Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 92. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung bitte ich den Herrn Schriftführer, die Abwesenheitsliste zu verlesen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für 2 Tage den Abgegordneten Dr. Suhr, Knothe, Wallner, Neuburger, Fischer, Frau Heiler, Zinn, Dr. Semler, Brandt, Neumann, Dr. Nölting, Dr. Fink.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Aumer, Schuler, Leonhard für je 14
Tage wegen Krankheit, Dr. Gerstenmaier und Wehner für 3 Wochen wegen Teilnahme an der Vollversammlung der Vereinten Nationen.
Kein Widerspruch; der Urlaub ist genehmigt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ferner bittet um Urlaub für 4 Wochen wegen dringender Geschäfte der Abgeordnete Dr. Baade.
Erhebt sich Widerspruch gegen diese Beurlaubung? — Das ist nicht der Fall. Der Urlaub ist genehmigt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Entschuldigt sind die Abgeordneten Blachstein, Meitmann, Dr. Seebohm, Wittenburg, Ritzel, Niebergall, Paul , Rische, Agatz und Euler.
Ich danke dem Herrn Schriftführer.
Ich habe dann noch bekanntzugeben:
Der Präsident des Deutschen Bundestages, Dr. Erich Köhler, hat unter dem 13. Oktober 1950 aus Lugano folgendes Schreiben an mich gerichtet:
Ich beehre mich, Ihnen folgendes mitzuteilen.
Da ich in den auswärtigen Dienst der Deutschen Bundesrepublik eintrete, lege ich mein Amt als Präsident des Deutschen Bundestags nieder.
Köhler.
Ich nehme an, daß erst mit Verlesung dieses Schreibens vor dem Plenum die Amtsniederlegung rechtswirksam geworden ist.
Es wird Sache der stärksten Fraktion des Hauses sein, dem Hause einen Vorschlag über einen Nachfolger des zurückgetretenen Bundestagspräsidenten zu machen. Ich für mein Teil möchte hoffen, daß dies möglichst bald geschehen wird.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 2. Oktober 1950 die Anfrage Nr. 47 der Fraktion der Bayernpartei über die Durchführung des Art. 36 des Grundgesetzes — Drucksache Nr. 515 — beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 1477 verteilt werden.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 13. Oktober 1950 die Anfrage Nr. 118 der Abgeordneten Dr. Bertram, Frau Wessel und Fraktion des Zentrums betreffend Monopolkontrolle — Drucksache Nr. 1373 — beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 1478 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für den Marshallplan hat in Erfüllung des ihm in der 81. Sitzung auferlegten Auftrags über die Bereitstellung von ERP-Mitteln zur Förderung der Forschung berichtet. Sein Schreiben vom 7. Oktober 1950 wird als Drucksache Nr. 1475 vervielfältigt werden.
Die eingegangenen Vorlagen werden von dem Herrn Schriftführer verlesen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
An Vorlagen sind eingegangen:
1. Entwurf eines Gesetzes über das Allgemeine Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit — Nr. 1480 der Drucksachen —;
2. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Anwerbung von deutschen Arbeitskräften für Frank-
reich vom 10. Juli 1950 — Nr. 1481 der Drucksachen —;
3. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über Gastarbeitnehmer vom 10. Juli 1950 — Nr. 1482 der Drucksachen —;
4. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über Grenzgänger vom 10. Juli 1950 — Nr. 1483 der Drucksachen —.
Ich habe weiter mitzuteilen, daß der Gesetzentwurf über Kündigung von Tarifverträgen, Punkt 7 der Tagesordnung, von den Antragstellern zurückgezogen wird, weil dieser Entwurf in der Zwischenzeit überholt worden sei.
Der Unterausschuß D-Mark-Eröffnungsbilanz tritt um 10 Uhr 30 in Zimmer 10 oder 12 des Südflügels zusammen.
Die Mitglieder des Unterausschusses D-Mark-Bilanz-Ergänzungsgesetz werden ebenfalls 10 Uhr 30 in Zimmer 108 des Südflügels zusammentreten.
Die Mitglieder des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen werden gebeten, sich 15 Minuten nach Beendigung der Plenarsitzung im Zimmer 12, Südflügel, zu einer kurzen Besprechung über die Bildung des Unterausschusses, der sich mit den vermögensrechtlichen Verhältnissen der Deutschen Bundespost beschäftigen soll, zusammenzufinden.
Ferner werden die Herren Abgeordneten Dr. Etzel , Dr. Kleindinst, Maier (Freiburg), Onnen und Wackerzapp gebeten, an dieser kurzen Besprechung als Vertreter des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht teilzunehmen.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Fraktionen der Bayernpartei, des Zentrums und der WAV betreffend Abwicklung der im Zusammenhang mit Grundabtretungen für ehemalige Reichsstraßen und Autobahnen entstandenen Verpflichtungen und Begleichung der Ansprüche ehemaliger Angestellter des Unternehmens „Reichsautobahn" .
Zu diesem Punkt schlägt Ihnen der Ältestenrat für die Begründung der Interpellation 5 Minuten, Antwort der Regierung und Verzicht auf Aussprache vor. — Das Haus ist einverstanden. Es ist so beschlossen.
Wer begründet die Anfrage? — Das Wort hat der Abgeordnete Volkholz.
Volkholz , Interpellant: Meine Damen und Herren! Die Interpellation der Bayernpartei, des Zentrums und der WAV war notwendig geworden, um endlich den unabgeschlossenen Zustand der Besitzverhältnisse bei den Grundabtretungen zum Bau der Reichsautobahnen und Bundesstraßen in Ordnung zu bringen. Auf Grund der neuerlichen Belastungen der betroffenen Grundbesitzer durch das Soforthilfegesetz und weitere Abgaben ist der jetzige Zustand unerträglich geworden.
In meinem Bezirk wurde beispielsweise Klage geführt, daß für Grundabtretungen der sogenannten Ostmarkstraße, jetzigen Bundesstraße, bis heute noch keine Bezahlung erfolgt ist. Desgleichen wurden in vielen Fällen bis heute noch keine Änderungen der Grundbücher vorgenommen. Es kam sogar vor, daß Bauern, welche Grund abgetreten haben, jetzt für diesen Grund Pacht bezahlen müssen, obwohl die Grundbucheintragungen noch nicht geändert sind und noch keine Entschädigung für die damalige Besitzabgabe erfolgt ist. Ähnliche Verhältnisse liegen auch beim Bau der Reichsautobahnen vor und treffen praktisch das ganze Bundesgebiet.
Durch die Gesetzesvorlage der Bundesregierung, die dem Ausschuß für Verkehrswesen vorgelegt worden ist, glaube ich die Interpellation für erledigt ansehen zu dürfen unter der Voraussetzung, daß in diesem Gesetz vorgesehen wird, die Grundstücksentschädigungen so rasch wie möglich auszubezahlen. Es muß auch vorgesehen werden, daß die entsprechenden Wertfortschreibungen unbeschränkt möglich gemacht werden. Dabei sollen Wertfortschreibungen in Anrechnung gebracht werden können, die auch unter 20% stehen, und zwar zur Anrechnung bei der Berechnung sämtlicher Steuern und Abgaben, die sich aus dem Einheitswert berechnen.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf vielleicht wegen des symptomatischen Interesses, das diese Angelegenheit hat, einige allgemeine Ausführungen zu dieser Interpellation machen. Es ist tatsächlich so, daß es äußerst unbefriedigend ist, daß hier im Falle der Autobahnen wie noch in einer großen Zahl anderer Fälle Rechtsvorgänge aus der nationalsozialistischen Zeit immer noch nicht zu einer befriedigenden Erledigung kommen konnten. Ich möchte daher nur ganz kurz aufzeigen, woran das liegt. Es handelt sich hier um einen ausgesprochen schwierigen Gesamtkomplex, der von uns nur nach und nach der Lösung zugeführt werden kann. Die Rechtsunsicherheit und die schwierige Lage der Grundstückseigentümer beruht darauf, daß viele Fälle, in denen die nationalsozialistische Regierung Grundstücke in Anspruch genommen hatte, infolge des Kriegsverlaufs, der Kapitulation und der seitdem noch nicht wieder eingetretenen Klarheit der Rechtslage noch nicht abgeschlossen werden konnten.
Die Interpellation geht davon aus, daß die Bundesrepublik für die Verbindlichkeiten der Reichsautobahnen und die Verbindlichkeiten des Reiches, die sich aus der Inanspruchnahme von Grundstücken für die Reichsstraßen ergeben, zu haften hat. Auch wir sind der Ansicht, daß das Eigentum an den bisherigen Reichsautobahnen und Reichsstraßen nach Art. 90 des Grundgesetzes auf den Bund übergegangen ist. Die Regierungen der Länder der amerikanischen und der französischen Zone stehen jedoch auf dem Standpunkt, daß ihnen die Reichsautobahnen und Reichsstraßen auf Grund des Gesetzes Nr. 19 der amerikanischen Militärregierung und der Verordnung 217 der französischen Militärregierung treuhänderisch zustehen und daß zu einer Übertragung des Eigentums daran ein besonderes Bundesgesetz erforderlich sei, wie es nun von uns dem Bundestag vorgelegt worden ist. Die Voraussetzung, von der die Interpellation ausgeht, ist also zum mindesten hinsichtlich der amerikanischen und der französischen Zone bestritten. Aber auch soweit das Eigentum als übergegangen angesehen werden kann, haftet damit die Bundesrepublik noch nicht ohne weiteres für die Verbindlichkeiten, die sich daraus ergeben. Das hat auch der Oberste Gerichtshof für die britische
Zone in einem Urteil vom November 1949 anerkannt. Eine Haftung des Bundes für Verbindlichkeiten des früheren Reiches kann nur durch besonderes Bundesgesetz begründet werden.
Nach diesen einleitenden Worten darf ich zu den einzelnen Ziffern der Interpellation folgendes sagen. Ein Entwurf zur Klärung dieser Spezialfrage bezüglich der Reichsautobahn ist bei uns in Angriff genommen. Wir können sie aber nicht isoliert lösen. Wir müssen die Gesamtfrage der Inanspruchnahme von Grundstücken in der nationalsozialistischen Zeit für die ehemalige Wehrmacht, für den Luftschutz, für die Industrialisierung und die Umsiedlung zusammenhängend lösen.
Ich kann daher auch leider im Augenblick noch keinen präzisen Termin dafür in Aussicht stellen. Ich bin aber in der Lage, zu versprechen, daß wir die Angelegenheit mit derselben Sorge und mit derselben Aufmerksamkeit verfolgen wie die Herren Interpellanten und daß wir die Dinge mit der größten Beschleunigung vorwärtstreiben werden.
Da also eine Rechtsgrundlage für den Bund bisher nicht besteht, konnte auch eine Ermächtigung im Sinne der Ziffer 3 der Interpellation zur Vorschußzahlung an die Länder von uns noch nicht gegeben werden.
Was die ehemaligen Angestellten des Unternehmens „Reichsautobahn" betrifft, so fallen diese Verbindlichkeiten unter den Gesetzentwurf zur Regelung der Verhältnisse nach Art. 131, der dem Hohen Hause bereits vorliegt.
Ich eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen. Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Abgeordneten Bauknecht und Genossen betreffend Lage der deutschen Pelztierzucht .
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor: 5 Minuten für die Begründung und, falls es zu einer Aussprache kommen sollte, 40 Minuten für die Gesamtaussprache. — Es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bauknecht.
Bauknecht , Interpellant: Meine Damen und Herren! Veranlassung zu dieser Interpellation gab die Tatsache, daß die deutsche Pelztierzucht in der vergangenen Zeit, seit die Zuständigkeit auf das Wirtschaftsministerium übergegangen ist, von diesen Stellen und auch von der deutschen Öffentlichkeit nahezu dilatorisch behandelt wurde. Es ist notwendig, Sie kurz mit einigen Zahlen darüber aufzuklären, wie die Verhältnisse bei diesem Betriebszweig liegen. Vor 1945 war die Jahreserzeugung in Deutschland 30 000 Silberfüchse, 8 000 Blaufüchse, 20 000 Nerz- und 100 000 Nutriafelle mit einem Gesamtwert von 13 Millionen Mark. Nach dem Verlust der Ostgebiete haben sich diese Zahlen wohl etwas vermindert; aber immerhin betrug die Erzeugung nach 1945 allein bei Silberfüchsen noch 13 000 und bei Nutria 60 000.
Meine Damen und Herren, es handelt sich hier nicht etwa um einen neuen Betriebszweig, sondern um einen alten Broterwerb für Tausende von Menschen, auch um keinen Sport, sondern um wirklich solide Geschäfte. Bis 1949 war diesem Betriebszweig noch eine bescheidene Rente vergönnt, weil die Länder eine entsprechende Förderung an den Tag legten. Aber seit der vollen Liberalisierung im Herbst 1949 geht es nun mit der deutschen Pelztierzucht rasend bergab, und zwar deswegen, weil im Zuge der völligen Liberalisierung uferlos Importe getätigt wurden, obwohl durch die deutsche Produktion der Gesamtbedarf an Edelfüchsen beispielsweise vollkommen gedeckt werden konnte.
Das Entscheidende ist, daß wir hier nicht etwa nun eine einseitige Bevorzugung wollen. Aber so, wie es zur Zeit ist, daß unsere wirtschaftlichen Stellen ohne weiteres die Tatsache hinnehmen, daß die nordischen Länder diese Fälle mit einem Exportdumping von 30% nach Deutschland exportieren, ohne daß von uns aus dagegen auf handelspolitischem Gebiet etwas getan wird, kann es nicht weitergehen; diese Tatsache kann nicht länger hingenommen werden. Ich meine, solche diskriminierenden Maßnahmen, wie sie vor allen Dingen durch Norwegen und Schweden in dem Exportdumping zutage treten, müssen unsererseits beantwortet werden. Wenn sich in der kommenden Saison, im kommenden Winter diese Dinge wiederholen würden, wäre der Ruin der deutschen Pelztierzucht sicher.
Werfen wir einen Blick nach den anderen Staaten und sehen wir, was dort für die Pelztierzucht getan wird! In USA, in Kanada wie auch in den nordischen Staaten bekommen die Züchter billigste Kredite und Subventionen. Die einheimische Zucht wird durch Zölle gegen ausländische Einfuhr geschützt und vom Staat betreut. Allein in Amerika beträgt der Schutzzoll 30 bis 50%, — bei uns nicht 1%!
Meine Herren! Wenn wir unter den gleichen Bedingungen wie Norwegen und Amerika produzieren können, sind auch die deutschen Züchter in der Lage, Gleiches zu leisten. Aber unter solch unfairen Bedingungen ist ihnen natürlich diese Möglichkeit genommen. Insgesamt haben wir in der Bundesrepublik heute noch 5 000 Pelztierzüchter. Diese Tatsache wird heute noch viel zuwenig beachtet, namentlich der Umstand, daß es sich hierbei vielfach — und zwar in den meisten Fällen —um körperlich Beschädigte und namentlich um Heimatvertriebene handelt. Wenn hier nichts geschieht, sind wir auf dem besten Wege, auch diese selbständigen Existenzen zu vernichten. Aber offenbar steht das Bundeswirtschaftsministerium diesen Dingen gleichgültig gegenüber.
Ich darf zum Schluß noch auf eines hinweisen: Es ist auch noch eine andere volkswirtschaftliche Seite, die hier beachtet werden muß, und zwar die, daß diese Tiere zur Hälfte mit Stoffen ernährt werden, die sonst der Volkswirtschaft verloren gehen. Ich erinnere daran, daß beispielsweise das Blut, das bei den Schlachtungen in den Schlachthöfen anfällt, sonst die Gosse hinunterläuft, aber ohne weiteres ein sehr brauchbarer Grundstoff für die Fütterung der Silberfüchse ist. Dasselbe gilt für minderwertiges Fleisch oder für minderwertigen Fisch.
Meine Herren, es ist so, daß wir den Wunsch haben, daß das Bundesernährungsministerium sich dieser Dinge annimmt und daß vor allem der Verband deutscher Pelztierzüchter zu den Beratungen und Beschlüssen, die das Bundeswirtschaftsministerium zu fassen hat, hinzugezogen wird.
Das Wort zur Beantwortung der Anfrage hat Herr Staatssekretär Dr. Schalfejew.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um das Ergebnis unserer Bemühungen vorwegzunehmen, möchte ich folgendes sagen. Es ist richtig, daß in der vorjährigen Freiliste die unverarbeitete Pelzware vollkommen liberalisiert war. Durch die Bekanntmachung vom 3. Oktober 1950 sind die Felle zwar auf der Freiliste geblieben, aber mit Ausnahme der Silber-, Platin- und Blaufüchse. Dies ist durchaus im Einverständnis mit dem Verband der Pelztierzüchter geschehen. Das konnte aus zwei Gründen getan werden. Einmal ist es richtig, daß jedenfalls aus Norwegen diese unwiderlegten Mitteilungen über die Subventionierung der Ausfuhr vorlagen. Wir sind der Sache nachgegangen, und die Auskunft, die wir von der norwegischen Regierung bekamen, war unbefriedigend. Von Schweden liegen derartige Mitteilungen nicht vor, so daß also diese Subventionierung der Ausfuhr nur aus Norwegen bemerkbar war. Der zweite Grund für die Abänderung war der, daß diese Fuchspelze bei der Ausfuhr eine geringere Rolle spielen. Der Zustand nach der neuen Bekanntmachung ist demnach der, daß mit dem Ablauf der Verträge, in denen bisher diese Felle ohne Einschränkung auf der Freiliste standen — der norwegische Vertrag läuft mit dem 31. Oktober, der schwedische mit dem 31. Dezember ab —, diese Silber-, Blau- und Platinfüchse nicht mehr liberalisiert hereinkommen, sondern kontingentiert werden.
Wir haben nun diese beiden Wirtschaftszweige, d. h. die Pelztierzüchter auf der einen und die Rauchwarenindustrie auf der anderen Seite, zusammengebracht, um mit ihnen zu beraten, in welchem Ausmaß diese Füchse, diese Felle aus Norwegen, Schweden oder sonstwoher, hereingenommen werden sollen. Wir hoffen, daß eine Verständigung unter diesen Interessenten erreicht werden wird.
Meine Damen und Herren, ich darf aber immerhin darauf hinweisen, daß die Rauchwarenindustrie immer eine zollfreie Einfuhr für ihre Vorprodukte gehabt hat und daß sie stets ein ganz außerordentlich starker Devisenträger gewesen ist. Diese Deviseneinnahmen, diese Ausfuhr bewegte sich vor dem Kriege zwischen 50 und 150 Millionen Mark im Jahr. Es waren also recht erhebliche Beträge. Diese Industrie ist natürlich sehr stark geschädigt worden. Bekanntlich hatte sie ihren Hauptsitz in Leipzig; aber ein Teil dieses Gewerbes ist nach Westdeutschland übergesiedelt und hat jetzt schon immerhin recht beachtliche Erfolge erzielt. Diese Erfolge konnten erzielt werden durch große Berufserfahrungen und weitreichende Beziehungen im Ausland. Es ist natürlich Voraussetzung, daß die deutsche Rauchwarenindustrie weiterhin die gleichen Startbedingungen wie die ausländische, z. B. die französische Rauchwarenindustrie hat.
Es ist also so, daß wir bei dem alten Prinzip einer freien Einfuhr dieser Vorprodukte bleiben müssen. Wir hoffen eben, daß im Zusammenarbeiten mit den beiden Wirtschaftszweigen ein vernünftiges Ergebnis bei den Verhandlungen mit den beteiligten Ländern erzielt werden kann.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Walter.
Meine Damen! Meine Herren! Was mich veranlaßt, zu dieser Anfrage Stellung zu nehmen, sind die Ausführungen des Herrn Vertreters der Regierung, der da sagte, daß wir bestrebt sein müßten, für die Rauchwarenindustrie möglichst Rauchwaren zu günstigen Bedingungen hereinzubekommen, wobei zu beachten wäre, daß wir auf den Import Rücksicht zu nehmen hätten. Dazu möchte ich folgendes sagen. Wir sollten neben dem Schutz der Pelztierzüchterei unser Augenmerk auch auf die Möglichkeiten lenken, die wir haben, um dem Exportdumping der nordischen Staaten, besonders Norwegens, zu begegnen.
Wir bewegen uns bei der Behandlung dieser Dinge zu sehr im Negativen. An der Waterkante gibt es eine Anzahl Seeleute, Robbenfänger, die bereit sind, dafür zu sorgen, daß wir große Mengen unserer Pelze durch Robbenfang hereinbekommen können. Diesen Robbenfang zu unterstützen, wäre eine positive Maßnahme unserer Regierung. Da wir die Menschen dafür haben, wäre es nur notwendig, gewisse Beträge dafür aufzubringen.
Ich darf darauf hinweisen, daß Norwegen in der letzten Fangsaison über 173 000 Felle mit einem Gesamtwert von über 17 Millionen Kronen hereingebracht hat. Dazu kommt noch die Auswertung des Specks, der auch für unsere Industrie und unsere Ernährungswirtschaft nicht ohne Bedeutung ist. Hier ließe sich eine Möglichkeit schaffen, um nicht nur unserer Rauchwarenindustrie zu helfen, sondern auch auf dem Ernährungssektor besondere und bedeutende Mengen an Fett hereinzubekommen.
Wenn ich dann noch darauf hinweisen darf, daß in der nächsten Zukunft wahrscheinlich die Quote des Robbenfangs genau so wie des Walfangs unter den verschiedenen Nationen aufgeteilt werden wird, dann ist es um so notwendiger, daß wir als deutsche seefahrende Nation auf diesem Gebiet aktiv werden. Wir dürfen nicht zugeben, daß wir hier ausgeschaltet werden. Es bietet sich eine Möglichkeit, etwas zu schaffen. Diese Möglichkeit sollten wir wahrnehmen. Wir helfen damit unseren Seeleuten, der Rauchwarenindustrie und auch dem Schiffsbau, der für diesen Robbenfang besondere Spezialschiffe zu bauen bereit ist. Dies sollten wir beachten, und ich spreche den Wunsch aus, daß die Regierung sich mit diesen Anregungen ernstlich beschäftigen möge.
Das Wort hat der Abgeordnete Reitzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion teilt die Sorgen, die der Kollege Bauknecht dem Hohen Hause verdolmetscht hat. Es handelt sich hier um ein soziales und um ein wirtschaftliches Problem. Die Pelztierzüchter sind meistens kleine Leute; es sind Kriegsversehrte, Pensionäre, Rentner und sehr viele Heimatvertriebene. Tausende stehen vor dem wahren Zusammenbruch ihrer Existenz. Ich glaube, das Wirtschaftsministerium sollte mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür sorgen, daß die deutsche Pelztierzucht geschützt wird.
Ich möchte in dem Zusammenhang den Herrn Staatssekretär folgendes fragen. Angeblich wird die schwedische und norwegische Pelztierzucht mit großen staatlichen Mitteln finanziert. Ist der Herr Staatssekretär über die Höhe dieser Subventionierungen informiert, und wenn ja, welche
handelspolitischen Gegenmaßnahmen gedenkt das Wirtschaftsministerium zum Schutz der heimischen Pelztierzucht zu unternehmen?
Ich möchte schließen und das Hohe Haus um Unterstützung bitten und besonders den Appell an das Wirtschaftsministerium richten, mit Eifer, Ernst und Umsicht alle Maßnahmen zu treffen, damit die Existenz Tausender deutscher Pelztierzüchter geschützt wird.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Dr. Schalfejew.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Ich muß annehmen, daß ich vorhin zu undeutlich gesprochen habe. Ich hatte mir erlaubt, darauf hinzuweisen, daß in der Tat nach unseren Feststellungen wohl Anlaß zu der Annahme gegeben ist, daß in Norwegen die Ausfuhr von Fellen nach Deutschland subventioniert wird. Es ist zwar vielleicht keine staatliche Subvention im eigentlichen Sinne — darauf hat die norwegische Regierung hingewiesen —, aber es ist zum mindesten eine Stützung, die innerhalb des Gewerbezweiges erfolgt. Diese Rabatte, die für die Ausfuhr dieser Felle gewährt werden, werden wieder erstattet durch Einnahmen aus übrigen Ausfuhrerlösen. Also in irgendeiner derartigen Form finden Subventionen statt. Das hat uns ja gerade Veranlassung gegeben, diese Felle, auf die der Verband deutscher Pelztierzüchter besonderen Wert legt — d. h. auf die Blau-, Silber- und Platinfüchse —, aus der Liberalisierung herauszunehmen, so daß also jetzt der Zustand per Ablauf dieser Verträge, also am 131. Oktober bzw. 31. Dezember, dahin gegeben sein wird, daß die Rauchwarenindustrie diese Felle nur kontingentiert hereinbekommt. Über diese Kontingente wollen wir uns mit den beiden beteiligten Gewerbezweigen, sowohl der Rauchwarenindustrie wie den Pelztierzüchtern, unterhalten, und wir werden nach Abschluß dieser Besprechungen die Verhandlungen mit den anderen Ländern führen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe auf den Punkt 3 der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Zuckerversorgung im Bundesgebiet .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen 10 Minuten für die Einbringung und 40 Minuten für die Aussprache vor. — Kein Widerspruch.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Kriedemann , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als meine Fraktion diese Interpellation einbrachte, befand sich die Krise in der Zuckerversorgung auf dem Höhepunkt. Trotz der Ankündigung der zuständigen Stellen, daß die Zuckerversorgung in vollem Umfange gewährleistet sei, und obgleich mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholte Versicherungen abgegeben wurden, daß es nun aber besser werden und jetzt wieder in Ordnung kommen würde, konnten Hunderttausende von Familien mehr als zwei Monate lang entweder überhaupt keinen Zucker oder nur außerordentlich geringe Zuckermengen bekommen. Das hat sich insbesondere auf die Kinder ausgewirkt.
— Natürlich, meine Herren! Ich finde es außerordentlich merkwürdig, wenn Sie jetzt so tun, als sei das alles nicht gewesen, was ich Ihnen hier eben vortrage.
— Natürlich hat es sich auf die Kinder am nachteiligsten ausgewirkt, die am meisten auf Zucker angewiesen sind, und zwar besonders auf die Kinder der armen Leute, die nicht in der Lage sind, Zucker zu Schwarzmarktpreisen zu kaufen, und die auch damals nicht in der Lage dazu waren, sich Zucker hinzulegen. Bei ihnen ist die Auswirkung selbstverständlich am schlimmsten gewesen.
Bekannt sind auch die Folgen des Zusammenbruchs der Zuckerversorgung — denn so muß man diesen Zustand nennen — auf die Verwertung der Obsternte. Das habe ich besonders tragisch empfunden, als ich selber gesehen habe, wie alte Leute, die in jedem Jahr ein bißchen durch Beerensammeln zuverdienen wollten, das auch in diesem Jahr versucht haben, die von ihnen mühsam gesammelten Beeren aber nicht verkaufen konnten, weil die Verbraucher mangels Zucker kein Interesse daran hatten. Zuckerverarbeitende Fabriken, vor allen Dingen wenn es sich um kleine Unternehmungen handelt, die nicht so kapitalkräftig und nicht in der Lage sind, sich größere Vorräte anzulegen, hab en kurzarbeiten müssen oder mußten sogar ihre Arbeiter zeitweise entlassen, und in der selben Zeit hat es Zucker zu außerordentlich überhöhten Preisen gegeben, wie das auch in der Presse mitgeteilt worden ist. Ich empfinde es nicht als einen guten Stil, wenn die Bundesregierung die Beantwortung einer solchen Interpellation bis auf den allerletzten möglichen Termin zurückstellt und sich dabei doch offenbar darauf verlassen möchte, daß die Menschen ein sehr schlechtes Gedächtnis haben. Im Augenblick der Einbringung der Interpellation waren nicht nur die Fragesteller, sondern weite Kreise der Wirtschaft und darüber hinaus praktisch die ganze Verbraucherschaft außerordentlich daran interessiert zu erfahren, welche Gründe denn nun eigentlich für eine Situation vorlagen, die uns in eine Versorgungslage gebracht hat, die für einen überaus großen Teil der Bevölkerung wesentlich schlechter als während der letzten Monate der Rationierung war. Wenn man jetzt durch eine außerordentlich große Freigabe, eine Freigabe in einem Umfang von mehr als zwei Monatsmengen, den Eindruck erwecken möchte, daß die Angelegenheit in vollem Umfang in Ordnung sei, so scheint mir das keine Verbesserung dieses Stils zu sein, den ich vorhin kritisiert habe.
Im übrigen sind in den beteiligten Kreisen die Ursachen und Zusammenhänge sehr eingehend besprochen worden, und auch in der Öffentlichkeit dieser Wirtschaftszweige hat man sich sehr eingehend darüber unterhalten.
Wenn wir auch heute noch Wert darauf legen, daß die Interpellation in allen Punkten beantwortet wird, dann deshalb, weil wir gern vor der Öffentlichkeit die Verantwortung dafür festgestellt wissen wollen, was hier geschehen ist. Die Eingeweihten wissen es schon und kennen auch die Kosten, die dieses Gegeneinander in unserer Wirtschaftspolitik und dieses Hin und Her zwi-
schen den Auffassungen des Bundesfinanzministers in den Fragen der Subventionen und in den tatsächlichen Notwendigkeiten verursacht haben. Uns liegt ebenso daran, von der Bundesregierung heute schon zu hören, welche Konsequenzen sie aus den Erfahrungen für die Zuckerversorgung in dem Zuckerwirtschaftsjahr, das jetzt gerade begonnen hat, ziehen möchte, von dem man sich aber klar sein sollte, daß es eben erst begonnen hat und also noch elf Monate dauert. Wir würden es außerordentlich dankbar begrüßen, wenn die Regierung die Dinge, die, wie gesagt, in Sachverständigenkreisen absolut bekannt sind, auch hier mit allem Freimut aussprechen würde. Das würde möglicherweise dazu beitragen, ein Stück des Vertrauens zurückzugewinnen, das nach meinem Gefühl sehr erheblich darunter gelitten hat, daß von der Regierung erstens versichert wurde, die Zuckerversorgung sei absolut in Ordnung, wir hätten sogar eine Reserve, und das zweitens durch die wiederholten Mitteilungen gelitten hat, die alle vierzehn Tage wiederkehrten: jetzt wird es besser, jetzt wird es besser, jetzt wird es besser! In Wirklichkeit ist aber nichts geschehen, und nichts ist bis zu dem Augenblick geändert worden, in dem die neue Ernte zur Verfügung stand oder aus dem Ausland Mengen hereingekommen waren, die zu außerordentlich teuren Preisen eingekauft werden mußten, was nicht nur eine Dollar-, sondern auch eine D-Mark-Seite in bezug auf den Subventionsbetrag hat.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Dr. Niklas.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Beantwortung der Interpellation der Herren Kriedemann und Genossen darf ich folgendes mitteilen.
Zu 1:
Trifft es zú, daß zu irgendeinem Zeitpunkt Subventionszusagen zurückgezogen werden mußten oder nicht gegeben werden konnten, so daß die Durchführung der Importe unterbrochen oder verzögert werden mußte?
Antwort: Bis zum 30. Juni 1950 wurden auf Grund des Importausgleichsgesetzes Subventionen auch für Zucker gezahlt. Die Importeure nahmen an, daß mit dem Ablauf des Importausgleichsgesetzes die Subventionen noch weiter gezahlt werden könnten, und zwar für die Einfuhrgeschäfte, die im Frühjahr fest abgeschlossen waren, die aber erst nach dem 1. Juli 1950 abgewickelt werden. sollten. Der Herr Bundesminister der Finanzen war nicht in der Lage, für diese Einfuhrgeschäfte nach dem 1. 7. 1950 noch Subventionen zu zahlen. Er mußte die allgemeine Finanzlage der Bundesrepublik berücksichtigen und glaubte mit Recht annehmen zu können, daß sich der damalige Auslandszuckerpreis auf den Konsumentenpreis nicht auswirken würde bzw. daß die Differenz zwischen dem erhöhten Einfuhrpreis und dem Verbraucherpreis durch eine besondere Belastung der zuckerverarbeitenden Industrie aufgefangen werden könnte. Der durch die Koreakrise hervorgerufene sprunghafte Preisanstieg, der sich ganz besonders auf dem Zuckermarkt auswirkte, machte dies unmöglich. Aus diesem Grunde entschloß sich das Bundeskabinett am 8. Juli 1950 angesichts der völlig veränderten wirtschaftspolitischen Lage, auch nach dem 1. 7. 1950 Subventionen für Auslandszucker zu zahlen.
Frage 2:
Wieviel Dollar standen in dem Augenblick zur Verfügung, in dem die Zuckerimporteure erfuhren, daß keine Subventionen mehr gezahlt würden?
Antwort: Für weitere Ausschreibungen standen am 30. Juni 1950 6,2 Millionen Dollar zur Verfügung.
Frage 3:
Wieviel Zucker sollte für diese Dollar eingeführt werden, und welche Beträge in DM wären damals erforderlich gewesen, um den eingeführten Zucker zum geltenden Preise in den Verkehr bringen zu können?
Antwort: Bei normalem Verlauf der Wirtschaftsentwicklung wäre es möglich gewesen, 60- bis 62 000 t Cuba-Rohzucker mit den zur Verfügung stehenden 6,2 Millionen Dollar zu erwerben.
Frage 4:
In welchem Umfang sind die zur Verfügung stehenden Dollarbeträge durch Preissteigerung auf dem Weltmarkt entwertet worden , die gerade in der Zeit erfolgte, in der die deutschen Importeure wegen der fehlenden Subventionszusage nicht einkaufen konnten?
Antwort: Es hätten bei normalem Verlauf der wirtschaftlichen Verhältnisse Ende Juni 1950 62 200 t Rohzucker eingekauft werden können. Es konnten eingekauft werden 47 900 t Rohzucker. Mithin fielen 14 300 t Rohzucker aus.
Frage 5:
Um welchen Betrag in DM haben sich die Subventionen durch die Verzögerung der Einfuhren erhöht.?
Antwort: Der Subventionsbedarf erhöht sich durch die auf dem Weltmarkt eingetretene Verteuerung von 4,5 Cents je lbs. auf 5,87 Cents um 6 305 000 DM. Für Zucker, der aus Frankreich und anderen Ländern infolge verspäteten Eintreffens von 47 900 t Cuba-Rohzucker und infolge Ausfalls der Zuckerlieferungen aus ECA-Mitteln — das waren 50 000 t — gekauft werden mußte, wurden 26,5 Millionen DM als Subventionen bewilligt.
Frage 6:
Welche monatlichen Zuckerfreigaben waren nach dem Versorgungsplan für die letzten 6 Monate des laufenden Zuckerwirtschaftsjahres vorgesehen?
Ich darf gleich die Frage 7 dazunehmen: Welche Freigaben sind tatsächlich erfolgt?
Antwort: Es waren zur Freigabe im April 1950 80 000 t vorgesehen. Es sind tatsächlich in den Verkehr gekommen 85 000 t, im Mai vorgesehen 110 000 t, in den Verkehr gelangt 111628 t; im Juni vorgesehen 110 000 t, in den Verkehr gelangt 111 164 t; im Juli vorgesehen 110 000 t, in den Verkehr gelangt 148 300 t, nämlich eine Freigabe von 112 000 t plus nachweislichem Mehrverbrauch von 36 000 t; im August vorgesehen 110 000 t, in den Verkehr gebracht 94 500 t; im September vorgesehen 110 000 t, in den Verkehr gebracht 80 000 t; zusammen in den sechs Monaten vorgesehen 620 000 t, in den Verkehr gebracht 630 592 t.
Frage 8:
Werden Maßnahmen — und wenn ja, welche —unter Berücksichtigung der seit der Aufhebung der Zuckerbewirtschaftung gemachten Erfahrungen erwogen, um die Versorgung der Bevölkerung sofort sicherzustellen?
Antwort: Zunächst sollen durch doppelte Monatsfreigabe im Oktober 1950 193 000 t in den Verkehr gebracht werden, davon aus deutscher Ernte 150 000 t und aus Einfuhrzucker 43 000 t, dazu 15 000 t Freigabe der vor dem 1. 10. 1950 in deutschen Zuckerfabriken aus der Rübenernte 1950 erzeugten Zuckermenge; zusammen 208 000 t in den Verkehr gebracht.
Die Versorgungsmöglichkeiten der deutschen Bevölkerung mit Zucker haben sich durch eine sehr gute Ernte an Zuckerrüben gegenüber dem vergangenen Jahre erheblich gebessert. Einmal ist es gelungen, die Anbaufläche von Zuckerrüben im Jahre 1949/50 von 148 000 ha auf 183 000 ha zu steigern. Der Weißzuckerertrag wird von 550 000 t im vergangenen auf rund 770 000 t im laufenden Jahre steigen. Auch unter Zugrundelegung eines zu erwartenden höheren Verbrauchs ist damit rund die Hälfte des Gesamtbedarfs aus der eigenen Ernte sichergestellt. Es verbleibt ein Einfuhrbedarf von 750 000 t.
Die ersten Ausschreibungen für die Einfuhr von Zucker aus europäischen Herkunftsländern sind erfolgt. Aus dieser Einfuhr sind rund 156 000 t zu erwarten. Weitere 270 000 t Weißzucker werden e us ECA-Mitteln beschafft werden. Die Beschaffung der restlichen 310 000 t ist noch nicht sichergestellt. Hierüber schweben zur Zeit noch Verhandlungen unter anderem mit der Bank deutscher Länder, soweit die Bereitstellung von freien Dollars für diese Einfuhren erforderlich wird.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Rüdiger.
Meine Damen und Herren! Es ist unbestritten, daß durch die zögernde Haltung der Regierung nach dem Fortfall des Importausgleichsgesetzes gewisse Möglichkeiten nicht erschöpft sind, die durch eine weitere erhöhte Einfuhr den Zuckerbedarf befriedigt hätten. Entscheidend ist aber doch fraglos, daß seinerzeit die außenpolitischen Verhältnisse zu einer Angstpsychose und zu Angstkäufen Veranlassung gaben, so daß die Regierung bis zu einem gewissen Grad hieran tatsächlich keine Schuld tragen kann. Uns interessiert weniger das, was in der Vergangenheit gewesen ist, als das, was für die Zukunft zur Behebung der Zuckernot vorgesehen werden muß. Wir sind uns in diesem Hohen Hause durchaus einig, daß wir der Intensivierung der Landwirtschaft unsere Förderung in weitestgehendem Maße zuteil werden lassen müssen. Man muß aber diese Möglichkeiten auch von der Regierungsseite in weitestgehendem Maße schaffen und unterstützen. Es ist zur Zeit so, daß durch die Erhöhung der Löhne um rund 28 % sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Zuckerwirtschaft und Industrie leider Gottes ein Preismißverhältnis für den Landwirt entstehen wird, so daß die Existenz des Rübenanbaus ernsthaft in Frage gestellt wird.
Wir müssen unter allen Umständen darauf dringen, daß irgendein Ausgleich vorgenommen wird, da die Landwirtschaft letzten Endes ja kein Wohlfahrtsinstitut ist, sondern im Interesse eines gesunden Erwerbs auch eine entsprechende Rentabilität erzielen muß. Unserer Ansicht nach kann eine Steigerung des Zuckerverkaufspreises für den Verbraucher hierbei nicht in Frage kommen. Wir müssen also zu dem andern Mittel greifen, daß wir die Zuckersteuer erneut einer entsprechenden Senkung unterziehen. Sie ist heute gegenüber den
Vorkriegsverhältnissen noch wesentlich überhöht und muß unseres Erachtens auf ihren alten Stand von 21 Mark herabgeführt werden. Wenn wir das erreichen, führt das dazu, daß die Landwirtschaft tatsächlich einen ausreichenden Preis erzielen kann und daß eine weitere Steigerung der Erzeugung und eine weitere Intensivierung durch einen erhöhten Rübenanbau in der gesamten Landwirtschaft erfolgt.
Es ist selbstverständlich, daß der Herr Finanzminister mit ernsthaften Bedenken an jede Steuersenkung herangehen muß. Es ist aber eine Tatsache, daß in diesem Fall, wenn eine Zuckersteuersenkung erfolgt, wenn durch die weitere Intensivierung des Rübenanbaus ein erheblich höherer Ertrag im eigenen Lande erzielt wird, erhebliche Devisenersparnisse eintreten. Es werden nicht nur die Devisenersparnisse beim Zuckerimport, sondern darüber hinaus auch beim Weizenanbau tatsächlich entscheidend in Betracht gezogen werden müssen.
Als Landwirt darf ich Ihnen sagen, daß eine gesunde Fruchtfolge ein dringendes Erfordernis ist und daß nach dem Wegfall verschiedener Möglichkeiten auf anderen Gebieten, die ich jetzt nicht erörtern will, die Intensivierung des Rübenanbaus vor allem auch zur Gesunderhaltung der Böden beiträgt. Es ist eine einfache Tatsache — das möchte ich nur den Nichtlandwirten sagen daß ein Weizenanbau nach einem Zuckerrübenanbau als Vorfrucht unter den gleichen Verhältnissen gegenüber anderen Vorfrüchten mindestens eine Steigerung von zwei bis drei Zentnern pro Morgen erbringt, so daß also der Finanzminister durch den verminderten Weizenimport erhebliche Vorteile erreichen kann.
Aus all diesen Gründen stehen wir auf dem Standpunkt, daß diese Gesichtspunkte der Förderung des Rübenanbaus auch in Zukunft für uns von entscheidender Bedeutung sind.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Das Schlußwort hat der Herr Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Rüdiger weiß, daß ich mit ihm der Meinung bin, daß die Förderung des Zuckerrübenanbaus eine der wesentlichsten Aufgaben unserer Agrarpolitik ist. Nur in einem gewissen Zusammenhang braucht das heute festgestellt zu werden. Ich hoffe, daß wir uns über die positive Maßnahme, über die zu diesem Zweck zu ergreifenden Schritte und über die Deckungsvorlage im entscheidenden Augenblick auch einig sein werden.
Ich danke dem Herrn Bundesernährungsminister aufrichtig dafür, daß er so unumwunden und ohne irgendeinen Versuch der Beschönigung die Dinge hier ausgesprochen hat, die allerdings, wie gesagt, in eingeweihten Kreisen längst bekannt waren und die hier auszusprechen unserem Gefühl nach eine absolute Notwendigkeit war. Ich kann darauf verzichten, alle seine Mitteilungen hier zu wiederholen. Ich darf hoffen, daß Sie ihnen aufmerksam gefolgt sind. Dann kennen Sie genau den Geldbetrag an Subventionen, der mehr ausgegeben werden mußte, weil wir in einem gewissen Augenblick um jeden Preis kaufen mußten, um die Dinge nicht noch schlimmer werden zu lassen. Sie kennen auch die Zuckermengen, die wir hierher zuwenig bekommen haben. Dies ist - und das wird von keiner Seite bestritten —
auf einen Irrtum des Herrn Bundesfinanzministers zurückzuführen, der nicht darin liegt, daß er in einem gewissen Augenblick immer noch glaubte, man könne die für die Subventionierung erforderlichen Beträge durch eine Belastung der zuckerverarbeitenden Industrie herbeischaffen, nachdem schon seit Monaten kein Zweifel darüber war, daß diese Industrie sich dem Versuch, sie derartige Beträge zusätzlich aufbringen zu lassen, mit großem Erfolg und — nebenbei bemerkt — unter wirksamer Berufung auf die Konkurrenzlage gegenüber der ausländischen zuckerverarbeitenden Industrie, Schokoladenfabriken usw., entzog und daß also gar keine Aussicht bestand; der Irrtum des Herrn Bundesfinanzministers bestand ganz einfach darin, daß er geglaubt hat, die Verhältnisse in Deutschland und in der Welt würden sich nach der Finanz- und Steuerpolitik richten, die er für richtig hielt. Das haben sie leider nicht getan. Die Zeche dafür müssen wir alle miteinander zahlen, und ausgerechnet die Kinder haben sie leider Gottes lange Zeit hindurch zahlen müssen. Ich höre jetzt erfreulicherweise niemand mehr bestreiten, daß monatelang die Situation so gewesen ist, daß wirklich Hunderttausende von Müttern ihren Kindern die Suppe nicht süßmachen konnten.
Ich will sehr hoffen, daß die uns vom Herrn Bundesminister heute gemachten Zusagen bezüglich der Sicherstellung der zukünftigen Einfuhren auch vom Herrn Bundesfinanzminister rechtzeitig honoriert werden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet
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Das Wort hat der Herr Bundesminister Dr. Lukaschek.
Dr. Lukaschek, Bundesminister für Vertriebene. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem ersten Weltkrieg gibt es in Europa ein Problem der Flüchtlinge. Damals wurden Angehörige verschiedener Nationen erstmals in größerem Ausmaß entwurzelt. Die Länder, die diesen Flüchtlingen Aufnahme gewährten, versuchten Lösungen, um diesen Menschen Rechtsschutz und Betreuung zu sichern. Zu Beginn der dreißiger Jahre, als die politische Entwicklung eine neue Welle von Flüchtlingen hervorrief, sahen sich zahlreiche Regierungen veranlaßt, eine einheitliche Sicherung der Belange der Flüchtlinge herbeizuführen. Internationale Abkommen von 1933 und 1938 regelten für viele Länder erstmals den rechtlichen Status dieser Personen.
Der zweite Weltkrieg führte zu einem neuen Anschwellen der Flüchtlingszahlen. Sein Ende brachte es mit sich, daß auch in Deutschland Millionen von Ausländern lebten, die zum größten Teil während des Krieges zur Arbeitsleistung nach Deutschland verbracht waren. Die Betreuung dieser verschleppten Personen und Flüchtlinge, wie sie in der Gesetzessprache genannt wurden, übernahmen internationale Organisationen, zuerst die UNRRA, später die IRO. In rechtlicher Beziehung wurde dieser Personenkreis bei uns nach dem Besatzungsstatut der Jurisdiktion der Besatzungsmächte unterstellt. Namentlich die dankenswerte Tätigkeit der IRO erreichte es, durch Rückführung in die Heimat und Auswanderungen die Zahl der in der Bundesrepublik verbleibenden ausländischen Flüchtlinge auf gegenwärtig etwa 285 000 zu verringern.
Mit Wirkung vom 1. Juli 1950 ist nun der Bundesrepublik die Sorge für diejenigen heimatlosen Ausländer übertragen worden, die für eine Auswanderung oder Rückführung nicht mehr in Frage kommen. Nur die Betreuung der in Umsiedlung befindlichen Personen ist noch bei der IRO verblieben. Rund 60 000 Personen sind auf .fieser Grundlage bereits in die deutsche Betreuung überführt. Als obere Grenze kann meines Erachtens mit einer Übernahme von insgesamt 80- bis l00 000 Personen gerechnet werden. Die Übernahme in die deutsche Betreuung rechtfertigt es, diesen Personenkreis nunmehr auch in die deutsche Jurisdiktion zu übernehmen.
In einem Memorandum vom 9. Februar 1950 hat die Alliierte Hohe Kommission die Bundesregierung ersucht, Gesetze zu erlassen, um den diesen Flüchtlingen innerhalb des Bundesgebietes zu gewährenden rechtlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Status zu definieren. Eine solche Regelung der Rechtsstellung ist notwendig. Den internationalen Abkommen von 1933 und 1938, durch die andere Nationen die internationale Rechtsstellung der Flüchlinge geordnet hatten, ist Deutschland nicht beigetreten. Eine neue Konvention, deren Grundzüge durch einen Ausschuß des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen im Frühjahr 1950 festgelegt und die im Sommer 1950 unter Weglassung gewisser diskriminierender Bestimmungen revidiert wurde, wird frühestens in Jahresfrist ratifiziert werden und in Kraft treten können. Der Beitritt der Bundesregierung zu dieser Konvention ist vorgesehen und durch eine Erklärung der Bundesregierung vom 31. Juli 1950 in Aussicht gestellt worden.
Das Ihnen nunmehr vorgelegte Gesetz soll die Rechtsstellung der heimatlosen Ausländer, wie wir diesen Personenkreis nennen wollen, vorläufig regeln, bis die internationale Konvention das Problem einheitlich und umfassend regeln wird. Wir sind bei dem Gesetzentwurf von dem Grundgedanken des Konventionsentwurfs des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen ausgegangen. Wir haben uns bei den Formulierungen von der besonderen Not leiten lassen, in der sich Heimatlose befinden, die kein Land haben, das sich ihrer annimmt, aber auch von der erhöhten Verantwortung, die das deutsche Volk gerade bei diesem Problem nun einmal zu tragen hat.
Das Gesetz soll die Voraussetzungen für die Eingliederung der in der Bundesrepublik verbleibenden heimatlosen Ausländer in die deutsche Gemeinschaft schaffen. Die Gesetzesregelung wird den. heimatlosen Ausländer vor Ausweisung schützen und insbesondere die Abschiebung in ein Land, in dem sein Leben oder seine Freiheit bedroht ist, ausdrücklich verbieten. Die in die Obhut der Bundesregierung übergegangenen heimatlosen Ausländer werden an den Grundrechten nach Maßgabe der Artikel 1 bis 19 des Grundgesetzes teilnehmen. Darüber hinaus soll das Gesetz diesen Ausländern alle die bürgerlichen und öffentlichen Rechte gewähren, die zum Aufbau einer eigenen Existenz notwendig sind. Im Berufsleben
sollen sie im allgemeinen die gleichen Rechte genießen wie die deutsche Bevölkerung. In der Sozialversorgung ist die Gleichstellung mit den deutschen Staatsangehörigen vorgesehen. Auch in der öffentlichen Fürsorge sollen sie Leistungen in gleicher Höhe erhalten wie deutsche Staatsangehörige. Es soll ihnen Zutritt zu Schulen aller Art zu den gleichen Bedingungen wie Deutschen gewährt werden. Eine besondere Bestimmung sieht vor, daß die Bundesrepublik ihnen einen Rechtsschutz gewährt, dessen sie bedürfen, weil sie nicht mehr den Schutz ihres Heimatstaates genießen, auch wenn sie formell dessen Staatsangehörige sind. Der Gesetzentwurf geht damit in einigen Punkten bereits über den Konventionsentwurf, dessen Grundsätze Mindestforderungen für die Behandlung heimatloser Ausländer darstellen, hinaus und schließt sich damit den Nationen an, die einer Lösung dieses Problems in einer besonders freiheitlichen und humanitären Weise zustreben.
Noch ist es nicht möglich, alle Regelungen in deutscher Zuständigkeit zu treffen. Auf dem Gebiete des zivilen Rechts und des strafrechtlichen Schutzes der heimatlosen Ausländer sowie auch hinsichtlich des Ausweisungsrechtes gelten zur Zeit noch besatzungsrechtliche Vorschriften. Die Bundesregierung erwartet aber, daß gerade das vorgelegte Gesetz und der Geist dieses Gesetzes den Besatzungsmächten den Entschluß erleichtern werden, der Bundesrepublik die volle Verantwortung für die heimatlosen Ausländer zu übertragen. Wenn durch die Annahme des Ihnen vorgelegten Gesetzes das deutsche Volk seine Bereitschaft bekundet, die Eingliederung der heimatlosen Ausländer in die deutsche Betreuung in jeder nur möglichen Weise zu erleichtern, so gehen wir dabei von der Erwartung aus, daß auch die heimatlosen Ausländer bemüht sein werden, sich in die nun einmal gegebene Lage einzufügen. Sie werden sich dabei bewußt sein müssen, daß auch die Lane der deutschen Bevölkerung schwierig ist und daß viele Zehntausende insbesondere ven Heimatvertriebenen noch immer arbeitslos sind und über keinen angemessenen Wohnraum verfügen. Es wird nicht zu vermeiden sein, daß auch der heimatlose Ausländer viele der Härten dieser Nachkriegszeit mit den Deutschen im Gebiete der Bundesrepublik wird teilen müssen. Die Bundesrepublik ist aber überzeugt, daß ein gutes Zusammenstehen von Deutschen und Ausländern am ehesten zu einer Überbrückung dieser gemeinsamen Nöte führen wird.
Dieses Gesetz ist also nicht nur eine Verpflichtung für uns, sondern — so hoffen wir zuversichtlich — auch richtungweisend. Es bedeutet den ersten formalen Schritt in die Völkergemeinschaft. Es ist ein Dokument der Bereitschaft zu einer völkerverbundenen Humanität mit dem Ziel, die Freiheit und die materielle Existenz aller derjenigen zu sichern, die eines der wertvollsten irdischen Güter hergeben mußten, nämlich ihre Heimat.
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, bei diesem Gesetzentwurf auf eine Aussprache in erster Lesung zu verzichten und ihn sofort an den zuständigen Ausschuß zu überweisen. Ich glaube, daß der hierfür zuständige Ausschuß der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ist
— unter Beiziehung des Ausschusses für Vertriebene, wobei der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als der federführende Ausschuß anzusehen wäre. Ist das Hohen Haus mit diesem Vorschlag einverstanden?
— Dann ist so beschlossen. Der Entwurf wird dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Heimatvertriebene überwiesen.
Nunmehr rufe ich auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland
;
Mündlicher Bericht des Ausschusses zum Schutze der Verfassung (Nr. 1415 der Drucksachen).
Als Berichterstatter hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Becker.
Meine Damen und Herren! Der Beschluß des Ausschusses zum Schutze der Verfassung, der Ihnen vorliegt, ist das Ergebnis einer Verhandlung, die sich anschließt an die Anträge der Herren von der CSU auf Drucksache Nr. 724 und der Bayernpartei auf Drucksache Nr. 650. Der erstgenannte Antrag ging dahin, in einem Gesetz über die Unzulässigkeit von Doppelmandaten sich über die Unzulässigkeit des Doppelmandats in der Regierung eines Landes und im Bundestag, über die Unzulässigkeit der Mitgliedschaft im Bundesrat und im Bundestag, über die Unzulässigkeit der Mitgliedschaft in einem Landesparlament und im Bundestag auszusprechen. Der Antrag der Bayernpartei hatte die gleiche Tendenz und formulierte dementsprechend die betreffenden Paragraphen im Wahlgesetz zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik um.
Der Antrag. der Ihnen als Beschluß des Ausschusses vorliegt, ist sehr kurz. Er enthält eine formelle Änderung des Wahlgesetzes dahin, daß ein Abgeordneter des Bundestages nicht zugleich Mitglied der Regierung eines Landes sein könne und dementsprechend durch den Eintritt in die Regierung eines Landes sein Mandat im Bundestag verliere.
Zwischen diesen Anträgen und dem Beschluß des Ausschusses liegt nun eine Fülle von staatsrechtlichen Erörterungen. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich Ihnen, um vollständig zu sein, diese Erörterungen eingehend vortragen muß. Es handelt sich um den Grundsatz der Unvereinbarkeit von Doppelmandaten, zu deutsch: „Inkompatibilität". Wir haben im Ausschuß diese Frage sehr weit gespannt und haben uns unterhalten über die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in einer Landesregierung mit dem Bundestagsmandat, die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft im Bundesrat mit der Mitgliedschaft im Bundestag, die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in einem Landesparlament mit der Mitgliedschaft im Bundestag. Schließlich haben wir die Frage der Unvereinbarkeit etwa eines Stadtverordnetenmandats oder eines Kreistagsmandats mit einem Bundestagsmandat gestreift. Das Ergebnis war folgendes.
Wir hatten als Unterstützung für unsere Erörterungen die sehr dankenswerten Ausführungen über die Inkompatibilität zwischen Bundestag und Bundesrat, herausgegeben von Dr. Partsch und Assessor Genser vom Institut zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten in Frankfurt a. M. In diesem Bericht ist eine Fülle von Material bis auf die neue Zeit hin zusammengestellt, so daß wir an Hand dieser Denkschrift in der Lage waren, alle Einzelheiten, auch Einzelheiten der auswärtigen Gesetze, zu berücksichtigen.
Was zunächst die Frage der Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft im Bundesrat und im Bundestag betrifft, so ist davon auszugehen, daß es sowohl ein staatsrechtliches Prinzip sein kann, das ohne weiteres als im Grundgesetz enthalten angesehen werden kann, wie auch die Frage zu stellen ist, ob ein Gewohnheitsrecht im Sinne der Unvereinbarkeit beider Mandate vorliegt. Die dritte Frage, wenn die beiden ersten Fragen zu verneinen sind, geht dahin, ob es notwendig ist, eine gesetzliche Regelung zu treffen. Anschließend ergibt sich dann die Frage, ob diese gesetzliche Regelung nun verfassungändernd oder, genauer gesagt. verfassungergänzend ist und dementsprechend eine Mehrheit besonderer Art, wie sie Art. 79 des Grundgesetzes vorschreibt. also eine Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern, notwendig macht oder nicht.
Es ist festzustellen, daß in einem großen Teil der Staaten der Welt die Unvereinbarkeit einer Mitgliedschaft in beiden Häusern ohne weiteres anerkannt ist.
In den ausländischen Bundesstaaten — ich lege den Nachdruck auf das Wort Bundesstaat — ist das festgestellt, und zwar für Österreich, für die Schweiz, für Brasilien, für Australien, für Südafrika, für Kanada und für Jugoslawien. In den ausländischen Staaten, die keine Bundesstaaten, sondern Einheitsstaaten sind, ist es ausdrücklich für Frankreich, für Belgien und für die Niederlande festgelegt. Dabei ist in der Literatur zu diesen Verfassungen dargelegt, daß es eigentlich einer besonderen Normierung dieser Bestimmung in den Verfassungen gar nicht bedürfe. Es sei ohnehin ein feststehendes staatsrechtliches Prinzip, daß ein Mitglied des einen Hauses nicht zugleich Mitglied des anderen Hauses sein könne, weil es sonst in beiden Häusern an der Gesetzgebung beteiligt sei, während der Sinn der Aufteilung der gesetzgebenden Körperschaft in zwei Kammern doch gerade der sei, zwei verschieden zusammengesetzte und verschieden gewählte Kammern an der Herstellung des gleichen Gesetzes beteiligt zu sehen. Im Frankreich der Dritten Republik, in England und in den Vereinigten Staaten gilt das Prinzip der Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in beiden Häusern, auch ohne daß es irgendwie schriftlich, gesetzlich niedergelegt wäre.
Ich komme auf Deutschland. Die preußische Verfassung von 1850 und die preußische Verfassung von 1920 kannten den gleichen Grundsatz. Auch hier ist wieder in Kommentaren zum Ausdruck gebracht, daß eine Festlegung des Prinzips nicht notwendig sei. Die Bismarcksche Verfassung von 1871 enthielt den gleichen Grundsatz, ebenso die bayerische Verfassung von 1946. Der Entwurf der Paulskirche von 1849 enthielt ebenfalls den Grundsatz der Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in den beiden Häusern. Die österreichische Verfassung von 1849 enthielt den gleichen Grundsatz. Dabei darf ich nochmals die
bayerische Verfassung von 1946 erwähnen, die diesen Grundsatz auch enthält.
Sie sehen also eine Fülle von Verfassungsbestimmungen und verfassungsrechtlichen Zuständen, in denen das Prinzip gilt, meistens sogar mit ausdrücklichen Worten in der Verfassung ausgesprochen ist. In wenigen Fällen, aber in besonders markanten Fällen, wie Frankreich, England, Vereinigte Staaten, ist das Prinzip ohne schriftliche Fixierung gleichwohl als Staatsgrundgesetz gewohnheitsrechtlicher Art beachtet. Überall gilt also der Grundsatz der Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in zwei gesetzgebenden Häusern des gleichen Staates.
Der Ausschuß hat sich mit Mehrheit grundsätzlich den Grundgedanken zu eigen gemacht, daß eine Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft im Bundesrat und der Mitgliedschaft im Bundestag besteht. Da nach unserem Grundgesetz der Bundesrat nach Instruktion und Weisung abstimmt, da also das Mitglied des Bundesrats als solches nicht nach seiner eigenen Meinung, sondern nach der Meinung stimmt, die durch Kabinettsbeschluß festgelegt ist, und da an der Fassung dieses Kabinettsbeschlusses sämtliche Mitglieder der Regierung des betreffenden Landes teilnehmen, ist die Stimmabgabe im Bundesrat indirekt eine Stimmabgabe der gesamten Regierung des betreffenden Landes. Infolgedessen hat der Ausschuß den weiteren Schluß gezogen, daß es unvereinbar ist, daß Mitglieder einer Landesregierung, auch wenn sie für sich persönlich nicht Mitglieder des Bundesrats sind, Mitglieder des Bundestags sind. Denn hier ist durch Kabinettsbeschluß für jedes Mitglied sachlich, wenn auch nicht persönlich, eine Festlegung auf eine Abstimmung im Oberhaus, im Bundesrat gegeben.
Es war nun die Frage: Bedarf es einer Festlegung dieses Grundsatzes durch Gesetzesworte, oder besteht ohne weiteres der Grundsatz als solcher? Als erstes war die Frage aufzuwerfen, ob es ein staatsrechtliches Prinzip ist, das sich im Wege der Auslegung aus unserem Grundgesetz ergibt. Wenn nein, ergibt sich als zweite Frage: Ist es ein Gewohnheitsrecht, das also Rechtsüberzeugung plus Rechtsübung voraussetzt? Wenn die zweite Frage zu verneinen ist, ergibt sich als dritte Frage: Ist es notwendig, eine besondere gesetzliche Regelung zu schaffen? Dabei können wir die Frage mit einschließen: Wo, in welchem Gesetz?
In der Frage, ob ein staatsrechtliches Prinzip durch Auslegung des Grundgesetzes als bestehendes Recht festzustellen ist, ist die Beschlußfassung des Ausschusses nicht so ganz dezidiert gewesen. Ich darf aber wohl die Beschlußfassung des Ausschusses dahin auslegen, daß man das staatsrechtliche Prinzip als solches anerkannt hat, daß man sich aber auf den Standpunkt gestellt hat, es sei nötig, dieses staatsrechtliche Prinzip noch mit ausdrücklichen Worten in einem Gesetz niederzulegen. Weiter ist der Gedanke vertreten worden, daß ein staatsrechtliches Gewohnheitsrecht dieses Inhalts bestehe und daß es, weil es staatsrechtliches Gewohnheitsrecht sei, aber auch weil es im Wege der Auslegung als staatsrechtliches Prinzip aus dem Grundgedanken unseres Grundgesetzes heraus zu entwickeln sei, keiner gesetzlichen Regelung bedürfe. Die Frage ist nicht nur eine juristische Finesse, sondern hat ihre besondere Bedeutung. Denn wenn dieser Satz schon auf Grund eines staatsrechtlichen Prinzips zu entwickeln oder als Gewohnheitsrecht anzuerkennen ist, dann
gilt er eben schon. Dann haben wir hier vielleicht nur noch irgendwelche Modalitäten im Wege der Gesetzgebung durchzuführen, Modalitäten etwa dahin, daß wir trotz Bestehens dieses Gewohnheitsrechts einen davon abweichenden Zustand für eine gewisse Übergangszeit dulden wollen, oder ähnlicher Art.
Das Bestehen eines Gewohnheitsrechts ist vom Ausschuß mit Mehrheit verneint worden, und zwar aus dem Grunde, weil man die Rechtsüberzeugung als solche zwar bejaht, die Rechtsübung aber als dadurch unterbrochen gesehen hat, daß in der Zeit der Weimarer Republik — zwar war in der Weimarer Verfassung die Vereinbarkeit der Mitgliedschaft im Reichsrat und im damaligen Reichstag nicht ausgesprochen - die Praxis dahin ging, daß einige Mitglieder des Reichsrates auch Mitglieder des Reichstages waren und umgekehrt. Man kam deshalb im Ausschuß überein, eine Formulierung zu schaffen, also diese Frage gesetzlich zu fixieren. Dabei tauchte die Frage auf, w o sie gesetzlich zu fixieren sei. Die Vorlage, die Ihnen der Ausschuß unterbreitet, bringt sie als Änderung des Wahlgesetzes äußerlich angeregt durch die Tatsache, daß der Antrag der Bayernpartei auf Änderung des Wahlgesetzes zur Wahl des ersten Bundestages abzielte, angeregt wohl auch dadurch, daß es auf diese Weise am einfachsten zu formulieren war,
Man könnte die Frage aufwerfen - es ist eine Frage der Diskussion —, ob das Ganze nicht als ausdrückliche Ergänzung des Grundgesetzes in das Grundgesetz gehört. Ferner könnte man fragen, ob man nicht ein Spezialgesetz hätte schaffen sollen, und zwar ein Spezialgesetz von zeitlich unbegrenzter Wirksamkeit, während die Frage nun in einem Gesetz geregelt wird, das an sich nur für die Wahl zum ersten Bundestag gilt. An diesen Fragen braucht die gesetzgeberische Erledigung der Vorlage aber nicht zu scheitern. Denn selbst wenn diese Angelegenheit in diesem Wahlgesetz Aufnahme gefunden hat, würde sie doch wieder in einem neuen Wahlgesetz geregelt werden müssen, das ja ohnehin noch vor Ablauf der Legislaturperiode dieses Hohen Hauses verabschiedet werden muß, und kann dann in dieses Gesetz übernommen werden.
Als zweiten Punkt haben wir die Frage erörtert, ob eine Unvereinbarkeit zwischen einem Bundestagsmandat und einem Landtagsmandat besteht. Das war einer der zwei Hauptpunkte in dem Antrag der Kollegen der CSU. Der Antragsteller führte im Ausschuß aus, daß eine grundgesetzliche Negation der Möglichkeit eines solchen Antrages nicht vorliegt, daß also das Grundgesetz diesem Antrag in keiner Weise im Wege steht. Dem hat man sich angeschlossen und die Frage nun dahingehend konkretisiert, ob es zweckmäßig ist, ein Verbot des Doppelmandats auszusprechen, und ob man, wenn es unzweckmäßig ist, ein solches Doppelmandat zu führen, so weit gehen sollte, es gesetzlich zu verbieten.
Die Mehrheit hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß ein Doppelmandat im allgemeinen zweifellos unzweckmäßig sei, daß es aber in einzelnen Ausnahmefällen vielleicht durchaus richtig und geraten sein könnte, vom Bundestag zu den Parlamenten der einzelnen Staaten eine Querverbindung zu haben, ebenso wie das Oberhaus in unserer Bundesrepublik, nämlich der Bundesrat, praktisch eine einzige Querverbindung vom Land bzw. von der Landesregierung zu der Ersten gesetzgebenden Kammer darstellt.
Zweitens wurde die Frage erörtert, ob alles das, was zweckmäßig ist, auch zu einer gesetzgeberischen Notwendigkeit gemacht werden müsse. Beide Fragen hat der Ausschuß mit Mehrheit verneint und deshalb den Antrag der CSU, soweit er auf ein Verbot des Doppelmandats abzielte, abgelehnt.
Wie ich schon sagte, wurde auch die Frage der Unvereinbarkeit eines Stadtverordneten- oder eines Kreistagsmandats auf der einen Seite mit einem Bundestagsmandat auf der anderen Seite gestreift. Es wurde ausgeführt: Wenn man schon dem Bundestagsabgeordneten die Doppelmandatschaft als Mitglied eines Landtages verbieten wolle, müsse man konsequenterweise auch das andere verbieten. Zur Widerlegung dieses Einwandes wurde ausgeführt, daß die Mitgliedschaft in einem Kreistag oder in einem Stadtverordnetenkollegium nicht nur legislativer, sondern auch exekutiver Art sei. Man kann darüber streiten; aber die Haushaltsabstimmung dort, die Hauptaufgabe dieser Gremien, ist praktisch die gleiche legislatorische Arbeit, die wir hier vorzunehmen haben. Der Ausschuß war sich darüber einig, daß es überaus zweckmäßig sei, wenn sich Bundestagsabgeordnete auch in diesen Gremien, in den kommunalen Körperschaften, betätigten, um so dauernde praktische Fühlung auch mit den Dingen des täglichen Lebens zu haben und über die Anwendung der hier beschlossenen Gesetze auf die Allgemeinheit im Bilde zu bleiben. Infolgedessen hat man konsequenterweise die Doppelmandatschaft zwischen Landtag und Bundestag auch nicht verboten.
Die letzte Frage lautete: Bedarf dieses Gesetz, insbesondere insoweit es die Unvereinbarkeit zwischen einer Mitgliedschaft im Bundesrat und in einer Landesregierung einerseits und im Bundestag andererseits ausspricht, einer verfassungändernden Mehrheit, oder kann es mit einfacher Mehrheit angenommen werden? Wenn es nicht Ausfluß eines staatsrechtlich ohnehin schon bestehenden Prinzips ist, das wir hier aussprechen, wenn wir also nicht kodifizieren, sondern neues Recht schaffen, wenn es kein Gewohnheitsrecht gibt, wenn wir also nicht Gewohnheitsrecht kodifizieren, sondern neues Recht schaffen, dann ist es eine Ergänzung des Grundgesetzes und würde in beiden Häusern der Zustimmung der Zweidrittel-Mehrheit bedürfen. Eine Minorität war, wie gesagt, der Meinung, daß es ein Gewohnheitsrecht dieses Inhalts gebe und dementsprechend die Zweidrittelmehrheit nicht erforderlich sei.
Es wurde eingewendet, die Zweidrittel-Mehrheit sei auch deshalb nicht erforderlich, weil nach Art. 137 Abs. 1 des Grundgesetzes die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes und Richtern im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden gesetzlich beschränkt werden könne. Dabei aber kam man wieder zu der Frage, ob die Landesminister eigentlich Beamte sind. Zweifellos sind einzelne beamtenrechtliche Bestimmungen auch auf die Minister anzuwenden. Aber es handelt sich hier ja gar nicht um den Grundsatz: Soll die Mitgliedschaft im Bundesrat und im Bundestag deshalb untersagt werden, weil die Minister als Beamte anzusehen sind, sondern deshalb, weil es ja wegen der gebundenen Stimmführung im Bundesrat staatsrechtlich völlig ausgeschlossen ist, die
gleichen Vertreter zu Mitgliedern des Bundestags zu machen mit dem Recht, in dem einen Haus bei der Abstimmung an Instruktionen gebunden zu sein und im anderen Haus nach freier Überzeugung ohne Bindung an irgendeine Instruktion abzustimmen.
Es handelt sich ferner darum, ob nicht der Grundsatz der absoluten Trennung der Gewalten, der Grundsatz der Trennung der Exekutive von der Legislative, nicht gerade das treibende Moment ist, das diese Unvereinbarkeit bejaht. Dieser letzte Grundsatz — Unvereinbarkeit zwischen Exekutive und Legislative — führt auch zur richtigen Auslegung des Art. 137 Abs. 1. Wenn es hier heißt: „Die Wählbarkeit von Beamten" usw. . . . . „kann gesetzlich beschränkt werden", dann bezieht sich das nicht auf Minister als Träger der Exekutive, sondern nur auf die Beamten kat exochen, auf die es ganz konkret anzuwenden ist, und das sind Minister in den Ländern nicht. Daraus ergibt sich, daß uns Art. 137 Abs. 1 nicht der Frage enthebt, über die wir uns klar werden müssen: Kodifizieren wir ein staatsrechtliches Prinzip, kodifizieren wir Gewohnheitsrecht? Wenn ja, dann brauchen wir nur die einfache Mehrheit. Handelt es sich aber um mehr, dann brauchen wir zur Annahme dieses Gesetzes in beiden Häusern die Zweidrittelmehrheit.
Noch ein Schlußsatz. Es ist die Frage aufgetaucht: Wie steht es denn nun um die konsequente Anwendung dieses Grundsatzes der Unvereinbarkeit von Exekutive und Legislative auf die Bundesminister selbst? Wir haben diese Frage — ich persönlich — schon einmal im vergangenen Jahr anläßlich der Bundestagswahlen in der Presse erörtert. Die Dinge liegen doch so: Grundsätzlich sind Exekutive und Legislative zu trennen. Also aus diesem Grunde, aber auch aus dem Grunde der gebundenen Stimmführung im Bundesrat ist die Unvereinbarkeit gleichzeitiger Mitgliedschaft im Bundestag und Bundesrat auszusprechen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nachdem im Parlamentarischen Rat der von Herrn Dehler und mir gestellte Antrag auf Einführung des Präsidialsystems abgelehnt worden war, steht klipp und klar fest, daß dieses Grundgesetz auf der Grundlage des parlamentarischen Systems beruht, auch wenn die Einführung des konstruktiven Mißtrauensvotums die Dinge in der Praxis etwas abbiegt. Aber wenn wir auf die Grundsatzfrage eingehen, müssen wir vom parlamentarischen System ausgehen.
Es ist weiter zu deduzieren: Es ist ein staatsrechtliches Gewohnheitsrecht im parlamentarischen System, daß die Minister des betreffenden Staates, der betreffenden Körperschaft, die aus diesem Parlament heraus gewählt werden, von dem Vertrauen des Parlaments getragen sind, Mitglieder des Parlaments sein können. Dieses staatsrechtliche Gewohnheitsrecht durchbricht als Ausnahme für den Bund die Regel, die aufzustellen der Ausschuß zum Schutze der Verfassung sich hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Länderregierung und Bundestag bemüht hat.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor: Ausprachezeit für beide Lesungen 60 Minuten. — Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat eingehend die Gesichtspunkte dargelegt, die den Ausschuß zum Schutze der Verfassung bewogen haben, Ihnen mit Mehrheit vorzuschlagen, in das Gesetz über die Wahl zum ersten Bundestag eine Reihe von neuen Bestimmungen aufzunehmen. Ich brauche auf die gesamte Materie nicht einzugehen; sie ist, wie ich schon sagte, vom Herrn Berichterstatter eingehend dargelegt worden. Aber ich muß doch einige Bedenken gegenüber der Regelung anmelden, wie sie Ihnen mit der Drucksache, die wir heute beraten, vorgeschlagen wird.
Wir haben uns im Ausschuß mit überwiegender Mehrheit auf den Standpunkt gestellt, daß es keine Veranlassung gibt — weder eine politische noch eine rechtliche —, die Unzulässigkeit von doppelten Parlamentsmandaten hier festzulegen. Wir sind in der Tat der Meinung: die vernünftige Haltung der Parteien, die Rücksichtnahme auf den Wählerwillen werden hier ein Regulator sein. Denn es ist ganz offensichtlich, daß sich im Einzelfalle eine Partei und ein Politiker sehr überlegen werden, ob sie es ihren Wählern zumuten können, damit einverstanden zu sein, eine Fülle von Funktionen in ihrer Hand zu haben und damit in Gefahr zu geraten, nicht mehr als voll aktive Politiker ernst genommen zu werden. Das reguliert vieles. So war die Mehrheit der Auffassung: Es ist hinsichtlich der Unvereinbarkeit in bezug auf die Länderparlamente und den Bundestag nicht notwendig, eine besondere Bestimmung aufzunehmen. Der Ausschuß hat sich also darauf beschränkt, die Unvereinbarkeit lediglich bezüglich der Mitgliedschaft zu einer Landesregierung und der Mitgliedschaft zum Bundestag zu erklären.
Ich bin beauftragt, namens meiner Fraktion die Erklärung abzugeben, daß wir durchaus bereit sind, über eine solche Regelung mit uns sprechen zu lassen. Ich bin aber gleichzeitig beauftragt, Ihnen darzutun, daß uns die Ergänzung des Gesetzes, um das es heute geht, nämlich des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung, außerordentlich fragwürdig erscheint. Wir sind der Meinung, daß die angestrebte Regelung in einem neuen Wahlgesetz niedergelegt werden sollte und nicht in Gefahr geraten dürfte, angesichts der eingeschränkten Geltung des ersten Wahlgesetzes vom 15. Juni 1949, das nur für das bereits gewählte Parlament gilt, unter Umständen mit Erfolg angefochten zu werden.
Nun sind heute noch eine Reihe von Abänderungsanträgen eingegangen, die es dem Hohen Hause fraglos unmöglich machen werden, hier und am heutigen Tage eine Entscheidung zu treffen. Sie sind zum Teil völlig neu, und die größte Überraschung, meine Damen und Herren, bietet der Ergänzungsantrag der Bayernpartei,
der Partei, die uns in den letzten Wochen sowieso manche Überraschung beschert hat.
— Ich weiß nicht, wer hier „Gott sei Dank" rief, ein Nutznießer oder ein Beteiligter.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was die Herren Kollegen der Bayernpartei anstreben, ist mir und meinen Freunden geradezu unfaßlich.
Es scheint, wir haben noch nicht genug damit, daß sich heute schon wieder aus dem Halbdunkel der Vergangenheit gewisse und ungewisse Herren hervorwagen und sich zu neuem Tun rüsten. Wir sollten aus der Vergangenheit, meine Herren Antragsteller, davor gewarnt sein, dem Fachbeamtentum, dem Fachministerium irgendwelche Vorschußlorbeeren zu erteilen. Die Regelung, die Sie anstreben, ist doch mit dürren Worten die, daß in Zukunft weder in einer Landesregierung noch in einer Bundesregierung ein Parlamentarier sitzen darf. Wohin würden wir da kommen, wie soll sich die Kontrolle des Parlaments vollziehen? Ich bedaure, in diesem Zusammenhang diese Bemerkung machen zu müssen: Vielleicht wäre manches an Unstimmigkeiten, vielleicht wäre manches an Mißstimmung und Verdacht in der Öffentlichkeit nicht laut geworden, wenn der Herr Bundesinnenminister Heinemann die Gelegenheit gehabt hätte, vor diesem Hause seinen Standpunkt darzulegen.
Das konnte er nicht tun, weil er nicht Abgeordneter war.
Wir sind, ohne daß wir im Augenblick auf weitere Einzelheiten eingehen wollen, der Auffassung, daß es besonders mit Rücksicht auf die gestellten Abänderungsanträge unerläßlich erscheint, den Antrag des Ausschusses und die heute gestellten Abänderungsanträge zu einer nochmaligen gründlichen Behandlung an den Ausschuß zurückzuverweisen. Ich stelle namens meiner Fraktion einen entsprechenden Antrag.
Meine Damen und Herren, bisher haben sich noch drei weitere Redner gemeldet. Dieser Antrag ist ein Antrag auf eine bestimmte sachliche Behandlung und kein Antrag zur Geschäftsordnung. Von Rechts wegen müßten also, ehe über diesen Antrag abgestimmt werden kann, die drei noch gemeldeten Redner und alle anderen Redner, die sich zu § 1 zur Sache melden sollten, zu Worte kommen. Ich glaube aber, daß es eine praktischere Geschäftsbehandlung wäre, wenn wir zuerst die Frage klärten, ob das Haus wünscht, daß das Gesetz an den Ausschuß zurückverwiesen wird oder nicht.
Wir könnten dann, glaube ich, sehr viel Zeit sparen. Es mag sein, daß der Antrag abgelehnt wird. Aber dann weiß man Bescheid, daß es Sinn hat, zur Sache zu sprechen. — Ist das Haus damit einverstanden?
Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte den von der SPD-Fraktion gestellten Antrag schon deshalb für ohne weiteres annehmbar, weil auch ich der Meinung bin, daß es gesetzestechnisch sehr zweifelhaft sein muß, ob durch eine Änderung des überhaupt nur für
die vergangene Wahl zum Bundestag erlassenen Wahlgesetzes eigentlich das herbeigeführt werden kann oder soll, was wir wollen. Schon wegen dieser technischen Form der Gesetzgebung halte ich eine nochmalige Ausschußberatung für mindestens wenn nicht geboten, so doch äußerst zweckmäßig. Ich würde daher bitten, daß wir dem Herrn Präsidenten folgen und die Ausschußüberweisung beschließen.
Keine Wortmeldungen dazu. Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer für Zurückverweisung an den Ausschuß ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
— Gegen einige wenige Stimmen so beschlossen.
Dann eine Bitte der kommunistischen Fraktion. Der Abgeordnete Müller ist beauftragt, für seine Fraktion Punkt 10 der Tagesordnung zu begründen. Er muß aber abreisen, und es ist darum gebeten worden, diesen Punkt vorzuziehen. Ist das Haus damit einverstanden, daß ich Punkt 10 vorziehe?
— Dann rufe ich den Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Anwerbung von Deutschen iur fremdländischen Militärdienst (Nrn. 1416, 687 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt ihnen 5 Minuten für die Begründung und, falls eine Aussprache stattfinden sollte, Begrenzung der Redezeit auf 40 Minuten vor.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Eichler als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Nr. 687 der kommunistischen Fraktion war bereits bei der Einbringung Gegenstand einer längeren Aussprache im Hause. Wir hatten damals vor allen Dingen die Aktivlegitimation der Antragsteller kritisiert, gerade solche Fragen, die sonst, wenn es sich um den östlichen Teil Deutschlands handelt, keineswegs von ihnen mit der gleichen Sachlichkeit behandelt werden, hier vorzutragen. Wir haben trotzdem selbstverständlich im Ausschuß nicht das sachliche Interesse verkannt, das für uns alle darin liegt, die Anwerbung von Deutschen für einen fremdländischen Militärdienst grundsätzlich abzulehnen.
Es ist erstaunlich, daß jedesmal, wenn es sich darum handelt, Deutschland zu entmilitarisieren, ihm also seine angeblich wilde Aggressionslust abzugewöhnen, gerade die Besatzungsmächte zugunsten der Werbung für fremdländischen Militärdienst eingegriffen haben. Das war sowohl im Versailler Vertrag im Art. 179 Abs. 3 der Fall als auch durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 vom Januar 1946, das den ehemaligen § 141 a des Reichsstrafgesetzbuches außer Kraft setzte, der die Werbung für Fremdenlegionen verbot. Wir sind der Meinung, daß es bei den Erfahrungen mit der Fremdenlegion durchaus geboten ist, dagegen von deutscher Seite aus Verwahrung einzulegen. Nach den unsicheren, aber unbestrittenen Zahlen, die zur Verfügung stehen, sind bis 1920 in der französischen Fremdenlegion etwa 250 000 Deutsche umgekommen, von 1920 bis 1929 weitere 70 000,
und man weiß, daß auch seit Beendigung dieses Krieges, vor allem bei den Kämpfen in Indochina, ein erheblicher Teil der Todesopfer deutsche Soldaten waren.
Da es sich dabei zum großen Teil um Leute handelt, die im wesentlichen durch unverschuldete Not halb und halb dazu getrieben werden, solche fremdländischen Militärdienste anzunehmen, glauben wir, sollte sich der Deutsche Bundestag mit Entschiedenheit dagegen verwahren. Wir haben deshalb im Ausschuß mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß das Verlangen, das damals hier ausgesprochen wurde, insofern erfüllt worden ist, als bei der Strafrechtsänderung, die jetzt vorgeschlagen worden ist und über die wir vor einigen Wochen in der ersten Lesung beraten haben, ein § 83 eingefügt ist, in dem es heißt:
Wer einen Deutschen zum Wehr- oder
Rüstungsdienst einer ausländischen Macht anwirbt oder ihren Werbern oder dem ausländischen Wehr- oder Rüstungsdienst zuführt, wird mit Gefängnis nicht unter drei
Monaten bestraft. Der Versuch ist strafbar.
Wir glauben, daß mit dieser Regelung der Antrag, der hier zur Debatte steht, sachlich erledigt ist. Da aber zu erwarten ist, daß die Strafrechtsänderung nicht in sehr kurzer Zeit bereits in Kraft treten wird, daß sie im Gegenteil sogar erhebliche Zeit beanspruchen wird, andererseits aber dieser Paragraph gewiß nicht auf Meinungsverschiedenheiten stoßen wird, glauben wir, der Regierung empfehlen zu sollen, schon heute Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren aufzunehmen, damit schon vor Inkrafttreten des Gesetzes so gehandelt wird, als wenn der § 83 bereits in Kraft wäre.
Der Ausschuß schlägt Ihnen deshalb vor, so zu verfahren, wie es in der Drucksache Nr. 1416 verlangt ist, nämlich den Antrag der KPD insofern für erledigt zu erklären, als durch die neue Strafrechtsänderung das Verlangen erfüllt wird, aber hinzuzufügen, daß die Bundesregierung gleichzeitig durch Verhandlungen erreichen soll, daß die Werbung heute schon eingestellt wird. Schließlich sachlich noch eine redaktionelle Änderung an dem Antrag. Wir können die Bundesregierung nicht ersuchen, „durch Verhandlungen mit der Oberkommission zu erreichen . . ."; das wäre zu viel verlangt, selbst von unserer Bundesregierung. Wir können sie nur ersuchen, zu versuchen, das zu erreichen. Mit dieser Einschränkung bitten wir Sie, unseren Antrag anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In dem vorliegenden Bericht des Ausschusses wird im ersten Absatz beantragt, den Antrag der kommunistischen Fraktion als erledigt zu betrachten mit der Begründung, daß in das Strafrechtsänderungsgesetz ein neuer § 83 a eingefügt wird, der die Anwerbung von Deutschen für fremdländischen Militärdienst verbieten soll. Wir erheben gegen diese Feststellung Einspruch deswegen, —
- Ihre Meinung interessiert mich absolut nicht - deswegen, weil hier eine innere Unwahrhaftigkeit enthalten ist. Dieser Paragraph mit der von einem meiner Freunde bereits einmal als Zuchthausgesetz bezeichneten Bestimmung besagt
zwar, daß die Anwerbung von Deutschen für fremdländischen Militärdienst verboten sein soll. Aber in demselben Gesetzentwurf wird dieser Paragraph bereits aufgehoben. Selbst der Bundesminister Dr. Dehler erklärte in der 59. Sitzung, in diesem Entwurf sei vorgesehen, daß als Wehroder Rüstungsdienst einer ausländischen Macht nicht der Dienst bei zwischenstaatlichen Einrichtungen gilt. Das bedeutet also praktisch, daß dieser Paragraph wieder aufgehoben und die Anwerbung von Deutschen für ausländischen Militärdienst freigegeben ist.
Wir erheben Einspruch im Zusammenhang mit den Tatsachen, die in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit vor allen Dingen angesichts der Entwicklung in Vietnam bekannt geworden sind; nach Pressemeldungen sollen dort 40 000 Deutsche eingesetzt sein. Neben Abertausenden von ehemaligen Kriegsgefangenen läuft die Werbung von solchen jungen Deutschen, denen die Meldung infolge ihrer sozialen Not, ihrer Arbeitslosigkeit, ihrer Hoffnungslosigkeit in Westdeutschland quasi aufgezwungen wird, weil die gesamte Entwicklung in Westdeutschland ihnen keine Möglichkeit für Arbeit und Brot gibt und damit die Grundlage für die Anwerbung für die Fremdenlegion, für ausländischen Militärdienst gegeben ist. Wir haben schon wiederholt in diesem Hause auf die Tatsache hingewiesen, daß annähernd 200 000 Deutsche in den westlichen Ländern, vor allen Dingen ehemalige Kriegsgefangene, aber auch junge Deutsche, die keine Arbeit haben, diesen Anwerbungen zum Opfer gefallen sind und Abertausende von deutschen Eltern, Mütter und Väter — —
Ihre Redezeit ist abgelaufen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
— keine Nachricht über ihre Söhne haben und nicht wissen, was mit ihren Kindern geschehen ist durch den Einsatz in den Kolonien.
Ich bitte zum Schluß zu kommen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Was seitens der fremden Staaten mit dem deutschen Volk gemacht wird, ich glaube, das ist die Frage, die heute zur Entscheidung steht. Deswegen verlangen wir, daß diesem unserem Antrage Rechnung getragen wird.
Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das deutsche Volk verlangt,
daß alle Maßnahmen — —Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter, ich entziehe Ihnen das Wort!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
— die der Vorbereitung des Krieges dienen, unterbleiben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist über den Antrag des Ausschusses abzustimmen. Wer für den Antrag mit der von dem Berichterstatter beantragten Änderung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Dann rufe ich Punkt 6 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit . (Erste Beratung: 19. Sitzung.)
Zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Paul das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD hat sich erlaubt, den Antrag zu stellen, die zweite Beratung des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit nicht durchzuführen, sondern den Entwurf des Gesetzes nochmals an den Ausschuß für Jugendfürsorge zurückzuverweisen. Wir beantragen gleichzeitig, daß der Entwurf dem Ausschuß für innere Verwaltung überwiesen werden soll. Wir sind der Auffassung, daß geprüft werden muß, ob die sachlichen Bestimmungen, die in diesem Entwurf enthalten sind, nicht in das Jugendwohlfahrtsgesetz einbezogen werden können.
Wir sind ferner der Auffassung, daß geprüft werden muß, ob nicht vom Standpunkt der Gesetze und Verordnungen, die in den einzelnen Ländern herausgegeben worden sind, eine Koordination der vorhergesehenen Bestimmungen erforderlich ist.
Wenn mir zugerufen wurde, daß 18 Monate Zeit war,
so möchte ich gern diesen Zwischenruf aufnehmen. Ich kann ihn aber, da ich zur Geschäftsordnung spreche, leider nicht sachlich beantworten. Ich behalte mir vor, später auf diese Frage einzugehen.
Ich glaube, das Hohe Haus hat die Verpflichtung, wenn es ein erstes Gesetz beschließt, das sich an unsere Jugend wendet und das Maßnahmen zum Inhalt hat, die unsere Jugend betreffen, mit der allergrößten Sorgfalt zu Werke zu gehen, und daher bitte ich das Haus, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der CDU/ CSU bitte ich, den Antrag der SPD Umdruck Nr. 5 auf Rückverweisung in den 33. Ausschuß und gleichzeitige Verweisung an den Ausschuß für innere Verwaltung abzuweisen. Ich darf diesen Gegenantrag mit kurzen Worten begründen.
In der Drucksache Nr. 180 ist vor über 10 Monaten ein Initiativgesetzentwurf über den Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit von uns eingereicht worden. Dieser Initiativgesetzentwurf ist, wie ich damals schon ausgeführt habe, nicht allein ein Ergebnis eigener Arbeit, sondern eine Zusammenfassung der Arbeit, die in den einzelnen Ländern, im süddeutschen Länderrat unter Hinzuziehung der Länder der britischen Zone, über zwei Jahre hindurch geleistet worden ist. Nach Abschluß der Tätigkeit des Länderrats im September des letzten Jahres ist das gesamte vorliegende Material vom Länderrat auf Beschluß des Koordinierungsausschusses dort dem Bundesministerium des Innern zur weiteren Veranlassung überwiesen worden. Um zu verhindern, daß dieses von den Fachverbänden, von den Fachleuten, von den Länderregierungen, von den Landesjugendämtern und Jugendämtern seit langer Zeit dringend gewünschte Gesetz nicht durch die Verwaltung noch länger verzögert wird, haben wir uns damals entschlossen, diesen Entwurf einzureichen. Ich darf fernerhin dazu bemerken, daß der Ausschuß für Fragen der Jugendfürsorge seine Beratungen über dieses Gesetz sehr ausführlich gepflogen und den Inhalt dieses Gesetzes sehr ernst genommen hat. Zum Beweis dafür dienen ja die über zwölf Sitzungen, die sich mit dem Gegenstand befaßt haben und dient auch die lange Zeit, in der sich der Ausschuß mit diesem Gegenstand in vollem Ernst, in vollem Verantwortungsbewußtsein und bei bester Mitarbeit aller der in ihm vertretenen Fraktionen befaßt und um ein gutes Ergebnis bemüht hat. Bei diesen Sitzungen sind auch Vertreter der Fachverbände und Fachleute gehört worden, um alle Möglichkeiten, die sich für dieses Gesetz ergeben, zu beraten und notfalls ausnützen zu können.
Zu dem Antrag der SPD im einzelnen darf ich auf folgendes verweisen: Es wird erstens im Abs. 1 beantragt — —
Sie haben das Wort zur Geschäftsordnung, Herr Abgeordneter; aber Sie diskutieren jetzt die Materie des Gesetzes.
Ich begründe nur, warum wir für Ablehnung des Überweisungsantrags sind.
Sie gehen jetzt auf die Anträge ein, die zur Sache gestellt worden sind. Das dürfen Sie nicht. Dafür habe ich Ihnen das Wort nicht erteilt.
Ich halte mich noch in einem engeren Rahmen als neulich Herr Kollege Brandt, der seinen Antrag zur Geschäftsordnung auch begründet hat.
Das geschah nicht
unter meinem Vorsitz.
Ich darf doch den Antrag auf Ablehnung des Antrags auf Überweisung sachlich begründen.
Sie dürfen Ihren Antrag natürlich begründen, aber nicht, indem Sie zur Sache selbst sprechen.
Ich will lediglich ausführen, warum wir bitten, diesen geschäftsordnungsmäßigen Antrag der SPD, der zum Teil ja auch ein Sachantrag ist, abzulehnen.
Sie dürfen aber nicht in die sachliche Beratung eintreten. — Wir wollen aber kein Zwiegespräch über die rechte Auslegung der Geschäftsordnung führen.
Ich will lediglich mit wenigen Sätzen begründen, warum wir beantragen, diesen Überweisungsantrag abzuweisen. Erstens bitten wir, den Antrag auf Zurückverweisung an den Ausschuß für Jugendfragen deswegen abzulehnen, weil dieser Ausschuß sich zehn Monate unter Ausnutzung aller Möglichkeiten mit der Materie befaßt hat. Zweitens begründen wir es damit, daß ja - ich bitte, es mir nicht sehr übelzunehmen — die SPD-Fraktion in diesen zehn Monaten wahrlich Gelegenheit gehabt hätte, ihren Ausschußmitgliedern den guten Gedanken mit auf den Weg zu geben, zu prüfen, inwieweit die Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit es nach Ansicht der SPD sachlich erforderlich ist, in das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz eingebaut werden könnten. Nur im Nachsatz darf ich erwähnen, daß nach Übereinstimmung aller Fachleute, zu deren großen Gremium ich mich nicht zählen möchte, das Gegenteil der Fall ist. Aber das wird anderswo festzustellen sein.
Zum zweiten Absatz, Überweisung an den Ausschuß für innere Verwaltung. Ich bin dankbar für den etwas empfindlich gewordenen Föderalismus der SPD,
daß ein Bundesgesetz nicht in Konflikt mit den bestehenden Landesgesetzen oder Landesverordnungen geraten soll. Ich darf Ihnen aber zu Ihrer seelischen Beruhigung mitteilen, daß erstens der Ausschuß für Fragen — —
— Ich habe Zeit zu warten. — Ich darf Ihnen aber mitteilen, daß der Ausschuß für Fragen der Jugendfürsorge genau den gleichen Weg gewählt hat, den auch der Ausschuß für innere Verwaltung, dessen Mitglied ich ebenfalls bin, wählen müßte, nämlich daß das Ministerium des Innern die einzelnen Landesregierungen anschreibt, welche bestehenden Gesetze und Verordnungen mit dem Inhalt dieses Gesetzes in Konflikt kommen könnten. Dies ist bereits durch den Bundesminister des Innern vor einem halben Jahr geschehen. Der Ausschuß für Jugendfürsorge hat die Antwort des Bundesinnenministers vom 9. Mai 1950 über alle bestehenden Landesgesetze und Länderverordnungen erhalten, womit diese Frage geklärt ist.
Zweitens darf ich in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß der Ausschuß für Fragen der Jugendfürsorge genau so gut geeignet ist wie der Ausschuß für Fragen der inneren Verwaltung, das Bundesinnenministerium zu ersuchen, die Landesregierungen anzuschreiben, welche Gesetze und Verordnungen der Länder auf diesem Gebiete in Gültigkeit sind. Die Umfrage hat ergeben, daß keine bestehenden Landesgesetze und Landesverordnungen da sind, die mit diesem Gesetz in Konflikt kommen. Für Beachtung des Grundsatzes, daß Bundesrecht doch nicht das Landesrecht unbedingt zu brechen braucht, wäre ich der SPD auch in Zukunft sehr dankbar.
Das Wort hat der
Abgeordnete Dr. Becker.
Ich mache es kurz.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn der Antrag gestellt wird, einen Punkt von der
Tagesordnung abzusetzen, dann ist das ein Geschäftsordnungsantrag, der zur Folge hat, wenn er angenommen wird, daß er auf der Tagesordnung der nächsten oder übernächsten Sitzung erneut erscheinen muß.
Beantragt war aber noch mehr. Es war beantragt, die Dinge an einen Ausschuß zurückzuverweisen. Das ist kein Geschäftsordnungsantrag, sondern ein Sachantrag. Über diesen Sachantrag wird erst abgestimmt, wenn in der Sache selber hier debattiert worden ist.
Herr Kollege Dr. Becker, gestatten Sie mir, daß ich meine abweichende Meinung kundtue. Wenn wir schon in der Sachberatung stünden, dann wäre der Überweisungsantrag der SPD ein Sachantrag gewesen. Da aber noch nicht in die Sachberatung eingetreten worden ist, sondern der Antrag gestellt wurde, nicht in die zweite Beratung einzutreten,
sondern den Entwurf zurückzuverweisen, ist der Antrag ein Antrag zur Geschäftsordnung. Das ist ein bißchen kompliziert; aber es läßt sich nicht gut anders aus der Geschäftsordnung heraus interpretieren.
Ich bitte um Entschuldigung; aber es ist so!
Wir kommen zur Abstimmung über diesen Antrag zur Geschäftsordnung. Wer der Meinung ist, daß dem Antrag stattgegeben werden sollte, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! - Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, den Abgeordneten Weltner, das Wort zu ergreifen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit ist von dem Jugendausschuß in vielen Sitzungen bearbeitet worden. An den Beratungen nahmen Vertreter verschiedener Ministerien teil, und auch verschiedenste Organisationen haben sich eingeschaltet. Ebenso war die Presse und damit die Öffentlichkeit an dieser Arbeit beteiligt. Ein Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit zu schaffen, fand und findet, wie man heute wieder feststellen kann, nicht überall die gleiche Meinung. Wir unterscheiden Richtungen, die ein solches Unterfangen rundweg ablehnen, und auf der anderen Seite solche, denen die allgemeinen Bestimmungen nicht weitgehend genug sind. Aber es darf gesagt werden, daß auch im Ausschuß solche Meinungen gelegentlich vertreten wurden. Doch die Jugendnot, die durch die mangelnde Schulausbildung, die Wohnungsnot, das Arbeitslosenproblem schärfer erkennbar ist, zwang alle verantwortungsbewußten Menschen, sich zumindest mit diesem Problem auseinanderzusetzen.Die Grundeinstellung, die Jugendlichen nicht etwa unter ein Bewahrungsgesetz zu stellen, das an allen Wegpunkten Verbote und Strafandrohungstafeln findet, hat das vorliegende Gesetz in dieser Form entstehen lassen. Man ging davon aus, daß es abwegig ist, etwa die Jugend zu bestrafen, und diejenigen, die die Urheber irgendwelcher Dinge sind, die unsere Jugend belasten, straffrei ausgehen zu lassen. Sie können im Gesetz nachsehen — es liegt Ihnen vor —, daß in keinem Paragraphen von Strafe gesprochen wird. Man will also nicht die Jugend strafen, sondern ihr helfen.
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3424 Deutscher Bundestag - 02. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Oktober 1950
Allgemein geht der Tenor dahin, die sittlich gefährdete Jugend zu schützen und sie eben vor dem Abgleiten zu bewahren.Da eine Berichterstattung kurz zu sein hat, will ich es mir versagen, jeden einzelnen Paragraphen hier vor Ihnen auszubreiten. Sie, meine Damen und Herren, haben ja den Entwurf vor sich liegen. Ich hoffe, daß Sie ihn durchgesehen haben. Wir haben im Ausschuß bei unseren Arbeiten oftmals um einen einzigen Begriff gerungen, um das richtig zum Ausdruck zu bringen, was in diesem Gesetz gemeint sein soll. So haben wir beispielsweise in § 1 das Wort „herumtreiben" von vielen Seiten beleuchtet, haben Gutachten gehört und feststellen müssen, daß dieses Wort zwar leicht zu Mißdeutungen Anlaß geben könnte; die Mehrheit war dann aber der Überzeugung, nachdem wir erfahren haben, daß dieser Begriff in der Rechtsprechung schon des öfteren auch in unserem Sinne interpretiert wurde, daß er in dieses Gesetz aufgenommen werden könne.In den folgenden §§ 2 und 3 sind Bestimmungen enthalten, die den Aufenthalt der Jugendlichen in Gaststätten regeln. Jugendliche unter 16 Jahren dürfen nur in Begleitung von Erziehungsberechtigten diese Stätten betreten, solche von 16 bis 18 Jahren dürfen bis 22 Uhr ohne Begleitung in Gaststätten sein. Jugendliche unter 18 Jahren dürfen keine branntweinhaltigen Getränke empfangen; ihr Genuß ist ihnen nicht gestattet. Andere alkoholhaltige Getränke dürfen Jugendlichen unter 16 Jahren nur in Begleitung eines Erziehungsberechtigten verabfolgt werden. Dabei werden die weitergehend en Bestimmungen des Gaststättengesetzes vom 18. April 1930 von diesem Gesetz nicht berührt.An öffentlichen Tanzlustbarkeiten dürfen Jugendliche unter 18 Jahren nicht teilnehmen. Wohl ist ihnen der Aufenthalt in Begleitung eines Erziehungsberechtigten bis 22 Uhr in solchen Räumen gestattet. Die für Jugendliche nicht ausdrücklich verbotenen Varieté-, Kabarett- und Revueveranstaltungen dürfen — aber nur in Begleitung von Erziehungsberechtigten — von Jugendlichen unter 18 Jahren besucht werden.Jugendliche unter 14 Jahren, also Kinder, können nur anerkannt jugendfreie Filme besuchen. Filmveranstaltungen, die später als 21 Uhr beendet sind, sind für Jugendliche bis 16 Jahre nur in Begleitung eines Erziehungsberechtigten gestattet. Die Bestimmungen über Jugendverbot bei Filmen werden hiervon nicht berührt. Diese Betimmun-gen in puncto Film wurden mit Vertretern der Filmselbstkontrolle und der Filmwirtschaft ausgearbeitet bzw. erarbeitet.Spielhallen und ähnliche Räume dürfen Jugendliche unter 18 Jahren nur in Begleitung von Erziehungsberechtigten betreten. Nun gibt es in manchen Landesteilen unserer Bundesrepublik besondere Feste und Veranstaltungen. Um nun den verschiedenen Gebräuchen in den einzelnen Ländern unserer Bundesrepublik nicht unnötige Fesseln anzulegen, d. h. also das Kind mit dem Bade auszugießen, sagt § 10 dieses Gesetzes, daß die untere Verwaltungsbehörde im Benehmen mit dem Jugendamt Ausnahmen zulassen kann.Und nun zu den Strafen. Jeder Unternehmer hat das für seinen Betrieb geltende Verbot in Verbindung mit den §§ 2 bis 7 öffentlich und gut sichtbar und leserlich auszuhängen. Bei Jugendlichen, die gegen eine oder mehrere dieser Bestimmungen verstoßen, leitet das Jugendamt, falls erforderlich, Erziehungsmaßnahmen ein. Die Polizei stellt wohl die Personalien fest, klärt den Sachverhalt und übergibt das Ergebnis dem Jugendamt, das durch seine personelle Zusammensetzung die Garantie dafür bieten sollte, daß die von ihm ergriffenen Erziehungsmaßregeln psychologisch und pädagogisch einwandfrei sind. Man will also den Jugendlichen nicht erschlagen oder für die Gesellschaft untauglich machen, sondern will ihm durch Hilfeleistung den Weg zu einem geordneten Leben geben. Ich halte diese Methode — und ich spreche auch im Namen des Ausschusses — für die allein richtige und mögliche, um zu einem günstigen Ergebnis zu kommen.Dagegen werden die Veranstalter und auch die Erziehungsberechtigten, die die Jugendlichen aus Gewinnstreben oder mangelnder Einsicht zum Abgleiten verleiten, erheblich bestraft. Sie finden Strafen bis zu 150 DM und 6 Wochen Haft, in schwereren Fällen sogar bis zu 6 Monaten Gefängnis oder 3000 DM Geldstrafe. Daß auch die Erziehungsberechtigten bestraft werden können, mag dem einen oder anderen als besonders hart erscheinen. Aber der Ausschuß war sich klar darüber, daß gerade die Erziehungsberechtigten auf Grund ihrer sittlichen Verpflichtung, dem Jugendlichen in seiner Entwicklung Beistand zu leisten, vom Gesetzgeber zur Rechenschaft gezogen werden müssen, wenn sie diese ihre Pflicht leichtfertig oder gar absichtlich verletzen.Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen in großen Zügen den Inhalt des Gesetzes vorexerziert, und ich darf sagen, daß dieser Beschluß des Ausschusses, diesen Gesetzentwurf anzunehmen, trotz mancher Bedenken einstimmig gefaßt wurde, obwohl es in manchen Zwischenphasen auch Mehrheitsbeschlüsse gab. Im Namen des Ausschusses empfehle ich Ihnen daher, dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, ehe ich die Aussprache eröffne, ein Hinweis! Wir haben die zweite Beratung des Gesetzes vor. Auf Grund der Geschäftsordnung findet in der zweiten Beratung keine Grundsatzaussprache statt. Ich werde strikt an der Geschäftsordnung festhalten. Ich werde die einzelnen Paragraphen aufrufen, und ich bitte die Damen und Herren, die sich zum Wort melden, sich auf die Diskussion der in dem einzelnen Paragraphen enthaltenen Probleme zu beschränken. Dasselbe gilt für die Abänderungsanträge, die zu den einzelnen Paragraphen, die ich aufrufe, zu stellen und zu begründen sind.
Ich bitte um Entschuldigung, daß ich diesen Hinweis habe machen müssen. Ich glaube aber, es wird der Beratung förderlich sein.
Ich rufe auf § 1. Zum Wort hat sich Herr Abgeordneter Paul gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion beantragt die Neufassung des § 1 des Entwurfes. Wir stellen diesen Antrag, weil wir der Meinung sind, daß die Jugendlichen den Schutz des Gesetzes nicht nur dann genießen sollen, wenn es dunkel ist, sondern zu jeder Tageszeit. Wir sind ferner der Meinung, daß der Begriff „Herumtreiben" nicht so zu definieren ist, daß es keine Mißstände und Übelstände bei der Kontrolle geben wird. Jeder, der sich mit Fragen der Jugendpsychologie beschäftigt hat, weiß, daß junge Menschen
vom 12. bis 16. Lebensjahr im sogenannten Hordenzeitalter leben, und zu diesem Zustand gehört geradezu das Sichzusammenfinden zu kleinen Gruppen, so daß man, wenn man ein Gesetz bösartig auslegen will, auch das als Herumtreiben bezeichnen kann. Überhaupt ist es zu beachten, daß die jungen Menschen von heute ja unter außerordentlich großen Schwierigkeiten zu leben haben.
Die Wohnungsnot ist so kraß, daß der junge Mensch kein gemütliches, angenehmes Heim hat, in dein er sich in den Abendstunden aufhalten kann. Wir haben nicht genügend Jugendheime, wir haben nicht genügend Räume für den Sport, vor allem nicht in den Wintermonaten. Es fehlen soviele Dinge, die notwendig wären, um der Jugend Gelegenheit zu geben, sich in angenehmer und moralisch nützlicher Umgebung aufzuhalten. Es bleibt daher einem großen Teil der Jugend — auch der moralisch gefestigten Jugend — oft nichts anderes übrig, als auf die Straße zu gehen.
Wenn wir dieses Gesetz beschließen, das in § 1 die Bestimmung enthält, daß Jugendliche unter 16 Jahren sich während der Dunkelheit nicht herumtreiben dürfen, so müssen wir gleichzeitig die Frage beantworten, was ein junger Mensch während der Wintermonate, wo die Dunkelheit um 5 Uhr nachmittags anbricht, tun soil. Soll ein 151 jähriges Mädchen nicht mehr in der Lage sein, mit ihrer Freundin einen Schaufensterbummel zu machen? Ja, das sind Fragen, über die wir uns klar werden müssen. Wenn wir eine solche Bestimmung in das Gesetz aufnehmen, müssen wir damit rechnen, daß es vom ersten Tag des Bestehens an übertreten wird. Ein Gesetz, das übertreten wird, das geradezu übertreten werden muß, ist in der Anlage unrichtig. Dann muß entweder der Gesetzgeber die Konsequenz ziehen und anerkennen, daß er einen gesetzgeberischen Akt beschlossen hat, der nicht eingehalten werden kann, oder wir müßten einen Fürsorge- oder Polizeiapparat entfalten, den wir uns heute einfach nicht leisten können, weder materiell noch aus sachlichen Erwägungen.
Wir werden auch bei den übrigen Paragraphen dieses Gesetzes immer wieder den Hinweis machen müssen, daß es in dieser hier vorgesehenen Fassung nicht eingehalten werden kann. Aus diesem Grunde ist es abzuändern.
Herr Abgeordneter Paul, habe ich Sie recht verstanden? Sie beantragen doch nicht nur die Streichung des Abs. 3, sondern Sie beantragen doch in dein Abänderungsantrag auf Umdruck Nr. 7, den ganzen § 1 durch die von Ihnen vorgeschlagene Fassung zu ersetzen?
Das Wort hat der Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Abänderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 7 Ziffer 1 würde der § 1 nur eine allgemeine Präambel darstellen, daß Jugendliche unter dem besonderen Schutz der Behörden stehen und die Behörden die Maßnahmen zu treffen haben, um Jugendliche in der Öffentlichkeit vor Gefahren zu schützen. Ich glaube, gerade dieser Sachverhalt sollte ursprünglich mit diesem Gesetz nicht getroffen werden, sondern der Sachverhalt sollte darauf abgegrenzt werden, daß Jugendliche, die sich nach Eintritt der Dunkelheit in der Öffentlichkeit befinden, unter dem Schutz der Behörden stehen und die Behörden Maßnahmen zu treffen haben, um die Jugendlichen zu schützen.
Wenn die Formulierung der SPD angenommen wird, würde das praktisch nur eine allgemeine Präambel bedeuten, eine allgemeine, mehr oder minder deklamatorische Verpflichtung der Behörden, aber nichts anderes. Wir wollen daran festhalten - und die Fraktion der CDU/CSU erlaubt sich deshalb, noch eine redaktionell andere Fassung vorzulegen —, daß Jugendliche, die sich nach Eintritt der Dunkelheit in der Öffentlichkeit befinden, unter dem besonderen Schutz der Behörden stehen und die Behörden auch Maßnahmen zu ihrem Schutz zu treffen haben.
In der Fassung des Ausschusses ist durch die redaktionelle Überarbeitung eines Unterausschusses zusammen mit Vertretern des Innenministeriums und des Justizministeriums ein unsystematischer Zusammenhang entstanden. In Abs. 1 der Ausschußfassung bleibt es bei Jugendlichen, die sich in der Dunkelheit befinden, in Abs. 2 werden die Behörden verpflichtet, allgemein für Jugendliche in der Öffentlichkeit Maßnahmen zum Schutze vor Gefahren zu treffen, und in Abs. 3 ist ein Verbotstatbestand enthalten, daß Jugendliche unter 16 Jahren sich nicht herumtreiben dürfen. Wir schlagen deshalb zur Vereinfachung, da wir an dem Sachverhalt der Dunkelheit festhalten wollen, folgende Formulierung vor:
§ 1 erhält folgende Fassung:
Die Behörden haben die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um Jugendliche, die sich nach Eintritt der Dunkelheit auf öffentlichen Straßen und Plätzen oder an sonstigen öffentlichen Orten befinden, vor Gefahren zu schützen.
Abs. 3 wird dann Abs. 2. Damit ist der Sachverhalt, den wir mit diesem Gesetz erreichen wollten, in Abs. 1 wiederum erreicht worden. Man könnte im Gegenteil sogar der Meinung sein, daß durch eine so allgemeine Formulierung, wie sie von der SPD vorgeschlagen wird, die Jugendlichen unter eine besondere staatliche Protektion oder ein staatliches Protektorat genommen werden, was gar nicht einmal der Sinn des Gesetzes ist. Damit gehen Sie weit über das hinaus, was mit diesem Gesetz an Schutzmaßnahmen erreicht werden soll.
Ich darf noch ein Wort zu den Ausführungen des Kollegen Paul hinsichtlich der Abgrenzung der Begriffe „sich befinden" und „sich herumtreiben" äußern. Es ist ausdrücklich Jugendlichen unter 16 Jahren nicht untersagt, sich nach Eintritt der Dunkelheit in der Öffentlichkeit ohne Begleitung Erziehungsberechtigter aufzuhalten, weil ein solches Verbot tatsächlich sinnwidrig und nicht einzuhalten wäre, niemals überwacht werden könnte und jedes Vorgehen dagegen überflüssig wäre. Das ist vollkommen richtig; das könnte nicht erreicht werden. Es muß hier aber unterschieden werden zwischen dem Sachverhalt des Sich-Aufhaltens, worin der Weg von der Schule, zur Schule, zum Arzt, zur Apotheke, der Schaufensterbummel und andere solche Wege mit einbegriffen werden können, und dem, was auch von Fachleuten nach langen, fast möchte ich sagen, langjährigen Beratungen ais Begriff des Sich-Herumtreibens beibehalten worden ist. Wer vor allen Dingen in den Großstädten — es hat aber auch zum Teil über die Großstädte hinausgegriffen — abends in der Dunkelheit, besonders in der Umgebung gewisser Klublokale farbiger Soldaten der Besatzungsmacht, das Treiben Jugendlicher beobachtet hat, hat einen
sehr genauen Eindruck von dem erhalten, was
unter dem Begriff des Herumtreibens gemeint ist.
Man kann natürlich der Meinung sein, daß der Verstand der Polizei in verschiedenen Fällen nicht ausreicht, um den Unterschied zwischen „sich aufhalten" und „sich herumtreiben" genau festzustellen.. Das wäre aber dann die Angelegenheit eines Polizeiausbildungsgesetzes, nicht eines Jugendschutzgesetzes, hier für die richtige Korrektur zu sorgen. Außerdem denken wir gar nicht daran, daß die Jugendlichen hier besonders etwa durch die Polizei festgestellt werden sollen. Gerade in diesem Gesetz kommt ja in besonders starkem Maße die Stellung des Jugendamtes und seiner Organe zum Ausdruck, die in erster Linie berufen sein sollen, solchen Mißständen abzuhelfen, also nicht die Stellung der Polizei, bei der die Möglichkeit des Mißbrauchs solcher Bestimmungen durchaus in Rechnung gestellt werden soll.
Der Begriff des Herumtreibens in der Dunkelheit enthält auch keine Diffamierung der Jugend. Denn auch der normale, gesunde Jugendliche, auch der, der sich in dem sogenannten — ich habe den Begriff nicht so genau verstanden — Hordenzustand befindet, also in dem Alter, in dem er zur Gruppenbildung neigt, kann sich nach diesem Gesetz mit seinen Kameraden nach Eintreten der Dunkelheit, ohne gestört zu werden, aufhalten. Der Begriff des Herumtreibens betrifft einen ganz bestimmten Sachverhalt, der hart an Verwahrlosung grenzt und an dem wir deshalb festgehalten haben. Es bleibt dann allerdings der Weisheit derer überlassen, die das Gesetz auszuführen haben, die notwendigen, sachlich genauen Richtlinien zu erlassen, urn die richtige Ausführung des Gesetzes auch tatsächlich sicherzustellen.
Ich bitte, den § 1 in der Fassung des Antrages der CDU/CSU anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat schwerwiegende Bedenken gegen die Fassung des § 1 sowohl in der Ausschußvorlage wie auch in dem Umdruck Nr. 7 der SPD. Es ist gleichgültig, ob man in den § 1 den Begriff „Dunkelheit" hineinnimmt oder nicht. In beiden Fassungen ist jedenfalls gesagt, daß die Jugendlichen „unter dem besonderen Schutz der Behörden stehen". Damit wurde also festgestellt, daß nicht nur die Polizeibehörden, die ja ohnehin Schutzbehörden sind und hinsichtlich derer diese gesetzliche Vorschrift einfach überflüssig wäre, sondern alle Behörden, also insbesondere wohl die Jugendämter, diesen Schutz zu übernehmen haben. In beiden Vorschlägen heißt es des weiteren, daß die Behörden — also beliebige Behörden — die „notwendigen Maßnahmen zu treffen haben, um Jugendliche vor Gefahren zu bewahren". Auch das ist nichts Neues. Soweit Behörden Schutzbehörden sind, haben sie schon immer die notwendigen Maßnahmen zu treffen gehabt. Wenn hiermit etwas besonders Neues angeordnet sein soll, dann bitte ich, sich als Gesetzgeber eine klare Vorstellung davon zu machen, wie denn in der Dunkelheit oder bei hellem Tage — das ist mir gleichgültig — dieser Schutz aussehen soll.
Meine Fraktion und ich sind der Auffassung, daß die einzig praktisch denkbare, jedenfalls die nächstliegende Schutzmaßnahme die ist, daß — jedenfalls in der Dunkelheit — der Herr Polizist den Jugendlichen zunächst einmal in Arrest abführt. So ist er nämlich restlos vor allen Gefahren geschützt.
Wie er ihn sonst, sagen wir mal, vor unsittlichen
Zumutungen auf der Straße oder vor nicht abgeblendeten Scheinwerfern im Autoverkehr oder vor
einer sonstigen Gefahr schützen kann, wenn er ihn
nicht mit ins Kittchen nimmt, weiß ich nicht. Wenn
etwas ganz anderes als die Inhaftnahme gemeint
sein sollte, dann bitte ich, das ausdrücklich in das
Gesetz hineinzuschreiben; etwa, was jedenfalls
gemeint sein könnte, daß er den Herumtreiber in
der Dunkelheit den Eltern zuzuführen hat oder
dergleichen. Wir jedenfalls wollen nach den Erfahrungen, die wir im Dritten Reich gemacht haben,
keiner Behörde eine Legitimation geben, irgendeinen Menschen in Schutzhaft abzuführen. Ich erinnere daran, daß die KZs anfänglich mit der
Harmlosigkeit einer Schutzhaft begründet wurden,
indem man den Betreffenden vor angeblichen Gewalttätigkeiten, die ihm in der Öffentlichkeit drohten, in „Schutz" nahm. Wir haben seitdem gegen jede Schutzinhaftierung die allergrößten Bedenken.
Wenn ich das hier ausspreche, so betone ich ausdrücklich, daß die Abgeordneten aus denjenigen Ländern, die mit Flüchtlingen gesegnet sind, sehr wohl wissen, daß dort die Jugendlichen leider Gottes in größeren Kreisen zum Teil ohne jede Aufsicht aufwachsen. Daher ist es notwendig, daß man sich ihrer, wenn Eltern und Erziehungsberechtigte fehlen, irgendwie annimmt. Eine glatte Verhaftung darf aber unter keinen Umständen erfolgen, wenn der Gesetzgeber nicht gleichzeitig sagt, wohin die Jugendlichen zu verbringen und an welche Stellen Nachrichten zu geben sind. Das alles vermissen wir in dieser Vorlage, die nichts anderes als eine vollständig unausgefüllte Generalermächtigung an unbekannte Behörden erteilt.
Deswegen können wir diesem Gesetzentwurf und auch der SPD-Vorlage unter keinen Umständen zustimmen. Ich beantrage — ein entsprechender Antrag ist ja wohl schon gestellt —, diese Vorlage nunmehr auch dem Rechtsausschuß nochmals zurückzuüberweisen, damit im Einvernehmen mit den Jugendbehörden festgestellt wird, welche Schutzmaßnahmen bei Tage oder bei Dunkelheit ergriffen werden dürfen. Auf jeden Fall aber muß Schutzhaft ausgeschlossen sein; das wäre ohne nähere Bestimmung die Maßnahme, die sich zuerst aufdrängt. In diesem Sinne beantrage ich, den § 1 an den Ausschuß zurückzuüberweisen, um konkrete Ermächtigungen für genannt e Behörden zu erteilen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Meine Herren und Damen! Der § 1 Absatz 3 dieses Gesetzes charakterisiert diese ganze Vorlage. Es wurde schon verschiedentlich betont, daß es nach zehnmonatiger Beratung immer noch heißt: „Jugendliche unter 16 Jahren dürfen sich während der Dunkelheit nicht herumtreiben." Wir sind der Auffassung, daß derjenige, der die Not der Jugend nicht beseitigt — worüber wir bei der dritten Lesung noch zu sprechen haben —, sich auch nicht anmaßen darf, junge Menschen zu diffamieren, wie das hier in diesem Absatz geschieht, und sie sogar noch dafür zu be-
strafen, wenn sie aus den Kellerlöchern, aus den Bunkerwohnungen, aus den Kellerwohnungen und aus den Baracken heraus ans Licht und auch einmal aus der Enge herauswollen.
Frau Abgeordnete Thiele meinte das Lampenlicht.
Ich verstehe gar nicht ihre Empörung. Bestreiten Sie etwa, daß beispielsweise in Wuppertal sämtliche Bunker noch mit Bewohnern belegt sind, daß diese Menschen fünf Jahre lang im Dunkeln leben und daß begreiflicherweise die jungen Menschen, die dort wohnen, während ihre Mütter und Väter arbeiten, auch während der Dunkelheit schon einmal an den Ecken herumstehen? Wer aber den Zustand nicht beseitigt, daß diese jungen Menschen an den Ecken herumstehen, weil sie keine Arbeitsstellen haben, ist auch nicht berechtigt, ein solches Gesetz zu erlassen.
Ich sagte bereits, wir werden noch bei der Grundsatzdebatte darüber zu sprechen haben, warum Sie die Not der Jugend nicht beseitigen. Wir haben daher beantragt, den § 1 Abs. 3 zu streichen. Wir haben uns darauf beschränkt, nur hierzu und für die gleichlautenden Strafbestimmungen Abänderungsanträge zu stellen, nicht deswegen, weil wir mit den übrigen Paragraphen einverstanden sind, sondern deswegen, weil wir der Auffassung sind, daß die übrigen Paragraphen allein wegen der Undurchführbarkeit das ganze Gesetz und Ihre Gesetzgebung lächerlich machen.
Das Wort hat der Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf kurz auf den Werdegang des § 1 hinweisen. Der § 1 hatte ursprünglich als einzige Bestimmung den jetzigen Abs. 3 in der folgenden Fassung:
Jugendliche unter 16 Jahren dürfen sich auf öffentlichen Straßen und Plätzen oder an sonstigen öffentlichen Orten während der Dunkelheit nicht herumtreiben.
Nebenbei erwähnt ist von einer Reihe von Elternorganisationen und Wohlfahrtsverbänden die Forderung erhoben worden, das Schutzalter von 18 Jahren beizubehalten und nicht auf 16 Jahre zu senken. Dann kam von unseren Kollegen der SPD im Ausschuß der Vorschlag, die Absätze 1 und 2 in der vorliegenden Formulierung mit aufzunehmen, um das Gesetz nicht mit einem Verbotstatbestand und damit mit einem Straftatbestand, zum mindesten für Erwachsene, wenn auch nicht für Jugendliche, zu beginnen, sondern den positiven Sinn einer solchen Maßnahme, nämlich die Verpflichtung der Behörden, Jugendliche zu schützen, am Anfang klar zum Ausdruck zu bringen. Herr Kollege Ewers, es ist bestimmt von niemand, weder von der Polizei, noch von dem Gesetzgeber, überhaupt an die Möglichkeit gedacht worden, daß hier „unter dem Schutz der Behörden" eine Inschutzhaftnahme oder etwas Ähnliches verstanden werden könnte. Wir haben außerdem einen Abänderungsantrag, den ich bei meinen ersten Ausführungen erwähnt habe, eingebracht, der folgendermaßen lautet:
Die Behörden haben Maßnahmen zu treffen, um Jugendliche in der Dunkelheit vor Gefahren zu schützen.
— Es heißt:
Die Behörden haben Maßnahmen zu treffen, um Jugendliche in der Öffentlichkeit vor Gefahren zu schützen.
Ich muß Sie korrigieren. Der Antrag, den Sie mir überreicht haben, lautet:
Die Behörden haben die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um Jugendliche, die sich nach Eintritt der Dunkelheit auf öffentlichen Straßen und Plätzen oder an sonstigen öffentlichen Orten befinden, vor Gefahren zu schützen.
Diese Maßnahmen können und sollen in diesem Gesetz im einzelnen gar nicht umrissen werden.
— Herr Kollege, der Vorschlag stammt von Ihrer eigenen Fraktion.
— Ich möchte ungern Ihren Ausschußkollegen, die so brav mitgearbeitet haben, ein böses Wort nachsagen. Ich möchte sie gegen Ihren Vorwurf, daß sie ein faules Ei gelegt haben, im Interesse der gemeinschaftlichen Arbeit mit Nachdruck verteidigen.
Es heißt in dem Antrag: „die n o t w endigen Maßnahmen zu treffen".
„Die notwendigen Maßnahmen!" Wir sind uns in diesem Punkte vollkommen einig. Ich möchte bitten, den Abänderungsantrag der CDU/CSU in der von mir vorgeschlagenen Fassung anzunehmen. Dann ist wirklich, Herr Kollege Ewers, der Möglichkeit eines jeden Mißbrauchs durch die Behörden vorgebeugt.
— Daß die einzelnen Behörden nicht aufgeführt werden können, liegt ja klar auf der Hand, weil die Ausführung den Ländern obliegt und die Länder die Behördenorganisation festzulegen, Ausführungsvorschriften zu erlassen und das Gesetz auszuführen haben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu § 1.
Zunächst ist über den Antrag des Herrn Abgeordneten Ewers auf Zurückverweisung an den Ausschuß abzustimmen. Ich habe wohl richtig verstanden: Sie beantragen die Zurückverweisung des ganzen Entwurfes an den Ausschuß.
— Dann bitte ich die Damen und Herren, die für die Zurückverweisung an den Ausschuß sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Ich lasse noch einmal abstimmen.
Der Antrag kann doch wiederholt gestellt werden. Die Abstimmung schuf doch keine res judicata!
— Wir sind schon in der Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Zurückverweisung zustimmen wollen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist die Zurückverweisung des Entwurfs an den Ausschuß beschlossen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Strauß.
Ich bitte um Auskunft, an welchen Ausschuß der Entwurf zurückverwiesen ist.
Ich bitte um Entschuldigung, daß ich die Ausschußliste nicht bei der Hand habe. — Es ist der 33. Ausschuß und der Rechtsausschuß; es ist Überweisung an beide beantragt worden.
— Es ist also Überweisung an den 33. Ausschuß und an den Rechtsausschuß beschlossen.
— Doch, das war im Antrag enthalten.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung — Punkt 7 ist zurückgezogen —:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Vorlage eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit (Nrn. 1425, 912 der Drucksachen).
Das Wort hat als Berichterstatter Herr Abgeordneter Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Zentrumspartei hat mit Antrag auf Drucksache Nr. 912 gebeten, daß der Bundestag beschließen möge, die Bundesregierung zu ersuchen, ein Ergänzungsgesetz zum Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit vorn 31. Dezember 1949 dem Bundestag zur Beschlußfassung vorzulegen. Dabei sollte insbesondere berücksichtigt werden, daß über den Rahmen des Straffreiheitsgesetzes vom 31. Dezember 1949 hinaus Vergehen der Steuerhehlerei, Steuerordnungswidrigkeiten und Vergehen auf dem Gebiete der Zölle und Verbrauchssteuern straffrei bleiben.
Herr Abgeordneter Dr. Greve, man versteht Sie sehr schlecht. Sie müssen lauter sprechen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich auf Ihre Plätze zu bemühen und Unterhaltungen in den Vorraum zu verlegen.
Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist entstanden aus der verschiedenartigen Auslegung des § 12 des Straffreiheitsgesetzes und aus einer verschiedenartigen Rechtsprechung höchstrichterlicher Art im Hinblick auf die Bestimmung des § 12 des Straffreiheitsgesetzes. Nach § 12 des Straffreiheitsgesetzes wird Straffreiheit gewährt für Steuervergehen einschließlich der Vergehen nach Art. IX des Anhangs zum Gesetz Nr. 64 der Militärregierung; die Gewährung von Straffreiheit für diese Straftaten nach anderen gesetzlichen Vorschriften bleibt unberührt. Die Auslegung dieser Bestimmung hat zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten in der Rechtsprechung und im Schrifttum geführt. Auch verschiedene Erlasse mehrerer oberster Landesbehörden sind ergangen.
Die Fraktion der Deutschen Zentrumspartei hat sich im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, in dem diese Vorlage behandelt wurde, insbesondere auf diese Meinungsverschiedenheit in Schrifttum und Rechtsprechung gestützt und glaubt, daraus die Berechtigung zu ihrem Antrage herleiten zu können.
Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter beklagt sich über die Unruhe hier im Hause. Ich glaube, daß er recht hat. Wir sollten ihm das Reden nicht so sehr erschweren.
Es ist zunächst streitig, ob auch Zollvergehen als Steuervergehen im Sinne des § 12 des Straffreiheitsgesetzes aufzufassen sind. Ich sagte bereits, daß verschiedenartige Entscheidungen ergangen sind, die zu abweichenden Ergebnissen geführt haben. Zweifelsfrei kann allein sein, daß mangels einer anderen Bestimmung im Straffreiheitsgesetz nach den Bestimmungen der Reichsabgabenordnung zu verfahren ist. Das heißt also, daß § 392 der Reichsabgabenordnung für alle Steuervergehen und für alle Zollvergehen zugrunde zu legen ist. In § 392 der Reichsabgabenordnung wird gesagt:
Steuervergehen im Sinne dieses Gesetzes
sind strafbare Verletzungen von Pflichten,
die die Steuergesetze im Interesse der Besteuerung auferlegen.
In Abs. 2 heißt es dann:
Steuervergehen sind auch der Bannbruch und eine Begünstigung, die einer Person, die ein Steuervergehen begangen hat, gewährt wird.
Es besteht nun keine einheitliche Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung darüber, ob alle Steuervergehen im Sinne des § 392 der Reichsabgabenordnung von der Amnestie ausgenommen sind oder nur solche, bei denen auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen — und zwar kommt hier in erster Linie § 410 der Reichsabgabenordnung in einer späteren Fassung in Frage — die Erlangung von Straffreiheit sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht möglich war.
Nun hat nach dem Erlaß des Straffreiheitsgesetzes — —
Herr Abgeordneter Strauß, wollen Sie nicht Ihre Unterhaltung in den Vorraum verlegen? Sie stören den Redner wirklich sehr.
Nun haben nach dem Erlaß des Amnestiegesetzes vom 31. Dezember 1949 sowohl die Bundesfinanzverwaltung als auch die Finanzverwaltungen der Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Bleichlautenden Erlassen die Auffassung vertreten, daß Steuervergehen ohne Ausnahme nicht unter die Amnestie fallen. Entgegen dieser von der Bundesfinanzverwaltung und den Länderfinanzverwaltungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen vertretenen Auffassung hat der Herr Justizminister von Nordrhein-Westfalen einen Erlaß am 12. Januar 1950 herausgebracht, nach dem Straffreiheit auch für Steuervergehen nur insoweit ausgeschlossen sein soll, als sie auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften erlangt werden konnte. Aber nicht allein diese Ministerialerlasse sind es gewesen, die zu dem Antrag auf Ergänzung des Amnestiegesetzes geführt haben, sondern auch die verschiedenartige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte. So haben sich z. B. das Oberlandesgericht Bremen und das Oberlandesgericht Hamm auf den Standpunkt gestellt, daß Zollvergehen und Steuervergehen auch dann nicht unter die Amnestie fallen, wenn nach anderen gesetzlichen Bestimmungen, z. B. durch tätige Reue, Straffreiheit erlangt werden kann. Demgegenüber haben das Oberlandesgericht Koblenz und das Oberlandesgericht Düsseldorf den Standpunkt vertreten, daß Straffreiheit nach § 12 des Straffreiheitsgesetzes nur bei solchen Vergehen ausgeschlossen sei, bei denen wenigstens theoretisch tätige Reue möglich sei. Demnach soll Steuerhehlerei nach § 403 der Reichsabgabenordnung unter die Amnestie fallen.
Zu der Frage, ob Steuerfreiheit auch für diejenigen Fälle zugebilligt werden kann, in denen der Pflichtige aus tatsächlichen Gründen von den Möglichkeiten der Steuergesetze, Straffreiheit zu beantragen, keinen Gebrauch macht, haben die Gerichte in den von mir angezogenen Entscheidungen nicht Stellung genommen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sich weiter auf den Standpunkt gestellt, daß es unerheblich sei, ob zur Zeit des Erlasses des Straffreiheitsgesetzes die vorhanden gewesenen Voraussetzungen einer tätigen Reue gegeben waren oder nicht. Auch anhängige oder rechtskräftig abgeschlossene Verfahren sollten in diesem Falle nicht vom Straffreiheitsgesetz erfaßt werden. Diese Entscheidung wiederum stand im Widerspruch zu einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg, auf die ich im einzelnen nicht einzugehen brauche. Einhellige Auffassung besteht demnach nur darüber, daß grundsätzlich Vergehen von der Amnestie ausgeschlossen sind, bei denen die tatsächliche oder rechtliche Möglichkeit gegeben war, tätige Reue zu üben. Hierbei handelt es sich im wesentlichen um die Vergehen der Steuerhinterziehung, Bannbruch, um gewerbsmäßigen, bandenmäßigen und gewaltsamen Schmuggel, Steuergefährdung, Branntweinmonopolhinterziehung und einige andere.
Dieser Tatbestand lag vor, als die Fraktion der Deutschen Zentrumspartei ihren Antrag einreichte. Sie motivierte die Notwendigkeit insbesondere — wie ich bereits ausführte — damit, daß ein Zustand der Rechtsunsicherheit durch die Verschiedenartigkeit der Erlasse und die Verschiedenartigkeit der Rechtsprechung höchstrichterlicher Art eingetreten sei. Diese Begründung wurde im wesentlichen auch von dem Vertreter der Fraktion der Deutschen Zentrumspartei im Ausschuß vorgetragen.
Dem Ausschuß lag weiter eine vom Bundesminister der Finanzen beim Bundesminister der Justiz eingeholte Stellungnahme zu dem Antrag der Fraktion der Deutschen Zentrumspartei vor. In dieser Erklärung des Bundesministers der Justiz zu dem erwähnten Antrag der Deutschen Zentrumspartei heißt es, daß die Bundesregierung sich nachdrücklich gegen die Absicht wehrt, ein Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit vom 31. Dezember 1949 zu schaffen, und zwar aus folgenden Gründen.
Die Frage der Amnestierung ist nach Auffassung
der Bundesregierung gerade im Hinblick auf die
Amnestierung von Steuervergehen abschließend in
§ 12 des Gesetzes geregelt. Eine Erweiterung dieser Amnestie kommt nach Auffassung der Bundesregierung für Steuervergehen nicht in Frage und
ist nach ihrer Auffassung auch nicht vertretbar,
weil eben eine über den Rahmen der bisher gesetzlich festgelegten Amnestie hinausgehende Amnestie insbesondere in Widerspruch zu den Bemühungen der Bundesregierung stünde, die
Steuerunehrlichkeit und den Schmuggel mit allen
Mitteln zu bekämpfen. Es heißt dann wörtlich: Eine gesetzliche Neuregelung auf diesem Gebiet würde außerdem im gegenwärtigen Augenblick zu einer höchst bedenklichen Ungerechtigkeit führen, weil diejenigen, deren Verfahren vor dem Erlaß des Ergänzungsgesetzes rechtskräftig erledigt wurden, anders behandelt würden als diejenigen, deren strafbare Handlungen noch vom Ergänzungsgesetz erfaßt werden. Die Auslegung des § 12 des Straffreiheitsgesetzes muß der Rechtsprechung überlassen werden. Nachdem mittlerweile zu § 12 höchstrichterliche Entscheidungen vorliegen, kann erwartet werden, daß künftig diese Vorschrift einheitlich ausgelegt werden wird.
Dieser von der Bundesregierung durch den Herrn Bundesminister der Justiz vorgelegten Auffassung hat sich die überwiegende Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht angeschlossen, und zwar auch gerade in Hinblick auf die Begründung, die die Bundesregierung gegeben hat, daß sie es ablehnt, eine Erweiterung des Amnestiegesetzes vorzunehmen. Es war die Auffassung des Ausschusses — und zwar, wie ich sagte, seiner überwiegenden Mehrheit —. daß es, insbesondere nachdem am 1. Oktober dieses Jahres der Bundesgerichtshof in Karlsruhe eröffnet und damit eine höchstrichterliche Rechtsprechung, wie wir sie in Deutschland früher gehabt haben, wieder ermöglicht wurde, ausschließlich Angelegenheit der Gerichte, möglicherweise des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe, sei, den § 12 auszulegen, und zwar dann verbindlich für die Rechtsprechung aller nachgeordneten Gerichte.
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht empfiehlt aus diesem Grunde dem Bundestag, den Antrag des Zentrums abzulehnen.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Beschluß ohne weitere Aussprache zu fassen. Der Form halber eröffne ich die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wer für den Ausschußantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Gegenprobe! — Gegen einige wenige Stimmen so beschlossen.
Ich rufe Funkt 9 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs gemäß Artikel 21 des Grundgesetzes (Nrn. 1426, 275 der Drucksachen).
Zur Berichterstattung erteile ich dem Abgeordneten Dr. Jaeger das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im ersten Absatz des Art. 21 des Grundgesetzes ist bestimmt, daß die Parteien in ihrer Gründung frei sind, daß ihre innere Ordnung demokratischen Grundsätzen entsprechen muß und daß sie über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft zu geben haben. In Abs. 2 des gleichen Artikels ist der Grundsatz, daß die Demokratie nur für Demokraten da ist, dahin festgelegt, daß das Bundesverfassungsgericht entscheiden kann, wann eine Partei verfassungswidrigen Charakter hat.
Die Fraktion der Zentrumspartei hat nun unter dem 6. Dezember 1949 beantragt:
Die Bundesregierung wird ersucht, unverzüglich den Entwurf eines Parteiengesetzes entsprechend dem Art. 21 des Grundgesetzes dem Bundestag vorzulegen.
Der Rechtsausschuß konnte diesen Antrag infolge anderer vielseitiger und wichtiger Beratungen erst jetzt behandeln. Er ist der Auffassung, daß die bisherige Entwicklung gesetzliche Regelungen nach Abs. 1 des genannten Artikels notwendig erscheinen läßt. Noch wichtiger und vordringlicher aber ist eine gesetzliche Regelung nach Abs. 2. Deshalb schlägt Ihnen der Rechtsausschuß vor, den Antrag des Zentrums anzunehmen.
Ich danke dem Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, für die Aussprache ein Maximum von 60 Minuten zu beschließen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Wessel.
Meine Damen und Herren! Die Zentrumsfraktion bedauert, daß ihr am 6. Dezember 1949 eingereichter Antrag Drucksache Nr. 275, der die Bundesregierung ersucht, unverzüglich den Entwurf eines Parteiengesetzes entsprechend dem Art. 21 des Grundgesetzes vorzulegen, erst nach 10 Monaten dazu geführt hat, daß heute dem Hohen Hause ein Antrag des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht vorliegt, der den Bundestag auffordert, den vorgenannten Antrag der Zentrumsfraktion anzunehmen. Meine politischen Freunde und ich sind der Auffassung, daß es geradezu ein staatspolitisches Anliegen der Bundesregierung sein muß, den Art. 21 des Grundgesetzes so schnell wie möglich zu realisieren. Die Bundesregierung würde ja erst dadurch die Grundlagen schaffen, um festlegen zu können, welche Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie würde dadurch auch die Grundlage für Beschlüsse schaffen, die nicht, wie es jetzt der Fall ist, den Eindruck eines Ermächtigungsgesetzes erwecken, ohne daß — ähnlich der Hitlerzeit — der Bundestag aufgefordert worden ist, sich selbst zu entmannen.
Seit ihrem Bestehen ist vornehmste Aufgabe der Zentrumspartei stets der Kampf um das Recht gewesen; sie wird sich auch durch Volksstimmungen nicht von diesem Kampf abhalten lassen. Die Feststellung, welche Parteiorganisationen nicht demokratisch sind — mit all den Forderungen, die sich dadurch ergeben —, muß der Beschlußfassung des Bundestages auf Grund eines Gesetzes obliegen und kann nicht einer Kabinettsentscheidung überlassen bleiben. Die Zentrumsfraktion hält sich für verpflichtet, dies heute vor dem Bundestag ausdrücklich festzustellen. Aus diesem Grunde wünscht sie auch, daß der heute zur Annahme vorgelegte Beschluß des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht der Bundesregierung — wie es darin auch heißt — unverzüglich Veranlassung gibt, dem Bundestag den Entwurf eines Parteiengesetzes vorzulegen. Wem es um die Sicherung unseres demokratischen Staates zu tun ist, der kann dieses Gesetz nicht eindringlich genug wünschen. In Art. 21 heißt es, wie eben vom Herrn Berichterstatter gesagt worden ist, ausdrücklich:
Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Das Nähere regeln Bundesgesetze.
Es müssen also zunächst diese Bundesgesetze geschaffen werden, damit das Bundesverfassungsgericht danach entscheiden kann.
Meine Damen und Herren, wie grotesk heute die Dinge schon sind, so daß die rechte Hand nicht einmal mehr weiß, was die linke tut, zeigt z. B. eine Annonce in der Zeitung „Der Niederdeutsche", die meines Wissens der Deutschen Partei nahesteht, also einer Regierungspartei. Es entbehrt nicht eines gewissen Amüsements, welche Annoncen in Zeitungen zu lesen sind, die auf der ersten Seite die Regierungspolitik vertreten. Diese Annonce, erschienen am 13. Oktober, hat folgenden Wortlaut:
Adenauer Staatsfeind Nr. 11. Erteilt die Antwort! Es spricht Bundestagsabgeordneter Dr. Fritz Dorls, 1. Parteivorsitzender der SRP, Sonnabend, 14. Oktober 1950, 20 Uhr, in Brochtensen, Rintelmanns Hotel.
Sozialistische Reichs-Partei, Bezirk Stade.
Ich wollte die Anzeige dem Hohen Hause einmal zur Kenntnis geben, weil es doch ganz interessant ist, so etwas feststellen zu können.
Auf noch etwas Weiteres möchte ich kurz hinweisen, um die Dringlichkeit des Zentrumsantrages zu zeigen. Der Art. 21 des Grundgesetzes, der durch den Willen der Zentrumsabgeordneten in das Grundgesetz hineingekommen ist, enthält einen sehr wichtigen und m. E. vom Berichterstatter nicht genügend herausgehobenen Satz: „Sie" — die Parteien — „müssen über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben".
Ich glaube, meine Damen und Herren, mancher für die Öffentlichkeit peinliche und dem Ansehen der Parteien nicht dienliche Eindruck im Untersuchungsausschuß hätte vermieden werden können, wenn diese Verpflichtung des Art. 21 heute schon Gesetz wäre.
Vielleicht hätten wir uns den ganzen Untersuchungsausschuß sparen können, weil dann die darin behandelten Vorwürfe von vornherein nicht aufgetreten wären. Wem es also um Sauberkeit im politischen Leben geht, wer das Hintergründige für die politischen Parteien und ihre Geldgeber im Interesse des demokratischen Staates verhindern und wer die Parteien und Abgeordneten nicht in Abhängigkeit von wirtschaftlichen Machtgruppen kommen lassen will, kann den Antrag der Zentrumsfraktion nur begrüßen und mit ihr von der Bundesregierung fordern — ich möchte dem Herrn Bundesinnenminister diese Bitte mit auf den Weg geben —, dem Bundestag als eines ihrer nächsten Gesetze das Parteiengesetz vorzulegen.
Meine Damen und Herren, ich werde gebeten, dem Hause mitzuteilen, daß der Richterwahlausschuß seine Beratungen fortsetzt.
Das Wort hat der Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Innenministerium geht mit der antragstellenden Partei durchaus einig, daß die baldige Vorlage eines solchen Gesetzes dringend erforderlich ist. Ich erinnere daran, daß der Vertreter des Innenministeriums im Rechtsausschuß am 4. Oktober mitgeteilt hat, daß im Innenministerium ein Entwurf bereits weitgehend vorgearbeitet sei und dieser Referentenentwurf meines Ministeriums mit den einzelnen Ressorts noch einmal besprochen werden müsse. Das ist inzwischen geschehen. Die Arbeiten sind beschleunigt worden. Der jetzt in dieser Form vorliegende Referentenentwurf wird den Innenministerien der Länder zur Stellungnahme zugehen. Wir werden das Äußerste zur Beschleunigung tun, damit Ihnen alsbald ein Parteiengesetz vorgelegt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Grund der Äußerungen der Frau Kollegin Wessel bin ich genötigt, etwas richtigzustellen. Die „Niederdeutsche Zeitung" ist eine überparteiliche Zeitung,
die jede Art Inserate aufnimmt. Sie hat uns einmal nahegestanden. Im Augenblick verfügt die Deutsche Partei überhaupt über keine sogenannte parteieigene Presse. Wenn also in der „Niederdeutschen Zeitung" ein Inserat einer anderen Partei veröffentlicht worden ist — ebenso könnte ein Inserat für eine Versammlung der Zentrumspartei, der Sozialdemokratischen Partei oder irgendeiner sonstigen Partei darin veröffentlicht sein —
-- alles könnte darin stehen —, so bedeutet das nichts für den Charakter der Zeitung außer dem, daß es eine überparteiliche Zeitung ist.
Zur Sache selbst ist meine Fraktion der Auffassung, daß gerade dieses Parteiengesetz einer außerordentlich sorgfältigen Durcharbeitung bedarf. Ich habe vielleicht nicht richtig verstanden,
aber es kam zum Ausdruck: was demokratisch sei,
werde durch den Bundestag entschieden. Ich bin
der Auffassung, daß das, was objektiv richtig ist,
niemals durch eine politische Entscheidung getroffen werden kann, sondern aus dem Recht, aus
der Natur der Sache selbst entwickelt werden muß.
Daran arbeitet unsere Regierung mit außerordentlicher Sorgfalt, um ein Gesetz auf diesem neuen Rechtsgebiet zu schaffen, das wirklich rechtsstaatlichen Maßstäben und damit auch den Grundsätzen einer politischen Gerechtigkeit genügt und Mißbräuche mit einem solchen Gesetz zu verhindern sucht.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wer für die Annahme des Ausschußantrags auf Drucksache Nr. 1426 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Punkt 10 ist erledigt.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses zum Schutze der Verfassung betreffend Entnazifizierung (Nrn. 1440, 13, 27, 97, 99, 482, 609, 1057 der Drucksachen).
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hatte sich dem Wahn hingegeben, daß dieser Punkt ausschließlich durch Entgegennahme des Berichtes des Herrn Berichterstatters erledigt werden könnte. Es war ein Wahn. Es scheinen eine Reihe von Abänderungsanträgen vorbereitet worden zu sein, die wohl eine Aussprache nötig machen werden.
Ehe ich dem Berichterstatter das Wort erteile, mache ich Ihnen einen Vorschlag auf Begrenzung der Redezeit. Ich glaube, wir sollten dem Herrn Berichterstatter die Redezeit nicht begrenzen; es handelt sich um eine ganze Reihe von Drucksachen, und die Sache selbst ist es wert, ausführlich — sehr ausführlich — berichtet zu werden. Vielleicht wird die Ausführlichkeit des Berichtes etwas von der Ausführlichkeit der Diskussionsreden wegnehmen können. Ich schlage Ihnen für die Debatte eine Maximalredezeit von 60 Minuten vor. — Das Haus ist einverstanden.
Dann erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Menzel als Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Durch Beschluß des Plenums vom 30. September des vorigen Jahres — Drucksache Nr. 63 — wurden den beiden Ausschüssen, dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung, fünf Anträge und zwei Gesetzentwürfe auf dem Gebiet der Beendigung . der Entnazifizierung zur Beratung überwiesen.
Es handelt sich zunächst um den Antrag der Deutschen Partei — Drucksache Nr. 13 — vom 8. September 1949, worin die Bundesregierung aufgefordert wird, ein Gesetz zum baldigen Abschluß der Entnazifizierung und einer Amnestie der beiden Gruppen III und IV vorzulegen. In Verbindung damit oder in Ausführung dieses Antrags ist unter Drucksache Nr. 609 ein Gesetzentwurf der DP vorgelegt worden, der sich im einzelnen mit dem Inhalt des Antrags in Drucksache Nr. 13 befaßt. Es
wird zunächst die Wiederherstellung aller Rechte der in die Kategorien III und IV eingestuften Personen und der vergleichbaren Kategorien der anderen Zonen gefordert. Es wird ferner das Verbot der Einleitung neuer Verfahren und in Verbindung damit die Einstellung der laufenden Verfahren verlangt. Nur diejenigen Fälle sollen ausgenommen sein, in denen den Betroffenen, wie es heißt, „während der Hitlerzeit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder einer aus Eifer für den Nationalsozialismus begangenen strafbaren Handlung nachzuweisen ist". Ferner sollte auch ausgenommen sein, wer sich nach dem 8. Mai 1945 gegen die Demokratie strafrechtlich vergangen hat.
Ferner lag der Antrag der WAV — Drucksache Nr. 27 — vom September 1949 zur Beratung vor. In ihm wird eine Generalamnestie für die Mitläufer und Minderbelasteten verlangt, vor allem dahingehend, daß sämtliche politischen Beschränkungen für diese Gruppen aufzuheben seien.
In fast der gleichen Richtung wie die Anträge der DP gingen der Antrag der FDP vom 28. September 1949 in Drucksache Nr. 97 und der damit in Verbindung zu sehende Gesetzentwurf der gleichen Partei vom 31. Januar 1950 in Drucksache Nr. 482. In etwa 6 Punkten wird für die Beendigung der Entnazifizierung folgendes gefordert.
Die Verfolgung sollte - wie bei dem Antrag der DP — auf die während der nationalsozialistischen Willkürherrschaft begangenen Verbrechen beschränkt bleiben; demgegenüber sollen aber die nach Gruppe III bis V Eingereihten wieder in die alten Rechte eingesetzt werden, und sie sollen die gleichen staatsbürgerlichen Rechte erhalten; die Gruppen I und II seien künftighin nur noch von den ordentlichen Gerichten abzuurteilen, und die ) Frage nach der politischen Vergangenheit solle künftig als unzulässig angesehen werden.
Der Antrag der Bayernpartei vom 14. Oktober vorigen Jahres — Drucksache Nr. 99 — ging dahin, daß die Bundesregierung ersucht werde, mit den Ländern zu verhandeln — also nicht ein Bundesgesetz vorzulegen -, urn auf der Grundlage übereinstimmender Ländergesetze die sofortige Beendigung der Entnazifizierung und die Wiederherherstellung aller Rechte der nach der Gruppe IV der amerikanischen Zone eingestuften Personen herbeizuführen.
Schließlich lag auch noch der Antrag der Abgeordneten von Thadden und andere in Drucksache Nr. 1057 vom 16. Juni dieses Jahres vor, worin die Bundesregierung ersucht werden sollte, die Länder aufzufordern, zur Einsparung von Arbeit und Kosten sofort alle laufenden Verfahren auf dem Gebiete der Entnazifizierung einzustellen.
Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat sich zunächst einmal bemüht, mit Hilfe statistischer Erhebungen den Personenkreis festzustellen, der von dem Verfahren der Entnazifizierung und damit von der hier beantragten Regelung berührt werden würde. Für die Ministerien war es begreiflicherweise nicht sehr leicht, das Material zusammenzubekommen, weil die Einstufung und die Bewertung der Stufen in den einzelnen Zonen verschieden ist und z. B. Personen, die in der amerikanischen Zone nach III eingruppiert wurden, in anderen Zonen in eine andere Stufe gekommen wären. Aber ein ungefährer Überblick ergibt folgende Zahlen:
In alien drei Zonen sind ca. 6,1 Millionen Fälle bearbeitet worden, davon allein in der amerikanischen Zone rund 3,6 Millionen. Von diesen 3,6 Millionen der amerikanischen Zone sind 2,5 Millionen amnestiert worden. In rund 59 000 Fällen wurde das Verfahren durch Entscheidung erledigt. Die Anzahl der Verfahrensfälle in der britischen Zone betrug rund 2 Millionen und in der französischen Zone rund 670 000.
Bei den Debatten hat die Unterscheidung der Gruppen V bis III auf der einen Seite von den beiden schwerstbelasteten Gruppen I und II eine erhebliche Rolle gespielt. Daher war es interessant festzustellen, wieviele Personen in der amerikanischen Zone nach I und II eingruppiert worden sind. In der amerikanischen und französischen Zone sind in die Kategorie I 1664 Personen gebracht worden und in der Kategorie II der Schuldigen und Belasteten rund 23 000, insgesamt nach I und II rund 24 700. Vergleichbare Zahlen für die britische Zone konnten nicht beigebracht werden, da in der britischen Zone die Einstufung in die Kategorien I und II nicht von deutschen Institutionen, sondern von britischen Dienststellen erfolgte und wir keine Übersicht haben, um wieviele Fälle es sich dabei handelt.
Meine Damen und Herren, ehe der Ausschuß zum Schutze der Verfassung, für den ich berichte, sich mit diesen Vorlagen befaßte, waren die angeführten Drucksachen Gegenstand der Beratungen des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, dessen Arbeiten auch bei uns im Ausschuß für Verfassungsschutz behandelt wurden und daher meiner Berichterstattung mitunterliegen.
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat sich in drei Sitzungen vom 13. Oktober, 12. November und 13. Dezember vorigen Jahres mit den Vorlagen befaßt. In der ersten Sitzung beschloß er, eine Auskunft des Herrn Bundesjustizministers über die Frage einzuholen, ob die Bundesregierung die Gesetzgebungskompetenz des Bundes bejahe oder die der Länder. In der zweiten und dritten Ausschußsitzung wurden dann durch Referat und Korreferat die Probleme, die hier eine Rolle spielen, eingehend erörtert. Ich darf das Ergebnis dieser beiden Referate kurz vortragen.
Während der Referent zu dem Vorschlag kam, daß er die Aufhebung aller Folgen, die sich aus der Bestrafung eines Gesinnungsdeliktes ergeben, und zum anderen die Aburteilung aller derjenigen vor dem ordentlichen Richter verlangte, die sich eines Verbrechens im Sinne des Strafgesetzes schuldig gemacht hatten, kam der Korreferent zu einer Reihe von Vorschlägen, die er in mehrere Punkte aufteilte.
Der Korreferent ging zunächst, im Gegensatz zu dem Referenten, von dem Standpunkt aus, daß nicht der Bund, sondern die Länder für die Gesetzgebung zuständig seien und daß die Artikel 131 und 139 einer solchen Regelung nicht im Wege stehen. Ferner schlug er u. a. vor, daß sich der Bundesinnen- und Bundesjustizminister unverzüglich mit den Landesregierungen in Verbindung setzen müßten, um im Wege der Verhandlungen Grundsätze für eine Abschlußgesetzgebung auszuarbeiten. Die Teilnahme der Mitglieder des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht sei dabei erforderlich. Er wies außerdem darauf hin, daß untersucht werden müsse, ob ein praktisches Bedürfnis vorliege, die in die Gruppe III eingestuften Personen gesetzlich besonders zu behandeln.
Wesentlich war in seinen Vorschlägen die folgende Bedingung: Da die gesamte Entnazifizierung — so heißt es im Protokoll — einen einheitlichen, politischen Komplex darstellte, sollte jede gesetzgeberische und administrative Maßnahme davon
abhängig gemacht werden, daß a) das Entschädigungsrecht für die politisch, rassisch und religiös Verfolgten abschließend gesetzlich geregelt ist — als Modell solle dafür das auf Länderratsbasis erarbeitete Entschädigungsgesetz vom 10. August 1949 gelten —; b) sollten Grundsätze für die Aufnahme von Zusicherungsträgern in die öffentliche Verwaltung ausgearbeitet werden.
Meine Damen und Herren! Die Debatte ging auch im Ausschuß für Verfassungsschutz zunächst von der Prüfung der Frage aus, ob die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder gegeben sei. Von den Anträgen bejahten die der FDP und der DP die Bundeszuständigkeit für die Gesetzgebung. Aber die Mehrheit des Ausschusses hatte verfassungsrechtliche Bedenken, diese Bundeszuständigkeit zu bejahen. Daher schlägt der Ausschuß Ihnen mit Mehrheit nicht den Erlaß eines Bundesgesetzes vor, sondern er empfiehlt Ihnen Richtlinien, die von den Ländern bei ihrer Landesgesetzgebung zugrunde gelegt werden sollten.
Die Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung auf diesem Gebiet wurde von den Vertretern der beiden angeführten Fraktionen u. a. wie folgt begründet. Die Entnazifizierung enthalte zwei entgegengesetzte Momente ideologischer und geschichtlicher Herkunft; sie resultiere aus den Konferenzen der Alliierten von Jalta und Potsdam und umfasse Vorstellungen aus dem bolschewistischen Rechtskreis und den historisch begründeten Vorstellungen der Vereinigten Staaten nach dem Abschluß der damaligen Bürgerkriege über das impeachment. Bei den Maßnahmen auf Grund der Entnazifizierungsgesetze und bei den in den einzelnen Zonen ergangenen Beschlüssen und Urteilen habe es sich daher um nichts anderes als um den Vollzug fremden Rechts gehandelt. Daher habe das Befreiungsgesetz der amerikanisch en Zone und ein großer Teil des Entnazifizierungsrechts der Verordnung 79 der britischen Zone im wesentlichen strafrechtlichen Inhalt. Hierdurch und aus dem Bedürfnis einer einheitlichen Zusammenfassung der in den drei Westzonen erheblich auseinandergehenden Entnazifizierungsrechte seien die Erfordernisse des Art. 72 des Grundgesetzes und damit die Zuständigkeit zu einer konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Ziffer 1 des Grundgesetzes gegeben. Schließlich kam nach Meinung jener beiden Fraktionen hinzu, daß Art. 139 des Grundgesetzes, der von dem Fortbestand der Entnazifizierungsgesetze in den Ländern spreche, durch die Vorschriften über die Grundrechte, insbesondere die Art. 2 und 3 des Grundgesetzes überholt sei und es daher Aufgabe des Bundesgesetzgebers sein müsse, die praktische Aufhebung auch durch ein Bundesgesetz über die Beendigung der Entnazifizierung durchzuführen.
Demgegenüber war sich die Mehrheit des Ausschusses einig, daß das Recht über die Entnazifizierung nicht als Strafrecht, sondern als ein Recht besonderer Art, geboren aus der politischen Situation unserer Jahre, aufzufassen sei, daß es sich dabei im wesentlichen um ein Wiedergutmachungsrecht auf dem Gebiete des Politischen und um die Fernhaftung aller jener Personen handele, die durch ihr Verhalten und ihr Eintreten für den Nationalsozialismus Deutschland in die jetzige Situation gebracht hätten. Die Mehrheit war sich unter Ablehnung der Auffassung, die Entnazifizierung sei aus fremden Rechtsvorstellungen geboren, auch darüber klar, daß es auch Sache der Deutschen gewesen sei, Bereinigungsmaßnahmen zur Sicherung der neuen Republik und zur Ausschaltung besonders belasteter Elemente durchzuführen, und zwar auch dann, wenn die Alliierten von ihrer Seite aus nichts in dieser Richtung getan haben würden. Allerdings hätten wir diese Maßnahmen wahrscheinlich in einer anderen und daher auch wirksameren Form durchgeführt. Aber der Zusammenbruch habe uns vor die Aufgabe gestellt, ein bestimmtes politisches Problem zu lösen, und daraus hätten sich für uns auch gewisse Notwendigkeiten, und zwar nicht allein von der Besatzung aus gesehen, sondern auch von den Deutschen her, ergeben.
Der strafrechtliche Charakter wurde von der Mehrheit auch mit dem Hinweis abgelehnt, daß seine Bejahung einen Verstoß gegen den alten strafrechtlichen Grundsatz bedeuten würde, eine Handlung könne nicht nachträglich zu einer strafbaren Tat erklärt werden, und daß alle diejenigen, d e irgendwie von den Entnazifizierungsgesetzen erfaßt worden seien, künftighin, wenn auch vielleicht in geringem Maße, als vorbestraft gelten würden. Das wäre aber gerade für die Millionen der kleinen ehemaligen Pgs von unübersehbarem Nachteil. Die Mehrheit war sich ferner darüber einig, daß es sich bei all den Vorschriften über die Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus um die Wiedergutmachung verschuldeten Unrechts und darum handele, den politischen Aufbau des neuen Staates unbeeinflußt von jenen, die den Nationalsozialismus und Militarismus erheblich gefördert haben, durchzuführen. Diese Auffassung stimme im übrigen mit den Verfassungstexten der meisten Länder der französischen und der amerikanischen Zone überein. Daher beeinträchtige der Inhalt der Grundrechte auch nicht den Art. 139, der vorverfassungsmäßiges Recht aufrechterhalte und in einen verfassungsmäßigen Zustand überleite.
Aus dieser Auffassung der Mehrheit ergab sich nun, daß für die Gesetzgebung zur Beendigung der Entnazifizierung nicht der Bund, sondern nur die Länder zuständig sein können. Die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes sind in den Art. 70 ff. des Grundgesetzes erschöpfend aufgezählt. Die Gesetzgebung aller dort nicht aufgeführten Sachgebiete steht nach der gesetzlichen Vermutung des Grundgesetzes gemäß Art. 70 Abs. 1 den Ländern zu. Dieser Auffassung hat sich der Herr Bundesjustizminister in einem längeren Schreiben an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht vom 15. November 1949 angeschlossen. Auch der Vertreter des Herrn Bundesministers des Innern hat in einer unserer Ausschußsitzungen die gleiche Erklärung abgegeben, indem er die Zuständigkeit des Bundes für die Gesetzgebung verneint hat.
Zu den gleichen Ergebnissen hinsichtlich der Zuständigkeit war bereits auch der im Ausschuß erörterte Beschluß des Justizkollegiums vom 5. und 6. November 1949 gekommen. Das Justizkollegium, eine Zusammenfassung der Länderjustizminister, stellte sich bereits damals einmütig auf den Standpunkt, daß ein solches Gesetz über den Abschluß dieser Verfahren zwar unbedingt notwendig, aber Sache der Länder sei. Zwar haben sich damals nicht alle Länder an diese Empfehlungen der Landesjustizminister gehalten—nur das Land NordrheinWestfalen hat die Beschlüsse bereits im vorigen Jahr fast restlos durchgeführt —, aber die mangelnde Resonanz jener Beschlüsse des Kollegiums rührte wohl daher, daß sie den Landesregierungen, vor allem den gesetzgebenden Körperschaften der Länder, nicht genügend bekanntgemacht worden waren. Der Ausschuß glaubt aber, daß eine Empfehlung des Bundestags einen viel stärkeren Einfluß auf die Länderparlamente haben könnte.
Für die Zuständigkeit der Länder sprach nach Auffassung der Mehrheit des Ausschusses auch die Überlegung, daß die Vielzahl der Rechtsvorschriften auf dem Gebiete der Entnazifizierung und die Uneinheitlichkeit der Versuche ihrer Beendigung in den Ländern die Schaffung eines einheitlichen Rechts durch ein Bundesgesetz außerordentlich erschweren würde. Das ergab sich schon daraus, daß in der britischen Zone das Wesen der Entnazifizierung die Ausschaltung bestimmter Personen aus dem öffentlichen Leben ist, die Entnazifizierung in der amerikanischen und französischen Zone daneben auch die Wiedergutmachung und die Sühne zum Ziel hat. Ein Bundesgesetz nun, das alle diese seit Jahren auseinanderlaufenden Bestrebungen und Praktiken unter einen Hut zu bringen versuchen würde, müßte daher zunächst einmal das gesamte Entnazifizierungsrecht der Länder neu aufgliedern und aufbauen, um darin nach der so geschaffenen Einheitlichkeit Grundsätze über die Beendigung und einer Amnestie aufzustellen. Das würde allein schon hinsichtlich der britischen Zone schwierig sein, weil wir hier weder die Zahl der in Kategorien I und II eingestuften Personen kennen, noch wissen, welche Maßnahmen die britische Regierung über diese Personen verhängt hat. Wenn jedoch allseitig der Wunsch besteht, die Entnazifizierung endlich im wesentlichen zu beenden, dann wäre, so meinte die Mehrheit des Ausschusses, eine Kodifikation, also eine Zusammenfassung durch den Bund, die ungeeignetste Maßnahme; denn die Kodifikation und die Übertragung von Länderzuständigkeiten auf eine größere politische Einheit, d. h. hier auf den Bund, würde bedeuten, der Sache einen größeren Wirkungskreis und damit auch im Materiell-Politischen einen neuen Auftrieb zu geben. Der Ausschuß glaubte daher auch aus diesen Gründen, daß es besser ist, es den Ländern zu überlassen, auf Grund ihrer Gesetze und deren praktischer Anwendung die Beendigung der Entnazifizierung und die Durchführung einer Amnestie organischer und damit sachgemäßer und wirkungsvoller für die Betroffenen zu veranlassen.
Meine Damen und Herren! Der Text der einzelnen Richtlinien liegt Ihnen vor. Ich kann mich daher auf wenige Worte zur Erläuterung beschränken. Durch die Vorschläge zu Ziffer 1 und 3 der Richtlinien wird fast die gesamte Entnazifizierung ab 1. Januar 1951 eingestellt. Damit wird vor allen Dingen den sogenannten kleinen Pgs geholfen, die nach allseitiger Auffassung erheblich mehr von den Entnazifizierungsverfahren betroffen worden sind, als die Hauptschuldigen, wenn man den Grad ihres Mitverschuldens an den Folgen des Naziregimes zugrunde legt.
Bis zum 31. März des nächsten Jahres kann jeder, der bisher keinen Kategorisierungsbescheid erhalten hat, aber an einer Bestätigung über seine politische Haltung damals ein Interesse hat, den Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung stellen, daß ein Verfahren gegen ihn nicht mehr durchzuführen ist. Zugunsten der Spätheimkehrer gilt jedoch diese Fristbeschränkung vom 31. März 1951 nicht.
Hinsichtlich der in die Gruppen I und II eingestuften Personen wurde ein Antrag der Abgeordneten der FDP und DP, auch diese Personen voll zu amnestieren und sie nur wegen etwaiger krimineller Vergehen und Verbrechen vor den deutschen Strafgerichten abzuurteilen, von der Mehrheit abgelehnt. Die Mehrheit glaubte es nicht verantworten zu können, solchen Elementen schon jetzt wieder das Eindringen in die Politik zu gestatten und ihnen damit die Möglichkeit zu geben, auf das politische Leben Deutschlands Einfluß zu gewinnen. Daher bleibt es nach den Vorschlägen des Ausschusses für die in die Kategorien I und II eingestuften Personen bei dem bisherigen Rechtszustand, wobei allerdings für die britische Zone seitens der Länderregierungen versucht werden muß, die Zuständigkeit von britischen auf deutsche Stellen zu übertragen.
In Verfolg dieser Versuche einer weitgehenden Bereinigung werden ab 1. Juli 1951 bei allen Betroffenen die staatsbürgerlichen Beschränkungen wegfallen, nachdem bereits vorher, am 1. 1. 1951, die Berufs- und Tätigkeitsverbote enden, in beiden Fällen aber wiederum mit der Ausnahme, daß diese Vergünstigungen nicht für die nach I und II Kategorisierten gelten.
Nach den Ziffern 7 und 8 der vorgeschlagenen Richtlinien werden für alle Gruppen, d. h. hier auch für die Gruppen I und II, ab 1. Juli des nächsten Jahres die Vermögenssperre aufgehoben sowie Sühnegelder und Verfahrenskosten für die nach III bis V eingruppierten Personen ab 1. Januar des nächsten Jahres nicht mehr eingezogen.
Ein besonders schwieriges Kapitel war die Behandlung jener Personen, die in der amerikanischen Zone zu Arbeitslager verurteilt worden waren. Hierbei wurden im Ausschuß einige besonders schwere verbrecherische Fälle vorgetragen, so daß die ursprüngliche Absicht einiger Ausschußmitglieder, einen vollen Erlaß der restlichen Freiheitsstrafe, teils ab sofort, teils ab nächstes Jahr, zu beantragen, von ihnen fallengelassen wurde und der Ausschuß sich einstimmig mit der jetzigen Ziffer 9 auf die Empfehlung an die Länder beschränkte, weitgehend von dem Recht der Amnestie Gebrauch zu machen.
Ein Antrag, künftighin die Frage nach der politischen Vergangenheit zu verbieten, verfiel mit 11 gegen 2 Stimmen der Ablehnung. Die Mehrheit war der Auffassung, daß nach unserer Verfassung jeder Staatsbürger das Recht zu einer solchen Frage hat und dieses Recht ihm nicht durch ein Gesetz genommen werden kann.
Die Mehrheit des Ausschusses war außerdem der Auffassung, daß auch bei der Begründung eines auf besonderer Treuepflicht beruhenden Beamtenverhältnisses der Bund, die Länder und die Gemeinden als Dienstherren das Recht behalten müssen, zu erfahren, wo derjenige in der Zeit nach 1933 gestanden hat, dem jetzt wieder besondere Rechte eingeräumt werden sollen.
Meine Damen und Herren! Diese Richtlinien sind dann mit 11 Ja- gegen 3 Nein-Stimmen angenommen worden. In den dem Hohen Hause vorgeschlagenen Richtlinien glaubte der Ausschuß trotz der verschiedenen Situationen in den Ländern materiell eine größtmögliche Angleichung geschaffen zu haben.
Darüber hinaus aber sah er sich veranlaßt, aus innen- wie auch aus außenpolitischen Gründen nochmals mit Nachdruck die Forderung zu erheben, daß die Staatsanwaltschaften mehr als bisher bei dem Verdacht von Verbrechen gegen die Menschlichkeit um die Beschaffung des notwendigen Beweismaterials bemüht bleiben müssen. Wir halten es für erforderlich, der Justiz in aller Öffentlichkeit klarzumachen, daß sie die Verpflichtung hat, sich ernsthaft um derartige Vorgänge zu kümmern. Daher schlagen wir Ihnen in II des Antrages vor, daß die Bundesregierung ersucht werde, auf die Landesregierungen einzuwirken, die Staatsanwaltschaften mögen bei den Verfahren der vorbezeich-
neten Art unter Einsatz aller ihnen zur Verfügung stehenden Fahndungs- und Ermittlungsmöglichkeiten mit Entschlossenheit vorgehen, damit endlich alle strafrechtlich schuldig gewordenen nationalsozialistischen Aktivisten wirksam zur Rechenschaft gezogen werden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir kommen zur Aussprache. Ich darf darauf aufmerksam machen, meine Damen und Herren, daß es sich in diesem Falle um einen Entschließungsantrag handelt. Es besteht also wohl keine Notwendigkeit, jetzt etwa ziffern- oder abschnittsweise
die Debatte zu führen. Die getrennte Abstimmung
ist eine andere Frage. Ich bitte also die Redner, die
in der Debatte zu Wort kommen, den gesamten
Gegenstand in ihren Ausführungen zu behandeln.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.
Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat in dankenswerter und sehr ausführlicher Weise die ganze Problematik dieses Problems, das wir heute anzusprechen haben, vor Ihnen aufgezeigt. Er hat auch dargetan, daß in einigen entscheidenden Punkten der Ausschuß, der diese Dinge zu bearbeiten hatte, zu einer einheitlichen Auffassung gekommen ist. Aber wir sind doch in verschiedenen Punkten anderer Auffassung.
Als wir unser Gesetz, das heute mit erledigt werden soll und die Drucksachen-Nr. 482 trägt, hier einbrachten, gingen wir natürlich von der selbstverständlichen Voraussetzung aus, daß der Bund für den Erlaß eines derartigen Gesetzes zuständig sei. Wir haben auch diese Auffassung heute noch nicht geändert, aber ich will dieses Problem, das der Herr Berichterstatter so ausführlich behandelt hat, hier nicht mehr aufreißen, weil uns dazu nicht die Zeit bleibt und weil es sinnlos ist, da durch die Stellungnahme der größten Fraktionen dieses Hauses feststeht, daß eine Mehrheit für unseren Standpunkt hier nicht zu finden ist. Es muß also dabei sein Bewenden haben, daß der Bund erklärt, daß er für den Erlaß eines Entnazifizierungsgesetzes nicht zuständig ist.
Wir begrüßen die Aufstellung dieser Richtlinien, wie sie in der Drucksache Nr. 1440 vom Ausschuß zum Schutz der Verfassung erarbeitet worden sind; aber wir möchten sie in einem entscheidenden Punkt ergänzt wissen, nämlich in dem Punkt, daß wir der Meinung sind, daß man endlich mit dieser unglückseligen Entnazifizierung, die noch dazu in Deutschland nach ganz verschiedenen Gesichtspunkten und Graden behandelt wurde, Schluß machen soll, und zwar endgültig und radikal, auch für die Gruppen I und II;
denn die Gruppen I und II sind ja gar nicht mehr in diesem Umfange vorhanden, jedenfalls nicht in der Zone, deren Recht ich besonders gut kenne, in der amerikanischen Zone. Alles, was in den Gruppen I und II überhaupt noch verdächtigt war, ist ja längst entnazifiziert. Wenn hier und da noch vielleicht ein Fall ausstehen sollte, lohnt es gar nicht, noch ganze Spruchkammerorganisationen mit ungeheuren Kosten aufrechtzuerhalten. Es lohnt auch um deswillen nicht, weil Ihnen in der Ziffer 2 des Antrages
des Ausschusses vorgeschlagen wird, daß strafrechtliche Handlungen ohne weiteres weiter verfolgt werden können. Diese Auffassung haben wir auch. Meistens — das lehren mich meine Erfahrungen aus der Praxis - sind bei Leuten, die nach den Entnazifizierungsbestimmungen normalerweise in die Gruppen I und II zu kategorisieren wären, strafrechtliche Tatbestände gegeben, die nach -dem Strafgesetzbuch zu erfassen sind. Diese Leute können, wenn wir sie jetzt nicht mehr weiter entnazifizieren wollen, strafrechtlich erfaßt und ihrer Sühne zugeführt werd en.
Eine andere Überlegung zwingt auch dazu; denn wenn Sie die Ziffer 1 des Ausschußvorschlages so annehmen, dann ergibt sich daraus der merkwürdige Zustand, daß es jetzt in der britischen Zone mit der Entnazifizierung der Gruppen I und II erst losgeht. Die Rechtsprechung lag für diese Kategorien in der britischen Zone nämlich nicht in deutscher Hand. Sie haben vom Herrn Berichterstatter gehört, daß man noch nicht einmal weiß, wieviel Leute dort durch die Besatzungsmacht in die Gruppen I und II eingestuft worden sind. Man weiß auch nicht, welche Sühnemaßnahmen verhängt worden sind. Wenn man jetzt die Gesetzgebung in die deutsche Hand gibt, dann besteht die Gefahr, daß in der britischen Zone erneut und heftig entnazifiziert wird.
Jedenfalls wirft sich eine Reihe von Rechtsproblemen auf, die auch im Ausschuß behandelt worden sind. Ich kenne das Recht der britischen Zone zu wenig, um hier materiell Stellung nehmen zu können. Es taucht die Frage auf, ob für die zukünftige Entnazifizierung in materieller Beziehung Besatzungsrecht gilt und nur eine deutsche Verfahrensordnung zu schaffen wäre oder umgekehrt. Ich will dieses Problem nicht vertiefen. Jedenfalls würde das unter Umständen dazu führen, daß in der britischen Zone erneut in ungeheurem Umfange entnazifiziert wird. Darin sind sich wohl alle einig, daß das, unter politischen Aspekten gesehen, ein Unglück wäre. Das ist auch die Auffassung der Mehrheit des Ausschusses zum Schutze der Verfassung; sonst wäre er nicht zu der Formulierung dieser Richtlinien gekommen.
Da meine Redezeit nur noch kurz ist, spreche ich nur noch weniges zu den einzelnen Änderungsanträgen. Wir beantragen:
Ziffer 1 erhält folgende Fassung: Entnazifizierungsverfahren sind nach dem 1. Januar 1951 nicht mehr zulässig. Anhängige Verfahren sind einzustellen.
Das bedeutet das, was ich vorhin im einzelnen ausgeführt habe.
In logischer Ergänzung dazu beantragen wir zu Ziffer 3, in Satz 1 das Wort „danach" zu streichen. Wir beantragen weiter zu Ziffer 4, an Stelle der Worte „vom 1. Juli 1951" die Worte zu setzen: „vom 1. Januar 1951". Das ist klar und logisch. Denn wenn wir schon der Auffassung sind, daß man die Entnazifizierung endgültig am 1. 1. 1951 beenden sollte, dann muß auch die Ziffer 4 in dieser Weise geändert werden.
Zu Ziffer 5 Satz 2 schlagen wir folgende Fassung vor:
Ausgenommen sind Beschränkungen für die Gruppen I und II, die sich auf die Ausübung des Berufs eines Lehrers, Predigers, Redakteurs, Rundfunkkommentators oder auf die Bekleidung des Amtes in der Polizei, im auswärtigen Dienst oder eines Amtes der höheren Beamtenlaufbahn beziehen.
Der Ausschuß hatte hier formuliert:
Beruf eines Lehrers, Predigers, Redakteurs, Rundfunkkommentators oder auf die Bekleidung eines höheren Amtes oder einer führenden Stellung des öffentlichen Lebens beziehen.
Diese Formulierungen des Ausschusses sind mir zu ungenau, zu unbestimmt und jeder willkürlichen Auslegung fähig. Deshalb schlägt meine Fraktion Ihnen das vor, was ich vorgelesen habe. Wir nehmen die besonderen Berufe, die schon im Entnazifizierungsgesetz der amerikanischen Zone besonders behandelt worden sind, so, wie das der Ausschuß vorgechlagen hat, hinein und sagen dann ganz konkret:
. . . ein Amt in der Polizei, im auswärtigen Dienst oder ein Amt der höheren Beamtenlaufbahn.
Ich glaube, wir haben die Beschränkungen in der Berufsausübung so weit gezogen, wie das nur möglich und auch nach unserer Auffassung noch nötig ist.
Zu Ziffer 7 beantragen wir, die Worte „vom 1. Juli 1951" durch die Worte zu ersetzen: „vom 1. Januar 1951".
In Ziffer 8 sind die Worte zu streichen — das ist die logische Folge unseres Änderungsantrages zu Ziffer 1 —: „von Personen der Gruppen III bis V".
In Ziffer 9 sind hinter dem Worte „Amnestie" die Worte einzufügen: „oder Begnadigung". Wir halten das für notwendig, weil wir den Ländern empfehlen wollen, von dem individuellen Begnadigungsrecht, das den jeweiligen Ministerpräsidenten zusteht, weitgehend Gebrauch zu machen.
Schließlich schlagen wir eine neue Ziffer 10 vor:
10. Bei Einstellungen sind Nachfragen über die Entnazifizierung nur soweit zulässig, als sie auf die Feststellung der Einstufung in die Gruppen I und II gerichtet sind.
Wir halten das für unbedingt erforderlich. Wenn man schon dem Entnazifizierungsverfahren überhaupt einen Wert beimißt, dergestalt, daß durch den Spruch, der in dem Entnazifizierungsverfahren ergangen ist, ein endgültiger Zustand geschaffen wird und jemand durch einen solchen Spruch oder, wenn Sie wollen, durch ein rechtskräftiges Erkenntnis in eine der Gruppen III — das war ja nur die Übergangsgruppe —, IV oder V eingereiht wurde, wir aber heute die Gleichheit dieser Gruppen nach einhelliger Auffassung des Ausschusses garantieren, dann hat es wirklich keinen Sinn mehr, mit der fortgesetzten Schnüffelei — denn etwas anderes ist es nicht — fortzufahren, so daß man bei Einstellung von Beamten dieser Gruppen wieder das Pferd am Schwanze aufzuzäumen versucht. Deshalb halten wir das nicht für tragbar und schlagen Ihnen folgende Fassung vor.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich darf nur noch einen Satz sprechen. Die Parteien, namentlich die Parteien in Hessen, von denen ich es sehr genau weiß, und auch die SPD haben bei der letzten Bundestagswahl auf ihre Wahlplakate als Programmpunkt geschrieben: Wir sind für sofortige Beendigung der Entnazifizierung. Sie hat jetzt Gelegenheit, durch Annahme unseres Antrages dazu zu stehen.
Herr Abgeordneter Dr. Schneider, darf ich um den Text Ihres Antrages bitten!
Das Wort hat nun Herr Abgeordneter von Thadden. Drei Minuten, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren! Ich darf an die Worte des Herrn Kollegen Schneider und die Versprechungen anknüpfen, die die Parteien gemacht haben. Der Berg kreißte und gebar unter dem Donner der Agitationsreden ein Mäuslein.
Die SPD hat sich besonders hervorgetan. Sie forderte die Beendigung einer Entnazifizierung, die voll des methodischen Wahnwitzes sei, und forderte weiter die Wiederherstellung der vollen staatsbürgerlichen und sozialen Gleichberechtigung aller Staatsbürger; „Schluß mit der Zweiteilung Deutschlands in Staatsbürger verschiedenen Rechts!" Im Ausschuß hat aber die SPD von einer solchen Haltung, die von ihr vor den Wahlkämpfen propagiert wurde, nichts gezeigt, die CDU ebenfalls nicht, die sich hiermit
in Schwarz-Weiß-Rot an die ehemaligen Nationalsozialisten Schleswig-Holsteins wandte
und ihnen den Abschluß der Entnazifizierung, ja sogar die Wiedergutmachung — schwarz-weiß-rot umrandet — prophezeite. Das muß ja mal gesagt werden.
Herr Kollege Henßler erklärte kürzlich, daß man jemand nur wegen Taten, nicht aber wegen seiner Gesinnung zur Verantwortung ziehen solle. Er meinte die KPD. Wir hoffen daß er das auch auf die von diesem Antrag „Betroffenen" ausdehnt. Wir meinen, entweder verlängert man das Entnazifizierungsgesetz durch ein neues Gesetz, — und darauf läuft dieser Antrag des Ausschusses hinaus —, oder aber man schließt die Sache ab. Aus diesem Grunde haben wir einen Änderungsantrag eingereicht, den ich verlesen möchte:
1. Entnazifizierungsverfahren mit dem Ziel der Einstufung in eine Gruppe sind nach dem 1. Januar 1951 nicht mehr zulässig. Anhängige Verfahren sind einzustellen. Die Besatzungsbehörden sind aufzufordern, keine Entnazifizierungsverfahren mehr durchzuführen.
Durch diesen letzten Satz wäre die strittige Frage der Entnazifizierung in der britischen Zone hinsichtlich der Kategorien I und II erledigt.
2. Die Einteilung des deutschen Volkes in
Gruppen auf Grund eines erfolgten Entnazifizierungsbescheides wird mit sofortiger Wirkung aufgehoben.
Damit erfüllen wir die Forderung der SPD auf Beendigung des „methodischen Wahnwitzes."
3. Verfahren gegen ehemalige Mitglieder der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen sind in Zukunft nur noch nach Maßgabe strafbarer Handlungen gemäß den Bestimmungen des Strafgesetzbuches durchzuführen.
Herr Kollege Dr. Schneider wies im Zusammenhang mit den Kategorien I und II hierauf hin.
4. Amtliche Bescheinigungen über eine erfolgte Entnazifizierung dürfen in Zukunft nicht mehr ausgestellt oder verlangt werden. Ausgestellte Bescheinigungen werden rechtlich gegenstandslos.
Sodann ist in Anlehnung an die Vorschläge, die die Fraktion der FDP soeben eingebracht hat, die Aufhebung der einzelnen Sanktionen nicht über die Zeitspanne des nächsten halben Jahres zu verteilen, sondern hat samt und sonders am 31. 12.1950 bzw. 1. 1. 1951 zu erfolgen.
9. Verurteilungen zu Arbeitslager sind vorbehaltlich der Verfahren gemäß Ziffer 3 mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Lag den Verurteilungen eine strafbare Handlung zugrunde, so sind solche Fälle nach Maßgabe der Bestimmungen des Strafgesetzbuches abzuschließen.
Meine Damen und Herren! Wir glauben, daß mit diesem Vorschlag die Geschichte wirklich beendet wird. Dies kann man bei dem Antrag des Ausschusses nicht sagen. Ich hoffe, daß unser Antrag angenommen wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mellies.
Mellies : : Meine Damen und Herren! Ich will der Versuchung widerstehen, auf die freundlichen Worte, die sowohl Herr Dr. Schneider als auch der Abgeordnete von Thadden der sozialdemokratischen Fraktion gewidmet hat, einiges zu sagen. Ich möchte nur zu dem Verfahren sprechen.
Der Herr Präsident hat zu Beginn der Beratung dieses Punktes schon darauf hingewiesen, daß im Ältestenrat eine Vereinbarung getroffen sei. Diese Vereinbarung sah so aus, daß über diesen Punkt eine Diskussion nicht stattfinden und auch keine weiteren Anträge gestellt werden sollten. Nun darf man wohl davon ausgehen, daß die Fraktionen nicht immer den Standpunkt billigen werden, den ihre Vertreter im Ältestenrat einnehmen. Sehr häufig werden auch im Ältestenrat von den Vertretern der Fraktionen gewisse Vorbehalte gemacht. Ich glaube aber, es ist dann unbedingt notwendig, die Fraktionen vorher davon zu unterrichten, daß anders verfahren werden soll. Es ist doch ein unmöglicher Zustand, wenn der Präsident uns erst bei der Beratung des Punktes sagen kann, daß hier Anträge eingegangen sind und daß deshalb eine Diskussion stattfinden muß. Es ist auch ein unmöglicher Zustand, daß die Anträge uns erst in dem Augenblick, wenn die Besprechung über diesen Punkt beginnt, auf den Tisch gelegt werden, immer angesichts der Tatsache, daß vorher eine entsprechende Vereinbarung im Ältestenrat getroffen ist.
- Na ja, Sie wissen ja nichts von den Vereinbarungen im Ältestenrat, weil Sie bei den Beratungen nicht beteiligt sind.
Es wäre auch im Interesse einer Zusammenarbeit in diesem Hause notwendig, daß man sich an diese einfachen Selbstverständlichkeiten gewöhne.
Meine Damen und Herren! Auch in der sozialdemokratischen Fraktion war der Wunsch laut geworden, eine Reihe von Anträgen zu diesem Punkt zu stellen. Wir haben davon im Interesse der Sache abgesehen. Wir wünschten, daß bei der Verabschiedung dieses Vorschlages eine möglichst breite Mehrheit in diesem Hause gefunden würde. Wir sind uns wohl alle darüber klar, daß dies angesichts der Schwierigkeit und angesichts der besonderen Bedeutung dieser Frage wünschenswert wäre.
Da aber jetzt diese neuen Anträge vorliegen, sieht sich meine Fraktion nicht in der Lage, schon heute einer Beschlußfassung zuzustimmen. Wir bitten deshalb, die Angelegenheit noch einmal an cien Ausschuß zurückzuverweisen. Das scheint mir auch angesichts der Ausführungen, die der Abgeordnete Dr. Schneider gemacht hat, besonders notwendig, denn wenn wirklich bei Ziffer 1 derartig schwierige Rechtsbedenken bestehen, können wir die Angelegenheit, glaube ich, nicht durch einfache Abstimmung hier im Plenum entscheiden. Ich stelle deshalb namens meiner Fraktion den Antrag, die Sache noch einmal an den Ausschuß zurückzuverweisen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz.
Dr. von Merkatz: : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Abschlusses der Entnazifizierung ist eingehend diskutiert worden. Ich habe von meiner Fraktion lediglich den Auftrag, jetzt am Ende dieser langen Diskussion unsere Stellungnahme noch einmal ganz knapp zu umreißen. Bereits im Jahre 1945, verstärkt dann 1946 und 1947, hat die Deutsche Partei mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln gegen das System der Entnazifizierung angekämpft. Wir haben uns dabei von dem Gesichtspunkt leiten lassen, daß die Bestrafung oder Sanktionierung — das ist praktisch eine Bestrafung — eines politischen Gesinnungstatbestandes in keiner Weise in unser deutsches Rechtssystem und in unser Rechtsgefühl einzuordnen ist und daß man diese Fragen der politischen Säuberung auf ausgesprochene Nutznießungstatbestände und auf Straftatbestände zu beschränken hat.
Von diesem Gesichtspunkt ist der von uns vorgelegte Gesetzentwurf getragen. Wir sind heute noch der Ansicht und sind dafür eingetreten, daß eine Bundeszuständigkeit für dieses Rechtsgebiet besonderer Art gegeben ist, das zwar nicht zum Strafrecht im eigentlichen Sinne gehört, aber analog der Bundeszuständigkeit für das Strafrecht behandelt werden müßte. Nachdem die Diskussion im Ausschuß darauf hinauslief, daß die Verabschiedung einer Gesetzesvorlage nicht möglich schien, und auch nach der Stellungnahme des Justizministeriums, haben wir uns der Linie
angeschlossen, Grundsätze zu entwerfen, die einheitlich nach dem System einer allgemeinen Gesetzgebung in den Ländern angenommen werden sollten. Die Dinge sind eingehend durchdiskutiert worden. Insbesondere sind unsere Forderungen, die mit denen der FDP übereinstimmen, daß die Beendigung der Entnazifizierung sich auch auf die Gruppen I und II zu erstrecken hat, nicht in vollem Umfang angenommen worden. Die Frage, die praktisch die größte Tragweite hat, ist: Was geschieht mit den Beamten, die damals 1945 und 1946 so in Bausch und Bogen aus dem Amt hinausgejagt worden sind? Sollte man hier nicht der Rechtsprechung einiger Verwaltungsgerichte folgen, die ihnen ihre Bezüge wieder zuerkennen? Alle diese Punkte sind nicht angenommen worden. Insbesondere fehlt in den Grundsätzen, die der Ausschuß zum Schutze der Verfassung entworfen hat, die gerechte Berücksichtigung der durch die Spruchgerichte in der britischen Zone verurteilten Personen der Kategorien I und II.
Aus diesen Gründen ist meine Fraktion nicht in der Lage, den von dem Ausschuß entworfenen Grundsätzen zuzustimmen. Sie erwartet, daß angesichts der zwingenden Gebote unserer politischen Situation in allen Ländern und auch hier im Bundestag die Einsicht wächst, daß mit diesem Wahnsinn nun endlich Schluß gemacht werden muß.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Der weitestgehende Antrag ist der Antrag des Herrn Abgeordneten Mellies auf Rückverweisung der Vorlage mit den eingegangenen Abänderungsanträgen an den Ausschuß. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrage zustimmen, die Hand zu erheben. —Der Antrag ist bei wenigen Stimmenthaltungen angenommen.
Ich rufe nun auf Punkt 12 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Mayer (Stuttgart) gemäß Schreiben des Justizministeriums von Württemberg-Baden vom 14. Juni 1950 (Nr. 1450 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Brill.
Meine Damen und Herren! Ich werde Sie nicht lange in Anspruch nehmen. Es handelt sich um einen ganz unbedeutenden Antrag auf Aufhebung der Immunität. Ein Abgeordneter des Landtags von Württemberg-Hohenzollern und ein anderer Mann liegen seit zwölf Jahren miteinander im Streit. In diesem Streit hat der Herr Abgeordnete Mayer für einen seiner Parteifreunde Partei ergriffen und gegen einen der beiden Streithähne Behauptungen aufgestellt, die der Betreffende als beleidigend empfindet. So ist eine Klage vor dem Friedensgericht in Stuttgart zustande gekommen. Das Friedensgericht beantragt über den normalen Weg die Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Mayer. Der öffentliche Kläger hat ein öffentliches Interesse an der Klage verneint, und auch der Justizminister in Stuttgart hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß der Sache kein Fortgang gegeben werden sollte.
In Anwendung der Ihnen bekannten Grundsätze des Immunitätsausschusses dieses Hohen Hauses beantrage ich namens des Ausschusses, das Begehren zur Aufhebung der Immunität zurückzuweisen, also den Antrag abzulehnen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf den 13. Punkt der Tagesordnung: Übersicht über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen .
Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich nehme an, daß das Haus den Anträgen der Ausschüsse zustimmt. Ich bitte die Damen und Herren, die meine Auffassung unterstützen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende unserer Tagesordnung.
Ich darf noch mitteilen, daß die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP im Anschluß an die Plenarsitzung Fraktionssitzungen haben.
Ich berufe die nächste, die 93. Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 19. Oktober 1950, vormittags 9 Uhr 30.
Ich schließe die 92. Sitzung des Deutschen Bundestags.