Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die allgemeinen Grundsätze der Behandlung dieser Vorlage in der dritten Lesung anlangt, so darf ich im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir uns der Auffassung, die Herr Dr. Arndt vorgetragen hat, voll anschließen. Diese Auffassung ist belegt durch die Erfahrungen bei der zweiten Lesung. Es bilden sich hier bei juristischen Formulierungen im großen Hause Zufallsmehrheiten und Irrtümer, die bei einem Gesetz fehl am Platze sind. Die Entscheidungen der zweiten Instanz mögen so in einzelnen Punkten beeinflußt sein; aber es wäre angesichts des lediglich vereinheitlichenden Charakters dieser Vorlage zweck- und sinnwidrig, heute darüber noch länger zu sprechen, was im einzelnen verbesserungsfähig sein könnte. Wir sind also ebenfalls der Meinung, daß Abänderungsanträge im einzelnen fehl am Platze sind mit Ausnahme etwa des zu § 81 c von der Regierung gestellten, wo vielleicht eine mißglückte Entscheidung bei der zweiten Lesung getroffen worden ist.
Ich bemerke ausdrücklich, daß auch ich mir vorgenommen hatte, bei der zweiten Lesung eine Reihe von mehr als berechtigten Wünschen des Deutschen Anwaltvereins, dessen Beirat ich mit anderen Kollegen im Bundestag angehöre, mindestens zur Erörterung zu stellen. Ich habe aber auf Grund der Erfahrungen davon abgesehen, da für neue Gedanken juristischer Art das Plenum des Parlaments nicht aufnahmefähig sein kann.
Ich darf mich mit diesen allgemeinen Bemerkungen begnügen und dann auf die Argumente eingehen, die zur Frage des Sitzes des Bundesgerichtshofes vorgebracht worden sind.
Was Herr Dr. Arndt über die Stellung und Bedeutung unserer Hauptstadt Berlin gesagt hat, wird, wie ich annehme, von allen Mitgliedern dieses Hohen Hauses durchaus gewürdigt und bestätigt. Die Tatsache, daß wir mit Stolz und mit einer gewissen Bitterkeit auf Berlin sehen — Bitterkeit wegen der historischen Situation, die man dort angerichtet hat, und zwar ohne unser Dazutun, wie klar ist —, und die Tatsache, daß wir Berlin und seiner Bevölkerung dankbar sind, sind selbstverständlich; ebenso liegt zutage, daß wir eine unlösbare Einheit mit Berlin bilden wollen. Nur allein, ob man bei der Wahl des Sitzes des Bundesgerichts eine Geste machen darf, das ist die Frage, die das Haus zu entscheiden hat.
Die Herren der SPD haben im Rechtsausschuß den Wunsch geäußert, daß die Frage Berlin unabhängig von den objektiven Umständen, die für die Wahl maßgeblich sein müssen, geprüft würde. Das ist von a allen anderen Mitgliedern abgelehnt worden. Die Grundeinstellung muß in der Tat die sein, daß wir mit diesem Gesetz der deutschen Rechtspflege zu dienen haben. Wir können mit diesem Gesetz nicht eine Geste im Interesse einer Stadt machen, wenn wir uns auch deren Bedeutung und deren unendlicher politischer Tragweite voll bewußt sind. Neben dem Gesichtspunkt der Unvereinbarkeit von Hauptstadt und Sitz des obersten Gerichtshofes kommt entscheidend für uns der Umstand in Betracht, daß man in Berlin — Herr Dr. Arndt hat es ausdrücklich gesagt — in noch sorgenvolleren, noch der Not näheren Umständen lebt als im Gebiet des Geltungsbereichs unserer Gesetze.
— Nein! Um so weniger kann der Sitz des obersten Gerichts, das am Leben der Bevölkerung teilhaben muß, für die es Recht zu sprechen hat, an einem Ort sein, der unter einem bedauerlichen internationalen Ausnahmerecht steht; denn der Gerichtshof muß in Fühlung bleiben mit der Fülle der Menschen, der Umstände und der Verhältnisse, über die es zu Gericht zu sitzen hat.
Neben den rein verkehrsmäßigen Schwierigkeiten, neben der Duplizität von Hauptstadt und Sitz des obersten Gerichts kommt insbesondere in dieser Zeit, in dieser unglückseligen Zeit, wie ich betonen möchte, der Gesichtpunkt in Betracht, daß man ein Gericht nicht in die Diaspora schicken kann, wenn man von ihm eine volksnahe und verständliche Jurisprudenz verlangt.
Ich habe hiermit meinen Antrag zu wiederholen, dem § 123 die Fassung zu geben: „Sitz des Bundesgerichtshofes ist Hamburg". Den Antrag überreiche ich hiermit. Ich möchte dazu heute nur
noch in wenigen Sätzen folgendes anführen. Ich bin nicht landschaftlich irgendwie an Hamburg gebunden. Wieso ich zu dem Antrag für Hamburg gekommen bin, das habe ich in meinen Ausführungen vorgestern deutlich zum Ausdruck gebracht. Ich habe dem nichts hinzuzusetzen. Ich hoffe, die Herren Kollegen haben trotz des unruhigen Hauses die Worte damals im wesentlichen verstanden.
Gegen Hamburg sprach in den vorbereitenden Sitzungen der Umstand, daß über Hamburg in bezug auf die räumliche Unterbringung von Gericht und Beamten bisher keine hinreichenden oder befriedigenden Auskünfte vorlagen. Warum nicht, weiß ich nicht; ich habe es weder zu vertreten noch zu verantworten, ich habe es nur festzustellen. Hamburg schied also auf Grund der allgemeinen Richtlinien aus, da kein sofort beziehbares, kein mehr als ein Provisorium bildendes Gebäude vorhanden zu sein schien und über die Möglichkeit der Unterbringung von Beamten in etwa 120 freien Wohnungen dem Ausschuß nichts bekannt war. Ich habe hier nun — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — ein Telegramm zu verlesen, das ich gestern aus Hamburg erhalten habe und das ich hier auf den Tisch des Hauses niederlege. Dieses Telegramm, unterzeichnet von Bürgermeister Brauer, lautet:
Entgegen anders lautenden Mitteilungen bestätige ich nochmals die Bereitschaft Hamburgs, für Bundesgerichtshof die Räume des früheren Zentraljustizamtes und oder
— also eventuell —
des Hanseatischen Oberlandesgerichts sowie 140 Wohnungen sofort zu überlassen. Bürgermeister Brauer.
Ich darf das hier niederlegen. Ich bin nicht Vertreter Hamburgs und muß es dem Senat Hamburgs überlassen, diese kurze Telegrammitteilung zu ergänzen und zu bestätigen.