Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 11/1657 —
Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Frau Parlamentarische Staatssekretärin Karwatzki ist zur Beantwortung der Frage anwesend.
Ich rufe Frage 1 des Abgeordneten Stiegler auf:
Wird die Bundesregierung im Ausbildungsjahr 1988/89 erneut ein Sonderprogramm zur Ausnutzung nicht belegter Ausbildungsplätze bei Bahn, Post etc. auflegen, und wird dabei insbesondere wieder die Ausbildungskapazität der Ausbildungsstätte beim Bundesbahnausbesserungswerk in Weiden voll belegt werden?
Bitte schön, Frau Staatssekretär.
Herr Kollege Stiegler, die Frage, ob auch im Ausbildungsjahr 1988/89 alle Ausbildungsplätze im Bereich des Bundes voll genutzt werden, kann ich jetzt noch nicht abschließend beantworten. Insbesondere die volle Nutzung jener Ausbildungsplätze der Deutschen Bundesbahn, die für die Heranbildung des eigenen Nachwuchsbedarfs nicht benötigt werden, bedarf nicht zuletzt wegen der finanziellen Folgen noch weiterer Gespräche zwischen dem Bundesminister für Verkehr und dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft einerseits sowie dem Bundesminister der Finanzen andererseits. Die Bundesregierung wird voraussichtlich im März entscheiden, ob die Nutzung aller verfügbaren Ausbildungsplätze des Bundes notwendig und möglich ist.
Durch die Aufgabe des Ausbesserungswerkes der Deutschen Bundesbahn in Weiden ergibt sich auch für die Ausbildungsmöglichkeiten in dieser Region eine neue Situation. Die Anlagen des Ausbesserungswerkes werden von der Planungs- und Produktionsgesellschaft für innovative Fahrzeugausstattung übernommen; dieser Nachfolgebetrieb hat in Aussicht gestellt, nach Aufnahme der Produktion etwa 50 Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf zwei Punkte hinweisen:
Erstens. Durch die Aufgabe des Ausbesserungswerkes der Deutschen Bundesbahn in Weiden und die Überführung der Anlagen in eine Nachfolgegesellschaft, an der die Bundesbahn beteiligt ist, kann die Bundesregierung nicht mehr unmittelbar auf die Ausbildungsentscheidungen dieses Nachfolgebetriebs Einfluß nehmen.
Zweitens. Die gesamte Ausbildungsstellensituation im Arbeitsamtsbezirk Weiden hat sich in den letzten Jahren nicht unerheblich verbessert: Zu Beginn des Ausbildungsjahres 1987/88 standen 61 noch nicht vermittelten Bewerbern 171 unbesetzte Ausbildungsplätze gegenüber.
Herr Stiegler.
Frau Staatssekretärin, werden Sie wenigstens dafür eintreten, daß für die Übergangszeit, also für die Zeit, bis zu der die PFA selber ausbilden wird, die Ausbildungskapazitäten — die Ausbilder, die räumlichen und die technischen Fazilitäten — erhalten bleiben, so daß man nicht unter Zeitdruck kommen wird, wenn man diese für die Region unverzichtbare Ausbildungsstelle erhalten will?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Ja, Herr Kollege Stiegler. Ich kann Ihnen auch die Zusage geben, daß die 38 Auszubildenden, die im letzten Jahr eingestellt wurden, selbstverständlich zu Ende ausgebildet werden.
Weitere Zusatzfrage, Herr Stiegler.
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bewußt, daß zwischen der Zeit, in der die PFA voll ausbilden kann, und der Zeit, in der die jetzt beschäftigten jungen Leute auslernen, eine gewisse Lücke klafft, und ist Ihnen auch bewußt, daß gerade das Arbeitsamt Weiden Wert darauf legt, genau diese Ausbildungsplätze für die gesamte Arbeitsmarktregion zu erhalten, und sehen Sie eine Chance, daß wir — ob Bund, Bundesanstalt oder Bundesbahn — diese Zeit überbrücken, damit wir diese für die Region ganz wichtige Einrichtung erhalten können?Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, es fällt mir schwer, ein klares Ja zu sagen. Wenn ich mir die Zahlen der Jahre 1984 bis 1987 in
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3758 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1988
Parl. Staatssekretär Frau Karwatzkibezug auf die Ausbildungsplatzsituation in Ihrem Arbeitsamtsbezirk ansehe, dann, so muß ich sagen, hat sich hier einfach eine Wende vollzogen; denn es werden mehr Ausbildungsplätze angeboten, als es junge Leute gibt, die diese Ausbildungsplätze annehmen wollen. Aber dennoch sage ich Ihnen zu, daß ich im Gespräch mit dem Verkehrsminister und dem Finanzminister alles tun werde, damit diese Übergangszeit zumindest zur Zufriedenheit der jungen Leute nach Möglichkeit überbrückt werden kann.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Rose.
Frau Staatssekretär, kann ich aus dem ersten Teil der Frage des Kollegen Stiegler und Ihrer Beantwortung schließen, daß das gleiche auch für die Ausbildungsstätte der Deutschen Bundesbahn in Plattling gilt, vor allen Dingen unter dem Aspekt, daß es dort viele Mädchen gibt, die in dieses Sonderprogramm einbezogen werden müssen?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege, das können Sie nicht daraus schließen. Ich bin hierzu nicht gefragt worden; deshalb habe ich mich insofern nicht sachkundig gemacht. Ich bin aber gerne bereit, mich sachkundig zu machen und Ihnen das schriftlich mitzuteilen.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke der Frau Staatssekretärin für die Beantwortung der Frage.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Jahn steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 der Abgeordneten Frau Oesterle-Schwerin auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß zu den „nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften", für die der Bundesminister der Justiz besondere gesetzliche Regelungen ausgeschlossen hat , auch schwule und lesbische Paare, die in Dänemark auf Wunsch dieselben Rechte und Pflichten wie Ehepaare erhalten sollen (dpa 23. Dezember 1987), gehören, und wie will die Bundesregierung das Zusammenleben von schwulen und lesbischen Paaren ohne eine Rechtsänderung im Bereich Familien-, Lebensformenrecht so verbessern, daß unzumutbare Härten, wie die Unmöglichkeit von gemeinsamen Sozialwohnungen, Benachteiligungen hei der Vergabe von Mietwohnungen (Mietrecht), steuerlichen Benachteiligungen durch das Ehegattensplitting (§§ 26, 26a, b EStG), fehlendes Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 StPO, § 383 ZPO) und Besuchsrecht bei Nichtgeschäftsfähigkeit des Partners wegen Koma oder psychischer Erkrankung, vermieden werden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Oesterle-Schwerin, der Begriff nichteheliche Lebensgemeinschaft ist gesetzlich nicht definiert. Nach allgemeinem Sprachgebrauch umfaßt er Mann und Frau, die in einer der Ehe ähnlichen Verbindung leben, ohne die Ehe geschlossen zu haben.
Die Bundesregierung widerspricht ausdrücklich Ihrer Auffassung, es sei eine unzumutbare Härte, daß Unverheiratete an dem besonderen staatlichen Schutz der Ehe nicht teilnehmen. Das nichteheliche Verhältnis ist keine Ehe im Sinne von Art. 6 des Grundgesetzes. Also nimmt es an dem besonderen Schutz des Grundgesetzes nicht teil.
Um Vorurteilen vorzubeugen, füge ich hinzu: Das bedeutet keine Diskriminierung anderer Lebensformen.
Eine Zusatzfrage, Frau Oesterle-Schwerin.
Teilt denn die Bundesregierung die Ansicht, daß der besondere Schutz der staatlichen Ordnung, unter dem Ehe und Familie stehen — also Art. 6 des Grundgesetzes —, nicht zwingend eine Förderung der Ehe verlangt, die eine Benachteiligung von Alleinlebenden, Alleinerziehenden, Schwulen und lesbischen Paaren sowie nichtehelichen Lebensgemeinschaften bedeutet?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Frau Oesterle-Schwerin, Ehe ist zu unterscheiden von nichtehelichem Zusammenleben, egal, in welcher Form. Das haben die Väter des Grundgesetzes so festgeschrieben,
und die Bundesregierung wird nichts tun, den Schutz von Ehe und Familie zu relativieren.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Frau Oesterle-Schwerin, bitte.
Was wollen Sie denn tun, damit die Benachteiligungen abgebaut werden, die viele, viele Menschen durch die besondere Privilegierung der Ehe ertragen müssen?Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Frau Oesterle-Schwerin, es steht jedem frei, zu heiraten oder nicht zu heiraten.
— Ich darf das zu Ende führen. — Wer sich auf Dauer — nun geben Sie mir Gelegenheit, noch etwas zum Grundsätzlichen zu sagen — für ein Zusammenleben ohne Trauschein entscheidet, beansprucht für sich ein Höchstmaß an persönlicher Freiheit. Er lehnt damit bewußt die Bindungen ab, die das Gesetz für Ehegatten vorsieht. Über eine solche Entscheidung darf sich auch der Gesetzgeber nicht hinwegsetzen. Demjenigen, der seine höchstpersönliche Privatsphäre im rechtsfreien Raum ansiedeln möchte, darf der Staat gegen dessen Willen keine gesetzlichen Fesseln anlegen. Das verbietet das Selbstverständnis unseres freiheitlich verfaßten Staates.Andererseits ist es dem Gesetzgeber aber auch verwehrt, über die nichtehelichen Lebensgemeinschaften das Füllhorn von Schutzvorkehrungen und Förderungen auszuschütten, die die Ehe genießt. Nur die Lebensform der Ehe — ich sagte es bereits — steht unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes.
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Parl. Staatssekretär Dr. JahnIm übrigen darf der, der sich gegen Pflichten wehrt, auch keine Rechte einfordern.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Stiegler.
Herr Staatssekretär, Ihnen ist sicher bewußt, daß in den nichtehelichen Lebensgemeinschaften auch zahlreiche Kinder leben, die nichts dafür können, daß diejenigen Bezugspersonen, denen sie anvertraut sind, diese Gemeinschaft gewählt haben. Teilen Sie meine Auffassung, daß es hier wohl doch gesetzgeberischen Handlungsbedarf gibt, um den Status dieser Kinder entsprechend zu verbessern?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, Sie sprechen eine Detailfrage an, die auch Gegenstand wissenschaftlicher Erörterung bei dem Bitburger Gespräch in der letzten Woche war. Der Bundesminister der Justiz bereitet eine Gesetzesänderung vor, mit der die Möglichkeiten des nichtehelichen Vaters, mit seinem Kind Umgang zu pflegen, verbessert werden sollen. Ich kann also Ihre Frage in bezug auf das Kind insoweit, wie ich es hier ausgeführt habe, bejahen.
Zusatzfrage, Frau Olms.
Teilt die Bundesregierung mit mir die Ansicht, daß das Ehegatten-Splitting eine bestimmte Lebensform, nämlich die sogenannte Hausfrauenehe, privilegiert, während es alle anderen Lebensformen von den lesbischen oder schwulen Paaren bis zur sogenannten Halbfamilie diskriminiert?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich wiederhole: Das Grundgesetz privilegiert Ehe und Familie, aber auch nur Ehe und Familie.
Ich rufe die Frage 5 der Abgeordneten Frau Oesterle-Schwerin auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die verschiedenen Lösungsvorschläge zum Abbau der Benachteiligung schwuler, lesbischer und anderer nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften zum einen durch den Abbau von Privilegien , die an den Bestand der Ehe gebunden sind, und zum anderen zur Erweiterung des besonderen Schutzes von Ehe und Familie auf alle frei gewählten Formen menschlichen Zusammenlebens (z. B. bei Nachzug von Ausländern/ innen, Zeugnisverweigerungsrecht, Besuchsrecht, Sozialwohnungen)?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Frau OesterleSchwerin, die Bundesregierung bekennt sich zu dem unter der Geltung des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes geschaffenen besonderen Schutz von Ehe und Familie. Sie hat daher keine Veranlassung, die von Ihnen genannten „Lösungsvorschläge" zu beurteilen.
Zusatzfrage, Frau
Oesterle- Schwerin.
Ist die Bundesregierung bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß u. a. eine entsprechende Novellierung der Art. 3 und 6 des Grundgesetzes, der §§ 26, 26a und 26b des Einkommensteuergesetzes, des § 52 der Strafprozeßordnung und des § 383 der Zivilprozeßordnung in dem in der 10. Wahlperiode von den GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes für Frauen enthalten war, die diese beiden Aspekte des Privilegienabbaus für die Ehe und der Erweiterung des besonderen Schutzes auf alle frei gewählten Formen des menschlichen Zusammenlebens jeweils zur Geltung brachte?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Frau Oesterle-Schwerin, Sie wenden sich gegen die Privilegierung von Ehe und Familie. Diese Privilegierung ist Bestandteil von Art. 6 des Grundgesetzes. Die Bundesregierung hält an dieser Privilegierung fest.
Herr Professor Ossenbühl hat in der vergangenen Woche zu dieser Thematik bei den Bitburger Gesprächen noch einmal ausgeführt:
Die Privilegierung der Familie ist ein Verfassungsgebot. Der Gesetzgeber darf gar keine Konkurrenz zur Ehe entstehen lassen. Also gibt es für den Gesetzgeber eine Regelungssperre hinsichtlich der eheähnlichen Gemeinschaften.
Die Bundesregierung bejaht diese Aussage im Grundsatz.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön, Frau Oesterle-Schwerin.
Ist denn der Bundesregierung bewußt, daß ihre Steuer- und Sozialpolitik durch den Verzicht auf das Individualprinzip Millionen von Alleinstehenden, häufig ältere verwitwete Frauen, aber auch sehr viele junge Menschen benachteiligt, obwohl gerade alleinstehende, alleinlebende Menschen oft einen finanziellen Mehraufwand z. B. durch höhere Mieten für Ein- und Zweizimmerwohnungen haben?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Frau Oesterle-Schwerin, wer sich, aus welchen Gründen auch immer, gegen die Ehe entscheidet, darf die Augen vor den rechtlichen Risiken nichtehelicher Lebensgemeinschaften nicht verschließen. Das gilt insbesondere für Frauen, die in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft Kinder bekommen und deshalb ihren Beruf aufgeben.
In der vom Bundesjustizministerium gemeinsam mit dem Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit herausgegebenen Informationsbroschüre unter dem Titel „Gemeinsam leben ohne Trauschein" wird auf diese Risiken besonders hingewiesen. Ich möchte Sie auf diese Broschüre aufmerksam machen. Es bleibt bei dem Grundsatz des Privilegs, wie das Grundgesetz es bestimmt:
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
Zusatzfrage des Abgeordneten Stiegler.
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Herr Staatssekretär, sind Sie denn wenigstens bereit, untersuchen zu lassen, inwieweit Regelungsspielräume unter der Herrschaft des Grundgesetzes, die ich nicht anzweifle, bestehen, z. B. im Bereich des Gesellschaftsrechtes, um der Gesetzgebung und auch der beratenden Anwaltschaft für die Konflikte, die nun einmal da sind, etwas an die Hand zu geben, um insbesondere den sozial Schwächeren im Falle eines Falles zu helfen? Denn die Probleme schieben wir ja nicht weg, indem wir keine Regelungen haben, sondern wir machen die Sachen ja nur komplizierter. Würden Sie mir zustimmen, daß wir da Spielräume suchen könnten?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, alle politischen Meinungen, die es zu der Thematik der nichtehelichen Lebensgemeinschaften gibt — auch die zuletzt von der SPD in der vergangenen Woche geäußerte — , werden auch im Einzelfall selbstverständlich geprüft. Das ändert aber nichts an der Aussage, die ich für die Bundesregierung getroffen habe, daß die Bundesregierung nicht beabsichtigt, im Grundsatz ein Recht für nichteheliche Lebensgemeinschaften, so wie gefordert, zu schaffen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Sellin.
Hat der Gesetzgeber die Aufgabe, Werteveränderungen in der Gesellschaft dadurch aufzuhalten, daß er familienähnliche Zusammenschlüsse, die sich entwickelt und in der Gesellschaft weit verbreitet haben, so daß man davon reden muß, daß in etwa ein Drittel unserer Gesellschaftsmitglieder diese Lebensform gewählt haben, gegenüber der Ehe weiterhin benachteiligt?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann zunächst nicht bestätigen, daß das Zusammenleben ohne Trauschein das Ausmaß angenommen hat, daß Sie gerade erwähnt haben. Selbstverständlich berücksichtigt Politik auch gesellschaftlichen Wertewandel. Aber ich wiederhole: Die Bundesrepublik Deutschland, wir alle sind an das Grundgesetz gebunden, und das aus guten Gründen. Die Bundesregierung wird allem entgegentreten, was dem Schutz von Ehe und Familie konträr läuft, damit der Grundgesetzauftrag des Art. 6 erfüllt bleibt.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Jahn für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Riedl steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Seidenthal auf:
Durch welche Maßnahmen wird nach Auffassung der Bundesregierung der volle Erhalt der Arbeitsplätze bei den Braunschweigischen Kohlenbergwerken sowohl im bergmännischen als auch Kraftwerksbereich (Offleben A, B, C und Buschhaus) gesichert, obwohl die Kraftwerke nur mit Teillast betrieben werden und dies zu betriebswirtschaftlichen Schwierigkeiten bei den BKB führt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, die Kraftwerke Offleben A und B werden von den derzeitigen Schwierigkeiten der gemeinsam für die Kraftwerke Buschhaus und Offleben C vorgesehenen Rauchgasentschwefelungsanlage nicht berührt. In der gegenwärtigen Phase einer aus Gründen der Emissionsminderung reduzierten Fahrweise der Kraftwerke Buschhaus und Offleben C setzen die Braunschweigischen Kohlenbergwerke die im bergmännischen Bereich tätigen Arbeitnehmer verstärkt im Abraumbetrieb ein und die im derzeit abgeschalteten Kraftwerk Offleben C beschäftigten Mitarbeiter für Wartungsarbeiten. Mit diesen Maßnahmen werden trotz eingeschränkter Fahrweise der Kraftwerke nachteilige Auswirkungen auf die Arbeitsplätze vermieden. Dies ist technisch und betriebswirtschaftlich allerdings nur für eine begrenzte Zeit möglich. Die dauerhafte Sicherung der Arbeitsplätze setzt eine voll funktionsfähige Rauchgasentschwefelungsanlage voraus. Die Arbeiten hierzu laufen auf vollen Touren.
Herr Seidenthal, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, schließen Sie auf Grund des eben geschilderten Betriebs der Kraftwerke Kurzarbeit bei Buschhaus, bei der BKB aus, und, wenn nein, auf welche arbeitsmarktpolitischen Instrumente wird die Bundesregierung zurückgreifen?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, wenn Sie mich fragen, ob ich Kurzarbeit ausschließe: Nach dem heutigen Stand der Informationen, die mir vorliegen, kann ich sagen, daß ein Antrag auf Kurzarbeit nicht aktuell ist. Ob das, was ich hier sage, auf Dauer gerechtfertigt ist, weiß ich nicht. Man muß sich dann natürlich von Fall zu Fall unterhalten. Aber im Augenblick kann ich diese Gefahr hier nicht bestätigen.
Die Frage bestand noch aus einem weiteren Teil. Wollen Sie auch den noch beantworten?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Über sich dann eventuell ergebende Maßnahmen, Herr Präsident, müßte man, wie ich gesagt habe, dann sprechen. Herr Abgeordneter, mir liegt die Beschäftigungssituation dieser Leute sehr am Herzen. Ich möchte Ihnen sehr gerne anbieten, daß wir unmittelbar in Kontakt bleiben, wenn Sie nähere Informationen haben. Ich stehe Ihnen da gerne zur Verfügung.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Seidenthal.
Herr Staatssekretär, welche arbeitsmarktpolitischen Absprachen bestehen zwischen der Bundesregierung und der Landesregierung in Niedersachsen, um die eben geschilderten Arbeitsplätze auf Dauer sicher zu machen?Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Wie Sie ja wissen, ist der Bund an der BKB nicht mehr beteiligt, so daß es unmittelbare Gespräche hier nicht gibt. Sollte dies an
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Parl. Staatssekretär Dr. Riedluns herangetragen werden, was im Augenblick nicht der Fall ist, müßte man darüber sprechen.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Dr. Rose auf:
Hält die Bundesregierung die Tatsache, daß Pressevertriebsgesellschaften „Gebietsschutz" für bestimmte Regionen haben und Zeitschriftenhändler deren Erzeugnisse auch gegen ihren Willen abnehmen müssen, für einen Beweis der Pressefreiheit oder für einen Monopolmißbrauch?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident! Herr Abgeordneter Dr. Rose, das bestehende System des Pressevertriebs hat sich nach Auffassung der Bundesregierung in der Vergangenheit bewährt. Es trägt wesentlich dazu bei, die Vielfalt des Angebots zu sichern und insbesondere auch den kleineren Verlagen und auflageschwächeren Presseprodukten bessere Marktzutrittschancen zu eröffnen.
Das System ist Gegenstand kartellrechtlicher Untersuchungen durch das Bundeskartellamt gewesen. Das Ergebnis dieser Verfahren war, daß das System als solches kartellrechtlich nicht angreifbar ist. Das schließt Mißbräuche — ich möchte dies sagen — im Einzelfall natürlich nicht aus.
Wenn Hintergrund der von Ihnen gestellten Frage ein solcher Einzelfall sein sollte, ist die Einschaltung der zuständigen Kartellbehörde anzuraten. Zuständig ist bei nur regionaler Wirkung des angegriffenen Verhaltens der jeweilige Landeswirtschaftsminister als Kartellbehörde. Geht die Wirkung des behaupteten mißbräuchlichen Verhaltens über die Grenzen eines Landes hinaus, ist das Bundeskartellamt zuständig.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Rose.
Herr Staatssekretär, weil Sie von Mißbrauch gesprochen haben, frage ich Sie: Müssen Zeitschriftenhändler, z. B. Bahnhofskioskbesitzer, auf Grund dieser kartellrechtlichen Gebietsschutzbestimmungen Exemplare abnehmen, die sie absolut nicht abnehmen wollen und die beispielsweise auch zur Verbreitung von Schund beitragen, oder haben sie irgendeine Chance, sich dagegen zu wehren, so daß die Vertreiber in ihrer Handlungsweise gebremst werden?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, im Bundesministerium des Innern liegt ein Schreiben vor, in dem sich die Inhaberin eines Bahnhofskiosks in Bayern über einen Pressegrossisten beschwert. Sie macht geltend, daß sie zunehmend zur Abnahme von Sexzeitschriften gezwungen werde und die Bezugsverpflichtung dabei auf kartellrechtliche Bestimmungen gestützt werde. Möglicherweise wird in diesem Einzelfall die grundsätzliche kartellrechtliche Zulässigkeit als Rechtfertigungsargument mißbraucht — ich sage: „möglicherweise".
In der Antwort, die ich Ihnen hier zu geben habe, möchte ich Sie nochmals darauf hinweisen, daß eine endgültige Klärung in diesem Fall ganz offensichtlich die Landeskartellbehörde — wenn es landesübergreifend wäre, das Bundeskartellamt — treffen müßte.
Das wäre in Ihrem Fall das bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Rose?
Nein.
Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Herr Staatssekretär Dr. von Geldern steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Carstensen auf.
Welche Auswirkungen für die deutschen Fischer hat die Einigung über die Abgrenzung der Wirtschaftszonen in der Ostsee zwischen Schweden und der Sowjetunion?
Bitte schön.
Herr Kollege Carstensen, die Einigung zwischen Schweden und der Sowjetunion über die Abgrenzung der Wirtschaftszonen in der Ostsee östlich von Gotland berührt die Befugnis unserer Fischer auf Zugang zu dem bisher internationalen Gewässer. Weitergehende konkrete Aussagen hierzu werden erst nach Vorliegen der offiziellen Stellungnahmen von Schweden und der Sowjetunion möglich sein. Es ist jedoch damit zu rechnen, daß dieser Zugang zukünftig nur noch im Rahmen von Abkommen der Europäischen Gemeinschaft mit Schweden bzw. der UdSSR möglich sein wird.
Die schwedische Regierung erwägt nach mir vorliegenden Informationen für ihr Gebiet — das sind 75 % der bisherigen Fläche — eine Übergangsregelung bis zum Juli 1988. Darüber hinaus hat sie bereits jetzt ihre Verhandlungsbereitschaft signalisiert.
Vergleichbare Überlegungen der Regierung der UdSSR für ihr Gebiet, nämlich die restlichen 25 %, sind mir bisher nicht bekannt.
Eine Zusatzfrage, Herr Carstensen.
Herr Staatssekretär, was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um nicht nur selbst zu verhandeln — Sie haben ja offensichtlich schon Kontakte mit Schweden gehabt — , sondern auch die EG dazu zu bringen, von ihrer Seite Kontakte mit der UdSSR aufzunehmen?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Carstensen, darf ich die Antwort auf Ihre zweite Frage hier vielleicht gleich mit einbeziehen? Diese zweite Frage zielt ja in die Richtung Ihrer Zusatzfrage.
Herr Carstensen, Sie haben trotzdem erst noch eine zweite Zusatzfrage.Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Ich will damit keine Zusatzfragen verkürzen, aber die zweite Frage
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Parl. Staatssekretär Dr. von Geldernbetrifft praktisch das, was der Kollege Carstensen jetzt in der Zusatzfrage angesprochen hat.
Ich werde das gebührend berücksichtigen. Sie beziehen das also jetzt mit ein?
Ich wäre dankbar, wenn auch die zweite Frage beantwortet würde, weil ich dann eventuell auf eine Zusatzfrage verzichten könnte.
Das heißt, Sie haben noch drei Zusatzfragen,
nicht vier.
Ich rufe jetzt also die Frage 9 des Abgeordneten Carstensen auf:
Was wird die Bundesregierung unternehmen, uni die Möglichkeiten zum Fischfang für die deutsche Fischerei östlich Gotlands zu sichern oder ihr einen Ausgleich für die neuerliche Eingrenzung ihrer Fischereimöglichkeiten in der Ostsee zu sichern?
Bitte, Herr Dr. von Geldern.
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Die Zuständigkeit für den Abschluß von Abkommen oder Vereinbarungen mit Drittländern über Fischereirechte liegt bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaft. Die Bundesregierung hat deshalb die Kommission der EG ersucht, die notwendigen Vertragsverhandlungen mit Schweden und der Sowjetunion baldmöglichst aufzunehmen. Zusätzlich wird die Bundesregierung auf politischer Ebene am 26. Januar, also am Dienstag der kommenden Woche, entsprechend bei der Kommission der Gemeinschaft direkt vorstellig werden.
Angesichts der vorgenannten Rechtslage und im Hinblick auf die derzeit noch in keiner Weise überschaubare weitere Entwicklung der Fangmöglichkeiten in dem fraglichen Gebiet sieht die Bundesregierung augenblicklich keinen Anlaß zur Prüfung von eventuellen Ausgleichszahlungen.
Die erste Zusatzfrage, Herr Carstensen.
Herr Staatssekretär, sehen Sie wie ich, daß es eventuell nach den Verboten oder den Einschränkungen von Fangmöglichkeiten in dieser sogenannten Banane zu einem verstärkten Druck der 60 bis 80 — vielleicht auch noch mehr — betroffenen Kutter in die Nordsee kommt und daß wir dann notwendigerweise auch wieder die Frage aufrollen müssen, ob die Hochseefischerei mit ihren Frostern südlich des 62. Breitengrades weiterhin Grundfischarten fischen darf?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Carstensen, ich bin gern bereit, mit dem deutschen Fischereiverband, mit den betroffenen Kutterfischern und auch mit der Hochseefischerei zu gegebener Zeit über diese Fragen zu sprechen. Im Augenblick stellen sie sich deshalb nicht, weil wir die Ergebnisse der Gespräche mit der EG-Kommission und der Gespräche der Kommission mit der Sowjetunion und Schweden abwarten müssen.
Dies ist auch deshalb wichtig, weil gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland auch Dänemark betroffen ist. Der beabsichtigte Besuch beim zuständigen Fischereikommissar der EG, den ich mit meinem dänischen Kollegen Gammelgaard in der kommenden Woche durchführen werde, würde belastet, wenn wir schon heute über Ausweichmöglichkeiten oder Ausgleichsmaßnahmen sprechen würden. Wir wollen das bewußt vermeiden, weil wir denken, daß es sich hier um traditionelle Fangrechte deutscher und dänischer Kutterfischer handelt, und das vorrangige Ziel muß sein, diese Fangmöglichkeiten zu erhalten.
Die zweite Zusatzfrage, Herr Carstensen. Bitte schön!
Herr Staatssekretär, sollte es allerdings nicht möglich sein, die Fischer weiterhin in dieses Gebiet zu lassen, sehen Sie dann wie ich, daß es eventuell zu einer Erhöhung des Ansatzes für Stillegeprämien kommen kann, und sind Sie mit mir der Meinung, daß die Entwicklung nicht zu Lasten der Kutter in der Nordsee gehen darf?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Carstensen, ich könnte Ihnen darauf die gleiche Antwort wie auf die vorher gestellte Frage geben. Unser Ziel ist es, die Fangmöglichkeiten zu erhalten. Es gibt einen vertraglichen Zustand zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Schweden, und Schweden hat selbst seine Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Wir müssen erst einmal herausfinden, welche künftigen Fangmöglichkeiten wir in diesem Gebiet erhalten können.
Es gibt auch Verhandlungen zwischen der EG-Kommission und der Sowjetunion. Wir drängen darauf, daß sie verstärkt werden.
Erst wenn das alles nicht erfolgreich sein sollte, können wir über Ausweichmöglichkeiten, Stillegungsprämien und andere von Ihnen schon jetzt angeschnittene Fragen ernsthaft reden, und dann müssen wir darüber allerdings auch reden.
Noch eine Zusatzfrage? — Bitte schön, Herr Carstensen.
Herr Staatssekretär, sind Sie angesichts der Tatsache, daß wir ja — jetzt losgelöst von dem Problem der „Banane" — heute schon eine Überkapazität haben — sonst würde man ja wohl nicht Stillegeprämien zahlen müssen —, bereit, auch andere Fangmöglichkeiten, z. B. in Ländern, die traditionell von uns noch nicht befischt worden sind, zu prüfen?Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Carstensen, dazu sind wir — vorausgesetzt, es gibt ein substantielles Interesse deutscher Fischer an anderen Fanggebieten — prinzipiell durchaus bereit. Ein Grundsatz der gemeinsamen Fischereipolitik muß dabei aber beachtet werden, ein Grundsatz, der auf die traditionellen Fangtätigkeiten abzielt und der uns übrigens im Bereich der Ostsee zugute kommt und ein Teil unserer Argumentation ist.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1988 3763
Parl. Staatssekretär Dr. von GeldernIhre Aussage, daß wir aus der Tatsache, daß Stillegungsprämien gezahlt werden, ersehen können, daß wir Überkapazitäten haben, kann ich so nicht bestätigen. Es gibt auch nicht ausgenutzte Quoten. Die Zahlung von Stillegungsprämien für zeitweilige Stillegung — wir wollen sie degressiv gestalten — begründen wir bisher damit, daß außerordentliche Ereignisse wie z. B. klimatische Bedingungen dazu führen, daß zeitweilig stillgelegt werden muß. Grundsätzlich können wir mit gutem Grund davon sprechen, daß wir eine Übereinstimmung zwischen unseren Fangkapazitäten und unseren Quoten haben und nicht mehr wie in der Vergangenheit unter dem Druck von Überkapazitäten leiden.
Nein, nun nicht mehr.
— Das gebe ich zu, Herr Carstensen. Hier oben lernt man ja nie aus. Es war wenigstens außerordentlich lehrreich, festzustellen, daß zwischen der Sowjetunion und Schweden eine Banane in der Ostsee liegt und nicht anderes Schlimmeres.
Das war das Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär Dr. von Geldern für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hennig zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Reimann auf:
Wie begründet die Bundesregierung, daß allgemeine Besuchergruppen im Rahmen von Städtepartnerschaften mit der DDR bisher kein Begrüßungsgeld in der Höhe von zur Zeit 100 DM erhalten, obwohl dies nach den geltenden Richtlinien nicht ausgeschlossen ist?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident, ich bitte um die Erlaubnis, die beiden Fragen zusammen beantworten zu können.
Sind Sie einverstanden?
Ich weiß zwar nicht, ob das geht, aber ich kann es mir ja einmal anhören.
Dann rufe ich auch die Frage 11 des Abgeordneten Reimann auf:
Ist die Bundesregierung bereit, auch Reisende im Rahmen von Städtepartnerschaften in den Genuß des Begrüßungsgeldes kommen zu lassen im Sinne der Verbesserung der Begegnungsmöglichkeiten durch Städtepartnerschaften zwischen den beiden deutschen Staaten?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Ich werde es versuchen, Herr Kollege.
Die geltenden Richtlinien für Hilfsmaßnahmen zugunsten von Besuchern aus der DDR und Berlin sowie Ost- und Südosteuropa sehen ein Begrüßungsgeld von 100 DM bei Privatbesuchen in der Bundes-
republik Deutschland vor. Dies gilt auch für Besuche, die im Rahmen von Städtepartnerschaften durchgeführt werden. Allerdings muß gewährleistet sein, daß es sich überwiegend um private Reisen handelt. Nach den Richtlinien sind im Einvernehmen mit den Ländern schon immer Mitglieder von offiziellen Delegationen vom Empfang des Begrüßungsgeldes ausgeschlossen. Dieser Einschränkung liegt die Erkenntnis zugrunde, daß z. B. Dienstreisende von den entsendenden Stellen Reisekosten erhalten und daß deshalb solche Aufenthalte im Bundesgebiet nicht aus Mitteln unterstützt werden, die für private Besuchsreisen gedacht sind.
Ob eine Reise im Rahmen einer Städtepartnerschaft vorrangig offiziellen oder privaten Charakter hat, kann nur von der Gemeinde beurteilt werden. Bei der Entscheidung werden Art der Unterbringung, Programm, private Gestaltungsmöglichkeiten hilfreich zur Beurteilung sein. Die Bundesregierung wird die weitere Entwicklung des Reiseverkehrs im Zusammenhang mit den Städtepartnerschaften sorgfältig beobachten und, wenn ausreichende Erfahrungen vorliegen, prüfen, ob die Richtlinien einer der Entwicklung angepaßten weiteren Auslegung bedürfen.
Eine Zusatzfrage, Herr Reimann.
Herr Staatssekretär, jetzt weiß ich genauso wenig wie vorher. Deshalb habe ich gesagt: Ob man die Beantwortung meiner beiden Fragen verbinden kann, lasse ich einmal offen. Ich will auch nicht zu arg fragen, weil das diffizil ist. Meine erste Frage, warum Besuchergruppen bisher kein Begrüßungsgeld gezahlt wird, wurde nicht beantwortet. Ich möchte Sie bitten, noch etwas dazu zu sagen.Die zweite Frage: Gibt es wenigstens eine Anleitung, eine Handlungshilfe oder etwas ähnliches für die Gemeinden, wie sie sich verhalten sollen, oder sollen sie aus freien Stücken entscheiden? Wie sieht das aus?Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reimann, ich glaube zunächst nicht, daß bei der ersten Frage die Begründung fehlte; denn ich habe hier vorgetragen, daß es sich bei offiziellen Delegationen um Leute handelt, für die das Dienstreisen sind und die von den entsendenden Stellen Reisekosten erhalten, so daß dies nicht doppelt honoriert werden muß.Zweitens möchte ich darauf hinweisen, daß grundsätzlich die Städte die Kosten für die innerdeutschen Städtepartnerschaften im Rahmen der Selbstverwaltung allein tragen. Es ist ihr eigener Wirkungskreis. Aber in diesem Rahmen wollen wir die gegebenen Richtlinien, die älter sind als das Institut der Städtepartnerschaften, im Wege einer positiven Auslegung so deuten, daß wir die Fälle, die Sie meinen — ich unterstelle, daß wir bei der Analyse hier zu einer übereinstimmenden Meinung kommen —, positiv lösen können. Wir halten davon mehr, als wenn wir jetzt in einem komplizierten Verfahren, bei dem wir die Zustimmung aller elf Bundesländer, die Zustimmung des Bundesfinanzministers und ähnliches brauchen, sofort nach Beginn dieser praktischen Probleme Richtli-
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3764 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1988
Parl. Staatssekretär Dr. Hennignien ändern. Wir wollen sie mehr durch eine positive Auslegung dahin bringen, daß wir das positiv regeln können.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Reimann.
Wir sind uns sicher einig, Herr Staatssekretär, daß wir Herrn Honecker keine 100 DM geben wollen — das ist wohl unstrittig, und das ist auch geregelt —, aber ich möchte noch einmal fragen: Wie sollen die Gemeinden das handhaben, im freien Ermessen, jeder, wie er kann oder will, oder gibt es irgendeine Richtlinie der Ministerien, die argumentativ eine Entscheidungshilfe darstellt? Nur darum geht es mir jetzt noch.
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Ich empfehle, daß die Gemeinden — es handelt sich ja um eine sehr überschaubare Zahl von Gemeinden, bei denen das überhaupt relevant wird — das in enger Zusammenarbeit mit unserem zuständigen Fachreferat klären. Wir sind dazu sehr gern bereit. Ich muß allerdings darauf hinweisen, daß die Richtlinien, die in Kraft sind, deutlich sagen, daß von den Hilfsmaßnahmen ausgeschlossen sind: Geschäfts- und Dienstreisende sowie Mitglieder von Delegationen und Personen, die erkennbar im Auftrag von Partei-, Staats- und sonstigen öffentlichen Stellen aus der DDR und Berlin-Ost oder aus ost- oder südosteuropäischen Staaten in das Bundesgebiet einreisen. Diese Offiziellen sind also ausgenommen. Aber die meinen Sie, glaube ich, auch nicht, denn Ihre Frage ist ja so formuliert, daß es sich um allgemeine Besuchergruppen im Rahmen von Städtepartnerschaften handelt.
Die dritte Zusatzfrage, Herr Reimann.
Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt noch eine Frage provoziert. Natürlich sind auch Jugend- und Sportgruppen ausgeschlossen. Wenn diese Gruppen jetzt im Rahmen einer Städtepartnerschaft in vernünftigem Rahmen ausgetauscht werden und zu uns herüberkommen, sollten sie ja doch sicher einbezogen werden. Oder nicht?
Dr. Hennig, Parl. Staatssekretär: Das würde ich so sehen, Herr Kollege. Im übrigen hat das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen ja ein politisches Interesse an diesen Begegnungen und fördert sie gegenüber den Städten mit 20 DM pro Tag und Teilnehmer.
Diese Förderung wird auch damit begründet, daß die DDR-Seite in der Regel auf einer gewissen Kasernierung besteht und daß dadurch höhere Kosten entstehen.
Im übrigen: Wenn es um solche Veranstaltungen in der DDR geht, dann sind selbstverständlich solche Reisen im Rahmen der allgemeinen Richtlinien förderungsfähig, die ja für Jugendreisen, Informationsfahrten und ähnliches Zuschüsse vorsehen.
Schließlich gibt es bei Sportbegegnungen im Rahmen der Städtepartnerschaften, die im Sportkalender
verankert sind, Zuschußmöglichkeiten und eine Förderungsmöglichkeit von 65 DM pro Tag und Teilnehmer. Sportler, die in die DDR fahren, erhalten die Reisekosten und die Transportkosten für die Sportgeräte als Förderung. Sie sehen, daß auch in diesem Fall durchaus die Möglichkeit besteht, konkret zu helfen.
Nun gibt es keine Zusatzfrage mehr.
Damit sind wir am Ende der Fragen zu diesem Geschäftsbereich. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen brauche ich nicht aufzurufen, weil die Fragen 12 und 13 des Abg. Becker auf dessen Wunsch schriftlich beantwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Auch den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie brauche ich nicht aufzurufen, weil die Frage 14 des Abgeordneten Dr. Klejdzinski auf dessen Wunsch schriftlich beantwortet werden soll. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Herr Staatssekretär Dr. Häfele ist zur Beantwortung der Fragen anwesend.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Dr. Sperling auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, private Aufwendungen für Haushaltshilfen steuerlich abzugsfähig zu machen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Bereits heute besteht in Fällen von Alter und Krankheit die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen des § 33a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes private Aufwendungen für Haushaltshilfen bis zu einem Höchstbetrag von 1 200 DM im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Diese Möglichkeit ist z. B. gegeben, wenn der Steuerpflichtige oder sein nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte das 60. Lebensjahr vollendet hat oder nicht nur vorübergehend körperlich hilflos oder schwer körperbehindert ist.Darüber hinaus wurde auf Grund der Koalitionsvereinbarungen vom Frühjahr 1987 eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet, die derzeit prüft, inwieweit eine Auflösung der im Steuerrecht bestehenden strengen Trennung zwischen steuerlich abzugsfähigen Aufwendungen und nicht abziehbaren Aufwendungen der privaten Lebensführung zugunsten der Schaffung neuer Arbeitsplätze in den privaten Haushalten in Frage kommt. Dazu müssen die Steuer- und beschäftigungspolitischen Auswirkungen eines solchen Eingriffs in die Steuersystematik sorgfältig geklärt werden. Die Arbeitsgruppe hat den Auftrag, die steuerpolitischen, steuersystematischen, steuertechnischen sowie die beschäftigungspolitischen Auswirkungen und Probleme darzustellen und eine Aussage darüber zu machen, welche Steuerausfälle die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen des Arbeitgebers für Arbeitskräfte im privaten Haushalt mit
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Parl. Staatssekretär Dr. Häfelesich bringt und welche Mehreinnahmen bei der Lohnsteuer und beim Beitragsaufkommen der gesetzlichen Rentenversicherung seitens der in privaten Haushalten beschäftigten Personen dem gegenüberstehen würden.Das Ergebnis dieser Überprüfung bleibt abzuwarten.
Zusatzfrage, Herr
Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, da Ihr Kollege von Wartenberg dies den Zeitungen als eine enorme beschäftigungspolitische Geschichte verkauft, habe ich die Frage: Wie lange wollen Sie denn prüfen, ob Sie dieses vielleicht letzte verbliebene Stück einer aktiven Beschäftigungspolitik der Bundesregierung in Gang setzen wollen?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Sie berühren schon etwas Ihre nächste Frage. Wenn Sie es wünschen, will ich gern darauf antworten.
Dann rufe ich auch die Frage 35 des Abgeordneten Dr. Sperling auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Wartenberg, daß die steuerliche Abzugsfähigkeit der Aufwendungen z. B. für Dienstmädchen eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme darstellen würde?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihnen schon gesagt, wir müssen das Ergebnis dieser Überprüfung abwarten. Erst dann kann man sich zu den beschäftigungspolitischen Auswirkungen äußern.
Weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Sperling.
Wird sich dieses Abwarten vor allen Dingen durch Aussitzen dokumentieren?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Nein, Sie wissen, wie schnell das Finanzministerium arbeitet. Wir haben es hier aber mit mehreren Ressorts zu tun.
Ihre dritte Zusatzfrage, Herr Dr. Sperling.
Ist angesichts des hohen steuertechnischen Raffinements, mit dem Sie vorgehen müssen, auch daran gedacht, neben Aufwendungen für ganz normale Haushaltshilfen, deren Arbeitskraft im Privathaushalt konsumiert wird und deren Beschäftigung gegebenenfalls steuerlich abzugsfähig gemacht wird, auch Investitionen in zusätzliche Haushaltsmaschinerien steuerlich abzugsfähig zu machen, so daß die Aufwendungen wie Betriebsaufwendungen behandelt würden, wenn man Haushaltsmaschinen, Staubsauger, Bügelmaschinen und anderes anschafft?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Sperling, wir haben schon viel zu viele steuerliche Subventionen. Unser Hauptproblem im Steuerrecht besteht nicht darin, neue Subventionen zu schaffen, sondern darin, vorhandene zu überprüfen. Deswegen bauen wir bei der Steuerreform einen Teil der steuerlichen Subventionen ab.
Herr Dr. Sperling, letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, meine letzte Frage: Können Sie verstehen, daß angesichts der beschäftigungspolitischen Untätigkeit der Bundesregierung dieses reichlich groteske Mittel von Beschäftigungspolitik im Kopfe Ihres Kollegen von Wartenberg Grund zur Nachfrage gibt, weil in der Beschäftigungspolitik sonst nichts mehr Grund zur Nachfrage gibt?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie nicht für diese Lösung sind?
— Dann ist das ein wertvoller Beitrag in der Diskussion, die wir im Augenblick auch in dieser Arbeitsgruppe haben.
Man könnte nur die Frage aufwerfen, ob dann nachher der Wirtschaftsminister für das Beantworten zuständig wird.
Bitte schön, Herr Kuhlwein, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie eben wie auch bei früheren Gelegenheiten wieder ein glühendes Bekenntnis zum Abbau von Subventionen abgelegt haben: Würden Sie die in Prüfung befindliche Maßnahme, von der eben die Rede war, als eine Subventionierung der Leute, die sich Dienstmädchen leisten können und wollen, ansehen, oder fällt das nicht unter den Subventionsbegriff?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Ich habe schon gesagt, daß bei dieser Überprüfung selbstverständlich auch bedacht werden muß, ob wir nicht einen neuen Subventionstatbestand einführen, der vielfach zu Mitnahmeeffekten bei den falschen Leuten führt.
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Sellin auf:Will Bundesfinanzminister Dr. Stoltenberg durch eine Amnestie für in der Vergangenheit hinterzogene Steuern auf Zinserträge die Zustimmung von Dr. Graf Lambsdorff und der Fraktion der FDP erlangen, um für die beabsichtigte Einführung der Quellensteuer in Höhe von 10 v. H. als Beitrag zur Finanzierung der Steuerreform den Weg freizubekommen?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sellin, Ihre Vermutung trifft nicht zu. Der Vorschlag des Bundesministers der Finanzen besagt, daß Steuerpflichtige, die nach dem Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes 1990 — das ist voraussichtlich im Sommer dieses Jahres — bis zum 31. Dezember 1990 ihre Zinseinkünfte und das entsprechende Kapitalvermögen ab 1986 ordnungsgemäß erklären oder nacherklären, insoweit weder mit Steuernachforderungen für die Zeit vor 1986 noch mit Straf- oder Bußgeldverfahren zu rechnen haben.Hintergrund des Vorschlags sind die zusätzlichen Maßnahmen, die neben der Kapitalertragsteuer auf Zinseinnahmen im Rahmen der Steuerreform zur besseren Erfassung von Zinseinkünften vorgesehen sind, nämlich: Die Kreditinstitute werden ihre Kunden künftig ausdrücklich auf die Steuerpflicht hinweisen. Außerdem werden die Steuererklärungsvordrucke
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3766 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1988
Parl. Staatssekretär Dr. Häfeledeutlichere Hinweise auf die Verpflichtung zur Erklärung von Zinseinkünften enthalten. Der Steuerpflichtige hat den Vordruck über die Erklärung von Zinseinkünften gesondert zu unterschreiben.Die vorgeschlagene Regelung soll den Steuerpflichtigen, die ihre Zinseinkünfte und das entsprechende Kapitalvermögen bislang nicht ordnungsgemäß erklärt haben, den Schritt in die Steuerehrlichkeit erleichtern.
Zusatzfrage, Herr Sellin.
Dem Referentenentwurf kann ich entnehmen, daß ein umfassender Amnestietatbestand für nicht deklarierte und nicht angegebene Zinserträge geplant ist. Verträgt sich im Rechtsbewußtsein von Finanzminister Stoltenberg eine Amnestie für hinterzogene Steuern wegen nicht angegebener Zinserträge aus Kapitalvermögen gegenüber den Finanzämtern über viele Jahre hinweg mit der Zwangs- und Bußgeldfestsetzung und -eintreibung gegenüber nicht auskunftswilligen Bürgern im Rahmen der Volkszählung, die u. a. durch Kürzung von Lohnsteuerausgleichserstattungsbeiträgen erfolgen soll?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Es handelt sich hier nicht um eine Steueramnestie, sondern um ein Verbot der Verwertung von Tatbeständen, die bei anderer Gelegenheit von der Finanzverwaltung festgestellt werden. Der Sinn des Ganzen ist, die Leute an mehr Steuerehrlichkeit heranzuführen. Das Verwertungsverbot ist nur sinnvoll, wenn insoweit auch keine Strafe vorgesehen ist. Das ist ganz klar.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Sellin.
Teilt die Bundesregierung die Schätzung der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, daß von den jährlich anfallenden Zinseinnahmen von 15 bis 17 Milliarden DM nur rund 3 Milliarden DM gegenüber dem Finanzamt angegeben werden, und will die Bundesregierung auf die in den vergangenen zehn Jahren hinterzogenen Steuern — vgl. Abgabenordnung — endgültig verzichten?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank und auch mit dem Bundesrechnungshof vor etwa einem Jahr eine gründliche Untersuchung durchgeführt, wie hoch der Prozentsatz sein könnte. Diese ganz seriösen Ermittlungen sind zu dem Ergebnis gekommen, daß wirklich niemand genau sagen kann, wie hoch der Anteil ist. Das kann niemand sagen.
Ich habe eine Zusatzfragemeldung von Frau Olms.
Ist aus der Sicht des Bundesfinanzministers Stoltenberg das Unrechtsbewußtsein der Steuerpflichtigen zu rechtfertigen bzw. legitim, daß nur eine Amnestie die Einführung der Quellensteuer unter Zustimmung von Herrn Lambsdorff sowie der FDP als durchsetzbar erscheinen läßt?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Es geht nicht um das Unrechtsbewußtsein allein. Es hat wahrscheinlich nicht wenige ordentliche Bürger gegeben, die sich nicht darüber im klaren waren, daß sie die Erträge aus ihrem Sparvermögen zu versteuern haben. Das Bewußtsein hat sich schon verändert. Vor zwei, drei Jahren, übrigens auch infolge einer Anmerkung des Bundesrechnungshofs, ist ein alter Erlaß wieder zum Leben erweckt worden, der zwar noch galt, aber nicht mehr praktiziert wurde, daß z. B. im Erbschaftsfall die Erbschaftsteuerfinanzämter an die Einkommensteuerfinanzämter zu berichten haben. Es hat sich in dieser Richtung etwas verändert. Die neuen Maßnahmen, von denen ich gesprochen habe, vor allem auch die ergänzenden Maßnahmen, werden sicher dahin führen, daß den Menschen dieses Problem mehr bewußt ist. Wir wollen ja, daß nicht etwa der Ehrliche der Dumme ist, sondern daß die Gleichmäßigkeit der Besteuerung stattfindet.
Jetzt kommt Frau Oesterle-Schwerin mit einer Zusatzfrage.
Wieso werden Zinserträge aus Kapitalvermögen nicht weiterhin als eine Einkunftsart unter anderen im Rahmen des Einkommensteuersystems behandelt und entsprechend der Progression der zukünftigen Steuersätze zwischen 19 % und 53 % erhoben? Was unterscheidet Zinserträge von anderen Einkunftsarten?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, es wird künftig genauso gehandhabt. Der persönliche Steuersatz gilt natürlich auch für diese Einkünfte. Die 10 % sind nur eine Anrechnungssteuer. Diese 10 % werden auf jeden Fall schon einmal an der Quelle einbehalten. Aber nachher gilt der persönliche Steuersatz wie bei allen anderen Einkünften auch.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, können Sie verstehen, daß sich angesichts dieser Entmummungsverlockung, die der Finanzminister von sich gegeben hat, alle diejenigen, die wie ich ihre Zinseinkünfte brav versteuert haben, reichlich doof vorkommen und der Auffassung sind, bei dieser Bundesregierung lohne es , in Geldsachen nur lange genug das Recht zu brechen, dann werde man schon amnestiert werden?Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Sperling, ich glaube, die schon bisher Steuerehrlichen — das wird ein ganz großer Teil unseres Volkes sein — freuen sich, wenn auch die anderen steuerehrlich werden. So steht es schon sinngemäß in der Bibel. Das ist doch wohl auch Ihre Haltung.
— Das wollen wir aber erreichen.
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Schade, daß man von hier oben nichts sagen darf.
Herr Sellin, Sie sind mit Ihrer nächsten Frage dran, der Frage 37:
Teilt der Bundesminister der Finanzen die Auffassung, daß, wer seine Quellensteuer zurückerhalten will, steuerehrlich sein muß, daß aber mit Zinsen von 10 v. H. davonkommt, wer seine Einkommensteuer auf die Zinsen hinterziehen will?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Die neue Kapitalertragsteuer ist eine besondere Form der Erhebung der Einkommensteuer mit Vorauszahlungscharakter. Sie wird deshalb im Regelfall bei der Veranlagung zur Einkommensteuer auf diese angerechnet. Ist ein Steuerpflichtiger nicht zur Einkommensteuer zu veranlagen, z. B. weil sein Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit unter 24 000 DM bei Ledigen und 48 000 DM bei Verheirateten liegt und seine Kapitaleinkünfte — nach Abzug von Werbungskosten und Sparerfreibetrag — nicht mehr als 800 DM im Veranlagungszeitraum betragen, kommt eine Erstattung der Kapitalertragsteuer in Betracht. Der von Ihnen gebildete Gegensatz ist daher keine Frage der Steuerehrlichkeit.
Zusatzfrage, Herr Sellin.
Ist es für Sie nicht überraschend, daß unser Kollege Graf Lambsdorff im „Handelsblatt" genau den Tatbestand meiner Frage angeführt hat, daß jeder Steuerpflichtige in Zukunft mit 10 % davonkommt, weil er die Quellensteuer entrichtet, weil die Bank diese abführt, und daß Sie durch Ihr Amnestiegesetz die Finanzämter nicht mehr in die Lage versetzen, auf Grund der Beträge, die von den Banken an die Finanzämter geflossen sind und die einen Rückschluß auf das vorhandene Vermögen erlauben, das nicht deklariert ist, Ermittlungen zu führen?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sellin, wir wollen mehr Steuerehrlichkeit erreichen, und zwar bis zum Jahre 1986 zurück. Es werden — nächstes Jahr tritt das in Kraft — die Jahre 1986, 1987, 1988 und 1989 sein. Sie müssen irgendwann anfangen. Es ist doch besser in Verbindung mit den ergänzenden Schritten, von denen ich gesprochen habe, einen Anfang zu machen, als den Fehler zu begehen, die Leute so vor den Kopf zu stoßen, daß das Finanzamt gar nichts bekommt.
Weitere Zusatzfrage, Herr Sellin.
Wieso setzt sich der Bundesfinanzminister nicht für automatische Kontrollmitteilungen der Banken an die Finanzämter ein, um eine Quellensteuer von allen Steuerpflichtigen erheben zu können, wie es in den doch so freiheitlichen Vereinigten Staaten in Höhe von 30 % immerhin üblich ist?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Weil dies eine fürchterliche Bürokratie wäre, die sich auch in Amerika nicht bewährt hat.
Zusatzfrage des Abgeordneten Stiegler.
Herr Staatssekretär, können Sie es wirklich auch von der Verfassung her verantworten, daß Sie in Milliardenhöhe auf rückständige Steuern verzichten, die bisher hinterzogen worden sind, und würden Sie mir mitteilen lassen, wie die verfassungsrechtliche Prüfung in Ihrem Haus, so sie überhaupt stattgefunden hat, aussieht, ob man, wenn man andere Möglichkeiten hat, das geltende Recht durchzusetzen, einfach viele Milliarden sozusagen verschenken darf und auch noch den Strafanspruch des Staates wegwerfen darf, wenn man einen solchen Sachverhalt neu regelt, obwohl es genügend andere Möglichkeiten gibt, die Steuerehrlichkeit durchzusetzen?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Hier wird nicht auf irgend etwas verzichtet, sondern das wird zu Mehreinnahmen führen. Verfassungsrechtlich haben wir das natürlich geprüft.
— Ja, natürlich, das ist nicht geheim.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie vorhin fehlendes Wissen statt wissenwidriges Handeln für das Nichtzahlen von Steuern als Grund angenommen haben, müßten Sie dann nicht logischerweise davon ausgehen, daß, wer 10 % Quellensteuer gezahlt hat, sagt: Nun habe ich meinen Obolus entrichtet; was will denn diese freundliche Bundesregierung noch von mir; sie will ja mit den Steuern herunter, das war es denn auch?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege Sperling, wir haben ja verschiedene ergänzende Maßnahmen zusammen mit dem, was schon seit zwei, drei Jahren praktiziert wird. Diese Maßnahmen zusammengenommen werden — das ist unsere Überzeugung — zu einer wesentlich größeren Steuerehrlichkeit führen. Das ist der Sinn des Ganzen.
Frau Olms hat noch eine Zusatzfrage.
Soll die Quellensteuer auch auf Zinserträge der Kapitalvermögen der Kirchen, des Caritasverbandes, der Gewerkschaften und gemeinnütziger Stiftungen erhoben werden, und wie hoch wird der Anteil dieser Steuereinnahmen am Aufkommen aus der Quellensteuer in Höhe von angeblich 4,3 Milliarden DM schätzungsweise sein?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Nach der Koalitionsvereinbarung gibt es nur eine Ausnahme, und die ist das gesetzliche Sparkonto. Zur Frage, wie hoch der Ausfall wäre: Das hängt davon ab, ob Sie die bisherigen Fälle völliger oder teilweiser Erstattung meinen. Wenn Sie alle zusammen freistellen, die bisher ganz oder teilweise eine Erstattung der Körperschaftsteuer bekommen haben, ergäbe das etwa eine halbe Milliarde DM Unterschied.
Zusatzfrage, Herr Kuhlwein.
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3768 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1988
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung denn dann sicherstellen, daß die Mehrbelastung der Wohlfahrtsverbände und der Kirchen durch den Abzug der Quellensteuer von ihren Einlagen ausgeglichen wird, damit diese Einrichtungen auch in Zukunft ihre sozialen Aufgaben erfüllen können?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Es handelt sich um eine 10%ige Steuer auf die Zinserträge. Man darf das nicht allzusehr dramatisieren.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hirsch, bitte schön.
Herr Staatssekretär, ich möchte mich jetzt nur vergewissern, ob ich Sie richtig verstanden habe, oder ob es ein Irrtum ist. Sie sagten eben, man dürfe das nicht dramatisieren, es handele sich ja nur um eine 10%ige Steuer auf die Zinsen.
Sie haben aber doch den ganzen Betrag mit einer halben Milliarde angegeben. Das würde doch bedeuten, daß die Wohlfahrtsverbände, die karitativen Organisationen usw. mit einer halben Milliarde zusätzlich zur Kasse gebeten werden.
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Das gilt, wenn Sie alles zusammenfassen, wenn Sie auch diejenigen einbeziehen, die bisher bei der 25%igen Kapitalertragsteuer eine halbe Erstattung bekommen haben. Ich habe ausdrücklich alles zusammengefaßt. Wenn Sie nur die gemeinnützigen Organisationen im engeren Sinne nehmen, die bisher eine volle Erstattung bekommen haben, sind es etwa 100 Millionen DM.
Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Kuhlwein auf:
Welche Überlegungen haben die Bundesregierung bewogen, dem Personalrat der Stadtverwaltung Lauenburg/Elbe die Broschüre ,,Alles klar — die Steuern gehen runter" zuzusenden, und hat die Bundesregierung dabei bedacht, daß Steuerangelegenheiten nicht zum Aufgabenkatalog der Personalräte gehören?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Der Personalrat der Stadtverwaltung Lauenburg/Elbe gehört zu einem rund 40 000 Empfänger umfassenden Adressenbestand des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, der regelmäßig mit allen neuen Veröffentlichungen aus den Bereichen Sozial-, Gesellschafts-, Arbeits- und Wirtschaftspolitik beliefert wird. Bisher hat keiner der rund 18 500 Empfänger aus dem Kreis der Betriebs- und Personalräte erkennen lassen, daß er sein Interesse an Politik ausschließlich auf den Zuständigkeitsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes oder des Personalvertretungsgesetzes beschränkt wissen will.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß eine umfassende sachliche Unterrichtung über die Entlastungen, die die Steuerreform nicht zuletzt den Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen bringt, auch
für alle gewählten Vertreter der Arbeitnehmer von besonderem Interesse ist.
Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat deshalb auch im Interesse der Bediensteten gehandelt, als es dem Personalrat der Stadtverwaltung Lauenburg/Elbe das Faltblatt „Alles klar — die Steuern gehen runter" zugesandt hat.
Zusatzfrage des Abgeordneten Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, nach welchen Gesichtspunkten und aus welchen Dateien hat sich denn die Bundesregierung dieses Adressenregister für das Presse- und Informationsamt zusammengestellt?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihnen schon gesagt: Es ist ein Bestand von 40 000 Empfängern. Ich glaube nicht, daß es von irgendwelchen Parteien abhängig gemacht wurde.
— Dann habe ich Sie falsch verstanden. Man müßte das Presse- und Informationsamt befragen. Das sind wahrscheinlich Karteien, die es von der alten Bundesregierung übernommen hat.
Zusatzfrage des Abgeordneten Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung bei der Zusendung der Broschüre an die Personalräte denn bedacht, daß eine Verbreitung der Informationen ja ausgeschlossen ist, da sie als parteipolitische Betätigung gewertet werden könnte und damit einen Verstoß gegen das Personalvertretungsgesetz darstellen könnte?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Nein, das ist eine Information der Bundesregierung.
— Sie kennen das Faltblatt ja. Sie haben es sicher auch bekommen. Darin wird das dargestellt, was wir im Entwurf beschlossen haben.
Ich glaube, bisher ging der Vorwurf an die Bundesregierung eher in die umgekehrte Richtung, nämlich, daß wir zuwenig getan hätten, um das beschlossene Gute den Menschen auch wirklich verständlich zu machen. Ich glaube, das ist eher der Vorwurf gewesen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, ist es der Bundesregierung nicht eher peinlich, den Personalräten im öffentlichen Dienst diese wahrheitswidrigen Behauptungen der Bundesregierung zuzuschicken, weil nunmehr, nach der ersten Auszahlung der Gehälter im Januar, feststeht, daß für einen erheblichen Teil der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes die Nettozahlungen sinken, weil gleichzeitig die Bemessungsgrenzen gestiegen sind? Mir liegen die ersten Klagen
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Dr. Sperlingvor — ich hoffe, Ihnen auch —, daß man inzwischen netto mit weniger nach Hause geht als vor der Steuerreform.Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Wir haben ganz andere Zuschriften.
Zusatzfrage des Abgeordneten Tietjen.
Ist die Bundesregierung heute noch von der Richtigkeit und der Ehrlichkeit des Titels dieser Broschüre überzeugt?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Natürlich. Es ist die größte Steuersenkung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Allein die jetzt im Jahre 1988 in Kraft getretene Stufe ist die größte Steuersenkung seit 1945 — deswegen, Herr Kollege Dr. Sperling, haben Sie nicht recht —; das gilt dann natürlich erst recht für alle drei Stufen der Steuerreform zusammen.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Roitzsch.
Herr Staatssekretär, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß meine persönliche Referentin mit Beginn dieses Jahres 151,78 DM weniger Steuern zahlt?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Meine Schwester hat mich genauso informiert und war richtig glücklich. Wenn sich nur alle melden würden, die jetzt plötzlich glücklich geworden sind!
Also, das wird ja ein interessanter Februar.
Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 15 der Abgeordneten Frau Olms auf :
Wie viele Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind Zielobjekt des Verfassungsschutzes und sind im System NADIS gespeichert?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Die Bundesregierung ist — wie auch frühere Bundesregierungen — der Auffassung, daß sich die Ihrer Frage zugrundeliegende Materie für eine öffentliche Beantwortung nicht eignet, und verweist insoweit auf die für geheimhaltungsbedürftige Sachverhalte eingerichtete Parlamentarische Kontrollkommission.
Zusatzfrage, Frau Olms.
Ich frage den Vertreter der Bundesregierung, ob der Vertreter der Bundesregierung entscheidet, welche Fragen sich für eine Beantwortung eignen oder nicht, und auf welcher Rechtsgrundlage das beruht.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat, wie ich Ihnen dargelegt habe, diese Fragen auch in der Vergangenheit als nicht geeignet angesehen, hier in diesem Gremium öffentlich diskutiert zu werden.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Frau Olms.
Ich verzichte.
Dann kommt eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lüder.
Herr Staatssekretär, darf ich, wenn Sie die Auskunft verweigern, wie viele Abgeordnete — nicht, welche Abgeordnete — Zielobjekt des Verfassungsschutzes sind, die Frage nach der Rechtsgrundlage wiederholen? Ist es richtig — — Nein, Verzeihung, das wäre die nächste Zusatzfrage.
Sie haben aber nur eine.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege Lüder, es war immer Praxis, daß die Fragen, ob und wie viele Abgeordnete, wie es formuliert wurde, „Zielobjekt des Verfassungsschutzes" seien, nach Auffassung der Bundesregierung nicht im Parlament zu diskutieren seien, sondern dies den zuständigen Gremien und hier insbesondere der Parlamentarischen Kontrollkommission zu überlassen sei.
Herr Dr. Lippelt, Sie haben eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da meine Fraktion in dieser hochwohllöblichen Kommission nicht vertreten ist: Würden Sie mir die persönliche Frage beantworten, ob ich da gespeichert bin? Die Frage stelle ich ja selbst.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich bedauere, hier von meiner ersten Antwort nicht abweichen zu können. Es ist ja nicht von der Bundesregierung zu verantworten, wenn Sie in der PKK nicht vertreten sind.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß Abgeordnete überhaupt Gegenstand der Aufnahme in die Datei sind — und im
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3770 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1988
Dr. SperlingZuge des Gleichheitsgrundsatzes natürlich alle Abgeordneten?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Sie werden hier sicher der Meinung zustimmen, daß es im Rahmen der Aufgabe des Verfassungsschutzes für Abgeordnete keine Sonderrechte geben kann.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, indem ich davon ausgehe, daß über Namen von Abgeordneten in der Vergangenheit — berechtigterweise — nicht öffentlich verhandelt und gesprochen worden ist.
Haben Sie denn eine eigene Begründung dafür, daß die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik oder des Dienstes dadurch beeinträchtigt würden, daß Sie die Zahl angeben, um wie viele Abgeordnete es sich handelt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege Dr. Hirsch, ich darf noch einmal zum Ausdruck bringen, daß die gesamte Materie in der Form, wie Fragen gestellt worden sind — und ich darf noch einmal an die Frage von Frau Olms erinnern — , hier im Plenum niemals Gegenstand der Diskussion war. Das war bei früheren Bundesregierungen nicht anders, als die jetzige Bundesregierung es zu handhaben gedenkt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Sellin.
Werden die Aktivitäten des Verfassungsschutzes gegen Abgeordnete von allen Bundesländern mitgetragen, oder sind es nur die von der CDU/CSU und der FDP getragenen Bundesländer?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich sehe hier keinen Zusammenhang mit der Eingangsfrage.
Das ist überhaupt schwer zu erkennen, ja.
Zusatzfrage des Abgeordneten Tietjen.
Herr Staatssekretär, können Sie mir denn nach den Antworten, die Sie oberflächlich gegeben haben, jetzt bestätigen, daß Abgeordnete des Deutschen Bundestages Zielobjekte des Bundesamtes für Verfassungsschutz sind und in NADIS gespeichert sind?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann und will Ihnen hier weder in der einen noch in der anderen Richtung irgend etwas bestätigen, sondern es ist Sache der zuständigen Gremien, bei entsprechenden Fragen, auch über eventuelle Zahlen
und auch, was die Grundsatzfragen anlangt, über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes in diesem Zusammenhang Auskünfte zu geben.
Zusatzfrage des Abgeordneten Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, ich bin ja nun in großer Sorge, was meine Person angeht: Würden Sie mir denn jetzt wenigstens bestätigen können, daß ich nicht Zielobjekt des Verfassungsschutzes bin und deshalb auch nicht in NADIS gespeichert bin?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kuhlwein, ich würde das ja sehr gerne tun, aber dann würde ich natürlich meinen Grundsatz und meine erste Antwort ad absurdum führen. Das werden Sie mir wohl nicht zumuten wollen.
Ich rufe jetzt die Frage 16 des Abgeordneten Dr. Nöbel auf:
Wann wird die Bundesregierung entsprechend ihrer Ankündigung eine Entscheidung zur Gesamtproblematik des § 55 Beamtenversorgungsgesetz vorlegen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Nöbel, entsprechend den Koalitionsvereinbarungen prüft die Bundesregierung die Gesamtproblematik des § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes zur Zeit noch einmal, und zwar hat der Bundesminister des Innern die Länder zu einer umfassenden Erörterung der Angelegenheit für Mitte Februar 1988 eingeladen.
Zusatzfrage, Herr Nöbel.
Sind denn die festen Zusagen Ihrer Fraktionskollegen Dr. Laufs, Dr. Waigel und seinerzeit auch des Kollegen Broll z. B., die im Wahlkampf gegeben wurden, jetzt in heiße Luft aufgelöst?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Nöbel, ich möchte jetzt nicht die von allen Parteien zu dieser Problematik gemachten Aussagen zitieren. Ich möchte auch nicht daran erinnern, zu welchem Zeitpunkt diese Ausdehnung der Anrechnung erfolgt ist. Aber ich nehme hier Antworten auf andere Fragen, die gestellt wurden, vielleicht etwas vorweg: Es gibt eine Koalitionsvereinbarung, die festgelegt hat, daß die Gesamtproblematik nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch einmal zu überprüfen ist. In diesem Stadium befindet sich die Bundesregierung. Sie wird alles Für und Wider in diesem Zusammenhang abwägen.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, bitte schön, Herr Nöbel.
Halten Sie im Hinblick auf eine Beschleunigung für nützlich, daß außer mir eine Reihe von Kollegen meiner Fraktion dieses Bombardement von Fragen stellen?
Deutscher Bundestag — 1 l . Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1988 3771
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Nobel, ich halte Fragen, die Sie und die von Ihnen genannte Kollegen heute stellen, durchaus und immer für nützlich.
Nur, sie werden zu keiner zusätzlichen Beschleunigung führen, weil der Fahrplan feststeht. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluß vorn 30. September, bekanntgemacht am 4. Dezember 1987, wird nun zusammen mit den Ländern auf Einladung des Innenministers im Februar 1988 beraten werden, und die Entscheidungen werden dann entsprechend der Koalitionsvereinbarung in der Bundesregierung getroffen werden, unabhängig von diesem Bombardement von Fragen heute.
Wir kommen nun zu Teil zwei dieses Feuerwerks. Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Dr. Nöbel auf:
Welche Fragen sind nach Auffassung der Bundesregierung noch zu klaren, bevor eine Entscheidung zur Gesamtproblematik des § 55 Beamtenversorgungsgesetz getroffen werden kann?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es ist grundsätzlich zu klären, ob und gegebenenfalls welcher politische Handlungsbedarf zugunsten der von der Ausdehnung der Ruhensregelung Betroffenen noch besteht. Dabei wird insbesondere auch die Frage der Finanzierung eine bedeutende Rolle spielen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Nobel.
Ist es Zufall, daß die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern heute nach denen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen aufgerufen werden,
und ist es nicht eigentlich die finanzielle Situation in diesem Lande, die hier
— der Kollege Bernrath meinte, das sei seine Zusatzfrage, das wußte ich nicht — zu dieser Verzögerung führt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Nobel, ich will jetzt nicht die Gründe hinterfragen, die 1981 für die damals getroffene Entscheidung maßgebend waren.
Ich räume natürlich ein, daß die Frage der Finanzierung eine bedeutende Rolle spielen wird. Aber entscheidend ist natürlich auch der Inhalt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Sie kennen und die ja auch, was die sachliche Richtigkeit der Entscheidung anlangt, nicht unbeträchtliche und unbedeutende Ausführungen macht.
Weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Nöbel.
Teilen Sie die Meinung des Kollegen Miltner, der im letzten Jahr von der Glaubwürdigkeit in dieser Frage gesprochen hat? Glauben Sie, daß die Frage der Glaubwürdigkeit zur Beschleunigung des ganzen Verfahrens führen kann?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Nöbel, ich kann hier nicht nur den Kollegen Miltner zitieren; ich könnte auch Aussagen von mir aus den Jahren 1981/82 zitieren, die diesen Problembereich berühren. Ich kann auch Aussagen aus Ihrer Fraktion zum Thema Glaubwürdigkeit zitieren. Das ändert alles nichts daran, daß die Frage der Finanzierbarkeit unabhängig davon eine entscheidende Rolle spielt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Stiegler.
Herr Staatssekretär, könnten Sie als Verfassungsministerium Ihre Finanzsorgen dadurch mindern, daß Sie dem Finanzminister mitteilen, daß sein beabsichtigter Steuererlaß für Zinsensteuerhinterzieher verfassungswidrig ist und daß Sie mit diesen Mehreinnahmen Unrecht an den von § 55 Betroffenen wiedergutmachen könnten?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich weiß nicht, wem gegenüber Sie jetzt den Vorwurf unrechtmäßigen Handelns erheben wollen. Ich sage nochmals: Die Entscheidung ist von einer anderen Bundesregierung getroffen worden. Die jetzige hat mit nicht unbeträchtlichem Finanzaufwand drei Abmilderungen vorgenommen. Es werden dann weitere Fragen kommen; auch zur Frage der finanziellen Belastung einer Modifizierung des § 55 werden ja von der Bundesregierung noch Auskünfte erteilt werden. Wir sind in dem Zusammenhang für jede Art von Finanzierungsvorschlag, den der Finanzminister akzeptiert, dankbar.
Zusatzfrage, Herr von Wartenberg, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen soeben an, daß eine andere Bundesregierung dies ja in die Wege geleitet habe. Das Jahr 1981 spielte bei Ihnen soeben auch eine Rolle. Sind Sie nicht bereit, auch daran zu erinnern, daß das 2. Haushaltsstrukturgesetz auch mit den Stimmen der CDU/ CSU-Fraktion beschlossen worden ist und daß die Regelung des § 55 mit der Mehrheit der CDU/CSU-Länder im Bundesrat zustande gekommen ist?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Mir ist durchaus bekannt, daß das ein Kompromiß war, der letztendlich dann auch im Rahmen des Vermittlungsausschusses mit zig anderen Vorschlägen akzeptiert worden ist. Aber das ändert nichts daran, daß der ursprüngliche Vorschlag und der entsprechende Gesetzentwurf nicht von der jetzigen Bundesregierung oder ihrer Vorgängerin von 1982 bis 1987 gekommen ist.
3772 Deutscher Bundestag 11. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1988
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, nachdem hier mit Recht daran erinnert worden ist, daß nicht nur die damalige Koalition, sondern die Mehrheit der Bundesländer, bestehend aus allen denkbaren Mehrheiten, der für die Pensionäre nachteiligen Regelung zugestimmt hat, frage ich Sie: Ist es nicht so, daß zu den nun zu klärenden Voraussetzungen für eine Rückreform des § 55 auch die Abstimmung mit den Bundesländern gehört, und können Sie uns hier nicht etwas darüber sagen, in welchem Stadium sich diese Abstimmung mit den Bundesländern befindet und ob diese ihrerseits schon ihre Bereitschaft erklärt haben, auf die Abrechnungsregelung des § 55 im Interesse der betroffenen Pensionäre zu verzichten?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Hirsch, wenn ich mich recht erinnere, habe ich schon eingangs auf die Frage von Herrn Dr. Nöbel darauf hingewiesen, daß der Innenminister die Länder zu einem Treffen im Februar 1988 eingeladen hat, so daß die Bundesregierung hier zusammen mit den Ländern berät, welcher politische und sachliche Handlungsbedarf unter dem Gesichtspunkt des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom September 1987 besteht.
Zusatzfrage des Abgeordneten Weiß .
Herr Staatssekretär, gibt es im Innenministerium schon konkrete Überlegungen, was in die Konferenz mit den Ländern eingebracht werden soll — etwa weitere Abmilderungsregelungen oder ähnliches — , oder sind diese Vorschläge und Überlegungen erst in der Vorbereitung?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Nein. Ich glaube, es ist richtig, wenn wir hier nicht mit einem Konzept in dieses Gespräch gehen. Herr Wartenberg hat zu Recht darauf hingewiesen — ich konnte das ja bestätigen —, daß die damalige Entscheidung auch in enger Verbindung mit den Ländern getroffen worden ist, und ich hielte es nicht für sinnvoll, jetzt an den Ländern vorbei irgendwelche Konzeptionen zu entwikkeln, zumal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts — das muß man ja sagen — auf Grund der 28 Verfassungsbeschwerden, die abgewiesen worden sind, auch im Inhalt eine sehr eindeutige Sprache spricht.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lüder.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für richtig, daß die Bundesregierung in die Abstimmung mit den Ländern mit der Zielrichtung geht, wenigstens Verbesserungen für die betroffenen älteren Arbeitnehmer zu erreichen, um so mehr Vertrauen auch bei den älteren Arbeitnehmern in die Politik und deren Zusagen insgesamt zu gewinnen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich nehme diese Anregung gerne auf. Das wird sicherlich in die Gespräche der Bundesregierung einfließen. Es wäre für die Bundesregierung sicherlich sehr hilfreich, wenn bei
diesen sehr begrüßenswerten Vorschlägen zur Verbesserung der Situation auch gleich die entsprechenden Finanzierungsvorschläge gemacht würden.
Jetzt rufe ich die Frage 18 des Abgeordneten Bernrath auf:
Welche Gründe waren für die Bundesregierung bisher maßgebend, an der Grundsatzregelung des § 55 Beamtenversorgungsgesetz in der Fassung des 2. Haushaltsstrukturgesetzes festzuhalten?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Die Gründe, Herr Kollege Bernrath, für die Ausdehnung der Ruhensregelung des § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz sind Ihnen sicher noch bekannt. Die jetzige Regierungskoalition hat diese Regelung bereits dreimal abgemildert. Die Koalitionsparteien haben sich darauf verständigt, über die Gesamtproblematik des § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes nach Vorliegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu entscheiden.
Ich bitte um Nachsicht, Herr Bernrath, wenn ich eine Reihe von Dingen, die ich erwähnt habe, in den Antworten auf andere Fragen im Grunde schon vorgetragen habe.
So daß sie nicht wiederholt zu werden brauchen.
Bitte schön, Herr Bernrath, eine Zusatzfrage.
Wenn Sie sich auf das Gespräch mit den Ländern vorbereiten, Herr Staatssekretär, werden Sie dabei berücksichtigen, daß notwendige Verbesserungen zumindest in dem Umfange auch finanziert werden können, wie das ursprünglich kalkulierte Einsparpotential überschritten worden ist, nämlich im Umfang von 200 Millionen DM jährlich?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Diese Überlegungen werden sicher mit einfließen.
Keine weitere Zusatzfrage? — Dann rufe ich Ihre Frage 19, Herr Bernrath, auf:Denkt die Bundesregierung daran, die Grundsatzregelung des § 55 Beamtenversorgungsgesetz in der Fassung des 2. Haushaltsstrukturgesetzes künftig in Frage zu stellen?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich möchte Ihnen eine zusammenfassende Antwort geben, obwohl der Herr Präsident meinte, es sei möglicherweise nur der Verweis auf die vorherigen Antworten notwendig.Entsprechend den Koalitionsvereinbarungen prüft die Bundesregierung zur Zeit noch einmal die Gesamtproblematik. Zu diesem Zweck hat der Bundesminister des Innern die Länder zu einer umfassenden Erörterung der Angelegenheit für Mitte Februar 1988 eingeladen. Dabei wird zu klären sein, ob und gegebenenfalls welcher politische Handlungsbedarf zugunsten der von der Ausdehnung der Ruhensregelung Betroffenen besteht.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1988 3773
Herr Bernrath, eine Zusatzfrage.
Darf ich daraus schließen, Herr Staatssekretär, daß die ursprüngliche Äußerung von Herrn Staatssekretär Waffenschmidt — 1983 gemacht — , eine erneute Änderung der Grundsatzregelung des § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes sei nach wie vor nicht beabsichtigt, auch heute noch gilt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das ist eine Aussage aus dem Jahre 1983, und sie ist auf diesen Zeitpunkt bezogen, wenn ich die Antwort so werte, wie Sie sie vorgetragen haben.
Ich will den Beratungen überhaupt nicht — weder in der einen noch in der anderen Richtung — vorgreifen, die mit den Ländern im Februar dieses Jahres stattfinden. Die Bundesregierung ist bereit, hier umfassend im Lichte des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zu prüfen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Weiß .
Herr Staatssekretär, kann man aus der ungleichen Belastung von Bund und Ländern schließen, daß die Länder einer weiteren Abmilderung nur sehr widerstrebend zustimmen würden? Ich weiß nicht, ob Sie die Zahlen im Augenblick parat haben, was es für den Bundeshaushalt und für die Länderhaushalte ausmachen würde.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich möchte aus der Schuldenlage der jeweiligen Länder nicht unbedingt darauf schließen, wie ihre Einstellung zu einer möglichen Änderung des § 55 ist. Es mag sein, daß die objektiven Schwierigkeiten, Konzessionen zu machen, in den Ländern größer sind. Das sind aber Vermutungen. Ich kann zur Haltung der Länder zu diesem Problembereich differenziert nicht Stellung nehmen. Allerdings ist ja bekannt, daß bisher keine Stimmen für eine Änderung des § 55 zu hören sind.
Zusatzfrage, Herr Tietjen.
Herr Staatssekretär, erwägt die Bundesregierung, entsprechend den bisher im Innenausschuß abgelehnten Anträgen der SPD-Bundestagsfraktion, die Abschmelzung des Ausgleichs künftig auszusetzen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich weiß nicht, welche Anträge Sie jetzt meinen. Sind es Anträge vor 1981 oder nach 1981?
Nach 1981.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich sehe keine Änderung in der Haltung derjenigen, die die Anträge der SPD im Innenausschuß abgelehnt haben, und entsprechend keine Mehrheitsinitiativen aus dem Innenausschuß gegenüber der Bundesregierung zu § 55 mit Ausnahme des Beschlusses, der im Juni 1986 den Innenminister zu einem entsprechenden Bericht aufgefordert hat, der dem Innenausschuß ja rechtzeitig — ich glaube, im Dezember 1986 — zugegangen ist.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Wartenberg auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluß vom 30. September 1987 zu den Eingriffen des 2. Haushaltsstrukturgesetzes in Vertrauenstatbestände, und welche politischen Konsequenzen halt sie fur erforderlich?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Nach Auffassung der Bundesregierung hat das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit und die sachliche Richtigkeit der im 2. Haushaltsstrukturgesetz getroffenen Regelungen bejaht. Hinsichtlich des Vertrauensschutzes hat das Gericht die Übergangsvorschrift und die Abmilderungsregelungen als ausreichend angesehen. Gleichwohl prüft die Bundesregierung entsprechend der Koalitionsvereinbarung noch einmal, ob und gegebenenfalls welcher politische Handlungsbedarf zugunsten der von der Ausdehnung der Ruhensregelung Betroffenen besteht. Zu diesem Zweck hat der Bundesminister des Innern die Länder zu einer umfassenden Erörterung der Angelegenheit für Mitte Februar 1988 eingeladen.
Zusatzfrage, Herr Wartenberg.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen soeben gegenüber Herrn Tietjen noch einmal an, daß im Ausschuß abgelehnte Anträge von Ihnen natürlich nicht berücksichtigt werden können. Ist die Bundesregierung denn wenigstens bereit, mit den Oppositionsparteien zusammen eine abschließende Härteregelung zu erarbeiten?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ja, die Bundesregierung braucht natürlich vor allem eine Mehrheit im Parlament. Da ist es sinnvoll, daß sich bei all den Beratungen vor allem die Haltung der Regierungskoalition artikulieren kann. Die Bundesregierung wird auf Grund der allgemeinen Diskussion und vor allem — ich wiederhole es — auf Grund des Gespräches mit den Ländern ihre Meinung bilden.
Keine weitere Zusatzfrage, Herr Wartenberg? — Dann Herr Bernrath, bitte schön.
Herr Staatssekretär, sehen Sie im Vergleich der Äußerungen von Koalitions- und Oppositionsabgeordneten eine Basis für eine Verständigung, insbesondere dann, wenn Sie feststellen, daß sie sich in der Zielsetzung decken?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bernrath, die große Schwierigkeit ist natürlich, daß die jetzige Opposition nicht mehr die Haltung einnimmt, die sie 1981 veranlaßt hat, die damalige Entscheidung zu treffen. Das ist der entscheidende Unterschied. Wenn Sie Ihre Haltung vom Jahre 1981 beibehalten, würde
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3774 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1988
Parl. Staatssekretär Sprangeres, glaube ich, durchaus zu einer ganz großen Koalition in diesem Zusammenhang kommen können.
Jetzt kommt die Frage 21 der Abgeordneten Frau Hämmerle:
Erwägt die Bundesregierung — ungeachtet des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 30. September 1987 — unter Beibehaltung der Grundsatzregelung des § 55 Beamtenversorgungsgesetz eine weitere Korrektur der Vorschrift, und welche Kriterien sollen dabei gegebenenfalls zugrunde gelegt werden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung wird entsprechend den Koalitionsvereinbarungen die Gesamtproblematik des § 55 noch einmal prüfen. Sie hat, wie ich schon sagte, für Mitte Februar eingeladen. Dort wird geklärt, ob und gegebenenfalls welche Änderungen dann beschlossen werden können.
Frau Hämmerle, Zusatzfrage.
Danke, sie sind schon alle gestellt.
Herr Tietjen wollte dazu eine Zusatzfrage stellen. Das ist erlaubt.
Herr Staatssekretär, erwägt die Bundesregierung möglicherweise, daß künftig 50 % der anrechnungsfähigen Rente von der Kürzung ausgenommen werden? Ich sage: „möglicherweise".
Spranger, Parl. Staatssekretär: Sie haben, Herr Kollege Tietjen, in den Fragen 23 und 24 angeschnitten, welche denkbaren Möglichkeiten es sind. Ich werde dann darauf antworten.
Jetzt kommt noch Herr Stiegler zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, über welches Finanzvolumen reden wir, wenn wir zu dem Stand vor dem Haushaltsstrukturgesetz 1981 zurückgehen würden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, wenn Sie erlauben, würde ich auch das bei der Antwort auf Herrn Tietjen näher konkretisieren.
Dann rufe ich die Frage 22 der Abgeordneten Frau Hämmerle auf:
Wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zu § 55 Beamtenversorgungsgesetz, der eine weitere Korrektur dieser Vorschrift vorsieht, vorlegen, und wann ist gegebenenfalls damit zu rechnen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Hämmerle, nach der Erörterung mit den Ländern wird die Bundesregierung entscheiden, was zu tun sein wird.
Zusatzfrage, Frau Hämmerle.
Herr Staatssekretär, können Sie eine Einschätzung vornehmen, wer sich in diesen abschließenden Gesprächen möglicherweise durchsetzen wird, der Innenminister oder der Finanzminister?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das ist keine Frage des Durchsetzens, sondern es gibt eine Bundesregierung, und diese Bundesregierung trifft eine Entscheidung.
Eine Zusatzfrage von Herrn Lüder. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, nachdem wir nun mehrfach gehört haben, wann die Abstimmungen beginnen: Wie weit reicht Ihr Zeitraster in bezug auf das Ende der Abstimmungen mit den Ländern, und wann können wir im Bundestag mit einem Gesetzentwurf rechnen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich hoffe, daß dieser Termin konstruktiv abgewickelt wird, so daß dann alle Länder mit der Bundesregierung zu einem einstimmigen Votum so oder so kommen. Wenn das der Fall ist, dann kann die Sache sehr schnell entschieden werden. Ich bitte sehr, mir nicht zuzumuten, jetzt einen Fahrplan aufzustellen, und mir, nachdem jetzt auch eine Reihe anderer Ressorts betroffen sind und vor allem — dies ist wiederholt angeklungen — der Finanzminister hier eine ganz entscheidende Rolle gespielt hat, nicht abzuverlangen, zu sagen, wie das im einzelnen aussieht.
Herr Dr. Hirsch zu einer Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß wir erwarten, daß eine solche Regelung in diesem Jahr so rechtzeitig getroffen wird, daß sie für den Haushalt des nächsten Jahres berücksichtigt werden kann, damit die Betroffenen nicht darüber hinwegsterben, bis wir uns entschlossen haben, was geschehen soll?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich nehme das erstens zur Kenntnis. Zweitens sehe ich nicht, daß von mir etwas gesagt wurde, was in irgendeiner Form auch nur andeutungsweise Ihrer Intention widersprechen könnte.
Zusatzfrage des Abgeordneten Bernrath.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für gänzlich ausgeschlossen, daß es trotz des einheitlichen Handelns der Bundesregierung Ihnen bei den von Ihnen jetzt beabsichtigten Verbesserungen des § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes nicht genauso geht wie beim Strukturbericht zur Lage des öffentlichen Dienstes, nämlich daß sie nicht herauskommen, weil das ein Ressort verhindern wird?
Das muß er nicht beantworten. Aber wenn er will, kann er.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1988 3775
Spranger, Parl. Staatssekretär: Na, dann will er lieber nicht.
Jetzt haben wir noch zwei Fragen zum selben Thema und drei Minuten Zeit. Ich würde mich freuen, wenn wir diesen Geschäftsbereich noch zu Ende bekämen.
Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Tietjen auf :
Welche bisher noch nicht realisierten Vorschläge zur Korrektur des § 55 Beamtenversorgungsgesetz wurden in den vergangenen Jahren von politischer oder gewerkschaftlicher Seite in die öffentliche Diskussion gebracht, und wie werden diese Vorschläge heute von der Bundesregierung bewertet?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Tietjen, aus einer Reihe von Vorschlägen ragen insbesondere die vollständige Rückgängigmachung der Ausdehnung der Ruhensvorschrift, das Nichtabschmelzen des Ausgleichs für eine Bezügeerhöhung und die Anhebung des anrechnungsfreien Rententeils — das ist das, was Sie auch erwähnt haben — von jetzt 20 auf 50 vom Hundert.
Die Bundesregierung wird, wie ich mehrfach ausgeführt habe, die Gesamtproblematik noch einmal erörtern. Ich weise auf die Besprechung im Februar hin.
Zusatzfrage, Herr Tietjen.
Herr Staatssekretär, welche weiteren Maßnahmen zur Abmilderung des § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes werden denn von der Bundesregierung geprüft?
— Du bist doch nicht die Bundesregierung.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich sagte schon: eine Reihe von Vorschlägen. Aber Sie werden mir einräumen, daß das die entscheidenden sind.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Tietjen auf:
Mit welchen Kosten würden die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden belastet werden, wenn die von politischer oder gewerkschaftlicher Seite erhobenen Forderungen zur weiteren Korrektur des § 55 Beamtenversorgungsgesetz realisiert würden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Tietjen, ich nenne Ihnen jetzt die Zahlen. Die Nichtabschmelzung des Ausgleichs würde für das Jahr 1988 zu einer Mehrbelastung der öffentlichen Haushalte einschließlich Bahn und Post von schätzungsweise rund 235 Millionen DM führen. Gleich hohe Folgekosten entstehen in den kommenden Jahren.
Die Anhebung des anrechnungsfreien Rententeils von jetzt 20 auf 50 vom Hundert würde für das Jahr 1988 zu einer Mehrbelastung der öffentlichen Haushalte einschließlich Bahn und Post von rund 400 Millionen DM führen. Diese Mehrbelastung der Haushalte würde in den folgenden Jahren noch zunehmen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Da wir nur noch eine Minute haben, hat es wohl keinen Sinn, einen weiteren Geschäftsbereich aufzurufen. Herr Vogt, es tut mir leid. Bei Ihnen gibt es mehrere Fragesteller, so daß wir das nicht schaffen würden. Wir machen das morgen zusammenhängend. Ich bitte um Verständnis.
Ich beende die Fragestunde und gleichzeitig auch unsere Sitzung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, den 21. Januar 1988, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.