Rede von
Dr.
Wilhelm
Laforet
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren! Zumal es leider nicht möglich war, Ihnen einen Bericht über unsere Verhandlungen im Verfassungsauschuß geben zu lassen, halte ich es für die spätere Auslegung umstrittener Rechtsfragen für unerläßlich, ganz kurz zu einigen Fragen Stellung zu nehmen, damit nicht der Eindruck entsteht, daß bestimmte Anschauungen, die hervorgetreten sind, unwidersprochen geblieben wären.
In Frage steht der Schutz der Verfassung. Es ist selbstverständlich, daß wir, insbesondere bei der jetzt gegebenen politischen Lage, alles einsetzen müssen, was dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung dienen kann. Dann müssen wir aber auch sorgsam beachten, daß wir nicht etwa Wege zum Schutz der Verfassung einschlagen, die bedenklich oder unvereinbar mit der Verfassung wären.
Der Entwurf macht vom Art. 87 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Gebrauch. Es soll durch Bundesgesetz eine Zentralstelle für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen zur Gewinnung von Unterlagen für die Zwecke des Verfassungsschutzes errichtet werden. Da der Bund nach Art. 73 Ziffer 10 die Befugnis zur Gesetzgebung über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes hat. kann er auch die Länder verpflichten, für diese Zusammenarbeit eine Behörde zu bestimmen, die diese Angelegenheiten bearbeitet. Diesem Zweck dienen die §§ 2 und 4 des Entwurfs.
Zur Ausführung dieses Bundesgesetzes über die Errichtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz kann nach Art. 84 Abs. 5 des Grundgesetzes der Bundesregierung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrats bedarf, die Befugnis erteilt werden, den Länderbehörden, die das Bundesgesetz als eigene Angelegenheit auszuführen haben, für besondere Fälle Weisungen zu erteilen. Es ist meiner Ansicht nach nur diese einzige Rechtsgrundlage, die des Art. 84 Abs. 5 gegeben. Es kann überraschen, daß die Befugniserteilung im gleichen Gesetz ausgesprochen werden soll, in dem die Regelung über die Einrichtung der Stelle erfolgt. Das ist nicht unbedenklich, aber es wird wohl nicht zu beanstanden sein. Die Weisungen sind nach Art. 84, außer wenn die Bundesregierung den Fall für dringlich erachtet, an die obersten Landesbehörden zu richten. Wenn auch nicht ohne Bedenken, kann angenommen werden, daß hier stets der Fall der Dringlichkeit vorliegt und daß wir deshalb bestimmen können, daß der Bundesminister des Innern Einzelweisungen unmittelbar an die Landesbehörden erteilt, die zur Bearbeitung der Angelegenheiten vom Lande bestimmt sind. Die Bestimmung, daß hier die Zustimmung des Bundesrats nötig ist, ist umstritten. Ich halte die Zustimmung für notwendig. Im übrigen kann der § 5 Abs. 2 des Entwurfs, wenn auch nicht ohne Bedenken, als verfassungsrechtlich zulässig erachtet werden.
Nun kommen wir zu grundlegenden Fragen. In Art. 9 der Weimarer Verfassung war dem Reich, wenn auch nur für den Fall des Bedürfnisses, die Befugnis zur Gesetzgebung über den Schutz der öffentlichen Ruhe und Ordnung und Sicherheit gegeben. Man war sich dabei klar, daß über das Bestehen eines Bedürfnisses das Reich entscheidet. In den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates ist schlechthin abgelehnt worden, dem Bund die Befugnis zur Gesetzgebung zum Schutze der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Polizei, zu geben. Nur für die Gebiete der Kriminalpolizei und die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes hat der Bund die Befugnis der Gesetzgebung, jedoch nur im Rahmen der Aufgabe, die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder herbeizuführen. Nach den Beschlüssen des Parlamentarischen Rates sollte damit die „Koordination" zwischen Bund und Ländern und der Länder untereinander in den Angelegenheiten des Verfassungsschutzes gewährleistet werden. Die Befugnis zur Regelung der Koordination, der Zusammenarbeit konnte nur in die Hand des Bundes gelegt werden. Es ergab sich damit eine ausschließliche Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung.
Eine Bestimmung des Begriffes „Verfassungsschutz" ist im Grundgesetz nicht gegeben. Unter Verfassungsschutz ist wohl. im weitesten Sinne gedacht, die Abwehr aller Gefahren zu verstehen. die die freiheitliche und demokratische Grundordnung bedrohen. Unter Zusammenarbeit kann nur verstanden werden, daß zwei selbständige Kräfte zur Erreichung eines Zieles eine Einigung treffen und ihre Maßnahmen aufeinander abstimmen. Zusammenarbeit und Über- und Unterordnung schließen sich begrifflich aus. Die Befugnis zur Zusammenarbeit schließt es begrifflich aus, daß eine Sachweisung gegeben wird, soweit nicht Ausnahmen gegeben sind.
Hinsichtlich der Regelung im Grundgesetz muß writer geschieden werden — ich halte es als Referent ries 8. Abschnittes des Parlamentarischen Rates für notwendig, den Standpunkt, den ich damals als Referent des Parlamentarischen Rates vertreten habe. hier erneut geltend zu machen — zwischen der Befugnis zur Gesetzgebung und der Ausführung der Bundesgesetze. Für die Ausführung der Bundesgesetze gibt es nur die drei im 8. Abschnitt des Grundgesetzes gegebenen Arten. Grundsätzlich fuhren die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, oder es liegt Bundesauftragsverwaltung oder Bundeseigenverwaltung vor. Es gibt keine vierte Art der Ausführung der Gesetze, — —