Meine Damen und Herren! Die Zentrumsfraktion bedauert, daß ihr am 6. Dezember 1949 eingereichter Antrag Drucksache Nr. 275, der die Bundesregierung ersucht, unverzüglich den Entwurf eines Parteiengesetzes entsprechend dem Art. 21 des Grundgesetzes vorzulegen, erst nach 10 Monaten dazu geführt hat, daß heute dem Hohen Hause ein Antrag des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht vorliegt, der den Bundestag auffordert, den vorgenannten Antrag der Zentrumsfraktion anzunehmen. Meine politischen Freunde und ich sind der Auffassung, daß es geradezu ein staatspolitisches Anliegen der Bundesregierung sein muß, den Art. 21 des Grundgesetzes so schnell wie möglich zu realisieren. Die Bundesregierung würde ja erst dadurch die Grundlagen schaffen, um festlegen zu können, welche Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie würde dadurch auch die Grundlage für Beschlüsse schaffen, die nicht, wie es jetzt der Fall ist, den Eindruck eines Ermächtigungsgesetzes erwecken, ohne daß — ähnlich der Hitlerzeit — der Bundestag aufgefordert worden ist, sich selbst zu entmannen.
Seit ihrem Bestehen ist vornehmste Aufgabe der Zentrumspartei stets der Kampf um das Recht gewesen; sie wird sich auch durch Volksstimmungen nicht von diesem Kampf abhalten lassen. Die Feststellung, welche Parteiorganisationen nicht demokratisch sind — mit all den Forderungen, die sich dadurch ergeben —, muß der Beschlußfassung des Bundestages auf Grund eines Gesetzes obliegen und kann nicht einer Kabinettsentscheidung überlassen bleiben. Die Zentrumsfraktion hält sich für verpflichtet, dies heute vor dem Bundestag ausdrücklich festzustellen. Aus diesem Grunde wünscht sie auch, daß der heute zur Annahme vorgelegte Beschluß des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht der Bundesregierung — wie es darin auch heißt — unverzüglich Veranlassung gibt, dem Bundestag den Entwurf eines Parteiengesetzes vorzulegen. Wem es um die Sicherung unseres demokratischen Staates zu tun ist, der kann dieses Gesetz nicht eindringlich genug wünschen. In Art. 21 heißt es, wie eben vom Herrn Berichterstatter gesagt worden ist, ausdrücklich:
Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Das Nähere regeln Bundesgesetze.
Es müssen also zunächst diese Bundesgesetze geschaffen werden, damit das Bundesverfassungsgericht danach entscheiden kann.
Meine Damen und Herren, wie grotesk heute die Dinge schon sind, so daß die rechte Hand nicht einmal mehr weiß, was die linke tut, zeigt z. B. eine Annonce in der Zeitung „Der Niederdeutsche", die meines Wissens der Deutschen Partei nahesteht, also einer Regierungspartei. Es entbehrt nicht eines gewissen Amüsements, welche Annoncen in Zeitungen zu lesen sind, die auf der ersten Seite die Regierungspolitik vertreten. Diese Annonce, erschienen am 13. Oktober, hat folgenden Wortlaut:
Adenauer Staatsfeind Nr. 11. Erteilt die Antwort! Es spricht Bundestagsabgeordneter Dr. Fritz Dorls, 1. Parteivorsitzender der SRP, Sonnabend, 14. Oktober 1950, 20 Uhr, in Brochtensen, Rintelmanns Hotel.
Sozialistische Reichs-Partei, Bezirk Stade.
Ich wollte die Anzeige dem Hohen Hause einmal zur Kenntnis geben, weil es doch ganz interessant ist, so etwas feststellen zu können.
Auf noch etwas Weiteres möchte ich kurz hinweisen, um die Dringlichkeit des Zentrumsantrages zu zeigen. Der Art. 21 des Grundgesetzes, der durch den Willen der Zentrumsabgeordneten in das Grundgesetz hineingekommen ist, enthält einen sehr wichtigen und m. E. vom Berichterstatter nicht genügend herausgehobenen Satz: „Sie" — die Parteien — „müssen über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben".
Ich glaube, meine Damen und Herren, mancher für die Öffentlichkeit peinliche und dem Ansehen der Parteien nicht dienliche Eindruck im Untersuchungsausschuß hätte vermieden werden können, wenn diese Verpflichtung des Art. 21 heute schon Gesetz wäre.
Vielleicht hätten wir uns den ganzen Untersuchungsausschuß sparen können, weil dann die darin behandelten Vorwürfe von vornherein nicht aufgetreten wären. Wem es also um Sauberkeit im politischen Leben geht, wer das Hintergründige für die politischen Parteien und ihre Geldgeber im Interesse des demokratischen Staates verhindern und wer die Parteien und Abgeordneten nicht in Abhängigkeit von wirtschaftlichen Machtgruppen kommen lassen will, kann den Antrag der Zentrumsfraktion nur begrüßen und mit ihr von der Bundesregierung fordern — ich möchte dem Herrn Bundesinnenminister diese Bitte mit auf den Weg geben —, dem Bundestag als eines ihrer nächsten Gesetze das Parteiengesetz vorzulegen.