Rede:
ID0108108800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. Herr: 1
    5. Abgeordneter: 1
    6. Gundelach.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag – 81. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juli 1950 3027 81. Sitzung Bonn, Freitag, den 28. Juli 1950. Geschäftliche Mitteilungen 3029B, 3081D Bericht des Bundeskanzlers betr. Maßnahmen zur verstärkten Bekämpfung des Schmuggels und Frage der Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer (Drucksache Nr. 1252) 3029C Änderung der Tagesordnung 3029C Ergänzungswahl eines Stellvertreters der Bundesrepublik Deutschland in der Beratenden Versammlung des Europarates 3029C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Entlassung des Bundeswirtschaftsministers Dr. Erhard (Nr. 1176 der Drucksachen) 3029D Dr. Schmid (Tübingen) (SPD), Antragsteller 3029D, 3038A Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 3033B, 3037D Dr. von Brentano (CDU) 3034B Euler (FDP) 3035A Schoettle (SPD) 3035D Dr. von Merkatz (DP) 3035D Paul (Düsseldorf) (KPD) 3036C Dr. Reismann (Z) 3037C Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers 3039A Beratung der Interpellation der Abg. Mayer (Stuttgart), Bausch u. Gen. betr. Fortführung der Schulspeisungen (Nr. 1156 der Drucksachen) 3039B Mayer (Stuttgart) (FDP), Interpellant 3039C Dr. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 3040A Mertins (SPD) 3040B Bausch (CDU) 3041B Frau Thiele (KPD) 3042A Dr. Vogel (CSU) 3042D Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wiederverwendung der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nr 1201 der Drucksachen) 3043A Kühn (FDP), Antragsteller 3043B Mellies (SPD) 3044C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Notgesetzes für die deutsche Hochseefischerei (Nr. 1172 der Drucksachen) 2044D Dr. Niklas, Bundesminister für. Ernährung, Landwirtschaft und Forsten . . 3044D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs zum deutsch-französischen Wirtschaftsabkommen (Nr. 1207, 590 der Drucksachen) in Verbindung mit der Zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das vorläufige Handelsabkommen vom 4. März 1950 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Pakistan (Nr. 1086, 1208 der Drucksachen) 3044D Freudenberg (FDP-Hosp.), Berichterstatter 3045A Margulies (FDP), Berichterstatter . . 3046C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten während der Wertpapierbereinigung (Nr. 985, 1219 der Drucksachen) 3047D Dr. Preusker (FDP), Berichterstatter 3047D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 3048D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über die Anträge der Fraktion der DP, der Fraktion der KPD und der Abg. Dr. Mühlenfeld u. Gen. betr. Watenstedt- Salzgitter (Nr. 1220, 254, 688, 653, 1077 der Drucksachen) 3049A Etzel (Duisburg) (CDU), Berichterstatter 3049A Kuhlemann (DP) 3054C Harig (KPD) 3054D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Entlassung von politisch Geschädigten aus den Diensten der Verwaltung für Wirtschaft (Nr. 1185 und 717 der Drucksachen) 3055D Rümmele (CDU), Berichterstatter . . 3056A Gundelach (KPD) 3056B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Renner u. Gen. betr. Beibehaltung der Gehaltserhöhung für Beamte im Bundesdienst trotz der Aufhebung der Ersten Gehaltskürzungsverordnung vom 1. Dezember 1930 (Nr. 1186, 291 der Drucksachen) 3056C Farke (DP), Berichterstatter 3056C Gundelach (KPD) 3057A Dr. Wuermeling (CDU) 3057B Mellies (SPD) 3058B Hartmann, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium . . . . 3058D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen (15. Ausschuß) über den Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP, BP und DP betr. Bereitstellung von Mitteln zum Wiederaufbau der Hochschulen (Nr. 1199, 666 der Drucksachen) . 3059B Dr. Baade (SPD), Berichterstatter . . . 3059B Kohl (Stuttgart) (KPD) 3060D Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Wahl der Mitglieder des Vorläufigen Richterwahlausschusses für den Bundesfinanzhof (Nr. 1241 der Drucksachen) . . 3061A Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Neuwahl der Mitglieder des Kontrollausschusses beim Hauptamt für Soforthilfe (Nr. 1242 der Drucksachen) 3061A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Flurbereinigung (Nr. 1223, 1025 der Drucksachen) . 3061B Dannemann (FDP), Berichterstatter . . 3061C Dr. Horlacher (CSU) 3061D Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der BP betr. Ausbau von Bundesfernverkehrsstraßen in Oberbayern (Nr. 1171, 1007 der Drucksachen) . 3062C Schoettle (SPD), Berichterstatter . . . 3062D Übersicht über Anträge des Petitionsausschusses nach dem Stand vom 23. Juli 1950 (Drucksache Nr. 1251) 3063A Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts (Nr. 530, 1138 der Drucksachen) 3063B Dr. Arndt (SPD) 3063C, 3072A Gundelach (KPD) 3065B Ewers (DP) 3065B, 3073D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 3066B Dr. Krone (CDU) 3067A Dr. Nevermann, Senator, Stellvertretendes Mitglied des Bundesrats 3067C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 3068C, 3070A, 3071A, 3072A, D, 3073A, 3074D, 3076B Dr. Reismann (Z) 3068C 3070D, 3072C, 3074B, 3075A, 3076A Dr. Kather (CDU) 3069A, 3070C Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . 3069B, 3074C Wagner (SPD) . . . . 3069D, 3074A, 3075D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) 3070B Dr. Greve (SPD) 3071B, 3073A Dr. von Brentano (CDU) . . . 3073C, 3075C Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Drucksachen Nr. 924, 1029) 3077A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP), Berichterstatter 3077A Dr. Laforet (CSU) 3077B Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 3078B Paul (Düsseldorf) (KPD) . . . . 3078D, 3079D Dr. Etzei (Bamberg) (BP) 3079A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . . 3080B Beratung des Antrags der Abg. Kiesinger, Dr. Dr. Höpker-Aschoff u. Gen. betr. Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Biersteuergesetzes (Drucksache Nr. 1264) . 3080D Kiesinger (CDU), Antragsteller . . . . 3080D Erklärung außerhalb der Tagesordnung betr. Wahl der Delegierten zur Beratenden Versammlung des Europarates: Dr. von Brentano (CDU) 3081C Nächste Sitzungen 3029C, 3081D Die Sitzung wird um 9 Uhr 12 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schäfer eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Adolf Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat sich entschlossen, in der dritten Lesung dieses Gesetzes keine Abänderungsanträge zu stellen außer einem einzigen, nämlich dem Antrag: Sitz des Bundesgerichtshofes soll Berlin sein.
    Zu dieser Haltung bestimmen uns im wesentlichen zwei Gründe: erstens soll dadurch die bloße Vorläufigkeit dieser Justizreform als der sogenannten kleinen Justizreform unterstrichen werden, und zweitens halten wir es gerade bei Justizgesetzen für unerläßlich, den eigentlichen Zeitpunkt der Reife abzuwarten. Unsere Zustimmung zu diesem Gesetz bedeutet also keineswegs, daß wir die Justizgesetze nicht für reformbedürftig hielten, im Gegenteil, wir bedauern durchaus die vielen Reden, die der Herr Bundesjustizminister zu halten pflegt und für die im allgemeinen das gelten soll, was der Herr Kollege Euler heute morgen hier im Hause gesagt hat. Wir sind der Auffassung, daß eine grundsätzliche Reform notwendig und eine ganz andersartige Gestaltung des Rechtsganges, besonders in Strafsachen, denkbar und wünschenswert ist. Aber darum handelt es sich heute nicht, und wir sind bewußt entschlossen zu einer Sparsamkeit der Mittel und zum Maßhalten und haben uns dieser Haltung allseits — das gilt für alle Fraktionen – auch im Ausschuß befleißigt.
    Ein typisches Beispiel hierfür sollte der § 81 c der Strafprozeßordnung sein, den das Hohe Haus in der zweiten Beratung gestrichen hat. Derartige Dinge lassen sich nicht sozusagen zwischen Tür und Angel und durch eine eilige Abstimmung hier im Hause regeln. Dazu sind solche Bestimmungen viel zu weittragend. Allein die Überlegung, was „ein körperlicher Eingriff" heißt, was die Rechtsprechung daraus machen kann, welche Gefahren daraus entstehen, ist so schwierig, daß sie sich nicht in wenigen Minuten anstellen läßt. Meine Freunde und ich haben gerade in den letzten 24 Stunden noch einmal darum gerungen, zu prüfen, ob es möglich ist, hier eine Bestimmung in das Gesetz einzufügen, die allen Erfordernissen rechtsstaatlichen Denkens Rechnung trägt. Aber wir sind darauf gestoßen, daß es heute viel zu schwierig wäre, den Begriff der Zumutbarkeit eines solchen Eingriffs zu bestimmen. Denn was ist zumutbar? Ist Narkose unter den modernen Verhältnissen zumutbar? Ist ein Eingriff, der im Schneiden besteht, zumutbar? Ist es der Person, die nicht beschuldigt ist, zumutbar, starke Schmerzen auszuhalten? Alles das sind so offene Fragen, die sich ohne genaueste Überlegung und gutachtliche Beratung durch alle dazu berufenen Vereinigungen nicht entscheiden lassen. Wir sind deshalb der Überzeugung, daß man gerade im Bereich der Justizgesetzgebung nichts überhasten soll, sondern äußerst behutsam vorgehen muß.
    Zu § 81 c würden wir, falls die Bundesregierung Gewicht darauf legen sollte, unter Umständen bereit sein, einer sehr vorsichtigen Formulierung zuzustimmen, die nicht über die bisherige Rechtsprechung hinausgeht und einerseits der Würde und Unversehrtheit des Menschen Genüge tut, aber andererseits den Erfordernissen der Wahrheitserforschung entspricht.
    Aber, meine Damen und Herren, durch die Selbstbeschränkung, die wir uns bei Stellung der Anträge auferlegt haben – obgleich wir sehr, sehr viele


    (Dr. Arndt)

    Wünsche hätten; auch sehr viele ernste Wünsche, z. B. gerade in der Frage der Zuständigkeitsgrenze zwischen Amts- und Landgerichten in der Zivilgerichtsbarkeit —, bemühen wir uns, den Blick auf das Wesentliche dieses Gesetzes zu lenken. Das Wesentliche ist doch heute, die Rechtseinheit und die Rechtssicherheit wiederherzustellen.

    (Abg. Dr. Laforet: Sehr richtig!)

    Das ist der Gesichtspunkt, der allem anderen und allen möglichen Wünschen, die in sehr vieler Hinsicht denkbar sind, unbedingt vorausgestellt werden muß.

    (Abg. Dr. Laforet: Sehr richtig!)

    Die Bedeutung dieser beiden Grundgedanken, Rechtseinheit und Rechtssicherheit wiederherzustellen, geht über die Sphäre des rein Rechtlichen weit hinaus. Denn das Recht als Kulturerscheinung ist doch von außerordentlich ausstrahlender Wirkungskraft. Letzten Endes handelt es sich dabei doch um die deutsche Einheit, die auf dem Rechtsgebiet und durch das einheitliche Recht auch wiederhergestellt werden soll, und um unser Einssein mit der europäischen Kultur.
    Ich bitte Sie herzlich, in diesem Sinne auch unseren Antrag zu sehen, Berlin zum Sitz des oberen Bundesgerichts für Zivil- und Strafsachen zu machen. Es darf sich dabei um keinen Streit um Städte handeln. Der Herr Kollege Ewers hat bei der zweiten Lesung von diesem Platze aus die sachlichen Erfordernisse sehr richtig aufgezählt, die an den Ort gestellt werden müssen, an den das obere Bundesgericht gesetzt werden soll: daß es sich um eine Großstadt mit pulsierendem Leben handeln muß, aber auch um eine Stadt mit Hochschule — Universität — und Bibliothek. Der Herr Kollege Ewers hat mit Recht darauf hingewiesen, daß nur einige wenige Städte, die er genannt hat, diesen Erfordernissen gerecht werden.
    Aber, meine Damen und Herren, es geht um noch mehr. Es geht nicht nur um die Entscheidung für oder gegen eine Stadt, sondern es geht hier bei diesem Gesetz und bei diesem Beschluß um eine gesamtdeutsche Entscheidung.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich habe bange Sorge, ob es mir in dieser späten Minute noch gelingen wird und gelingen kann, Ihr Gehör zu finden, da der eine oder der andere landsmannschaftlich die eine oder die andere Stadt liebt, die sicherlich alle ihre Vorzüge haben. Aber ich bitte Sie doch dringend, mir dieses Gehör zu schenken und die Gründe zu erwägen und zu wägen, die uns zu unserem Antrage veranlaßt haben. Ich habe unter allem, was eingewandt worden ist, eigentlich nur eins gehört, was überlegbar wäre, nämlich die Erwägung des Herrn Kollegen Ewers, daß Berlin ja die deutsche Hauptstadt sei und es einem alten Brauch entspreche, das höchste Gericht nicht an den Sitz der Regierung zu verlegen. Aber dieser Grundsatz ist kein Dogma, und dieser Grundsatz entspricht auch durchaus nicht immer der Geschichte. Ich darf Sie daran erinnern, daß zum Beispiel, ehe das Deutsche Reich gegründet war, die Landeshauptstädte wie Berlin, Dresden oder München ganz selbstverständlich auch Sitz der höchsten Gerichte gewesen sind. Aber unsere Lage ist ja doch auch eine andere, als sie zu bestehen pflegt, wenn man in aller Freiheit einen solchen Entschluß trifft. Denn die erste Stadt, die einen wirklich unbestreitbaren Anspruch darauf hätte, Sitz des höchsten Gerichts zu werden, ist ja Leipzig. Da wir aber Leipzig nicht wählen können, muß und kann nur Berlin stellvertretend für Leipzig Sitz des höchsten Gerichts sein.
    Ich bin gefragt worden, was denn diese „Demonstration" — wie man es bezeichnet hat — hier soll, ob wir uns das nicht überlegen wollen. Ich bin darauf hingewiesen worden, wir machten unter Umständen durch einen Antrag, der der Ablehnung verfiele, mehr Schaden als Nutzen. Wir haben uns das auf das allerernsteste überlegt. Ich kann Ihnen sagen, wenn wir den Antrag, Berlin zum Sitz des oberen Bundesgerichts für Zivil- und Strafsachen zu machen, hier stellen, so handelt es sich für uns nicht um eine Demonstration, sondern um Integration. Es handelt sich darum, durch diese Wahl das gesamtdeutsche Schicksal zu symbolisieren und damit erkennen zu geben, daß Berlin mehr als eine Stadt und sogar mehr als eine Hauptstadt ist, daß Berlin vielmehr der erste Ort in Deutschland ist, der sich die Achtung der freiheitlichen Welt für uns alle wiedergewonnen hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wodurch hat sich Berlin diese Achtung wiedergewonnen? Denken Sie an die Tage, als die Blokkade begann. Bei aller Wertschätzung der technischen Leistung der Luftbrücke und bei aller Anerkennung, daß ohne die Luftbrücke der Kampf um Berlin nicht hätte gewonnen werden können, muß man doch aussprechen, daß es nicht nur die Luftbrücke, sondern auch die eigene Entscheidung der Berliner und die eigene Haltung der deutschen Menschen in Berlin gewesen ist, die den Erfolg gesichert und herbeigeführt hat.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Diese eigene Haltung ist auch heute für uns alle erforderlich. Denken Sie bitte daran, was für Worte über den Ernst der Stunde und die Not unseres geschichtlichen Augenblicks heute morgen hier seitens des Herrn Vizekanzlers, des Herrn Kollegen Euler und des Herrn Kollegen von Merkatz gesprochen worden sind. Dürfen wir uns gegenüber diesem Ernst selber als zu klein erweisen? Müssen wir nicht gerade deshalb den Blick auf das Ganze richten und erkennen, daß die Gefahr in Berlin nicht größer ist als an jedem anderen Orte Deutschlands, Europas und der Welt?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir dürfen nicht aus irgendwelchen technischen Gesichtspunkten, weil angeblich das Reisen nach Berlin schwierig ist, hier vor einer Entscheidung zurückschrecken, die politisch eine notwendige und unausweichliche Entscheidung ist.
    Ich darf noch einmal auf die Gefahr zurückkommen. Die Gefahr in Berlin ist nicht größer, aber sie ist sichtbarer als anderswo. Es ist gerade gut, daß sie sichtbar ist. Denn hüten wir uns doch vor der Flucht in die Unwirklichkeit, dieser Flucht, der man hier im idyllischen Bonn allzu leicht zu erliegen droht. In dieser Stunde und bei diesem Gesetz gilt es, ein Bekenntnis abzulegen. Man kann die Fragen, die uns aufgegeben sind, nicht durch Ausweichen lösen, sondern einzig durch Glauben. Berlin hat den Glauben bewiesen, den Glauben an sich selbst, den Glauben an Deutschland und den Glauben an Europa, an die Menschenrechte und die Freiheiten. Heute sind die Blicke von Berlin her auf uns, auf Sie, meine Damen und Herren, gerichtet. Berlin wartet auf eine solche Entscheidung. Berlin ist in einer Notlage, die diejenige des übrigen Deutschlands leider noch übertrifft, zumal Berlin früher Verwaltungshauptsitz war, so daß ein unverhältnismäßig großer Anteil der Bevölkerung, bis zu 45 %, als Beamte und Angestellte in der Verwaltung tätig war. Diesen Menschen können Sie nur dadurch Arbeit


    (Dr. Arndt)

    geben, daß Sie Berlin wieder zu einem hauptsächlichen Verwaltungssitz machen.
    Man hat bisher gegenüber diesem Verlangen stets einzuwenden gepflegt, obere Bundesbehörden seien noch nicht errichtet und infolgedessen sei es noch nicht möglich gewesen, Berlin zu bedenken. Tatsächlich hat man allerdings eine Behörde wie das Bundespatentamt von Berlin fortgenommen. Heute handelt es sich um die erste derartige Bundesbehörde, die errichtet wird. Bei der Errichtung dieser ersten Bundesbehörde können und dürfen wir an Berlin nicht vorbeigehen. Dies muß ein Prüfstein für unsere Stellung zu diesem Problem sein.
    Ich darf bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß die Sprache der Gesetze, die Sie heute verabschieden sollen, ja nicht von ungefähr ist. Wenn Sie darauf achten, werden Sie sehen, daß die Worte „Bundesgebiet" oder auch „Bundesrepublik Deutschland" darin nicht oder nur an den richtigen Stellen vorkommen. Warum? Weil nach der einhelligen Auffassung im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht entgegen dem leider weitum eingerissenen Mißbrauch Bundesgebiet stets das ganze deutsche Gebiet ist und weil die Bundesrepublik identisch ist mit dem einen gesamten deutschen Staat, der nie einen Tag zu existieren aufgehört hat. Deshalb muß die Einheit des Rechts, die wir heute hier wieder schaffen wollen, auch die Einheit Deutschlands symbolisieren. Darum muß, wie der Kollege Bucerius mit Recht gesagt hat, die höchste Behörde auf dem Gebiete der Rechtsprechung mit sichtbarer Leuchtkraft gerade in die umkämpfte Stadt gelegt werden.
    Meine Damen und Herren! Ich beschwöre Sie in diesem Sinne, sich so zu entscheiden, daß es nach Verabschiedung dieses Gesetzes heißt: Das deutsche Recht wird in Berlin gesprochen!

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gundelach.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gustav Gundelach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion erkläre ich, daß wir das vorliegende Gesetz ablehnen. Ich will darauf verzichten, noch des weiteren Begründungen anzuführen, da bereits bei der ersten Lesung mein Parteifreund Fisch unsere Stellungnahme dazu bekanntgegeben hat. Dieses Gesetz entspricht nicht den Interessen der Mehrheit unseres Volkes. Deshalb lehnen wir es ab.

    (Lachen und Zurufe in der Mitte.)