Rede von
Werner
Jacobi
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat eingehend die Gesichtspunkte dargelegt, die den Ausschuß zum Schutze der Verfassung bewogen haben, Ihnen mit Mehrheit vorzuschlagen, in das Gesetz über die Wahl zum ersten Bundestag eine Reihe von neuen Bestimmungen aufzunehmen. Ich brauche auf die gesamte Materie nicht einzugehen; sie ist, wie ich schon sagte, vom Herrn Berichterstatter eingehend dargelegt worden. Aber ich muß doch einige Bedenken gegenüber der Regelung anmelden, wie sie Ihnen mit der Drucksache, die wir heute beraten, vorgeschlagen wird.
Wir haben uns im Ausschuß mit überwiegender Mehrheit auf den Standpunkt gestellt, daß es keine Veranlassung gibt — weder eine politische noch eine rechtliche —, die Unzulässigkeit von doppelten Parlamentsmandaten hier festzulegen. Wir sind in der Tat der Meinung: die vernünftige Haltung der Parteien, die Rücksichtnahme auf den Wählerwillen werden hier ein Regulator sein. Denn es ist ganz offensichtlich, daß sich im Einzelfalle eine Partei und ein Politiker sehr überlegen werden, ob sie es ihren Wählern zumuten können, damit einverstanden zu sein, eine Fülle von Funktionen in ihrer Hand zu haben und damit in Gefahr zu geraten, nicht mehr als voll aktive Politiker ernst genommen zu werden. Das reguliert vieles. So war die Mehrheit der Auffassung: Es ist hinsichtlich der Unvereinbarkeit in bezug auf die Länderparlamente und den Bundestag nicht notwendig, eine besondere Bestimmung aufzunehmen. Der Ausschuß hat sich also darauf beschränkt, die Unvereinbarkeit lediglich bezüglich der Mitgliedschaft zu einer Landesregierung und der Mitgliedschaft zum Bundestag zu erklären.
Ich bin beauftragt, namens meiner Fraktion die Erklärung abzugeben, daß wir durchaus bereit sind, über eine solche Regelung mit uns sprechen zu lassen. Ich bin aber gleichzeitig beauftragt, Ihnen darzutun, daß uns die Ergänzung des Gesetzes, um das es heute geht, nämlich des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung, außerordentlich fragwürdig erscheint. Wir sind der Meinung, daß die angestrebte Regelung in einem neuen Wahlgesetz niedergelegt werden sollte und nicht in Gefahr geraten dürfte, angesichts der eingeschränkten Geltung des ersten Wahlgesetzes vom 15. Juni 1949, das nur für das bereits gewählte Parlament gilt, unter Umständen mit Erfolg angefochten zu werden.
Nun sind heute noch eine Reihe von Abänderungsanträgen eingegangen, die es dem Hohen Hause fraglos unmöglich machen werden, hier und am heutigen Tage eine Entscheidung zu treffen. Sie sind zum Teil völlig neu, und die größte Überraschung, meine Damen und Herren, bietet der Ergänzungsantrag der Bayernpartei,
der Partei, die uns in den letzten Wochen sowieso manche Überraschung beschert hat.
— Ich weiß nicht, wer hier „Gott sei Dank" rief, ein Nutznießer oder ein Beteiligter.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was die Herren Kollegen der Bayernpartei anstreben, ist mir und meinen Freunden geradezu unfaßlich.
Es scheint, wir haben noch nicht genug damit, daß sich heute schon wieder aus dem Halbdunkel der Vergangenheit gewisse und ungewisse Herren hervorwagen und sich zu neuem Tun rüsten. Wir sollten aus der Vergangenheit, meine Herren Antragsteller, davor gewarnt sein, dem Fachbeamtentum, dem Fachministerium irgendwelche Vorschußlorbeeren zu erteilen. Die Regelung, die Sie anstreben, ist doch mit dürren Worten die, daß in Zukunft weder in einer Landesregierung noch in einer Bundesregierung ein Parlamentarier sitzen darf. Wohin würden wir da kommen, wie soll sich die Kontrolle des Parlaments vollziehen? Ich bedaure, in diesem Zusammenhang diese Bemerkung machen zu müssen: Vielleicht wäre manches an Unstimmigkeiten, vielleicht wäre manches an Mißstimmung und Verdacht in der Öffentlichkeit nicht laut geworden, wenn der Herr Bundesinnenminister Heinemann die Gelegenheit gehabt hätte, vor diesem Hause seinen Standpunkt darzulegen.
Das konnte er nicht tun, weil er nicht Abgeordneter war.
Wir sind, ohne daß wir im Augenblick auf weitere Einzelheiten eingehen wollen, der Auffassung, daß es besonders mit Rücksicht auf die gestellten Abänderungsanträge unerläßlich erscheint, den Antrag des Ausschusses und die heute gestellten Abänderungsanträge zu einer nochmaligen gründlichen Behandlung an den Ausschuß zurückzuverweisen. Ich stelle namens meiner Fraktion einen entsprechenden Antrag.