Richtig, Herr Präsident; ich lasse mich darin gern belehren. Sie sehen, mein Gefühl hat mich darin nicht betrogen.
Also, meine Damen und Herren, dieses Problem Watenstedt-Salzgitter bedarf tatsächlich des dringenden Eingreifens der Bundesregierung, damit das Kernwerk der Reichswerke erhalten wird. Denn nur dieses Kernwerk sichert zunächst einmal die Entwicklung und den Bestand des dortigen Gebietes. Aber mit diesem Bestand allein ist es noch nicht getan. Wir müssen die Neuansiedlung fortführen und die Erweiterung und Ergänzung der industriellen Anlagen der Reichswerke, wie sie nach der Interpellationsbeantwortung anscheinend beabsichtigt sind, ins Werk setzen. Wir müssen aber die Grundlagen etwas näher kennen, um die Zukunftsplanung bemessen zu können.
Aber, meine Damen und Herren, auch das reicht noch nicht. Ich habe gesagt, Watenstedt-Salzgitter ist ein Gebiet der Ansätze. Durch die überstürzte Entwicklung sind dort Rechtsverhältnisse entstanden, die auf die Dauer nicht mehr tragbar sind. Wenn einer meiner Vorredner sagte, daß der Grund und Boden zu 80 oder 90% den Reichswerken oder ihren Tochtergesellschaften gehört, dann darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß dieser Grund und Boden zwar formal vom Deutschen Reich und von den Reichswerken erworben wurde, daß aber im Grundbuch immer noch die Bauern als Eigentümer eingetragen sind und noch nicht einmal die Auflassung erfolgt ist.
Meine Damen und Herren, wir wollen doch einmal klar übersehen, welche Auswirkungen es hat, wenn man derartige neue Industrien ansiedeln will. Ein solches Industriegebiet besteht doch nicht nur aus Arbeitsplätzen für Stahl- und Hüttenarbeiter. Da siedeln sich doch Behelfsindustrien an, Lebensmittelindustrien und andere Gewerbe. Das ist doch das natürliche Wachstum, und das muß auch in Watenstedt-Salzgitter eintreten. Diese Industrien können aber infolge der außerordentlich verzwickten Rechtsverhältnisse nicht angesiedelt werden. Dasselbe gilt für die Verhältnisse in der Stromversorgung, gilt für die Auseinandersetzung, die mit der Kraftverkehrsgesellschaft Braunschweig geführt werden muß; dasselbe gilt für die Wasserversorgung, besonders für das Rohrnetz, denn hier liegen ganz besonders komplizierte Rechts- und Eigentumsverhältnisse vor. Ich hätte gewünscht, daß die Bundesregierung längst einmal einen Bundeskommissar hingeschickt hätte, damit wir zu einer Entflechtung der Rechtsverhältnisse dort hätten kommen
können. Dann wären wir schon ein sehr großes Stück weiter.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf das Memorandum hinweisen, das dem Herrn Bundesarbeitsminister und dem Herrn Bundesfinanzminister bei ihrem letzten Besuch von der Stadtverwaltung überreicht worden ist. Dem Herrn Wohnungsbauminister muß ich hier besonderen Dank sagen, denn er war eigentlich der erste, der jemanden hinunterschickte, der sich einmal mit den Grundstücks-, Wohnungsbau- und Wiederaufbauverhältnissen der Stadt befaßte. Das darüber vorliegende Gutachten gibt tatsächlich wertvolle Fingerzeige, wie man den Problemen dort zu Leibe gehen kann.
Meine Damen und Herren! Die Erhaltung des Kernwerkes in Watenstedt-Salzgitter, der Neubau neuer Industrien oder Behelfs- oder Ergänzungsindustrien erfordert Zeit. Diese Zeit muß überbrückt werden, indem man der Stadt WatenstedtSalzgitter nun schnellstens die Kommunalausstattung gewährt. Mit dem Bau einer Bahnlinie allein wird man nicht in der Lage sein, die Arbeitslosigkeit zu beheben. Gehen Sie bitte an eine sofortige Planung, nach der die Stadt im Wege der Arbeitsbeschaffung neue Schulen, neue Krankenhäuser, neue sanitäre Einrichtungen und ähnliche Dinge erhält. Mit diesen Arbeiten zusammen wird man die Pause ausfüllen können, die entsteht, bis die endgültigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen angelaufen sind.
Ich richte noch einmal den Appell an die Bundesregierung, unter allen Umständen jemanden hinunterzuschicken, der die Rechtsverhältnisse entflicht und vielleicht auch jemanden — gewissermaßen als Beauftragten der Bundesrepublik bei den Reichswerken — hinzusenden, der dafür zu sorgen hätte, daß mit Hilfe der bei den Reichswerken investierten Gelder eine wesentliche Verringerung oder sogar die Beseitigung der Arbeitslosigkeit erreicht wird.
Meine Damen und Herren! Die Entwicklung in Watenstedt-Salzgitter ist schon ziemlich weit fehlgegangen. Die Bevölkerung ist über den Gang der Dinge noch immer außerordentlich mißgestimmt, das kann ich hier ganz offen sagen. Nach wie vor schickt sie — obwohl das gegenüber der Zeit vor mehreren Monaten schon etwas nachgelassen hat — ihre Jugendlichen in die Ostzone hinüber. Wegen der Einmaligkeit der Verhältnisse — ich betone noch einmal, daß es sich dort nicht um ein Notstandsgebiet im gewohnten Sinne des Wortes, sondern um einen einmaligen Fall handelt —, bitte ich die Bundesregierung, die Arbeiten zur Behebung der dortigen Notstände möglichst mit aller Energie voranzutreiben.