Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 70. Sitzung des Deutschen Bundestages und erteile dem Schriftführer Herrn Abgeordneten Dr. Zawadil das Wort zur Bekanntgabe der nicht anwesenden Mitglieder des Hauses.
Wegen Erkrankung fehlen die Abgeordneten Frau Dr. Gröwel, Bettgenhäuser, Dr. Gülich, Frau Albrecht, Mißmahl, Meitmann, Dirscherl, Weickert, Wittmann, Loritz und Dr. Richter . Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Kopf, Hagge, Glüsing, Dr. Serres, Eckstein, Schröter, Dr. Henle, Mühlenberg, Herrmann, Seuffert, Freitag, Böhm, Dr. Suhr, Neumann, Mayer (Stuttgart), Dr. Middelhauve, Dr. Hammer, Dr. Baumgartner, Dr. Etzel (Bamberg), Freiherr von Aretin, Dr. Falkner, Dr. Besold, Harig, Kohl (Stuttgart) und Niebergall. Außerdem fehlen die Abgeordneten Reimann, Rische, Renner, Vesper und Müller (Offenbach).
Ich habe weiter folgende Mitteilungen zu machen.
Herr Abgeordneter Dr. Kopf hat von mir vorbehaltlich der Zustimmung des Plenums gemäß § 2 der Geschäftsordnung zur Durchführung einer Studien- und Informationsreise nach Südamerika einen längeren Urlaub bis zum 1. Oktober bekommen. Darf ich das Einverständnis des Hauses feststellen, daß dieser Urlaub bis zum 1. Oktober erteilt ist? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
Ferner habe ich folgendes mitzuteilen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 16. Juni 1950 den folgenden Gesetzen zugestimmt:
Gesetz über die Senkung der Tabaksteuer für Zigarren;
Gesetz über die Gewerbesteuer für die Zeit vom 21. Juni bis 31. Dezember 1948 und für das Kalenderjahr 1949;
Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer des Preisgesetzes;
Gesetz über den Ausschluß des Umtausches und der Bareinlösung außer Umlauf gesetzter Postwertzeichen;
Gesetz zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des GüterfernverkehrsÄnderungsgesetzes.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 14. Juni die Anfrage Nr. 78 der Fraktion der SPD betreffend Teilnahme Deutschlands an internationalen nichtpolitischen Organisationen, Drucksache Nr. 949, beantwortet. Die Antwort trägt die Drucksachennummer 1065.
Ich bitte das Haus, sich damit einverstanden zu erklären, daß die heutige Tagesordnung ergänzt wird durch die unter Punkt 5 der Tagesordnung für Donnerstag vorgesehene erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn, Drucksache Nr. 1023, und zwar mit Rücksicht darauf, daß der Herr Bundesverkehrsminister heute und morgen nicht anwesend sein wird. Er wird vertreten durch den Staatssekretär Herrn Professor Frohne. Ich darf das Einverständnis des Hauses feststellen.
Ferner wird die heutige Tagesordnung ergänzt durch die Behandlung des Einspruches der Abgeordneten Renner, Müller , Vesper, Rische gegen den Ausschluß auf 20 Sitzungstage. Der Einspruch wird, wie es üblich ist, vor Punkt 1 der Tagesordnung behandelt werden.
Weiter darf ich darauf hinweisen, daß gemäß einer interfraktionellen Vereinbarung in der gestrigen Besprechung des Ältestenrats die Sitzung am Donnerstag, dem 22. Juni, nicht über 15 Uhr 30 hinaus dauern soll.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den
Einspruch der Abgeordneten Müller , Rische, Vesper, Renner gegen ihren Ausschluß auf 20 Sitzungstage (Drucksache Nr. 1067).
Bekanntlich erfolgt gemäß § 92 der Geschäftsordnung die Entscheidung über den Einspruch ohne Aussprache. Wer für Drucksache Nr. 1067 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, der Einspruch ist mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 1 der Tagesordnung, und zwar zunächst zu 1 a:
Beratung der Interpellation der Fraktionen der Deutschen Partei und der Bayernpartei betreffend Watenstedt-Salzgitter .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen folgende Einteilung der Redezeit vor: für 1 a 10 Minuten zur Einbringung, für 1 b 15 Minuten und dann eine Redezeit von 90 Minuten.
Ich bitte Herrn Abgeordneten Mühlenfeld, für die Interpellanten das Wort zur Einbringung der Interpellation zu ergreifen.
Dr. Mühlenfeld , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hohen Hause liegt eine Interpellation vor, die vorn 2. März 1950 datiert ist. Heute schreiben wir den 21 Juni. Ich glaube mich wohl mit meiner Fraktion und der Mehrheit des Hauses in Übereinstimmung zu befinden, wenn ich feststelle,
daß in einer derart wichtigen Angelegenheit eine Interpellation früher erledigt werden mußte und konnte. Sie wissen auch, meine Damen und Herren, daß dieser Punkt schon wiederholt auf der Tagesordnung gestanden hat und aus diesen oder jenen Gründen abgesetzt wurde, sei es auch nur, daß die beiden zuständigen Herren Minister erst noch in das Gebiet Watenstedt-Salzgitter reisen mußten, um sich dort an Ort und Stelle von dem Stand der Dinge zu überzeugen; unserer Auffassung nach kein Grund, eine derart wichtige Angelegenheit so lange zu verschieben, kein Grund vor allen Dingen auch deswegen, weil sich in Watenstedt-Salzgitter Tausende von Menschen dadurch in schwerer Not und Verzweiflung befinden, daß man dort an einer der modernsten Industrieanlagen, die überhaupt auf dem Kontinent zu finden ist, eine sinnlose Zerstörung vorgenommen hat. Im Zeitalter des Marshallplans und des Schumanplans, in dem wir von einer europäischen Gemeinschaft, im Spezialfalle von einer europäischen Eisenwirtschaft sprechen, demontiert man ein Werk, das angeblich Kriegspotential höchsten Maßes darstellt. Ich habe die Pflicht, für das deutsche Volk und für dieses Hohe Haus festzustellen, daß es sich damals nicht um die Errichtung von Kriegspotential gehandelt hat, sondern daß zufällig in den Aufrüstungsjahren der nationalsozialistischen Herrschaft dieses Werk gebaut wurde, weil ohnehin, nachdem die Versuchsverfahren erfolgreich beendet waren und die Verarbeitung von eisenarmen und sauren Erzen möglich war, nun diese Verarbeitung in die Praxis umgesetzt
worden wäre. Ein Werk dieses Ausmaßes und auf der gleichen Rohstoffbasis stehend hat man ja auch in England in Corby und in Linz an der Donau gegründet. Hier spricht kein Mensch von Kriegspotential, und ich stelle ausdrücklich fest, daß das Hüttenwerk in Linz heute von den Alliierten anerkannt ist und daß es im Rahmen seiner natürlichen Kapazität ausgebaut wird. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß der Konstrukteur dieses Werkes, Herr Brassert, seinerzeit im Einvernehmen mit der britischen Regierung den Auftrag der deutschen Regierung, dort ein Hüttenwerk zu bauen, ausgeführt hat.
Meine Damen und Herren, wie sehr sich die Demontage dieses größten und modernsten Werkes ausgewirkt hat, mögen Sie daran erkennen, daß die Zahl der Arbeitslosen in Salzgitter gegenüber dem Bundesdurchschnitt eine erschreckende Höhe erreicht hat. In Nordrhein-Westfalen ist nach mir vorliegenden Informationen die Arbeitslosigkeit mit 5 % zu beziffern, in Niedersachsen mit 21 %; jedoch in Salzgitter beträgt diese Zahl 35 %, in Salzgitter, in dem das Hüttenwerk ausschließlich und allein für alle, die dort wohnen, die Existenzgrundlage bietet. Und wenn wir gestern noch in der Zeitung gelesen haben, daß die Krupp-Renn-Anlage nun endgültig demontiert werden soll, so fehlt uns vor allen Dingen auch deshalb dafür jegliches Verständnis, weil wir uns jetzt in Paris im Rahmen des Schumanplans darüber unterhalten wollen, wie wir eine schlagkäftige und leistungsfähige europäische Eisenwirtschaft erstellen können. Die Krupp-Renn-Anlage steht auf keiner der Demontagelisten, und trotzdem wird sie demontiert! Ich darf mir wohl hierzu die Bezeichnung erlauben, daß eine derartige Demontage einen Willkürakt sondergleichen darstellt.
Mit der Renn-Anlage und ihrem Funktionieren steht und fällt die Wirtschaftlichkeit des Restbestandes der Erzaufbereitung und Erzbearbeitung in Watenstedt-Salzgitter. Ist doch diese Anlage als einzige mit ihrem Verfahren in der Lage, ein Konzentrat von 95 % Fe herzustellen, d. h. also ein nahezu hundertprozentiges Eisen. Und jetzt will man aus dieser Renn-Anlage nun auch noch den letzten Rest demontieren. Das heißt, daß wir dieses unaufbereitete oder halbaufbereitete Erz nunmehr in das Ruhrgebiet schicken müssen — mit Förderabfällen und nicht verwertbarem Ballast —, und wir erhöhen damit die Frachtkosten erheblich und beeinträchtigen die Wirtschaftlichkeit. 70 % des Erzes, das in Salzgitter gewonnen wird, geht an die Ruhr, und nur 30 % sollen in Salzgitter verarbeitet werden. Das mag Ihnen in kurzen Worten die Bedeutung dieser Renn-Anlage schildern.
Ich glaube, daß Sie nach allen Pressenotizen, die wir in den letzten Wochen und Monaten gehört haben, ausreichend informiert sind, so daß ich mir hier nähere Begründungen zu unserer Interpellation ersparen kann. Ich erwarte, daß die Bundesregierung in dieser Frage eindeutig Stellung nimmt und dem Hause zeigt, was getan worden ist, was hätte geschehen können und was nicht getan worden ist. Auch das wollen wir wissen. Vor allen Dingen wollen wir wissen — die Zeit wird in allerkürzester Frist kommen —, wem hier das größte Maß einer historischen Schuld zuzumessen ist.
Wer von den Interpellanten der Bayernpartei wünscht das Wort? — Herr Abgeordneter Mayerhofer, bitte. Ich darf annehmen, daß Sie sich auch so kurz fassen wie der Herr Vorredner, damit wir mit der Redezeit auskommen.
Mayerhofer , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben die Interpellation der Deutschen Partei aus zwei Gründen mit unterschrieben und gutgeheißen, erstens aus gesamtdeutschem Gemeinschaftsgeist heraus
und zweitens, weil in unserer Heimat ein ähnlicher Fall gegeben ist. Es berührt uns eigenartig, daß schon eine Woche nach der zustimmenden Entscheidung dieses Hauses zum Europarat der Hilferuf Tausender braver Familien im gleichen Hause erschallt, weil im Gebiete Watenstedt-Salzgitter ein neuer Demontagebefehl ergangen ist, der einer fast völligen Vernichtung der Werke gleichkommt.
Wenige Tage nach der Unterzeichnung des Petersberger Abkommens, in dessen Präambel von edlem Geist und gegenseitigem Vertrauen die Rede ist, wurde am 15. Dezember der Befehl zur Demontage des Ofenhauses III des Werkes Töging am Inn erteilt, der am 1. Juni 1950 ausgeführt sein sollte. Das Washingtoner Abkommen hat die Produktionsgrenze pro Jahr auf 85 000 t festgesetzt mit der im voraus niedergelegten Absicht, im Jahre 1951 erneut darüber zu verhandeln. Obwohl bekannt war, daß das Aluminiumwerk in Töging nicht auf der Demontageliste stand und als die modernste und preisgünstigste Anlage gerüstet gewesen wäre, den Wasserstrom der nächsten Jahre umzuwerten, und obwohl weiterhin bekannt war, daß bei der gegebenen Begrenzung durch das Energienotgesetz nur 53 000 t bis 79 000 t im Jahr erzeugt werden können, hat man auf der Durchführung der Demontage bestanden. Ich ging damals zum Bundeskanzler und bat ihn im Namen der 5000 bis 6000 Arbeitslosen im Bezirk Mühldorf und im Namen der 500 Männer und der 500 Familien, die im Werk Töging ihre Arbeit und ihr Fortkommen finden, bei den Hohen Kommissaren die Bitte auszusprechen, von der Demontageanordnung Abstand zu nehmen, weil die Beseitigung der Produktionskraft des Werkes Töging unser industriearmes Land besonders hart trifft und die angesiedelten 500 Arbeiterfamilien keine neuen Verdienstmöglichkeiten erhalten können.
Die Bayernpartei fordert daher, daß die noch bestehenden Betriebsanlagen und Einrichtungen zu einer Friedensfertigung verwendet werden, die der dort ansässigen Bevölkerung Arbeit und Brot sichern.
Wir erwarten, daß das Haus heute dem Antrag
der Deutschen Partei möglichst einhellig zustimmt.
Ich darf das Einverständnis des Hauses damit annehmen, daß wir zwecks Vereinfachung der Geschäftsführung und wegen der thematischen Verwandtheit mit dem Tagesordnungspunkt 1 a jetzt gleich auch die Begründung der Antragsteller der KPD zum Punkt 1 b entgegennehmen:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Watenstedt-Salzgitter .
Wer von den Herren Antragstellern wünscht das Wort? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Nuding. Nach Möglichkeit 10 Minuten bitte!
Meine Damen und Herren! Über fünf Jahre nach dem Abschluß des Potsdamer Abkommens sehen wir, daß die Demontage immer noch ihren Fortgang nimmt und sich dabei nicht nur auf die damals benannten Objekte beschränkt, sondern inzwischen auch noch auf neue ausgedehnt worden ist. Die Auswirkungen dieser Demontage bedeuten für den Westen Deutschlands, daß die Zahl der Arbeitslosen dadurch über 400 000 beträgt; das sind in Notstandsgebieten — ich will dabei nur auf das verweisen, was der Herr Vorredner erwähnt hat —, z. B. in Watenstedt-Salzgitter allein 35 % der arbeitenden Bevölkerung, die erwerbslos sind, das bedeutet 100 000 Menschen. Wenn man eine solche Situation sieht und wenn man bedenkt, daß — obwohl in diesem Hohen Hause gerade von diesem Gebiet schon sehr viel gesprochen worden ist und obwohl drei Parteien zu Beginn des Monats März bereits in Anträgen zu dieser Frage Stellung zu nehmen versuchten, um den Bundestag zur Lösung dieser Fragen zu veranlassen, die das Lebensproblem dieser Menschen behandeln — bis zum heutigen Tage damit gewartet worden ist, um zu dieser Interpellation und zu diesen Anträgen auch nur Stellung zu nehmen, so muß das eine Ursache haben, die nicht im Geschäftsordnungsgebaren oder in der Überhäufung der Geschäfte zu suchen ist, sondern tiefer liegt. Diese tiefere Ursache liegt einfach darin, daß mit dem Petersberger Abkommen vom 21. November 1949 die Adenauer-Regierung praktisch ihre Zustimmung zu den von den Alliierten und in diesem Falle speziell von Robertson geforderten Maßnahmen gegeben hat. In dem Brief, den damals der Hohe Kommissar an den Herrn Bundeskanzler schrieb, heißt es:
Ich darf betonen, daß diese Zugeständnisse nur dann gemacht werden können, wenn Einverständnis darüber herrscht, daß sie als endgültige Regelung angenommen werden und daß künftighin die deutschen Stellen bei der Durchführung noch erforderlicher Abrüstungs- und Reparationsvorhaben ihre Mitarbeit restlos zur Verfügung stellen werden.
Diesen Bedingungen wurde zugestimmt. Deswegen will man von der Regierung in Sachen der Demontage Watenstedt-Salzgitter nichts mehr unternehmen.
Damals, als wir den Antrag stellten, war die Situation in Watenstedt-Salzgitter sehr ernst. Die gesamte Bevölkerung hat gegen den Abbruch ihrer Produktionswerkstätten protestiert; nicht etwa nur irgendwie eine Partei, sondern alle Parteien, die dort in Watenstedt-Salzgitter waren, alle sozialen Schichten haben Protest eingelegt. Trotzdem haben damals der Bundestag und die Bundesregierung der Bevölkerung nicht geholfen, obwohl eindeutig feststeht, daß infolge dieser Protestmaßnahmen damals ein zeitweiliger Demontagestop erreicht worden ist und auch einige Produktionseinrichtungen erhalten geblieben sind. Weil aber die Regierung an die Abmachungen mit General Robertson gebunden war, konnte und durfte sie in diesem Moment nichts unternehmen und hat sie die Bevölkerung in Watenstedt-Salzgitter praktisch im Stich gelassen.
Jetzt dreht es sich darum, was nun noch getan werden kann. Unser Antrag verlangt ganz klar und eindeutig — und wir bitten das Hohe Haus, ihm zuzustimmen —, daß jegliche Demontagearbeit an allen Betrieben der ehemaligen Reichswerke von Watenstedt-Salzgitter eingestellt wird. Diesem Antrag muß und kann um so mehr zugestimmt werden, als Arbeit für die Reichswerke vorhanden ist und als Aufträge für sie vorliegen, nämlich Aufträge von der Deutschen Demokratischen Republik, die diesen Menschen wirklich Arbeit und Brot gibt. Von meinem Vorredner wurde schon darauf hingewiesen,
daß es ein sehr bezeichnender Zustand ist, daß in dem Moment, da man von europäischer Vereinigung und gegenseitiger Hilfe redet, sogar Anlagen demontiert werden wie die Krupp-Renn-Anlage, die nie auf einer Demontageliste gestanden hat. Wenn das der Ausdruck der Zusammenarbeit ist, dann ist das bewiesen, was wir bei der Begründung unserer Ablehnung des Beitritts zur Europa-Union gesagt haben.
Aber warum bedauert man die Protestaktionen? Warum ruft man nicht alle Kräfte, die vorhanden sind, auf und schöpft man nicht alle Möglichkeiten aus, um die weitere Demontage dort zu verhindern? Des Rätsels Lösung liegt auch hier auf einer höheren politischen Ebene, nämlich auf der, daß die Regierung und die Mehrheit dieses Hauses damit einverstanden sind, daß dort in der Nähe der Zonengrenze keine Werke mehr existieren sollen,
daß dort, wie es ein Amerikaner zum Ausdruck gebracht hat, ein Gebiet der verbrannten Erde sein soll, also ein Gebiet, das man benötigt, um im kommenden Kriege die notwendigen Operationen mitten im Herzen Deutschlands durchzuführen. Ich glaube, die Tatsache, daß die Vorarbeiten dafür schon so weit geplant sind, sollte jedem der Abgeordneten, die hier im Hause sind, zu bedenken geben, was es heißt, eine Bevölkerung dort im Stich zu lassen, was es heißt, diesen Maßnahmen seine Zustimmung zu geben und nicht alles zu tun, um das zu ändern. Von uns muß im Kampf gegen diese Demontage von Watenstedt-Salzgitter wie übrigens auch gegen die Demontage anderer Werke, die weiter fortgesetzt wird, alles getan werden. Ich erinnere nur an die August-Thyssen-Hütte, an die Anilinwerke, an Krupp in Essen und nicht zuletzt noch einmal an die Krupp-Renn-Anlage in Watenstedt-Salzgitter. Auf unserer Seite steht in diesem Kampf das Recht. Diese Demontagen zeigen, daß das Potsdamer Abkommen von den westlichen Alliierten verletzt worden ist. Das heißt: diese Demontage wird völkerrechtswidrig durchgeführt. 1m Potsdamer Abkommen heißt es klar und deutlich:
Der Umfang der als Reparation aus den westlichen Zonen zu entnehmenden Anlagen muß spätestens in sechs Monaten festgesetzt sein.
Und weiter:
Der Abtransport von Anlagen der Großindustrie soll sobald wie möglich beginnen und zwei Jahre nach dem in § 5
— dem von mir vorhin vorgelesenen Paragraphen — bezeichneten Zeitpunkt beendet sein.
Das heißt: die Demontage hätte allerspätestens im Frühjahr 1948 beendet sein müssen. Jetzt aber haben wir Mitte Sommer 1950, und wir sehen jetzt noch immer kein Ende ab. Wollen Sie also der Bevölkerung von Watenstedt-Salzgitter helfen und etwas Entscheidendes tun, um diese tote Zone dort zu beleben, dann müssen Sie unserem Antrag zustimmen, der mehr verlangt, als die Bundesregierung bis jetzt getan hat. Sie hat 10 Millionen bewilligt, um eine andere Industrie dort aufzubauen. Was bedeuten diese 10 Millionen? Damit kann man nicht einmal die Trümmer der Demontage und Zerstörung dort beseitigen, gar nicht davon zu reden, daß sich damit nichts aufbauen läßt.
Deshalb bitte ich Sie, dem Antrag der Kommunistischen Partei zuzustimmen, der in seinem letzten Teil verlangt, daß die Bundesregierung beauftragt wird, im Zusammenwirken mit der Landesregierung von Niedersachsen, den Gewerkschaften und den Betriebsvertretungen der ehemaligen
Reichswerke ein Soforthilfeprogramm auszuarbeiten und dem Bundestag vorzulegen, durch das ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, um der Bevölkerung des Gebietes von Watenstedt-Salzgitter Arbeitsmöglichkeiten und die Existenzgrundlage sicherzustellen. Ich sagte schon: die Möglichkeiten der Produktion und des Produktionsabsatzes sind gegeben durch die Entwicklung des innerdeutschen Handels. Die Bevölkerung kann Arbeit und Brot haben, wenn Sie, meine Damen und Herren, das wollen.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der ständige Stellvertreter des Herrn Bundeskanzlers, Herr Bundesminister Blücher.
Blücher, Vizekanzler: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Interpellation der Deutschen Partei und der Bayernpartei, Drucksache Nr. 653, beantworte ich in Stellvertretung des Herrn Bundeskanzlers wie folgt:
Seit der Einreichung der Interpellation hat sich die Lage in Watenstedt-Saizgitter durch die dauernden Bemühungen der Bundesregierung wesentlich geändert. Der Herr Bundeskanzler hat in einer Note vom 27. Februar 1950 an den Hohen Kommissar des Vereinigten Königreichs auf die Notlage des Gebietes von Watenstedt-Salzgitter mit aller Deutlichkeit hingewiesen und um Einstellung der eingeleiteten Entmilitarisierungsmaßnahmen gebeten. Ich werde auf dieses Wort noch einmal zurückkommen.
Es hat in der Folgezeit in wiederholten mündlichen Verhandlungen und in dem Schriftverkehr zwischen dem Hohen Kommissar des Vereinigten Königreichs und dem Herrn Bundeskanzler sowie zwischen dem Landeskommissar des Landes Niedersachsen und der Regierung Niedersachsen ein eingehender Arbeits- und Meinungsaustausch über die Frage der Entmilitarisierungsmaßnahmen und die der Erhaltung der Restanlagen in Watenstedt-Salzgitter stattgefunden.
Schließlich hat die Bundesregierung im Einvernehmen mit der niedersächsischen Landesregierung ein umfassendes Investitionsprogramm ausgearbeitet und dem Hohen Kommissar am 25. März 1950 zugeleitet. In der Beantwortung dieses Investitionsprogramms hat schließlich der Hohe Kommissar des Vereinigten Königreichs im wesentlichen allen Vorschlägen der Bundesregierung zugestimmt. Danach werden nunmehr alle Gebäude, die zur Durchführung der Vorschläge der Bundesregierung erforderlich sind — einschließlich der Schlacken-Anlage und der Bunker — erhalten. Die Zerstörung der Hochofenfundamente wird nicht fortgesetzt, und der Zerstörungsbefehl für die Schmiede ist aufgehoben. Weitere Zerstörungen an Straßen werden nicht mehr vorgenommen. Um den geplanten Ausbau der Industrie-Unternehmen zu fördern, sollen ausreichende Schienenwege belassen sowie die Gas- und Wasser-Hauptleitungen erhalten bleiben. Das elektrische Kraftwerk und das Wasserwerk bleiben unangetastet.
Von den 17 Punkten des Arbeitsbeschaffungsprogramms für Salzgitter werden daher folgende Teile für die weitere Ansiedlung und den Aufbau neuer Betriebe zur Verfügung stehen: der Bergbau- und Hüttenbetrieb, die Erzaufbereitung, die Schmiede, eine neu zu errichtende Schlacken- und TrockenGranulationsanlage, die wiederaufzubauende Gießerei, die Instandsetzung , des Koksofen-Gasbehälters, ein neues Werk zur Herstellung von YtongSteinen, eine neue Anlage zur Verwertung der an-
fallenden Schlacke, ein Hochofenzementwerk, eine Fabrik zur Herstellung von Leichtsteinen aus Flugasche, ein Werk zur Erzeugung von Dachsteinen, ein Betrieb zur Herstellung von Roheisen-Masseln, eine Verwertungsanlage für Kokerei-Teer.
Der Hohe Kommissar des Vereinigten Königreichs hat mit seinem Schreiben vom 29. April 1950. diesem Investitionsprogramm grundsätzlich zugestimmt. Der Bundeskanzler hat in einem Schreiben vom 19. Juni den Herrn Hohen Kommissar nochmals gebeten, die Frage der Krupp-Renn-Anlage einer nochmaligen ernsten und wohlwollenden Prüfung zu unterziehen.
Im einzelnen ist nunmehr zu den verschiedenen Punkten der Interpellation das folgende zu sagen.
Zu Punkt 1: Die in der Interpellation genannte Demontagemeldung ist, soweit es sich um die Anlage der Reichswerke Salzgitter handelt, nicht richtig. Die Demontage des Stahlwerkes, des Walzwerkes und der Hochöfen mit Ausnahme des Hochofens Nr. 5 war bereits im Herbst 1949 beendet. Bei den von der Britischen Militärregierung geforderten Maßnahmen handelte es sich noch um sogenannte Entmilitarisierungsmaßnahmen, die nach Ansicht der Britischen Militärregierung durchgeführt werden sollten, um dem Werk den Charakter eines Rüstungsbetriebes zu nehmen. Durch die schon vorstehend erläuterten Maßnahmen und Schritte der Bundesregierung sind diese Entmilitarisierungsmaßnahmen zum weitaus größten Teil nicht weitergeführt worden.
Zu Punkt 2: Im Rahmen der Absprachen, die zum Petersberger Abkommen geführt haben, konnte die Frage der Reichswerke Salzgitter deshalb nicht erörtert werden, weil die Hohen Kommissare in der Besprechung erklärten, sie seien von ihren Außenministern nicht autorisiert, über die Anlagen Watenstedt-Salzgitter mit der Bundesregierung zu verhandeln. Demgemäß ist auch im Petersberger Abkommen über die Reichswerke Watenstedt-Salzgitter nichts enthalten. Aus meinen Ausführungen zu Beginn dieser Antwort ist aber klar ersichtlich, daß trotzdem die Bundesregierung alle Anstrengungen unternommen hat, um im Rahmen des irgendwie Möglichen diejenigen Werkteile zu retten, die für den weiteren Ausbau und die Schaffung neuer Arbeitsplätze und Erwerbsmöglichkeiten noch verwertbar erschienen. Über das Ergebnis habe ich eben schon berichtet.
Zu Punkt 3: Zum Punkt 3a ist auf die Ihnen schon mitgeteilte Liste der erhaltenen Betriebsanlagen zu verweisen. Es wird möglich sein, in Durchführung dieses Programmes sofort weiteren 2000 Menschen Arbeit und Brot zu geben. Bis jetzt ist für die Durchführung dieser Aufgaben ein Betrag von rund 12 Millionen zur Verfügung gestellt worden, und die Arbeiten für die Ausgestaltung der neuen Werkteile sind in Angriff genommen. Darüber hinaus sind für den Ausbau des Straßennetzes und für die. Durchführung von Ausbauarbeiten der Bundesbahn durch das Bundesverkehrsministerium weitere rund 4 Millionen vorgesehen. Die Arbeiten für den Ausbau der neuen Verkehrsverbindungen durch die Bundesbahn sind aufgenommen. Insgesamt werden daher im Zuge der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zunächst rund 16 Millionen aufgewendet. Damit ist gleichzeitig auch der Punkt 3b Ihrer Anfrage beantwortet.
Zum Punkt 3c ist auf folgendes hinzuweisen. Die Bundesregierung ist mit allen Kräften bemüht, über das Ihnen mitgeteilte Programm hinaus der Bevölkerung von Watenstedt-Salzgitter weitere Arbeitsmöglichkeiten zu erschließen. Im Rahmen dieser Maßnahmen wird zur Zeit eine große Zahl von Projekten bearbeitet, deren Verwirklichung von der Finanzierungsmöglichkeit einerseits und der Unterbringung geeigneter Schulen in dem Notstandsgebiet andererseits abhängig ist. So schweben zum Beispiel Verhandlungen, eine Automobilfabrik im Gebiet von Watenstedt-Salzgitter anzusiedeln. Darüber hinaus ist die Bundesregierung bestrebt, auch den trostlosen kommunalen Verhältnissen — ich erinnere an Schulen, Krankenhäuser, Gas- und Wasserversorgung usw. — nach Möglichkeit abzuhelfen.
Sie haben die Ausführungen des ständigen Stellvertreters des Bundeskanzlers, Herrn Bundesministers Blücher, gehört. Ich eröffne die Aussprache.
Ehe ich das Wort erteile, möchte ich an alle Redner den Appell richten, im Interesse einer vollständigen Erledigung der heute vorliegenden Tagesordnung die ihnen zustehenden Redezeiten, namentlich soweit es sich um längere Redezeiten handelt, nicht hundertprozentig auzunutzen. — Ich erteile zunächst das Wort Herrn Abgeordneten Wackerzapp. —18 Minuten.
Meine Damen und Herren! Der Verkehrsausschuß dieses Hohen Hauses hat Anfang März dieses Jahres das Gebiet Watenstedt-Salzgitter besichtigt, um einen unmittelbaren Augenschein zu gewinnen. Der erste Eindruck war ungemein positiv: eine ungeheure Anlage in großzügiger Gestaltung, errichtet in einer wohldurchdachten Konzeption zur Ausnutzung des riesigen Erzvorrats, konstruiert und entworfen durch einen ersten amerikanischen Sachverständigen, Mr. Brassert, im Einvernehmen mit seiner Regierung und nach Fühlungnahme mit britischen Stellen.
Der zweite Eindruck war niederschmetternd. Wir kamen an die Stätten der Demontage und der Zerstörung. Eine Mondkraterlandschaft tat sich vor uns auf, ein Sturzacker von Zementbrocken und Ziegelschollen, ein Dickicht von Eisenträgern und Stacheldraht. Hier waren nicht nur die Hallen abmontiert worden, sondern man hatte auf einer Fläche von über 50 Morgen auch den meterdicken Zementboden, auf dem die Werke errichtet waren, systematisch gesprengt. Es war eine so gründliche Arbeit geleistet worden, daß hier niemals mehr eine neue Industrie errichtet werden kann.
Wir taten an dieser Stelle aber auch einen tiefen Einblick in Stimmung und Mentalität der Arbeiterschaft, die im Bereich dieser großen Werke, im Schatten der Hochöfen ihre Wohnung und ihren Arbeitsplatz hat und bei harter Arbeit ihr gutes Auskommen fand. Diese Arbeiterschaft mußte nun erleben, wie aus unbegreiflichen Gründen ihr Arbeitsplatz demontiert und zerstört wurde. Wir begriffen, daß hier radikale Strömungen von links und rechts guten Nährboden finden mußten.
Wir bedauern, daß es zu Ausschreitungen gekommen ist, daß deutsche Demontagearbeiter, aber auch britische Funktionäre belästigt wurden. Es ist ein wahres Glück, daß kein Blut geflossen ist. Das verdanken wir der besonnenen Zurückhaltung des britischen Militärbefehlshabers, aber auch dem verständnisvollen Verhalten unserer deutschen Polizei, die dafür allerdings von der britischen Militärregierung wegen angeblicher Pflichtvergessenheit schärfstens gerügt worden ist, von derselben Regierung, die unsere Polizei in ihrer Ausrüstung mit Waffen, Fahrzeugen und Geräten sowie in ihrer organisato-
rischen Ausgestaltung so kümmerlich behandelt hat, daß sie Massenausschreitungen überhaupt nicht gewachsen sein kann, ganz abgesehen von den seelischen Konflikten, die aus der Besonderheit des Falles noch dazukamen. Wir bedauern diese Störungen um so mehr, weil nunmehr die ganze Angelegenheit von der Ebene sachlicher Behandlung in das gefährliche Gebiet des militärischen Prestiges verlagert wurde; denn kein Militärbefehlshaber wird sich ohne weiteres einer örtlichen Revolte fügen wollen.
Es vergingen daher Wochen, ehe man wieder zu einer sachlichen Erörterung kam. Was dabei herausgekommen ist, hat der Herr Vizekanzler eingehend dargelegt. Wir fragen uns: Ist das, was erreicht wurde, ein Erfolg? Es ist ein Erfolg, wenn man von der Perspektive des mörderischen MorgenthauPlanes ausgeht. Dann ist jeder gerettete Hochofen und jeder erhaltengebliebene Schornstein ein Geschenk der Götter. Aber von der weiten Perspektive des Schuman- und des Marshallplans aus ist es ein nicht begreiflicher Widersinn, daß hier wertvolle wirtschaftliche Anlagen zerstört werden, um sie anderwärts wieder aufzubauen.
Aber die Angelegenheit Watenstedt-Salzgitter hat nicht allein eine wirtschaftliche Seite, sie hat auch ein sehr ernsthaftes politisches Gesicht. Die Reichswerke liegen nur 25 km von der Ostzone entfernt. Von dort hat man mit scharfen Augen alles beobachtet, was in diesem Gebiet vor sich geht. Wenn man ein Preisausschreiben hätte erlassen wollen unter dem Motto: Wie stärke ich am besten die sowjetische Propaganda? Wie vermehre ich das Ansehen der Ostzonenregierung und der Sowjets und wie vermindere ich den Kredit der Westmächte und das Ansehen der Bundesregierung?, dann hätte die englische Regierung durch ihre Demontagepolitik dieses Preisausschreiben hundertprozentig gewonnen.
Denn wie sieht es in diesem Gebiet aus? Durch Rundfunk und Presse, durch Emissäre, Agenten und Flugblätter wird etwa folgende Meinung verbreitet: Wäret ihr statt im Westen im Osten, dann würden die Reichswerke nicht abgebaut werden; dann würde man sie ausbauen bis zu den Grenzen ihrer ursprünglichen Konzeption. Es gäbe dann auch keine Arbeitslosigkeit, und ein reichlicher Auftragsbestand wäre für die Dauer gesichert. Diese Propaganda hat sich so zugespitzt, daß jetzt schon mit dem Gedanken umgegangen wird, in dieser Gegend ein Volksbegehren mit dem Ziele durchzuführen, das Gebiet von Niedersachsen abzutrennen und der Ostzone anzuschließen. So grotesk und politisch irreal dies sein mag, so ist es doch als Stimmungsausdruck und Stimmungsbild durchaus zu beachten. Es ist nicht unsere Aufgabe, für Englands Prestige zu sorgen, wenn von der Ostzone her geflissentlich die Meinung verbreitet wird, daß für die Demontage schäbige Konkurrenzmotive maßgeblich wären oder gar die Furcht, die Rote Armee könnte sich eines schönen Tages in Bewegung setzen, ausgerechnet mit dem Ziel, sich den Trümmerhaufen Watenstedt-Salzgitter zur Verstärkung ihrer Rüstungskapazität einzuverleiben. Wenn die britische Regierung diesem gefährlichen Geschwätz ein Ende machen wollte, so wäre hierfür das geeignetste Mittel, mit einem großzügigen Entschluß die Demontage in Watenstedt-Salzgitter einzustellen, alles so zu lassen, wie es steht und liegt, und den Deutschen die
Verantwortung zu übertragen, daraus zu machen, was sie für richtig halten.
Sehr schmerzlich für uns ist aber, in dem Antwortschreiben vom 12. Januar dieses Jahres, das die Hohen Kommissare dem Bundeskanzler in Sachen der Demontage zugefertigt haben, zu lesen, daß die Hohen Kommissare sich zu ihrer Demontagepolitik verpflichtet fühlen, weil das Potsdamer Abkommen sie dazu zwinge, dasselbe Abkommen, das vom dritten Partner, wenn es ihm paßt, hohnlachend mit Füßen getreten wird. Es wirkt auf uns bedrückend,, daß die Westmächte immer diejenigen Punkte des Potsdamer Abkommens, die sich mit bewußter Feindschaft gegen die deutschen Interessen richten, mit solchem Nachdruck, mit solchem Eifer und solcher Buchstabentreue durchzusetzen beflissen sind, während sie die wenigen Bestimmungen, die zu unseren Gunsten sprechen, leider Gottes nicht mit demselben Nachdruck vertreten, etwa wenn es um die Einheit Deutschlands geht oder darum, daß die Gebiete östlich der Oder und Neiße noch zu Deutschland gehören und der polnischen Regierung nur zur Verwaltung überantwortet sind und daß die Ostgrenze noch nicht endgültig feststeht.
In unserer rücksichtslosen und rauhen Zeit ist man im allgemeinen wenig geneigt, Imponderabilien die gebührende Beachtung zu schenken. Und doch sollte ihre Bedeutung nicht unterschätzt werden. Gerade in dem Gebiet von Watenstedt-Salzgitter, das zum Raum von Hannover und Braunschweig gehört, war von alters her viel Vorliebe für englische Lebensart und englische Sitten vorhanden. Im Jahre 1714 hat der Kurfürst von Hannover als König Georg I. den Thron Englands bestiegen, und bis zum Jahre 1837, dem Regierungsantritt der Königin Viktoria, waren die Herrscher Englands gleichzeitig Kurfürsten und Könige von Hannover. Seit dieser Zeit hat sich in breiten Schichten dieses Landes viel Verständnis für englisches Wesen entwickelt. Man bewunderte die englische Geschichte; man hatte Sympathie für die freiheitliche staatsrechtliche Gestaltung, für englische Poesie und englische Philosophie, aber auch für den englischen Menschen, dessen weltoffene Art man schätzte. Diese freundlichen Gefühle haben auch die Strapazierung durch die Besatzung zunächst überstanden; sie sind nun aber durch die unselige Demontagepolitik nicht nur erkaltet, sondern in breiten Schichten, insbesondere auch in den Kreisen der Arbeiter in direkten Haß umgeschlagen. Das aber ist es, was wir als Freunde Englands und Freunde Europas als besonders schmerzlich empfinden. Wir sind der Meinung, daß das neue Europa nicht nur auf dem Reißbrett mit Zirkel und Rechenschieber konstruiert werden kann, daß es nicht nur ein Konglomerat ist von Handelsverträgen, von zoll-, wirtschafts- und währungspolitischen Erwägungen, sondern daß es letzten Endes, wenn es Bestand haben und sich fruchtbar entwickeln soll, euch getragen sein muß vom Vertrauen der Völker, von gegenseitiger Achtung und von dem guten Willen zu allseitiger Hilfsbereitschaft.
Ich meine, die britische Regierung könnte einen wesentlichen Beitrag zur Festigung der moralischen Fundamente des neuen Europa beisteuern, wenn sie sich mit großzügigem Entschluß dazu bereit finden würde, die Demontage grundsätzlich einzustellen und damit das deutsche Volk von einem lähmenden Alpdruck zu befreien.
Der Herr Abgeordnete von Thadden; 5 Minuten.
Meine Damen und Herren! Die Interpellation der Deutschen Partei und der Bayernpartei datiert vom 2. März. Während dieser Zeit ist es in Watenstedt-Salzgitter nicht still gewesen, wohl aber ist es über diese Frage hier im, Bundestag still gewesen. Die Debatte über diese Frage, bei der es unserer Ansicht nach darum gegangen wäre, den Herren im Westen, die soviel von Europa und Zusammenarbeit reden, einmal zu zeigen, wo uns der Schuh drückt, wurde aus völlig unerfindlichen Gründen immer wieder vertagt. Man hatte vielleicht hier gehofft, durch die freundliche Geste des Hinauszögerns des notwendigen Trittes auf die westlichen Füße dort Stimmung machen zu, können. Inzwischen dürfte sich dies wohl gewandelt haben; denn nach allem schönen Gerede über europäische Zusammenarbeit, Schuman-Plan usw. ist man jetzt, nachdem die Sache hier im Bundestag unter Dach und Fach gekommen ist, sofort mit dem Gegenzug anmarschiert und hat gesagt: Alles sehr schön, aber die Stahlquote bleibt beschränkt; also auf deutsch: Erhaltung der Arbeitslosigkeit der Stahlarbeiter. Das bleibt natürlich alles. Und die Maßnahmen der Herren auf dem Petersberg sollen natürlich durch alles europäische Gerede nicht beeinträchtigt werden.
Wenn man die Demontage in Watenstedt-Salzgitter unter dem Stichwort "„Entmilitarisierungsmaßnahmen" bezeichnet, so erscheint uns dies merkwürdig. Wie man ein Industriegebiet von einer derartigen Ausdehnung als Nur-Rüstungsbetrieb bezeichnen kann, ist uns nicht ganz erklärlich, wie überhaupt die Behauptung, es handle sich hier um, einen besonderen Rüstungsbetrieb, in keiner Weise stichhaltig sein kann. Wenn aber die Bundesregierung erklärt, sie habe genügend getan, so müssen, wir dies energisch in Abrede stellen. Wir sind der Ansicht, daß es sich bei dem Gebiet WatenstedtSalzgitter um eine derart gravierende Sache handelt, daß die Bundesregierung, wenn sie etwas wirklich, Durchgreifendes hätte tun wollen, sich vielleicht doch einmal hätte geschlossen auf die Bahn setzen können, sich auf die Hochöfen draufsetzen und sagen können: Bitte, sprengt aber uns mit!
— Auf die Hochöfen hätte sie sich setzen können
und sagen: Bitte, sprengt! Sie hat es nicht getan.
Herr Abgeordneter!
Wenn man hier meint, daß — —
Ich meinte nicht Sie; ich meinte den Herrn Kollegen Dr. Schäfer.
Wir möchten vorschlagen, daß man in diesem Gebiet von Watenstedt-Salzgitter eine Ecke, die der Herr Abgeordnete Wackerzapp eben so plastisch geschildert hat, umzäunt und eine große Tafel davorstellt: „Hier waltete europäischer Unverstand im Jahre 1950!"
Das Potsdamer Abkommen, auf das man sich im Westen bezieht - das möchte ich unterstreichen —, sollte man einmal auf das Saargebiet ausdehnen und etwas mehr auf die Dinge anwenden, auf die es auch angewendet werden kann, auf die man aber. dieses Abkommen aus gewissen, leicht ersichtlichen Gründen nicht anwenden möchte.
Es wurde gesagt, daß alle möglichen Maßnahmeneingeleitet seien. Wir wollen hier eines sagen: in Watenstedt-Salzgitter ist es nicht damit getan, daß irgendwelche Industrien angesiedelt werden. Man sprach sogar von Spielwarenindustrien, die sich in den 40 Meter hohen Hallen wahrscheinlich außerordentlich wohlfühlen werden. Dort ist es nicht damit getan, daß man irgendwelche Kleinbetriebe hinbringt, sondern Watenstedt-Salzgitter , kann unserer Meinung nach in Zukunft nur etwas werden, wenn man — trotz schräger Augen jenseits des Kanals — in der alten Konzeption, in der in diesem Gebiet seinerzeit einmal zu bauen angefangen wurde, in Zukunft weitermacht und es wieder zu. dem macht, wozu es ursprünglich gedacht war, nämlich eine Großanlage zur Ausnutzung der riesigen Erzvorkommen, die wir ausnützen müssen, um Geld für Importe zu sparen. Wir möchten, daß die Gelder, die die Bundesregierung dorthin bringt, nicht verzettelt für die eine oder andere Kleinindustrie eingesetzt werden, sondern daß man dort im großen Stil einfach wieder das aufrichtet, was Unverstand kaputtgemacht hat, und in demselben Sinne weiterarbeitet, wie es ursprünglich einmal gedacht war.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Bielig. 18 Minuten bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die grundsätzliche Stellungnahme meiner Fraktion zu all den Demontagen — selbstverständlich also auch zu denen in Watenstedt-Salzgitter — ist so bekannt und zu alt, als daß ich darüber ein Wort zu verlieren brauchte. Ich möchte aber in der speziellen Frage doch folgendes sagen.
Solange der Komplex Watenstedt-Salzgitter im Bundestag behandelt wird, ist er durch folgende Tatsache gekennzeichnet: durch einen durch nichts gerechtfertigten Zweckoptimismus von seiten der Bundesregierung,
ganz besonders im Anschluß an Ministerreisen nach Watenstedt-Salzgitter. Das hat begonnen mit dem Interview für den „Industriekurier" im vergangenen Jahre nach dem Petersberger Abkommen; und ich finde diesen durch nichts gerechtfertigten Zweckoptimismus auch heute wieder in den Erklärungen des Herrn Vizekanzlers Blücher. Der Komplex ist weiter, ich möchte einmal sagen, durch eine Vernebelung des Geländes gekennzeichnet, die vor allen Dingen eines verhindert hat, nämlich das rechtzeitige Erkennen der nationalpolitischen Aufgabe, die der Bundesregierung in diesem Grenzgebiet gestellt ist.
Ich habe nicht nur das Gefühl, sondern ich möchte sagen, die Überzeugung, daß diese Aufgabe selbst heute noch nicht erkannt ist, jedenfalls nicht in ihrer ganzen Tragweite.
Weiterhin ist der Komplex durch Versprechungen, durch Bewilligung von Millionen gekennzeichnet, die für den Wiederaufbau und für Neuanlagen, ganz besonders auch auf verkehrstechnischem Gebiet bereitgestellt worden sind, die aber mit den Taten auf diesem Gebiet nicht in Einklang stehen.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Tatsache — es war wohl im Februar, als das Hohe Haus davon Kenntnis nahm —, daß, wenn ich recht unterrichtet bin, 12'/2 Millionen DM für den Bahn-
bau in Watenstedt-Salzgitter bewilligt wurden und daß der erste Spatenstich durch den Herrn Bundes- verkehrsminister vor drei Wochen erfolgt ist. Diese Verspätung läßt sich nicht mit der Tatsache rechtfertigen, daß hier und da auch Vermessungsarbeiten notwendig waren; denn bei der einen Linie lag ja die Trasse bereits vollständig da. Wenn heute der Herr Vizekanzler der Bundesregierung gesagt hat, daß durch die Bemühungen der Bundesregierung die Lage in Watenstedt-Salzgitter bereits entscheidend geändert worden sei, so kann ich das nicht vollinhaltlich anerkennen.
Wir haben seinerzeit, nachdem in WatenstedtSalzgitter die Sprengungen an den Fundamenten zu den bekannten Aufregungen — ich möchte nicht sagen: Krawallen — geführt haben, erfahren müssen, daß der Hohe Kommissar Sir Brian Robertson dem Herrn Bundeskanzler einen Brief geschrieben hat, der so etwas wie eine Entspannung der Situation mit sich brachte. Der Herr Vizekanzler Blücher hat heute gesagt, dieser Brief sei beantwortet worden. Nach den bisher bekanntgewordenen Meldungen aus der Presse — aber nicht nur aus der Presse — warten sowohl der Hohe Kommissar als auch Brigadier Lingham in Hannover immer noch auf eine endgültige Antwort auf diesen Brief. Ich glaube, diese Tatsache rechtfertigt wieder meine bereits ausgesprochene Behauptung, daß hier eine Verzögerungstaktik eingeschlagen wird, deren Gründe ich von mir aus nicht erforschen kann. Ich möchte bloß feststellen die Maßnahmen, die in Watenstedt-Salzgitter dazu geführt haben, daß die Arbeitslosigkeit in den letzten Monaten abgenommen hat, sind in allererster Linie auf die Arbeiten der Direktion der Reichswerke und auf die des Betriebsrats der Reichswerke zurückzuführen. Tatsache ist, daß am 15. Mai dieses Jahres von den versprochenen Millionen erst 800000 DM zur Verfügung. gestanden haben und daß erst vor etwa drei Wochen die Verhandlungen mit den Hausbanken der Reichswerke über das Flüssigmachen der weiter angeblich zur Verfügung gestellten Summen durchgeführt worden sind. Ich möchte auch diese Tatsache unter meine Behauptung subsumieren daß offenbar von seiten der Bundesregierung die dringende Notlage in Watenstedt-Salzgitter nicht rechtzeitig und vielleicht sogar bis zur heutigen Stunde nicht erkannt worden ist.
Der Herr Bundesvizekanzler hat davon gesprochen, daß auch mit einem Automobilwerk Verhandlungen zwecks Errichtung einer Automobilwerkstatt in den Räumen der Reichswerke oder überhaupt in Watenstedt-Salzgitter geführt werden. Ich möchte dazu nur feststellen, daß die Pressekampagne, die über Watenstedt-Salzgitter bis in die letzte Zeit hinein geführt worden ist, sehr häufig mit falschen Akzenten versehen war. Das trifft auch auf die Frage der Errichtung eines Automobilwerkes zu. Wir haben seinerzeit durch die Presse erfahren, daß immer und immer wieder Verhandlungen mit der Automobilfabrik Renault geführt worden seien. Tatsache ist, daß mit der Fabrik Renault überhaupt keine Verhandlungen geführt worden sind. Tatsache ist weiter — ich muß das aussprechen —, daß es einer geradezu bestürzenden Ahnungslosigkeit in industriellen Standortfragen entspricht, wenn man mit dem Gedanken einer derartigen Produktion in Watenstedt-Salzgitter überhaupt nur spielt.
Meine Damen und Herren! Was heute in Watenstedt-Salzgitter noch erhalten werden kann, ist der Rumpfbetrieb. Der Rumpfbetrieb der ehemaligen Reichswerke muß unter allen Umständen lebensfähig gemacht werden. Das heißt, der Kampf gegen I die Demontage muß sich auf die Gegenstände und Betriebsteile erstrecken, die tatsächlich noch gerettet werden können und die vor allen Dingen auch tatsächlich in Betrieb sind bzw. in der Lage sind, nennenswerte Zahlen von Arbeitslosen aufzunehmen. Dazu gehört selbstverständlich auch die Krupp-Renn-Anlage, wobei ich allerdings der Wahrheit halber feststellen muß, daß die KruppRenn-Anlage seit 1945 nicht arbeitet, sondern nur von zwei Nachtwächtern bewacht wird. Den Einbringern der Interpellation, dem Herrn Abgeordneten Mühlenfeld und Genossen, ist das offenbar entgangen. Es ist nicht so, daß mit der KruppRenn-Anlage die Wirtschaftlichkeit des Restbetriebes steht und fällt; die Wirtschaftlichkeit des Restbetriebes steht und fällt mit der Möglichkeit des Ausbaus und der Ansiedlung neuer Industrien. Es ist nicht so, daß man von heute auf morgen einzig und allein durch die Wiederherstellung oder auch nur teilweise Wiederherstellung des alten Kornplexes Reichswerke der Not in Watenstedt-Salzgitter steuern kann. Dazu würde dieses Programm viel zu sehr auf lange Sicht abgestellt sein müssen. Was wir brauchen, ist die Unterstützung der Reichswerke, und zwar die sofortige und reichliche Unterstützung der Reichswerke bei ihrem Vorhaben, in den Räumen, die erhalten geblieben sind, und in den Räumen, die wiederaufgebaut werden können, die Ausgleichsindustrien zu schaffen, die im Rahmen der Reichswerke und zum Teil mit den Rohstoffen und Halbfabrikaten der Reichswerke wiederhergestellt werden können.
Selbstverständlich ist auch die Ansiedlung neuer Industrien notwendig, wobei allerdings — das möchte ich zum zweiten Male betonen — auf die Standortbedingungen dieser Industrien Rücksicht genommen werden muß. Denn es ist so, daß von den jetzt noch vorhandenen 9300 Arbeitslosen kaum ein Viertel aus der eisenverarbeitenden oder eisenschaffenden Industrie sind, daß der übergroße Teil der Arbeitslosen — leider muß man das feststellen — angelernte bzw. ungelernte Arbeiter sind. Man würde also auch mit den in Punkt 19 des Sofortprogramms aufgeführten Fertigindustrien in Watenstedt-Salzgitter wahrscheinlich sehr wenig Glück haben, weil es bedeuten würde, daß zum Beispiel für Feinmechanik und Elektroindustrie der größte Teil der Arbeiter, da es Facharbeiter sein müssen, erst in dieses Gebiet hereingeholt werden müßten. Das ist selbstverständlich ebensowenig möglich wie bei einem eventuellen Plan, dort ein Automobilwerk zu errichten.
Ich möchte deshalb zum Schluß der Bundesregierung ganz dringend die Forderung unterbreiten, dafür zu sorgen, daß hier nicht nur Millionen bewilligt werden, sondern daß die Millionen den Werken auch rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden und daß weiterhin den Forderungen der Wirtschaftsvereinigung von Watenstedt-Salzgitter, die alle dort etablierten Industrien umfaßt, auf entsprechende Kreditgewährung an Industrien entsprochen wird, die sich dort neu ansiedeln wollen. Das muß allerdings schnell geschehen. Das muß vor allen Dingen schneller und reichlicher geschehen, als es bisher der Fall gewesen ist.
Meine Damen und Herren! Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es scheint mir doch notwendig, in diesem Hause auf die
Vorgänge in Watenstedt-Salzgitter etwas genauer einzugehen. Die Verantwortung für dieses Gebiet hat bis zum Februar dieses Jahres rechtlich bei der niedersächsischen Landesregierung gelegen. Erst im Februar dieses Jahres hat der Herr Bundeskanzler mit dem Herrn Ministerpräsidenten Kopf vereinbart, daß der Bund die Verantwortung für das Gebiet Watenstedt-Salzgitter übernimmt. Ich bin daraufhin in Hannover gewesen und habe dort mit den zuständigen Ministern über die Dinge gesprochen. Ich war dann auch bei der englischen Dienststelle in Hannover, die für die Behandlung, dieser Fragen zuständig ist. Man hat mir dort gesagt: Wir können für Watenstedt-Salzgitter nur dann irgendwelche Änderungen eintreten lassen, wenn von der deutschen Seite ein umfassendes Programm für das Gebiet Watenstedt-Salzgitter vorgelegt wird. Wir haben dieses Programm innerhalb 14 Tagen vorgelegt, und zwar abgestimmt mit der niedersächsischen Landesregierung, und sind so in die Lage versetzt worden, in Watenstedt-Salzgitter mit dem Wiederaufbau der dort noch vorhandenen Werksanlagen zu beginnen.
Nun ist hier gesagt worden: es sind zwar Gelder bereitgestellt worden, aber sie sind nicht nach Watenstedt-Salzgitter geflossen. — Ich habe mich darüber gewundert, daß ich von Watenstedt-Salzgitter in all den Wochen nicht eine einzige diesbezügliche Mitteilung bekommen habe.
Ich habe deshalb dem Herrn Oberbürgermeister Dr. Hoeck einen persönlichen Brief geschrieben, in dem ich ihm mitteilte: Wenn von den für WatenstedtSalzgitter bereitgestellten Geldern nun nicht wirklich Gebrauch gemacht wird und man nicht wirklich an den Auf- und Ausbau herangeht, dann muß man sich in Watenstedt-Salzgitter damit abfinden, daß diese Gelder, die bevorzugt für schleunigste Arbeitsbeschaffung bestimmt sind, anderwärts eingesetzt werden. Ich habe darauf in den allerletzten Tagen einen Brief bekommen, der mir im wesentlichen aber auch nichts sagt.
Ich möchte nun darlegen, welche Geldbeträge für die Reichswerke selber von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt wurden. Für den Wiederaufbau der Schmiedeanlage 721 000 DM, Errichtung einer Schlacken- und Trockengranulation 25 000 DM, Errichtung einer Roheisengranulation 300 000 DM, Wiederaufbau der Gießerei 1,5 Millionen DM, Instandsetzung des Koksofen-Gasbehälters 500 000 DM, Aufbau der Umspannleitung 180 000 DM. Darüber hinaus sind die Gelder für diejenigen Industrieanlagen zur Verfügung gestellt worden, die notwendig sind, um dem Gesamtkomplex durch die Verwertung der sogenannten Abfälle überhaupt erst die Möglichkeit einer Rentabilität zu geben.
Insgesamt stehen für das Industriegebiet, also für die Industrieanlagen in Watenstedt-Salzgitter, nicht weniger als 12,6 Millionen aus den 300 Millionen des Arbeitsbeschaffungsprogramms zur Verfügung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer wie ich das Gebiet und die dort zur Zeit gegebenen Möglichkeiten kennt, weiß, daß es an anderen Stellen liegt, wenn es nicht schneller vorwärtsgegangen ist. Ich habe mit den zuständigen Ministern in Niedersachsen über diese Dinge gesprochen. Auch die Gewerkschaftsvertretung in Hannover sagte: „Gott sei Dank, daß jetzt die Voraussetzungen dafür gegeben sind, daß an einen wirklich gesunden Aufbau gegangen werden kann." Wenn man von Niedersachsen aus nicht schneller vorwärtskommt, mag das an den gegebenen Verhältnissen liegen.
Wir werden gerne alles tun, um die dortige Landesregierung und vor allen Dingen auch die Werksleitungen so zu unterstützen, daß auf Grund der vorgesehenen Betriebsausbauten eine wesentliche Entlastung des Gebietes herbeigeführt werden kann.
Es ist eine Tatsache, von der sonderbarerweise heute niemand spricht, daß es unseren Verhandlungen zuzuschreiben ist, wenn von den 14 000 Fremdarbeitern — den Ausländern — heute sage und schreibe dort nur noch 700 oder 800 ansässig sind. Wir haben es durch die Verhandlungen mit General Robertson erreicht, daß diese Leute aus dem Gebiet weggenommen worden sind, so daß eine wesentliche Beruhigung in dem Gebiet eintreten konnte. Man soll dort nicht nur das Negative sehen, sondern man soll auch den Mut aufbringen, einmal positiv über das zu urteilen, was die Bundesregierung im Interesse dieses Gebietes getan hat.
Das Wort hat Herr AbAbgeordneter Mensing. Noch restliche 6 Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Zunächst gestatte ich mir einige politische Bemerkungen.
Wir haben hier im Bundestag dauernd erlebt, daß die Frage der Demontage wieder angeschnitten wird. Ich stehe nicht an zu erklären: ich habe kein Verständnis dafür, daß die Siegerstaaten denselben Fehler begehen, den sie vor 1933 auch begangen haben, dadurch nämlich, daß sie die demokratischen Kräfte unseres Staates im Stich lassen. Hätte man die Politik eines Stresemann und Brüning unterstützt, wäre es nie zum Dritten Reich gekommen.
Noch eine weitere Frage hinsichtlich der Demontage. In der Bevölkerung und vor allem in den Notstandsgebieten glaubt heute niemand mehr, daß diese Demontagen nach sachlichen Gesichtspunkten durchgeführt werden. Das ist selbstverständlich, zumal wenn man daran erinnert wird, daß einer der hervorragendsten Journalisten des Auslandes. Lippmann, anläßlich der Spannungen zwischen dem Osten und dem Westen vor anderthalb Jahren einmal zum Ausdruck brachte: Was nützt es den Russen. wenn sie sich in den Besitz des wirtschaftlichen Herzens Europas setzen würden? Unsere Bomben sind so hoch entwickelt und unsere Luftwaffe ist so ausgebaut und modernisiert. daß sie im Höchstfalle nur 14 Taue nötig hat. um dieses gesamte Gebiet in Schutt und Asche zu legen. Wenn dem so ist. dann kann man doch derartige Demontagen nicht mehr mit irgendwelchen militärischen Gesichtspunkten begründen.
Nun zu dem Salzgitter-Gebiet selbst! Von einigen der Herren Vorredner ist — ich sehe dies nicht als fair an — zum Ausdruck gebracht worden. daß die Bundesregierung und auch der Bundestag hinsichtlich dieses Notstandsgebietes nicht ihre Pflicht erfüllt hätten. Schließlich kommt es doch nicht darauf an. daß hier im Plenum alle paar Wochen mehr oder weniger agitatorische Reden gehalten werden. deren Motive der Demagogie und auch der Taktik entspringen. sondern das Entscheidende ist, in der Öffentlichkeit festzustellen,
daß bestimmt jeder Abgeordnete des Landes Niedersachsen — ich mache da keine Ausnahme — in den letzten Monaten nicht untätig gewesen ist, sondern dauernd bei allen Regierungsstellen vorstellig wurde, um auf den Notstand in diesem Gebiet hinzuweisen.
Ich persönlich fühle mich als Handwerksmeister besonders verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß in diesem Gebiet über 1200 Handwerksbetriebe mit über 3 800 Beschäftigten vor dem Ruin stehen.
— Herr Kollege, wenn Sie lachen, dann beweisen Sie mir und dem Handwerk nur, daß Sie für diese Berufsgruppe herzlich wenig Verständnis haben. Wenn diese Berufsgruppe bis jetzt so viele Menschen durchgeschleppt hat, so stellt das dem Handwerk in sozialer Beziehung das allerbeste Zeugnis aus. Aber dies hat mit zur Folge gehabt, daß diese Kreise heute verschuldet sind und darum ersuchen und verlangen, daß auch sie bei der Verteilung der Mittel berücksichtigt werden. Aus diesen Kreisen wurde mir gesagt, daß die bisher verteilten Mittel fast einseitig in die Kanäle der Reichswerke geflossen sind und Handel, Handwerk und Gewerbe fast nichts davon bekommen haben. Das ist unmöglich, und vom Handwerk wird darüber Beschwerde geführt, daß die Reichswerke einen Teil ihrer neuaufgebauten Betriebszweige dazu benutzen, nunmehr dem dortigen Handwerk auch noch Konkurrenz zu machen, und so dazu beitragen, dem Handwerk den Todesstoß zu versetzen.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich werde versuchen, schnell zum Schluß zu kommen. Ich mache Sie darauf aufmerksam, Herr Präsident, daß man gerade bei solch ernsten Fragen in bezug auf die Redezeit bisher besonders auch bei den kleinen Fraktionen immer sehr großzügig verfahren ist, und ich bitte, mir noch einige Minuten Zeit zu geben.
Es tut mir leid, nach meiner Uhr ist Ihre Redezeit abgelaufen.
Dann bedaure ich, daß ich meine Ausführungen abkürzen muß.
Ich möchte hier folgenden Notschrei dieser Menschen des Handwerks, des Handels und des Gewerbes wiedergeben und zum Ausdruck bringen, daß Hilfe auf schnellstem Wege nottut. Das Handwerk beklagt sich darüber, daß es selber bis jetzt unter den schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen noch 800 Lehrlinge ausbildet, während die Reichswerke eine eigene Lehrlingswerkstatt unterhalten, in der 250 Lehrlinge ausgebildet werden, und dafür einen monatlichen Zuschuß von 20 000 Mark erhalten. Was den Reichswerken recht ist, ist dem Handwerk billig.
Noch ein anderes! Es wird gefordert, daß dort endlich eine Entflechtung der Besitzverhältnisse an Grund und Boden vorgenommen wird. 80% gehören den ehemaligen Reichswerken. Das Handwerk beschwert sich darüber, daß es nicht möglich ist, Grund und Boden zu erwerben. Würde man dem Wunsche des Handwerks entgegenkommen, so würde die Initiative dieser Menschen dafür sorgen, daß Häuser gebaut werden und damit die gesamte Wirtschaft in dem Raum angekurbelt wird.
33% Zuschlag haben Sie gehabt. Sie sehen, wie loyal ich bin.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Löfflad. 8 Minuten, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind davon überzeugt, daß die Bundesregierung schon viel versucht hat, um bei den Alliierten einen Demontagestop zu erreichen.
Wenn allerdings die Antwort der Hohen Kommissare genau so ausgefallen ist wie bei dem Antwortschreiben auf ein Protesttelegramm, das ich bereits vor mehreren Monaten an die drei Hohen Kommissare schickte, können wir verstehen, warum bis heute noch kein Demontagestop erreicht worden ist. Sinngemäß bekam ich damals folgendes Antwortschreiben: Von Ihrem Telegramm haben wir Kenntnis genommen. Es bleibt alles bestehen, was für die deutsche Wirtschaft notwendig ist, so daß keine wirtschaftliche Schädigung eintritt. Über das Viermächteabkommen hinaus werden keine Demontagen vorgenommen werden.
Ich habe in meinem Telegramm die Hohe Kommission darauf hingewiesen, daß der Nationalsozialismus 1933 aus der Not und dem Elend heraus geboren worden ist.
Herr Abgeordneter, das
Wort „Demokratie" ist in diesem Hause verpönt.
— „Demagogie" meine ich natürlich!
Das hat mit Demokratie nichts zu tun!
Wir sind jedenfalls davon überzeugt, daß das Volk 1933 den Versprechungen eines Hitler nur deshalb erlegen ist, weil die Not und das Elend so riesengroß war. 8 1/2 Millionen Arbeitslose und Kurzarbeiter sind letzten Endes den Versprechungen Hitlers erlegen, und wenn heute durch die Demontage zusätzlich weitere Arbeitslosigkeit geschaffen wird, so wird das, was wir nicht hoffen und wünschen wollen, wieder dazu führen, daß all die verzweifelten Menschen dem Radikalismus langsam in die Arme getrieben werden.
— Was schreien Sie denn? Ich verstehe gar nicht, was Sie wieder zu schreien haben. Wir sind jedenfalls der Überzeugung, daß, wenn man die Betriebe, die mit Rüstung nicht das geringste zu tun haben, der deutschen Wirtschaft beläßt und keine zusätzliche Arbeitslosigkeit hervorruft, wenn die Not und das Elend durch solche Maßnahmen nicht weiter vergrößert wird, gegenüber der Gefahr, die aus dem Osten droht, mehr erreicht werden kann, als eine neue deutsche Wehrmacht tun könnte. Wir sind davon überzeugt, daß das moralische Bollwerk dieser Gefahr mehr Widerstand entgegensetzen könnte, als alle Maschinengewehre und Gewehre es tun könnten.
Da es allerdings unserer Auffassung nach der KPD bei ihrem Antrag weniger darum geht, eine Einstellung der Demontage zu erreichen, als vielmehr die Ostzonennplitik zu unterstützen, stellen wir von der WAV folgenden Änderungsantrag:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, sofort bei der Hohen Kommission vorstellig zu werden, um eine Einstellung der Demontage im Bundesgebiet zu erreichen.
Das soll sich nicht nur auf die Demontage von
Watenstedt-Salzgitter beziehen, wo unserer Meinung nach sowieso nichts mehr zu retten ist. Wir
wissen alle ganz genau, daß außer Watenstedt-Salzgitter auch anderswo Betriebe demontiert werden, die mit Rüstungsindustrie nicht das geringste zu tun haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Lange. Noch restliche 7 Minuten bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, zu der Frage Watenstedt-Salzgitter zu sprechen; aber da man hier allgemein mit der Frage Watenstedt-Salzgitter auch das Demontageproblem angerührt hat, möchte ich die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses auf eine Frage lenken, der man diese Aufmerksamkeit bisher nicht geschenkt hat, und zwar möchte ich auf das Gebiet Essen und auf die Frage der KruppDemontage hinweisen.
Vor ungefähr 3 Monaten ist eine Abordnung des Rates der Gemeinde Essen sowie der Verwaltung und des Kruppschen Betriebsrates bei der Bundesregierung gewesen und hat mit dieser über die Möglichkeiten der Umsetzung der jetzt in der Krupp-Demontage beschäftigten Arbeiter verhandelt, deren Entlassung von den Engländern bis August dieses Jahres gefordert wurde. Die Bundesregierung ist über diesen ganzen Fragenkomplex unterrichtet und hat auch Hilfe zugesagt. Wenn ich diese Frage trotzdem vor dieses Haus bringe, dann aus der Überlegung heraus, daß auch seitens des Bundestages bestimmte Dinge in dieser Richtung zu tun sind. Die Stadt Essen und auch das Land Nordrhein-Westfalen können sich aus eigenem nicht der Aufgabe entledigen, die durch die Demontage in Essen und die dadurch bedingte Neuansiedlung von Industrien im Essener Raum entstanden ist. Da ja der ganze Krupp-Komplex außerhalb der eigentlichen Demontage, also der normalen Demontageliste behandelt wird, ist es notwendig, daß die Bundesregierung von sich aus mithilft, diese Frage zu lösen.
Ich will einige Zahlen, die veranschaulichen, um was es dabei geht, bekanntgeben. Wir haben in der Stadt Essen vor dem Kriege zirka 70 000 Metallarbeiter gehabt. Davon waren bei Krupp 50-55 000 beschäftigt. Heute sind im selben Raum nur noch 35 000 beschäftigt, davon in den ehemaligen KruppBetrieben 13 000, und von diesen 13 000 zirka 4500 in der Demontage, deren Entlassung bis Ende August durchgeführt sein muß, die sich aber im wesentlichen aus alten Arbeitskräften rekrutieren, Leuten also, die immerhin 30 und 40 Jahre bei der Firma Krupp tätig sind und heute in einem Alter von 45-55 Jahren stehen, so daß man sie im normalen Arbeitsvermittlungsverfahren in anderen Betrieben kaum unterbringen kann. Es besteht aber eine Möglichkeit, diese Arbeiter auf die Erschließungsarbeiten umzusetzen, die im Kruppgelände notwendig sind und die auch auf Befehl der Militärregierung durchgeführt werden müssen, damit das gesamte Industriegelände, das den Krupp-Komplex beherbergt hat, kein einheitliches, geschlossenes Gebiet mehr ist, sondern nur noch von kleineren und mittleren Betrieben, gleichgültig welcher Industrie und welchen Gewerbezweiges, besiedelt werden kann. Außerdem ist der Bau einer Bahn notwendig. Das hat ebenfalls die Besatzungsmacht befohlen. Darüber hinaus sind an 17 Werkhallen, ehe sie für Friedensproduktion wieder verwendungsfähig sind, sogenannte Entmilitarisierungsmaßnahmen durchzuführen, was auch durch diese Arbeiter geschehen könnte. Dazu sind folgende
Mittel notwendig: für Entmilitarisierungsmaßnahmen zirka 4 bis 4 1/2 Millionen DM, für die Erschließung, Aufräumung und den Bahnbau, um das Gelände für Interessenten überhaupt besiedlungsreif zu machen, zirka 7 bis 7 1/2 Millionen DM. Für diese ersten Arbeiten liegt also ein Gesamtbedarf von 11 bis 12 Millionen DM vor.
Die Bundesregierung hat großzügigerweise ihre Hilfe zugesagt und auch, wie erwähnt, der Stadt Essen einen Kredit von 4,15 Millionen DM in Aussicht gestellt. Es erscheint mir aber notwendig, daß die Mittel, die für die Entmilitarisierungs- und Erschließungsarbeiten erforderlich sind, nicht auf dem Kreditwege gegeben werden; denn sonst belasten sie auf die Dauer die Gemeinde und das Land. Es ist vielmehr notwendig, daß die Mittel vom Bund als ordentliche Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden, um diese Frage einer Lösung zuzuführen.
Hinsichtlich der Umsetzung der Arbeitskräfte ist andererseits das Land Nordrhein-Westfalen in der Lage, die Arbeitslöhne zu tragen und außerdem weitere Mittel für die Remontage dieses Gebiets zur Verfügung zu stellen.
Es ist zu bedenken, daß es sich um eine auf Befehl der Besatzungsmacht durchgeführte bzw. durchzuführende Maßnahme handelt, so daß für die Behebung der Schäden aus dieser Maßnahme weder die Gemeinde noch das Land zuständig sind, sondern hier normalerweise der Bund eintreten muß. Wir beantragen, daß die von mir aufgezählten Mittel vom Bund im ordentlichen Haushalt bereitgestellt werden. Der Antrag, den wir einbringen, lautet folgendermaßen:
Durch die von den Engländern geforderte Entlassung der bei der Krupp-Demontage beschäftigten Arbeiter ist in der Stadt Essen eine besonders schwierige Lage entstanden. Die Besatzungsmacht hat die Erschließung des Kruppgeländes durch die Anlage von Straßen und den Bau einer Eisenbahn gefordert. Diese Arbeiten können durchgeführt werden mit den jetzt in der Demontage freiwerdenden Arbeitskräften, wenn die notwendigen Mittel bereitgestellt werden. Seitens der Stadt Essen und des Landes Nordrhein-Westfalen sind der im September-Oktober 1949 gegründeten Essener Industrieförderungs-GmbH. 6 Millionen DM für erste notwendige Erschließungs- und Instandsetzungsarbeiten gegeben worden. Für die weiteren oben angeführten Arbeiten ist ein zusätzlicher Bedarf von insgesamt 11 bis 12 Millionen DM für die Deckung von Materialkosten usw. erforderlich. Die Arbeitslöhne für die umzusetzenden Arbeiter werden vom Land Nordrhein-Westfalen bereitgestellt.
Wir beantragen daher, die Bundesregierung möge im Haushaltsplan 1950 den erforderlichen Betrag für die Umsetzung der KruppDemontagearbeiter zur Verfügung stellen.
Ich bitte dringend, sich gegenüber diesem Antrag im ganzen, der ja auch noch dem Haushaltsausschuß zugehen muß, wohlwollend zu verhalten, und zwar einzig und allein aus dem Grunde, um zu verhindern, daß in dem Gebiet, das in normalen Zeiten vor dem Krieg eine außerordentlich hohe volkswirtschaftliche Bedeutung, über die wir uns hier nicht zu unterhalten brauchen, gehabt hat, heute ein Krisenherd erster Ordnung entsteht. Es handelt sich hier um ein Gebiet, das den Lebensraum von zirka sechs Millionen Menschen darstellt; denn so viele leben in diesem Industriege-
biet. Ein solcher Krisenherd könnte sich außerordentlich verhängnisvoll und gefährlich auswirken. Deshalb scheint es mir auch eine Verpflichtung des Bundes zu sein, die Voraussetzungen .für die industrielle Wiederbesiedlung dieses Gebiets zu schaffen, so daß dann Land und Gemeinde von sich aus das Weitere veranlassen können.
Ich bitte daher, diesem Antrag auch hinsichtlich der Überweisung an den Haushaltsausschuß zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mühlenfeld. Acht Minuten!
— Herr Abgeordneter Stegner hat das Wort. Bitte, zwölf Minuten!
Meine Damen und Herren! Die Ausführungen meines Vorredners haben mir so recht vor Augen geführt, welch ein Unterschied zwischen einer Demontage in einem organisch gewachsenen Industriegebiet und einer Demontage in einem nicht organisch gewachsenen Industriegebiet besteht.
Gestatten Sie, daß ich in meinen Betrachtungen von Nordrhein-Westfalen in das niedersächsische Industriegebiet nach Watenstedt-Salzgitter zurückkehre. Meine Damen und Herren, die heute hier behandelte Frage ist eine Frage allererster Ordnung, weil es sich bei Watenstedt-Salzgitter ja nicht um ein einfaches Demontageproblem oder ein einfaches wirtschaftspolitisches Problem handelt, sondern dieses Problem Watenstedt-Salzgitter ist, möchte ich sagen, von vornherein eine Mustersammlung von Ansätzen, die nie zu einer wirklichen Vollendung kommen.
Wenn Sie die Geschichte des Aufbaues der Reichswerke einmal betrachten, so sehen Sie aus der ganzen überstürzten Art der Aufstellung der Stadt und des Einsatzes der Reichswerke und dann der überstürzten Demontage, daß sich hier etwas entwickelt hat, was tatsächlich der allerdringendsten Fürsorge der Bundesregierung bedarf. Ich brauche für meine politischen Freunde nichts mehr über die Demontage hinzuzufügen, denn meine Vorredner haben diese Dinge in beredter Weise bereits so klar dargestellt, daß wir uns diesen Darstellungen nur anzuschließen brauchen. Aber wir behandeln hier eine Interpellation, die eingebracht worden ist, und die Bundesregierung hat auf diese Interpellation geantwortet. Ich glaube nicht, daß man über die Antwort der Bundesregierung so ohne weiteres wird hinweggehen können. Man wird sich über die Antwort natürlich im einzelnen noch unterhalten müssen; denn es ist dort in Watenstedt-Salzgitter — ich komme heute gerade von dort — bei weitem nicht alles so, wie es sein sollte.
Gestatten Sie, daß ich Sie einmal mit den nackten Tatsachen bekannt mache. Wir haben in Watenstedt-Salzgitter 4000 junge Leute, die aus der Schule entlassen werden bzw. jetzt zu Ostern entlassen worden wären, wenn man nicht an die Schulen einen Aufbauzug gehängt hätte. Es sind aber noch nicht einmal 400 Lehrlingsstellen da. Ich habe mir nun die Schulen angesehen. Da wird von früh um 8 bis abends um 8 ununterbrochen in Baracken unterrichtet, weil die Schulräume für die dortigen Kinder nicht ausreichen. Es ist für Kinder und Lehrpersonal im Sommer geradezu eine Qual. Von den sanitären Anlagen dieser Schulen will ich hier nicht reden.
Ich habe mir einmal angesehen, was an Geldmitteln bisher von Niedersachsen und von der Bundesregierung her in den Komplex Stahlwerke Braunschweig - Reichswerke hineingeflossen ist; und ich habe mir auf der anderen Seite einmal angesehen, wie die Bewegung der Arbeitslosigkeit im Verhältnis zu diesen Krediten war. Das Verhältnis ist außerordentlich ungünstig.
Ich habe dort den Einfluß der Ostzone beobachtet, und ich wundere mich eigentlich nicht über diesen Einfluß; denn, meine lieben Freunde — Verzeihung: meine Damen und Herren —, — —
Warum nicht? Es spielt
ja gar keine Rolle.
Richtig, Herr Präsident; ich lasse mich darin gern belehren. Sie sehen, mein Gefühl hat mich darin nicht betrogen.
Also, meine Damen und Herren, dieses Problem Watenstedt-Salzgitter bedarf tatsächlich des dringenden Eingreifens der Bundesregierung, damit das Kernwerk der Reichswerke erhalten wird. Denn nur dieses Kernwerk sichert zunächst einmal die Entwicklung und den Bestand des dortigen Gebietes. Aber mit diesem Bestand allein ist es noch nicht getan. Wir müssen die Neuansiedlung fortführen und die Erweiterung und Ergänzung der industriellen Anlagen der Reichswerke, wie sie nach der Interpellationsbeantwortung anscheinend beabsichtigt sind, ins Werk setzen. Wir müssen aber die Grundlagen etwas näher kennen, um die Zukunftsplanung bemessen zu können.
Aber, meine Damen und Herren, auch das reicht noch nicht. Ich habe gesagt, Watenstedt-Salzgitter ist ein Gebiet der Ansätze. Durch die überstürzte Entwicklung sind dort Rechtsverhältnisse entstanden, die auf die Dauer nicht mehr tragbar sind. Wenn einer meiner Vorredner sagte, daß der Grund und Boden zu 80 oder 90% den Reichswerken oder ihren Tochtergesellschaften gehört, dann darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß dieser Grund und Boden zwar formal vom Deutschen Reich und von den Reichswerken erworben wurde, daß aber im Grundbuch immer noch die Bauern als Eigentümer eingetragen sind und noch nicht einmal die Auflassung erfolgt ist.
Meine Damen und Herren, wir wollen doch einmal klar übersehen, welche Auswirkungen es hat, wenn man derartige neue Industrien ansiedeln will. Ein solches Industriegebiet besteht doch nicht nur aus Arbeitsplätzen für Stahl- und Hüttenarbeiter. Da siedeln sich doch Behelfsindustrien an, Lebensmittelindustrien und andere Gewerbe. Das ist doch das natürliche Wachstum, und das muß auch in Watenstedt-Salzgitter eintreten. Diese Industrien können aber infolge der außerordentlich verzwickten Rechtsverhältnisse nicht angesiedelt werden. Dasselbe gilt für die Verhältnisse in der Stromversorgung, gilt für die Auseinandersetzung, die mit der Kraftverkehrsgesellschaft Braunschweig geführt werden muß; dasselbe gilt für die Wasserversorgung, besonders für das Rohrnetz, denn hier liegen ganz besonders komplizierte Rechts- und Eigentumsverhältnisse vor. Ich hätte gewünscht, daß die Bundesregierung längst einmal einen Bundeskommissar hingeschickt hätte, damit wir zu einer Entflechtung der Rechtsverhältnisse dort hätten kommen
können. Dann wären wir schon ein sehr großes Stück weiter.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf das Memorandum hinweisen, das dem Herrn Bundesarbeitsminister und dem Herrn Bundesfinanzminister bei ihrem letzten Besuch von der Stadtverwaltung überreicht worden ist. Dem Herrn Wohnungsbauminister muß ich hier besonderen Dank sagen, denn er war eigentlich der erste, der jemanden hinunterschickte, der sich einmal mit den Grundstücks-, Wohnungsbau- und Wiederaufbauverhältnissen der Stadt befaßte. Das darüber vorliegende Gutachten gibt tatsächlich wertvolle Fingerzeige, wie man den Problemen dort zu Leibe gehen kann.
Meine Damen und Herren! Die Erhaltung des Kernwerkes in Watenstedt-Salzgitter, der Neubau neuer Industrien oder Behelfs- oder Ergänzungsindustrien erfordert Zeit. Diese Zeit muß überbrückt werden, indem man der Stadt WatenstedtSalzgitter nun schnellstens die Kommunalausstattung gewährt. Mit dem Bau einer Bahnlinie allein wird man nicht in der Lage sein, die Arbeitslosigkeit zu beheben. Gehen Sie bitte an eine sofortige Planung, nach der die Stadt im Wege der Arbeitsbeschaffung neue Schulen, neue Krankenhäuser, neue sanitäre Einrichtungen und ähnliche Dinge erhält. Mit diesen Arbeiten zusammen wird man die Pause ausfüllen können, die entsteht, bis die endgültigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen angelaufen sind.
Ich richte noch einmal den Appell an die Bundesregierung, unter allen Umständen jemanden hinunterzuschicken, der die Rechtsverhältnisse entflicht und vielleicht auch jemanden — gewissermaßen als Beauftragten der Bundesrepublik bei den Reichswerken — hinzusenden, der dafür zu sorgen hätte, daß mit Hilfe der bei den Reichswerken investierten Gelder eine wesentliche Verringerung oder sogar die Beseitigung der Arbeitslosigkeit erreicht wird.
Meine Damen und Herren! Die Entwicklung in Watenstedt-Salzgitter ist schon ziemlich weit fehlgegangen. Die Bevölkerung ist über den Gang der Dinge noch immer außerordentlich mißgestimmt, das kann ich hier ganz offen sagen. Nach wie vor schickt sie — obwohl das gegenüber der Zeit vor mehreren Monaten schon etwas nachgelassen hat — ihre Jugendlichen in die Ostzone hinüber. Wegen der Einmaligkeit der Verhältnisse — ich betone noch einmal, daß es sich dort nicht um ein Notstandsgebiet im gewohnten Sinne des Wortes, sondern um einen einmaligen Fall handelt —, bitte ich die Bundesregierung, die Arbeiten zur Behebung der dortigen Notstände möglichst mit aller Energie voranzutreiben.
Das Wort hat als letzter Redner der Herr Abgeordnete Mühlenfeld.
Dr. Mühlenfeld , Interpellant: Meine Damen und Herren! Die Ausführungen, die die Bundesregierung hier von dem Vertreter des Herrn Bundeskanzlers hat machen lassen, sowie die interessanten Ausführungen des Bundesministers Storch veranlassen mich doch, dem Hohen Hause einen Vorschlag zu machen. Zunächst allerdings muß ich namens meiner Fraktion erklären, daß uns die Antwort der Bundesregierung auf die Interpellation nicht ganz befriedigt.
Die Ausführungen der Regierung und die Ausführungen der Kollegen hier im Bundeshause heute haben uns aber doch den Ernst der Situation nur allzu deutlich vor Augen geführt und uns auch gezeigt, daß uns Abgeordnete, Mann für Mann — —
Und Frau für Frau!
Dr. Mühlenfeld , Interpellant: — hier eine Verantwortung trifft, der wir nicht gerecht werden, wenn wir uns lediglich in einigen mehr oder weniger gut klingenden Reden im Plenum mit der Sache beschäftigen. Ich habe den Auftrag, Ihnen im Namen von 34 Abgeordneten, die ihre Unterschrift gegeben haben, folgenden Antrag dringend zur Annahme zu empfehlen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Erklärung der Bundesregierung wird zur weiteren Klarstellung der Lage im Gebiet Watenstedt-Salzgitter dem wirtschaftspolitischen Ausschuß überwiesen.
Dieser Ausschuß, meine Damen und Herren, möge sich auch damit befassen, inwieweit — entgegen dem Memorandum der britischen Regierung — eine normale Großindustrie als Rüstungsindustrie und Kriegspotential zu bewerten ist.
Ich glaube, jetzt darf ich wirklich sagen: als letzter Redner hat das Wort der Herr Abgeordnete Nuding. 8 Minuten, bitte!
Meine Damen und Herren, nur noch einige kurze Bemerkungen.
Ich glaube, die Diskussion hat sehr klar gezeigt, daß es notwendig ist, rasch und sofort etwas zu tun. Sie hat auch gezeigt, daß der Weg, der bis jetzt gegangen worden ist — ich kann nicht in allen Details untersuchen, inwieweit die Angaben des Herrn Bundesvizekanzlers Blücher stimmen —, jedenfalls nicht die Möglichkeit gibt, sofort einzugreifen und die Maßnahmen zu treffen, die nötig sind, um das Kernwerk dort zu erhalten.
Ich möchte deshalb noch einmal darauf verweisen, daß unser Antrag verlangt, sofort im Zusammenwirken mit der Landesregierung von Niedersachsen, den Gewerkschaften und den Betriebsvertretungen der ehemaligen Reichswerke ein Soforthilfeprogramm auszuarbeiten, das dann in kürzester Zeit dem Bundestag vorgelegt werden kann, damit endlich etwas für das Gebiet Watenstedt-Salzgitter getan wird.
Die zweite Bemerkung, die ich machen möchte: Einer der Herren Redner — ich glaube, von der WAV — behauptet, daß unser Antrag demagogisch sei. Ich möchte das ganz entschieden zurückweisen. Wenn er glaubt, daß der Antrag deshalb demagogisch sei, weil wir uns nur auf die Reichswerke Watenstedt-Salzgitter beziehen, und daß es nicht demagogisch sei, wenn er sich auf die gesamte Demontage in Westdeutschland bezieht, dann wird daraus sehr klar ersichtlich, wo in Wirklichkeit die Demagogie liegt. Ich glaube, wir sollten, wenn dieses Problem gestellt ist, auch versuchen, es zu lösen.
Die nächste Bemerkung in diesem Zusammenhang: Mehrere von den Rednern, die hier gesprochen haben, brachten zum Ausdruck, daß es ihnen mehr darum zu tun ist, die Propaganda, wie sie sagen, die von der Deutschen Demokratischen Republik nach Watenstedt-Salzgitter kommt, zu bekämpfen. Ich möchte Ihnen dazu sagen, daß von dort aus wirklich versucht worden ist, in doppelter
Hinsicht zu helfen: einmal dadurch, daß Aufträge dorthin gegangen sind, und zum anderen dadurch, daß man auch junge Menschen zur Erholung nach der DDR geschickt hat. Wenn Sie aber glauben, daß es nur um Propaganda geht, dann nehmen Sie unseren Antrag an, schaffen Sie menschenwürdige Zustände in Watenstedt-Salzgitter, damit dieses Gebiet ein Magnet wird und die Bevölkerung nicht über ein Volksbegehren diskutieren muß, mit dem entschieden werden soll, ob sie sich von der westdeutschen Republik lostrennen will, um sich der DDR anzuschließen. Beweisen Sie durch Ihre Beschlüsse und Maßnahmen, daß Sie der Magnet sind, welcher die Bevölkerung anzieht.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache über die Anträge Drucksachen Nr. 653 und 688.
Als erster Abänderungsantrag zur Interpellation Nr. 653 — allerdings mit Hinzufügen der Antragsnummer 688 — liegt ein Antrag der WAV vor. Das ist geschäftsordnungsmäßig nicht möglich, Herr Abgeordneter Löfflad. Es liegt also ein Antrag zur Drucksache Nr. 653 vor; das ist die Interpellation. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Anträge zur Interpellation nur mit Unterstützung von 30 Mitgliedern eingebracht werden können. Ich muß deshalb gemäß § 57 der Geschäftsordnung zunächst fragen, ob der Antrag der Wirtschaftlichen Aufbauvereinigung
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, sofort bei der Hohen Kommission vorstellig zu werden, um eine Einstellung der Demontagen in der Bundesrepublik zu erreichen
von 30 Mitgliedern unterstützt wird.
— Sie sind im Irrtum! Hier steht darüber: 653 und 688. Nur eins von beiden ist möglich. Ich muß mich an Ihren Antrag als ein Fraktionsdokument halten. Also bitte: entscheiden Sie sich!
— Hier steht 653. Dann müssen Sie das in aller Form zurückziehen, sonst bin ich nicht in der Lage, danach zu entscheiden. Ich höre keinen Zuruf. Also ist das ein Antrag zur Interpellation Nr. 653. Ich frage: Wird dieser Antrag zur Interpellation Nr. 653 von 30 Mitgliedern des Hauses unterstützt? — Das ist nicht der Fall. Dann kann ich über den Antrag nicht abstimmen lassen.
Es liegt ein zweiter Antrag vor, den Herr Abgeordneter Dr. Mühlenfeld gestellt hat und für den, wie ich ausgezählt habe, 34 Unterschriften geleistet worden sind. Er erfüllt insofern die Voraussetzung des § 57 der Geschäftsordnung betreffend Anträge zu Interpellationen. Ich lasse darüber abstimmen, ob das Haus bereit ist, über diesen Antrag abzustimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — _
Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war zweifellos die Mehrheit.
Wer für diesen Antrag ist, ,den der Präsident mal wieder verlesen soll, obwohl ihn der Herr Antragsteller schon verlesen hat, den bitte ich, die
Hand zu erheben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen!
Ein weiterer Antrag ist, wie ich höre, en marche.
Ich muß bitten, ihn herzureichen.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag der KPD Drucksache Nr. 688. Wie mir mitgeteilt worden ist, liegt eine interfraktionelle Anregung vor, diesen Antrag dem Ausschuß zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Es ist so beschlossen.
Ferner liegt ein Antrag der SPD-Fraktion vor:
Der Bundestag wolle beschließen, Mittel im Haushaltsjahr 1950 für die Umsetzung der in der Krupp-Montage beschäftigten Arbeiter bereitzustellen.
Ich nehme an, daß es im Sinne der Antragsteller liegt, diesen Antrag dem Ausschuß zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Fast einstimmig angenommen!
.
— Die Überweisung soll an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß erfolgen.
Damit, meine Damen und Herren, haben wir nach etwa zwei Stunden den ersten Punkt der Tagesordnung geschafft. Jetzt geht es aber weiter,
und zwar in einem anderen Tempo. Der Ältestenrat macht Ihnen gemäß § 88 der Geschäftsordnung den Vorschlag, Punkt 2 der Tagesordnung:
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung vom 17. Februar 1939 (Drucksache Nr. 935),
dergestalt zu erledigen, daß die vorliegende Begründung als vorgetragen angesehen und der Antrag ohne Aussprache an den Ausschuß für Gesundheitswesen überwiesen wird. Darf ich das Einverständnis des Hauses damit feststellen? — Ich höre keinen Widerspruch und schließe infolgedessen die erste Beratung über den Gesetzentwurf Drucksache Nr. 935.
Wir kommen zum nächsten Punkt der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankeiten vom 18. Febr. 1927 .
Auch hier macht Ihnen der Ältestenrat den Vorschlag, gemäß § 88 der Geschäftsordnung, wie im vorhergehenden Fall zu verfahren. Ich darf danach das Einverständnis des Hauses damit feststellen, daß die Begründung des Antrags Drucksache Nr. 936 als gegeben angesehen wird und der Antrag ohne Aussprache als an den Ausschuß für Gesundheitswesen überwiesen gilt. — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Bildung eines vorläufigen Bewertungsbeirates .
Der Ältestenrat schlägt für die Einbringung 10 Minuten vor. Ich appelliere also an den Herrn Bun-
2540 Deutscher Bundestag. — 70. Sitzurig, Bonn, Mittwoch, den 21. Juni 1950
desminister der Finanzen, sich mit 10 Minuten zu begnügen. Anschließend soll eine Aussprache von 60 Minuten Dauer folgen. Darf ich das Einverständnis des Hauses feststellen? — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich erteile dem Herrn 'Bundesminister der Finanzen das Wort zur Einbringung der Vorlage Drucksache Nr. 975.
Sehr geehrter Herr. Präsident! Meine Damen und Herren!
Eine ungewöhnliche Anrede! Der Präsident dankt!
Der Entwurf dient der Vorbereitung einer neuen Feststellung von Einheitswerten für land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz. Die letzte allgemeine Feststellung, die als Hauptfeststellung bezeichnet wird, ist für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und des Grundvermögens am 1. Januar 1935 vorgenommen worden. Seitdem war es wegen der Kriegsverhältnisse und deren Folgen nicht möglich, in den im Reichsbewertungsgesetz vorgesehenen sechsjährigen Abständen eine Hauptfeststellung durchzuführen.
Eine Wiederaufnahme der Bewertungs- und Schätzungsarbeiten für den Grundbesitz ist außer für steuerliche Zwecke auch für andere volkswirtschaftliche Aufgaben unentbehrlich. Eine unerläßliche Voraussetzung ist hierfür zunächst die Wiedererrichtung von Bewertungsorganen für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen. Das Reichsbewertungsgesetz enthält Vorschriften über einen Bewertungsbeirat für die Einheitsbewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. Der nach diesen Vorschriften gebildete und bis zum Jahre 1945 tätig gewesene Bewertungsbeirat besteht nicht mehr, und die Bestimmungen des Reichsbewertungsgesetzes über den Bewertungsbeirat sind durch die staatsrechtliche Entwicklung überholt.
Zweck des Gesetzentwurfes ist es, eine gesetzliche Grundlage für die Bildung eines neuen Bewertungsbeirates zu schaffen, damit er die künftige Einheitsbewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vorbereiten kann. Es handelt sich um eine vorläufige Regelung, die bei einer Neufassung des Reichsbewertungsgesetzes durch eine endgültige Regelung ersetzt werden soll. In der Gesetzesvorlage wird deshalb der Bewertungsbeirat als vorläufiger Bewertungsbeirat bezeichnet.
Für die verschiedenen Arten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sollen Abteilungen des Bewertungsbeirates gebildet werden, und zwar für Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Weinbau und Gartenbau.
Das Vorschlagsrecht für die Berufung der Mitglieder und damit auch die Auswahl überträgt der Entwurf dem Bundesrat. Hierdurch wird den Ländern ein wesentlicher Einfluß auf die Zusammensetzung des vorläufigen Bewertungsbeirates eingeräumt und eine entsprechende Aufteilung der Mitglieder auf die an den einzelnen Abteilungen des Bewertungsbeirates interessierten Länder erreicht.
Der Aufgabenkreis des vorläufigen Bewertungsbeirats ist im Gesetzentwurf ganz allgemein gehalten, um dem künftigen Bewertungsgesetz nicht vorzugreifen. Bis dahin kann seine Tätigkeit nur eine Vorbereitung der künftigen Einheitsbewertung sein. Diese vorbereitende Tätigkeit wird im wesentlichen darin bestehen, die nachhaltige Ertragsfähigkeit vom Bewertungsstützpunkt unter Beachtung der natürlichen und wirtschaftlichen Ertragsbedingungen festzustellen und Grundsätze über die Berücksichtigung der Ertragsbedingungen aufzustellen.
Der vorläufige Bewertungsbeirat soll auch die Befugnisse des früheren Reichsschätzungsbeirats nach dem Bodenschätzungsgesetz wahrnehmen. Auch der Reichsschätzungsbeirat besteht nicht mehr. Die Bildung eines besonderen Schätzungsbeirats kann im Hinblick auf die fortgeschrittene Durchführung der Bodenschätzung nicht mehr vertreten werden.
Meine Damen und Herren! Das ist der wesentliche Inhalt des Gesetzentwurfs und seine Begründung. Ich bitte, den Gesetzentwurf anzunehmen.
Als erster hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Schmidt, und zwar 12 Minuten.
Meine Damen und Herren! Wir alle werden uns in der Auffassung einig sein, daß eine neue Hauptfeststellung der Einheitswerte für land- und forstwirtschaftliches Vermögen dringend notwendig ist. Daher kann man diese Vorlage Drucksache Nr. 975 durchaus begrüßen.
In der Begründung heißt es, daß zum 1. Januar 1952 die Hauptfeststellung der Einheitswerte durchgeführt werden soll. Die Frage ist nur, ob bis dahin alle Vorbereitungen erledigt sind. Man kann bei dem jetzigen Tempo Zweifel daran haben, daß es bis dahin überhaupt fertig wird. Uns scheint jedenfalls der 1. Januar 1952 der äußerste Termin zu sein.
Meine Damen und Herren! Bis dahin muß ja auch ein neues Bundesbewertungsgesetz an Stelle des alten Reichsbewertungsgesetzes geschaffen werden. Ich darf mir dazu eine Anregung erlauben, und zwar dahingehend, daß nicht nur das alte Gesetz entsprechend der neuen staatsrechtlichen Situation modifiziert wird, sondern daß neue richtungweisende Gesichtspunkte eingebaut werden.
Zum Gesetz selber sind nur wenige Anmerkungen zu machen. Die Bewertung sollte auch diejenigen Flächen umfassen, die nach steuerfiskalischen Gesichtspunkten bisher noch nicht der Einheitsbewertung unterliegen. Ich meine hier die unkultivierten Flächen, vor allem unkultivierte Moore und auch die Ödlandflächen. Damit würden wir einmal eine Anregung zur Erschließung dieser Moore und Ödlandflächen geben, zum anderen aber den Anfang einer sinnvollen Besiedlung dieser unkultivierten Moore und Ödländereien machen. Damit erhält dieses Gesetz erst einmal den tieferen Sinn. Die Folge wäre, wenn man das akzeptiert, daß auch eine Abteilung für Ödlandflächen in das Gesetz eingebaut wird. — Daß hier eine Gartenbauabteilung eingerichtet worden ist, das scheint mir immerhin ein sehr beachtlicher Fortschritt zu sein.
Es fehlt noch eins in diesem Gesetz, und zwar das Koordinierungsorgan der einzelnen Abteilungen; denn ich habe die Befürchtung, daß, wenn man ein solches Organ nicht einbaut, dann die Bewertungen der einzelnen Abteilungen so durcheinanderlaufen, daß es nachher zu größeren Differenzen führt.
Sehr wichtig scheint uns zu sein, daß der vorläufige Bewertungsbeirat die Funktion des ehemaligen Reichsschätzungsbeirats übernimmt.
Meine Damen und Herren! Zur Bodenschätzung gestatten Sie mir einige Bemerkungen, weil sie die Grundvoraussetzung für die Feststellung der Ertragswerte mit dem Endziel der Neubewertung der Einheitswerte ist, und zwar nach dem Gesetz vom 16. Oktober 1934. Dieses Gesetz hat sich im großen und ganzen bewährt. Aber die Schätzung war jahrelang unterbrochen, und erst nach der Währungsreform sind die Bodenschätzungen wieder aufgenommen worden. Sie laufen auch heute noch. Wenn aber zum 1. Januar 1952 die Hauptfeststellung der Einheitswerte erfolgen soll, dann muß bis dahin die Bodenschätzung abgeschlossen sein. Es ist also dringend notwendig, daß für die Bodenschätzung auch diesbezügliche Mittel bereitgestellt werden. Ich habe vor einigen Tagen Gelegenheit gehabt, mit einigen Schätzungskommissionen draußen zu reden. Nach dem Tempo, das diese Bodenschätzungs-Kommissionen einschlagen, ist allerdings zu befürchten, daß man bis zum Jahre 1952 mit der Bodenschätzung als Grundlage der Neubewertung der Einheitswerte noch nicht zu Ende kommt.
Ich darf ein zweites, ein sachliches Argument sagen. Seit Beginn der Reichsbodenschätzung sind bis jetzt 16 Jahre ins Land gegangen. Seitdem haben wir immerhin einige Erfahrungen gesammelt, und auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind nicht stehengeblieben. Daher wird es notwendig sein, einmal die Zu- und Abschläge insbesondere bei dem Faktor Klima zu überprüfen. Andererseits ist eine Überprüfung der Wertigkeiten der schweren Böden, insbesondere der T- und TL- Böden notwendig, weiterhin aber auch eine Überprüfung der Wertigkeiten der leichten Böden und der Moore. Das muß geschehen, um eine gerechte Anpassung an den heutigen Stand zu gewährleisten, und das kann geschehen durch repräsentative Nachschätzungen in einem vereinfachten Verfahren, das heute bereits bekannt und entwickelt ist. Dazu wird zum dritten die Vorbereitung der Schätzungen der Wälder, Weinberge, Fichereigewässer und der Ödlandflächen notwendig sein. Lezteres ist im alten Gesetz gar nicht vorgesehen. Ich habe aber schon gesagt, warum das notwendig ist.
Das sind nur einige Gesichtspunkte in bezug auf die Bodenschätzung, die zwar im Gesetzentwurf nicht direkt berührt werden, letztlich aber doch von entscheidender Bedeutung sind. Im Ausschuß wird Gelegenheit geboten sein, diese Einzelheiten zu erörtern. Wir sind daran sehr interessiert, weil die Neufestsetzung der Einheitswerte nicht nur für eine gerechte Verteilung der Steuerlast im Lande, sondern auch für die landwirtschaftliche Praxis, insbesondere für die Betriebsberatung und auch für die Verbesserung der Beleihungsunterlagen usw. von enormer Bedeutung ist, zumindest aber sein kann. Ich bitte, die vorliegende Drucksache Nr. 975 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie an den Finanzausschuß zu überweisen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Frey; 12 Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die vorliegende Drucksache Nr. 975 schließt eine Lücke, die unbedingt gefüllt werden muß; denn wie Sie vorhin bei der Einbringung des Gesetzentwurfes hörten, besteht der jetzige Bewertungsbeirat illegal. Im Einvernehmen mit meinen Freunden von der CDU stelle ich den dringenden Antrag, dieses Gesetz beschleunigt zu beraten und zu verabschieden.
Sachlich möchte ich zu den einzelnen Punkten noch folgendes sagen: In § 2 Abschnitt 2 des vorliegenden Entwurfs ist gesagt, daß die Mitglieder durch den Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Vorschlag des Bundesrats berufen werden. Damit ist nicht gesagt, wie und von wem die Mitglieder vorgeschlagen werden, d. h. aus welchem Personenkreis sie sich zusammensetzen sollen. Aber die alten Fassungen dieses Gesetzes, und zwar sowohl vom 10. August 1925 wie auch diejenige vom 16. Oktober 1934, sehen ausdrücklich die Beteiligung der praktischen Landwirtschaft vor oder aber ihre Mitwirkung in den einzelnen Abteilungen der Forstwirtschaft, des Wein- und des Gartenbaues, wofür jetzt eine neue Abteilung eingeführt ist. Deswegen möchte ich heute schon ausdrücklich erklären: Wir wünschen; daß hinter das Wort „Bundesrat" etwa der Satz angefügt wird „nach Anhören der Berufsorganisationen in den verschiedenen Sparten". Ich bin der Meinung, daß wir auch hier die Praxis zu Wort kommen lassen müssen, wie das schon in den vorhergehenden Gesetzen geschehen ist.
In § 2 Abschnitt 2 vierter Absatz ist ebenso kein Hinweis darauf gegeben, was man unter „ausreichende Sachkenntnis" versteht. Die jetzige Fassung des Entwurfs läßt die Möglichkeit offen, daß der Beirat ausschließlich aus sachverständigen Beamten gebildet wird. Ich glaube, eine derartige Lösung entspricht in keiner Weise mehr unserer heutigen Auffassung und kann durchaus nicht als demokratische Selbstverwaltung angesprochen werden. Auch hier müßte meines Erachtens jetzt schon darauf hingewiesen werden, daß in den einzelnen Abteilungen der Land- und Forstwirtschaft usw., wie sie hier gegeben sind, die Praxis möglichst zu Wort kommt und ein gewisser Anteil aus Sachverständigen der Praxis besteht.
In § 4, der sich durch eine außergewöhnliche Kürze auszeichnet, ist nichts über die Aufgaben des Beirats gesagt. Deswegen bin ich der Meinung, man müßte hier zum mindesten darauf hinweisen, wie es auch im Wortlaut der alten Gesetze der Fall ist, daß in der sachlichen Aufgabe des Bewertungsbeirats keine Unterschiede bestehen und daß man unbedingt auf die §§ 43, 46, 47 und 48 des früheren Reichsbewertungsgesetzes zurückgreifen müßte.
Das sind zunächst unsere Vorbemerkungen. Auch wir befürworten die Überweisung des Gesetzes zur weiteren Beratung an den Finanz- und Steuerausschuß sowie an den Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft.
2542 Deutscher Bundestag. - 70. Sitzurig. Bonn, Mittwoch, den 21. Juni 1950
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paul. Sie haben fünf Minuten Redezeit.
Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion ist dafür, daß ein Bewertungsbeirat geschaffen wird. Wir sind allerdings der Auffassung, daß in der Vorbereitungsarbeit zur Hauptfestsetzung der Einheitswerte nicht schon von vornherein jene Absicht verfolgt wird, die Einheitswerte heraufzusetzen; das würde nämlich eine weitere Besteuerung der Landwirtschaft mit sich bringen. Wir wünschen eine gerechte Bodenschätzung; wir wünschen, daß die Bodengröße und die soziale Lage der Betriebe dabei berücksichtigt werden. Wir sind weiter der Meinung, in Anbetracht dessen, daß Deutschland in zwei Teile zerfällt, wäre es richtig, wenn berufene Landwirtschaftskräfte aus den westdeutschen Körperschaften sich einmal zusammensetzen würden mit den Landwirtschaftsfachleuten der Deutschen Demokratischen Republik, um für ganz Deutschland einheitliche Richtlinien der Bodenschätzung zu erarbeiten, um wenigstens auf diesem Gebiete eine weitere Vertiefung der Spaltung Deutschlands zu verhindern.
Wir haben an dem Entwurf des weiteren zu bemängeln, daß der Finanzminister für die einzelnen Abteilungen, die hier genannt werden, die Beisitzer berufen soll, und zwar auf Grund des Vorschlages des Bundesrates. Wir wünschen von unserer Seite, daß vor allen Dingen die bäuerlichen Organisationen - z. B. die Wahlbauern-Genossenschaften und die Landwirtschaftskammern, die jetzt gebildet werden — bei der Abgabe der Vorschläge für diesen Bewertungsbeirat herangezogen werden. Das muß im Entwurf berücksichtigt werden. Wir können nicht mehr nach dem alten Verfahren, wie es früher gehandhabt wurde, weitermachen. Wir werden im Ausschuß diesbezügliche Vorschläge unterbreiten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt, die Drucksache dem Finanzausschuß zu überweisen. Ein weiterer Antrag wünscht Überweisung auch an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Kann man sich nicht im Interesse der Beschleunigung darauf einigen, daß die Angelegenheit dem Finanzausschuß überwiesen wird und daß die Fraktionen zu den Sitzungen des Finanzausschusses der landwirtschaftlichen Dinge kundige Mitglieder schicken. Damit würde man allem gerecht. Es erhebt sich kein Widerspruch. Die Angelegenheit wird an den Finanzausschuß überwiesen.
Dann rufe ich als Punkt 5 der Tagesordnung die Drucksache Nr. 1023 auf, deren Behandlung nachträglich vereinbart worden ist. Es handelt sich um die
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn.
Ich schlage Ihnen vor, als Punkt 6 den Punkt 5 der gedruckten Tagesordnung gleichzeitig aufrufen zu dürfen,
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost .
Für beide Anträge soll die Zeit zur Einbringung der Begründung 10 Minuten und die Gesamtdebatte für beide Anträge 40 Minuten betragen. Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen. Wer will das Gesetz seitens der Regierung begründen? Der Herr Staatssekretär Dr. Frohne. Ich erteile ihm das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den beiden bereits den Ausschüssen des Hohen Hauses zur Beratung vorliegenden Gesetzentwürfen über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen, der Bundesautobahnen und der Bundesstraßen des Fernverkehrs habe ich nunmehr die Aufgabe, einen Gesetzentwurf über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn einzubringen. Damit ist dann die Reihe der das Verkehrsressort betreffenden Gesetzentwürfe über das ehemalige Reichsvermögen abgeschlossen. Nach Art. 87 des Grundgesetzes werden die Bundeseisenbahnen in bundeseigener Verwaltung geführt. Entgegen der besonderen Regelung des Eigentums an den Bundeswasserstraßen, den Bundesautobahnen und den Bundesstraßen des Fernverkehrs hat man dem Bundeseisenbahnvermögen keine besondere Bestimmung im Grundgesetz zugedacht; vielmehr fällt das Sondervermögen des Reiches, das dem Betrieb der Reichseisenbahnen gewidmet war, nach dem Grundgesetz — und zwar nach Art. 134 Abs. 1, der das Schicksal des Reichsvermögens allgemein regelt — in das Vermögen des Bundes. Das Ihnen vorliegende Gesetz soll hierzu, wie es in Art. 134 Abs. 4 vorgesehen ist, das Nähere regeln.
Das Gesetz dient nicht der Ausführung des Art. 130 des Grundgesetzes. Es läßt deshalb die gegenwärtigen organisatorischen und verwaltungsrechtlichen Verhältnisse der Bundesbahn im ehemaligen Vereinigten Wirtschaftsgebiet und bei der Betriebsvereinigung der südwestdeutschen Eisenbahnen unberührt. Es greift auch nicht der künftigen Gestaltung der Deutschen Bundesbahn durch das Bundesbahngesetz vor. Diese Feststellung hat bei der Beratung des Entwurfes im Bundesrat eine besondere Rolle gespielt; sie wurde auf Vorschlag des Bundesrates auch in der Begründung verwertet.
Wenn die Vorlage die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn nun noch vor Erlaß des Bundesbahngesetzes regelt, so findet das seinen wesentlichen Grund in dem weiteren Zweck, den das Gesetz verfolgt. Es soll nämlich hinsichtlich des Bundeseisenbahnvermögens gewisse Rechtswirkungen des Gesetzes Nr. 19 der amerikanischen Militärregierung und der Verordnung Nr. 217 des französischen Oberkommandos in Deutschland aufheben. Diese beiden Gesetze haben über das Reichsvermögen in der amerikanischen und französischen Zone eine vom Grundgesetz abweichende Bestimmung getroffen. In beiden Militärregierungsgesetzen ist das Reichseisenbahnvermögen den Ländern, in denen es gelegen ist, treuhänderisch für den Bund übertragen worden. Nach beiden Gesetzen kann jedoch die gesetzgebende Körperschaft des Bundes binnen eines Jahres nach Errichtung der Deutschen Bundesrepublik diejenigen treuhänderisch auf die Länder übertragenen Vermögenswerte bezeichnen, die sie in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz für den Bund in Anspruch nehmen will: andernfalls werden sie endgültig Eigentum der Länder.
Die Vorlage erwähnt die beiden Militärregierungsgesetze im Gesetzestext zwar nicht ausdrücklich. Ihre enge Verbindung zu ihnen wirkt sich jedoch -
darauf möchte ich vorsorglich hinweisen — in manchen Bestimmungen aus. Die Notwendigkeit einzelner Bestimmungen des Entwurfs wie z. B. die des § 1 Abs. 3 über das Vermögen von Gesellschaften, an denen die Reichsbahn eine Beteiligung besaß, oder die des § 6 über das Vermögen an derartigen Gesellschaften, die ihren Sitz im sowjetisch besetzten Gebiet haben, ist nur im Zusammenhang mit dem Gesetz Nr. 19 bzw. der Verordnung Nr. 217 voll verständlich: In der Begründung ist die gegenseitige Beziehung der Gesetzentwürfe zu den beiden Militärregierungsgesetzen daher eingehend erörtert worden.
Was nun die gesetzlichen Bestimmungen im einzelnen anlangt, so lehnt sich der Text dieses Gesetzes eng an die Gesetzentwürfe über die Bundeswasserstraßen, die Bundesstraßen und insbesondere auch über das Postvermögen an. Entsprechend der Verwaltung des bisherigen Reichseisenbahnvermögens sieht das Gesetz die Verwaltung des Bundeseisenbahnvermögens als Sondervermögen des Bundes vor. Wie dieses Sondervermögen im einzelnen zu verwalten ist, wird später das Bundesbahngesetz bestimmen.
Ich möchte bei der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit nur auf zwei Bestimmungen des Gesetzes besonders hinweisen. Einmal handelt es sich um die im § 2 Absatz 2 ausgesprochene Übernahme von Verpflichtungen der Länder Rheinland-Pfalz, Baden und Württemberg-Hohenzollern gegenüber der Betriebsvereinigung der südwestdeutschen Eisenbahnen auf das Sondervermögen Deutsche Bundesbahn. Die Länder dieser Zone haben nämlich die ehemaligen Reichseisenbahnen in ihrem Bereich in Form einer mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten gemeinnützigen Anstalt des öffentlichen Rechts der „Betriebsvereinigung der südwestdeutschen Eisenbahnen" betrieben und sind dieser Anstalt gegenüber zur Deckung von etwaigen Fehlbeträgen in der Betriebsrechnung verpflichtet. Nachdem nunmehr das Reichseisenbahnvermögen dem Bund zufallen soll, müssen die Länder billigerweise von dieser Verpflichtung entbunden werden.
Zum anderen wird in § 6 des Entwurfs die Mehrheitsbeteiligung der Reichsbahn an Gesellschaften geregelt, die zwar nicht ihren Sitz, aber doch Teile ihres Vermögens in der Bundesrepublik oder in West-Berlin haben. Es handelt sich hier insonderheit um das Vermögen der ehemaligen Mitropa. Diese Vermögenswerte sollen in Anlehnung an die für solche Vermögensobjekte vorgesehene Regelung der beiden vorhin erwähnten Militärregierungsgesetze einer neu zu gründenden Gesellschaft übertragen werden. Die Haftung für die Verbindlichkeiten der alten Gesellschaft ist dabei in einer Weise geregelt worden, die den tatsächlichen Gegebenheiten gerecht wird.
Der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf zugestimmt und lediglich eine von der Bundesregierung angenommene Neufassung des letzten Absatzes des allgemeinen Teiles der Begründung vorgeschlagen, durch den besonders hervorgehoben wird, daß die Rechtsverhältnisse der Betriebsvereinigung der südwestdeutschen Eisenbahnen durch das Gesetz nicht berührt werden.
Zum Schluß noch eine Frage zur Termingebundenheit des Gesetzes. Nach neuerlichen Äußerungen von Vertretern der alliierten Hohen Kommission hat die in den beiden Militärregierungsgesetzen festgelegte Jahresfrist nicht schon mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, am 24. Mai 1949, sondern erst am 21. September 1949, also mit dem Zeitpunkt, in dem die Bundesrepublik durch Bildung ihrer Regierung handlungsfähig geworden ist, zu laufen begonnen. Es sollte daher angestrebt werden, daß Gesetz spätestens bis zum 20. September 1950 der Hohen Kommission vorzulegen.
Ich bitte das Hohe Haus, den Gesetzentwurf zu genehmigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Schmid: Seitens der Regierung wäre noch die Drucksache Nr. 976 zu begründen: Entwurf eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost. Ist jemand da? — Es scheint niemand da zu sein.
— Wollen Sie diesen Antrag ordnungsgemäß, d. h. von der Tribüne aus stellen?
— Dann müssen Sie sich hier heraufbemühen. Der Herr Abgeordnete Mellies hat das Wort zur Geschäftsordnung.
Meine Damen und Herren! Wir haben hier schon häufig beanstanden müssen, daß die Herren Minister es nicht für erforderlich halten, bei der Beratung wichtiger Vorlagen zu erscheinen.
Wenn heute der Herr Postminister im Hause nicht anwesend ist, kann auch die Vorlage nicht beraten werden. Ich mache dabei ausdrücklich darauf aufmerksam, daß manche Verzögerung in der Arbeit des Parlaments auch darauf zurückzuführen ist, daß die zuständigen Herren des Kabinetts nicht zugegen sind. Ich glaube, dieser Hinweis ist besonders deshalb gerechtfertigt, weil wir von seiten des Kabinetts gelegentlich Vorwürfe bekommen, daß das Parlament nicht so arbeite, wie es erforderlich wäre.
Ich beantrage deshalb die Herbeirufung des Herrn Postministers und beantrage ferner, die Beratung der Vorlage so lange auszusetzen, bis er im Hause anwesend ist.
Es ist mir soeben mitgeteilt worden, daß der Herr Postminister sich auf dem Wege hierher befinde. Wir stellen am besten die Beratung der Sache bis zu seinem Eintreffen zurück.
Ich rufe als nächsten Punkt der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, BP, DP und des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung des Lohnstops .
Zur Begründung hat das Wort der Herr Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 2 des am 3. November 1948 vom Wirtschaftsrat verabschiedeten Gesetzes zur Aufhebung des Lohnstops ist eine Ausnahme festgelegt worden. Danach sollte bei Vereinbarung ungünstigerer Arbeitsbedingungen, soweit sie nicht durch die Tarifparteien erfolgt, die Zustimmung der Arbeitsbehörde notwendig sein. Diese Ausnahmebestimmung war befristet. Zuletzt wurde durch Beschluß des Bundestags vom 5. Dezember 1949 der Ablauf dieser Bestimmung auf den 30. Juni 1950 festgelegt. Den Antragstellern erscheint aber aus folgenden Gründen eine Weitergeltung der fraglichen gesetzlichen Bestimmungen notwendig.
Zunächst einmal liegt dem Bundestag ein Gesetz über die Schaffung von Mindestarbeitsbedingungen vor. Weiterhin wird in aller Kürze das Heimarbeitsgesetz vorgelegt werden, das vom Bundesrat bereits beraten wurde. In diesen beiden Gesetzentwürfen werden Dinge behandelt, die den gleichen Fragenkomplex betreffen. Die Antragsteller sind der Meinung, daß die bisherigen Bestimmungen weitergelten sollten, damit diese Gesetze in Ruhe beraten werden können. Die Antragsteller sind aber auch deshalb der Auffassung, daß eine Weitergeltung zweckmäßig ist, weil die augenblickliche Arbeitsmarktsituation unter Umständen einen Anreiz dazu bieten könnte, gerade dort eine Verschlechterung von Arbeitsbedingungen durchzuführen, wo sie am wenigsten gewünscht wird. Aus allen diesen Gründen dürfte die Verlängerung notwendig sein. Die Verlängerung ist auf den 30. Juni 1951 befristet. Die antragstellenden Parteien haben mich ferner beauftragt, hier den Antrag zu stellen, daß die zweite und dritte Beratung des Gesetzes, die ursprünglich für morgen vorgesehen war; schon heute erfolgt.
Ich eröffne die Aussprache der ersten Beratung. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache der ersten Beratung.
Wir kommen zur
zweiten Beratung.
Ich rufe § 1 auf und eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich rufe § 2, Einleitung und Überschrift auf. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache der zweiten Beratung.
Wer für § 1, § 2, Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! - Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wer für § 1, § 2, Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
— Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für das Gesetz im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Dann rufe ich den nächsten Punkt, Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP betreffend Wahl von Beisitzern für den Spruchsenat beim Hauptamt für Soforthilfe .
Hierzu liegt ein Abänderungsantrag der Bayernpartei auf Drucksache Nr. 1071 vor. Wer soll den Antrag begründen? — Das Wort hat Herr Abgeordneter Kunze.
Meine Damen und Herren! Nachdem der Wirtschaftsrat in einer seiner letzten Sitzungen beschlossen hat, auf die Benennung von Beisitzern für den Spruchsenat beim Hauptamt für Soforthilfe zu verzichten und die Benennung dem Deutschen Bundestag zu übertragen, haben sich sämtliche Fraktionen im Ausschuß für den Lastenausgleich darüber verständigt, daß die Vertreter der drei größten Fraktionen, der SPD, der CDU/CSU und der FDP, benannt und dann durch interfraktionellen Antrag dieser drei Fraktionen dem Plenum vorgeschlagen werden sollten. Das ist hiermit geschehen. Ich bitte, der Vorlage der drei Parteien zuzustimmen.
Soll der Abänderungsantrag begründet werden? — Das Wort Herr Dr. Seelos. Vielleicht darf ich, ehe Sie beginnen, darauf hinweisen, daß der Antrag, so wie er jetzt gefaßt ist, hier eigentlich nicht gut beraten und über ihn nicht beschlossen werden kann. Sie müssen ja Personen nennen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eben die Rede davon gewesen, daß das eine einmütige interfraktionelle Vereinbarung sei. Ich kann nur feststellen, daß wir in keiner Weise hinzugezogen worden sind. Wir sind deshalb, als wir gestern diese Vorlage bekamen, nicht in der Lage gewesen, Namen so rasch für die Gruppen zu benennen, die wir noch zusätzlich vorschlagen wollten.
Ich darf zur Begründung meines Abänderungsantrages folgendes sagen. Es war immer die Politik der Bayernpartei, daß sämtliche Kriegsopfer, sämtliche Kriegsgeschädigten einheitlich behandelt werden, daß nicht mehr nur einzelne Gruppen vertreten sind oder Vorteile bekommen, sondern daß zum Beispiel auch die großen Gruppen der Währungsgeschädigten und der Besatzungsgeschädigten berücksichtigt werden. Sie mögen vielleicht mehr aus alteingesessener Bevölkerung kommen. Aber es hat doch keinen Sinn, die alteingesessene Bevölkerung bei diesen Entschädigungen oder diesen Beteiligungen schlechter zu behandeln als andere Kriegsopfer.
Man hat nun den Einwand gebracht, daß das vielleicht nicht möglich sei oder daß Zweifel bestünden, ob auch die Besatzungsgeschädigten in diesem Spruchsenat vertreten werden könnten, weil der § 31 des Soforthilfegesetzes diese Gruppe nicht vorsehe. Die Bayernpartei hat bereits am 15. Mai den Antrag gestellt, daß diese Gruppen der Besatzungsgeschädigten nach § 73 unter Härtefälle aufgenommen werden, was ja möglich ist. Über den Antrag ist noch nicht beraten worden. Aber ich glaube, man kann schon jetzt diese Gruppe als Härtefälle nach § 73 mit hineinnehmen.
Ich bitte deshalb, diesem Antrag der Bayernpartei zuzustimmen. Wir behalten uns vor, die Namen noch zu nennen.
Herr Abgeordneter, ich kann diesen Antrag so nicht zur Aussprache stellen. Sie müssen Namen nennen. Wir sollen ja Personen wählen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Zunächst: es handelt sich um einen interfraktionellen Antrag, der von den drei größten Fraktionen des Hauses gestellt worden ist. Ich glaube, bei der Verteilung der Sitze, die vorgesehen sind, war eine andere Aufteilung, eine andere Lösung nicht möglich.
Zweitens möchte ich aber Herrn Seelos sagen, daß wir heute nicht Entscheidungen treffen und nicht Wahlen vornehmen können, wenn nicht die notwendigen gesetzlichen Bestimmungen vorliegen. Wenn er hier fordert, daß auch die Besat-
zungsgeschädigten aufgenommen werden sollen, dann verstößt das einfach gegen die jetzigen Bestimmungen des Soforthilfegesetzes.
Es ist völlig ausgeschlossen, daß wir nach dem hier vorliegenden Antrag verfahren. Ich bitte deshalb, diesen Antrag abzulehnen und die Wahl entsprechend dem interfraktionellen Antrag vorzunehmen.
Es ist ein weiterer Abänderungsantrag eingegangen, unterschrieben von dem Abgeordneten Fisch. Von wieviel Abgeordneten wird der Antrag unterstützt?
- Nach § 49 haben Sie 10 Unterschriften beizubringen.
— In diesem Hause können nur Abgeordnete einen Antrag einbringen, die im Vollbesitz der Möglichkeit sind, als Abgeordnete tätig zu werden; ausgeschlossene Abgeordnete sind es nicht.
— 9. Also fehlt einer. Nach § 49, der überschrieben ist: „Anträge von Abgeordneten" und der lautet:
Anträge von Mitgliedern des Bundestags müssen . . . mindestens 10 Unterschriften tragen, reicht das nicht zur Unterzeichnung des Antrags aus. Änderungsanträge zu Anträgen, die nur einer einmaligen Beratung bedürfen, müssen von 10 Mitgliedern unterstützt werden.
- Wer unterstützt den Antrag?
— Ich verlese ihn:
Der Bundestag wolle nachstehende Abänderung beschließen:
Als Vertreter der Vertriebenen:
Zweiter Stellvertreter: Alfred Hadek, Mitglied
des Hauptausschusses für Flüchtlingsfragen
des Landes Bayern, wohnhaft in Peutenried,
Post Unterbrünn über Starnberg, Siedlung. Als Vertreter der politisch, rassisch und religiös Verfolgten:
Beisitzer: Emil Carlebach, Abgeordneter des Landtages von Hessen, wohnhaft in Frankfurt/Main, Niedenau 72.
Unterstützt niemand?
— Ich meine: mit Ausnahme der kommunistischen Abgeordneten.
— Wollen Sie das Wort, um Unterstützung zu erbitten?
— Es sind also nach wie vor nur 9 Abgeordnete, die
den Antrag unterstützen. Damit kann ich ihn nach
der Geschäftsordnung nicht zur Beratung stellen.
— Zur Geschäftsordnung?
— Ich kann den Antrag nicht zur Beratung stellen, wenn Sie nicht —
- Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei dem vorgelegten Antrag meiner Fraktion um Vorschläge für die Besetzung eines Ausschusses, der wichtig ist für die Zuteilung von Zahlungen aus der Soforthilfe und die Behandlung der Soforthilfe.
Wir nehmen für uns in Anspruch, daß sich in unseren Reihen die meisten Leute aus den Kreisen der politisch Geschädigten befinden.
— Sie wollen doch wohl nicht behaupten, daß Sie von Ihrer Seite nennenswerten Widerstand gegen Hitler geleistet hätten!
Wir verlangen und beantragen deshalb, daß unsere Vorschläge ebenfalls berücksichtigt werden.
Ich kann auch den Worten des Herrn Präsidenten nicht folgen. Abgeordnete, die ausgeschlossen sind, zählen doch immerhin zur Fraktion.
Ich bitte deshalb, den Antrag, der hier vorgelegt wurde, zurückzustellen und die ganze Frage noch einmal im Hauptausschuß zu besprechen. Es geht jedenfalls nicht, daß hier einfach hinter dem Rükken der übrigen Fraktionen Abmachungen getroffen werden, mit denen eine bestimmte Fraktion vergewaltigt werden soll.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich stelle noch einmal fest, daß der Antrag der kommunistischen Fraktion nicht zur Beratung steht. § 51 der Geschäftsordnung steht dem entgegen. Ich kann deswegen auch weder der Bitte, die hier ausgesprochen worden ist, selbst nachkommen noch dem Hause empfehlen, der Bitte, die Sache zurückzustellen, zu entsprechen.
Ich lasse zunächst über den Abänderungsantrag der Bayernpartei Drucksache Nr. 1071 abstimmen. Wer dafür ist, daß der Antrag Drucksache Nr. 1047 im Sinne dieses Abänderungsantrages abgeändert wird, den bitte ich, die Hand- zu erheben. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Dann lasse ich über den Antrag Drucksache Nr. 1047 abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe als Punkt 9 die Ziffer 8 der gedruckten Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen betreffend Wiederherstellung von Autobahnen .
Das- Wort hat der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Günther.
Meine Damen und Herren! Dem Ausschuß lagen die Anträge Drucksachen Nr. 228, 365 und 407 vor. Der Ausschuß hat sich in mehreren Sitzungen mit der Materie befaßt, und die Regierung hat dem Ausschuß auch das notwendige Material vorgelegt und Pläne für den Ausbau und die Fertigstellung von Autobahnen gebracht. Der Ausschuß war sich darüber im klaren, daß die Behandlung dieser Anträge nur im Rahmen der Gesamtwiederherstellung bzw. des Ausbaues von Bundesstraßen erfolgen könne. Die Regierung hat auch Kostenvoranschläge vorgelegt.
Bei dem ersten Antrag geht es um die Vollendung bzw. teilweise Wiederherstellung der Autobahn Hamburg-Kassel. Es handelt sich um eine Strecke von 245 km, die einen Kostenaufwand von rund 385 Millionen erfordern würde. Bei dem zweiten Projekt handelt es sich um die Strecke Aachen-Köln, die zu einem Teil fertiggestellt ist und einen Kostenaufwand von 60 Millionen Mark erfordert, und bei dem dritten Antrag handelt es sich um die Wiederherstellung der in Betrieb gewesenen Strecke Köln-Lennep, die Kosten in Höhe von 4,4 Millionen Mark verursacht.
Der Ausschuß war sich im klaren, daß diese Autobahnen nicht auf einmal hergestellt werden können. Die Regierungsvertreter haben angekündigt, daß Mittel für einen Teil in diesen Etat eingesetzt werden würden. Wir sind darüber übereingekommen, daß grundsätzlich zunächst die Strekken wieder in Betrieb genommen werden sollen, die bereits in Betrieb waren und infolge von Kriegszerstörungen brachliegen. Des weiteren sollen vordringlich die Strecken weiter ausgebaut werden, bei denen schon weitgehend ein Ausbau stattgefunden hat und die als Ruinen brachliegen. Erst wenn diese Arbeiten durchgeführt sind, will man an die Projektierung neuer Autobahnen herangehen.
Bei dem ersten Projekt handelt es sich um eine Fernstraße, die von Skandinavien nach der Schweiz geht, die Straße E 4, und bei dem zweiten Antrag, bei der Straße Köln-Aachen, handelt es sich um die Fernstraße Brüssel-Köln-Frankfurt-Balkan, die auch von internationaler Bedeutung ist und bei der vor allen Dingen zu beachten ist, daß die belgische Regierung Vorarbeiten für Autobahnen in Belgien selbst macht, die bis zum Jahre 1954 fertiggestellt sind. Es besteht eine Notwendigkeit, daß diese belgische Fernstraße mit der fertigzustellenden Straße an das Autonetz in Deutschland angeschlossen wird.
Man war der Auffassung, daß noch mehrere Anträge über den Ausbau von Straßen im Ausschuß gestellt werden würden, was in späteren Sitzungen auch geschehen ist. Deswegen waren wir einstimmig der Ansicht, daß das Gesamtproblem der Autobahnen gemeinsam gesehen werden muß. Der Ausschuß hat dann beschlossen:
Die Bundesregierung zu ersuchen,
1. zur Fertigstellung bzw. zur Wiederherstellung der Autobahnen entsprechende Beiträge für das Haushaltsjahr 1950 bereitzustellen und
2. zu untersuchen, inwieweit der Erwerbslosenstock gegebenenfalls für die Finanzierung der Wiederherstellung der Autobahnen herangezogen werden kann, da angenommen wird, daß sich die hierfür zu beschäftigenden Arbeitskräfte vornehmlich aus zur Zeit Arbeitslosen zusammensetzen.
Ich bitte, daß Sie diesem Beschluß des Ausschusses Ihre Zustimmung geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich bitte um Ihre Genehmigung, vor Eröffnung
der Aussprache als zehnten Punkt den Punkt 9 der
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Ritzel als Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen im Namen des Haushaltsausschusses über die von dem Herrn Präsidenten soeben zitierten sechs Anträge zu berichten, soweit sie in die Kompetenz des Haushaltsausschusses fallen. Es handelt sich nicht um eine materielle Wertung der einzelnen Anträge, sondern um das Ergebnis einer Überlegung des Haushaltsausschusses, das in dem Mündlichen Bericht nach Drucksache Nr. 1048 dem Hause mitgeteilt werden soll.
Aus Anlaß der haushaltsrechtlichen Behandlung der Drucksache Nr. 441, des Antrages der Abgeordneten Dr. Etzel , Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei über den Ausbau von Straßen hat sich der Haushaltsausschuß grundsätzlich mit der Frage der Finanzierung bzw. der Etatisierung der angeforderten Beträge zu befassen gehabt. Die Kompetenz in materieller Hinsicht in bezug auf die Bewertung der Wichtigkeit, Dringlichkeit oder Vordringlichkeit der einzelnen über den Antrag Nr. 441 hinaus noch gestellten Anträge steht selbstverständlich dem zuständigen Fachausschuß zu. Aber der Haushaltsausschuß mußte sich mit der Frage auseinandersetzen, wie die Finanzierung etwa vom Bundestag anzunehmender Anträge zu erfolgen habe. Er hat daher grundsätzlich dahin Stellung genommen, daß die vorliegenden sechs Anträge der Bundesregierung als Material zu überweisen seien und daß in bezug auf ihre Berücksichtigung bei der Beratung des Bundeshaushalts für das Jahr 1950 die Entscheidung nach entsprechender Vorbereitung durch den zuständigen Fachausschuß zu fallen habe.
Der Haushaltsausschuß hat weiterhin die Frage aufgeworfen, ob gemäß § 3 des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 eine Vorwegbewilligung in dem einen oder anderen Falle in Betracht kommt. Er hat — ich darf Sie bitten, den Antrag des Ausschusses zur Hand zu nehmen — im Schlußsatz ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nach seiner Prüfung in den vorliegenden Anträgen Projekte von besonderer Dringlichkeit enthalten sind, so daß also eventuell die Vorwegbewilligung von Mitteln auf Grund des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1950 in Frage käme.
Im Haushaltsausschuß ist dann weiter die Frage aufgeworfen worden, inwieweit der eine oder andere Antrag, um den es sich hier handelt, etwa im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms eine besondere Berücksichtigung finden soll.
All das soll, ohne daß eine Behandlung der einzelnen Anträge heute erfolgen soll, zunächst einmal abgeklärt werden, da ja mit der Bewilligung der Mittel unfehlbar auch die Deckungsvorlage fällig wird.
Im Namen des Haushaltsausschusses empfehle ich Ihnen daher, den Antrag des Ausschusses anzunehmen: Der Bundestag wolle beschließen, die erwähnten Drucksachen der Bundesregierung als Material für den Bundeshaushaltsplan 1950 zu überweisen und die Bundesregierung zu ersuchen, etwaige Vorwegbewilligungen ihrerseits zu prüfen und dem Hause in Vorschlag zu bringen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Aussprache über diese zwei Punkte auf insgesamt 40 Minuten zu beschränken. — Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Nöll von der Nahmer. Sie haben 5 Minuten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt die wohlabgewogene und vorsichtige Stellungnahme unseres Haushaltsausschusses zu den zahlreichen Anträgen, die hier unter Punkt 9 der Tagesordnung zusammengefaßt sind. Auch bei parlamentarischen Berichten muß man oft noch zwischen den Zeilen lesen. Der Kundige wird, nachdem er den Bericht des Herrn Berichterstatters gehört hat, die Stellungnahme des Haushaltsausschusses zu diesen Anträgen richtig verstehen. Meine Freunde werden dem Vorschlag des Haushaltsausschusses zustimmen.
Meine Fraktion hat sich entschlossen, ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu diesen Vorlagen vortragen zu lassen. Es ist selbstverständlich, daß, wenn in diesem Hohen Hause ein Antrag gestellt wird, er gründlich überlegt ist, daß er vorher von den Antragstellern sorgfältig geprüft wird und daß unsere Kollegen, die einen solchen Antrag stellen, nach bestem Wissen und Gewissen glauben, damit einen der vielen dringenden Notstände beseitigen zu können. So erklärt es sich auch, daß die Fachausschüsse diesen Anträgen meistens zustimmen. Für die Mitglieder des Haushaltsausschusses ist es dann keine reine Freude, wenn sie immer auf die engen finanziellen Möglichkeiten hinweisen müssen und diesen Anträgen nicht, wie es ihr Herz gern möchte, einfach zustimmen können. Es ist eine Selbstverständlichkeit, die leider nicht als solche gewertet wird: Jede Mark kann immer nur einmal ausgegeben werden.
Wir fürchten nun eins. Wir haben eine Reihe ganz vordringlicher Aufgaben zu erfüllen. Vom Standpunkt meiner Fraktion rechnet dazu in erster Linie die Regelung einer angemessenen Versorgung unserer kriegsgeschädigten Mitbürger und früheren Kameraden. Es ist die größte Ehrenpflicht unseres Volkes, daß hier das Menschenmögliche geschieht. Die zweite große finanzielle Aufgabe ist die Durchführung des Art. 131 der Bundesverfassung; denn hier handelt es sich um Rechtsansprüche, und vor allen anderen Aufgaben müssen die Rechtsansprüche befriedigt werden. An diesen Forderungen lassen meine Freunde nicht rütteln. Jeder neue Antrag, der angenommen wird, muß aber zwangsläufig die sehr enge finanzielle Basis, die uns nun einmal gegeben ist, entsprechend einengen, und das ist es, wovor wir hier warnen möchten: Daß wir uns selber durch Anträge, die an sich durchaus zweckmäßig sein mögen. die aber jedenfalls nicht lebensnotwendig sind, den uns zur Verfügung stehenden finanziellen Spielraum einengen.
Meine Damen und Herren! Man kann zu der berühmten Denkschrift des Herrn Bundesfinanzministers, der Drucksache Nr.1000, über unsere Haushaltslage sehr viel sagen. Das eine ist ja wohl nicht zu leugnen, wie man auch Einzelheiten beurteilen mag, daß unser finanzieller Spielraum ganz außerordentlich eng ist, und deshalb haben wir vom Standpunkt unserer Fraktion aus das dringende Anliegen, daß wir, solange wir in der Haushaltslage nicht klar sehen, von unserer Regierung, die in dieser Sitzung leider nicht vertreten ist, die sorgfältigste Prüfung all der Anträge hinsichtlich der Frage erbitten, was wirklich am vordringlichsten ist, was im Interesse unseres Volkes unbedingt gemacht werden muß, und daß auf der andern Seite bis zur Erledigung der dringenden Kriegsbeschädigtenversorgung und der Ausführungsgesetze zu Art. 131 alles andere zurückgestellt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! Wir Kommunisten sind in Anbetracht der Finanzwirtschaft des westdeutschen Staates nicht der Auffassung, daß es richtig wäre, hier einen großzügigen Autobahnbau zu beginnen. Wir sind auch deshalb gegen den weiteren Ausbau der Autobahnen, weil diese von Hitler aus strategisch-militärischen Gründen gebaut wurden. Wir haben von dieser Kriegsstrategie genug. Wir sollten uns auf die Wiederinstandsetzung der noch vorhandenen Straßen beschränken; da ist genug zu tun. Wir wenden uns auch dagegen, daß Mittel aus dem Arbeitslosenstock für Autobahnbauten zur Verwendung kommen. Diese Mittel sollen der Unterstützung der Arbeitslosen und nicht der Finanzierung von militärisch-strategischen Straßen dienen, die vielleicht einzig und allein den imperialistischen Kriegstreibern dienen sollen.
Wir können aus diesem Grunde dem Ausschußbericht nicht zustimmen. Wir wünschen vielmehr, daß die normalen Straßen wieder instandgesetzt werden.
Meine Damen und Herren, es haben sich noch drei Abgeordnete der Fraktion der CDU gemeldet. Die Fraktion hat insgesamt 8 Minuten n Redezeit. Ich bitte also die Herren, sich entsprechend einzuteilen. Nach Ablauf der 8 Minuten werde ich erbarmungslos die Glocke schwingen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ehlers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nicht in strategische Erwägungen einlassen, die der Abgeordnete Paul angeschnitten hat. Er versteht sich offenbar besser darauf als wir.
Nur zu dem, was Herr Kollege Nöll von der Nahmer gesagt hat, möchte ich etwas ausführen. Auch wir vertreten den Standpunkt, daß in der gegenwärtigen Situation die äußerste Sparsamkeit vonnöten ist. Wir haben allerdings den Eindruck, daß man eine Notwendigkeit nicht gegen die andere ausspielen sollte. Es ist doch wohl so, daß wir heute eine Regelung finden müssen, die allen dringenden Notwendigkeiten, welche an uns herantreten, gerecht wird.
Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß Anträge, die von einzelnen Mitgliedern des Hauses gestellt sind und die örtlich oder landschaftlich bedingte Notwendigkeiten anschneiden, gegenüber den auch von uns anerkannten großen Aufgaben wie etwa der Versorgung der Kriegsbeschädigten und der Regelung der Verhältnisse gemäß Art. 131 des Grundgesetzes etwas als zweit-
rangig angesehen werden. Ich darf das an einem Beispiel erläutern, etwa an dem Antrag, der nicht von uns, sondern von Kollegen von der SPD gestellt worden ist, auf Errichtung eines Sperrwerks in der Leda bei Leer in Ostfriesland. Es handelt sich da um ein Projekt, bei dem ein Gebiet von 75 000 Hektar, das heute jedesmal bis in den Sommer hinein durch die Hochwasser der Ems überflutet ist, einer geordneten und erfolgreichen landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden kann. Meine Damen und Herren, ich halte ein solches Projekt gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Beschaffung von Arbeit und der Sicherung der Lebensnotwendigkeiten unseres Volkes für so dringlich, daß ich glaube, wir können uns diesen Aufgaben nicht entziehen und können jedenfalls gegenüber solchen und ähnlichen dringenden Aufgaben nicht auf andere ebenso dringende und wichtige Aufgaben hinweisen. Wir werden bei allen Verhandlungen im Bundestag und im Haushaltsausschuß darauf zu achten haben, daß wir all diesen Notwendigkeiten gerecht werden und daß die dringenden Anliegen, die etwa in diesem Antrag und in anderen Anträgen vorgebracht worden sind, wirklich erfüllt werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Morgenthaler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Berichterstatter zu Punkt 8 der Tagesordnung hat schon darauf hingewiesen, daß der Ausbau der Autobahnen nur in der allgemeinen Regelung des ganzen Problems vor sich gehen kann. Er hat ferner erwähnt, daß im Ausschuß noch andere Anträge gestellt worden sind. Zu diesen Anträgen, die hier vordringlich sind, gehört der Antrag auf Ausbau der Autobahn Dänemark-Schweiz nicht nur von Norden, von Dänemark her, sondern auch nach Süden, von Karlsruhe aus gegen die Schweiz. Hier ist die Weiterführung notwendig, zumal ein großer Teil der Erdbewegungsarbeit schon ausgeführt ist, nämlich bis auf die Höhe von Baden-Baden. Es wäre deshalb wünschenswert, daß dieser Antrag mitberücksichtigt wird.
Wir sind in unserer Fraktion der Meinung, daß die Regierung einmal ein Verzeichnis all der Autobahnstrecken vorlegen sollte, die schon in Angriff genommen sind und noch des Ausbaus harren, damit die Möglichkeit bestünde, unter allen diesen Strecken diejenigen festzustellen, welche am vordringlichsten ausgebaut werden sollten.
Es ist ferner notwendig, daß endlich auch einmal die Besitzverhältnisse hinsichtlich der schon begonnenen Autobahnstrecken geregelt werden und unsere Landwirte, die vielleicht schon seit Jahren keine Pacht erhalten, endlich zu ihrem Recht kommen. Gerade bei der weitergeführten Südstrecke von Baden-Baden aus gegen Appenweiler mit einem Arm nach Straßburg haben wir Strecken, die schon ausgehoben waren und zum Teil wieder zugeworfen sind. Unsere Bauern müssen für diese Geländestreifen unter allen Umständen eine Entschädigung erhalten. Wenn es schon nicht möglich ist, die Autobahnstrecke im ganzen auszubauen, dann muß es doch wenigstens möglich sein, soviele Mittel im Haushalt zur Verfügung zu stellen, daß die notwendigen Entschädigungen hinsichtlich der angefangenen Autobahnstrecken an unsere Bauern gezahlt werden.
Das Wort hat der Herr $ Abgeordnete Solleder. Sie haben noch 3 1/2 Minuten Redezeit.
Meine Damen und Herren! Soweit die unter Punkt 9 der Tagesordnung aufgeführten Drucksachen in Frage kommen, ist insofern eine gewisse Panne eingetreten, als der Verkehrsausschuß dazu bereits materiell Stellung genommen hat. Ich erkenne die grundsätzliche Bedeutung der finanziellen und haushaltsplanmäßigen Seite durchaus an; aber es geht doch nicht, daß der Haushaltsausschuß von vornherein darüber bestimmt, welches Schicksal ein materiell begründeter Antrag hat. Schließlich ist das Hohe Haus dafür da, eine Entscheidung zu fällen, ob, inwieweit und in welcher Rangfolge die einzelnen Probleme zu behandeln sind. Selbstverständlich sind die Mittel des Staates für den beantragten Ausbau maßgebend; aber ich bin der Auffassung, daß dem Hause auch die Beschlüsse vorgetragen werden müssen, die der Verkehrsausschuß zu den unter Punkt 9 der Tagesordnung aufgeführten Anträgen gefaßt hat. Ich bitte daher, daß die Punkte 8 und 9 von der heutigen Tagesordnung abgesetzt werden und dem Verkehrsausschuß morgen die Gelegenheit gegeben wird, die materielle Begründung für diese Anträge dem Hause vorzutragen, welches erst dann zu einer Beschlußfassung kommen sollte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Matthes. Sie haben drei Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wohl niemand in diesem Hohen Hause, der sich nicht der Schwierigkeiten bewußt ist, die wir auf dem straßenverkehrstechnischen Gebiet innerhalb unserer elf Länder haben. Auch meine Fraktion hat sich die Angelegenheit bei der Antragstellung auf Fertigstellung der Autobahn Kassel-Hamburg sehr reiflich überlegt und ist zu der Überzeugung gekommen, daß im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die wir in vielen Teilen des lüneburger und südhannoverschen Landes haben, die Fertigstellung unerläßlich ist.
Sie haben vorgestern Gelegenheit gehabt, aus einer Pressenotiz über den Baubeginn des Werraviadukts, durch dessen Zerstörung die Autobahn Göttingen-Kassel unterbrochen worden ist, zu entnehmen, daß die Umleitung bei diesem Viadukt inzwischen 30 Todesopfer gefordert und Schaden von mehreren Millionen Mark verursacht hat. Ich weise darauf hin, daß durch den Engpaß bei Nörten, durch den ständig täglich Tausende und aber Tausende von Fahrzeugen rollen, unendlich viele Opfer zu beklagen sind. Ich persönlich habe leider dort auch bereits einen Unfall bei mehrfachem Abfahren der Strecke in der Woche gehabt. Ich bekam heute morgen einen Brief von den Landräten der Kreise Fallingbostel und Soltau, die darauf hinweisen, daß bei der Entwicklung im Raume Soltau im Hinblick auf den Truppenübungsplatz und die Zusammenziehung der Panzereinheiten der Besatzungsarmee dort das größte Panzerübungsgelände in Westeuropa in Anspruch genommen wird und daß damit zu rechnen ist, daß im Raume Bergen-Soltau-Fallingbostel die Bundesstraße Nr. 3 Hamburg, die über Celle-Soltau-Harburg führt und täglich von rund 8 000 Fahrzeugen benutzt wird, stundenweise gesperrt wird.
In einer Konferenz am 7. 6. 1950 im Bezirk Lüneburg, an der die Oberbürgermeister, Bürgermeister, Landräte und Oberkreisdirektoren des Bezirks Lüneburg teilgenommen haben, hat sich der
Deutscher Bundestag. - 70. Sitzurig. Bonn, Mittwoch, den 21. Juni 1950 2549
Oberbürgermeister der Stadt Celle gemeldet und erklärt, daß sämtliche Anlieger mit ihren Fachwerkhäusern an der Bundesstraße 3, die durch Celle führt, in wenigen Jahren ihre Häuser in Verfall sehen. Die Häuser sind nicht mehr zu halten, weil der motorisierte Verkehr derart folgenschwere Formen angenommen hat. Ich bitte zu überlegen, daß, wenn diese Sperrung der einzigen Verbindung nach dort oben durch die Besatzungsmacht vorgenommen werden sollte — wir wissen ja wohl alle um diese internationale Verbindung von Nord nach Süd —, die Verhältnisse uns zwingen, eine Änderung herbeizuführen. Deswegen haben wir uns bewußt auf diesen Antrag konzentriert und alle diese finanziellen Schwierigkeiten in Betracht gezogen. Wir stehen auch auf dem Standpunkt, den ich hier nicht besonders zu betonen brauche, der auch vorn Kollegen Ehlers sowie dem Kollegen Nöll von der Nahmer zum Ausdruck gebracht worden ist — wir befinden uns da nicht nur mit diesen beiden Kollegen in Übereinstimmung, sondern mit allen Kollegen dieses Hauses —, daß wir dringendere Angelegenheiten zu erledigen haben. Aber ich bitte zu erwägen: wenn es uns nicht gelingt, den gesamten Verkehr — ich wiederhole, der nur auf dieser einen Straße täglich 8 000 Fahrzeuge umfaßt — vorweg in gesunde und geregelte Bahnen zu bringen. dann können wir ihn nicht flüssig halten. Das wäre möglich, wenn der Verkehr bei der Sperrung dieser Straße, die in Aussicht steht. weil das Schußgelände für die Besatzungsmacht leider nicht ausreicht, auf die Straße IO Hannover-Soltau direkt durch den Kreis Fallingbostel ab Schwarmstedt umgelegt wird. Und hier haben wir festzustellen, wie ja der Bericht des Ausschusses sagt — und der Ausschuß hat sich einmütig zu der Auffassung bekannt, an dieser Teilstrecke zu arbeiten, weil dort bereits 60 % der Autobahn in Trassierung und Brückenbauten fertiggestellt ist —: Allein im Kreis Fallingbostel, der nachher die Umleitung wird übernehmen können, wenn wir diese 22 km Teilstrecke von Schwarmstedt nach Soltau fertigbauen würden und wenn die Bundesstraße HannoverSchwarmstedt bis dahin zügig diesen gesamten Verkehr aufnehmen kann, wäre es möglich, diesen gesamten Verkehr bei Fertigstellung dieser 22 km langen, bisher in Trassierung fertiggestellten Brückenbauten und ebenfalls fertigestellten Übergängen bzw. Unterführungen dieser Autobahnstrecke auf diese eine Straße zu bannen.
Ich habe leider nicht die Zeit, aber es dürfte auch genügen, diese wenigen Angaben einmal zur Erhärtung des Ausschußantrags vorzutragen. Und daß dabei der Schlußantrag des Ausschusses gebührende Berücksichtigung findet, beweist ja allein, daß dieser Kreis Notstandsgebiet ist, da er an Flüchtlingsbelegung unter den Kreisen Niedersachsens an zweiter Stelle steht. So wird auch in dieser Hinsicht dem Antrag des Ausschusses Genüge geleistet.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte der Anregung des Herrn Kollegen Solleder widersprechen, die Beschlußfassung über -die beiden Berichte, des Verkehrsausschusses und des Haushaltsausschusses, heute zurückzustellen und morgen vorzunehmen. Ich glaube, wir würden auch morgen zu keinem andern Ergebnis kommen als zu dem, das der Haushaltsausschuß Ihnen in seinem Bericht über die Anträge, über die er beraten hat, vorschlägt und das der Verkehrsausschuß in seinem Bericht über die andern Anträge vorschlägt, nämlich Haushaltsmittel in den Haushalt 1950 einzustellen.
Ich spreche hier nicht als Angehöriger einer Fraktion, sondern einfach von dem Gesichtspunkt, der sich eigentlich von selber aus der Haushaltsituation ergibt und aus der Tatsache, daß wir bereits mitten im neuen Haushaltsjahr sind. Der Haushaltsausschuß stand vor der Tatsache, daß wir nicht auf dem Weg fortfahren dürfen, Entscheidungen über einzelne Anträge, soundsoviele Vorwegbewilligungen auf den kommenden Haushalt vorzunehmen. Wir müssen die Anträge, die in dieser Richtung anfallen, einfach auf den Haushaltsplan 1950 zurückstellen. Das ist eine glatte Selbstverständlichkeit, wenn Sie die Fülle von Anträgen sehen, die im Laufe der Monate angefallen sind. Der Haushaltsausschuß hat übrigens — das möchte ich hinzufügen - in seinem Bericht und in dem Antrag, den er dem Hause vorlegt, mit keinem Wort negativ zum materiellen Inhalt irgendeines der Anträge Stellung genommen.
Man war im Haushaltsausschuß durchaus einer Meinung darüber, daß es eine Reihe von dringenden Objekten gibt, aber schließlich müssen wir von der Bundesregierung und von dem Fachministerium erwarten, daß man uns eine gewisse Rangordnung vorlegt, nach der die dringenden Projekte bewältigt werden sollen, und daß, wenn nicht im Rahmen der Haushaltberatung Mittel zur Verfügung gestellt werden können, dann das Fachministerium und die Bundesregierung nach Wegen suchen, um aus anderen Quellen, zum Beispiel im Rahmen eines Arbeitsbeschaffungsprogramms, dringende Vorhaben zu finanzieren. Ich glaube, all diese Dinge sind nicht ausgeschlossen. Aber wenn wir etwa zu Vorwegbewilligungen in allzu großem Umfang übergehen würden — und das tun wir heute schon auf Grund des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung in manchen anderen Fragen —, dann kämen wir rettungslos ins Schwimmen. Wir sollten deshalb die Anträge, die die beiden Ausschüsse vorgelegt haben, ohne Rücksicht auf Prestige-Fragen des einen oder andern Ausschusses heute hier annehmen.
Es hat sich noch
der Herr Abgeordnete Rademacher zum Wort gemeldet. Die Redezeit Ihrer Fraktion ist erschöpft, Herr Abgeordneter. Ich kann Ihnen daher das Wort nicht erteilen.
— Zur Geschäftsordnung, ja, aber nicht zur Sache!
Durch die Zusammenlegung der Punkte 8 und 9, der neuen Punkte 9 und 10 der Tagesordnung, ist offenbar eine Panne entstanden. Denn der Mündliche Bericht des Haushaltsausschusses bezieht sich nur auf Punkt 10 und nicht auch auf Punkt 9 der Tagesordnung. Wir sind also durchaus in der Lage, Punkt 9 der Tagesordnung, der die Anträge Drucksachen Nr. 228, 365 und 407 betrifft, zu verabschieden. Um aber Bedenken des Haushaltsausschusses zu dem Punkt 9 vorwegzunehmen, würde ich vorschlagen, aus dem Mündlichen Bericht
des Ausschusses für Verkehrswesen die Worte „für das Haushaltsjahr 1950" herauszunehmen, so daß es nur heißen würde: „Beträge bereitzustellen". Das ist auch die Absicht des Bundesverkehrsministeriums, das seine Vertreter bei der Beratung gehabt hat.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Solleder.
Im Hinblick auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Rademacher ziehe ich meinen Antrag zurück.
Der Herr Abgeordnete Solleder hat seinen Antrag zurückgezogen.
Der Abgeordnete Rademacher hat den Antrag gestellt, auf Drucksache Nr. 901 unter Ziffer 1 die Worte „für das Haushaltsjahr 1950" zu streichen. Ich lasse zunächst darüber abstimmen. Wer für diese Abänderung — Streichung dieser vier Worte — ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Diese Worte sind gestrichen.
Ich lasse nun über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 901 in der veränderten Fassung abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Dann lasse ich über den Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache Nr. 1048 abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Dann rufe ich auf als Punkt 11 der Tagesordnung — das ist die Ziffer 10 der gedruckten Tagesordnung —:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen über die Anträge der Fraktion der SPD betreffend Entlassungen bei der Deutschen Bundesbahn und Bericht über die wirtschaftliche Lage der Deutschen Bundesbahn .
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Rümmele als Berichterstatter das Wort.
— Soll abgesetzt werden? Das ist mir nicht bekannt. Auf diesem Programmzettel steht nichts davon. Wollen Sie den Antrag auf Absetzung stellen, Herr Abgeordneter?
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Rümmele als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht erstreckt sich auf die Drucksachen Nr. 32 und Nr. 435 — Anträge der Fraktion der SPD —, ferner auf die Drucksache Nr. 116 und auf das Begleitschreiben des Bundeskanzlers in Drucksache Nr. 505, das zu diesen Fragen Stellung nimmt.
Mit dem Antrag in Drucksache Nr. 32 hatten am 26. September 1949 der Abgeordnete Ollenhauer und Fraktion beantragt:
1. Dem Bundestag beschleunigt einen eingehenden Bericht über die wirtschaftliche Lage der Deutschen Bundesbahn zu erstatten und deren Wirtschaftsplan vorzulegen.
2. Zu veranlassen, daß bis zur Stellungnahme des Bundestages zu dem Bericht weitere Entlassungen
— bei der Bundesbahn —
nicht vorgenommen werden und Neueinstellungen nicht erfolgen.
Es kam daraufhin zum ersten Mündlichen Bericht des Verkehrsausschusses. Der Herr Berichterstatter, Abgeordneter Jahn, hat damals die Situation geschildert. Ich glaube, er hat bei der Gelegenheit auch mitteilen können, daß Abmachungen zwischen der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands einerseits und der bitonalen Verwaltung der Eisenbahn in Offenbach am Main andererseits dahingehend getroffen worden sind, daß die Entlassung mehrerer Zehntausend, die noch zur Entlassung vorgesehen waren, zurückgestellt werden solle und daß die Gewerkschaft durch Kurzarbeit, die zum Teil 45, zum Teil 42 Wochenstunden beträgt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen hätte.
Später, am 20. Januar 1950, hat die Fraktion der SPD — Ollenhauer und Genossen — wieder einen Antrag gestellt:
Die Bundesregierung wird ersucht:
dem Bundestag einen eingehenden schriftlichen Bericht über die wirtschaftliche Lage der Deutschen Bundesbahn zu erstatten und deren Wirtschaftsplan für das Jahr 1949 vorzulegen.
Da der Bericht bis zum heutigen Tage nicht vorliegt, wurde er reklamiert.
Es ist weiter ein Schreiben des Herrn Bundeskanzlers, Drucksache Nr. 505, dem Hohen Hause am 31. Januar 1950 zugegangen. In diesem Schreiben wird darauf Bezug genommen, daß dem Hohen Hause für das erste Halbjahr 1949 — vom 1. Januar bis 30. September — ein Bericht in 600 Abdrucken vorgelegt wurde, in dem aber der Herr Bundeskanzler, auf den Wunsch des Herrn Bundesverkehrsministers Rücksicht nehmend, das Hohe Haus bittet, von einer Vorlage des Wirtschaftsplanes für das Jahr 1949 Abstand zu nehmen, da dieser Wirtschaftsplan wiederholt geändert werden mußte und sich die Angaben damals nur auf die bizonale Verwaltung haben erstrecken können.
Nun hat der Verkehrsausschuß dazu Stellung genommen. Die letzte grundlegende Stellungnahme, die Ihnen in der Drucksache Nr. 902 vorliegt, erfolgte am 1. März dieses Jahres. Der Verkehrsausschuß schlägt Ihnen folgendes vor und hat diesen Beschluß einstimmig mit allen Mitgliedern gefaßt:
1. die Beratung über den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Jahr 1949 als erledigt zu erklären;
2. die Bundesregierung zu ersuchen, dem Bundestag beschleunigt einen eingehenden schriftlichen Bericht über die wirtschaftliche Lage der Deutschen Bundesbahn zu erstatten und deren Wirtschaftsplan für das Jahn 1950 vorzulegen;
3. den Antrag der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen betreffend Entlassungen bei der Bundesbahn — Nr. 32 der Drucksachen — auf Grund des Abkommens zwischen der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands und der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn als erledigt zu erklären.
Ich darf Sie namens des Verkehrsausschusses bitten, daß Sie dem Bericht dieses Ausschusses ohne Debatte zustimmen. Denn diese Debatte kann und soll dann geführt werden, wenn der Wirtschaftsplan für 1950 vorgelegt wird, aber nicht nur für die bizonale, sondern auch für die gesamte Bundesbahn, auch für die Generaldirektion in Speyer, also der südwestdeutschen Länder. Dann ergibt sich Gelegenheit, daß zu diesen Dingen Stellung genommen wird. Da das Abkommen der Gewerkschaft der Eisenbahner mit der Verwaltung bis Ende 1950 läuft, würde nach Ansicht des Verkehrsausschusses dabei nichts versäumt werden, wenn das Haus dem Wunsche entspräche.
Ich danke dem
Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Ehe ich Wortmeldungen entgegennehme, folgendes: Der Ältestenrat schlägt eine Gesamtaussprachezeit von 60 Minuten vor. — Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Aussprache und lasse abstimmen. Wer für die Annahme der Drucksache Nr. 902 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen!
Meine Damen und Herren! Ehe ich den nächsten Punkt aufrufe, habe ich mich zu entschuldigen. Ich habe Herrn Abgeordneten Dr. Fink, der sich zum Wort gemeldet hatte, aus Versehen das Wort nicht erteilt. Ich habe seine Wortmeldung insoweit falsch verstanden, als er sich zu Punkt 10 zum Wort gemeldet hatte. Es hieß aber gedruckt: Punkt 9. Das habe ich nicht recht lesen können. Das tut mir leid. Ich hätte ihm ebensogern wie den anderen Abgeordneten das Wort gegeben.
Das Wort zu einer persönlichen Erklärung hat Herr Abgeordneter Dr. Fink.
Dann rufe ich auf Punkt 12, also Punkt 11 der gedruckten Tagesordnung:
Beratung des Interfraktionellen Antrags
betreffend Überweisung von Anträgen an
die Ausschüsse .
Wer dafür ist, daß entsprechend verfahren werden soll, den bitte ich, die Hand zu heben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen!
Dann rufe ich den zurückgestellten Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost in Verbindung mit der
Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn .
Ich bin insoweit falsch informiert worden, als 1 mir vorhin gesagt wurde, daß sich der Herr Bundespostminister auf dem Wege hierher befinde. Das ist zwar an sich richtig, aber er befindet sich auf dem Wege hierher nicht von seiner hiesigen Dienststelle aus, sondern von Frankfurt aus.
Es ist also kaum anzunehmen, daß er noch während dieser Sitzung eintreffen wird. Herr Staatssekretär Dr. Frohne hat sich bereiterklärt, die Vorlage Nr. 976 zu begründen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. Ich erteile ihm das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bitte, den Entwurf des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost in Vertretung des Herrn Bundespostministers kurz begründen zu dürfen.
Das Gesetz regelt in Ausführung des Art. 134 Absätze 1 und 4 des Grundgesetzes die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost und will damit den vom Grundgesetz gewollten Rechtszustand herstellen und gleichzeitig gewisse Rechtswirkungen des Gesetzes Nr. 19 der amerikanischen Militärregierung und der Verordnung Nr. 217 des französischen Oberkommandos in Deutschland aufheben. Der Text dieses Gesetzes lehnt sich eng an den Gesetzentwurf über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn an, den ich vorhin zu begründen die Ehre hatte. Nach. dem Gesetzentwurf soll das Eigentum und sollen alle sonstigen Vermögenswerte des Deutschen Reiches, die zum bisherigen Sondervermögen der Deutschen Reichspost gehören, mit Wirkung vom 24. Mai 1949 als Sondervermögen der Deutschen Bundespost Vermögen des Bundes werden. Bei der Deutschen Bundespost liegen die Verhältnisse vermögensrechtlich insofern einfach, als die Vermögenswerte der früheren Deutschen Reichspost von den Ländervermögen völlig getrennt verwaltet worden sind. Von dem Vermögen der Deutschen Bundespost sind aber ausdrücklich ausgenommen die Vermögensrechte, die ausschließlich für Zwecke des deutschen Unterhaltungsrundfunks verwendet werden. Sie sind durch Anordnung der Besatzungsmächte anderweit geregelt und unterstehen den Rundfunkanstalten.
Ich bitte das Hohe Haus, diesen Gesetzentwurf zu genehmigen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Gundelach.
Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Entwürfe von Gesetzen über die Regelung der vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Reichspost und der Bundesbahn finden nicht die Zustimmung der kommunistischen Fraktion. Wir lehnen diese Gesetzentwürfe ab, weil wir nicht bereit sind, den westdeutschen Separatstaat für befugt zu halten, sich das Vermögen der Deutschen Reichspost und der Bundesbahn anzueignen.
Unsere Auffassung ist die, daß bestenfalls eine Treuhänderschaft in Frage kommt, wie sie bisher von den Ländern ausgeübt wurde, eine Treuhänderschaft, die bis zum Tage der Wiedervereinigung Deutschlands, d. h. der Herstellung der Einheit Deutschlands ausgeübt werden sollte.
Die Politik, alle ehemaligen reichseigenen Unternehmungen als Eigentum des Bundes zu erklären, ist nach unserer Auffassung ein Bestandteil der amerikanischen Politik auf deutschem Boden mit dem Ziele, diese Unternehmungen in Verbindung mit Zurverfügungstellung amerikanischen Kapitals zu amerikanisieren.
Wir Kommunisten lehnen es auch ab, der Bundesregierung das Recht einzuräumen, auf Umwegen Berlin zum zwölften Land des Bundes zu erklären. Hier liegt ganz offenbar ein Verstoß gegen das Grundgesetz und gegen das Potsdamer Abkommen vor. Wir sind nicht bereit, dem unsere Zustimmung zu geben.
Aus den von mir angeführten Gründen lehnen wir Kommunisten die vorliegenden Gesetzesvorlagen betreffend ehemaliges Reichspost- und Bundesbahnvermögen ab.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Cramer. — Sie haben mit Herrn Abgeordneten Jahn zusammen 8 Minuten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion tritt dafür ein, daß dieser Gesetzentwurf den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wird, da sicherlich noch in mancher Hinsicht etwas daran zu ändern sein wird.
Die Notwendigkeit dieses Gesetzes sehen wir ohne weiteres ein, denn seit dem Zusammentritt des Bundestages oder mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ist ja wieder die Möglichkeit gegeben, daß die Sondervermögen Bundesbahn und Bundespost getrennt verwaltet werden.
Wir haben nun allerdings den Wunsch, daß die Bestimmungen, die in § 5 des Gesetzentwurfes festgelegt sind, nämlich daß dieses Gesetz nicht für Eigentum und Vermögensrechte gelten solle, die nach dem 30. Januar 1933 einer Gewerkschaft, einer Genossenschaft, einer politischen Partei oder sonstigen demokratischen Organisationen weggenommen worden sind, so schnell wie möglich in Kraft treten, d. h. also, daß diese Vermögensrechte den betreffenden Organisationen, politischen Parteien usw. so schnell wie möglich zurückgegeben werden bzw. daß eine Wiedergutmachung eintritt.
Eine andere Frage ist die, die Herr Professor Dr. Frohne hier angeschnitten hat und die in § 2 geregelt ist, nämlich die Verwendung der Vermögensrechte, die ausschließlich für Zwecke des deutschen Unterhaltungsrundfunks verwendet werden. Wir wollen keinesfalls den jetzigen Zustand wieder ändern, wonach die Programmgestaltung des Unterhaltungsrundfunks durch besondere Rundfunkgesellschaften erfolgt.
Aus verschiedenen Beratungen der letzten Zeit haben wir jedoch den Eindruck gewonnen, daß zu gegebener Zeit einmal die Frage der technischen Funkhoheit geklärt werden muß. Es spricht manches dafür, daß diese Funkhoheit wieder wie früher auf die Bundespost übertragen wird. Im Augenblick sehen wir allerdings keine Veranlassung, an dem gegenwärtigen Zustand etwas zu ändern.
Ich erinnere dabei an den Kopenhagener Wellenplan, der nur deshalb nicht zur vollen Auswirkung gekommen ist, weil die Funkhoheit zur Zeit von einer stärkeren Stelle ausgeübt wird.
Das neue Gesetz regelt die vermögensrechtliche Seite der Deutschen Bundespost. Alle Sonderbestimmungen, die in den einzelnen Zonen aus einer verschiedenartigen Praxis der Besatzungsmächte heraus entstanden sind, hören damit auf zu bestehen.
Ich möchte jedoch auf einen Zustand hinweisen, der auch jetzt noch nicht beseitigt wird. Das ist die Tatsache, daß die jetzt zusammengeführten Beamten der Bundespost verschieden besoldet werden. Für die Beamten aus der französischen Zone gelten andere Bestimmungen als in den anderen Zonen. Für sie ist beispielsweise die sechsprozentige Gehaltskürzung aufgehoben, während diese Gehaltskürzung für die Beamten aus den beiden anderen Zonen immer noch gilt. Bei den vielen Versetzungen, die bei einer solchen Behörde, wie es die Bundespost ist, an der Tagesordnung sind, kommt es daher nicht selten vor, daß zwei Beamte ein und desselben Postamts in ein und derselben Stellung verschieden hoch besoldet werden. Gerade in diesem Falle der Bundespost zeigt sich also besonders deutlich die Notwendigkeit der Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung.
Im Zusammenhang mit der Beratung dieses Gesetzes möchte ich jedoch auch die Bitte aussprechen, daß die Arbeiten zur Schaffung eines Bundespostverfassungsgesetzes beschleunigt werden. Ich weiß, daß man im Ministerium bereits daran arbeitet. Aber wir haben ein Interesse daran, recht bald etwas davon zu hören. Sinn dieser Verfassung soll vor allem sein, die parlamentarische Kontrolle über das Sondervermögen der Deutschen Bundespost zu garantieren.
Wenn ich dann noch ein Wort zur Personalpolitik der Bundespost sagen darf, dann ist es die Aufforderung an die Verwaltung oder an das Ministerium, bei der Wiedereinstellung politisch belasteter Beamter vorsichtig zu Werke zu gehen und nicht alle alten Kämpfer unbesehen wieder einzustellen. Unter den unbelasteten Beamten der Deutschen Bundespost befinden sich sicherlich genügend geeignete Kräfte, die nach entsprechenden Beförderungen ebenfalls Stellen ides gehobenen ?und höheren Dienstes übernehmen können. Wir erwarten von der Bundespost, auf alle Fälle auf solche Kräfte zu verzichten, die an der deutschen Katastrophe mitschuldig sind.
Daß man bei der Bundespost auch anders kann, wenn man will, beweist ein Schreiben, das mir heute zuging. Danach ist ein Lehrpraktikant deshalb bei der Bundespost entlassen und bis zum heutigen Tage noch nicht wieder eingestellt worden, weil er, ein Angehöriger des Jahrgangs 1925, zu irgendeiner Zeit einmal Mitglied der Hitlerjugend gewesen ist. Wir erwarten, daß sich die Post in solchen Fällen großzügiger verhält und bei den wirklich Schuldigen einen strengeren Maßstab anlegt. Unter diesen Voraussetzungen stimmen wir für die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß und werden bei den Ausschußberatungen noch auf Einzelheiten des Gesetzes eingehen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jahn; 4 Minuten.
Meine Damen und Herren! Wir begrüßen die nun endlich erfolgende Regelung der vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesbahn und werden, wie mein Freund Cramer bereits sagte, der Überweisung an die Ausschüsse zustim-
men, weil wir der Auffassung sind, daß dort noch allerlei daran gefeilt und gearbeitet werden muß. Aber eines möchte ich in den mir zur Verfügung stehenden vier Minuten noch sagen: Die vermögensrechtlichen Verhältnisse sollen durch Gesetz endgültig geklärt, das Vermögen der Reichsbahn auf den Bund übernommen werden. Mir liegt ein Schreiben aus dem Bundesverkehrsministerium vor, betreffend „Herausnahme des gesamten Werkstättendienstes aus der Deutschen Bundesbahn und Errichtung einer selbständigen Gesellschaft für den Ausbesserungsdienst der Deutschen Bundesbahn auf Weisung des Herrn Ministers" vom 2. 5. 1950. .
Ich möchte hier ausdrücklich sagen: Wenn man bei
der Regelung der vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesbahn schon vorab versucht, etwas
aus dem Vermögen der Bundesbahn herauszubrechen, um es der Privatindustrie zuzuschanzen, dann
wird das auf unseren schärfsten Widerstand stoßen.
Wir werden auch diese Frage in den Ausschußsitzungen sehr aufmerksam zu behandeln haben. Noch einmal: ich warne vor einem solchen Unterfangen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rümmele.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die CDU/CSU kann ich erklären, daß die Fraktion dem Gesetzesvorschlag zustimmt. Wenn im Grundgesetz festgelegt ist, daß die Eisenbahnen Bundesbahn und das Vermögen Bundesvermögen wird, dann muß man selbstverständlich auch die Folgerungen daraus ziehen. Diese Folgerungen hätten vielleicht schon früher gezogen werden können, aber e4 scheint, daß im Verkehrsministerium in manchen Dingen etwas langsam gearbeitet wird. Immerhin dürfte das Eisenbahnvermögen bei vorsichtigster 'Schätzung und bei dem zerstörten Zustand eines großen Teils der Anlagen heute noch 10 bis 11 Milliarden DM betragen. Später dürfte es aber einmal über 20 Milliarden DM betragen und damit das größte Vermögen des deutschen Bundes sein. Aus diesen Gründen steht dem Gesetz eine gewisse Dringlichkeit und, ich möchte sagen, vordringliche Rangordnung zu. An sich wäre es erwünscht gewesen, wenn das Bundesverkehrsministerium endlich einmal das Bundesbahngesetz im Entwurf eingereicht hätte, damit im Verkehrsausschuß und in den zuständigen Ausschüssen das Grundgesetz der Bundesbahn mit dem Vermögensgesetz gleichzeitig hätte beraten werden können; denn die Dinge greifen ineinander und lassen sich nicht trennen.
Bei der Gelegenheit darf ich sagen: es scheint in Bälde notwendig zu sein, daß eine gewisse Verkehrsrelation eingeführt und die unlautere Konkurrenz im Verkehr nach Möglichkeit beseitigt wird. Vor allem darf keine Schmutzkonkurrenz hochkommen. Dazu gehört natürlich eine gewisse Abgrenzung, man kann es auch Koordinierung nennen; Abgrenzung ist jedenfalls ein deutsches Wort. Diese Abgrenzung ist aber notwendig, damit keine Fehlleistungen und Fehlleitungen des Kapitals, aber auch kein Leerlauf und kein Verlust in der deutschen Volkswirtschaft entsteht. Das sind schwierige Fragen, die im Bundesbahngesetz, im Güterfernverkehrsgesetz und in anderen Gesetzen noch zu behandeln sein werden.
Wir sind der Meinung, daß dieses Gesetz federführend dem Verkehrsausschuß, gleichzeitig aber auch, weil darin rechtliche Fragen größeren Ausmaßes enthalten sind, dem Rechtsausschuß zu überweisen ist. Daß Bestimmungen darin sind, die in den beiden Ausschüssen sehr ernst zu prüfen sind, mag ein Schreiben zeigen, das von einem Land vorliegt, wo gesagt wird: „Die größten sachlichen Bedenken betreffen den § 6 Abs. 4, der sich mit dem Übergang der Verbindlichkeiten befaßt. Wer Vermögen übernimmt, übernimmt regelmäßig auch die dazu gehörenden Schulden. § 6 Abs. 4 läßt aber das alte Schuldverhältnis bestehen und gibt dem Gläubiger auch einen Anspruch gegen das neue Unternehmen usw." Es ist das ein Paragraph, der auch noch eine andere bedenkliche Stelle aufweist. Es heißt darin: „Für Verbindlichkeiten des alten Unternehmens aus Rechtsverhältnissen, die sich auf die nicht innerhalb des Bundesgebietes gelegenen Vermögenswerte beziehen, haftet das neue Unternehmen nicht."
Ich will Ihnen die Stelle nur vorlesen, um Ihnen zu zeigen, daß da eine gründliche Beratung notwendig ist, und daß bei dieser gründlichen Beratung vielleicht auch die Fragen, die der Abgeordnete Jahn angeschnitten hat, wohl wert sind, daß man sie prüft; denn es ist tatsächlich nach meiner Auffassung unmöglich, daß man aus dem Bundesbahn-Vermögensbestand etwas herauszubrechen sucht, ohne daß der Bundestag dieses Gesetz etwa gutheißt oder beschließt.
Vizepäsident Dr. Schmid: Keine weiteren Wortmeldungen? — Der Abgeordnete Schütz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz nur eine Frage ansprechen im Zusammenhang mit der Drucksache Nr. 116. Es gibt eine Verordnung oder eine Dienstanweisung von Offenbach, die besagt, daß Spätheimkehrer nicht unter die Aufnahmesperre fallen und in der Bundesbahn bevorzugte Aufnahme finden können. Insofern werden diese Spätheimkehrer — -
Herr Abgeordneter Schütz, Sie sprechen zu einem Punkt der Tagesordnung, der längst erledigt ist. Drucksache Nr. 116 ist unter Punkt 11 erledigt worden.
Im Zusammenhang mit dem, war hierzu gehört und zur Beratung steht. — —
Dann können Sie
nicht zur Drucksache Nr. 116 sprechen. Sie müssen sich auf die Drucksachen Nr. 996 oder 1023 beschränken.
Das ist abgeschlossen?
Es ist abgeschlossen; es tut mir leid.
Darf ich den Satz nicht zu Ende sprechen?
Bitte!
Der Satz ist gleich zu Ende gesprochen. Ich möchte nur anregen, ob nicht die Offenbacher Behörde oder das Verkehrsministerium diese Ausnahme, daß jemand nur dann als
Spätheimkehrer aufgenommen werden kann, wenn seine letzte Dienststelle im Bundesgebiet lag, fallen läßt; denn dadurch können die Heimatvertriebenen, die als Spätheimkehrer jetzt in das Bundesgebiet heimkehren, nicht aufgenommen werden.
Der Satz ist zu
Ende!
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist der Antrag gestellt, die Drucksache Nr. 976 an den Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen als federführenden Ausschuß und weiter an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen, die Drucksache Nr. 1023 an den Ausschuß für Verkehrswesen als federführenden Ausschuß und außerdem an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! — Es ist so beschlossen gegen einige wenige Stimmen.
Damit ist die Tagesordnung erschöpft.
Ich habe noch einige Dinge bekanntzugeben und bitte um Gehör. Die Fraktion der FDP will sich unmittelbar anschließend versammeln. Der Ehrenrat will sich unmittelbar anschließend konstituieren im Zimmer 20 des Altbaues, und der Haushaltsausschuß will eine halbe Stunde nach Schluß dieser Sitzung zusammentreten.
— Um 7 Uhr!
Die nächste Sitzung — das ist die 71. Sitzung des Deutschen Bundestages — berufe ich ein auf Donnerstag, den 22. Juni, vormittags 9 Uhr.
Ich schließe die 70. Sitzung des Deutschen Bundestages.