Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe auf den Punkt 3 der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Zuckerversorgung im Bundesgebiet .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen 10 Minuten für die Einbringung und 40 Minuten für die Aussprache vor. — Kein Widerspruch.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Kriedemann , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als meine Fraktion diese Interpellation einbrachte, befand sich die Krise in der Zuckerversorgung auf dem Höhepunkt. Trotz der Ankündigung der zuständigen Stellen, daß die Zuckerversorgung in vollem Umfange gewährleistet sei, und obgleich mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholte Versicherungen abgegeben wurden, daß es nun aber besser werden und jetzt wieder in Ordnung kommen würde, konnten Hunderttausende von Familien mehr als zwei Monate lang entweder überhaupt keinen Zucker oder nur außerordentlich geringe Zuckermengen bekommen. Das hat sich insbesondere auf die Kinder ausgewirkt.
— Natürlich, meine Herren! Ich finde es außerordentlich merkwürdig, wenn Sie jetzt so tun, als sei das alles nicht gewesen, was ich Ihnen hier eben vortrage.
— Natürlich hat es sich auf die Kinder am nachteiligsten ausgewirkt, die am meisten auf Zucker angewiesen sind, und zwar besonders auf die Kinder der armen Leute, die nicht in der Lage sind, Zucker zu Schwarzmarktpreisen zu kaufen, und die auch damals nicht in der Lage dazu waren, sich Zucker hinzulegen. Bei ihnen ist die Auswirkung selbstverständlich am schlimmsten gewesen.
Bekannt sind auch die Folgen des Zusammenbruchs der Zuckerversorgung — denn so muß man diesen Zustand nennen — auf die Verwertung der Obsternte. Das habe ich besonders tragisch empfunden, als ich selber gesehen habe, wie alte Leute, die in jedem Jahr ein bißchen durch Beerensammeln zuverdienen wollten, das auch in diesem Jahr versucht haben, die von ihnen mühsam gesammelten Beeren aber nicht verkaufen konnten, weil die Verbraucher mangels Zucker kein Interesse daran hatten. Zuckerverarbeitende Fabriken, vor allen Dingen wenn es sich um kleine Unternehmungen handelt, die nicht so kapitalkräftig und nicht in der Lage sind, sich größere Vorräte anzulegen, hab en kurzarbeiten müssen oder mußten sogar ihre Arbeiter zeitweise entlassen, und in der selben Zeit hat es Zucker zu außerordentlich überhöhten Preisen gegeben, wie das auch in der Presse mitgeteilt worden ist. Ich empfinde es nicht als einen guten Stil, wenn die Bundesregierung die Beantwortung einer solchen Interpellation bis auf den allerletzten möglichen Termin zurückstellt und sich dabei doch offenbar darauf verlassen möchte, daß die Menschen ein sehr schlechtes Gedächtnis haben. Im Augenblick der Einbringung der Interpellation waren nicht nur die Fragesteller, sondern weite Kreise der Wirtschaft und darüber hinaus praktisch die ganze Verbraucherschaft außerordentlich daran interessiert zu erfahren, welche Gründe denn nun eigentlich für eine Situation vorlagen, die uns in eine Versorgungslage gebracht hat, die für einen überaus großen Teil der Bevölkerung wesentlich schlechter als während der letzten Monate der Rationierung war. Wenn man jetzt durch eine außerordentlich große Freigabe, eine Freigabe in einem Umfang von mehr als zwei Monatsmengen, den Eindruck erwecken möchte, daß die Angelegenheit in vollem Umfang in Ordnung sei, so scheint mir das keine Verbesserung dieses Stils zu sein, den ich vorhin kritisiert habe.
Im übrigen sind in den beteiligten Kreisen die Ursachen und Zusammenhänge sehr eingehend besprochen worden, und auch in der Öffentlichkeit dieser Wirtschaftszweige hat man sich sehr eingehend darüber unterhalten.
Wenn wir auch heute noch Wert darauf legen, daß die Interpellation in allen Punkten beantwortet wird, dann deshalb, weil wir gern vor der Öffentlichkeit die Verantwortung dafür festgestellt wissen wollen, was hier geschehen ist. Die Eingeweihten wissen es schon und kennen auch die Kosten, die dieses Gegeneinander in unserer Wirtschaftspolitik und dieses Hin und Her zwi-
schen den Auffassungen des Bundesfinanzministers in den Fragen der Subventionen und in den tatsächlichen Notwendigkeiten verursacht haben. Uns liegt ebenso daran, von der Bundesregierung heute schon zu hören, welche Konsequenzen sie aus den Erfahrungen für die Zuckerversorgung in dem Zuckerwirtschaftsjahr, das jetzt gerade begonnen hat, ziehen möchte, von dem man sich aber klar sein sollte, daß es eben erst begonnen hat und also noch elf Monate dauert. Wir würden es außerordentlich dankbar begrüßen, wenn die Regierung die Dinge, die, wie gesagt, in Sachverständigenkreisen absolut bekannt sind, auch hier mit allem Freimut aussprechen würde. Das würde möglicherweise dazu beitragen, ein Stück des Vertrauens zurückzugewinnen, das nach meinem Gefühl sehr erheblich darunter gelitten hat, daß von der Regierung erstens versichert wurde, die Zuckerversorgung sei absolut in Ordnung, wir hätten sogar eine Reserve, und das zweitens durch die wiederholten Mitteilungen gelitten hat, die alle vierzehn Tage wiederkehrten: jetzt wird es besser, jetzt wird es besser, jetzt wird es besser! In Wirklichkeit ist aber nichts geschehen, und nichts ist bis zu dem Augenblick geändert worden, in dem die neue Ernte zur Verfügung stand oder aus dem Ausland Mengen hereingekommen waren, die zu außerordentlich teuren Preisen eingekauft werden mußten, was nicht nur eine Dollar-, sondern auch eine D-Mark-Seite in bezug auf den Subventionsbetrag hat.