Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Ich habe einige Worte des Widerspruches zu den Ausführungen des Herrn Kollegen von Merkatz zu sagen. Herr Kollege von Merkatz ist der Meinung, daß die Regierung aus diesem Hause nur Anregungen bekomme, daß dieses Parlament also nicht die Befugnis habe, durch Beschlüsse die Regierung zu verpflichten. So kann man denken, wenn man ein Konservativer ist, der Herr von Merkatz ja ist; das ist durchaus kein Vorwurf, Herr von Merkatz. Aber es entspricht, glaube ich, nicht mehr dem, was man heutzutage unter einer parlamentarischen Demokratie versteht und verstehen sollte!
Es ist nämlich nicht so — wie die Konservativen meinen —, daß alle Rechtsvermutungen für die Obrigkeit sprechen, sondern die Vermutung spricht für die Staatsgewalt, die vom Volke ausgeht,
und die Obrigkeit — das ist die Regierung — hat genau die Befugnisse, die dieses Haus ihr gibt – auf der Grundlage der Verfassung —, und die Verfassung gibt ausreichende Grundlagen für Beschlüsse, die die Regierung verpflichten. Das ist das eine.
Das Zweite: Es ist richtig, auch in diesem Hause fallen oft böse Worte und sind oft böse Worte gefallen. Aber, meine Damen und Herren, das ist eine Angelegenheit unter uns, eine Sache, die wir unter uns regeln auf Grund der disziplinarischen Befugnisse des Herrn Präsidenten
und dadurch, daß wir uns, wenn der Anlaß gegeben ist, voreinander entschuldigen.
Hier liegt etwas anderes vor, hier handelt es sich nicht um eine Angelegenheit unter uns, denn der Herr Bundesminister hat nicht als Abgeordneter dieses Hauses in diesem Hause gesprochen, sondern als Minister vor diesem Hause. Es handelt sich also um die Frage — und um nichts anderes —: Kann die Regierung das Parlament zensurieren oder kann umgekehrt das Parlament der Regierung Zensuren erteilen?
Meine Damen und Herren! Ich muß gestehen, wenn der Herr Bundesminister sagt: Ich habe Sie ja gar nicht gemeint, ich habe nur von Kräften gesprochen, die sich hier ausgewirkt haben, — dann tut es mir leid, daß er diesen Weg gewählt hat.
Er hat doch von dem Beschluß des Bundestags gesprochen,
und er hat gesagt: „hier waren Hysteriker als
Wirtschaftspolitiker am Werk!" Er hat dabei doch
nicht von Geistern gesprochen, sondern von Menschen von Fleisch und Blut, von Ihnen hier in diesem Saal!
Wenn er auch den Namen „Bundestag" nicht genannt hat, wenn er auch keine Fraktion, keine Person genannt haben mag, so hat er doch den Beschluß des Bundestages gemeint und damit dieses Haus selbst.
Meine Damen und Herren, wenn sich der Herr Bundeswirtschaftsminister hier entschuldigt hätte, nun, dann hätte man die Sache erledigen können.
Er hat sich aber nicht entschuldigt, er hat sein Wort aufrechterhalten. Damit, meine Damen und Herren, hat er zu meinem Schmerz bestätigt, was ich Ihnen vorher sagte: Was geschehen ist, war keine Entgleisung — es ist der Ausdruck einer Gesinnung, einer politischen Gesinnung.
Natürlich ist der Herr Bundeswirtschaftsminister diesem Staat gegenüber „treu". Ich habe nur die Befürchtung, daß er in diesem Staat mehr eine Angelegenheit der Organisation von Kompetenzen sieht als den Ausdruck einer bestimmten inneren, nämlich demokratischen Haltung.