Rede von
Friedrich
Mensing
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Zunächst gestatte ich mir einige politische Bemerkungen.
Wir haben hier im Bundestag dauernd erlebt, daß die Frage der Demontage wieder angeschnitten wird. Ich stehe nicht an zu erklären: ich habe kein Verständnis dafür, daß die Siegerstaaten denselben Fehler begehen, den sie vor 1933 auch begangen haben, dadurch nämlich, daß sie die demokratischen Kräfte unseres Staates im Stich lassen. Hätte man die Politik eines Stresemann und Brüning unterstützt, wäre es nie zum Dritten Reich gekommen.
Noch eine weitere Frage hinsichtlich der Demontage. In der Bevölkerung und vor allem in den Notstandsgebieten glaubt heute niemand mehr, daß diese Demontagen nach sachlichen Gesichtspunkten durchgeführt werden. Das ist selbstverständlich, zumal wenn man daran erinnert wird, daß einer der hervorragendsten Journalisten des Auslandes. Lippmann, anläßlich der Spannungen zwischen dem Osten und dem Westen vor anderthalb Jahren einmal zum Ausdruck brachte: Was nützt es den Russen. wenn sie sich in den Besitz des wirtschaftlichen Herzens Europas setzen würden? Unsere Bomben sind so hoch entwickelt und unsere Luftwaffe ist so ausgebaut und modernisiert. daß sie im Höchstfalle nur 14 Taue nötig hat. um dieses gesamte Gebiet in Schutt und Asche zu legen. Wenn dem so ist. dann kann man doch derartige Demontagen nicht mehr mit irgendwelchen militärischen Gesichtspunkten begründen.
Nun zu dem Salzgitter-Gebiet selbst! Von einigen der Herren Vorredner ist — ich sehe dies nicht als fair an — zum Ausdruck gebracht worden. daß die Bundesregierung und auch der Bundestag hinsichtlich dieses Notstandsgebietes nicht ihre Pflicht erfüllt hätten. Schließlich kommt es doch nicht darauf an. daß hier im Plenum alle paar Wochen mehr oder weniger agitatorische Reden gehalten werden. deren Motive der Demagogie und auch der Taktik entspringen. sondern das Entscheidende ist, in der Öffentlichkeit festzustellen,
daß bestimmt jeder Abgeordnete des Landes Niedersachsen — ich mache da keine Ausnahme — in den letzten Monaten nicht untätig gewesen ist, sondern dauernd bei allen Regierungsstellen vorstellig wurde, um auf den Notstand in diesem Gebiet hinzuweisen.
Ich persönlich fühle mich als Handwerksmeister besonders verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß in diesem Gebiet über 1200 Handwerksbetriebe mit über 3 800 Beschäftigten vor dem Ruin stehen.
— Herr Kollege, wenn Sie lachen, dann beweisen Sie mir und dem Handwerk nur, daß Sie für diese Berufsgruppe herzlich wenig Verständnis haben. Wenn diese Berufsgruppe bis jetzt so viele Menschen durchgeschleppt hat, so stellt das dem Handwerk in sozialer Beziehung das allerbeste Zeugnis aus. Aber dies hat mit zur Folge gehabt, daß diese Kreise heute verschuldet sind und darum ersuchen und verlangen, daß auch sie bei der Verteilung der Mittel berücksichtigt werden. Aus diesen Kreisen wurde mir gesagt, daß die bisher verteilten Mittel fast einseitig in die Kanäle der Reichswerke geflossen sind und Handel, Handwerk und Gewerbe fast nichts davon bekommen haben. Das ist unmöglich, und vom Handwerk wird darüber Beschwerde geführt, daß die Reichswerke einen Teil ihrer neuaufgebauten Betriebszweige dazu benutzen, nunmehr dem dortigen Handwerk auch noch Konkurrenz zu machen, und so dazu beitragen, dem Handwerk den Todesstoß zu versetzen.