Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als das Hohe Haus am 2. Dezember 1949 den Beschluß faßte, der eigentlich als der erste maßgebliche zu dem Art. 131 des Grundgesetzes angesehen werden kann, hatten wir die Hoffnnung, daß sich dieser Beschluß sehr bald als wirksam erweisen würde, und wir meinten, daß etwa bis Ende März des Jahres 1950 ein Gesetz zu Art. 131 würde verabschiedet werden können.
Ich will hier nicht im einzelnen auf die außerordentlichen Schwierigkeiten hinsichtlich der Fragen eingehen, die die Grundlagen zu einem solchen Gesetz zu bilden haben, muß aber bei dieser Gelegenheit heute doch der außerordentlichen Enttäuschung, ja geradezu der Verbitterung derjenigen Kreise Ausdruck geben, die unter den Art. 131 fallen. Meine Damen und Herren, Sie wissen wahrscheinlich alle aus den vielen Zuschriften, die Sie jeden Tag aus den Kreisen bekommen, die unter Art. 131 des Grundgesetzes fallen, wie groß die Not und das Elend dieser Menschen heute noch sind. Es ist ja nicht ein Elend und es ist nicht eine Not, die nur seit engen Monaten dauert, sondern es ist so, daß diese Not in weiten Kreisen dieser Menschen zum größten Teil schon seit 1945, also seit fünf Jahren herrscht.
Trotz aller Entschließungen und Beschlüsse, die auf diesem Gebiet gefaßt worden sind, trotz energischer Maßnahmen auch von seiten des zuständigen Beamtenrechtsausschusses ist es nicht gelungen, die Regierung zu bewegen, einen Gesetzentwurf zur Regelung der Fragen des Art. 131 zu verabschieden. Auch der Termin des 1. Juli, der erst letzthin gestellt worden ist, ist beinahe um vier Wochen überschritten. Erst in den lezten Tagen ist vom Kabinett ein Gesetzentwurf zu Art. 131 verabschiedet worden. Meine Damen und Herren, Sie werden aber alle wissen, daß der Entwurf, der seinerzeit als Referentenentwurf bekanntgeworden ist, auf den allergrößten Widerstand und auf die allergrößte Ablehnung der betroffenen Kreise gestoßen ist. Wenn wir den Entwurf ansehen, den jetzt das Kabinett verabschiedet hat, können wir keine großen Unterschiede zwischen dem seinerzeit veröffentlichten Referentenentwurf und dem jetzt dem Bundesrat zugegangenen Entwurf des Kabinetts feststellen. Wir wollen aber schon froh darüber sein, daß in dieser Frage die Gesetzgebungsmaschine dadurch überhaupt in Gang gekommen ist, daß der Bundesrat nunmehr mit diesen Dingen befaßt worden ist.
Meine Damen und Herren, wir wollen hoffen, daß der Bundesrat in dieser Frage bis zum Ende der Parlamentsferien zu einer endgültigen Entschließung kommt und die Bundesregierung bis Anfang September dazu Stellung nimmt. Wir glauben, daß es dringend notwendig ist, die zuständigen Ausschüsse des Bundestags schon in den ersten Tagen des September mit dieser Angelegenheit zu befasen; denn wir können nicht noch länger warten, nachdem seit jenem Beschluß vom 2. Dezember 1949 über sieben Monate vergangen sind.
Wir sind uns vollkommen im klaren darüber, daß die Probleme, die dieser Gesetzentwurf zu lösen hat, außerordentlich schwierig sind. Es wird sich dabei um eine Entscheidung darüber handeln, ob die Bestimmungen des Art. 131 konstitutiv oder deklaratorisch sind. Es wird sich darum handeln, wie man die Frage der Gleichstellung löst. Auch wird es sich um die überaus schwierige Frage drehen, die finanzielle Lösung zu finden.
Meine Damen und Herren! Ehe dieser Entwurf, der jetzt vom Kabinett verabschiedet worden ist, hier bekannt war, haben meine politischen Freunde angesichts der Dinge, die ich vorhin geschildert habe, doch den Entschluß fassen müssen, endlich einmal etwas Positives zu tun. Wir haben uns in der Fraktion der Freien Demokratischen Partei dazu entschlossen, einen Initiativgesetzentwurf zur Regelung eines Teilkomplexes herauszubringen, und zwar eines Teilkomplexes, der nur die Frage der Unterbringung, der Wiederverwendung dieser unter den Art. 131 fallenden Menschen behandelt. Wir glauben, daß keine Bedenken dagegen erhoben zu werden brauchen, wenn man aus dem Gesamtkomplex einen bestimmten Teil in einen Gesetzentwurf zur Regelung herausnimmt.
Meine Damen und Herren, ich darf daran erinnern, daß nach dem ersten Weltkrieg für alle diejenigen Behördenbediensteten, die aus den damals zwangsweise abgetretenen Gebieten wie etwa aus Oberschlesien, aus der Provinz Posen, aus Ostpreußen und Westpreußen gehen mußten, ähnliche Verhältnisse bestanden. Auch diese Menschen mußten ja nun, soweit sie Bedienstete von Behörden und behördenähnlichen Institutionen waren, untergebracht werden. Die Preußische Landesversammlung hat bereits im Jahre 1920 ein Gesetz erlassen, das damals diesen Fragenkomplex regelte. Wer sich noch an diese Zeiten erinnern kann, wird zugeben, daß die Unterbringung sowohl der Staatsbeamten als auch der Behördenbediensteten sonstiger Art in verhältnismäßig kurzer Zeit vor sich ging, und zwar sind die damals doch auch verhältnismäßig zahlreichen Menschen in den östlichen
Provinzen Preußens untergebracht worden. Meine Damen und Herren, das ist ein Beispiel dafür, daß man gerade auf diesem Gebiet sehr schnell zu einer Lösung kommen kann.
Ich glaube, daß man sich, wenn auch das Kabinett jetzt einen Gesetzentwurf verabschiedet hat, doch auf den Standpunkt stellen sollte, den in unserem Initiativgesetzentwurf behandelten Fragenkomplex gesondert zu regeln und vorwegzunehmen; denn ich befürchte — ich bin in dieser Hinsicht kein Optimist —, daß gerade wegen der vorhin von mir angedeuteten außerordentlich schwierigen Probleme das endgültige Gesetz zu Art. 131 noch eine ganze Zeit auf sich warten lassen wird, so traurig das auch ist.
Lassen Sie mich nun ganz kurz einmal, ohne auf Einzelheiten einzugehen, einige Grundsätze sagen, die in diesem Gesetzentwurf enthalten sind. Wir halten es aus den Ihnen vorhin angedeuteten Gründen für unbedingt notwendig, daß die Menschen, die unter den Art. 131 fallen und draußen auf der Straße stehen, die nur zu einem Teil berufsfremd beschäftigt sind und zu einem großen Teil gar nichts tun, jetzt irgendwie wieder untergebracht werden. Meine Damen und Herren, wenn Sie mit diesen Kreisen einmal sprechen, werden Sie immer wieder von ihnen die Antwort bekommen: Wir streben ja gar nicht so sehr nach dem Geld, das uns als Pension oder als Wartegeld gezahlt werden soll, sondern wollen in erster Linie wieder Arbeit und Beschäftigung in dem Beruf haben, den wir einmal gelernt haben. Es scheint mir nicht sehr sinnvoll zu sein, wenn man diese Menschen, die schließlich einmal durch ihre Schulausbildung, durch die Universität und durch andere Möglichkeiten der Ausbildung den Staat etwas gekostet haben, nun beiseite stehen läßt und nicht wieder beschäftigt. Es bestehen sogar Gefahren, wenn wir das nicht tun. Es besteht die Gefahr der Radikalisierung dieser Menschengruppen. Es besteht die Gefahr, daß gerade die Heimatvertriebenen, die einen großen Teil dieses Personenkreises darstellen, sagen: Das soll jetzt einmal ein Prüfstein für die Stellungnahme zu diesem Gesamtproblem der Heimatvertriebenen sein. Und es scheint mir auch im Interesse der fortschreitenden Befriedung dringend geboten, alles, aber auch alles zu vermeiden, was Anlaß geben könnte, das Vertrauen in den im Aufbau begriffenen Staat als Rechtsstaat in Zweifel zu ziehen.
Meine Damen und Herren! Ich erinnere noch an die Anträge bezüglich des sogenannten Justitiums des Satzes 3 des Art. 131 des Grundgesetzes, die hier vorliegen und die auch im Rechtssausschuß beraten werden. Auch darüber, ob dieser Satz überhaupt noch als verfassungsmäßig angesehen werden kann oder nicht, werden wir uns in Kürze zu unterhalten haben. Ich möchte nur diese Grundsätze gesagt haben und auf Einzelheiten nicht eingehen; das werden wir im Beamtenrechtsausschuß noch eingehend tun. Wenn wir gemeinsam gerade an diesem Sonderproblem des Art. 131 des Grundgesetzes, dem Problem der Unterbringung und Wiederverwendung dieser Menschen arbeiten, dann sind wir einen großen Schritt weitergekommen auf dem Wege zur Befriedung dieses mehrere hunderttausend Menschen umfassenden Personenkreises. Ich bitte Sie deshalb, damit einverstanden zu sein, daß dieser Entwurf der Freien Demokratischen Partei zur Weiterberatung dem Beamtenrechtsausschuß und dem Heimatvertriebenenausschuß überwiesen wird.