Meine Damen und Herren! Durch Beschluß des Plenums vom 30. September des vorigen Jahres — Drucksache Nr. 63 — wurden den beiden Ausschüssen, dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung, fünf Anträge und zwei Gesetzentwürfe auf dem Gebiet der Beendigung . der Entnazifizierung zur Beratung überwiesen.
Es handelt sich zunächst um den Antrag der Deutschen Partei — Drucksache Nr. 13 — vom 8. September 1949, worin die Bundesregierung aufgefordert wird, ein Gesetz zum baldigen Abschluß der Entnazifizierung und einer Amnestie der beiden Gruppen III und IV vorzulegen. In Verbindung damit oder in Ausführung dieses Antrags ist unter Drucksache Nr. 609 ein Gesetzentwurf der DP vorgelegt worden, der sich im einzelnen mit dem Inhalt des Antrags in Drucksache Nr. 13 befaßt. Es
wird zunächst die Wiederherstellung aller Rechte der in die Kategorien III und IV eingestuften Personen und der vergleichbaren Kategorien der anderen Zonen gefordert. Es wird ferner das Verbot der Einleitung neuer Verfahren und in Verbindung damit die Einstellung der laufenden Verfahren verlangt. Nur diejenigen Fälle sollen ausgenommen sein, in denen den Betroffenen, wie es heißt, „während der Hitlerzeit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder einer aus Eifer für den Nationalsozialismus begangenen strafbaren Handlung nachzuweisen ist". Ferner sollte auch ausgenommen sein, wer sich nach dem 8. Mai 1945 gegen die Demokratie strafrechtlich vergangen hat.
Ferner lag der Antrag der WAV — Drucksache Nr. 27 — vom September 1949 zur Beratung vor. In ihm wird eine Generalamnestie für die Mitläufer und Minderbelasteten verlangt, vor allem dahingehend, daß sämtliche politischen Beschränkungen für diese Gruppen aufzuheben seien.
In fast der gleichen Richtung wie die Anträge der DP gingen der Antrag der FDP vom 28. September 1949 in Drucksache Nr. 97 und der damit in Verbindung zu sehende Gesetzentwurf der gleichen Partei vom 31. Januar 1950 in Drucksache Nr. 482. In etwa 6 Punkten wird für die Beendigung der Entnazifizierung folgendes gefordert.
Die Verfolgung sollte - wie bei dem Antrag der DP — auf die während der nationalsozialistischen Willkürherrschaft begangenen Verbrechen beschränkt bleiben; demgegenüber sollen aber die nach Gruppe III bis V Eingereihten wieder in die alten Rechte eingesetzt werden, und sie sollen die gleichen staatsbürgerlichen Rechte erhalten; die Gruppen I und II seien künftighin nur noch von den ordentlichen Gerichten abzuurteilen, und die ) Frage nach der politischen Vergangenheit solle künftig als unzulässig angesehen werden.
Der Antrag der Bayernpartei vom 14. Oktober vorigen Jahres — Drucksache Nr. 99 — ging dahin, daß die Bundesregierung ersucht werde, mit den Ländern zu verhandeln — also nicht ein Bundesgesetz vorzulegen -, urn auf der Grundlage übereinstimmender Ländergesetze die sofortige Beendigung der Entnazifizierung und die Wiederherherstellung aller Rechte der nach der Gruppe IV der amerikanischen Zone eingestuften Personen herbeizuführen.
Schließlich lag auch noch der Antrag der Abgeordneten von Thadden und andere in Drucksache Nr. 1057 vom 16. Juni dieses Jahres vor, worin die Bundesregierung ersucht werden sollte, die Länder aufzufordern, zur Einsparung von Arbeit und Kosten sofort alle laufenden Verfahren auf dem Gebiete der Entnazifizierung einzustellen.
Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat sich zunächst einmal bemüht, mit Hilfe statistischer Erhebungen den Personenkreis festzustellen, der von dem Verfahren der Entnazifizierung und damit von der hier beantragten Regelung berührt werden würde. Für die Ministerien war es begreiflicherweise nicht sehr leicht, das Material zusammenzubekommen, weil die Einstufung und die Bewertung der Stufen in den einzelnen Zonen verschieden ist und z. B. Personen, die in der amerikanischen Zone nach III eingruppiert wurden, in anderen Zonen in eine andere Stufe gekommen wären. Aber ein ungefährer Überblick ergibt folgende Zahlen:
In alien drei Zonen sind ca. 6,1 Millionen Fälle bearbeitet worden, davon allein in der amerikanischen Zone rund 3,6 Millionen. Von diesen 3,6 Millionen der amerikanischen Zone sind 2,5 Millionen amnestiert worden. In rund 59 000 Fällen wurde das Verfahren durch Entscheidung erledigt. Die Anzahl der Verfahrensfälle in der britischen Zone betrug rund 2 Millionen und in der französischen Zone rund 670 000.
Bei den Debatten hat die Unterscheidung der Gruppen V bis III auf der einen Seite von den beiden schwerstbelasteten Gruppen I und II eine erhebliche Rolle gespielt. Daher war es interessant festzustellen, wieviele Personen in der amerikanischen Zone nach I und II eingruppiert worden sind. In der amerikanischen und französischen Zone sind in die Kategorie I 1664 Personen gebracht worden und in der Kategorie II der Schuldigen und Belasteten rund 23 000, insgesamt nach I und II rund 24 700. Vergleichbare Zahlen für die britische Zone konnten nicht beigebracht werden, da in der britischen Zone die Einstufung in die Kategorien I und II nicht von deutschen Institutionen, sondern von britischen Dienststellen erfolgte und wir keine Übersicht haben, um wieviele Fälle es sich dabei handelt.
Meine Damen und Herren, ehe der Ausschuß zum Schutze der Verfassung, für den ich berichte, sich mit diesen Vorlagen befaßte, waren die angeführten Drucksachen Gegenstand der Beratungen des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, dessen Arbeiten auch bei uns im Ausschuß für Verfassungsschutz behandelt wurden und daher meiner Berichterstattung mitunterliegen.
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat sich in drei Sitzungen vom 13. Oktober, 12. November und 13. Dezember vorigen Jahres mit den Vorlagen befaßt. In der ersten Sitzung beschloß er, eine Auskunft des Herrn Bundesjustizministers über die Frage einzuholen, ob die Bundesregierung die Gesetzgebungskompetenz des Bundes bejahe oder die der Länder. In der zweiten und dritten Ausschußsitzung wurden dann durch Referat und Korreferat die Probleme, die hier eine Rolle spielen, eingehend erörtert. Ich darf das Ergebnis dieser beiden Referate kurz vortragen.
Während der Referent zu dem Vorschlag kam, daß er die Aufhebung aller Folgen, die sich aus der Bestrafung eines Gesinnungsdeliktes ergeben, und zum anderen die Aburteilung aller derjenigen vor dem ordentlichen Richter verlangte, die sich eines Verbrechens im Sinne des Strafgesetzes schuldig gemacht hatten, kam der Korreferent zu einer Reihe von Vorschlägen, die er in mehrere Punkte aufteilte.
Der Korreferent ging zunächst, im Gegensatz zu dem Referenten, von dem Standpunkt aus, daß nicht der Bund, sondern die Länder für die Gesetzgebung zuständig seien und daß die Artikel 131 und 139 einer solchen Regelung nicht im Wege stehen. Ferner schlug er u. a. vor, daß sich der Bundesinnen- und Bundesjustizminister unverzüglich mit den Landesregierungen in Verbindung setzen müßten, um im Wege der Verhandlungen Grundsätze für eine Abschlußgesetzgebung auszuarbeiten. Die Teilnahme der Mitglieder des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht sei dabei erforderlich. Er wies außerdem darauf hin, daß untersucht werden müsse, ob ein praktisches Bedürfnis vorliege, die in die Gruppe III eingestuften Personen gesetzlich besonders zu behandeln.
Wesentlich war in seinen Vorschlägen die folgende Bedingung: Da die gesamte Entnazifizierung — so heißt es im Protokoll — einen einheitlichen, politischen Komplex darstellte, sollte jede gesetzgeberische und administrative Maßnahme davon
abhängig gemacht werden, daß a) das Entschädigungsrecht für die politisch, rassisch und religiös Verfolgten abschließend gesetzlich geregelt ist — als Modell solle dafür das auf Länderratsbasis erarbeitete Entschädigungsgesetz vom 10. August 1949 gelten —; b) sollten Grundsätze für die Aufnahme von Zusicherungsträgern in die öffentliche Verwaltung ausgearbeitet werden.
Meine Damen und Herren! Die Debatte ging auch im Ausschuß für Verfassungsschutz zunächst von der Prüfung der Frage aus, ob die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder gegeben sei. Von den Anträgen bejahten die der FDP und der DP die Bundeszuständigkeit für die Gesetzgebung. Aber die Mehrheit des Ausschusses hatte verfassungsrechtliche Bedenken, diese Bundeszuständigkeit zu bejahen. Daher schlägt der Ausschuß Ihnen mit Mehrheit nicht den Erlaß eines Bundesgesetzes vor, sondern er empfiehlt Ihnen Richtlinien, die von den Ländern bei ihrer Landesgesetzgebung zugrunde gelegt werden sollten.
Die Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung auf diesem Gebiet wurde von den Vertretern der beiden angeführten Fraktionen u. a. wie folgt begründet. Die Entnazifizierung enthalte zwei entgegengesetzte Momente ideologischer und geschichtlicher Herkunft; sie resultiere aus den Konferenzen der Alliierten von Jalta und Potsdam und umfasse Vorstellungen aus dem bolschewistischen Rechtskreis und den historisch begründeten Vorstellungen der Vereinigten Staaten nach dem Abschluß der damaligen Bürgerkriege über das impeachment. Bei den Maßnahmen auf Grund der Entnazifizierungsgesetze und bei den in den einzelnen Zonen ergangenen Beschlüssen und Urteilen habe es sich daher um nichts anderes als um den Vollzug fremden Rechts gehandelt. Daher habe das Befreiungsgesetz der amerikanisch en Zone und ein großer Teil des Entnazifizierungsrechts der Verordnung 79 der britischen Zone im wesentlichen strafrechtlichen Inhalt. Hierdurch und aus dem Bedürfnis einer einheitlichen Zusammenfassung der in den drei Westzonen erheblich auseinandergehenden Entnazifizierungsrechte seien die Erfordernisse des Art. 72 des Grundgesetzes und damit die Zuständigkeit zu einer konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Ziffer 1 des Grundgesetzes gegeben. Schließlich kam nach Meinung jener beiden Fraktionen hinzu, daß Art. 139 des Grundgesetzes, der von dem Fortbestand der Entnazifizierungsgesetze in den Ländern spreche, durch die Vorschriften über die Grundrechte, insbesondere die Art. 2 und 3 des Grundgesetzes überholt sei und es daher Aufgabe des Bundesgesetzgebers sein müsse, die praktische Aufhebung auch durch ein Bundesgesetz über die Beendigung der Entnazifizierung durchzuführen.
Demgegenüber war sich die Mehrheit des Ausschusses einig, daß das Recht über die Entnazifizierung nicht als Strafrecht, sondern als ein Recht besonderer Art, geboren aus der politischen Situation unserer Jahre, aufzufassen sei, daß es sich dabei im wesentlichen um ein Wiedergutmachungsrecht auf dem Gebiete des Politischen und um die Fernhaftung aller jener Personen handele, die durch ihr Verhalten und ihr Eintreten für den Nationalsozialismus Deutschland in die jetzige Situation gebracht hätten. Die Mehrheit war sich unter Ablehnung der Auffassung, die Entnazifizierung sei aus fremden Rechtsvorstellungen geboren, auch darüber klar, daß es auch Sache der Deutschen gewesen sei, Bereinigungsmaßnahmen zur Sicherung der neuen Republik und zur Ausschaltung besonders belasteter Elemente durchzuführen, und zwar auch dann, wenn die Alliierten von ihrer Seite aus nichts in dieser Richtung getan haben würden. Allerdings hätten wir diese Maßnahmen wahrscheinlich in einer anderen und daher auch wirksameren Form durchgeführt. Aber der Zusammenbruch habe uns vor die Aufgabe gestellt, ein bestimmtes politisches Problem zu lösen, und daraus hätten sich für uns auch gewisse Notwendigkeiten, und zwar nicht allein von der Besatzung aus gesehen, sondern auch von den Deutschen her, ergeben.
Der strafrechtliche Charakter wurde von der Mehrheit auch mit dem Hinweis abgelehnt, daß seine Bejahung einen Verstoß gegen den alten strafrechtlichen Grundsatz bedeuten würde, eine Handlung könne nicht nachträglich zu einer strafbaren Tat erklärt werden, und daß alle diejenigen, d e irgendwie von den Entnazifizierungsgesetzen erfaßt worden seien, künftighin, wenn auch vielleicht in geringem Maße, als vorbestraft gelten würden. Das wäre aber gerade für die Millionen der kleinen ehemaligen Pgs von unübersehbarem Nachteil. Die Mehrheit war sich ferner darüber einig, daß es sich bei all den Vorschriften über die Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus um die Wiedergutmachung verschuldeten Unrechts und darum handele, den politischen Aufbau des neuen Staates unbeeinflußt von jenen, die den Nationalsozialismus und Militarismus erheblich gefördert haben, durchzuführen. Diese Auffassung stimme im übrigen mit den Verfassungstexten der meisten Länder der französischen und der amerikanischen Zone überein. Daher beeinträchtige der Inhalt der Grundrechte auch nicht den Art. 139, der vorverfassungsmäßiges Recht aufrechterhalte und in einen verfassungsmäßigen Zustand überleite.
Aus dieser Auffassung der Mehrheit ergab sich nun, daß für die Gesetzgebung zur Beendigung der Entnazifizierung nicht der Bund, sondern nur die Länder zuständig sein können. Die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes sind in den Art. 70 ff. des Grundgesetzes erschöpfend aufgezählt. Die Gesetzgebung aller dort nicht aufgeführten Sachgebiete steht nach der gesetzlichen Vermutung des Grundgesetzes gemäß Art. 70 Abs. 1 den Ländern zu. Dieser Auffassung hat sich der Herr Bundesjustizminister in einem längeren Schreiben an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht vom 15. November 1949 angeschlossen. Auch der Vertreter des Herrn Bundesministers des Innern hat in einer unserer Ausschußsitzungen die gleiche Erklärung abgegeben, indem er die Zuständigkeit des Bundes für die Gesetzgebung verneint hat.
Zu den gleichen Ergebnissen hinsichtlich der Zuständigkeit war bereits auch der im Ausschuß erörterte Beschluß des Justizkollegiums vom 5. und 6. November 1949 gekommen. Das Justizkollegium, eine Zusammenfassung der Länderjustizminister, stellte sich bereits damals einmütig auf den Standpunkt, daß ein solches Gesetz über den Abschluß dieser Verfahren zwar unbedingt notwendig, aber Sache der Länder sei. Zwar haben sich damals nicht alle Länder an diese Empfehlungen der Landesjustizminister gehalten—nur das Land NordrheinWestfalen hat die Beschlüsse bereits im vorigen Jahr fast restlos durchgeführt —, aber die mangelnde Resonanz jener Beschlüsse des Kollegiums rührte wohl daher, daß sie den Landesregierungen, vor allem den gesetzgebenden Körperschaften der Länder, nicht genügend bekanntgemacht worden waren. Der Ausschuß glaubt aber, daß eine Empfehlung des Bundestags einen viel stärkeren Einfluß auf die Länderparlamente haben könnte.
Für die Zuständigkeit der Länder sprach nach Auffassung der Mehrheit des Ausschusses auch die Überlegung, daß die Vielzahl der Rechtsvorschriften auf dem Gebiete der Entnazifizierung und die Uneinheitlichkeit der Versuche ihrer Beendigung in den Ländern die Schaffung eines einheitlichen Rechts durch ein Bundesgesetz außerordentlich erschweren würde. Das ergab sich schon daraus, daß in der britischen Zone das Wesen der Entnazifizierung die Ausschaltung bestimmter Personen aus dem öffentlichen Leben ist, die Entnazifizierung in der amerikanischen und französischen Zone daneben auch die Wiedergutmachung und die Sühne zum Ziel hat. Ein Bundesgesetz nun, das alle diese seit Jahren auseinanderlaufenden Bestrebungen und Praktiken unter einen Hut zu bringen versuchen würde, müßte daher zunächst einmal das gesamte Entnazifizierungsrecht der Länder neu aufgliedern und aufbauen, um darin nach der so geschaffenen Einheitlichkeit Grundsätze über die Beendigung und einer Amnestie aufzustellen. Das würde allein schon hinsichtlich der britischen Zone schwierig sein, weil wir hier weder die Zahl der in Kategorien I und II eingestuften Personen kennen, noch wissen, welche Maßnahmen die britische Regierung über diese Personen verhängt hat. Wenn jedoch allseitig der Wunsch besteht, die Entnazifizierung endlich im wesentlichen zu beenden, dann wäre, so meinte die Mehrheit des Ausschusses, eine Kodifikation, also eine Zusammenfassung durch den Bund, die ungeeignetste Maßnahme; denn die Kodifikation und die Übertragung von Länderzuständigkeiten auf eine größere politische Einheit, d. h. hier auf den Bund, würde bedeuten, der Sache einen größeren Wirkungskreis und damit auch im Materiell-Politischen einen neuen Auftrieb zu geben. Der Ausschuß glaubte daher auch aus diesen Gründen, daß es besser ist, es den Ländern zu überlassen, auf Grund ihrer Gesetze und deren praktischer Anwendung die Beendigung der Entnazifizierung und die Durchführung einer Amnestie organischer und damit sachgemäßer und wirkungsvoller für die Betroffenen zu veranlassen.
Meine Damen und Herren! Der Text der einzelnen Richtlinien liegt Ihnen vor. Ich kann mich daher auf wenige Worte zur Erläuterung beschränken. Durch die Vorschläge zu Ziffer 1 und 3 der Richtlinien wird fast die gesamte Entnazifizierung ab 1. Januar 1951 eingestellt. Damit wird vor allen Dingen den sogenannten kleinen Pgs geholfen, die nach allseitiger Auffassung erheblich mehr von den Entnazifizierungsverfahren betroffen worden sind, als die Hauptschuldigen, wenn man den Grad ihres Mitverschuldens an den Folgen des Naziregimes zugrunde legt.
Bis zum 31. März des nächsten Jahres kann jeder, der bisher keinen Kategorisierungsbescheid erhalten hat, aber an einer Bestätigung über seine politische Haltung damals ein Interesse hat, den Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung stellen, daß ein Verfahren gegen ihn nicht mehr durchzuführen ist. Zugunsten der Spätheimkehrer gilt jedoch diese Fristbeschränkung vom 31. März 1951 nicht.
Hinsichtlich der in die Gruppen I und II eingestuften Personen wurde ein Antrag der Abgeordneten der FDP und DP, auch diese Personen voll zu amnestieren und sie nur wegen etwaiger krimineller Vergehen und Verbrechen vor den deutschen Strafgerichten abzuurteilen, von der Mehrheit abgelehnt. Die Mehrheit glaubte es nicht verantworten zu können, solchen Elementen schon jetzt wieder das Eindringen in die Politik zu gestatten und ihnen damit die Möglichkeit zu geben, auf das politische Leben Deutschlands Einfluß zu gewinnen. Daher bleibt es nach den Vorschlägen des Ausschusses für die in die Kategorien I und II eingestuften Personen bei dem bisherigen Rechtszustand, wobei allerdings für die britische Zone seitens der Länderregierungen versucht werden muß, die Zuständigkeit von britischen auf deutsche Stellen zu übertragen.
In Verfolg dieser Versuche einer weitgehenden Bereinigung werden ab 1. Juli 1951 bei allen Betroffenen die staatsbürgerlichen Beschränkungen wegfallen, nachdem bereits vorher, am 1. 1. 1951, die Berufs- und Tätigkeitsverbote enden, in beiden Fällen aber wiederum mit der Ausnahme, daß diese Vergünstigungen nicht für die nach I und II Kategorisierten gelten.
Nach den Ziffern 7 und 8 der vorgeschlagenen Richtlinien werden für alle Gruppen, d. h. hier auch für die Gruppen I und II, ab 1. Juli des nächsten Jahres die Vermögenssperre aufgehoben sowie Sühnegelder und Verfahrenskosten für die nach III bis V eingruppierten Personen ab 1. Januar des nächsten Jahres nicht mehr eingezogen.
Ein besonders schwieriges Kapitel war die Behandlung jener Personen, die in der amerikanischen Zone zu Arbeitslager verurteilt worden waren. Hierbei wurden im Ausschuß einige besonders schwere verbrecherische Fälle vorgetragen, so daß die ursprüngliche Absicht einiger Ausschußmitglieder, einen vollen Erlaß der restlichen Freiheitsstrafe, teils ab sofort, teils ab nächstes Jahr, zu beantragen, von ihnen fallengelassen wurde und der Ausschuß sich einstimmig mit der jetzigen Ziffer 9 auf die Empfehlung an die Länder beschränkte, weitgehend von dem Recht der Amnestie Gebrauch zu machen.
Ein Antrag, künftighin die Frage nach der politischen Vergangenheit zu verbieten, verfiel mit 11 gegen 2 Stimmen der Ablehnung. Die Mehrheit war der Auffassung, daß nach unserer Verfassung jeder Staatsbürger das Recht zu einer solchen Frage hat und dieses Recht ihm nicht durch ein Gesetz genommen werden kann.
Die Mehrheit des Ausschusses war außerdem der Auffassung, daß auch bei der Begründung eines auf besonderer Treuepflicht beruhenden Beamtenverhältnisses der Bund, die Länder und die Gemeinden als Dienstherren das Recht behalten müssen, zu erfahren, wo derjenige in der Zeit nach 1933 gestanden hat, dem jetzt wieder besondere Rechte eingeräumt werden sollen.
Meine Damen und Herren! Diese Richtlinien sind dann mit 11 Ja- gegen 3 Nein-Stimmen angenommen worden. In den dem Hohen Hause vorgeschlagenen Richtlinien glaubte der Ausschuß trotz der verschiedenen Situationen in den Ländern materiell eine größtmögliche Angleichung geschaffen zu haben.
Darüber hinaus aber sah er sich veranlaßt, aus innen- wie auch aus außenpolitischen Gründen nochmals mit Nachdruck die Forderung zu erheben, daß die Staatsanwaltschaften mehr als bisher bei dem Verdacht von Verbrechen gegen die Menschlichkeit um die Beschaffung des notwendigen Beweismaterials bemüht bleiben müssen. Wir halten es für erforderlich, der Justiz in aller Öffentlichkeit klarzumachen, daß sie die Verpflichtung hat, sich ernsthaft um derartige Vorgänge zu kümmern. Daher schlagen wir Ihnen in II des Antrages vor, daß die Bundesregierung ersucht werde, auf die Landesregierungen einzuwirken, die Staatsanwaltschaften mögen bei den Verfahren der vorbezeich-
neten Art unter Einsatz aller ihnen zur Verfügung stehenden Fahndungs- und Ermittlungsmöglichkeiten mit Entschlossenheit vorgehen, damit endlich alle strafrechtlich schuldig gewordenen nationalsozialistischen Aktivisten wirksam zur Rechenschaft gezogen werden.