Rede von
Arthur
Mertins
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir ein Bedürfnis, diese Gelegenheit zu benutzen, um auch im Namen meiner Freunde dem amerikanischen Volke, und zwar vornehmlich auch dem Organisator der Kinderspeisung in Deutschland, Herrn Präsident Hoover, unseren tiefgefühlten Dank auszusprechen. Wir verbinden mit diesem Dank aber den Wunsch, daß der Bund nach dem Fortfall der amerikanischen Hilfe es als seine Pflicht ansieht, die Kinderspeisung auch nach dem 30. Juni 1950 fortzuführen. Seit fast einem Jahr ist diese Angelegenheit Gegenstand von Besprechungen in den verschiedensten Ministerien des Bundes und zwischen den Bundesministerien und den Länderministerien. Wir wollen nicht darauf eingehen, daß Unstimmigkeiten in der Regierung zur Verzögerung der Durchführung geführt haben; denn jede Polemik in dieser Angelegenheit würde der Sache nur schaden, und wir wollen ihr dienen.
Die Notwendigkeit, die Schulspeisung fortzuführen, wird von keiner Seite bestritten. Lassen Sie mich nur zwei Zahlen nennen! In Bremen sind anläßlich einer Reihenuntersuchung von 60 000 Kindern 51 % gefährdete Kinder festgestellt worden. In dem mittleren Ort Hernburg in Württemberg sind 60 % aller Schulkinder noch immer gefährdet. Ich glaube, wir können für die Zukunft Deutschlands und den Wiederaufstieg der Bundesrepublik nichts Besseres tun, als das kostbarste Gut, das wir in den Kindern haben, vor dem Untergang zu bewahren.
Um nun die Schulspeisung wirklich fortführen zu können und um Aktivität in die ganze Angelegenheit hineinzubringen, haben meine Freunde und ich einen Antrag eingereicht, zu dem ich kurz Stellung nehmen möchte. Die Ziffer 1 dieses Antrages lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
1) Das Referat Schulspeisung untersteht ab sofort dem Bundesinnenminister. Die Durchführung der Schulspeisung ist Sache der Länder.
Wir sind der Meinung, daß die Schulspeisung nicht den Anschein einer Hilfsaktion für die Landwirtschaft haben soll. Wir wissen sehr wohl — und gerade meine Freunde haben im Ausschuß für Landwirschaft, Ernährung und Forsten immer darauf hingewiesen —, daß alles Erdenkliche zu tun ist, um der Landwirtschaft in ihrer bedrängten Lage beizuspringen. Es soll durch unseren Antrag auch nicht gesagt sein, daß wir etwa dagegen sind, einheimische Lebensmittel, soweit sie für die Schulspeisung Verwendung finden können, zu verwenden. Im Gegenteil, wir würden es begrüßen, wenn in weitgehendem Maße die einheimischen Lebensmittel, insbesondere die Frischmilch, für die Schulspeisung herangezogen würden. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, daß nach Mitteilungen, die mir zugegangen sind, von den Steilen, die die Schulspeisung durchführen, für 1 Liter Milch, und zwar in Flaschen abgefüllt, 60 Pfennig verlangt werden. Ich möchte den Herrn Bundesernährungsminister bitten, doch ja sein Augenmerk hierauf zu richten und zu versuchen, solche überspitzten Forderungen auf ein erträgliches Maß zurückzuführen.
Wir verlangen weiter in Ziffer 2 unseres Antrages folgendes:
Zur Unterstützung des Bundesinnenministers und zu seiner Beratung in grundsätzlichen Fragen wird ein Beirat gebildet, der sich aus Vertretern der Kultusministerien der Länder, Vertretern der Innen- bzw. Sozialministerien der Länder, Vertretern der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrt und den Länderreferenten für Schulspeisung zusammensetzt. Der Innenminister regelt durch Verordnung Zusammensetzung und Verfahrensweise des Beirats.
Wir halten das für notwendig, weil die beste Form der Schulspeisung herausgefunden werden soll und weil wir der Meinung sind, dad in manchen Teilen
unseres Vaterlandes eine Überprüfung der Organisation notwendig ist.
Im dritten Absatz unseres Antrages verlangen wir folgendes:
Im Sinne der Vorlage des Bundesinnenministers vom Juni dieses Jahres ist mit Rücksicht auf die Dringlichkeit der Angelegenheit die Fortführung der Schulspeisung nach den Sommerferien unverzüglich durch Erlaß sicherzustellen.
Wir wissen, daß dieser Erlaß bereits fertiggestellt ist, und wir bitten nunmehr um schleunigste Inkraftsetzung.
In der Ziffer 4 unseres Antrages heißt es dann: Die in dem Erlaß des Innenministers vom 17. März 1950 aus Mitteln der Kriegsfolgenhilfe bereitgestellten Gelder sind sofort flüssig zu machen und den Ländern zur Verfügung zu stellen.
Meine Damen und Herren! Unser Antrag enthält keine neue materielle Belastung in irgendeiner Form. Es ist also kein Deckungsvorschlag notwendig; denn über diese Mittel ist ja bereits gesprochen worden, und sie sind nach meinen Informationen zur Verfügung gestellt worden. Wir halten deshalb eine Ausschußüberweisung unseres Antrages für überflüssig und bitten im Interesse der Dringlichkeit, besonders im Hinblick darauf, daß nach den Sommerferien unverzüglich die Schulspeisung fortgeführt werden muß, um sofortige Annahme unseres Antrages im Plenum.