Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf vielleicht wegen des symptomatischen Interesses, das diese Angelegenheit hat, einige allgemeine Ausführungen zu dieser Interpellation machen. Es ist tatsächlich so, daß es äußerst unbefriedigend ist, daß hier im Falle der Autobahnen wie noch in einer großen Zahl anderer Fälle Rechtsvorgänge aus der nationalsozialistischen Zeit immer noch nicht zu einer befriedigenden Erledigung kommen konnten. Ich möchte daher nur ganz kurz aufzeigen, woran das liegt. Es handelt sich hier um einen ausgesprochen schwierigen Gesamtkomplex, der von uns nur nach und nach der Lösung zugeführt werden kann. Die Rechtsunsicherheit und die schwierige Lage der Grundstückseigentümer beruht darauf, daß viele Fälle, in denen die nationalsozialistische Regierung Grundstücke in Anspruch genommen hatte, infolge des Kriegsverlaufs, der Kapitulation und der seitdem noch nicht wieder eingetretenen Klarheit der Rechtslage noch nicht abgeschlossen werden konnten.
Die Interpellation geht davon aus, daß die Bundesrepublik für die Verbindlichkeiten der Reichsautobahnen und die Verbindlichkeiten des Reiches, die sich aus der Inanspruchnahme von Grundstücken für die Reichsstraßen ergeben, zu haften hat. Auch wir sind der Ansicht, daß das Eigentum an den bisherigen Reichsautobahnen und Reichsstraßen nach Art. 90 des Grundgesetzes auf den Bund übergegangen ist. Die Regierungen der Länder der amerikanischen und der französischen Zone stehen jedoch auf dem Standpunkt, daß ihnen die Reichsautobahnen und Reichsstraßen auf Grund des Gesetzes Nr. 19 der amerikanischen Militärregierung und der Verordnung 217 der französischen Militärregierung treuhänderisch zustehen und daß zu einer Übertragung des Eigentums daran ein besonderes Bundesgesetz erforderlich sei, wie es nun von uns dem Bundestag vorgelegt worden ist. Die Voraussetzung, von der die Interpellation ausgeht, ist also zum mindesten hinsichtlich der amerikanischen und der französischen Zone bestritten. Aber auch soweit das Eigentum als übergegangen angesehen werden kann, haftet damit die Bundesrepublik noch nicht ohne weiteres für die Verbindlichkeiten, die sich daraus ergeben. Das hat auch der Oberste Gerichtshof für die britische
Zone in einem Urteil vom November 1949 anerkannt. Eine Haftung des Bundes für Verbindlichkeiten des früheren Reiches kann nur durch besonderes Bundesgesetz begründet werden.
Nach diesen einleitenden Worten darf ich zu den einzelnen Ziffern der Interpellation folgendes sagen. Ein Entwurf zur Klärung dieser Spezialfrage bezüglich der Reichsautobahn ist bei uns in Angriff genommen. Wir können sie aber nicht isoliert lösen. Wir müssen die Gesamtfrage der Inanspruchnahme von Grundstücken in der nationalsozialistischen Zeit für die ehemalige Wehrmacht, für den Luftschutz, für die Industrialisierung und die Umsiedlung zusammenhängend lösen.
Ich kann daher auch leider im Augenblick noch keinen präzisen Termin dafür in Aussicht stellen. Ich bin aber in der Lage, zu versprechen, daß wir die Angelegenheit mit derselben Sorge und mit derselben Aufmerksamkeit verfolgen wie die Herren Interpellanten und daß wir die Dinge mit der größten Beschleunigung vorwärtstreiben werden.
Da also eine Rechtsgrundlage für den Bund bisher nicht besteht, konnte auch eine Ermächtigung im Sinne der Ziffer 3 der Interpellation zur Vorschußzahlung an die Länder von uns noch nicht gegeben werden.
Was die ehemaligen Angestellten des Unternehmens „Reichsautobahn" betrifft, so fallen diese Verbindlichkeiten unter den Gesetzentwurf zur Regelung der Verhältnisse nach Art. 131, der dem Hohen Hause bereits vorliegt.