligatorische
Kreuzverhörprozeß wäre in der Tat etwas ganz
anderes, als wenn man das Kreuzverhör nur in
das Ermessen des Vorsitzenden stellt. Nur wenn
der Vorsitzende es für richtig hält, braucht er dem
Antrag stattzugeben. Das soll nur ein Vermittlungsvorschlag sein. Die ganze Erörterung hier im
Plenum ist mir unerwünscht, das sage ich offen.

(Sehr richtig! bei der DP.)



Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108113900
Das Wort hat der
Herr Abgeordnete Wagner.

Friedrich Wilhelm Wagner (SPD):
Rede ID: ID0108114000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme gegen die Ausführungen des Herrn Kollegen Ewers Stellung. Wir wünschen bei derartigen Gesetzen keine „Kann-Vorschrift". Wir wünschen nicht, daß es in das Belieben des Richters gestellt ist. Denn die Praxis beweist es jeden Tag, daß das zu Unzuträglichkeiten führt.
Ich möchte noch eine Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Justizministers und des Herrn Kollegen von Brentano machen. Es wird davon gesprochen, daß im angelsächsischen Prozeß dem vorsitzenden Richter die Verhandlungsführung aus der Hand genommen sei. Ich habe selbst lange Zeit an einem angelsächsischen Gericht verteidigt und weiß also aus der Praxis, daß dem nicht so ist. Wenn der Verteidiger an der Reihe ist, seine Zeugen zu fragen und die Zeugen der Staatsanwaltschaft ins Kreuzverhör zu nehmen, hat die Staatsanwaltschaft immer das Recht, zu erklären: „I object!", das heißt: Ich erhebe Einspruch gegen die Zulässigkeit dieser Frage. Dann entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, ob die Frage zugelassen wird oder nicht; er mißbilligt oder genehmigt die Frage. Auf alle Fälle hat der Vorsitzende die Prozeßleitung. Nur die Art der Durchführung ist eine andere. Ich möchte also vermeiden, daß hier die Meinung entsteht, der Vorsitzende in dem angelsächsischen Verfahrensrecht überlasse das ganze Spiel Staatsanwalt und Verteidiger. Er wird immer auf Reaktion der einen oder anderen Seite die entscheidende Bestimmung von sich aus treffen.
Man darf nicht sagen, daß wir mit der Streichung des Wortes „übereinstimmenden" ein neues Prinzip einführen würden. Dabei muß ich sagen, ich fürchte mich vor neuen Prinzipien gar nicht. Ich gebe dem Herrn Justizminister recht: Wir wollen jetzt keine große Prozeßreform machen. Für meine Begriffe ist es überhaupt keine Reform, es sind einige kleine Verbesserungen. Im großen und ganzen ist es eine Vereinheitlichung. Deshalb haben wir es ja, wie mein Freund Dr. Arndt bereits erklärt hat, abgelehnt, die Anträge zu stellen, die wir für notwendig gehalten hätten. Ich glaube, dieser Punkt der Diskussion ist nicht dazu geeignet, über ein neues Prinzip zu sprechen. Vielmehr glaube ich, daß wir den Anforderungen der täglichen Praxis gerecht werden, wenn wir das Wort „übereinstimmenden" streichen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108114100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0108114200
Der Hinweis des Herrn Justizministers auf die große Justizreform gibt mir Veranlassung, gerade deswegen diese Änderung zu empfehlen. Denn sie gibt Gelegenheit, zu erproben, was die deutschen Staatsanwälte und Rechtsanwälte aus dem Verfahren des Parteibetriebs im Strafprozeß machen. Wenn wir den bisherigen Zustand belassen, wird es praktisch niemals dazu kommen, daß die Parteien des Strafprozesses, der Staatsanwalt und der Verteidiger, die von ihnen gestellten oder benannten Zeugen gegenseitig ins Kreuzverhör nehmen. Das ist bisher nicht praktisch geworden und wird nicht praktisch werden. Wenn wir dann vor der großen Justizreform stehen, werden wir keinerlei Erfahrungen hinter uns haben, auf die wir uns stützen können. Gerade der Hinweis auf die beabsichtigte Justizreform macht es erforderlich, daß wir jetzt hier mit einem kleinen Anfang sozusagen einen Versuch machen. Eine Kann-Vorschrift genügt nicht. Sie führt im Gegenteil nur zu Reibungen zwischen den Beteiligten. Wenn man schon von der Justizreform spricht, so hätten wir in dieser Hinsicht ganz andere Wünsche anzumelden. Wir hätten insbesondere den Wunsch, daß man den Vorsitzenden, wie es im angelsächsischen Recht der Fall ist, von der Belastung durch die Kenntnis der Akten befreit. Das würde allerdings einen Eingriff in das Verfahren bedeuten, der nicht hierhin gehört und der viel tiefer geht, als daß er in diesem Rahmen erledigt werden könnte. Aber diese kleine technische Änderung, so wichtig sie ist, bedeutet keinen Eingriff in das bisherige Verfahren und auch keinen Eingriff in die Verhandlungsführung durch den Richter; leider nicht.

(Abg. Dr. Greve: Wird die Debatte wieder eröffnet? — Abg. Dr. Becker Zur Geschäftsordnung!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108114300
Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Dr. Becker.

Dr. Max Becker (FDP):
Rede ID: ID0108114400
Ich beantrage Schluß der Debatte.

(Zustimmung.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108114500
Ist das Haus einverstanden? Ich bitte um Handzeichen. — Es ist so beschlossen.

(Zuruf.)

— Wir können allerdings dem Herrn Justizminister nicht verwehren, zu sprechen. Aber ich glaube, er hat den Geist dieses Beschlusses verstanden. – Er hat ihn nicht verstanden.
Ich erteile dem Herrn Bundesjustizminister das Wort.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0108114600
Wenn die Herren Kollegen Greve und Reismann sagen, die beantragte Änderung wäre kein tiefer Eingriff, dann will ich Ihnen nur sagen, wie sich auf Grund eines solchen Beschlusses ein Strafprozeß künftig praktisch abspielen würde. Neun Zehntel der Zeugen werden vom Staatsanwalt geladen. Der Prozeß begänne damit, daß der Angeklagte durch den Vorsitzenden vernommen wird. Dann würde der Staatsanwalt seine Zeugen vorführen. Der Prozeß bekäme ein vollkommen anderes Gesicht.

(Abg. Dr. Greve: Nein, das stimmt ja nicht, Herr Minister!)

Das wäre ein Strukturbruch.

(Widerspruch bei der SPD.)

Das möchte ich doch noch einmal unterstreichen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108114700
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Streichung des Wortes „übereinstimmenden" in § 239 Abs. 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. – Gegenprobe! — Die beiden Herren Schriftführer und ich sind außerstande, die Mehrheit festzustellen. Wir müssen also einen Hammelsprung machen. Aber gestatten Sie mir eine inständige Bitte: Rauchen Sie Ihre Zigaretten heute abend und nicht jetzt während der Abstimmung. Wir werden dann sehr viel früher nach Hause kommen.
Wer für die Streichung des genannten Wortes ist, den bitte ich, durch die Ja-Tür, wer dagegen ist, durch die Nein-Tür hereinzukommen. Ich bitte, sich zu beeilen.

(Die Abgeordneten verlassen den Saal.)



(Vizepräsident Dr. Schmid)

Die Abstimmung beginnt. Ich wiederhole meine Bitte um Eile.

(Der Wiedereintritt der Abgeordneten und die Auszählung erfolgen.)

Die Abstimmung ist beendet. Das Ergebnis ist folgendes. Nein: 136 Stimmen, Ja: 121 Stimmen, Enthaltungen: 7. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Halten Sie Ihren Eventualantrag aufrecht, Herr Kollege Ewers?

(Abg. Ewers: Nein!)

— Sie ziehen ihn zurück. Gut!
Der nächste Abänderungsantrag Dr. Reismann Nr. 1258 Ziffer 4 betrifft die Ziffer 139, die auf Seite 64 unten steht. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Reismann.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0108114800
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Abänderungsantrag ist nach meiner Meinung der wichtigste, der überhaupt zu der ganzen Angelegenheit gestellt wird. Es handelt sich darum, daß es bei den Kapitalverbrechen, die vom Schwurgericht und von der Großen Strafkammer abgeurteilt werden, bislang keine Berufungsinstanz gibt, keine zweite Instanz, die den Sachverhalt noch einmal überprüft. Es gibt zwar ein Rechtsmittel, das der Revision, aber wenn eine Tatsache falsch festgestellt ist und es sich nicht um die Anwendung des Rechts auf diesen , nun einmal falsch festgestellten Sachverhalt handelt, dann kann man einem Mann, der von einem Schwurgericht oder einer Strafkammer verurteilt worden ist, einfach nicht helfen.

(Große Unruhe.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108114900
Ich bitte um Ruhe. — Der Redner ist kaum zu verstehen.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0108115000
Durch die bisherige Regelung wird gerade in den wichtigen Sachen, wo es darauf ankommt, dem Angeklagten das Recht auf die zweite Instanz verwehrt, obwohl wir eben mit vollem Recht gesagt haben, daß es bei einem Objekt von 50 und 60 Mark einer Prozeßpartei nicht versagt werden dürfte. Die zweite Instanz wird bei dem Rechtszustand, der jetzt vorgeschlagen wird, dem Angeklagten bei den Angelegenheiten, wo es um Kopf und Kragen, wo es um die Existenzgrundlage geht, verwehrt. Es mag richtig sein, daß man in einer der Zukunft vorbehaltenen größeren Justizreform dieser Frage endgültig zu Leibe gehen muß. Es ist aber der alte Zustand nicht länger erträglich, ohne daß man diese Gelegenheit ergreift, um wenigstens das, was möglich ist, jetzt zu ändern. Da mache ich den Vorschlag — zugleich im Namen meiner Freunde —, daß da, wo die Strafkammer und das Schwurgericht in der ersten Instanz entschieden haben, eine erleichterte Wiederaufnahme möglich ist, eine Wiederaufnahme, die nicht auf die Behauptung gestützt zu werden braucht, daß sich nach dem Urteil etwas Neues an Tatsachen und Beweisen vorgefunden hat; sondern es muß da die Behauptung genügen, daß Tatsachen, die bestimmt zu bezeichnen sind, nicht richtig herausgekommen sind.
Das ist der Sinn dieses Antrags zu Nr. 139 und auch zu dem Paragraphen, den ich mit Nr. 139 a in Vorschlag gebracht habe. Von Ihrer Entscheidung hier hängen Menschenschicksale in Mengen ab, bevor die Justizreform endgültige Besserung schaffen kann. Jeder Anwalt hier im Hause wird bestätigen können, daß er in zahlreichen, wenn nicht zahllosen Fällen mit Bedauern vor der Unmöglichkeit einer tatsächlichen Nachprüfung solcher Urteile gestanden hat.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108115100
Das Wort hat der Abgeordnete von Brentano.

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0108115200
Meine Damen und Herren! Obwohl Herr Kollege Reismann die Anwälte im Haus angerufen hat, muß ich ihm als Anwalt widersprechen. Ich muß ihm etwas Weiteres sagen. Es handelt sich hier um eine so grundsätzliche Frage, von der ich weiß, daß sie auch im Rechtsausschuß mit solcher Genauigkeit diskutiert worden ist, daß ich es nicht für möglich halte, sie in dritter Lesung wieder vorzutragen und hier irgendeine Entscheidung herbeizuführen. Über eine solche Regelung müßte man tatsächlich stundenlang diskutieren. Es ist nämlich nicht so, Herr Kollege Reismann — das wissen wir doch —, daß hier eine geringere Rechtsgarantie gegeben wäre, denn der Vergleich mit einem Prozeßurteil über 60 Mark stimmt ja nicht. Dafür sind die Gerichte anders zusammengesetzt, und dafür haben sie ein anderes Rechtsmittelverfahren. Ich glaube nicht einmal, daß hier mehrere Anwälte sind, die sagen können, daß im Augenblick ein sachliches Bedürfnis nach dieser Regelung bestünde. Ich persönlich bitte den Antrag abzulehnen, und ich persönlich beantrage auch in diesem Falle Schluß der Debatte.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108115300
Es ist Schluß der Debatte beantragt.

(Widerspruch bei der SPD. — Abg. Schoettle: Das ist ja nicht üblich, daß der Redner Schluß der Debatte beantragt!)

— Warum soll das nicht gehen? Es hat doch ein anderer Redner vor ihm gesprochen.

(Erneuter Zuruf des Abg. Schoettle. — Abg. Dr. von Brentano: Ich nehme den Antrag zurück!)

Das Wort hat der Abgeordnete Wagner.

Friedrich Wilhelm Wagner (SPD):
Rede ID: ID0108115400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen uns an dieser Stelle der Beratung über folgendes klar werden. Es ist unmöglich, daß diese Versammlung, dieses Parlament mit allen seinen Mitgliedern zu den Abänderungsanträgen Stellung nehmen kann, ohne daß eine genaue und eingehende Prüfung erfolgt ist.

(Zustimmung bei der SPD und bei den Regierungsparteien.)

Man kann selbst als Fachmann, als Jurist einen Antrag nicht in seinen ganzen Konsequenzen überblicken, ohne das Für und Wider gründlich erörtert zu haben.

(Erneute Zustimmung bei der SPD und bei den Regierungsparteien.)

Wenn man sich auf den Standpunkt stellen wollte, daß ja noch mehr Abänderungsanträge kommen, müßte man zu dem Ergebnis gelangen, den ganzen übrigen Teil an den Ausschuß zurückzuverweisen. Das beantragen wir aber nicht; denn wir wissen, wie dringend die Verabschiedung des Gesetzes ist. Ich möchte deshalb jetzt erklären, daß wir im Hinblick auf diesen sachlichen Gesichtspunkt allen weiteren Abänderungsanträgen entgegentreten werden.

(Beifall bei der SPD und bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108115500
Die Aussprache ist geschlossen.
Ich lasse abstimmen. Wer für den Abänderungsantrag des Abgeordneten Dr. Reismann zu Ziffer 139 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Der nächste Abänderungsantrag, der ebenfalls vom Kollegen Dr. Reismann gestellt ist, will, daß eine Ziffer 139 a mit einem § 359 a eingefügt wird, Wollen Sie den Antrag begründen, Herr Dr. Reismann?

(Abg. Dr. Reismann: Nein!)

Ich lasse abstimmen. Wer für den Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ist abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, sind sämtliche Abänderungsanträge erledigt, die zu Art. 3 angekündigt waren.
Ich lasse über Art. 3 in der nunmehr vorliegenden Fassung abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu Art. 4, Art. 5 und Art. 6 liegen keine Abänderungsanträge vor. Zu Art. 7 liegt ein Abänderungsantrag des Herrn Kollegen Dr. Reismann Nr. 1258 Ziffer 6 vor, in Art. 7 unter V. (Änderung der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige) folgende neue Ziffer 38 a einzufügen:
38 a. § 4 der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige tritt wieder in Kraft. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0108115600
Es handelt sich hier darum, einen Zustand wieder herbeizuführen, der früher schon bestanden hat. Ich darf auf die Begründung, mit der die Sachverständigengebühren gesenkt worden sind, kurz eingehen. Der Herr Bundesjustizminister — das ist Ihnen seinerzeit in einem Rundschreiben des Berufsverbands der freien Berufe zugegangen — hat auf den Hinweis, daß die Gebühren für Zeugen und Sachverständige zu niedrig seien, so daß sich keine qualifizierten Sachverständigen zur Verfügung stellen würden, geantwortet, daß es genug Flüchtlinge und Heimatvertriebene gebe, die auch zu den jetzt geltenden, also niedrigeren Sätzen arbeiten würden.

(Abg. Dr. Greve: Das können wir doch hier nicht diskutieren! Stundenlang haben wir uns darüber im Ausschuß unterhalten! — Weitere Zurufe von der SPD und von der Mitte.)

— Ja aber, meine Damen und Herren, es muß doch, da sie im Ausschuß zu einem andern Ergebnis gekommen sind, möglich sein, jetzt darüber zu sprechen; dafür ist doch das Plenum da.

(Widerspruch bei der SPD und in der Mitte.)

— Dann lehnen Sie es in Gottes Namen ab. Ich muß aber darauf aufmerksam machen, daß es nicht der Interessenlage und nicht dem richtigen Recht entspricht, wenn man sich über diese Frage hier in der Öffentlichkeit des Plenums nicht unterhalten kann, wie es absolut erforderlich wäre.

(Lebhafte Zurufe von der SPD und von der Mitte.)

— Ich bleibe bei meinem Antrag und bitte, darüber abzustimmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108115700
Das Wort hat der Herr Justizminister.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0108115800
Ich nehme an, daß Sie aufgenommen haben, was der Kollege Reismann eben gesagt hat. Ich muß das korrigieren. Es ist nicht so, als ob ich im Hinblick auf die Flüchtlinge die Wiedereinführung dieser Bestimmung abgelehnt hätte. Ich habe die Wiedereinführung dieser Bestimmung über Sachverständigengebühren abgelehnt und dazu an den deutschen Industrie- und Handelstag folgendes geschrieben:
Es wird in der Öffentlichkeit auch wohl kaum verstanden werden, wenn Sachverständige eine Tätigkeit als Gutachter nur aus dem Grunde ablehnen würden, weil ihnen ein Stundensatz von 3 bis 6 DM nicht als hoch genug erscheint. Wahrscheinlich würden sich auf bestimmten Gebieten unter den Flüchtlingen und Heimatvertriebenen genügend qualifizierte Kräfte finden, die gerne bereit wären, als Sachverständige für diesen Satz tätig zu werden.
Das halte ich aufrecht.

(Abg. Dr. von Brentano: Das ist etwas ganz anderes!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108115900
Die Aussprache ist geschlossen.
Wir stimmen ab. Wer für den Antrag Dr. Reismann ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ist abgelehnt.
Nun lasse ich abstimmen über die bisher aufgerufenen Artikel 4 bis 7. Wer für diese Artikel ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Art. 8. Hier ist ein Antrag Dr. Reismann zu Ziffer 2.

(Abg. Dr. Reismann: Ist durch die letzte Abstimmung erledigt!)

— Sie ziehen den Antrag zurück?

(Abg. Dr. Reismann: Ja!)

— Der Antrag ist zurückgezogen.
Nächster Antrag. Ein Antrag der Bundesregierung, der sich auf die Ziffer 43a auf Seite 81 bezieht. Wird das begründet werden? Es ist praktisch eine redaktionelle Änderung.

(Abg. Dr. Laforet: Eine rein redaktionelle Änderung! — Bundesminister der Justiz, Dr. Dehler, meldet sich zum Wort.)

— Das brauchen Sie vielleicht gar nicht zu begründen. — Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist angenommen.
Der nächste Abänderungsantrag ist auf Seite 82. Hier ist ein Antrag der Regierung — das ist die Konsequenz des nächsten Artikels —, Nr. 46 a zu streichen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist angenommen.
Der nächste Abänderungsantrag ist auf Seite 84 zu Ziffer 77, ein Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache Nr. 1255 des Inhalts:
Im Art. 8 des Entwurfs erhält die Ziffer 77 folgenden Absatz 2:
Der Bundesgerichtshof ist ferner zuständig, wenn ihm durch eine Gesetzgebung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes Zuständigkeiten in Übereinstimmung mit diesem Gesetz übertragen sind.
Er braucht ja wohl nicht begründet zu werden? (Abg. von Brentano: Nein!)

Der Sinn ist klar. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist angenommen.
Meine Damen und Herren, weitere Abänderungsanträge liegen nicht mehr vor.

(Bravo!)

Ich lasse abstimmen über Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Angenommen.

(Abg. Dr. Greve: Noch ein Art. 9!)

— Verzeihung, ich habe vergessen, auch über Art. 8
und Art. 9 abstimmen zu lassen. Wer für die An-


(Vizepräsident Dr. Schmid)

nahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen vier Stimmen angenommen.

(Beifall.)

Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Wir sind aber noch nicht am Ende, ich bitte, keine verfrühten Hoffnungen zu hegen. Wir haben noch zu erledigen die
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Nr. 924 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses zum Schutze der Verfassung (5. Ausschuß) (Nr. 1209 der Drucksachen).

(Erste Beratung: 72. Sitzung.)

Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich bitte Dr. Jaeger als Berichterstatter. — Herr Dr. Jaeger scheint nicht da zu sein. — Dann bitte Herr Dr. Becker (Hersfeld).

Dr. Max Becker (FDP):
Rede ID: ID0108116000
Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat in sehr gründlichen Verhandlungen die Drucksache Nr. 924 durchgearbeitet. Das Ergebnis der Verhandlungen, die bis zum heutigen Nachmittag — ich glaube, bis zum 1 1/2 Uhr — gedauert haben, liegt Ihnen schriftlich vor. Der Beschluß, der dort gefaßt ist, ist mit sehr großer Mehrheit angenommen. Ich glaube, da Sie über den Sinn des Ganzen orientiert sind, ist ein längerer Vortrag darüber wohl nicht nötig. Ich empfehle namens des Ausschusses, diesen Antrag anzunehmen.

(Abg. Paul [Düsseldorf] : Weshalb so schweigsam?)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108116100
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Es ist die zweite Beratung; wir beraten also zunächst paragraphenweise. Ich rufe auf § 1.

(Abg. Dr. Laforet: Ich habe ums Wort gebeten!) — Das Wort hat der Abgeordnete Laforet.


(Zuruf des Abg. Paul [Düsseldorf].)

— Herr Abgeordneter Paul, Sie wollen wohl eine Generaldebatte? Die Generaldebatte findet bei der dritten Lesung statt.
Ich habe die Redezeit noch nicht festgesetzt. Gestatten Sie, daß ich 40 Minuten Gesamtredezeit vorschlage. Sind Sie einverstanden? — Es ist so beschlossen.

Dr. Wilhelm Laforet (CSU):
Rede ID: ID0108116200
Meine Damen und Herren! Zumal es leider nicht möglich war, Ihnen einen Bericht über unsere Verhandlungen im Verfassungsauschuß geben zu lassen, halte ich es für die spätere Auslegung umstrittener Rechtsfragen für unerläßlich, ganz kurz zu einigen Fragen Stellung zu nehmen, damit nicht der Eindruck entsteht, daß bestimmte Anschauungen, die hervorgetreten sind, unwidersprochen geblieben wären.
In Frage steht der Schutz der Verfassung. Es ist selbstverständlich, daß wir, insbesondere bei der jetzt gegebenen politischen Lage, alles einsetzen müssen, was dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung dienen kann. Dann müssen wir aber auch sorgsam beachten, daß wir nicht etwa Wege zum Schutz der Verfassung einschlagen, die bedenklich oder unvereinbar mit der Verfassung wären.
Der Entwurf macht vom Art. 87 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Gebrauch. Es soll durch Bundesgesetz eine Zentralstelle für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen zur Gewinnung von Unterlagen für die Zwecke des Verfassungsschutzes errichtet werden. Da der Bund nach Art. 73 Ziffer 10 die Befugnis zur Gesetzgebung über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes hat. kann er auch die Länder verpflichten, für diese Zusammenarbeit eine Behörde zu bestimmen, die diese Angelegenheiten bearbeitet. Diesem Zweck dienen die §§ 2 und 4 des Entwurfs.
Zur Ausführung dieses Bundesgesetzes über die Errichtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz kann nach Art. 84 Abs. 5 des Grundgesetzes der Bundesregierung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrats bedarf, die Befugnis erteilt werden, den Länderbehörden, die das Bundesgesetz als eigene Angelegenheit auszuführen haben, für besondere Fälle Weisungen zu erteilen. Es ist meiner Ansicht nach nur diese einzige Rechtsgrundlage, die des Art. 84 Abs. 5 gegeben. Es kann überraschen, daß die Befugniserteilung im gleichen Gesetz ausgesprochen werden soll, in dem die Regelung über die Einrichtung der Stelle erfolgt. Das ist nicht unbedenklich, aber es wird wohl nicht zu beanstanden sein. Die Weisungen sind nach Art. 84, außer wenn die Bundesregierung den Fall für dringlich erachtet, an die obersten Landesbehörden zu richten. Wenn auch nicht ohne Bedenken, kann angenommen werden, daß hier stets der Fall der Dringlichkeit vorliegt und daß wir deshalb bestimmen können, daß der Bundesminister des Innern Einzelweisungen unmittelbar an die Landesbehörden erteilt, die zur Bearbeitung der Angelegenheiten vom Lande bestimmt sind. Die Bestimmung, daß hier die Zustimmung des Bundesrats nötig ist, ist umstritten. Ich halte die Zustimmung für notwendig. Im übrigen kann der § 5 Abs. 2 des Entwurfs, wenn auch nicht ohne Bedenken, als verfassungsrechtlich zulässig erachtet werden.
Nun kommen wir zu grundlegenden Fragen. In Art. 9 der Weimarer Verfassung war dem Reich, wenn auch nur für den Fall des Bedürfnisses, die Befugnis zur Gesetzgebung über den Schutz der öffentlichen Ruhe und Ordnung und Sicherheit gegeben. Man war sich dabei klar, daß über das Bestehen eines Bedürfnisses das Reich entscheidet. In den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates ist schlechthin abgelehnt worden, dem Bund die Befugnis zur Gesetzgebung zum Schutze der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Polizei, zu geben. Nur für die Gebiete der Kriminalpolizei und die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes hat der Bund die Befugnis der Gesetzgebung, jedoch nur im Rahmen der Aufgabe, die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder herbeizuführen. Nach den Beschlüssen des Parlamentarischen Rates sollte damit die „Koordination" zwischen Bund und Ländern und der Länder untereinander in den Angelegenheiten des Verfassungsschutzes gewährleistet werden. Die Befugnis zur Regelung der Koordination, der Zusammenarbeit konnte nur in die Hand des Bundes gelegt werden. Es ergab sich damit eine ausschließliche Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung.


(Dr. Laforet)

Eine Bestimmung des Begriffes „Verfassungsschutz" ist im Grundgesetz nicht gegeben. Unter Verfassungsschutz ist wohl. im weitesten Sinne gedacht, die Abwehr aller Gefahren zu verstehen. die die freiheitliche und demokratische Grundordnung bedrohen. Unter Zusammenarbeit kann nur verstanden werden, daß zwei selbständige Kräfte zur Erreichung eines Zieles eine Einigung treffen und ihre Maßnahmen aufeinander abstimmen. Zusammenarbeit und Über- und Unterordnung schließen sich begrifflich aus. Die Befugnis zur Zusammenarbeit schließt es begrifflich aus, daß eine Sachweisung gegeben wird, soweit nicht Ausnahmen gegeben sind.
Hinsichtlich der Regelung im Grundgesetz muß writer geschieden werden — ich halte es als Referent ries 8. Abschnittes des Parlamentarischen Rates für notwendig, den Standpunkt, den ich damals als Referent des Parlamentarischen Rates vertreten habe. hier erneut geltend zu machen — zwischen der Befugnis zur Gesetzgebung und der Ausführung der Bundesgesetze. Für die Ausführung der Bundesgesetze gibt es nur die drei im 8. Abschnitt des Grundgesetzes gegebenen Arten. Grundsätzlich fuhren die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, oder es liegt Bundesauftragsverwaltung oder Bundeseigenverwaltung vor. Es gibt keine vierte Art der Ausführung der Gesetze, — —

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108116300
Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Dr. Wilhelm Laforet (CSU):
Rede ID: ID0108116400
die aus der Befugnis des Bundes zur Gesetzgebung abgeleitet werden könnte. — Ich bin im Augenblick fertig. — Die abweichende Auffassung kann nicht gebilligt werden. Doch besteht — jedoch nur nach Art. 84 Abs. 5 die rechtliche Möglichkeit, daß durch Bundesgesetz die Ermächtigung gegeben wird, Einzelweisungen zu erteilen. Das ist die Ausnahme, und der Entwurf muß sich auf diese Bestimmung des Art. 84 stützen, und zu diesem Gesetz ist die Zustimmung des Bundesrates erforderlich.
Mit dem § 5 Abs. 1 in der Fassung des letzten Beschlusses des Ausschusses zum Schutze der Verfassung kann man sich einverstanden erklären. Im übrigen haben wir in der Gruppe der CSU schwere rechtliche Bedenken. Aber es liegt eine außerordentliche Dringlichkeit der Angelegenheit vor. Wir können nicht schlechthin diesem Entwurf zuweichende Auffassung kann nicht gebilligt werden. sich der Abstimmung enthalten.

(Beifall bei der CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108116500
) Keine weiteren Wortmeldungen? — Doch, Herr Bundesinnenminister!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108116600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Geheimrat Dr. Laforet hat seine Ausführungen vorgetragen, um für künftige Auslegungen des Gesetzes Material niederzulegen. Ich sehe davon ab, zu diesen Ausführungen Stellung zu nehmen. Ich finde, daß die Juristen dem Bundestag heute schon genug gelehrsame oder diffizile Streitfragen vorgeführt haben.

(Beifall in der Mitte und rechts.)

Ich möchte das für meinen Teil nicht fortsetzen und beschränke mich darauf, zu sagen, daß die Bundesregierung nicht in der Lage ist, den Ausführungen von Herrn Geheimrat Laforet in allen Stücken beizutreten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108116700
Keine weiteren
Wortmeldungen zu § 1. Dann schließe ich die Aussprache dazu und lasse abstimmen. Wer für § 1 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich. die Hand zu erheben. Gegenprobe! — Angenommen. Gegen einige wenige Stimmen.
§ 2. — Keine Wortmeldung. Ich schließe die Aussprache. Wer für § 2 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Bei einigen wenigen Stimmenthaltungen angenommen.
§ 3. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache. Wer für Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einige Stimmen dagegen – angenommen!
§ 4. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache. Wer für Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
§ 5. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
§ 5 a. — Ich schließe die Aussprache. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nunmehr die Präambel, die Einleitung. Hier scheint wohl die Absicht zu bestehen, einen Antrag zu begründen. Ich nehme an, Herr Dr. Etzel, daß Sie das tun werden.

(Zurufe.)

— Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Aussprache.

(Abg. Dr. Etzel [Bamberg] begibt sich zur Rednertribüne. — Zurufe von der CDU: Die Aussprache ist geschlossen!)

– Die Aussprache ist geschlossen.
Meine Damen und Herren! Wir haben noch eine dritte Lesung. Sie können Ihren Antrag dann wiederholen, Herr Dr. Etzel. — Wer für Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.

(Zuruf rechts: Enthaltungen!)

Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Ich rufe auf zur Generalaussprache in der
dritten Beratung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul. 3 Minuten.

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0108116800
Meine Damen und Herren! In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Vorlage widersprechen wir der dritten Beratung am heutigen Tage.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108116900
Herr Abgeordneter Paul, Sie kennen die Geschäftsordnung offenbar nicht. Sie können nur dann widersprechen, wenn erste, zweite und dritte Lesung an einem Tage sind. Nun haben wir leider die erste Lesung schon vor zwei Tagen gehabt. Sie können also nicht widersprechen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Etzel.

(Abg. Dr. Laforet: Ich stelle keinen Antrag zur Präambel! Das ist Sache der Ausfertigung!)

— Aber Herr Abgeordneter Dr. Etzel will einen Antrag stellen.


Dr. Hermann Etzel (FU):
Rede ID: ID0108117000
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Wir haben uns darauf beschränkt, von den sechs Änderungsanträgen zur zweiten Lesung, die gestern vorgelegt, aber nicht umgedruckt worden sind. zur dritten Lesung zwei herauszugreifen. Die Präambel soll danach die Fassung erhalten:
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen.
Der Bundesrat hat zugestimmt.
Nach dem Grundgesetz bedürfen in einer Reihe von Fällen die vom Bundestag zu beschließenden oder beschlossenen Gesetze der Zustimmung des Bundesrats. Zu dem vorliegenden Gesetz ist diese Zustimmung wegen des § 2 Abs. 2 nach Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes und wegen des 5 nach Art. 84 Abs. 5 des Grundgesetzes erforderlich.
Die Tatsache der erfolgten Zustimmung des Bundesrats ist in der Präambel festzustellen. Das ist die Absicht unseres Antrags. Die Fassung, die von anderer Seite vorgeschlagen worden ist: „Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrats das folgende Gesetz beschlossen" entspricht nicht der durch das Grundgesetz aufgerichteten Ordnung. Das Grundgesetz unterscheidet in den Art. 77 und 78 klar zwischen der Beschlußfassung des Bundestags über ein Gesetz und dem Zustandekommen desselben. Unter 'anderem kommt ein Bundesgesetz dann zustande, wenn der Bundesrat zustimmt, wobei dahingestellt bleiben mag, ob diese Zustimmung vorgeschrieben ist oder nicht. Die Zustimmung selbst kann entweder in dem Verfahren nach Art. 76 oder nach Art. 77 des Grundgesetzes erfolgen; denn der Bundesrat ist ja zweimal mit einem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetz befaßt. Aber die Beschlußfassung des Bundestages selbst bedarf der Zustimmung des Bundesrats nicht, so daß die Fassung „Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen" nicht dem Grundgesetz entspricht. Dagegen ist dies bei der von uns vorgeschlagenen Fassung „Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen. Der Bundesrat hat zugestimmt" der Fall. Die Zustimmung ist in der Präambel des vorliegenden Gesetzes festzustellen, weil sie nach Art. 84 Abs. 1 und nach Art. 84 Abs. 5 notwendig ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108117100
Herr Abgeordneter Dr. Etzel, Ihre Redezeit ist ablaufen.

Dr. Hermann Etzel (FU):
Rede ID: ID0108117200
Wir haben weiterhin zu § 3 vorgeschlagen, zwischen die Worte „eine Aufhebung" das Wort „ungesetzliche" einzuschalten. Wir halten es für absolut unmöglich und unerträglich, daß gesetzliche Bestrebungen zur Änderung der Grundordnung selbst, also verfassungsmäßige Bestrebungen, hier aufs Korn genommen werden sollen. Wir sind gegen jeden Versuch der Aufrichtung einer III b-Organisation zur Überwachung der Menschen. Wir wollen weder eine Schnüffelorganisation noch einen Geheimdienst. Wir begrüßen gewiß die Unterdrückung der Rechtsbrecher und Rechtsbrüche und auch die Einrichtungen. die ihnen entgegenwirken könnten; aber wir wollen unter keinen Umständen eine Bespitzelung der Menschen, die auf verfassungsmäßigem Wege eine Fortentwicklung des Grundgesetzes oder der Verfassungen der einzelnen Länder anstreben. Das ist im Art. 79, soweit der Bund in Frage kommt, ausdrücklich vorgesehen.

(Glocke des Präsidenten. — Lebhafter Beifall bei der BP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108117300
Vielleicht können
wir die Beratung abkürzen, wenn Sie meiner Auffassung folgen können. Der erste Satz: „Der Bundestag" usw. „hat beschlossen" ist eine Sache der Ausfertigung.

(Richtig! bei der CDU.)

Ob also hier steht: „Der Bundesrat hat mitgewirkt" oder ob das nicht hier steht, über Fakten kann man nicht abstimmen. Es wird sich zeigen, ob die Regierung den Bundesrat auffordert, seine Zustimmung zu erteilen. Gegebenenfalls wird der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden haben, wenn es nicht geschehen sollte, ob es nicht doch hätte geschehen müssen. Wir können aber nicht abstimmen: „Der Bundesrat hat zugestimmt."

(Abg. Dr. von Brentano: Nein!)

Dieses Faktum kann doch lediglich festgestellt werden, wenn es sich ereignet hat. Wir können auch keinen Beschluß fassen: „Der Bundesrat hat zuzustimmen." Denn es steht ja im Grundgesetz, ob er zuzustimmen hat oder nicht.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul. (Zurufe: Ach!)

— Nur drei Minuten!

(Zuruf rechts: Eine Bewährungsrede!)

— Drei Minuten, Herr Abgeordneter!

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0108117400
Meine Damen und Herren! Ich habe mich gestern gefragt: Weshalb hat man wohl die Behandlung dieser Gesetzesvorlage bis auf den heutigen Tag verschoben? Eigenartig mutet uns die Begründung des Herrn Abgeordneten Becker an. Wenn man sich nämlich diese Vorlage ansieht, dann sieht man bereits, worauf sie abzielt.

(Zuruf rechts: Sie merken aber auch alles!)

Sie zielt darauf ab, alle fortschrittlichen Kräfte, die auf Änderung des Kolonialregimes hinarbeiten, zu bekämpfen.

(Ironisches: Sehr gut! rechts. — Zuruf rechts: Wie war das?)

Im § 1 wird von gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung gesprochen. Dieser Paragraph steht in engster Verbindung mit den §§ 3 und 5, nach denen schon eine eventuelle Störung als verfassungswidrig angesehen werden kann und auf deren Grundlage man dann die ganze Exekutivgewalt,

(Abg. Strauß: Merkst du was?)

d. h. die Polizei der verschiedensten Länder, einsetzen kann. In § 5 wird das noch viel deutlicher:
Die Bundesregierung kann, wenn ein Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes erfolgt, den obersten Landesbehörden die für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes erforderlichen Weisungen erteilen.
Ich möchte hier mit aller Deutlichkeit darauf aufmerksam machen, daß man alles, was Verfassungsschutz ist, durch dieses Gesetz eindeutig in die Hand der heutigen Adenauer-Regierung legt. Wenn sie zum Beispiel der Auffassung ist, daß ein Streik der Bergarbeiter um Lohnerhöhung und Verbesse-


(Paul [Düsseldorf])

rung ihrer Arbeitsbedingungen als eine Störung des jetzigen verfassungsmäßigen Zustandes anzusehen ist, dann kann sie auf Grund dieses Gesetzes alle Maßnahmen zur Unterdrückung einer solchen Streikbewegung ergreifen.

(Zurufe rechts.)

So wird es in zahlreichen Fällen dann aussehen.
Wir haben die bitteren Erfahrungen der Weimarer
Zeit, in der in ähnlicher Weise verfahren wurde.

(Zuruf von der SPD: Lauter! — Heiterkeit rechts.)

Das ganze Gesetz richtet sich nicht gegen die reaktionären Bestrebungen, gegen die neofaschistischen Umtriebe, sondern es soll einzig und allein dazu dienen, Denunzianten dazu -anzuregen, Material zu liefern, um eine Bespitzelung der fortschrittlichen Kräfte in Westdeutschland einzuleiten,

(Zurufe und Heiterkeit rechts) nämlich der Kommunistischen Partei.


(Zuruf rechts: Denken Sie an Kurt Fischer!)

Dieses Gesetz soll sich gegen alle die Menschen
richten, die gegen das Kolonialregime ankämpfen
und die für die Sicherung des Friedens eintreten.

(Abg. Strauß: Wie steht es mit Zeisser?) Alle, die die Koalitionsrechte der Arbeiter zu beachten haben, dürfen diesem Gesetz nicht zustimmen. Man kann dieser Regierung keine Vollmachten zur Unterdrückung fortschrittlicher Bewegungen geben, sondern man muß dafür sorgen, daß jene Verfassungsgrundsätze, die im Potsdamer Abkommen niedergelegt sind und die heute in der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik ihren Niederschlag finden,


(Zurufe und Heiterkeit rechts)

in ganz Deutschland zur Anwendung kommen. Wir
werden auf dem Boden der einzigen verfassungsrechtlichen Grundlage der Potsdamer Beschlüsse
für die Änderung dieses Kolonialregimes kämpfen.

(Glocke des Präsidenten.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108117500
Herr Abgeordneter Paul, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0108117600
Wir werden uns durch keine irgendwie gearteten Maßnahmen oder Androhungen von diesem unserem gerechten Kampf abhalten lassen.

(Zuruf rechts: Gut abgelesen!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108117700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Höpker-Aschoff.

Dr. Hermann Höpker-Aschoff (FDP):
Rede ID: ID0108117800
Meine Damen und Herren! Ich halte Beschlüsse des Bundestags über die Verkündungsformel für unzulässig. Es ist Aufgabe und das Recht ,des Herrn Bundespräsidenten, die Gesetze auszufertigen und zu verkünden. Wenn wir über die Verkündungsformel einen Beschluß faßten, würden wir in die verfassungsmäßigen Rechte des Bundespräsidenten eingreifen.

(Sehr richtig! rechts.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108117900
Wollen Sie unter diesen Umständen Ihren Antrag nicht zurückziehen, Herr Kollege Etzel?

(Abg. Dr. Etzel [Bamberg]: Nein!)

Sie ziehen Ihren Antrag nicht zurück! — Damit liefern Sie Stoff für mindestens zehn Dissertationen!
Da weitere Wortmeldungen nicht vorliegen, schließe ich die allgemeine Aussprache und rufe die einzelnen Paragraphen auf. Ich beginne in diesem Falle mit dem Einleitungssatz: „Der Bundestag wolle . . ." Der Antrag der Bayernpartei, hier den Text zu ändern, steht zur Entscheidung. Wer für die Änderung im Sinne des Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das sind offenbar nur die Antragsteller selbst. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Rest des Hauses; der Antrag ist abgelehnt.

(Heiterkeit und Zurufe: Enthaltungen!)

– Ich stelle fest: bei Enthaltung des Herrn Kollegen Laforet.

(Zurufe: Nein! Eine große Zahl!)

– Enthält sich noch ein Mitglied des Hauses? — Die Herren von der CSU?

(Abg. Dr. von Brentano: Nicht alle!)

— Ich habe mich geirrt! Ich möchte nicht für ein falsches Protokoll verantwortlich werden .

(Abg. Strauß: Auch in der Deutschen Partei waren einige Enthaltungen!)

— Dann möchte ich vorschlagen: Außer Herrn Dr. Laforet noch einige andere Mitglieder des Hauses.
§§ 1, — 2, – 3, — 4, — 5, — 5 a —, Einleitung und Überschrift. – Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion angenommen.

(Zurufe von der BP: Enthaltungen!)

Nunmehr die Schlußabstimmung! Wer für das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion angenommen. Enthaltungen? — Einige Stimmen auf der rechten Seite des Hauses.

(Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Das ist die Mitte! — Abg. Dr. von Brentano: Und in der Mitte!)

— Das ist die Mitte? Das habe ich nicht gesehen!

(Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Wir sind noch nicht am Ende. Es ist ein Gesetzesantrag des Herrn Kollegen Kiesinger mit der nötigen Unterstützung eingereicht worden. Er betrifft das
Biersteuergesetz,

(Aha-Rufe)

nicht materiell, sondern lediglich, was sein Inkrafttreten anlangt.

(Abg. Strauß: Sehr materiell!!)

Offenbar haben sich hier gewisse Schwierigkeiten
— nicht in diesem Hause, außerhalb dieses Hauses – ereignet. Es scheint notwendig zu sein, dieses Gesetz erst 14 Tage nach seiner Verkündung in Kraft zu setzen. Das ist nur möglich, indem ein Gesetz zur Abänderung des von uns jüngst beschlossenen Gesetzes erlassen wird.
Der Herr Abgeordnete Kiesinger wird wohl den Antrag begründen. Ich bitte ihn, das Wort zu ergreifen.

Dr. Kurt Georg Kiesinger (CDU):
Rede ID: ID0108118000
Meine Damen und Herren! Wenn ich als Nichtzuständiger für die Probleme des Bieres hier das Wort ergreife, dann tue ich das, weil ich als Vorsitzender des Vermittlungsausschusses vom Bundesrat angegangen worden bin, hier helfend einzugreifen.


(Kiesinger)

Im Bundesrat war beschlossen worden, für diese Frage den Vermittlungsausschuß anzurufen, da die Festsetzung des Inkrafttretens des Gesetzes zur Änderung des Biersteuergesetzes, das wir jüngst beschlossen haben, am 1. August eine Vorwegnahme in gewisser Hinsicht bedeutet hätte und auch von seiten der Hohen Kommissare erhebliche Schwierigkeiten zu erwarten gewesen wären. Man hätte damit erreicht, daß die wirkliche Inkraftsetzung dieses Gesetzes erst etwa im Oktober gekommen wäre. Der Vermittlungsausschuß hätte zwar zusammenberufen werden können. Da aber das Parlament in die Ferien geht, hätten wir doch über das Ergebnis im Vermittlungsausschuß erst nach dem Wiederzusammentritt des Parlaments beraten können.
Daher ist gemeinsam, auch unter den Fraktionen, beraten worden, ob man nicht den jetzt vorgeschlagenen Weg gehen könnte, einen Gesetzentwurf einzubringen, der die einzige Bestimmung enthält:
§ 3 des Gesetzes zur Änderung des Biersteuergesetzes erhält folgende Fassung:
Dieses Gesetz tritt am 14. Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Damit würde erreicht, daß das, was wohl die große Mehrheit dieses Hauses wollte, nämlich daß in absehbarer Zeit, sobald wie möglich, die Bierkonsumenten in die Lage versetzt werden, ein billigeres Bier zu trinken, also dieser erfreuliche Zustand möglichst bald eintritt. Ich bitte Sie deshalb, diesem Gesetzesvorschlag Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108118100
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die allgemeine Aussprache D in der ersten Lesung. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur
zweiten Beratung.
Ich rufe auf den einzigen Paragraphen:
Dieses Gesetz tritt am 14. Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
— Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache und lasse abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. -
Gegenprobe! – Es ist so beschlossen.
Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Keine
Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe auf den einzigen Paragraphen: Dieses Gesetz tritt am 14. Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Ich rufe ferner auf Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. – Gegenprobe! — So beschlossen.
Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung. Wer für dieses Gesetz im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.

(Heiterkeit.)

Damit ist dieses Gesetz auch in dritter Lesung verabschiedet.
Das Wort hat außerhalb der Tagesordnung — ich bitte noch um Gehör — der Abgeordnete Dr. von Brentano.

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0108118200
Meine Damen und Herren, nur ganz wenige Worte. Ich war am Mittwoch, als wir die Wahl der Delegierten zum Europarat vornahmen, nicht im Saal, weil ich noch durch eine Besprechung außerhalb des Hauses in Anspruch genommen war. Es liegt mir daran — und ich glaube, daß vielen Mitgliedern im Hause ebenfalls daran liegen wird —, noch eines auszusprechen.
Es haben sich vor der Wahl der Delegierten zum Europarat gewisse Meinungsverschiedenheiten herausgestellt, insbesondere auch mit dem Bundesrat. Der Beschluß des Bundesrates ist Ihnen bekannt. Ich wollte zum Ausdruck bringen — das ist der Wunsch meiner Freunde —, daß diese erste Wahl, die wir in dieser Weise vorgenommen haben, keine präjudizielle Bedeutung für die Zukunft haben soll. Wir hoffen und wünschen, daß die Regierung, wie wir es erbeten haben, ein Wahlgesetz für die Wahl der Delegierten zum Europarat vorlegt, und wir hoffen und wünschen insbesondere auch, daß dieses Wahlgesetz in vollkommener Übereinstimmung mit dem Bundesrat zustande kommt, weil wir glauben, daß das auch der gemeinsamen Aufgabe in Straßburg dienen könnte.

(Abg. Dr. Seelos: Das schlechte Gewissen hat gesprochen! — Große Heiterkeit.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108118300
Herr Abgeordneter Dr. Seelos, moralisierende Bemerkungen bitte ich zu unterlassen. Sie beachten damit nicht genügend das Recht der Individualitäten, das Sie sooft für sich in Anspruch nehmen.

(Abg. Dr. Seelos: Unser Recht der Individualität ist noch viel weniger geachtet worden!)

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende. Ich habe Ihnen noch einige Dinge bekanntzugeben.
Der Ältestenrat hat beschlossen, als Sperrfrist für Anträge für die erste Sitzungswoche Freitag, den 25. August, festzusetzen. Der Ältestenrat tritt Dienstag, den 29. August, 15 Uhr, zusammen. Die erste Plenarsitzung wird Donnerstag, den 31. August, 14 Uhr 30, stattfinden.
Meine Damen und Herren, weitere Mitteilungen habe ich nicht zu machen. Die nächste Sitzung — das ist die 82. Sitzung — berufe ich zu dem Tage ein, den ich eben bekanntgegeben habe, zum 31. August, 14 Uhr 30.
Ich wünsche Ihnen allen — soweit Sie nicht sollten nach Straßburg gehen müssen – möglichst wenig belastete und ausgiebige Ferien. Ich schließe die 81. Sitzung des Deutschen Bundestages.