Rede von
Dr.
Otto Heinrich
Greve
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nun haben nach dem Erlaß des Amnestiegesetzes vom 31. Dezember 1949 sowohl die Bundesfinanzverwaltung als auch die Finanzverwaltungen der Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Bleichlautenden Erlassen die Auffassung vertreten, daß Steuervergehen ohne Ausnahme nicht unter die Amnestie fallen. Entgegen dieser von der Bundesfinanzverwaltung und den Länderfinanzverwaltungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen vertretenen Auffassung hat der Herr Justizminister von Nordrhein-Westfalen einen Erlaß am 12. Januar 1950 herausgebracht, nach dem Straffreiheit auch für Steuervergehen nur insoweit ausgeschlossen sein soll, als sie auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften erlangt werden konnte. Aber nicht allein diese Ministerialerlasse sind es gewesen, die zu dem Antrag auf Ergänzung des Amnestiegesetzes geführt haben, sondern auch die verschiedenartige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte. So haben sich z. B. das Oberlandesgericht Bremen und das Oberlandesgericht Hamm auf den Standpunkt gestellt, daß Zollvergehen und Steuervergehen auch dann nicht unter die Amnestie fallen, wenn nach anderen gesetzlichen Bestimmungen, z. B. durch tätige Reue, Straffreiheit erlangt werden kann. Demgegenüber haben das Oberlandesgericht Koblenz und das Oberlandesgericht Düsseldorf den Standpunkt vertreten, daß Straffreiheit nach § 12 des Straffreiheitsgesetzes nur bei solchen Vergehen ausgeschlossen sei, bei denen wenigstens theoretisch tätige Reue möglich sei. Demnach soll Steuerhehlerei nach § 403 der Reichsabgabenordnung unter die Amnestie fallen.
Zu der Frage, ob Steuerfreiheit auch für diejenigen Fälle zugebilligt werden kann, in denen der Pflichtige aus tatsächlichen Gründen von den Möglichkeiten der Steuergesetze, Straffreiheit zu beantragen, keinen Gebrauch macht, haben die Gerichte in den von mir angezogenen Entscheidungen nicht Stellung genommen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sich weiter auf den Standpunkt gestellt, daß es unerheblich sei, ob zur Zeit des Erlasses des Straffreiheitsgesetzes die vorhanden gewesenen Voraussetzungen einer tätigen Reue gegeben waren oder nicht. Auch anhängige oder rechtskräftig abgeschlossene Verfahren sollten in diesem Falle nicht vom Straffreiheitsgesetz erfaßt werden. Diese Entscheidung wiederum stand im Widerspruch zu einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg, auf die ich im einzelnen nicht einzugehen brauche. Einhellige Auffassung besteht demnach nur darüber, daß grundsätzlich Vergehen von der Amnestie ausgeschlossen sind, bei denen die tatsächliche oder rechtliche Möglichkeit gegeben war, tätige Reue zu üben. Hierbei handelt es sich im wesentlichen um die Vergehen der Steuerhinterziehung, Bannbruch, um gewerbsmäßigen, bandenmäßigen und gewaltsamen Schmuggel, Steuergefährdung, Branntweinmonopolhinterziehung und einige andere.
Dieser Tatbestand lag vor, als die Fraktion der Deutschen Zentrumspartei ihren Antrag einreichte. Sie motivierte die Notwendigkeit insbesondere — wie ich bereits ausführte — damit, daß ein Zustand der Rechtsunsicherheit durch die Verschiedenartigkeit der Erlasse und die Verschiedenartigkeit der Rechtsprechung höchstrichterlicher Art eingetreten sei. Diese Begründung wurde im wesentlichen auch von dem Vertreter der Fraktion der Deutschen Zentrumspartei im Ausschuß vorgetragen.
Dem Ausschuß lag weiter eine vom Bundesminister der Finanzen beim Bundesminister der Justiz eingeholte Stellungnahme zu dem Antrag der Fraktion der Deutschen Zentrumspartei vor. In dieser Erklärung des Bundesministers der Justiz zu dem erwähnten Antrag der Deutschen Zentrumspartei heißt es, daß die Bundesregierung sich nachdrücklich gegen die Absicht wehrt, ein Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit vom 31. Dezember 1949 zu schaffen, und zwar aus folgenden Gründen.
Die Frage der Amnestierung ist nach Auffassung
der Bundesregierung gerade im Hinblick auf die
Amnestierung von Steuervergehen abschließend in
§ 12 des Gesetzes geregelt. Eine Erweiterung dieser Amnestie kommt nach Auffassung der Bundesregierung für Steuervergehen nicht in Frage und
ist nach ihrer Auffassung auch nicht vertretbar,
weil eben eine über den Rahmen der bisher gesetzlich festgelegten Amnestie hinausgehende Amnestie insbesondere in Widerspruch zu den Bemühungen der Bundesregierung stünde, die
Steuerunehrlichkeit und den Schmuggel mit allen
Mitteln zu bekämpfen. Es heißt dann wörtlich: Eine gesetzliche Neuregelung auf diesem Gebiet würde außerdem im gegenwärtigen Augenblick zu einer höchst bedenklichen Ungerechtigkeit führen, weil diejenigen, deren Verfahren vor dem Erlaß des Ergänzungsgesetzes rechtskräftig erledigt wurden, anders behandelt würden als diejenigen, deren strafbare Handlungen noch vom Ergänzungsgesetz erfaßt werden. Die Auslegung des § 12 des Straffreiheitsgesetzes muß der Rechtsprechung überlassen werden. Nachdem mittlerweile zu § 12 höchstrichterliche Entscheidungen vorliegen, kann erwartet werden, daß künftig diese Vorschrift einheitlich ausgelegt werden wird.
Dieser von der Bundesregierung durch den Herrn Bundesminister der Justiz vorgelegten Auffassung hat sich die überwiegende Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht angeschlossen, und zwar auch gerade in Hinblick auf die Begründung, die die Bundesregierung gegeben hat, daß sie es ablehnt, eine Erweiterung des Amnestiegesetzes vorzunehmen. Es war die Auffassung des Ausschusses — und zwar, wie ich sagte, seiner überwiegenden Mehrheit —. daß es, insbesondere nachdem am 1. Oktober dieses Jahres der Bundesgerichtshof in Karlsruhe eröffnet und damit eine höchstrichterliche Rechtsprechung, wie wir sie in Deutschland früher gehabt haben, wieder ermöglicht wurde, ausschließlich Angelegenheit der Gerichte, möglicherweise des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe, sei, den § 12 auszulegen, und zwar dann verbindlich für die Rechtsprechung aller nachgeordneten Gerichte.
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht empfiehlt aus diesem Grunde dem Bundestag, den Antrag des Zentrums abzulehnen.