Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat schwerwiegende Bedenken gegen die Fassung des § 1 sowohl in der Ausschußvorlage wie auch in dem Umdruck Nr. 7 der SPD. Es ist gleichgültig, ob man in den § 1 den Begriff „Dunkelheit" hineinnimmt oder nicht. In beiden Fassungen ist jedenfalls gesagt, daß die Jugendlichen „unter dem besonderen Schutz der Behörden stehen". Damit wurde also festgestellt, daß nicht nur die Polizeibehörden, die ja ohnehin Schutzbehörden sind und hinsichtlich derer diese gesetzliche Vorschrift einfach überflüssig wäre, sondern alle Behörden, also insbesondere wohl die Jugendämter, diesen Schutz zu übernehmen haben. In beiden Vorschlägen heißt es des weiteren, daß die Behörden — also beliebige Behörden — die „notwendigen Maßnahmen zu treffen haben, um Jugendliche vor Gefahren zu bewahren". Auch das ist nichts Neues. Soweit Behörden Schutzbehörden sind, haben sie schon immer die notwendigen Maßnahmen zu treffen gehabt. Wenn hiermit etwas besonders Neues angeordnet sein soll, dann bitte ich, sich als Gesetzgeber eine klare Vorstellung davon zu machen, wie denn in der Dunkelheit oder bei hellem Tage — das ist mir gleichgültig — dieser Schutz aussehen soll.
Meine Fraktion und ich sind der Auffassung, daß die einzig praktisch denkbare, jedenfalls die nächstliegende Schutzmaßnahme die ist, daß — jedenfalls in der Dunkelheit — der Herr Polizist den Jugendlichen zunächst einmal in Arrest abführt. So ist er nämlich restlos vor allen Gefahren geschützt.
Wie er ihn sonst, sagen wir mal, vor unsittlichen
Zumutungen auf der Straße oder vor nicht abgeblendeten Scheinwerfern im Autoverkehr oder vor
einer sonstigen Gefahr schützen kann, wenn er ihn
nicht mit ins Kittchen nimmt, weiß ich nicht. Wenn
etwas ganz anderes als die Inhaftnahme gemeint
sein sollte, dann bitte ich, das ausdrücklich in das
Gesetz hineinzuschreiben; etwa, was jedenfalls
gemeint sein könnte, daß er den Herumtreiber in
der Dunkelheit den Eltern zuzuführen hat oder
dergleichen. Wir jedenfalls wollen nach den Erfahrungen, die wir im Dritten Reich gemacht haben,
keiner Behörde eine Legitimation geben, irgendeinen Menschen in Schutzhaft abzuführen. Ich erinnere daran, daß die KZs anfänglich mit der
Harmlosigkeit einer Schutzhaft begründet wurden,
indem man den Betreffenden vor angeblichen Gewalttätigkeiten, die ihm in der Öffentlichkeit drohten, in „Schutz" nahm. Wir haben seitdem gegen jede Schutzinhaftierung die allergrößten Bedenken.
Wenn ich das hier ausspreche, so betone ich ausdrücklich, daß die Abgeordneten aus denjenigen Ländern, die mit Flüchtlingen gesegnet sind, sehr wohl wissen, daß dort die Jugendlichen leider Gottes in größeren Kreisen zum Teil ohne jede Aufsicht aufwachsen. Daher ist es notwendig, daß man sich ihrer, wenn Eltern und Erziehungsberechtigte fehlen, irgendwie annimmt. Eine glatte Verhaftung darf aber unter keinen Umständen erfolgen, wenn der Gesetzgeber nicht gleichzeitig sagt, wohin die Jugendlichen zu verbringen und an welche Stellen Nachrichten zu geben sind. Das alles vermissen wir in dieser Vorlage, die nichts anderes als eine vollständig unausgefüllte Generalermächtigung an unbekannte Behörden erteilt.
Deswegen können wir diesem Gesetzentwurf und auch der SPD-Vorlage unter keinen Umständen zustimmen. Ich beantrage — ein entsprechender Antrag ist ja wohl schon gestellt —, diese Vorlage nunmehr auch dem Rechtsausschuß nochmals zurückzuüberweisen, damit im Einvernehmen mit den Jugendbehörden festgestellt wird, welche Schutzmaßnahmen bei Tage oder bei Dunkelheit ergriffen werden dürfen. Auf jeden Fall aber muß Schutzhaft ausgeschlossen sein; das wäre ohne nähere Bestimmung die Maßnahme, die sich zuerst aufdrängt. In diesem Sinne beantrage ich, den § 1 an den Ausschuß zurückzuüberweisen, um konkrete Ermächtigungen für genannt e Behörden zu erteilen.