Protokoll:
17193

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 193

  • date_rangeDatum: 14. September 2012

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:13 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/193 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 193. Sitzung Berlin, Freitag, den 14. September 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013) (Drucksache 17/10200) . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016 (Drucksache 17/10201) . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister  BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . Sebastian Körber (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhold Sendker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Schlussrunde: Haushaltsgesetz 2013 Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23209 A 23209 B 23209 B 23211 B 23214 A 23215 D 23217 A 23218 B 23220 B 23221 D 23222 D 23223 C 23225 C 23226 C 23227 C 23229 A 23230 C 23232 B 23232 D 23235 C 23237 A 23238 D 23240 B 23242 A 23245 B 23245 C 23248 A 23249 B 23250 D 23253 C 23254 A 23255 B 23256 D 23258 B 23260 A 23261 D 23263 A 23263 D Inhaltsverzeichnis Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2012 23209 (A) (C) (D)(B) 193. Sitzung Berlin, Freitag, den 14. September 2012 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2012 23263 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- ner Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/8515 Nr. A.3 EuB-BReg 2/2012 Drucksache 17/8967 Nr. A.2 EP P7_TA-PROV(2012)0024 Drucksache 17/9475 Nr. A.4 EuB-BReg 24/2012 Drucksache 17/9797 Nr. A.1  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aigner, Ilse CDU/CSU 14.09.2012 Bär, Dorothee CDU/CSU 14.09.2012 Behrens, Herbert DIE LINKE 14.09.2012 Brase, Willi SPD 14.09.2012 Burchardt, Ulla SPD 14.09.2012 Fischer (Karlsruhe- Land), Axel E. CDU/CSU 14.09.2012 Freitag, Dagmar SPD 14.09.2012 Frieser, Michael CDU/CSU 14.09.2012 Gabriel, Sigmar SPD 14.09.2012 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.09.2012 Gohlke, Nicole DIE LINKE 14.09.2012 Groth, Annette DIE LINKE 14.09.2012* Gutting, Olav CDU/CSU 14.09.2012 Höferlin, Manuel FDP 14.09.2012 Kamp, Heiner FDP 14.09.2012 Kilic, Memet BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.09.2012 Kipping, Katja DIE LINKE 14.09.2012 Kolbe (Leipzig), Daniela SPD 14.09.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.09.2012 Lindemann, Lars Friedrich FDP 14.09.2012 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.09.2012 von der Marwitz, Hans- Georg CDU/CSU 14.09.2012 Mast, Katja SPD 14.09.2012 Mücke, Jan FDP 14.09.2012 Nink, Manfred SPD 14.09.2012 Pieper, Cornelia FDP 14.09.2012 Rupprecht (Tuchenbach), Marlene SPD 14.09.2012 Schaaf, Anton SPD 14.09.2012 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 14.09.2012 Schlecht, Michael DIE LINKE 14.09.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 14.09.2012 Schreiner, Ottmar SPD 14.09.2012 Dr. Schwanholz, Martin SPD 14.09.2012 Simmling, Werner FDP 14.09.2012 Dr. Strengmann-Kuhn, Wolfgang BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.09.2012 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.09.2012 Winkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.09.2012  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 23264 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. September 2012 (A) (C) (D)(B) EuB-BReg 37/2012 Drucksache 17/10028 Nr. A.1 Ratsdokument 9180/12 Innenausschuss Drucksache 17/8227 Nr. A.9 Ratsdokument 16892/11 Rechtsausschuss Drucksache 17/136 Nr. A.29 Ratsdokument 12265/09 Drucksache 17/1100 Nr. A.6 Ratsdokument 14183/08 Drucksache 17/7423 Nr. A.17 Ratsdokument 14196/11 Drucksache 17/7423 Nr. A.18 Ratsdokument 14613/11 Haushaltsausschuss Drucksache 17/10086 Nr. A.1 EuB-BReg 41/2012 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 17/10028 Nr. A.4 Ratsdokument 9299/12 Drucksache 17/10028 Nr. A.5 Ratsdokument 10977/12 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft  und Verbraucherschutz Drucksache 17/8426 Nr. A.35 Ratsdokument 17870/11 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 17/9797 Nr. A.7 Ratsdokument 9309/12 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz  und Reaktorsicherheit Drucksache 17/6407 Nr. A.24 Ratsdokument 11159/11 Drucksache 17/7423 Nr. A.35 Ratsdokument 14632/11 Drucksache 17/8227 Nr. A.40 Ratsdokument 16562/11 Drucksache 17/8227 Nr. A.41 Ratsdokument 17496/11 Drucksache 17/8227 Nr. A.42 Ratsdokument 17549/11 Drucksache 17/8515 Nr. A.42 Ratsdokument 18627/11 Drucksache 17/8515 Nr. A.43 Ratsdokument 18874/11 Drucksache 17/8856 Nr. A.18 Ratsdokument 6019/12 Drucksache 17/9252 Nr. A.9 Ratsdokument 7639/12 Drucksache 17/9252 Nr. A.10 Ratsdokument 7640/12 Drucksache 17/9647 Nr. A.17 Ratsdokument 8483/12 193. Sitzung Inhaltsverzeichnis Epl 12 Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Schlussrunde Haushaltsgesetz 2013 Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719300000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie zum letzten Tag unserer Haushaltsberatun-
gen – Tagesordnungspunkt 1 –:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013)


– Drucksache 17/10200 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung

Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016

– Drucksache 17/10201 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

Wir haben für die heutige Aussprache eine Redezeit
von insgesamt dreieinhalb Stunden beschlossen.

Wir beginnen den heutigen Tag der Haushaltsbera-
tungen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Ein-
zelplan 12.

Ich begrüße den zuständigen Bundesminister und er-
teile ihm gleich zu Beginn das Wort. Herr Dr. Ramsauer,
bitte schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Man kann es nicht
oft genug betonen: Mobilität, Bauen und Wohnen zählen
zu den elementaren Grundbedürfnissen der Menschen.
Deshalb haben die Bürgerinnen und Bürger unseres Lan-
des einen Anspruch auf Verlässlichkeit in diesem Poli-
tikbereich.


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das stimmt allerdings!)


Diese Verlässlichkeit wollen wir gewährleisten. Es ist
daher folgerichtig, dass der – technisch gesagt – Einzel-
plan 12, der Haushalt des Bundesministeriums für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung, unter allen Haushalten
der größte Investitionshaushalt ist und mehr als die
Hälfte aller Investitionen birgt, die der Bund tätigt.

Ich möchte mit einem Thema beginnen, das auf den
ersten Blick nicht unbedingt in Zusammenhang mit dem
steht, was sonst bei uns an vorderster Stelle steht, näm-
lich der Verkehr. Es handelt sich um – davon war schon
mehrfach in dieser Woche die Rede – die Beiträge zur
Energiewende, die aus meinem Fachbereich zum Gelin-
gen dieses Jahrhundertwerks geleistet werden. Wir wis-
sen, dass etwa 70 Prozent der gesamten Primärenergie
durch den Verkehr und im Gebäudebereich verbraucht
werden. Dementsprechend wichtig sind unsere Beiträge
zum Gelingen der Energiewende. Wir alle können froh
darüber sein, dass das Gebäudesanierungsprogramm bis
einschließlich 2014 verlässlich mit 1,5 Milliarden Euro
dotiert ist. Das Gebäudesanierungsprogramm, welches
im Jahr 2006 begann, hat sich als absoluter Renner er-
wiesen. Wir müssen alles daransetzen, dass dieses Pro-
gramm zur energetischen Gebäudesanierung auch in Zu-
kunft ein Zugpferd der Energiewende bleibt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir, der Deutsche Bundestag, haben vor gut einem
Jahr das Gesetz zur steuerlichen Förderung von energeti-
schen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden verab-
schiedet, ein – wenn ich das so bezeichnen darf – absolu-
tes Muss; denn viele, die willig sind, ihre Gebäude zu
sanieren, können zwar etwas mit der KfW-Förderung an-
fangen. Aber die steuerliche Förderung ist wesentlich
passgenauer. Es gibt gewaltige Erwartungen. Wie Sie
wissen, wird dieses Gesetz seit letztem Jahr vom Bun-
desrat blockiert.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Von einer bestimmten Mehrheit!)






Bundesminister Dr. Peter Ramsauer


(A) (C)



(D)(B)


Es wird natürlich laufend verhandelt. Ich appelliere an
dieser Stelle abermals an SPD und Grüne: Bitte geben
Sie die Blockade im Bundesrat auf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Energiewende zu predigen, aber in der praktischen
Umsetzung zu blockieren, das kann ich nicht durchge-
hen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Gustav Herzog [SPD]: Ihren Unsinn muss man verhindern!)


Ich schlage damit eine Brücke zur Städtebauförde-
rung.


(Sören Bartol [SPD]: Super, was Sie machen!)


Ein großartiger Erfolg ist ein Programm geworden, das
wir im vergangenen Jahr neu aufgenommen haben, das
Programm „Energetische Stadtsanierung“. Es war eine
tolle Idee, die von vielen Kommunalpolitikern an mein
Haus herangetragen wurde, nicht lauter Einzelhäuser zu
sanieren, sondern in den Innenstadtlagen möglichst viele
Häuser im Verbund zu sanieren. Wir fördern das mit dem
Programm „Energetische Stadtsanierung“. Im laufenden
Jahr haben wir das Programm mit 92 Millionen Euro do-
tiert, nächstes Jahr stocken wir es auf 100 Millionen
Euro auf. Im Übrigen bleibt die Städtebauförderung ein
wichtiges Handlungsfeld des Bundes. Die Kommunen
können sich darauf verlassen, dass der Bund ein verläss-
licher Partner der Städtebauförderung ist und auch bleibt
und dass wir die Mittel bei 455 Millionen Euro belassen
werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Was mir große Sorgen bereitet, sind die auseinander-
laufenden Entwicklungen im Bereich des Wohnungs-
baus. Wir haben auf der einen Seite in strukturschwa-
chen Regionen Leerstand, auf der anderen Seite in
Ballungsräumen zunehmend erhebliche Probleme bei
der Bereitstellung hinreichenden Wohnraums. Wir haben
Probleme mit steigenden Mieten. Ich möchte daran erin-
nern, dass mit der Föderalismusreform vor fünf Jahren
die politische und gesetzgeberische Zuständigkeit für die
soziale Wohnraumförderung vom Bund auf die Länder
übergegangen ist, und zwar mit ganz klaren Regelungen.
So bezahlt der Bund für die Kompensation der Lasten,
die dadurch auf die Länder zukommen, 518 Millionen
Euro pro Jahr. Das ist aus unserer Sicht gut angelegtes
Geld.

Wir verhandeln derzeit darüber, in welchem Umfang
und unter welchen Bedingungen ab dem Jahr 2014 diese
Förderung durch den Bund weitergeführt wird. Wir ste-
hen zu dieser Verpflichtung. Die Länder brauchen Mittel
für diese Aufgabe. Ich füge aber auch ausdrücklich
hinzu: Wir müssen auf einer Zweckbindung bestehen.
Wir können es nicht hinnehmen, dass die Länder dieses
Geld zwar nehmen, aber dann damit verfahren, wie sie
wollen, und nur pauschal angeben, dass das Geld für in-
vestive Zwecke verwendet wird. Wir müssen sicherstel-
len, dass diese Mittel zuverlässig zweckgebunden in die
soziale Wohnraumförderung fließen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Damit komme ich zur Verkehrsinfrastrukturpolitik.
Auch diese muss realistisch und nüchtern betrachtet wer-
den. Wir arbeiten derzeit im Rahmen der Vorbereitung
des nächsten Bundesverkehrswegeplans an der Ver-
kehrsprognose bis zum Jahr 2030. Wir wissen, dass die
Verkehre in allen Bereichen zunehmen werden und müs-
sen deshalb Prioritäten setzen. Es ist sicherlich beacht-
lich, dass wir für die Investitionen in die Verkehrsinfra-
struktur, inklusive Erhalt, Ausbau und Neubau,
10 Milliarden Euro zur Verfügung haben. In diesem Zu-
sammenhang wird immer die Vokabel „Verstetigung“
gebraucht. Aber ich muss an dieser Stelle darauf hinwei-
sen, dass diese wohlklingende Vokabel verschweigt,
dass diese 10 Milliarden Euro, auch wenn sie nominal
verstetigt sind, real von Jahr zu Jahr entwertet werden,
und zwar durch erhebliche Preissteigerungen, die im
Baubereich bei etwa 3 Prozent liegen. Das ist eine reale
Entwertung von etwa 300 Millionen Euro pro Jahr. Ver-
antwortlich dafür sind immer höhere Standards im Be-
reich des Umweltschutzes, des Artenschutzes und der
Sicherheit.

Ich muss mich mit vielen Zahlen herumschlagen. Auf
einige davon will ich genauer eingehen: Wir binden
durch laufende Projekte im Straßenbau in den Jahren
2013 bis 2016 Mittel im Umfang von knapp 4,5 Milliar-
den Euro. Die momentan zur Verfügung stehenden Be-
darfsplanmittel haben aber nur eine Höhe von knapp
2,8 Milliarden Euro. Das heißt, es klafft eine Deckungs-
lücke von 1,7 Milliarden Euro, über deren Schließung
wir uns alle miteinander Gedanken machen müssen. Ich
wiederhole: Das sind die laufenden, im Bau befindlichen
Projekte. Daneben haben wir Planfeststellungsbe-
schlüsse im Bereich des Bundesfernstraßenbaus umzu-
setzen, für die eine Investitionssumme von 7 Milliarden
Euro veranschlagt ist. Das sind gewaltige Herausforde-
rungen.

Ich rede hier über Projekte im Bereich des Aus- und
des Neubaus. Was in die Instandhaltung, in den Erhalt,
fließen muss, ist mit diesen Mitteln gar nicht abgebildet.
Ich sage klipp und klar: Angesichts des Erfordernisses
der Prioritätensetzung in diesem Ausmaß muss Instand-
haltung vor Neubau gehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Substanz unserer Verkehrsinfrastruktur darf nicht in-
frage gestellt werden, Stichwort „Priorisierung“. Die
Wünsch-dir-was-Politik der letzten zehn, zwölf Jahre
unter Vorgängerregierungen können wir so nicht fortset-
zen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das machen Sie doch!)


Ich kämpfe deswegen in den bevorstehenden Haushalts-
beratungen für verlässliche Finanzierungsperspektiven.
Wir brauchen eine Verstetigung des Infrastrukturbe-
schleunigungsprogramms, durch das wir im vergange-
nen Jahr für dieses Jahr und für die Folgejahre 1 Mil-
liarde Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE Bundesminister Dr. Peter Ramsauer GRÜNEN]: Das löst das Grundproblem nicht!)





(A) (C)


(D)(B)


Noch eine Bemerkung zum Flughafenbau in Berlin.
Ich glaube, das wird von mir an dieser Stelle erwartet.
Der Bund ist mit 26 Prozent am neuen Hauptstadtflugha-
fen beteiligt. Jeweils 37 Prozent entfallen auf die Länder
Berlin und Brandenburg; sie sind damit Mehrheitseigner.
Der Bund stellt von 15 Aufsichtsräten 2. Die weiteren
13 verteilen sich auf die Länder Berlin und Brandenburg
sowie auf die Arbeitnehmerseite. Ich sage das, um ein-
mal klarzustellen, wie die Aufsichtsaufgaben verteilt
sind.

Vielen Dank an den Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung. Dieser Ausschuss hat sich vorgestern
ein Bild an Ort und Stelle gemacht. „Einmal sehen ist
besser als hundertmal hören“, lautet ein chinesisches
Sprichwort. Ich möchte klarstellen: Der Bund steht hin-
ter dem Projekt des Hauptstadtflughafens. Wir können
und dürfen dieses Projekt selbstverständlich nicht an die
Wand fahren lassen. Der Bund unterschreibt allerdings
auch keine Blankoschecks; das darf es ebenfalls nicht
geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deswegen sind wir über erforderliche Konsequenzen mit
den anderen Gesellschaftern laufend im Gespräch.

Der neue Technikchef, den wir bestellt haben, hat je-
denfalls einen imposanten und guten Start hingelegt und
genießt unser vollstes Vertrauen. Im Übrigen müssen die
Verantwortlichkeiten für die Entwicklungen in der Ver-
gangenheit ganz genau geklärt werden. Wir müssen die-
ses Projekt jetzt zügig zum Erfolg führen. Mein Ministe-
rium hat mit der Einrichtung einer Sonderkommission
Flughafen BER die entsprechende Vorkehrung geschaf-
fen, um alles sicherzustellen, was in diesem Zusammen-
hang Obliegenheiten des Bundes sind. Die „SoKo BER“
arbeitet ausgesprochen erfolgreich.

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt: Wenn
dieser Flughafen in Betrieb sein wird, dann wird das ein
Flughafen sein, der weltweit Maßstäbe setzt und Beach-
tung findet.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719300100

Nächster Redner ist der Kollege Florian Pronold für

die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD – Uwe Beckmeyer [SPD]: Jetzt ein bisschen flotter als der Minister!)



Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1719300200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Das ist der letzte Bundeshaushalt im Bereich
Verkehr, den dieser Minister verantworten wird, und das
ist gut so.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Drei Jahre lang war Zeit, die großen und vollmundi-
gen Ankündigungen und Versprechen, die am Anfang
der Wahlperiode gemacht worden sind, in die Tat umzu-
setzen. Außer Ankündigungen ist nichts dabei herausge-
kommen. Erinnern wir uns an die erste Rede, die Herr
Ramsauer in diesem Haus als Bundesverkehrsminister
gehalten hat. Das große Thema lautete: Jeder Zuwachs
im Güterverkehr soll auf die Schiene verlagert werden.
Was ist die Bilanz nach dieser vollmundigen Ankündi-
gung? Was ist aus der Verpflichtung im Koalitionsver-
trag geworden, die Hinterlandhäfenanbindung hinzube-
kommen?


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Spielzeugeisenbahn!)


Nichts. All das ist beerdigt worden. Von 1 Milliarde
Euro an Sondermitteln im Verkehrshaushalt gehen ge-
rade einmal 100 Millionen Euro in den Bereich der
Schienen. Es gab aber keine Initiative, um Güterverkehr
tatsächlich von der Straße auf die Schiene zu verlagern.
Im Gegenteil, die Mittel für kombinierte Verkehre sind
im Haushalt noch gekürzt worden. Die Bilanz: verspro-
chen – gebrochen.


(Beifall bei der SPD – Patrick Döring [FDP]: Wir kürzen Subventionen!)


Wie oft haben wir hier darüber diskutiert, was die
Menschen zum Beispiel an der Rheintalbahn bewegt?
Die Lärmbelastung ist dort in vielen Bereichen unerträg-
lich. Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb steht: Der
Schienenbonus bei der Bahn wird aufgehoben. Was ist
gemacht worden? Nichts. Versprochen – gebrochen.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Gar nichts!)


Herr Ramsauer, ich hätte mir gewünscht, dass Sie zu-
mindest auf europäischer Ebene ein paar Initiativen er-
griffen hätten. So viel Geld kostet es nicht, alle Güterwa-
gen umzurüsten. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie so
mutig gewesen wären wie die Schweizer, die darüber
nachdenken, ab 2019 einfach ein Durchfahrtverbot für
die besonders lauten Güterverkehre zu verhängen. Damit
würde man den Menschen wirklich helfen. Durch Ihre
Ankündigungen aber gibt es keinen Lärmschutz. Sie
sind vielmehr Lärm und damit eine Belästigung für die
Menschen, die vor Ort betroffen sind.


(Beifall bei der SPD – Uwe Beckmeyer [SPD]: Er ist noch langsamer als die Schweizer!)


Im Koalitionsvertrag steht, dass von der Koalition in
der ersten Hälfte der Legislaturperiode über die Höhe
der Finanzausstattung für die ehemalige Gemeindever-
kehrsfinanzierung entschieden wird, die auslaufen soll
und die wir in der Übergangsperiode neu regeln müssen.
Die Hälfte dieser Zeit ist schon vorbei, und nichts wurde
entschieden: Angekündigt, versprochen und nicht gehal-
ten.

Es sollte mehr Geld in die jeweiligen Verkehrsträger
fließen. Es sollte verkehrsträgereigene Finanzierungs-
kreisläufe geben. Das war die große Ankündigung. Was
ist passiert? Ja, Sie haben die Einnahmen aus der Lkw-
Maut tatsächlich in den Bereich Straße fließen lassen.





Florian Pronold


(A) (C)



(D)(B)


Aber steht jetzt mehr Geld für den Straßenbau zur Verfü-
gung? Nein, denn andere Mittel wurden gekürzt.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: So ist es!)


Sie beklagen zu Recht, dass die geringen Mittel, die
durch den letzten Haushalt zusätzlich zur Verfügung
standen, nur ein wenig Luft zum Luftschnappen brach-
ten, jedoch nicht genug Luft zum Atmen. Ich frage Sie:
Was sind Sie für ein Minister, wenn Sie zulassen, dass
aus dem Verkehrsbereich Milliarden eingesammelt wer-
den, die diesem aber nicht zugutekommen? Die Luftver-
kehrsabgabe beträgt jährlich 1 Milliarde Euro, und es
gibt eine jährliche Zwangsdividende der Bahn von
500 Millionen Euro. Davon fließen 270 Millionen Euro
wieder zurück.


(Zuruf von der FDP: Was ist denn eine Zwangsdividende?)


Aus dem Verkehrsbereich werden also 1,2 Milliarden
Euro eingesammelt, die jedoch nicht die Investitionslinie
erhöhen. Das ist doch ein Armutszeugnis.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gleichzeitig beklagen Sie, dass zu wenig Geld vor-
handen ist. Dabei haben Sie Mehrwertsteuergeschenke
für die Hoteliers und Milliarden für ein unsinniges Be-
treuungsgeld in den Haushalt eingestellt. Das ist die
Wahrheit. Nun stellen Sie sich hier hin und jammern.
Das ist doch lächerlich.


(Beifall bei der SPD)


Und dann gibt es wieder große Ankündigungen. Erst
in der letzten Woche hörten wir etwas zum Bundesrad-
wegeplan. Der war wirklich toll. Darin stehen viele ver-
nünftige Sachen. Das einzige Problem dabei ist jedoch
der Haushalt. In diesem Bereich wird nämlich gekürzt:
von 100 Millionen Euro unter Rot-Grün auf nunmehr
60 Millionen Euro. Das ist fast eine Halbierung. Was
helfen große Ankündigungen, wenn sie nicht mit Geld
hinterlegt sind?

Das ist ähnlich wie bei der tollen Reform des Ver-
kehrssünderregisters, die Sie gemacht haben. Dort gibt
es diese schöne anschauliche Ampel. Sie haben tolle
Flugblätter gedruckt, und es ist ein ADAC-Sonderheft
für Sie herausgekommen. Auch hier ist nach der Ankün-
digung nichts übrig geblieben.


(Patrick Döring [FDP]: Alles nur Neid!)


Versprochen – gebrochen, Herr Ramsauer. Das ist die
Bilanz Ihrer bisherigen Regierungstätigkeit.


(Beifall bei der SPD – Sebastian Körber [FDP]: Was sind denn Ihre Vorschläge?)


Was die Priorisierung angeht, die angesichts der
knappen Finanzmittel notwendig ist, ziehe ich in Bezug
auf Ihr bisheriges Regierungshandeln folgendes Fazit:
Der Bau einer Autobahn ist doch niemals nach objekti-
ven Kriterien bewertet worden. Sie haben den Bundes-
verkehrswegeplan nicht wirklich überarbeitet. Sie haben
nicht überlegt, wo es Knoten oder Engstellen gibt, die

man beheben muss. Das einzige Kriterium war: Führt
die Autobahn durch den Wahlkreis des Bundesminis-
ters? Das war die einzige Priorität, nach der Sie Ihre Ver-
kehrspolitik ausgerichtet haben!


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Sebastian Körber [FDP]: Das hat die SPD verschlafen!)


Sie haben Ihre Rede mit der Bemerkung eingeleitet,
dass Ihr Ministerium eigentlich die entscheidende Rolle
spielt, wenn es darum geht, wie die Energiewende ge-
staltet werden soll. Zur Energiewende gehört die Einspa-
rung, und die größten Einsparpotenziale liegen in den
Bereichen Verkehr und Gebäude.


(Stephan Kühn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmen Sie zu im Bundesrat!)


70 Prozent des Einsparpotenzials liegen in diesem Be-
reich. Was passiert?


(Patrick Döring [FDP]: Ganz einfach! Sache des Bundesrates! Sie müssen Ihre Blockade aufgeben!)


– Rufen Sie nicht dazwischen, stellen Sie mir eine Zwi-
schenfrage,


(Patrick Döring [FDP]: Ich denke nicht daran!)


dann kann ich Ihre Fragen ordentlich beantworten.


(Beifall bei der SPD – Patrick Döring [FDP]: Wenn Sie bei der Wahrheit bleiben, dann stelle ich auch eine Zwischenfrage!)


Dann bekommen die Menschen auf den Zuschauertribü-
nen auch mit, was die Wahrheit ist.


(Patrick Döring [FDP]: Immer bei der Wahrheit bleiben!)


– Herr Döring, Sie sind gut im Dazwischenrufen, aber
schlecht im Umgang mit den Fakten. Stellen Sie mir eine
Zwischenfrage, dann kommen wir weiter.

Zum Thema energetische Gebäudesanierung. In die-
sem Bereich liegt das Einsparpotenzial bei 70 Prozent.
Wenn Sie jetzt schon so schreien, dann ist klar, was
gleich kommt. Was ist denn die Wahrheit?


(Patrick Döring [FDP]: Sagen Sie die Wahrheit! Genau!)


Unter einem sozialdemokratischen Minister war der Bei-
trag zur Förderung der energetischen Gebäudesanierung
mit 2 Milliarden Euro am höchsten. Nun ist es ein Vier-
tel weniger. Wer hat das zu verantworten? Sie! Das ist
die Wahrheit und nichts anderes.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben das Ganze in einen Energie- und Klimafonds
gepackt, der nicht gegenfinanziert ist, dessen Finanzie-
rung unsicher ist.


(Patrick Döring [FDP]: Sie haben den Haushalt 2010 geplündert!)






Florian Pronold


(A) (C)



(D)(B)


Sie haben damit einen Anschlag auf die mittelständische
Wirtschaft verübt, weil Sie für Verunsicherung gesorgt
haben; denn heute gibt es weniger Aufträge vor Ort, und
dadurch wird weniger für den Klimaschutz getan.


(Patrick Döring [FDP]: Sie blockieren doch!)


Wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie den
Mitgliedern des Kabinetts. Wem traut das Kabinett in
dieser Frage? Herr Altmaier hat extra eine neue Unterab-
teilung eingerichtet, die klären soll, wie man im Bereich
Gebäude Einsparungen vornehmen kann, weil er es dem
Verkehrsminister nicht zutraut.


(Sebastian Körber [FDP]: Wir haben doch schon alles beschlossen!)


Die Bundeskanzlerin hat den Bereich Elektromobilität
nicht beim Verkehrsministerium angesiedelt, sondern im
Wirtschaftsministerium. Gibt es denn ein größeres Ar-
mutszeugnis für einen Bundesverkehrsminister, als dass
ihm die eigenen Kabinettskollegen nichts zutrauen?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die haben ihre Gründe! So ist es!)


Zum Thema Städtebauförderung. Sie haben sie zu
Recht gelobt, sie ist nämlich ein tolles Instrument, aber
mit der Anzahl an Protestbriefen von Kommunalpoliti-
kern, die bei Ihnen eingegangen sind, weil Sie die Mittel
für die Städtebauförderung gekürzt haben, könnte man
alle Bundesverkehrswege pflastern.


(Heiterkeit des Abg. Sören Bartol [SPD])


Sie haben die Mittel für die Städtebauförderung um ein
Viertel gekürzt. Sie haben vor allem die Projekte, die be-
sonders erfolgreich sind, aus ideologischen Gründen
aufs Korn genommen. Lassen Sie mich als Beispiel das
Programm „Soziale Stadt“ nennen, das immer noch un-
terfinanziert ist. Was haben wir Debatten darüber ge-
führt!


(Patrick Döring [FDP]: Sie haben Debatten geführt, wir nicht! – Sebastian Körber [FDP]: Das ist doch aufgestockt worden! Zweimal!)


– Ja, jetzt haben Sie die Mittel wieder etwas aufgestockt.


(Sören Bartol [SPD]: Aber doch nicht auf dem alten Niveau!)


Aber sie befinden sich noch nicht auf dem alten Niveau.
Hören Sie doch mit diesen Taschenspielertricks auf!

Wir haben über das Thema abgehängte Wohnquar-
tiere diskutiert. Wir haben uns überlegt, was man dort
über Integration erreichen kann. Wir haben im letzten
Jahr in diesem Haus viel über das Thema Integration dis-
kutiert. Dort, wo man nachweislich Erfolge erzielt hat,
setzen Sie aus ideologischen Gründen den Rotstift an.
Das ist die Bilanz Ihrer Regierungspolitik. Sie lassen die
Menschen vor Ort im Stich.


(Beifall bei der SPD)


Zum Thema bezahlbare Miete. Sie haben das Thema
zu Recht angesprochen, aber ich frage Sie: Was haben

Sie denn gemacht? Was macht denn die schwarz-gelbe
Koalition, beispielsweise in Bezug auf die energetische
Sanierung? Sie belasten die Menschen mit zusätzlichen
Risiken.


(Patrick Döring [FDP]: Falsch!)


Das geltende Recht sieht noch eine Verschärfung der Be-
dingungen vor,


(Patrick Döring [FDP]: Auch falsch!)


indem 11 Prozent der Sanierungskosten auf die Miete-
rinnen und Mieter umgelegt werden können.


(Patrick Döring [FDP]: Eine Lügengeschichte nach der anderen!)


– Schauen Sie halt ins Gesetz rein, wenn Sie es nicht
glauben.


(Patrick Döring [FDP]: Wir verschärfen nichts!)


Kostet eine Sanierung 25 000 Euro, dann bedeutet das
für einen normalen Mieter eine Mieterhöhung von bis zu
230 Euro pro Monat, das sind etwa 2 750 Euro pro Jahr.
Wer kann sich das denn leisten? In Metropolregionen
und in Ballungsräumen kann das passieren. Wie lautet
Ihre Antwort? Noch weniger Rechte für die Mieterinnen
und Mieter anstelle einer fairen Lasten- und Risikover-
teilung, für die wir alle in diesem Hause sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In der Verkehrs- und Baupolitik fehlt eine Vision, ein
Konzept für die Zukunft.


(Sebastian Körber [FDP]: Sie haben gar nichts gesagt zu den Emissionen!)


– Wollen Sie mir auch eine Frage stellen? Meine Rede-
zeit geht zu Ende. Dann sage ich Ihnen noch gerne etwas
zu Emissionen, oder ich lade Sie ein. Heute Nachmittag
findet in diesem Haus ein Zukunftskongress der SPD-
Bundestagsfraktion statt. Daran können Sie gerne teil-
nehmen. Dort ist das wichtigste Projekt das Projekt „In-
frastrukturkonsens“. Dort haben wir die entscheidenden
Punkte benannt, die in der Zukunft gebraucht werden. Es
ist notwendig, dass die Bürgerbeteiligung bei Infrastruk-
turprojekten verbessert wird – und nicht nur pro forma –,
dass wir die Planungen beschleunigen, dass es eine echte
Prioritätensetzung im Bundeshaushalt gibt, dass mehr
Güterverkehr auf die Schiene kommt und dazu entspre-
chende Investitionen gemacht werden. Das sind die He-
rausforderungen. Darüber haben wir in diesem Hause oft
Debatten geführt.

Das Problem ist, dass unter diesem Minister drei
Jahre lang nichts gemacht worden ist außer Klamauk:
Wechselkennzeichen, Wiedervergabe ehemaliger Kfz-
Kennzeichen. Ich erinnere mich noch an große Debatten
über Überholverbote von Lkw auf der Autobahn, aus de-
nen auch nichts geworden ist. Es gibt noch viele, viele
andere Dinge.


(Sören Bartol [SPD]: Punkteampel!)






Florian Pronold


(A) (C)



(D)(B)


Das größte Projekt des Ministers, die Pkw-Maut, ist von
der Bundeskanzlerin versenkt worden.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: So ist es!)


Versprochen – gebrochen.


(Beifall bei der SPD)


Die Medien haben ihr Urteil schon gefällt. Es hieß
„Pop-up-Minister“, und – das Traurigste – Ramsauer
wurde gekrönt zum „König des Nichts“. Dem ist nichts
hinzuzufügen.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719300300

Ich erteile das Wort der Kollegin Claudia Winterstein

für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1719300400

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Pronold, Ihr Gejammere und Ihre Schwarz-
malerei helfen überhaupt nicht weiter.


(Sören Bartol [SPD]: Lauter Fakten!)


Das war einfach nur grauselig. Ich habe wirklich noch
nie so viel Unsinn so kompakt in elf Minuten gehört.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich frage mich, was Sie zu Ihren fünf Ministern, die in
den vergangen Jahren weiß Gott nichts bewerkstelligt
haben, zu sagen hätten. Insofern haben Sie ein absolut
schwaches Bild abgeliefert. Deswegen möchte ich als
Haushälterin zu den Fakten zurückkehren.

Dank der besonnenen Haushaltspolitik und der ziel-
gerichteten Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik steht
Deutschland im internationalen Vergleich – vielleicht
befassen Sie sich damit auch einmal – gut da. Wir haben
konsolidiert und klug investiert. Das ist die Maßgabe der
Koalition.

Dass dieser Weg der richtige ist, belegt auch eine Stu-
die des World Economic Forums, die in der vergangenen
Woche veröffentlich worden ist. Nach dieser Studie be-
legt Deutschland unter den wettbewerbsfähigsten Län-
dern den sechsten Rang, und das noch vor den USA. Ur-
sache hierfür sind insbesondere die hervorragenden
Noten, die wir in den Rubriken Infrastruktur und Innova-
tionskraft erhalten haben. Von den Gesamtausgaben im
Verkehrshaushalt in Höhe von 25,7 Milliarden Euro wer-
den 54 Prozent für Investitionen aufgebracht. Sie müs-
sen einmal überlegen: Wir haben 33 400 Kilometer
Schienenwege des Bundes, 52 500 Kilometer Autobah-
nen und Bundesstraßen mit 39 000 Brücken und über
7 000 Kilometer Wasserstraßen. Die müssen alle erhal-
ten bleiben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deswegen sind Investitionen in diese Verkehrsinfra-
struktur besonders wichtig. Deshalb haben wir dafür

auch 10,1 Milliarden Euro vorgesehen; denn eine leis-
tungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist der Grundpfeiler
für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und für die Si-
cherung von Arbeitsplätzen.

Was haben Sie bei Rot-Grün ausgegeben? Sie haben
nicht 10,1 Milliarden Euro ausgegeben, Sie haben
9,5 Milliarden Euro ausgegeben. Sie hätten weitaus
mehr ausgeben können, wenn Sie das alles so viel besser
können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Uwe Beckmeyer [SPD]: Preissteigerungen!)


Im vergangenen Jahr stellte die Koalition mit dem In-
frastrukturbeschleunigungsprogramm einmalig 1 Mil-
liarde Euro an zusätzlichen Mitteln bereit; das ist bereits
gesagt worden. Damit sind wir dem Investitionsstau ent-
gegengetreten, den uns die fünf vorherigen SPD-Ver-
kehrsminister als schwere Hypothek überlassen haben.


(Johannes Kahrs [SPD]: Da klatschen ja nicht einmal die Koalitionsfraktionen!)


Auch im Jahr 2013 können wir davon noch profitieren.
290 Millionen Euro davon haben wir im Haushalt 2013
noch zur Verfügung. Mit den Mitteln aus diesem Infra-
strukturbeschleunigungsprogramm werden 32 Maßnah-
men im Straßenbau verstärkt. Zudem sind 28 zusätzliche
Erhaltungsmaßnahmen und 12 zusätzliche Neubaupro-
jekte ermöglicht worden. Es ist also nicht so, dass hier
nichts geschieht; im Gegenteil. Mit den Zusatzmitteln
für den Bereich Schiene werden rund 380 Einzelvorha-
ben zur Modernisierung der Bahnsteige und zur Herstel-
lung der Barrierefreiheit umgesetzt. Schließlich kann der
Bau der dringend notwendigen fünften Schleuse in
Brunsbüttel


(Johannes Kahrs [SPD]: Sehr gut!)


an der größten künstlichen Wasserstraße der Welt, näm-
lich dem Nord-Ostsee-Kanal, endlich realisiert werden.
Das sind große Erfolge.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Einen weiteren Erfolg gibt es im Bereich der Ver-
kehrssicherheit auf den Bundesstraßen zu verzeichnen.
In der Vergangenheit stellten die fehlenden Lkw-Stell-
plätze an den Bundesfernstraßen ein großes Problem und
eine erhebliche Verkehrsgefährdung dar. Bis zum Jahr
2015 werden 15 500 neue Plätze geschaffen. Dafür stel-
len wir 130 Millionen Euro bereit.

Ein Desaster ist allerdings der Bau des neuen Haupt-
stadtflughafens. Hier gibt es vor allem Chaos.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, auch aufseiten dieser Bundesregierung! Wer sitzt denn von der Bundesregierung im Aufsichtsrat?)


Mangelhaftes Controlling, Planungsfehler und menschli-
ches Versagen haben nicht nur zu einer erneuten Verschie-
bung des Eröffnungstermins geführt, sondern bewirken
auch ein Finanzierungsdefizit der Flughafengesellschaft
in Höhe von 1,2 Milliarden Euro. Davon müsste der Bund
26 Prozent, also rund 312 Millionen Euro, tragen. Für zu-





Dr. Claudia Winterstein


(A) (C)



(D)(B)


sätzliche Bundesmittel muss allerdings die Maßgabe lau-
ten: so viel Gesellschafterdarlehen wie möglich, so wenig
Eigenkapitalzuschuss wie nötig.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem wir
zusätzliche Zahlungen an die Flughafengesellschaft
ohne Konsequenzen nicht mehr verantworten können.


(Sebastian Körber [FDP]: Genau!)


Natürlich ist eine Insolvenz keine Option, aber zumin-
dest benötigen wir eine Verbesserung der Aufsicht und
eine Veränderung in der Geschäftsführung; denn ich
glaube, das Vertrauen ist komplett verlorengegangen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es bleiben noch viele Fragen offen. Nur ein Beispiel:
Der Münchener Flughafen hat für 20 Millionen Passa-
giere 330 Check-in-Counter und 21 Gepäckausgabebän-
der. An unserem Flughafen in Berlin gibt man sich mit
96 Abfertigungsschaltern und 8 Gepäckausgaben für
24 Millionen Passagiere zufrieden. Das Chaos ist an sich
vorprogrammiert.

Ein wichtiger Bestandteil des Einzelplans 12 ist die
Schifffahrt. Als im Sommer dieses Jahres die Reederei
Deilmann ankündigte, die „MS Deutschland“ statt unter
deutscher Flagge unter maltesischer Flagge fahren zu
lassen, war die Aufregung im Land natürlich groß. Die
„MS Deutschland“ ist ein symbolträchtiges Schiff, nicht
nur weil sie als „Traumschiff“ berühmt wurde, sondern
auch, weil es leider das letzte große Kreuzfahrtschiff un-
ter deutscher Flagge ist. Viele Gespräche waren notwen-
dig, um die Reederei zu bewegen, das Schiff nicht aus-
zuflaggen.

An dieser Stelle möchte ich dem Maritimen Koordi-
nator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto, danken,
der mit wirklich unermüdlichem Einsatz die Reederei
davon überzeugen konnte, dass es neben ökonomischen
Gesichtspunkten auch eine nationale Verantwortung
gibt. Das ist übrigens bei der SPD ganz anders. Das par-
teieigene Kreuzfahrtschiff „MS Princess Daphne“ fährt
nämlich unter portugiesischer Flagge.


(Sebastian Körber [FDP]: Ah, ein Bekenntnis! – Oliver Luksic [FDP]: Lobbyisten! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Wir wollen die Wirtschaft fördern, auch in diesen Ländern!)


Die maritime Wirtschaft stellt einen bedeutenden und
wichtigen Wirtschaftszweig in Deutschland dar. Hohe
Investitionen der Reedereien sichern und schaffen Ar-
beitsplätze. Allein die deutschen Schifffahrtsunterneh-
men beschäftigen 90 000 Menschen. Damit diese Er-
folgsgeschichte fortgesetzt werden kann, brauchen wir
das Maritime Bündnis. Durch die Förderung von Ausbil-
dung und Beschäftigung deutscher Seeleute auf deut-
schen Schiffen wird der Schiffsstandort in diesem Land
gestärkt. Deswegen wollen wir den Förderansatz für das
Haushaltsjahr 2013 auf einem Niveau von 57,8 Millio-
nen Euro verstetigen. Wir bleiben der verlässliche Part-
ner der maritimen Wirtschaft.

Zum Schluss möchte ich noch auf die Reform der
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zu sprechen kom-
men.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719300500

Das wird nun schwerlich möglich sein.


(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist ein Segen!)


– Nein, das ist natürlich höchst bedauerlich; aber die
Lage ist halt so, wie sie ist.


(Johannes Kahrs [SPD]: Wir ahnen, was sie sagen will! Deshalb ist das gut!)



Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1719300600

Ich will nur sagen: Die FDP hat zehn Jahre lang dafür

gekämpft, und wir sind sehr froh, dass wir jetzt auf ei-
nem guten Weg sind und auch im Bereich der Wasser-
und Schifffahrtsverwaltung zu mehr Effizienz kommen.
Wir werden darüber in den kommenden Haushaltsbera-
tungen ganz sicher weiter intensiv diskutieren, Herr
Kahrs.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Diskutieren bestimmt! Es wird nur nichts passieren!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719300700

Das Wort erhält nun der Kollege Roland Claus für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719300800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die unbestrittene Tatsache, dass es hier um den
größten Investitions- und Infrastrukturetat des Bundes
geht, sagt noch nichts über die Qualität der Investitionen


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Ja, leider!)


und sagt auch nichts über die Fähigkeit des zuständigen
Ministeriums, diese Investitionen voranzubringen.

Herr Bundesminister Ramsauer, wohlgesonnen könnte
man sagen: Sie haben Ihre Rede hier in betonter Sachlich-
keit vorgetragen.


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Stimmt!)


Ich muss Ihnen sagen: Das, was Sie hier angeboten ha-
ben, war einfach nur lustlos.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Da brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn Ihnen im-
mer mehr Kompetenzen aus der Hand genommen wer-
den. Man muss Sie zu mehr Selbstvertrauen ermuntern.
Für mich steht fest: Sie können nicht mit Geld umgehen,
und schon gar nicht mit viel Geld.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben sich den Beitrag Ihres Ressorts zur Energie-
wende ohne Not aus der Hand nehmen lassen. Zum





Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)


Thema Gebäudesanierung hat der Genosse Pronold
schon das Richtige gesagt.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Sie haben die Mittel für den Stadtumbau reduziert und
sich damit Protestschreiben von Bürgermeistern von
CSU bis Linke eingehandelt. Sie haben das Programm
„Soziale Stadt“ als baufremde Ausgabe diskreditiert.
Das ist wirklich nicht hinzunehmen.

Sie werden doch inzwischen weltweit Erfahrungen
gesammelt haben.


(Patrick Döring [FDP]: Wir haben nicht so viel Zeit zum Reisen wie Sie!)


Wir haben uns den Umbau einer Township in Kapstadt
angeschaut. Man kann sich in Deutschland den Umbau
von großen Wohnsiedlungen anschauen, zum Beispiel in
Bremen-Tenever.


(Oliver Luksic [FDP]: Was Sie sich alles anschauen!)


Es geht niemals nur um die Seite des Bauens. Es geht
immer auch um die Verbindung von Bau und demokrati-
scher Teilhabe. Deshalb ist dieses Programm so wichtig.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn Sie dieses Programm diskreditieren, zeugt das von
einer betonköpfigen Politik, die ich Ihnen unterstellen
muss.

Sie haben das Programm „Altersgerecht Umbauen“ in
die Abwicklung geschickt. Wenn es ein positives Pro-
gramm gibt, das eine wirklich herausragende Wirkung
auf andere Entwicklungsmöglichkeiten hat, dann ist es
dieses Programm. Ich habe damit eine wunderbare Er-
fahrung gemacht: An einem Neubaublock in meinem
Wahlkreis ist inzwischen außen ein Fahrstuhl angebracht
worden. Das ist nahezu eine Touristenattraktion. Dieses
Programm aber, mit dem Sie etwas bewirken können,
schicken Sie in die Abwicklung.

Ich muss mich erinnern: Ich habe 1990 als Mitglied
der letzten Volkskammer der DDR vergeblich versucht,
diese unselige Altschuldenbelastung ostdeutscher Woh-
nungsunternehmen zu verhindern. Das wurde mit dem
Einigungsvertrag Gesetz; ich konnte es nicht verhindern.


(Oliver Luksic [FDP]: Sie hätten das Chaos besser vorher verhindert!)


Ich hätte es aber nie für möglich gehalten, dass ich
22 Jahre danach noch immer auf die verheerenden Wir-
kungen dieser Altschuldenbelastung hier im Deutschen
Bundestag hinweisen muss. Das ist noch immer ein Rie-
senproblem, das ungelöst ist. Meine Fraktion wird Ihnen
einen Vorschlag für eine sinnvolle Kombination von
Stadtumbau Ost und Altschuldentilgung unterbreiten.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Minister, Sie sind auf die steigenden Mieten in
Ballungsgebieten eingegangen. Wir erwarten, dass Sie

an diesem Thema dranbleiben. Jetzt steht die Privatisie-
rung von über 11 000 bundeseigenen Wohnungen an, die
bislang noch der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft ge-
hören. Das fällt zwar in die Zuständigkeit des Bundes-
finanzministeriums, aber wir erwarten vom Bau- und
Wohnungsminister Engagement in dieser Sache. Sie wis-
sen, dass etliche Mitglieder meiner Fraktion als Alterna-
tive zu dieser Privatisierung eine Genossenschaft mit
dem Namen FAIRWOHNEN gegründet haben. Nun sind
wir aus dem Bieterverfahren ausgeschlossen worden;
das werden wir uns nicht bieten lassen. Wir rechnen
nicht damit, dass Sie der Genossenschaft beitreten, Herr
Minister, aber ein bisschen mehr Unterstützung für diese
Initiative wäre schon angebracht.


(Beifall bei der LINKEN)


Zur Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.
Seit dem Frühjahr ist die Katze aus dem Sack. Mit dem
sogenannten 5. Bericht zur Reform der Wasser- und
Schifffahrtsverwaltung des Bundes liegen die Dinge auf
dem Tisch. Sie wollen alle Behörden in Bonn zentralisie-
ren. Warum gründen Sie nicht gleich ein Zentralkomitee
der Wasser-und Schifffahrtsverwaltung?


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Gustav Herzog [SPD]: Guter Vorschlag! – Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)


Das, was Sie vorhaben, ist dem ja ähnlich. Ich kann Ih-
nen sagen, wohin das führt.

Besonders zu kritisieren ist, dass Sie die Wasserstra-
ßen im gesamten Osten quasi zu Restwasserstraßen er-
klären. Obwohl noch nichts im Parlament entschieden
ist, hat das bereits faktische Auswirkungen. Ich kann Ih-
nen von einem Jugendlichen aus meinem Wahlkreis be-
richten. Durch meinen Wahlkreis fließt die Saale. Der
Jugendliche hat ein großes Interesse an fließenden Ge-
wässern und hatte sich bei der Wasser- und Schifffahrts-
verwaltung beworben. Man hatte ihm gesagt: Willkom-
men, junger Mann, wir brauchen unbedingt Nachwuchs. –
Als er nun nachfragte – nachdem im Mai dieser Bericht
auf den Tisch gekommen war –, ob er dort seine Ausbil-
dung machen kann, wenn er mit der Schule fertig ist,
wurde ihm gesagt: Hier im Osten geht nichts mehr. Wir
stellen keine Auszubildenden mehr ein. – Das kann man
die Macht des Faktischen nennen, Herr Minister; ich
nenne es die Macht des Zynischen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke steht für eine Verkehrs-, Bau- und Stadtent-
wicklungspolitik, die stets von sozialer Verantwortung
und demokratischer Teilhabe aller an den öffentlichen
Gütern ausgeht. Was alle brauchen, muss öffentlich zu-
gänglich und bezahlbar sein.

Ich will noch ein Wort zum Flughafen Berlin sagen.
Dazu möchte ich den Focus aus dem April 1996 zitieren.
Der Focus berichtete im April 1996 über die Initiative
von Bundesminister Wissmann, CDU, und der CDU
Berlin für eine private Investition von 8 Milliarden
D-Mark für einen neuen Flughafen am Standort Schöne-
feld. Der Focus nannte das ein sensationelles Konzept.





Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)


Das muss deshalb hier zitiert werden, weil die Christlich
Demokratische Union inzwischen versucht, sich vom
Acker zu machen und die Schuld bei zwei Ministerpräsi-
denten, die zufällig der SPD angehören, abzuladen.


(Johannes Kahrs [SPD]: Nicht zufällig! – Patrick Döring [FDP]: Das kann kein Zufall sein!)


Es ist auch nicht damit zu erklären, dass der Bund mit
26 Prozent Minderheitseigner ist. Der Bund hat eine
Menge für die Infrastrukturanbindung dieses Flughafens
getan. Deshalb muss man Sie auffordern, zu Ihrer Ver-
antwortung zu stehen, damit es nicht eines Tages heißt:
Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu eröffnen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Uwe Beckmeyer [SPD] – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt es heute schon!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719300900

Wir ahnen die Vervollständigung der Geschichtsbü-

cher.

Der nächste Redner ist nun der Kollege Sven-
Christian Kindler für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich muss zugeben: Als ich den Verkehrshaus-
halt durchgearbeitet habe, war ich überrascht. Bei der
Durchsicht der Kapitel zu den Verkehrsträgern Schiene
und Straße dachte ich erst an einen Fehler in der schwarz-
gelben Matrix. Ich hatte ein Déjà-vu-Gefühl. Das kam da-
her: Es gibt deutliche Kürzungen der Mittel beim Neubau
und beim Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen,
430 Millionen Euro weniger, dafür 130 Millionen Euro
mehr beim Erhalt und 226 Millionen Euro mehr bei In-
vestitionen in die Schiene. Das kommt mir bekannt vor;
denn das ist in der Tendenz das, was in unseren grünen
Anträgen zu den Haushalten der letzten Jahre steht. Ich
dachte, Herr Minister, Sie hätten aus den Fehlern Ihres
Parteifreundes Karl-Theodor zu Guttenberg gelernt. Statt
zu „guttenbergen“, hätten Sie uns, die grüne Bundestags-
fraktion, als Originalquelle im Haushaltsplan angeben
können.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Florian Pronold [SPD]: Wollen Sie für diesen Haushalt herhalten? – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wird Ihre Rede noch besser?)


Aber bei uns wird ja alles unter Creative-Commons-Li-
zenz veröffentlicht.

Wenn man in den Bundeshaushalt schaut, sieht man,
dass die Titel Erhalt und Neubau gegenseitig deckungs-
fähig sind. In der Vergangenheit wurde im laufenden
Haushaltsjahr aber immer vom Erhalt zum Neubau um-

geschichtet. Deswegen muss man abwarten, was pas-
siert.

Beim weiteren Betrachten des Haushalts trat wieder
Ernüchterung ein: Eine realistische Verkehrspolitik? – Fehl-
anzeige! Eine nachhaltige Vision, wie wir diesen Haus-
halt zukunftsfest machen? – Auch Fehlanzeige! Ein ak-
tuelles Beispiel ist Ihr neues Konzept zum Radverkehr. Es
ist ungenau; es gibt viel heiße Luft. Was machen Sie kon-
kret? Sie haben in Ihrer Amtszeit die Mittel für den Rad-
verkehr um fast die Hälfte gekürzt.

Ein weiteres Beispiel: ÖPP, öffentlich-private Part-
nerschaften. Seit Beginn Ihrer Amtszeit haben Sie die
Mittel für diesen Titel fast verdoppelt, nämlich auf
190 Millionen Euro. Auch dieses Jahr gibt es 20 Millio-
nen Euro mehr. Was ist das Problem bei ÖPP? Erstens.
Dies ist häufig teurer. Der Bund leistet sich Projekte, wo-
für er eigentlich kein Geld hat, und die Projektkosten
sind höher. Zweitens. Dies ist häufig total intransparent
und geheim. Wir erfahren nichts über die Wirtschaftlich-
keitsberechnungen, nichts über die Verträge. Das sagen
nicht nur wir; das hat Ihnen zuletzt auch der Bundesrech-
nungshof gesagt. Wenn Sie schon nicht auf uns hören,
dann könnten Sie wenigstens auf den Bundesrechnungs-
hof hören.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In dieser Haushaltswoche ging es auch viel um Kon-
solidierung. Den schwarz-gelben Willen hierzu merkt
man besonders bei Ihnen, Herr Minister Ramsauer. Im
Juni hat das Kabinett mit der Zustimmung des Verkehrs-
ministers den Haushaltsentwurf beschlossen. Am selben
Tag, Herr Minister, haben Sie eine Zusatzmilliarde ge-
fordert, wie Sie es auch heute wieder gemacht haben, je-
doch ohne jeden Vorschlag für eine Gegenfinanzierung.
Es gibt keinen Deckungsvorschlag dafür. Gleichzeitig
haben Sie – es kommt noch besser – die Abschaffung der
Luftverkehrsteuer gefordert. Das wäre dann ein Einnah-
meausfall von 1 Milliarde Euro. Das macht zusammen
2 Milliarden Euro Defizit von Herrn Ramsauer. Mehr
ausgeben und Steuern senken – Glückwunsch, Herr
Minister, Sie haben exemplarisch gezeigt, wie schwarz-
gelbe Haushaltspolitik aussieht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Problem ist auch: Mehr Geld im Verkehrsetat löst
das grundsätzliche Problem nicht. Ich habe das Bundes-
verkehrsministerium gefragt: Wie viele Anmeldungen
gibt es eigentlich im Vordringlichen Bedarf im aktuellen
Bundesverkehrswegeplan für Neu- und Ausbauprojekte
der Straße? Im Vordringlichen Bedarf sollen 33 Milliar-
den Euro bis 2015 prioritär sein. Im Finanzplan 2012 bis
2015 sind dafür 6,3 Milliarden Euro eingestellt. Das
heißt, nur 20 Prozent der Neubauprojekte sind finanziert;
für 80 Prozent ist überhaupt kein Geld da. Da klafft eine
27-Milliarden-Euro-Lücke. Da hilft auch 1 Milliarde
Euro mehr oder weniger nicht. Das Grundproblem aber
ist, dass das mit der Priorisierung gar nichts zu tun hat.
Sie priorisieren im Haushalt nicht. Das ist nicht ehrlich
und nicht transparent. Der ganze Bundesverkehrswege-
plan funktioniert so nicht. Das ist kein Problem der





Sven-Christian Kindler


(A) (C)



(D)(B)


Unterfinanzierung. Der Bundesverkehrswegeplan ist
planlos überbucht; das ist das grundsätzliche Problem.


(Patrick Döring [FDP]: Was redet der Mann eigentlich? Reden Sie einmal mit dem Verkehrsminister in Baden-Württemberg! Der wird Ihnen etwas anderes erzählen!)


– Aber das Gute in Baden-Württemberg ist, dass dort
eine starke Priorisierung vorgenommen worden ist. Dort
haben wir ganz klar gesagt, welche Straßen wir priorisie-
ren. Wir haben klargemacht, dass es bei Straßen in Ba-
den-Württemberg eine klare Priorisierung gibt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Gar nichts macht ihr da! Keine Neubauten! Tote Hose!)


Wir müssen hier grundsätzlich neu denken. Wir haben
das Problem, dass überall Wahlkreis- und Lobbyinteres-
sen einer grundsätzlichen Neuaufstellung des Bundes-
verkehrswegeplans vorgehen. Deswegen brauchen wir
für die Neuaufstellung des Bundesverkehrswegeplans ei-
nen Neuanfang. Wir wollen einen Bundesmobilitätsplan.
Er muss ehrlich sein, und er muss die Kosten transparent
darstellen. Vor allen Dingen muss er alle Verkehrsträger
im Gesamtnetz berücksichtigen, was er bisher eben nicht
macht, und auf die neuen Mobilitätsanforderungen ein-
gehen. Für diesen Neuanfang brauchen wir viel Mut.
Wir müssen uns mutig gegen die Lobbys durchsetzen.
Wir müssen den Mut haben, uns gegen Wahlkreisinteres-
sen durchzusetzen. Wir müssen vor allen Dingen Mut
haben, Verkehrspolitik grundsätzlich neu zu denken.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719301000

Nächster Redner ist der Kollege Arnold Vaatz für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1719301100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir reden jetzt schon eine Woche lang über den
Haushalt.


(Johannes Kahrs [SPD]: Ist nicht viel dabei herumgekommen!)


Da gibt es eine Situation, die sich kontinuierlich wieder-
holt: Einerseits wird uns vorgeworfen, dass wir ange-
sichts guter Steuereinnahmen überhaupt neue Schulden
machen. Andererseits wird bei fast jedem Einzelplan ge-
fordert, dass wir etwas drauflegen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es! Leider!)


Die Kritik, dass wir in einzelnen Bereichen zu wenig
Geld eingeplant hätten, wäre dann seriös, wenn Sie uns
Fehlverwendungen nachwiesen und seriöse Deckungs-
vorschläge machten.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht Herr Ramsauer nicht!)


Herr Pronold, das haben Sie bis jetzt nicht getan. Ich
hoffe, Herr Kahrs wird das nachholen, wenn er zu Wort
kommt. Dann wäre ein seriöses Gespräch darüber mög-
lich.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Herr Kahrs ist immer seriös! Das wissen wir doch! – Heiterkeit bei der SPD)


Wer Ja zur Haushaltskonsolidierung sagt, der muss
die Konsequenzen akzeptieren. Wir sagen Ja zur Haus-
haltskonsolidierung. Unter diesen Bedingungen hat
Peter Ramsauer einen Investitionshaushalt mit immerhin
10,1 Milliarden Euro vorgelegt, der, so meine ich, ein
hohes Maß an Kontinuität und Investitionssicherheit er-
reicht und außerdem von großer konzeptioneller Klarheit
ist. Was ich darunter verstehe, will ich Ihnen sagen: Wir
sind eine mobile Gesellschaft und wollen das bleiben.
Wir haben eine hohe Wohn- und Lebensqualität erreicht
und wollen sie erhalten. Wir haben enorme Investitionen
in den Schutz unserer Lebensgrundlagen getätigt und
wollen dies fortsetzen. Dazu brauchen wir eine leis-
tungsfähige Infrastruktur; diese müssen wir erhalten und
verbessern.

Ich sage Ihnen Folgendes: Wer in seinem Leben über
ein Jahrzehnt oder länger die vollständige Agonie einer
Infrastruktur erlebt hat, wie ich während der DDR-Zeit,
der will in eine solche Situation nie wieder zurück. Inso-
fern halte ich die Orientierung an dem Grundsatz, keinen
weiteren Werteverzehr infolge unterlassener Erhal-
tungs- und Instandhaltungsarbeiten zuzulassen, für eine
grundlegende Weichenstellung in diesem Haushalt,
meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Florian Pronold [SPD]: Dann machen Sie es doch mal! Reden Sie nicht darüber, machen Sie es!)


Im Rahmen des Investitionsbeschleunigungspro-
gramms haben wir dies in den Haushalten 2012 und
2013 umgesetzt. Diese Prioritäten setzt auch der Investi-
tionsrahmenplan, der bis 2015 gilt. Auch hier zeigt sich
etwas sehr Interessantes:


(Martin Burkert [SPD]: Ja! Ein Trick mit der Liste D!)


Er hat ein Volumen von 41 Milliarden Euro. Der letzte
unter sozialdemokratischer Ägide entstandene Investi-
tionsrahmenplan hatte einen Umfang von 57 Milliar-
den Euro. Das Problem war, dass Sie schon damals
wussten, dass entschieden weniger Mittel zur Verfügung
stehen. Aber das ist eben der Unterschied: Unser Grund-
prinzip ist Seriosität, nicht Schaufensterpolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD – Stephan Kühn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Ramsauer hat doch selber zugegeben, dass er mit 9 Milliarden unterfinanziert ist!)






Arnold Vaatz


(A) (C)



(D)(B)


Herr Pronold, wenn Sie uns vorwerfen, wir hätten
keine Visionen,


(Johannes Kahrs [SPD]: Sie machen keine Politik!)


dann muss ich sagen: Ich bin mir angesichts Ihrer Rede
nicht hundertprozentig sicher, ob Sie den Unterschied
zwischen den Begriffen Vision und Halluzination ken-
nen.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Gustav Herzog [SPD]: Was hatten Sie heute Morgen im Tee? – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Witz, lass nach!)


Denn das, was Sie hier vorgetragen haben, hat teilweise
von so großer Unkenntnis und von Wunschdenken ge-
strotzt, dass wir darüber nur lachen konnten. Das ist die
Realität.

Meine Damen und Herren, der Finanzbedarf für un-
sere Verkehrsinfrastruktur ist noch viel höher, als wir ihn
im Haushalt darstellen können; das wissen wir alle. Die-
ser Finanzbedarf wäre nicht ganz so hoch, wenn wir
nicht noch heute die Versäumnisse einer Handvoll frühe-
rer SPD-Verkehrsminister nachholen müssten, durch die
unser Etat zusätzlich belastet wird. Das ist es aber nicht
allein. Auch die gestiegenen Standards, die gestiegenen
Umweltanforderungen und die exorbitante Länge der
Genehmigungsverfahren sowie die in dieser Zeit stei-
genden Material- und Baupreise erhöhen den Kosten-
druck. Darauf müssen wir reagieren, entweder durch die
Zurverfügungstellung von mehr Haushaltsmitteln, in-
dem wir auf das allgemeine Steueraufkommen zurück-
greifen, oder durch anderweitige Erhöhungen der Ein-
nahmen.

Dieser Weg ist eingeschlagen worden. Mittlerweile
werden die Verkehrsinvestitionen zu rund einem Drittel
aus den Einnahmen aus der Lkw-Maut gespeist. Wir ha-
ben auch damit begonnen, sowohl bei der Straße als
auch bei der Schiene verkehrsträgerbezogene Finanzie-
rungskreisläufe einzurichten. Das bedeutet ein Stück
mehr Unabhängigkeit vom Haushalt, meine Damen und
Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Florian Pronold [SPD]: Aber auch nicht mehr, sondern weniger Geld!)


Auch wenn niemand bestreitet, dass die bedarfsgerechte
Finanzierung der Verkehrswege eine Aufgabe der öffent-
lichen Hand bleiben muss, glaube ich, dass wir zur
Finanzierung unserer Investitionen im Bereich der
Verkehrsinfrastruktur allgemein unabhängiger vom
Haushalt werden müssen. Das bleibt in den kommenden
Jahren eine wichtige Baustelle. Die konzeptionellen An-
sätze der Nutzerfinanzierung müssen weiterentwickelt
werden. Dafür brauchen wir allerdings einen breiten öf-
fentlichen Konsens; denn das ist keine Augenblicksauf-
gabe, sondern eine langfristige strategische Entschei-
dung, die wir anstreben müssen.

Meine Damen und Herren, was wir uns mit Sicherheit
nicht leisten können, sind fortwährende Verzögerungen

beim Infrastrukturausbau, die bei Großprojekten in den
letzten Jahren allmählich zur Regel geworden sind. Die
Planungsprozesse dauern zu lange.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Was tun Sie denn dagegen?)


Längst ist es so, dass nach Recht und Gesetz erfolgte
Entscheidungen immer wieder infrage gestellt werden –
nicht von uns.


(Gustav Herzog [SPD]: Dafür gibt es eine Zentralbehörde in Bonn!)


Es mag ja lustig sein, dass Herr Kretschmann den Bau
des Stuttgarter Bahnhofs vor Störungen durch seine ei-
gene Klientel schützen muss.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Da sind doch gar keine Demos mehr! Was reden Sie denn da?)


Da aber Herr Kindler gesagt hat, unsere Haushalte seien
überbucht,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch so!)


muss ich Sie darauf hinweisen: Vorkommnisse wie bei
Stuttgart 21 sind die wirklichen Kostentreiber. Das ist
der Grund für die Überbuchung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist nicht so, dass das von Haus aus so sein musste.
Ihre Verzögerungsmaßnahmen, Ihre Prozesshanselei,
Ihre teilweise mit Mitteln der Gewalt vorgetragene Geg-
nerschaft bei allen Großprojekten haben bis jetzt Un-
summen an zusätzlichen Kosten produziert, über die Sie
jetzt, weil das Geld fehlt, Krokodilstränen vergießen.
Das kann nicht die Zukunft für unsere Infrastrukturin-
vestitionen sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sören Bartol [SPD]: Vorsicht! Vorsicht!)


Zum Markenkern unseres Landes, zum Ruf Deutsch-
lands in der Welt gehören Qualität, Effizienz, Termin-
treue. Es war noch vor Monaten undenkbar, dass einmal
in der ganzen Welt homerisches Gelächter über das Ver-
sagen Deutschlands auf genau diesem Feld ausbrechen
würde. Der Dilettantismus beim Berliner Flughafen
muss aufgeklärt werden. Dergleichen darf sich niemals
wiederholen. Die Chuzpe des Aufsichtsratsvorsitzenden
im Umgang mit dem unter seiner Ägide angerichteten
enormen Schaden muss für ihn einschneidende politi-
sche Folgen haben, wenn das Vertrauen in unsere öffent-
lichen Institutionen nach diesem Fall keinen Schaden
nehmen soll.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Wir stehen in einem weltweiten Wettbewerb. Rah-
menbedingungen, die diesen Wettbewerb verzerren,
müssen beseitigt werden. Das betrifft zum Beispiel die
Harmonisierung des europäischen Schienenverkehrs.





Arnold Vaatz


(A) (C)



(D)(B)


Das gilt aber auch für den Luftverkehr. Ich sehe dringen-
den Diskussions- und Handlungsbedarf bei der Luftver-
kehrsteuer.


(Florian Pronold [SPD]: Sie haben sie doch eingeführt!)


– Ja, genau. Wir sind eine demokratische Partei, wir sind
eine demokratische Fraktion. Demzufolge darf ich hier
sagen, dass ich der Meinung bin, dass wir über diese Sa-
che noch einmal nachdenken müssen.


(Florian Pronold [SPD]: Sie haben die Mehrheit, dann setzen Sie das auch um! Reden Sie nicht nur darüber! Wieder Ankündigungen! Nur Ankündigungen! Machen Sie doch was!)


Ein Kernstück der europäischen Politik ist das trans-
europäische Verkehrsnetz. Wir haben die diesjährigen
Vorschläge der EU-Kommission dazu begrüßt. Aber wir
haben auch durchgesetzt, dass die Planungs- und Finan-
zierungshoheit bei den Mitgliedstaaten verbleibt. Damit
ist die zeitliche Realisierung kein Brüsseler Diktat. Sie
steht unter unserem Finanzierungsvorbehalt. Das ist
wichtig; denn das Ganze wird sehr teuer werden. Wir
sind insgesamt an sechs von insgesamt zehn transeuro-
päischen Korridoren beteiligt.

Im Baubereich haben wir einen Schwerpunkt auf die
Förderung der energetischen Sanierung gelegt. Für das
Gebäudesanierungsprogramm haben wir 1,5 Milliarden
Euro jährlich aus dem Energie- und Klimafonds zur Ver-
fügung. Wir alle hoffen, dass die Länder im Vermitt-
lungsverfahren einlenken und auch die zweite Säule, die
steuerliche Förderung, ermöglichen.

Ich möchte auch dafür werben – das ist der einzige
Punkt, Herr Claus, worin ich mit Ihnen übereinstimme –,
dass wir im parlamentarischen Verfahren versuchen, das
Programm „Altersgerecht Umbauen“, dessen Mittel mo-
mentan leider auf null gesetzt sind, für die Zukunft auf
alle Fälle zu erhalten.

Vielen Dank. – Es gibt eine Menge zu tun. Packen wir
es an!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Florian Pronold [SPD]: Schwach begonnen, stark nachgelassen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719301200

Johannes Kahrs ist der nächste Redner für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719301300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir haben heute Reden gehört, bei denen man
sich fragt: Warum sind diese Redner überhaupt aufge-
standen?


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Der Minister hat sich hier hingestellt und, im Vergleich
zu sonst, lustlos etwas vorgetragen, was ihm jemand auf-
geschrieben hat. Ich kenne ihn noch vom Anfang der Le-

gislaturperiode. Da hat er deutlich mehr Elan auf die
Straße gebracht.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das ist heute nicht mehr so. Schauen wir einmal genau
hin: Früher saß da eine stolze Riege seiner Staatssekre-
täre. Heute sitzen da nur noch zwei. Das heißt: Im Hause
gibt es kein Interesse mehr. Der Minister hat kein Inte-
resse mehr; die Koalition hat bei seiner Rede kaum noch
geklatscht. Sie wickeln gerade ab; das kann vorkommen.
Die letzten drei Jahre waren ja auch nicht so toll. In der
Union wird schon darüber gestritten, ob das, was Sie ge-
macht haben, überhaupt sinnvoll war.

Um ein Beispiel zu nennen – ich persönlich hätte die-
ses Thema gar nicht angesprochen; aber der Minister
und der Kollege Vaatz haben darüber gesprochen –: Sie
haben die Luftverkehrsteuer – man muss sich das Wort
einmal auf der Zunge zergehen lassen – eingeführt. Jetzt
bejammern Sie, dass es sie noch gibt. Innerhalb von drei
Jahren ist das eine echte Leistung. Das muss man ein-
fach mal zur Kenntnis nehmen.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zuerst führt man eine Steuer ein, und dann erklären der
Minister und Herr Vaatz: Sie muss wieder weg. – Die da-
für notwendige Mehrheit haben Sie. Ganz ehrlich: Wir
Sozialdemokraten wären dazu bereit. Wir reichen Ihnen
die Hand; wir machen sogar mit.


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Ausgezeichnet!)

Sie kriegen also in diesem Haus eine Zweidrittelmehr-
heit. Sie müssen sich nur mal durchsetzen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wo sind denn eure Umweltpolitiker? Sind sie alle damit einverstanden?)


Das ist das Hauptproblem Ihrer etwas jämmerlichen
Politik: Sie setzen sich nicht mal in dieser Koalition
durch. Sie sind mit dem Fachausschuss und als Bau- und
Verkehrspolitiker in Gänze gescheitert.


(Beifall bei der SPD)

Das ist die Wahrheit, und das ist es, was der Minister
heute verkündet hat: sein eigenes Scheitern.

Ich habe hier großartige Debatten über die Einfüh-
rung der Pkw-Maut erlebt. Sie erinnern sich vielleicht
auch noch daran, dass das vollmundig versprochen
wurde, übrigens von demselben Minister, der gesagt hat:
Der Autofahrer ist zu sehr belastet durch die Benzin-
steuer und Benzinkosten; man muss den Autofahrer ent-
lasten. – In der gleichen Sekunde stellt er sich hin und
fordert eine Pkw-Maut. Da fragt man sich, wo das solide
Finanzkonzept bleibt, das Sie eingefordert haben, Herr
Vaatz.

Man muss sich fragen, was diesem Haus in den letz-
ten drei Jahren gefehlt hat: nämlich Führung, Ideen und
von mir aus auch Visionen. Die Wirtschaftswoche, die
nicht wirklich SPD-nah ist,


(Heiterkeit bei der SPD)






Johannes Kahrs


(A) (C)



(D)(B)


zitiert dazu Herrn Ramsauer. Sie können das nachlesen.
Herr Ramsauer mahnt:

Die wirtschaftlichen Grunddaten für unsere Ver-
kehrsprognose 2030 machen deutlich: Wir dürfen
die Infrastruktur nicht dauerhaft auf Verschleiß fah-
ren – deshalb sind zusätzliche Haushaltsgelder not-
wendig.

Deswegen hat er die Luftverkehrsteuer abschaffen wol-
len: damit er mehr Haushaltsmittel hat.

Die Pkw-Maut wollte er einführen, damit er mehr
Haushaltsmittel hat. Die Pkw-Maut kommt nicht.

Stattdessen haben wir lustige Fragen diskutiert, zum
Beispiel ob man auf dem Seitenstreifen der Autobahn
fahren kann, ob alle Parkplätze neue Namen bekommen
sollen oder ob man neue Autokennzeichen braucht, da-
mit der Lokalpatriot glücklich und selig ist.


(Heiterkeit bei der SPD – Beifall der Abg. Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf von der SPD: Gute Beispiele!)


Die Frage ist: Inwiefern ist das Politik? Das Erbärmli-
che an der ganzen Veranstaltung ist, dass Sie hier seriöse
Politik fordern, aber drei Jahre Murks abgeliefert haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das wissen Sie auch, und das ist das Peinliche.

Man kann glauben, dass, wenn es eine bürgerliche
Mehrheit gibt, CDU/CSU und FDP irgendwann etwas
auf den Tisch legen. Dass Sie die Wehrpflicht abge-
schafft haben und eine Luftverkehrsteuer einführen, ha-
ben Ihre Wähler von Ihnen nicht erwartet, übrigens auch
keine Pkw-Maut.


(Patrick Döring [FDP]: Die Abschaffung der Wehrpflicht haben die Wähler aber erwartet!)


– Die FDP-Wähler werden weniger. Um die kümmert
sich zurzeit keiner.

Wenn man sich das alles anguckt, dann glauben zu-
mindest wir als Sozialdemokraten, dass es mal wieder
Zeit ist für einen soliden Haushalt. Das heißt, dass wir
uns darüber unterhalten müssen: Was muss die Linie
sein zum Beispiel im Verkehrsbereich; was braucht man
für die Infrastruktur? Da muss man gucken, wie man das
solide rechnet. Der Kollege Vaatz hatte das eingefordert.

Die SPD hat ein Steuer- und Finanzkonzept vorgelegt,
und wir haben auch gesagt, wie wir Mehreinnahmen ge-
nerieren wollen. Das ist solide durchgerechnet. Es wird
Anträge der SPD geben, den Verkehrsetat strukturell um
2 Milliarden Euro zu erhöhen. Wir haben das beim letz-
ten Mal mit 1 Milliarde Euro gemacht, weil wir der Mei-
nung waren: Man muss in Infrastruktur investieren. Der
Minister hatte mit dem, wie ihn die Wirtschaftswoche in
dieser Frage zitiert hatte, recht, nur, getan hat er nichts.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Die Kontinuität der SPD ist, dass sie in sieben Jahren fünf Minister verschlissen hat!)


Ich glaube, Sie müssen sich anstrengen. Wir haben
gesagt, wir würden 1 Milliarde Euro für die dauerhafte
Instandhaltung der Bundesautobahnen ausgeben. Wenn
Sie 1 Milliarde Euro mehr haben, können Sie endlich die
notwendigen Sanierungen angehen, und zwar strukturell.

Damit das nicht wieder so eine peinliche Veranstal-
tung wird wie beim Minister, dass man über das Befah-
ren des Seitenstreifens spricht und sonst nicht viel pas-
siert, sind wir der Meinung, dass man 24 Stunden am
Tag an sieben Tagen der Woche bei entsprechender
Schichtarbeit an den Baustellen auf den Autobahnen ar-
beiten kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es ist nichts peinlicher, als wenn man am Wochenende
über die Autobahn fährt oder man Tag für Tag an Bau-
stellen vorbeifährt, sich dort im Stau entlangquält und
gar nichts passiert; es bewegt sich da niemand.


(Beifall bei der SPD)


Wenn sich nicht endlich mal was bewegt, dann haben
wir doch das Problem, dass all das Geld, das Sie da in-
vestieren wollen, nichts bringt. Es muss mehr Geld ge-
ben, und es muss auch eine Idee geben, wie man mit
dem Geld umgeht, wie man es hinkriegt, dass auf deut-
schen Autobahnen wieder entsprechend gefahren wer-
den kann und man nicht im selbstgebauten Stau steht.
Das sind Dinge, die wir hier diskutieren müssen. – Herr
Minister, es bringt Ihnen gar nichts, dass Sie da mit Ih-
rem Kollegen reden und nicht zuhören. Es wäre gut,
wenn Sie einfach mal was tun.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719301400

Herr Kollege Kahrs, darf die Kollegin Winterstein Ih-

nen eine Frage stellen?


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719301500

Die von mir so geschätzte Kollegin Claudia

Winterstein darf selbstverständlich gerne eine Frage stel-
len.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719301600

Meine Güte! Ich glaube, sie traut sich jetzt bei dieser

Charmeoffensive gar nicht mehr, das zu fragen, was sie
eigentlich vorhatte.


(Heiterkeit)



Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1719301700

Doch, da bin ich unbarmherzig. – Lieber Herr Kahrs,

nachdem Sie es so dargestellt haben, dass wir so viel un-
terlassen haben, anstatt entsprechende Maßnahmen zu
ergreifen und dafür Sorge zu tragen, dass die Verkehrsin-
frastruktur top ist, ist meine Frage an Sie: Wie sah es
denn am Ende der rot-grünen Koalition aus?


(Sören Bartol [SPD]: Viel besser!)


Wollen Sie behaupten, dass Sie uns die Straßen, die Brü-
cken, die ganze Infrastruktur in einem hervorragenden
Zustand übergeben haben, dass Sie auch in der Großen





Dr. Claudia Winterstein


(A) (C)



(D)(B)


Koalition erfolgreich waren? Denn Sie von der SPD ha-
ben ja den Minister im Verkehrsbereich gestellt. Haben
Sie all dies so bewältigt, wie Sie es gerade uns so hervor-
ragend vorgeschlagen haben? Sie haben uns vorgewor-
fen, dass das nicht in ausreichendem Maße geschieht.
Meine Zahlen sprechen da eine andere Sprache. Ich habe
nicht festgestellt, dass Sie wesentlich mehr ausgegeben
haben, sondern ich habe festgestellt, dass es weniger
war. Ich habe auch nicht festgestellt, dass die Brücken in
einem guten Zustand waren. Wir haben nämlich jetzt
diese Hypothek, wir haben die bröckelnden Brücken,
und die bröckeln nicht erst seit drei Jahren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719301800

Liebe Claudia!


(Zurufe von der SPD und der LINKEN: Aufstehen!)


Zum einen ist es schön, dass du mir eine Frage gestellt
hast. Bei meinem Kollegen, Herrn Pronold, hat sich gar
keiner getraut. Zum anderen ist es schön, dass du jetzt
wieder stehst.

In der Sache würde ich raten, dass man sich einmal
den Haushalt anguckt.


(Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Das mache ich jedes Jahr!)


– Das ist ja schön, aber dann muss man es auch verste-
hen.


(Heiterkeit bei der SPD)


Im Kern ist es so, dass wir unter Rot-Grün natürlich viel
Geld investiert haben, zum Beispiel, um Verkehr von der
Straße auf die Schiene zu bringen. Da hat es wunderbare
Programme gegeben, die Sie in den letzten Jahren leider
immer wieder gekürzt haben. Das heißt: Wenn das
Ganze Sinn machen soll, dann müssen Sie nicht nur
Geld investieren – wir haben das getan –, sondern brau-
chen auch eine Idee, wie Sie vorankommen wollen. Ich
glaube, wir haben unter Rot-Grün gezeigt, wie es ver-
nünftig funktioniert. Übrigens, das tun wir jetzt auch
noch – in den letzten Jahren immer wieder –, weil wir
entsprechende Haushaltsanträge vorlegen.

Unser Problem ist, dass Ihr Minister, der Ihnen, wie
ich zugebe, nicht laufend folgt, in der Sache leider nicht
die Dinge macht, die notwendig sind. Die Haushalte
sprechen da eine klare Sprache. Deswegen empfehle ich
die Lektüre. Wir sehen uns noch in der Abschlussrunde,
und dann können wir das noch mal diskutieren. Viel-
leicht hast du dann etwas dazugelernt.


(Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Oder du!)


Ich danke für die Verlängerung meiner Redezeit.

Da die Kollegin Frau Dr. Winterstein, gerade etwas
angesprochen hat, möchte ich mit dem Thema weiterma-
chen, mit dem du liebe Claudia, aufgehört hast, nämlich
mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Wenn man
sich anguckt, was die FDP, etwas lau und träge unter-
stützt von der CDU/CSU, in dem Bereich getrieben hat,

dann wird man feststellen, dass nicht viel Vernünftiges
dabei herumgekommen ist. Es gibt ein rechtswissen-
schaftliches Gutachten des Beamtenbundes, in dem ganz
klar festgestellt wird, dass der Umbau der Wasser- und
Schifffahrtsverwaltung von einer Ausführungsverwal-
tung zu einer Gewährleistungsverwaltung – das sagt Pro-
fessor Pechstein wortwörtlich – deutlich über die Gren-
zen des Zulässigen hinausgeht. Er geht davon aus, dass
das bereits heute bestehende Ausmaß von Vergaben ge-
messen an den Maßstäben des Art. 89 Grundgesetz einen
kritischen Umfang erreicht hat und jede weitere Steige-
rung der Vergabequote diese Situation noch verschärfen
würde.

Das klingt noch alles harmlos. Was haben Sie denn in
der Sache gemacht? Sie sind gerade dabei, eine funktio-
nierende Bundesverwaltung zu zerschlagen.


(Beifall bei der SPD – Gustav Herzog [SPD]: Eine Schande ist das!)


Ich habe nichts dagegen, dass man die Bundesverwal-
tung reformiert; das ist alles in Ordnung. Man kann das
Ganze reformieren, man kann investieren, man kann
Mitarbeiter motivieren und schulen, man kann das beste-
hende Personal qualifizieren und mit ihm anständig um-
gehen.

Was Sie tun, ist aber das genaue Gegenteil. Wenn man
sich die Beschlüsse anguckt, die Sie vorgelegt und
durchgesetzt haben, zum Beispiel über Beförderungs-
stopps oder die Nichtübernahme von Auszubildenden
und zu anderen Dingen: Sie haben doch Tausende von
Mitarbeitern in Deutschland mit diesen unsinnigen Aus-
bauplänen in Angst und Schrecken versetzt.

Jetzt haben Sie das Problem, dass es eine Diskussion
über die Wertigkeit von Flüssen gibt und darüber, wo der
Bund noch tätig wird und wo nicht. In der Sache haben
wir das immer verhindert. Wir sind sehr erfolgreich; wir
werden es weiter verhindern. Ehrlich gesagt: Die CDU/
CSU will das doch auch nicht.


(Gustav Herzog [SPD]: Aber die trauen sich nicht! Die haben keinen Mut!)


Sie können sich noch so sehr mühen, es wird nichts.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719301900

Lieber Herr Kahrs, möchten Sie denn vor Ende der

Redezeit noch eine Zwischenfrage des Kollegen Kalb
beantworten?


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719302000

Das ist meine Rettung, sonst wäre meine Redezeit ja

gleich vorbei.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719302100

So ähnlich sehe ich das auch. – Bitte schön.


Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1719302200

Herr Präsident! Lieber Kollege Kahrs, nachdem ich

vorhin so charmant ausgebremst worden bin, möchte ich
meine Frage nachtragen: Würden Sie erstens bitte bestä-
tigen, dass für die Bauausführung und die Baudurchfüh-





Bartholomäus Kalb


(A) (C)



(D)(B)


rung nicht Bundesbehörden zuständig sind, sondern die
Auftragsverwaltung und hier in der Regel die Landes-
bauverwaltungen?

Würden Sie zweitens meine Meinung teilen, dass es
im Einzelfall zwar vernünftig sein kann, rund um die
Uhr und sieben Tage in der Woche zu bauen, dass dies
aber auch einen erheblichen Einfluss auf die Kosten hat?
Deswegen bin ich der Meinung, man muss genau abwä-
gen, ob das notwendig und sinnvoll ist, da im Übrigen
die Unfallgefahr nächtens natürlich größer ist.


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719302300

Lieber Barthel, ich danke dir erst mal für diese Frage.

Das gibt mir die Möglichkeit,


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Einfach Ja zu sagen!)


dir in der Antwort darzustellen, dass wir natürlich Pro-
bleme mit den Landesbauverwaltungen haben.

Deswegen muss man, glaube ich, auch über eine Re-
form derselben reden. Wir alle wissen, dass bestimmte
Vorhaben nicht so bearbeitet werden, wie sie bearbeitet
werden müssten. Es gibt gute Landesbauverwaltungen,
aber es gibt auch eher grenzwertige. Wir alle glauben
aber: Wenn wir uns ernsthaft Mühe geben und diese
Landesbauverwaltungen wieder so auf Trab bringen,
wird es möglich, die notwendigen Vorhaben schließlich
durchzusetzen.

Und, Barthel, es ist so, dass es natürlich teurer wird,
wenn auf den Baustellen 24 Stunden am Tag und sieben
Tage in der Woche gearbeitet wird. Aber die Frage ist,
ob es sich volkswirtschaftlich nicht rechnet, wenn man
zwar 10, 15 oder 20 Prozent mehr zahlt, dafür aber viel-
leicht in der Hälfte der Bauzeit fertig wird.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist eine Abwägung!)


– Das ist natürlich eine Abwägung, aber ihr habt ja drei
Jahre Zeit gehabt. Es wäre schön, wenn der Minister
nicht nur über Seitenstreifen und über neue Kennzeichen
reden würde, sondern auch etwas tut.

Das ist aber leider nicht der Fall. Deshalb hast du
recht: Man muss priorisieren.


(Zuruf von der FDP: Manche Fragen kann man nicht priorisieren!)


– Entspannt bleiben! Sie können gerne eine Zwischen-
frage stellen. – Deswegen glauben wir, dass in diesem
Bereich sehr viel mehr getan werden muss, dass man
40 Millionen Euro mehr für den Fahrradverkehr ausge-
ben muss, um auf die 100 Millionen Euro zu kommen.
Ich weiß, dass dir das ebenfalls sehr am Herzen liegt.

Abschließend sei noch gesagt, dass wir glauben, dass
wir Geld auch in Wasserstraßen investieren müssen. Der
Vorschlag von 300 Millionen Euro für die fünfte
Schleuse war gut, Claudia. In dieser Sache haben wir
euch immer unterstützt, getrieben und gefordert. Das
Problem ist: Der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals kostet
1,2 Milliarden Euro. 300 Millionen Euro sind hier nur

ein Anfang. Wir erwarten in diesem Jahr einen Antrag
von euch über die nächsten 300 Millionen Euro, damit
hier weitergemacht werden kann.

Vergessen Sie nicht die Schleuse in Scharnebeck.
Dort gibt es ein Problem mit dem Elbe-Seitenkanal. Herr
Staatssekretär Ferlemann kennt das Problem. Auch hier
erwarte ich, dass die Koalition tätig wird. Also: Eine
weitere Infrastrukturmilliarde ist notwendig. Setzen Sie
sich mal durch! Tun Sie was Gutes für Deutschland!

Glück auf!


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719302400

Ich erteile das Wort jetzt dem Kollegen Sebastian

Körber für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Sebastian Körber (FDP):
Rede ID: ID1719302500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nach dieser Klamaukrede des Kollegen Kahrs wird es
einem schon ganz anders. Wenn die einzige sozialdemo-
kratische Vision für dieses Land Mehrbelastung der
Menschen und die Absicht, neue Schulden zu machen,
ist, dann wird mir sicherlich nicht bange.


(Gustav Herzog [SPD]: Wer hat Ihnen denn den Unsinn aufgeschrieben? – Johannes Kahrs [SPD]: Das ist wie mit der Pkw-Maut: Sie haben es nicht verstanden! – Florian Pronold [SPD]: Tauschen Sie Ihren Redenschreiber aus!)


Bei all diesen Zahlen dürfen Sie aber nicht vergessen:
Wenn wir uns den Mobilitätsbedarf der Gesellschaft an-
sehen, stellen wir fest, dass wir einen Ausbau von allen
Verkehrsträgern brauchen, und zwar gleichwertig.

Es ist völlig unbestritten,


(Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


dass in den nächsten Jahrzehnten die Straße – Sie müs-
sen zuhören, Herr Kollege Kindler –


(Florian Pronold [SPD]: Steht das mit dem Zwischenruf auch in Ihrer Rede drin?)


der Verkehrsträger Nummer eins bleiben wird, zumin-
dest für uns als schwarz-gelbe Koalition.

Mit Verlaub, da Sie in letzter Zeit sehr medienwirk-
sam Elektroautos anschauen: Die großen Dienstlimousi-
nen – Frau Künast unterhält sich ja dahinten – stehen um
die Ecke, und vorne, wo die Kameras stehen, werden die
Elektroautos angeschaut. Allerdings werden auch die auf
Straßen fahren müssen.

Natürlich darf man nicht vergessen, dass wir gerade
in diesem Bereich weiter investieren müssen, und zwar
nicht nur in Lärmschutz und Ortsumgehungen. Das ist
bei weitem nicht ausreichend.

Aber schauen wir vielleicht einmal zu Ihnen nach Ba-
den-Württemberg, liebe Kolleginnen und Kollegen von





Sebastian Körber


(A) (C)



(D)(B)


den Grünen. Da haben Sie ja Regierungsverantwortung,
gerade im Verkehrsbereich. Ich finde es fast schon
schandhaft, dass Sie hier den Kommunen jegliche Unter-
stützung für weitere Straßen völlig versagt haben. Die
Unterstützung für die Straße haben Sie in Baden-Würt-
temberg nämlich auf null gesetzt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erhalt vor Neubau!)


Auch dort müssten übrigens die Elektroautos auf der
Straße fahren. Sie bauen dort lieber mehr Radwege.
Aber wir sind nun einmal nicht im Legoland.


(Florian Pronold [SPD]: In Legoland gibt es keine Radwege!)


Es funktioniert halt nicht.


(Stephan Kühn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Minister sagt doch auch, dass mehr Fahrradwege gebaut werden müssen!)


Schauen Sie sich doch einmal den ländlichen Raum an.
Da sind die Bürgerinnen und Bürger darauf angewiesen,
dass es Straßen gibt. Sie können sich nicht – das war ja
auch ein Vorschlag – auf ein abgewracktes Fahrrad set-
zen. Auch das wird natürlich nicht funktionieren. Wir
setzen hier weiterhin auf die individuelle Freiheit und
die freie Wahl des Transportmittels.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, schauen wir
uns ein weiteres sozialdemokratisches Märchen an. Sie
reden immer von Gebäudesanierung und steuerlichen
Abschreibungsmöglichkeiten. Bei der Gebäudesanie-
rung – das gehört zur Wahrheit auch dazu; das muss ein-
mal klargestellt werden – hat der Kollege Tiefensee, ein
SPD-Minister, diese Mittel zweimal auf drei Jahre be-
fristet. Sie haben zweimal die Ausgabe von Mitteln vor-
gezogen und haben uns dann in den Haushaltsjahren
2009 und 2010 quasi ein Defizit übergeben.

Mit der gleichen Inbrunst treten Sie im Bundesrat auf.
Wir brauchen dringend diese steuerlichen Abschrei-
bungsmöglichkeiten bei der energetischen Gebäudesa-
nierung, um gerade auch beim Klimaschutz voranzu-
kommen.


(Johannes Kahrs [SPD]: Aber warum machen es doch auch Ihre Länder nicht? Warum machen es die CDU/FDP-geführten Länder nicht? Es ist gerade den Kollegen von den Grünen wichtig, dass Sie hier entsprechend diese Potenziale heben und diesen Abschreibungsmöglichkeiten zustimmen. Vielleicht auch hier einmal zu den Fakten. (Johannes Kahrs [SPD]: Die Fakten sind, dass Ihre eigenen Länder es auch nicht wollen!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Diese schwarz-gelbe Regierungskoalition, die Bun-
desregierung, hat der Übernahme des Bundesanteils bei
den steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten durch die

entsprechenden Gesetze bereits zugestimmt. Der wird
bei etwa 638 Millionen Euro angesetzt.


(Johannes Kahrs [SPD]: Überzeugen Sie doch Ihre eigenen Länder erst mal!)


Wir haben energetische Stadtsanierung eingeführt und
das CO2-Gebäudesanierungsprogramm endlich verste-
tigt. Das heißt, wir stellen bereits weit mehr als 2 Mil-
liarden Euro für energetische Gebäudesanierung zur Ver-
fügung.


(Florian Pronold [SPD]: Voodoo-Zauberei!)


Es ist nun einmal ein zustimmungspflichtiges Gesetz im
Bundesrat. Wir haben unsere Hausaufgaben hier ge-
macht.


(Johannes Kahrs [SPD]: Aber Ihre Länder nicht!)


Sie sollten es jetzt einmal in den Ländern machen, ge-
rade auch in NRW bei der Kollegin Kraft.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Aber reden Sie doch einmal mit Ihren Regierungen!)


– Ich kann das sehr gerne aufgreifen. Ich kann eine Ihrer
Regierungen zitieren – Zitat der Frau Kollegin Kraft –:

Die Energiewende kann nur als Gemeinschaftswerk
erfolgreich sein.

Ja, dann soll sie ihre Blockadehaltung endlich aufgeben.
Sie haben es doch in der Hand.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Ihre eigenen Länder wollen es doch nicht! – Florian Pronold [SPD]: Sie kritisieren auf der einen Seite die Verschuldung der Länder und fordern auf der anderen Seite höhere Mittel! Das ist doch widersprüchlich!)


– Meine sehr verehrten Damen und Herren, stellen Sie
doch wenigstens eine Zwischenfrage. Da kann man noch
etwas lernen, Herr Pronold.

Im Gebäudebestand müssen wir unsere Energieein-
sparpotenziale heben. Das steht für mich und auch für
die schwarz-gelbe Regierungskoalition fest. Wir setzen
hier weiter auf Anreize anstelle von Zwangsmaßnah-
men. Das ist etwas, was die Kolleginnen und Kollegen
von den Grünen immer wieder gerne vorschlagen, dass
Hausbesitzer immer weiter belastet werden sollen.


(Johannes Kahrs [SPD]: Hausbesetzer und Hausbesitzer! – Gegenruf des Abg. SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hausbesetzer wollen wir nicht belasten!)


Dies ist schließlich und endlich nicht zulässig; denn es
geht auch darum, das Eigentum der Menschen zu schüt-
zen.

Im Windschatten der Energiewende segelt immer
auch ein Stück weit der demografische Wandel.





Sebastian Körber


(A) (C)



(D)(B)



(Florian Pronold [SPD]: „Windschatten“ ist falsch! Denn hier ist überhaupt nur heiße Luft!)


Es gehört dazu, dass wir den altersgerechten Umbau vo-
ranbringen und auch in öffentlichen Bereichen entspre-
chend Barrieren reduzieren. Der Kollege Vaatz hat es
bereits angesprochen. Hier erwarte ich mir als Parlamen-
tarier auch noch etwas mehr Einsatz von der Regierung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Bereich
der Wohnungspolitik macht Rot-Grün in letzter Zeit ja
auch wieder Schlagzeilen. Sie spielen in Wahlkampfzei-
ten immer gern mit den Ängsten der Mieter. Bund, Län-
der und Kommunen unterstützen mit insgesamt – man
muss sich nur einmal die Zahlen, da wir gerade über den
Haushalt debattieren, vor Augen führen – 17 Milliarden
Euro jährlich etwa 5 Millionen Haushalte, denen wir
Wohngeld zahlen. Das ist in etwa jeder zehnte Haushalt.
Man muss doch auch einmal sehen, wie viel Geld wir
bereits in diesem Bereich aufwenden.

Zusätzlich geben wir 518,2 Millionen Euro für die so-
ziale Wohnraumförderung aus. Ich erachte es als wich-
tig, dass das in den Ländern dann auch für diese Zwecke
verwendet wird. Das ist, glaube ich, auch ein ganz ent-
scheidender Punkt, über den der eine oder andere nach-
denken sollte.


(Johannes Kahrs [SPD]: Was wollen Sie Bayern jetzt vorwerfen?)


In Bayern wird es exzellent eingesetzt. Das wird auch
schwarz-gelb regiert.


(Florian Pronold [SPD]: Fragen Sie mal die Mieterinnen und Mieter in München!)


Die Städtebauförderung haben wir effizienter ausge-
staltet. Der ein oder andere Baudezernent und zahlreiche
Kommunalpolitiker hatten zum Schluss gar keinen
Überblick mehr über die verschiedenen Programme, die
Sie angehäuft hatten. Für die Städtebauförderung stellen
wir erneut 455 Millionen Euro zur Verfügung, und zwar
zusätzlich zu den Mitteln für das Programm „Energeti-
sche Stadtsanierung“. Insbesondere Programme wie
„Kleinere Städte und Gemeinden“, „Soziale Stadt“ so-
wie „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ profitieren da-
von. – Hier hätte ich Applaus zumindest von der SPD er-
wartet; denn das alles ist gut für den ländlichen Raum
und wirkt dem Flächenverbrauch in diesem Land entge-
gen.

Es ist klar, dass wir die Probleme des Landes im Blick
haben. Der vorliegende Haushaltsentwurf zeigt, dass wir
ein klares Konzept haben. Das steht im Gegensatz zu
dem, was Sie gesagt haben. Von Visionen habe ich Ihrer-
seits nichts gehört. Wir stellen weiterhin Mittel für be-
zahlbare Mobilität, energieeffizientes Bauen und nach-
haltige Stadtentwicklung zur Verfügung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719302600

Thomas Lutze ist der nächste Redner für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Thomas Lutze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719302700

Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr ge-

ehrter Herr Minister Ramsauer, die Menschen kennen
Sie als einen Mann deutlicher Worte. Nach drei Jahren
Wahlperiode müssen Sie sich auch an Ihren Taten mes-
sen lassen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Wir sind uns sicherlich alle einig, dass die Mobilität ei-
ner der wichtigsten volkswirtschaftlichen Faktoren ist.
Trotzdem werden die meisten Bürgerinnen und Bürger
im Verkehrsbereich durch deutliche Kostensteigerungen
belastet.

Punkt eins: die steigenden Kraftstoffpreise. Bei der
Mehrwertsteuer zum Beispiel ist der Staat einer der
Nutznießer der Abzocke an den Zapfsäulen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


An nur einer Tankfüllung von 50 Litern verdient der
Staat allein durch die Mehrwertsteuer heute knapp
6 Euro mehr als noch im Jahr 2004. Hier könnten Sie et-
was tun, Herr Ramsauer. Im Haushaltsentwurf dazu
finde ich nichts. Frankreich macht es gerade vor: Dort
wurden die Kraftstoffpreise um 10 Cent pro Liter ge-
senkt.

Die Mineralölkonzerne fahren Gewinne ein, die einen
vor Neid erblassen lassen. Zwei Beispiele gefällig? Ers-
tes Beispiel: Exxon Mobil – dazu gehört auch Esso –
macht als weltweit größter Mineralölkonzern 41 Milliar-
den Dollar Gewinn pro Jahr. Zweites Beispiel: Shell, Eu-
ropas größter Anbieter, steigerte seinen Gewinn im
zweiten Quartal 2011 gegenüber dem Vorjahreszeitraum
um 97 Prozent. Nein, an den Tankstellen jedenfalls funk-
tioniert das klassische marktwirtschaftliche Prinzip von
Angebot und Nachfrage nicht. Wenn die Verkaufspreise
täglich um 10 Cent schwanken und wenn es in einem
Umkreis von wenigen Kilometern zu Differenzen von
bis zu 12 Cent pro Liter kommt, dann hat das nichts mit
dem Ölpreis oder dem Dollarkurs zu tun; damit lässt sich
das nicht begründen. Als im Juni dieses Jahres der
Rohölpreis um 25 Prozent im Vergleich zum Februar
sank, gab es an den Zapfsäulen keine Preissenkungen.
Beim Dollarkurs das gleiche Bild: Steigt der Dollar, stei-
gen die Spritpreise; fällt der Dollar, passiert nichts.

Ich will Ihnen sagen, was der Hauptgrund für diese
Preissteigerungen ist: Es ist die hemmungslose Geldgier
der Mineralölkonzerne. Herr Ramsauer, da hilft uns
keine Transparenzstelle, wo die Daten nur erfasst wer-
den. Sie müssen die Verkaufspreise staatlich festlegen.
Luxemburg zum Beispiel macht das, und Luxemburg ist
bekanntlich kein sozialistisches Land. Eine staatliche
Behörde muss also jeden Tag den Verkaufspreis festle-
gen. Dieser Preis muss dann 24 Stunden gelten. Das wird





Thomas Lutze


(A) (C)



(D)(B)


höchstwahrscheinlich nicht die allgemeine Preissteige-
rung verhindern. Aber das schränkt wenigstens die ab-
surden Preisschwankungen, die täglich auftreten, ein.

Zweites Beispiel sind die steigenden Preise im öffent-
lichen Nahverkehr. Es wird schnell gesagt: Wenn der
Sprit so teuer ist, kann man mit Bus oder Bahn fahren. –
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir werden zum Jahres-
wechsel wieder erleben, dass die Preise der Bahn und
der regionalen Verkehrsanbieter deutlich anziehen wer-
den. Gerade für Pendler werden die Monatskarten wie-
der deutlich teurer. Nach wie vor sind die Mobilitätsan-
gebote vor allem im ländlichen Raum und an den
Wochenenden lückenhaft. Unsere Kommunen haben zu-
nehmend Probleme, sich den ÖPNV überhaupt zu leis-
ten. Hier darf der Bund nicht weiter kürzen. Sonst blei-
ben Busse und Bahnen irgendwann im Depot.


(Beifall bei der LINKEN)


Was passiert im Fernverkehr der Bahn, Herr
Ramsauer? In der Preispolitik nichts. Kürzen Sie endlich
die Mehrwertsteuer auf Fernverkehrsfahrkarten von 19
auf 7 Prozent; das ist in fast allen anderen EU-Staaten
üblich. Dann werden wieder mehr Menschen mit der
Bahn fahren, und Sie haben aufgrund der gestiegenen
Fahrgastzahlen genauso viel Geld in Ihrer Steuerkasse
wie zuvor.


(Beifall bei der LINKEN)


Bei Milliardenprojekten wie Stuttgart 21 oder dem
Berliner Flughafen scheint Geld keine Rolle mehr zu
spielen, aber auch der teure Schienennetzausbau für Ge-
schwindigkeiten bis zu 300 km/h ist in den letzten Jah-
ren wichtiger gewesen als der Bahnverkehr in der Flä-
che. Hier sollten Sie, Herr Ramsauer, zumindest in der
Zukunft umdenken. Von Bahnchef Grube kamen dazu
schon einige Anregungen.

Sie müssen Geld in die Hand nehmen und die über
16 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die
täglich als Pendler zum Arbeitsplatz müssen, entlasten.
Die Linke fordert eine Erhöhung der Entfernungspau-
schale von mindestens 10 Cent pro Kilometer. Die letzte
Anpassung gab es im Übrigen 2004. Damals kostete der
Liter Benzin 1,10 Euro. Außerdem müssen endlich ge-
eignete Voraussetzungen geschaffen werden, damit auch
Pendler mit geringem Einkommen davon profitieren.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von der Entfernungspauschale profitieren die Besserverdienenden, die das von der Steuer absetzen können!)


– Vielleicht hören Sie kurz zu, Herr Kollege von den
Grünen. – Es müssen die Voraussetzungen dafür ge-
schaffen werden, dass auch diejenigen profitieren, die
keine oder nur sehr wenige Steuern bezahlen. Dafür gibt
es hier im Parlament leider noch keine passende Initia-
tive. Da sollten wir alle schnell aktiv werden.


(Stephan Kühn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Pendlerpauschale ist das falsche Instrument!)


Es kann nicht sein, dass derjenige, der keine Steuern be-
zahlt, von der Pendlerpauschale nicht profitiert.

Anstatt die sogenannte Elektromobilität zu fördern,
sollte das Augenmerk endlich auf den Kraftstoffver-
brauch der Fahrzeuge gelegt werden. Gerade wurde der
neue Golf vorgestellt, sicherlich ein tolles Auto. Doch
beim Spritverbrauch hinkt die Standardvariante mindes-
tens zehn Jahre hinterher. Würde der Gesetzgeber je
nach Fahrzeugklasse Verbrauchsobergrenzen für Neu-
wagenzulassungen einführen, dann hätten Golf, Astra,
Focus und wie sie alle heißen längst serienmäßig Dreili-
termotoren. Dafür brauchten Sie, Herr Ramsauer, noch
nicht einmal einen eigenen Titel im Haushalt. Dafür
müssten Sie nur handeln. Unsere Unterstützung hätten
Sie dafür.

Ein herzliches Glückauf und vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719302800

Nächster Redner ist der Kollege Stephan Kühn,

Bündnis 90/Die Grünen.


Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719302900

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-

nen und Kollegen! Zur Sicherstellung der Funktionsfä-
higkeit des bestehenden Straßennetzes hat das BMVBS
für das Jahr 2013 2,5 Milliarden Euro Erhaltungsinvesti-
tionen eingeplant. – So liest man es im Schwerpunktepa-
pier zum Haushalt. Man denkt: Endlich wird der Grund-
satz „Erhalt vor Neubau“ auch tatsächlich umgesetzt.
Denn wir alle wissen: Der Substanzverzehr der Infra-
struktur verursacht volkswirtschaftlichen Schaden.

Doch der Haushaltsplan ist die Theorie, der Haushalts-
vollzug ist die Praxis, und die sieht vollkommen anders
aus. Die Flexibilisierung durch die gegenseitige De-
ckungsfähigkeit der Haushaltstitel wird nämlich systema-
tisch missbraucht. Schauen wir uns das letzte Jahr an.
2011 überstiegen die für den Neubau von Autobahnen
eingesetzten Haushaltsmittel, die hier vom Bundestag be-
schlossen wurden, den Verfügungsrahmen um 60 Pro-
zent. Trotz Sanierungsstaus im Autobahnnetz wurde 2011
der geplante Verfügungsrahmen für den Erhalt nur zu
87 Prozent ausgeschöpft. Es wird also sichtbar zulasten
der Substanz umgeschichtet.

Besonders ausgeprägt – das ist sehr interessant – ist der
Verschiebebahnhof in zwei Bundesländern. Sie können
raten: Bayern ist dabei, das andere Land ist Niedersach-
sen. Das ist insbesondere im Bereich der Bundesstraßen
der Fall, Stichwort „Ortsumfahrung“. Beide Länder ha-
ben 2011 nicht einmal die Hälfte des mit dem Bundes-
haushalt abgesteckten Verfügungsrahmens in den Erhalt
des Bundesstraßennetzes investiert. Zufällig wird 2013 in
beiden Ländern der Landtag gewählt. Schwarz-Gelb will
offensichtlich noch einige Wahlgeschenke verteilen. „Er-
halt vor Neubau“ bleibt ein Lippenbekenntnis des Minis-
ters Ramsauer. Da helfen auch keine schönen Reden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Stephan Kühn


(A) (C)



(D)(B)


Genauso ist es bei dem Nationalen Radverkehrsplan.
Da wird eine große Offensive in Sachen Radverkehrsför-
derung angekündigt, und gleichzeitig werden die Mittel
für den Bau von Radwegen entlang von Bundesstraßen
gekürzt. Standen 2010 noch 100 Millionen Euro zur Ver-
fügung, sind es 2013 gerade einmal noch 60 Millionen
Euro, die eingeplant sind. Wir wissen, dass erst die
Hälfte der Bundesstraßen eine entsprechende Radwegin-
frastruktur hat. Offensichtlich soll auch der Nationale
Radverkehrsplan nur eine Ankündigung bleiben, ein
schönes Papier für die Vitrine. Praktisches Regierungs-
handeln daraus ist jedoch nicht zu erwarten.


(Florian Pronold [SPD]: Weniger!)


Am Mittwoch hatten wir vom Verkehrsausschuss die
Gelegenheit, die Baustelle des neuen Hauptstadtflugha-
fens zu besichtigen. Was wir gesehen und gehört haben,
war doch sehr interessant. So haben wir erfahren, dass
die Entrauchungsanlage an der Baugenehmigung vorbei
gebaut wurde und man mit der zuständigen Genehmi-
gungsbehörde offensichtlich nicht in eine intensive
Kommunikation getreten ist. Wir haben feststellen kön-
nen, dass der Pfusch mit Blick auf den Termindruck im-
mer größer geworden ist. Am Ende ging es einfach nur
darum, fertig zu werden, egal wie. Das konnte man sehr
schön daran erkennen, wie die Kabeltrassen verlegt wor-
den sind. Wenn man an dieser Stelle nachgebohrt hat,
war es wie immer: Niemand hat es bemerkt, niemand
will dafür verantwortlich gewesen sein.

Meine Damen und Herren, die Terminverschiebung
kostet die öffentliche Hand nicht nur 1,2 Milliarden Euro
zusätzlich, sondern sie offenbart krasses Management-
versagen der Flughafengesellschaft und auch der Auf-
sichtsratsmitglieder bei der Wahrnehmung ihrer Über-
wachungsfunktion in diesem Gremium.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jahrelang haben auch die Bundesvertreter im Auf-
sichtsrat offensichtlich unkritisch den Aussagen der Ge-
schäftsführung und der Planungsgemeinschaft pg bbi ver-
traut. Dann fragt man sich, wo das bessere Controlling,
das kritische Nachfragen denn geblieben ist? Es hat nicht
stattgefunden. Im Gegenteil: Im Mai dieses Jahres stimmte
der Aufsichtsrat dem unterbreiteten Rahmenterminplan
für die Eröffnung am 17. März 2013 zu. Diesen Plan hat
noch die Planungsgesellschaft pg bbi erarbeitet. Dieser
Truppe kündigte man eine Woche später wegen mangel-
hafter Koordination und fehlender Erbringung von Bau-
überwachungsleistungen. Dieser Truppe, zu der man
dann kein Vertrauen mehr hatte, hat man noch eine Wo-
che vorher bezüglich des Terminplans geglaubt. Das
passt alles nicht zusammen und zeigt, wie wenig auch
die Bundesvertreter im Aufsichtsrat ihre Aufgaben
wahrgenommen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Ramsauer, Sie haben angekündigt, über Konse-
quenzen mit den anderen Anteilseignern Gespräche zu
führen. Ich muss ehrlich sagen: Die Zeit für Ankündi-
gungen ist vorbei; wir wollen Taten sehen. – Wir fordern
die Einleitung eines Verfahrens zur Sicherung von Scha-
densersatzansprüchen aufgrund der falschen Entschei-

dungen in Richtung der Geschäftsführung. Sie muss
haftbar gemacht werden. Es kann auch nicht sein, dass
die Geschäftsführung für 2011 noch irgendwelche Er-
folgsprämien ausgezahlt bekommt. Wir brauchen drin-
gend einen Neuanfang im Aufsichtsrat. In dieses Gre-
mium müssen Fachleute einziehen. Wir brauchen also
eine Umstrukturierung. Gleiches gilt für die Geschäfts-
führung.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Noch einmal, Herr Minister: Schluss mit den Ankün-
digungen! Liefern Sie endlich!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719303000

Nächster Redner ist der Kollege Reinhold Sendker für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Reinhold Sendker (CDU):
Rede ID: ID1719303100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In

früheren Wahlperioden ist eindeutig zu wenig in die In-
standhaltung investiert worden; das dürfen wir am Ende
der heutigen Debatte eindeutig feststellen. Allein der
Vergleich zwischen Sommer, konkret: Juli 2011, Bau-
stellenlänge in Deutschland 1 400 Kilometer, und Juli
2012, Baustellenlänge in Deutschland 2 000 Kilometer,
unterstreicht die Ausrichtung: Erhalt steht vor Neubau.
Das betrifft, wie wir alle wissen, viele Brückenbauwerke
in Deutschland und zahlreiche Autobahnabschnitte. Es
gilt also, ein enormes Volksvermögen im Sinne von Wachs-
tum und Entwicklung in unserer Volkswirtschaft zu er-
halten und zu optimieren.

Die Gesamtinvestitionen liegen erneut bei gut 10 Mil-
liarden Euro. Das ist mehr als in den Jahren vor der
Finanz- und Wirtschaftskrise. Ich denke, es ist ein be-
merkenswerter Erfolg, dass dank der Haushaltskonsoli-
dierung die Schuldengrenze schon 2013 unterschritten
werden kann, andererseits der Verkehrsinvestitionsum-
fang auf hohem Niveau erhalten bleiben kann. Da ist
man versucht, zu fragen: Wer außer dieser Koalition
hätte das zustande gebracht?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Florian Pronold [SPD]: Das bringt wirklich nur diese Koalition zustande!)


– Wissen Sie, wenn ich mir die Haushaltszahlen aus den
Zeiten von Herrn Tiefensee ansehe, dann muss ich fest-
stellen: Sie sind nicht wirklich vom Acker gekommen.

Wahr ist aber auch, dass durch das Anwachsen der
Haushaltsansätze für die Erhaltungsmaßnahmen weniger
Spielraum für die Bedarfsmaßnahmen vorhanden ist.
Das wird in den nächsten Jahren wohl noch deutlicher.
Die umfassenden Grunderneuerungen sind aber unaus-
weichlich. Deswegen benötigen wir für Erhalt und Aus-
bau weitere Mittel und unterstützen unseren Minister in
seiner klaren Forderung nach einer Zusatzmilliarde für
die Verkehrsinfrastruktur.





Reinhold Sendker


(A) (C)



(D)(B)



(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: Wir auch!)


Das hier schon angesprochene Investitionsbeschleu-
nigungsprogramm erhält in 2013 weitere 290 Millionen
Euro. Danach verbleiben nur noch 210 Millionen Euro
an Programmmitteln. Ich darf bemerken: Für die fünfte
Schleuse in Brunsbüttel und für die Verkehre mit dem
Ostseeraum sind diese Mittel so dringlich wie unver-
zichtbar.

Weitere 100 Millionen Euro werden durch die Aus-
dehnung der Lkw-Maut auf vierspurige Bundesstraßen
erwartet. Auch sie werden für die Stärkung von Qualität
und Leistungsfähigkeit unserer Straßen verwendet. Meine
Damen und Herren, was die Mauteinnahmen in Gänze
betrifft, so darf ich feststellen, dass die Schaffung des
Finanzkreislaufs Straße heute durch deutlich mehr Ak-
zeptanz und Transparenz ein Erfolg unserer Koalition
ist.

In der Verkehrspolitik gilt unser Augenmerk ganz be-
sonders den Ideen und Ansätzen zur Optimierung von
Bestand und Weiterbau, und zwar vor allem dann, wenn
diese wirtschaftlich sind und – ich füge hinzu – noch
mehr Transparenz bieten. Diese Zieldefinition passt
übrigens auch gut zu ÖPP. Die knappen Mittel für den
Aus- und Weiterbau vor Augen und mit dem Wissen um
positive Ergebnisse bei vorläufigen Wirtschaftlichkeits-
untersuchungen im Hinterkopf kann ich das Herum-
drucksen und das teilweise Zurückweisen von sinnvollen
ÖPP-Projekten in Deutschland durch rot-grüne oder
grün-rote Landesregierungen beim besten Willen nicht
mehr nachvollziehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ein anderes Thema ist das Thema der Verkehrssicher-
heit, das unserer Koalition besonders am Herzen liegt.
Seit den 70er-Jahren gibt es 82 Prozent weniger Ver-
kehrstote. Das ist eine sehr gute Bilanz. Dass die Zahl
der Verkehrstoten im Jahr 2011 erstmals wieder ange-
stiegen ist, ist ein ernstes Signal. Daher begrüßen wir
ausdrücklich die Erhöhung des Haushaltsansatzes um
15 Prozent. Auch das ambitionierte Verkehrssicherheits-
programm unseres Ministers mit dem Ziel, in der Zeit
von 2011 bis 2020 die Zahl der Verkehrstoten um
40 Prozent zu verringern, ist das richtige Signal in unse-
rer Debatte.

Der Sicherheit auf unseren Straßen dienen aber auch
130 Millionen Euro im Haushalt 2013 für die Schaffung
von Lkw-Parkständen und zusätzliche 50 Millionen
Euro für die Betriebsdienste an den Bundesfernstraßen.
Ich bin häufig Gast eines sogenannten Fernfahrerstamm-
tisches an einer BAB-Raststätte. Dort wird Klartext ge-
sprochen, wie wichtig und dringend unsere Investitionen
und unser klares Bekenntnis zum Ausbau dieser Park-
stände im Interesse des Verkehrsflusses auf unseren
Bundesfernstraßen sind.

Für mehr Verkehr und für mehr Sicherheit im Straßen-
verkehr und für Lärmminderung sind weitere 181 Mil-
lionen Euro für Projekte an Schienenwegen und noch
einmal 60 Millionen Euro für Maßnahmen an den Perso-

nenbahnhöfen eingestellt. Darauf verweise ich immer
wieder gern. Erfreulicherweise ist der Gesamtansatz für
die Investitionsmittel für die Schiene höher als im Jahr
2012.

Meine Damen und Herren, wenn wir hier über die
Optimierung des Verkehrsflusses bei steigenden Ver-
kehrsmengen diskutieren und reden, dann muss unser
Augenmerk auch auf die Verbesserungen bei unseren
Bundeswasserstraßen gerichtet sein. Allein in Nord-
rhein-Westfalen verkehren 30 Prozent der Güterverkehre
auf NRW-Wasserstraßen.


(Johannes Kahrs [SPD]: Das wäre ja schön!)


Auch hier dienen Substanzerhaltung und -erneuerung
der Steigerung der Leistungsfähigkeit des Wasserwege-
netzes. Aktuelle Schwerpunktmaßnahmen liegen nicht
nur beim NOK, sondern auch im westdeutschen Kanal-
netz sowie bei Rhein, Main, Mosel, Neckar und den see-
wärtigen Anbindungen unserer Seehäfen mit der Anpas-
sung notwendiger Fahrrinnen.


(Johannes Kahrs [SPD]: Aber es passiert nichts!)


Wir haben also von der Instandsetzung der Schleusen bis
hin zur modernen Wasserwegeinfrastruktur allen Grund,
in 2013 und in den Folgejahren genau diesen Verkehrs-
träger weiterhin ausdrücklich zu stärken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in der Klimabi-
lanz sind das jährlich 5,6 Millionen Tonnen weniger an
CO2-Ausstoß. Das ist mehr als der Ausstoß von Berlin.
In Handwerk und Mittelstand werden 300 000 Arbeits-
plätze gesichert. Kurz gefasst ist das das Ergebnis und
die Erfolgsgeschichte des CO2-Gebäudesanierungspro-
gramms. Es leuchtet in das Land hinein, und deswegen
werden wir es in den nächsten Jahren im Rahmen der
Energiewende fortsetzen.

Ergänzend zur Städtebauförderung erneut in Höhe
von 455 Millionen Euro unterstützt der Bundeshaushalt
die Kommunen im kommenden Jahr mit 100 Millionen
Euro für Maßnahmen der energetischen Stadtsanierung.
In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich festgestellt,
dass auch der Haushalt 2013 mit vielen weiteren positi-
ven Ausschlägen aus anderen Etatbereichen wieder ein-
mal ein ausgesprochen kommunalfreundlicher Haushalt
ist, und diesen Weg wollen wir fortsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich abschließend sagen: Wir werden in Deutschland
durch unseren starken Logistikstandort, als Transitland
und als Wachstumslokomotive im Herzen von Europa in
der Zukunft starke Güterverkehre und Zuwächse zu ver-
kraften haben. Dazu brauchen wir eine Stärkung der
Straßeninfrastruktur verbunden mit einer weiteren Verla-
gerung auf Schiene und Wasserwege, um das Netz insge-
samt zu ertüchtigen.

Was Anspruch und Wirklichkeit angeht, sehr geehrter
Herr Kollege Pronold: Sie haben vorhin festgestellt, im





Reinhold Sendker


(A) (C)



(D)(B)


Bereich kombinierte Verkehre herrsche Stillstand. Ich darf
Ihnen sagen, auch im vorliegenden Haushaltsentwurf
sind für diesen Bereich 107 Millionen Euro vorgesehen.
Bis 2011 wurden 75 Umschlaganlagen der kombinierten
Verkehre gefördert, was einer täglichen Entlastung des
Verkehrs in einer Größenordnung von 15 000 Lkw ent-
spricht.


(Florian Pronold [SPD]: Das hat doch damit zu tun, dass vor zwei Jahren die Haushaltsmittel gekürzt worden sind!)


Das sind gute Botschaften. Das ist Ausdruck einer er-
folgreichen Politik, die wir im nächsten Jahr fortsetzen
werden.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719303200

Letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich ist der

Kollege Bartholomäus Kalb für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1719303300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der Verkehrsetat mit einem Volumen von
25,7 Milliarden Euro und einem Investitionsanteil von
13,6 Milliarden Euro ist der Investitionshaushalt des
Bundes schlechthin. Ein besonderer Schwerpunkt dieses
Haushalts sind die Investitionen in die Verkehrsinfra-
struktur. Trotzdem ist dieser Einzelplan eingebettet in
ein Gesamtbemühen, das aus haushaltspolitischer Sicht
geboten ist, nämlich die Haushaltskonsolidierung, die
Rückführung der Neuverschuldung, das Erreichen der
Nullverschuldung des Bundes.

Die Redner der Opposition haben vorhin mit Kroko-
dilstränen höhere Ausgaben für Verkehrsinvestitionen
gefordert.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat der Minister gefordert! – Florian Pronold [SPD]: Das war der Herr Ramsauer! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Gegenfinanzierung!)


Ich will daran erinnern: Das Elend für den Verkehrsetat
hat unter dem damaligen Verkehrsminister Stolpe mit
dem Finanzplan des Bundes 2004 bis 2008 begonnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Verkehrsinvestitionen – ich weiß das noch auswen-
dig – sanken dadurch um mehr als 2,5 Milliarden Euro.
Es versteht sich doch von selbst, dass jedes Mitglied die-
ses Hauses, auch jeder Haushälter auf die Investitionen
insbesondere im Bereich der Infrastruktur besonderes
Augenmerk legen wird. Wir vonseiten der Koalition
werden das in den nächsten Wochen und Monaten im
Haushaltsausschuss tun; das sage ich ausdrücklich.

Die Verkehrsinfrastruktur – Kollegin Dr. Winterstein
hat es vorhin angesprochen – ist nach wie vor ein sehr

großer, bedeutender und positiver Standortfaktor für die
deutsche Volkswirtschaft. Deswegen müssen wir auf den
Erhalt und die Funktionsfähigkeit der Verkehrsinfra-
struktur größten Wert legen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])


Es darf nicht zu der Situation kommen, wie sie in den
Vereinigten Staaten von Amerika heute zu beobachten
ist. Ein aus China stammender Amerikaner führte bezo-
gen auf die dortige Infrastruktur in der Passauer Neuen
Presse aus: Die USA heute sind wie China in den 80er-
Jahren. – Das ist ein Nachteil für eine Volkswirtschaft.
Darunter hat die volkswirtschaftliche Wettbewerbsfähig-
keit Amerikas gelitten. Gleiches sollte uns nicht passie-
ren. Im Gegenteil: Wir müssen darauf achten, dass wir
aufgrund der demografischen Entwicklung – wir wissen,
dass die Zahl der Erwerbsfähigen bis 2040 von derzeit
39 Millionen auf 38 Millionen zurückgeht – gezwungen
sind, leistungsfähiger und effizienter zu werden.

Es ist notwendig, dass wir in Bildung und Forschung
investieren. Wir dürfen aber nicht so tun, als ob Ver-
kehrsinfrastruktur bzw. Infrastruktur allgemein einen
Gegensatz dazu darstellen würden, als ob es auf der ei-
nen Seite Investitionen in Kopf und Geist geben würde
und alles andere wären Investitionen in Beton und Be-
tonköpfe. Nein, auch diese Infrastruktur ist notwendig,
um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu
können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir dürfen in ideologisch geführten Debatten keinen
Gegensatz herbeireden, ob es etwa besser ist, mehr in
den Bereich Schiene, Wasserstraße und Luftverkehr oder
mehr in den Bereich Straßenbau zu investieren. Jedes
Mobilitätsbedürfnis sollte möglichst optimal bedient
werden, umweltschonend und günstig. Da gibt es natür-
lich unterschiedlichste Anforderungen.

Ich komme zum Bereich der Städtebauförderung.
Auch hier haben wir


(Florian Pronold [SPD]: Gekürzt!)


dafür gesorgt, insbesondere bei den Beratungen des
Haushaltsausschusses, dass wir nach wie vor eine we-
sentliche Leistung erbringen können, mit 455 Millionen
Euro dotiert. Im letzten und vorletzten Jahr gab es Briefe
von den Kommunen und Länderfinanzministern einer-
seits. Andererseits haben sich bei der Bauministerkon-
ferenz mindestens drei Landesminister gegen eine Er-
höhung ausgesprochen, weil sie die Sorge hatten, eine
höhere Kofinanzierung aufbringen zu müssen. So geht
das nicht. Wenn wir dies als gemeinsame Aufgabe anse-
hen, dann gilt das gleichermaßen für Bund, Länder und
Gemeinden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Vorhin hat Kollege Sendker Sie erfreulicherweise da-
rauf hingewiesen, was wir bei der CO2-Gebäudesanie-
rung tun. Wir halten die 1,5 Milliarden Euro aufrecht,
auch wenn es aus dem Energie- und Klimafonds finan-





Bartholomäus Kalb


(A) (C)



(D)(B)


ziert wird. Die Staatssekretärsrunde hat sich darauf ver-
ständigt, dass der CO2-Gebäudesanierung höchste Prio-
rität einzuräumen ist. Auf die Effekte hat Kollege
Sendker hingewiesen. Ich will verzichten, darauf weiter
einzugehen. Wenn Ihnen das Anliegen der CO2-Minde-
rung, der Energieeinsparung so wichtig ist, dann geben
Sie Ihren Widerstand im Bundesrat auf. Es kann doch
nicht sein, dass es nur gut ist, wenn der Bund viel Geld
gibt. Da kann nichts teuer genug und hoch genug sein.
Aber sobald die Länder mit am Tische sitzen, dann soll
am besten gar nichts passieren, damit es nichts kostet.
Abgesehen davon bin ich der Meinung, dies bringt
volkswirtschaftliche Erträge, die sich auch in Steuerein-
nahmen niederschlagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Mir läuft ebenfalls die Zeit davon. Ich hätte noch
gerne etwas zu dem Desaster Flughafen Berlin-Branden-
burg gesagt. Es ist nicht nur das gegenwärtige Thema.
Ich bin lang genug in diesem Hause. Ich erinnere mich
noch an die sehr exponierten Ziele, die seinerzeit ausge-
sprochen worden sind. Er sollte ursprünglich einmal im
Jahr 2007 an den Start gehen. Davon kann man gar nicht
mehr reden. Ich sage dies mit einem Unterton des Be-
dauerns und der Traurigkeit. Gerade wir, Kollege
Pronold, wissen, dass ein leistungsfähiger Flughafen
enorme Entwicklungspotenziale für die jeweilige Wirt-
schaftsregion auslöst, wie wir es in München sehen
konnten. Ich sage dann immer stolz: Die können darüber
diskutieren, ob das München II oder Niederbayern I ist.
Die ganze Region hat daraus eine positive Entwicklung
verzeichnen können.

Ich sage auch nichts mehr zu dem Thema GVFG, das
eben angesprochen worden ist. Die Länder wollten in
der Föderalismuskommission – dort saßen Bund und
Länder zusammen – diese Aufgabe übertragen bekom-
men. Wir haben im Haushaltsentwurf 2013 1,335 Mil-
liarden Euro an Zuweisungen für die Länder vorgesehen,
die dann in eigener Verantwortung handeln müssen. Nur
erwarte ich von den Ländern, dass sie dieses vom Bund
übertragene Geld dann auch so einsetzen, dass es tat-
sächlich der Verbesserung der Gemeindeverkehrsinfra-
struktur und dem ÖPNV zugute kommt und nicht der
Haushaltssanierung dient.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719303400

Herr Kollege Kalb.


Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1719303500

Ich darf zum Schluss kommen, Herr Präsident, und

ihre Mahnung ernst nehmen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719303600

Sie dürfen.


Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1719303700

Für die Koalitionshaushälter sage ich, dass wir mit

großer Ernsthaftigkeit in die jetzt anstehenden Haus-
haltsberatungen im Ausschuss gehen werden und hier

genau überlegen werden, welche Akzente und Schwer-
punkte zu setzen sind. Lassen Sie uns das mutig und gut
angehen!

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719303800

Wir kommen damit zur Schlussrunde der Haushalts-

beratungen dieser Woche. Ich darf das Wort dem Kolle-
gen Rüdiger Kruse für die CDU/CSU-Fraktion erteilen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Vielleicht warten Sie noch einen kleinen Augenblick,
bis sich der Schichtwechsel vollzogen hat.


Rüdiger Kruse (CDU):
Rede ID: ID1719303900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Ich beginne meine Rede einmal mit einem gar nicht so
dramatischen persönlichen Bekenntnis: In diesem Land
zahle ich sehr gerne Steuern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das hat etwas mit dem jetzigen Regierungsentwurf, mit
der Debatte hier und im Haushaltsausschuss und mit der
Arbeit des Parlaments insgesamt zu tun. Natürlich ist
Steuernzahlen eine Pflicht, aber man kann Pflichten un-
terschiedlich nachkommen.

Dass ich sie gerne zahle, hat etwas damit zu tun, dass
wir hier mehr als andere sehen können, was alles mit
diesen Steuergeldern gemacht wird. Man kann an der ei-
nen oder anderen Stelle zwar sagen: „Das könnte man
noch besser machen“ – über einzelne Projekte kann man
unterschiedlicher Meinung sein; das haben wir ja auch
vertiefend diskutiert –, aber im Großen und Ganzen ha-
ben sie dazu beigetragen, dass wir in den vielen Jahren
nach dem letzten Weltkrieg ein wunderbares Gemeinwe-
sen geworden sind. Da weiß man, wofür man das tut.
Das sollte auch immer die Grundlage unserer Debatte
sein: Ja, wir streiten weiterhin für das Bessere, aber es ist
schon recht gut.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Natürlich reklamieren wir ein gutes Stück Anteil an
diesem Zustand. Das kann man natürlich auch begrün-
den. Die Höhe der Ausgaben in diesem Regierungsent-
wurf liegt zum Beispiel nicht am Limit dessen, was uns
durch die Schuldengrenze erlaubt ist, sondern so weit
darunter, dass wir für alle Gelegenheiten gut aufgestellt
sind und wieder, so wie auch in den vergangenen Jahren,
die Chance haben, dass das Ergebnis bei Tatkraft und gu-
ter Entwicklung noch besser wird, als wir es vorgeben.

Herr Poß hat in seinem Beitrag für die SPD-Fraktion


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Der war gut!)


– „der war gut“, sagen Sie; er war geeignet, darauf zu
antworten – die Verortung des Finanzministers themati-
siert. Er war der Meinung, er sei nicht auf der Höhe der
Zeit.





Rüdiger Kruse


(A) (C)



(D)(B)


Nun kann man sagen, dass es für den einen oder ande-
ren sehr anstrengend ist, auf der Höhe der Zeit zu sein.
Was ist eigentlich, wenn Sie auf der Höhe der Zeit sind?


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist eine gute Frage!)


Der jetzige Augenblick: Dafür, dass Sie hier sind, kön-
nen Sie direkt nichts. Das ist also die Gegenwart. Es ist
in Deutschland zwar immer mal ganz nett, die Vergan-
genheit ein bisschen zu verklären, aber das tut der
Finanzminister nicht. Deshalb werden Sie ihm also nicht
vorwerfen, dass er in der Vergangenheit lebt und die alte
D-Mark romantisiert.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht die CSU!)


Ein Politiker, der exakt auf der Höhe der Zeit ist, ist
nichts weiter als ein Chamäleon, weil er die äußeren Zu-
stände aufnimmt und als eigenes Licht wiedergibt. Das
ist keine Leistung. Er wird vielleicht immer beliebt sein,
aber er wird nichts schaffen. Herr Poß, ich mag Ihnen ja
zugestehen, dass es für Sie ein Kampf ist, auf die Höhe
der Zeit zu kommen, aber wenn Sie da schon lange sind,
dann besteht die Kunst darin, nicht zu weit voraus zu
sein, aber immer die Zukunft antizipieren zu können.

Das, was natürlich diese Regierung auch zu Konflik-
ten führt, ist, dass sie nicht bloß die Antworten liefert,
die reflexmäßig aus dem Augenblick bestimmt die rich-
tigen wären, sondern dass darüber nachgedacht wird,
was das für einen Einfluss auf die nächste Zukunft hat.
Das ist die Kunst guten Regierens.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das wäre schön, aber so ist es nicht! Von welcher Regierung reden Sie eigentlich?)


– Ich rede von der Regierung, die von Frau Merkel ge-
führt wird und in der Wolfgang Schäuble die Finanzen
leitet.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb beim Betreuungsgeld von zwölf bis Mittag!)


Sie fragen sich jetzt vielleicht: Na ja, gut, vielleicht
muss er das so sagen?


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das fragen wir uns nicht!)


Was sagt denn der Bürger dazu? Jenseits von Sachdebat-
ten: Der Vertrauenszuwachs für diese beiden Personen in
dieser Regierung ist mit jedem Tag kritischer Bericht-
erstattung, mit jedem Tag kritischer Meldungen aus
Europa größer geworden; denn ich vertraue Menschen,
die in der Realität fest verwurzelt sind, gleichzeitig aber
an meine und an die Zukunft zukünftiger Generationen
denken. Das ist ja auch das große Thema der Nachhaltig-
keit. Deswegen – nicht nur deswegen alleine – bin ich
froh, dass wir diese Regierung haben.

Ich habe auch gesagt, dass es einen Anteil des Parla-
ments gibt. Das Haushaltsrecht ist das große Recht des
Parlaments. Es gibt sicherlich Parlamente, die noch sehr

viel lebhafter mit ihrer Regierung umgehen. Dass die
Opposition der Regierung Vorhaltungen macht und viel-
leicht auch sagt: „Beim Abbau könntet ihr doch viel
schneller sein“, will ich gar nicht reflexmäßig mit der
Frage beantworten: Warum habt ihr das denn nicht ge-
macht? Jeder hat seine eigenen Schwierigkeiten.

Wichtig ist aber – das findet ja auch statt –, dass sich
die eigenen Abgeordneten der Koalition Gedanken über
die Etats machen. Deswegen passiert in diesem Parla-
ment auch etwas, was man sich meistens nicht vorstellen
kann, dass nämlich auch im Haushalt Dinge verändert
werden.

Wir haben in den letzten Jahren in den Beratungen
Akzente gesetzt, die gut und richtig waren, zum Beispiel
im Bereich der Infrastruktur. Ich finde, es ist ein großer
Ausdruck von Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der
Koalition, wenn uns Johannes Kahrs mitgibt, welche
wichtigen Projekte für das Land er gerne von uns bewegt
sehen möchte.


(Beifall der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/ CSU] und Johannes Kahrs [SPD])


Johannes, ich begreife nicht, warum du deine Reden im-
mer mit „Glück auf!“ beendest. Du bist ein norddeut-
scher Jung. Vielleicht meinst du, dass es ein bisschen
einsilbig wäre, wenn du deine Rede nur mit: „Moin!“,
beginnen würdest. Aber das ist dein Geheimnis.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Aber wir verstehen das!)


Für uns gibt es ein übergeordnetes Thema – das kann
man am Haushaltsentwurf erkennen –, das uns die
nächsten Jahre beschäftigen muss: Schuldenabbau. Wir
sind hierbei gut in der Spur, aber wir müssen uns trotz-
dem weiter anpassen. Wenn wir rechtzeitig etwas unter-
nehmen, können wir Schulden abbauen, ohne auf der
Strecke jemanden zu verlieren. Vielleicht könnte die Ef-
fizienz das Credo sein. Wir müssen uns fragen: Können
wir das, was wir machen, wofür wir alle dankbar sind,
was wir auch weiterhin tun wollen, effizienter tun?

Gerade war die Infrastruktur unser Thema. Natürlich
müssen wir die Infrastruktur teilweise ergänzen. Gleich-
zeitig kann man aber – auf gleicher Fläche – auch Effi-
zienzsteigerungen erreichen. Es ist schon wichtig, dass
wir in die Infrastruktur investieren.

Das Thema Effizienz gilt auch für den Bereich der er-
neuerbaren Energien.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber da macht die Regierung doch nichts!)


Auch dort investieren wir. Diese Regierung macht mehr
als die Vorgängerregierungen. Die Vorgängerregierun-
gen haben sich auf einem Beschluss ausgeruht und sind
nicht in die Umsetzung gegangen. Wir sind jetzt diejeni-
gen – wir wollen ja regieren –, die ihr selbstgewähltes
Schicksal, die Energiewende, auf die Straße bringen
müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Sven-Christian Kindler Rüdiger Kruse [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer greift denn das EEG gerade an?)





(A) (C)


(D)(B)


Wir müssen die großen und die kleinen Etats darauf-
hin überprüfen – das wird in der nächsten Legislatur-
periode sicher ein Thema sein –, ob wir das, was wir er-
reichen wollen, mit dem Geld, das wir einsetzen, auch
wirklich erreichen. Wenn wir das Ziel nicht erreichen,
dann muss man da etwas ändern.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätten Sie mal in dieser Periode machen können!)


Wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir die-
sen Mut zum Ändern haben, und das werden wir auch in
der Zukunft beweisen. Dabei machen wir natürlich auch
nicht vor Bereichen halt, die kleiner sind. Als Controller
würde man sagen: Über Kultur und Justiz müssen wir
nicht reden, weil diese Haushalte unterhalb der Wahr-
nehmungsschwelle liegen.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie sollten Bundestrainer werden!)


Aber auch die Art und Weise, wie wir in diesen Berei-
chen wirtschaften, hat Auswirkungen auf unser allge-
meines Verständnis vom Wirtschaften. Deshalb ist es
wichtig, dass wir auch die guten Projekte, die wir in die-
sen Bereichen fahren, kritisch hinterfragen. Man muss
gerade auch im Kulturbereich einmal überlegen – damit
das Kreative, das Neue wachsen kann –, ob alle Förde-
rungen, die wir früher beschlossen haben, so bestehen
bleiben können. Das ist nicht schlimm. Das muss mal
gedacht werden können; denn sonst ist das nicht Kunst,
sondern nur verstaubt.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Denken Sie doch mal!)


Verstaubt, Frau Künast, ist es übrigens auch, wenn man
sich auf dem Thema, mit dem man seit den 80er-Jahren
gut gefahren ist, ausruht. Ihr Hauptthema ist heute weg;
wir haben es erledigt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Wech“, mit „ch“!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719304000

Nun ist der Kollege Carsten Schneider für die SPD-

Fraktion aufgerufen.


Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1719304100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Kollege Kruse, ich kann nachvollziehen, dass Sie
in der Schlussrunde der Debatte über den Haushaltsent-
wurf nicht über den Haushalt sprechen wollen; denn das
ist alles andere als etwas, worauf die Koalition aus
Union und FDP stolz sein kann.


(Beifall bei der SPD)


Sie haben mit keinem einzigen Wort gesagt, wie hoch
die Neuverschuldung ist, die Sie in diesem Jahr beschlie-
ßen wollen: 18,8 Milliarden Euro.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wir kommen aber von 86!)


Sie wollen diesem Land 18,8 Milliarden Euro neue
Schulden aufbürden, und das in einer Zeit, in der die
Konjunktur brummt, in der Sie die niedrigste Arbeitslo-
senquote, die niedrigsten Zinsausgaben und die höchsten
Steuereinnahmen haben? Kollege Fricke, das ist doch
richtig, oder?


(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Die Kollegen Kahrs und Pronold haben gerade eben noch gefordert, dass wir mehr ausgeben!)


In dieser Debatte haben Sie immer wieder gesagt,
dass Sie eine solide Politik machen, weil die Ausgaben
nicht steigen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Die gehen zurück!)


Sie vergleichen die Ausgabenhöhe immer mit den Vor-
jahren, insbesondere mit 2009/2010. Darf ich Ihnen mit-
teilen, dass wir in dieser Zeit Konjunkturprogramme
hatten, die natürlich – das war gewollt – zu einem Auf-
blähen des Sektors geführt haben?


(Otto Fricke [FDP]: Ach!)


Natürlich geht das jetzt zurück, und es ist gut, dass das
passiert. Das ist aber noch kein Gewinn.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: 10 Milliarden weniger!)


Jetzt komme ich zu den Zahlen, um die Entlastung
deutlich zu machen: Im Jahr 2011 hat diese Koalition
das Haushaltsjahr mit einer Neuverschuldung von knapp
17 Milliarden Euro abgeschlossen. Für 2012 planen Sie
32 Milliarden Euro. Das ist eine deutliche Steigerung.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ist und Soll!)


Im Jahr 2013 wollen Sie dann wieder auf 18 Milliar-
den Euro kommen. Dieser Zickzackkurs ist stilbildend
für Ihre Politik. Sie haben kein Ziel. Sie wollen nur ir-
gendwie über die Wahl kommen. Aber Sie bringen damit
das Land nicht voran.


(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/CSU])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1719304200

Lieber Kollege Schneider, darf Ihnen der Kollege

Fricke eine Zwischenfrage stellen?


Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1719304300

Gern.


Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1719304400

Herr Kollege Schneider, von der erneuten Verwechs-

lung von Ist und Soll – hier verweise ich auf die Ausfüh-
rungen des Kollegen Barthle – einmal abgesehen: Sie sa-
gen, wie die Ausgaben in 2012 sind. Sie wissen genau,
dass wir zusätzliche Belastungen haben.






(A) (C)



(D)(B)



Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1719304500

Welche?


Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1719304600

Welche? Stichwort Europa, ESM und so. Ich weiß

nicht, ob Sie sich da auskennen.


(Widerspruch bei der SPD)


Es gab dazu diese Woche eine ziemlich wichtige Ent-
scheidung; dies nur als kleiner Hinweis.

Sie sagen, 2012 hätten wir zu viel ausgegeben. Könn-
ten Sie mir sagen, welche Milliardenausgabe – ich weiß,
dass man das bei Ihnen betonen muss – im Haushalt
2012 die SPD nicht getätigt hätte?


Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1719304700

Sehr geehrter Kollege Fricke, es ist richtig: Der Bun-

destag hat beschlossen, dem ESM in diesem Jahr, im
Jahr 2012, über 8 Milliarden Euro zur Verfügung zu stel-
len. Jetzt subtrahieren Sie einmal: 32 minus 8. Auf wel-
che Summe kommen wir dann? Ist diese Summe höher
als die Neuverschuldung des Jahres 2011? Ja, ist sie. Sie
ist deutlich höher.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Otto Fricke [FDP]: Die Frage!)


Sie haben es in der Hand, im Nachtragshaushalt dafür zu
sorgen, dass sie gesenkt wird. Werden Sie dies tun, oder
werden Sie die Neuverschuldung trotz der exzellenten
Situation, in der wir uns befinden, weiter erhöhen?


(Otto Fricke [FDP]: Könnten Sie die Frage beantworten?)


Sehr geehrter Kollege Fricke, Sie werden sie wahr-
scheinlich nicht senken; das weiß man, wenn man sich
ansieht, wie Sie hier die vergangenen Jahre konstant ge-
arbeitet haben.

Ich will jetzt eigentlich nicht mit dem Argument kom-
men, dass die FDP eine Apothekerpartei


(Otto Fricke [FDP]: Frage! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Klientelpartei!)


und Klientelpartei ist. Aber Sie haben gefragt, welche
Ausgaben genau wir kürzen wollen. Wissen Sie, Herr
Kollege Fricke, der entscheidende Punkt in einem
Staatshaushalt ist nicht, wie hoch die Ausgaben sind, der
entscheidende Punkt ist, wie hoch die Kredite sind, die
Sie brauchen, um Ihren Staatshaushalt zu finanzieren.


(Beifall bei der SPD)


Wir als Sozialdemokraten setzen auf einen konse-
quenten Subventionsabbau.


(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Steuererhöhungspartei!)


Dazu haben wir Ihnen Vorschläge gemacht. Ich komme
zum ersten Vorschlag, auch wenn Sie es nicht mehr hö-
ren können: Sie geben immer noch – das ist weiterhin
geltendes Recht – 1 Milliarde Euro für die Hoteliers in
diesem Lande aus. Es handelt sich um Steuerminderein-

nahmen; auf dieses Geld verzichten Sie. Mit diesem
Geld könnte man die Lücke schließen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wissen Sie, entscheidend sind nicht die Ausgaben,
sondern entscheidend ist, ob Sie neue Schulden aufneh-
men oder nicht. Sie tun es, und zwar mehr als notwendig
ist. Ihnen fehlt die Kraft, dieses Land mit diesem Haus-
halt strukturell so zu verändern, dass wir von der hohen
Verschuldung herunterkommen, dass wir wieder leis-
tungsfähig und unabhängig von den Wirren der Finanz-
märkte werden.


(Beifall bei der SPD – Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Wo sind denn Ihre Einsparungen?)


Ich rechne Ihnen das gerne vor. Betrachten wir das
Jahr 2012 und das Jahr 2013; wir sprechen gerade über
den Haushaltsentwurf für 2013. Angesichts der großen
Unsicherheit, die wir sowohl aufgrund der wirtschaftli-
chen Entwicklung – selbst der Finanzminister ist darauf
eingegangen – als auch aufgrund der Finanzkrise und
den damit verbundenen Verwerfungen an den Märkten
für Staatsanleihen haben, wäre es gut, Vorsorge zu tref-
fen. Tun Sie das? Sie tun es nicht. In keinem einzigen
Punkt. Im Gegenteil: Sie fahren volles Risiko.

Nehmen wir als Beispiel die Zinsausgaben. Sie sagen,
Ihre Ausgaben würden sinken. Sie sinken aber nicht ein-
mal, sie sind stabil.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sie sinken! 10 Milliarden weniger!)


Die Gesamtausgaben des Bundes bleiben von 2012 auf
2013 stabil. Aber Sie vergessen dabei – ich erkläre Ihnen
das gern –, dass Sie Entlastungen haben. Sie haben
10,7 Milliarden Euro weniger Zinsausgaben. Dafür kön-
nen Sie gar nichts. Das sind klassische Windfall Profits,
die Sie mitnehmen. 2,8 Milliarden Euro geben Sie weni-
ger für die Bundesagentur für Arbeit aus. 2 Milliarden
Euro hohlen Sie sich im Gesundheitsfonds und 1 Mil-
liarde Euro bei der Rente. Das sind Entlastungen auf der
Ausgabenseite. Diese führen aber nicht dazu, dass Sie
die Ausgaben senken. Im Gegenteil: Die Ausgaben blei-
ben konstant.

Sie haben – verglichen mit 2011 – Steuermehreinnah-
men in Höhe von 7,5 Milliarden Euro. Das macht unter
dem Strich 24 Milliarden Euro. Die Nettokreditauf-
nahme wird gesenkt, aber nicht in diesem Umfang. Viel-
mehr verfrühstücken Sie diese Möglichkeiten der kon-
junkturellen Konsolidierung. Um die FAZ zu zitieren:
Schäuble spart sich das Sparen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Von wegen!)


Wir Sozialdemokraten


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sparen nicht!)


stehen für einen aktiven Staat.





Carsten Schneider (Erfurt)



(A) (C)



(D)(B)



(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Genau! Jetzt kommt es! Mehr Geld ausgeben!)


Wir wollen ihn nicht über Schulden finanzieren – das
wollen Sie –, sondern wir wollen so schnell wie möglich
runter von der Neuverschuldung.


(Zuruf von der FDP: Hört! Hört!)


Dazu werden wir Ihnen, so wie in den vergangenen Jah-
ren, Vorschläge vorlegen, zum Beispiel zum Abbau von
Subventionen; da haben Sie vollkommen versagt. Sie
haben die Subventionen erhöht, anstatt sie abzubauen.
Das ist ungerecht.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Und wir werden für eine gerechtere Besteuerung in die-
sem Land sorgen.

Das fängt bei der Frage an: Was hat uns die Krise ei-
gentlich gekostet? Bisher hat der Bundeshaushalt davon
profitiert. Ich habe die Zinsausgaben genannt. Sie aber
tun so, als gäbe es keine Kosten. Sie sind versteckt:
20 Milliarden Euro sind im Konjunktur- und Tilgungs-
fonds. Die Konjunktur läuft doch gut, oder? Wie viel ha-
ben Sie getilgt? Null.

Es geht weiter zu der Frage der jetzt als Schattenbank
eingeführten EZB.


(Otto Fricke [FDP]: Als was?)


– Es geht um die als Schattenbank für den Bundeshaus-
halt eingeführte EZB. Ich komme gleich noch einmal da-
rauf zurück.


(Otto Fricke [FDP]: Die EZB ist eine Schattenbank?)


Dafür gibt es null Vorsorge. Im Gegenteil: Die Risiken
werden aus dem Bundeshaushalt auf andere Institutionen
verschoben, und das mit voller Duldung und Akzeptanz
der Bundesregierung.


(Bettina Hagedorn [SPD]: So ist es!)


Ich finde auch das ein starkes Stück: Herr Vizekanzler
und Herr Wirtschaftsminister, Sie haben hier gestern in
der Wirtschaftsdebatte gesagt, die Bundesregierung bzw.
die FDP – ich war mir nicht ganz sicher, wen Sie mein-
ten – stünde für Währungsstabilität, und bezogen sich
auf die Bundesbank. Diese findet natürlich in der EZB
ihre Wiedergeburt. Ich weiß nicht, ob Sie Zeitungen le-
sen und mitbekommen haben, welche Entscheidungen
getroffen worden sind. Aber eines ist klar: Seit dem letz-
ten Donnerstag entwickelt sich die EZB mehr in Rich-
tung Fed als in Richtung Bundesbank. Wer das abstrei-
tet, meine Damen und Herren, der will den Leuten die
Augen verkleistern.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)


Sie haben nicht mehr die Kraft, hier im Bundestag, in
der Öffentlichkeit für die notwendigen Maßnahmen zu
sorgen, die erforderlich sind, um Länder vor Spekulatio-
nen zu schützen, weil Sie in Ihrer Koalition zerstritten
sind. Aber der Bundesfinanzminister hat sich im Juni per

Pressemitteilung zustimmend zu der Entscheidung von
Herrn Draghi geäußert, was das Ankaufprogramm von
Staatsanleihen betrifft. Sie haben die Europäische Zen-
tralbank also durch Ihr Nichthandeln in diese Situation
gebracht und auch dazu beigetragen, dass der Bundes-
bankpräsident voll in Opposition ging und kurz vor dem
Rücktritt stand.

Jetzt befinden wir uns deshalb auf dem Weg in die
Staatsfinanzierung durch die EZB, und zwar mit hohen
Risiken, ohne dass der Bundestag – das ist für mich der
entscheidende Kritikpunkt – einen maßgeblichen Ein-
fluss oder eine maßgebliche Kontrolle dieser Institution
hat.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: So ist das mit der Unabhängigkeit!)


Das, meine Damen und Herren, wird das Vermächtnis
dieser Bundesregierung sein.


(Beifall bei der SPD)


Ich bin mir sicher, die Intervention wird ein, zwei
Jahre lang ökonomisch helfen. Ob dies auch dauerhaft
hilft, wird davon abhängen, ob es gelingt, eine gerechte
Ordnung an den Finanzmärkten zu erreichen. Es besteht
aber die Gefahr, dass der Weg, den die Bundesregierung
jetzt eingeschlagen hat – der Bundestag wird quasi aus
der Entscheidung herausgenommen, und die EZB nimmt
die Rolle des Staatsfinanzierers ein –, lange nachwirken
wird. Das wird diese Währungsunion tüchtig verändern.
Ich weiß nicht, ob Sie sich dieser Bedeutung bewusst
sind.

Ich höre dann immer wieder, dass dies mit vielen
Auflagen verbunden sei und dass es kein Geld ohne ent-
sprechende Konditionen gebe. – Meine Damen und Her-
ren, ich weiß nicht, ob Sie sich die Pressemitteilung und
das Statement von Herrn Draghi wirklich angeschaut ha-
ben. Er verweist auf den ESM – das ist dieser Rettungs-
fonds – und dort ganz speziell auf die Dispokreditlinie.
Sie nennt sich ECCL. Wissen Sie, wie die Bedingungen
hinsichtlich der Inanspruchnahme lauten, dass also die
EZB dann quasi unbegrenzt, und zwar ohne Haftung,
ohne Obergrenze, interveniert? Dass man sich an das je-
weilige Nationale Reformprogramm hält, das sich die
Staaten selbst geben. Dem muss nicht zugestimmt wer-
den. Das melden die Staaten dann einfach nach Brüssel.


(Heiterkeit des Abg. Johannes Kahrs [SPD])


Ich habe mir einmal den Spaß gemacht, mir das deut-
sche Nationale Reformprogramm anzugucken. Darin
stehen Dinge, die Sie auch hier im Haushalt wiederfin-
den, wie zum Beispiel das Betreuungsgeld.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Das kündigen Sie als Nationales Reformprogramm an,
um Deutschland nach vorn zu bringen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)


Das kostet nicht nur mehr als 1,2 Milliarden Euro
blanko, ohne dass Sie eine Gegenfinanzierung bringen.
Nein, es ist auch noch ökonomisch vollkommen unsin-
nig und auch familienpolitisch kontraproduktiv.





Carsten Schneider (Erfurt)



(A) (C)



(D)(B)



(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, wenn zu solchen Bedin-
gungen jetzt Staaten durch die EZB finanziert werden,
dann kann ich nur sagen: Gute Nacht! Das ist nicht ein
Weg in eine Fiskalunion, bei der wir die nationale Sou-
veränität einschränken müssen. Im Gegenteil: Das wird
die Rutschpartie in eine Haftungsunion, in eine Schulden-
union, wie Sie es immer wieder nennen, ohne dass wir
irgendeinen Einfluss auf die nationalen Haushalte der
Mitgliedstaaten haben. Ich finde, das ist nicht akzepta-
bel. Ich glaube, dass Ihnen das in den nächsten Monaten
noch auf die Füße fallen wird; denn die Verunsicherung
ist groß.

Ich finde, wir sollten das Interview mit Herrn Draghi,
das heute in der Süddeutschen Zeitung zu lesen ist, zum
Anlass nehmen, ihn in den Bundestag einzuladen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Er hat ja schon gesagt, er kommt!)


– Ja.


(Otto Fricke [FDP]: Wohin denn da?)


Ich finde, dass wir im Haushaltsausschuss mit ihm über
diese Maßnahmen sprechen müssen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)


Insbesondere würde mich interessieren, wie sich die
Bundesregierung in diesem ganzen Spiel verhalten hat
und ob es nicht doch so ist, wie ich vermute: dass Herr
Draghi in diese Richtung getrieben wurde und letztend-
lich von der Bundeskanzlerin ganz klar Unterstützung si-
gnalisiert bekommen hat. Ich erinnere nur an die Haus-
haltsausschusssitzung vom vorigen Donnerstagmorgen.
Da hat der Prozessbevollmächtigte klar gesagt, er könne
sich nicht vorstellen, dass diese Operation gegen den
Willen eines großen Mitgliedstaates durchgeführt wurde.


(Beifall bei der SPD)


Wenn das Bundesverfassungsgericht in dieser Sache ent-
schieden hat, werden wir wissen, wie es ausgeht.

Meine Damen und Herren, der vorgelegte Haushalt –
um das Handelsblatt zu zitieren – ist „Das Ende der
Konsolidierung“, und das im Wahljahr 2013.


(Otto Fricke [FDP]: Oh! Dann haben wir ja vorher doch konsolidiert!)


Das ist keine große Überraschung, sondern das ist ty-
pisch. Sie haben die letzten drei Jahre verschlafen. Sie
haben sich auf den Lorbeeren der Beschäftigten, der Ge-
werkschaften und der Unternehmen ausgeruht, ohne die-
ses Land durch eigenes Zutun und strukturelle Verände-
rungen weiter nach vorn zu bringen. Sie zeigen mit dem
Finger auf andere Länder in Europa, sind selbst aber
nicht in der Lage, hier die notwendigen Maßnahmen zu
ergreifen und Deutschland eine dauerhafte Führungspo-
sition zu verschaffen.


(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU/ CSU)


Im Gegenteil: Die von Stagnation geprägte Politik dieser
Regierung wird uns auf Dauer teuer zu stehen kommen.
Je früher damit Schluss ist, desto besser.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719304800

Was gibt es Schöneres, als seinen Geburtstag im

Kreise von lieben Kolleginnen und Kollegen zu bege-
hen. Ich gratuliere Ihnen recht herzlich, Kollege
Koppelin, und gebe Ihnen das Wort.


(Beifall)



Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1719304900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das wird wahrscheinlich der einzige Beifall sein, den ich
bei meiner Rede vom ganzen Haus bekomme;


(Heiterkeit – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Da können Sie sicher sein! – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wahrscheinlich ja!)


aber ich bedanke mich natürlich dafür.

Der Kollege Carsten Schneider, der eben gesprochen
hat, machte auch in unsere Richtung die Bemerkung: Ich
weiß nicht, ob Sie Zeitung lesen. – Bei den Reden von
Carsten Schneider und manch anderen Sozialdemokra-
ten wurde ich an einen Artikel erinnert – ich lese näm-
lich Zeitung –, der vor einigen Tagen, am 7. September
dieses Jahres, in der Financial Times Deutschland er-
schienen ist. Es ging darum, dass Frau Nahles wohl bei
den Demokraten in Amerika war. Am Ende des Artikels
wurde darauf hingewiesen, dass im Willy-Brandt-Haus
auf Wunsch von Frau Nahles Schreibkurse eingerichtet
wurden, mit folgender Begründung – ich lese wörtlich
aus diesem Artikel vor –: „… damit die Sozialdemokra-
ten nicht mehr so langweilige Reden schreiben.“


(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Wo sie recht hat, hat sie recht!)


So lautet das Originalzitat aus der Financial Times
Deutschland vom 7. September dieses Jahres. Ich rate
den Rednern der Sozialdemokraten dringend, auf die
von Frau Nahles eingerichtete Datenbank zurückzugrei-
fen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ein Beispiel hat der Kollege Carsten Schneider – das
zog sich schon durch die ganze Woche – gerade abgelie-
fert. Er kritisierte uns dafür, dass wir die Grenze im Hin-
blick auf die Neuverschuldung bei 18 Milliarden Euro
gezogen haben. Diesen Betrag muss man übrigens nicht
ausschöpfen. Ich erinnere an dieser Stelle an eure alten
Reden. Damals habt auch ihr so etwas immer gesagt.
Hinterher sah das alles allerdings ganz anders aus. Ihr
baut hier also einen Popanz auf, an dem ihr euch hoch-
ziehen könnt, der allerdings überhaupt nicht stimmt.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Genau so ist es!)






Dr. h. c. Jürgen Koppelin


(A) (C)



(D)(B)


Die 18-Milliarden-Euro-Grenze hat Kollege
Schneider, wie gesagt, gerade kritisiert. Noch vor einer
Stunde hat sein Kollege Kahrs hier gestanden und in der
Debatte zu einem anderen Etat 1 Milliarde Euro mehr
gefordert.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das war Minister Ramsauer!)


Ich habe mir ja die ganze Woche die Reden der Fachpo-
litiker der Sozialdemokraten angehört. Sie haben ständig
mehr und mehr und mehr gefordert, aber nicht gesagt,
wie sie ihre Forderungen gegenfinanzieren wollen; da-
rauf will ich gleich noch zu sprechen kommen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich kann nur sagen: Die Neuverschuldung des Bundes
unterschreitet die Vorgaben der Schuldenregelung. Diese
Koalition steuert kraftvoll auf einen ausgeglichenen
Bundeshaushalt zu. Wir können das schaffen. Wir wol-
len die Null bei der Neuverschuldung; das ist unser Ziel.

Wahr ist: Die gute konjunkturelle Lage und die gute
Situation bei den Steuereinnahmen helfen uns bei der Er-
reichung dieses Ziels, ohne Frage. Aber es ist doch ein
Märchen, wenn die Sozialdemokraten hier erklären, das
sei eigentlich ihr Verdienst aus längst vergangenen Zei-
ten. Nein, das ist unser Verdienst. Unsere Politik bedeu-
tet nämlich – das wissen die Menschen draußen –: keine
Steuererhöhungen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steuersenkungen für Hoteliers!)


Das, was wir beschließen, gilt für längere Zeit. Bei uns
gibt es kein hü und hott wie bei den Sozialdemokraten,
die jeden Tag die Einführung einer neuen Steuer fordern.
Im Gegensatz zu dem, was wir machen, verunsichert das
die Menschen. Insofern glaube ich, es war sehr hilfreich,
dass wir für die Betriebe und die mittelständische Wirt-
schaft Planungssicherheit geschaffen haben.

Im Übrigen darf ich daran erinnern – auch wenn die
Sozialdemokraten das nicht hören mögen –, wie Ihre
Politik in der Vergangenheit ausgesehen hat – Sie wüh-
len ja gerne in der Vergangenheit herum, um zu zeigen,
wie toll Sie gewesen sind –: Vor der Bundestags-
wahl 2005 haben Sie erklärt, mit Ihnen werde es keine
Mehrwertsteuererhöhung geben, und nach der Wahl ha-
ben Sie die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhöht.
Das hat Ihnen damals 50 Milliarden eingebracht. Was
hat Ihr Finanzminister gemacht? Er hat trotzdem neue
Schulden in Höhe von 250 Milliarden Euro aufgenom-
men. Das war Ihre Politik, nichts anderes!


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn in dieser Woche die Argumentation bei den So-
zialdemokraten – die Linken haben teilweise mitge-
macht –


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Was? Wir machen da nicht mit!)


besonders kurzatmig wurde, verwies man auf das
deutsch-schweizerische Steuerabkommen. Ich sage Ih-
nen an dieser Stelle ganz klar: Wer Steuern hinterzieht,
begeht eine Straftat. Das muss verfolgt, und das muss
geahndet werden. Aber es kann nicht sein, dass deutsche
Behörden in der Schweiz Daten stehlen lassen, um so
Steuersündern auf die Spur zu kommen.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Sie schützen die Betrüger!)


Es kann nicht sein, dass wir diese Daten stehlen lassen.
Der fast planmäßige Ankauf von gestohlenen Schweizer
Bankdaten ist für mich nicht zu akzeptieren.


(Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Die Schweiz ist ein Rechtsstaat.


(Thomas Oppermann [SPD]: Gleiches Recht für alle!)


Diebstahl ist dort strafbar. Daran sollten wir uns nicht
beteiligen. Sie sollten dem deutsch-schweizerischen Ab-
kommen, das der Finanzminister ausgehandelt hat, zu-
stimmen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Thomas Oppermann [SPD]: So niemals!)


– Tun Sie nicht so scheinheilig, Herr Kollege
Oppermann, weil Sie denken, Sie haben damit ein schö-
nes Thema gefunden. Ich habe einmal das Gesetz über
die strafbefreiende Erklärung vom Dezember 2003 he-
rausgesucht. Es stammt von Hans Eichel. Was steht in
diesem Gesetz? Sie haben Leuten, die Steuern hinterzo-
gen haben und im Ausland ihr Geld geparkt haben, ange-
boten: Wenn ihr dieses Geld angebt, dann braucht ihr gar
nicht mehr alles zu versteuern.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Wohl wahr!)


Das heißt, der ehrliche Deutsche, der hier seine Ein-
künfte versteuert hat, musste voll zahlen, und andere, die
ihr Geld im Ausland hatten und dieses dann auf der
Grundlage Ihres Gesetzes angegeben haben, mussten nur
60 Prozent zu einem geringeren Steuersatz versteuern.


(Thomas Oppermann [SPD]: Sie waren nicht dagegen, Herr Koppelin!)


Das war Ihre Politik. Das wollten wir nicht mehr ma-
chen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719305000

Kollege Koppelin, gestatten Sie eine Frage oder Be-

merkung des Kollegen Montag?


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1719305100

Ja, klar. Das verlängert meine Redezeit.


(Zuruf von der LINKEN: Ohne etwas zu sagen, ist auch eine Kunst!)







(A) (C)



(D)(B)



Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719305200

Ich habe mich nicht deswegen gemeldet, Herr Kol-

lege Koppelin, aber Sie profitieren tatsächlich davon. –
Sie haben in Ihrer Rede ausgeführt, dass Sie sich dage-
gen wenden, dass deutsche Behörden in der Schweiz Da-
ten stehlen lassen.

Erstens. Ich möchte Sie herzlich bitten, dass Sie uns
einen einzigen Vorgang – einen einzigen Vorgang! – be-
nennen, bei dem deutsche Behörden irgendjemanden an-
gestiftet haben, irgendjemanden dazu angeleitet haben,


(Zurufe von der FDP)


irgendjemanden gefragt oder gebeten haben oder irgend-
jemanden in die Schweiz geschickt haben, damit er dort
rechtswidrig Daten erwirbt.


(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Womit wurden sie überredet? Mit Geld!)


Zweitens. Ich möchte Sie fragen, ob Ihnen bekannt
ist, dass es bei der Ermittlung von Straftaten und bei der
Dingfestmachung von Straftätern in Deutschland seit
Jahrzehnten absolut üblich ist, für sachdienliche Hin-
weise – ich betone: für sachdienliche Hinweise –, nicht
für rechtmäßig erworbene, Gelder auszuloben. Der Poli-
zei werden jede Woche wegen dieser Auslobungen Hin-
weise und Beweise zugeliefert, wofür die Behörden
selbstverständlich Geld bezahlen. Was haben Sie eigent-
lich plötzlich gegen dieses rechtsstaatliche Mittel? Sind
Sie nur deswegen dagegen, weil es um reiche Leute geht,
die Steuern hinterziehen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1719305300

Herr Kollege Montag, ich habe natürlich Ihren Rede-

beitrag zu diesem Thema in dieser Woche mit Interesse
gehört. Deswegen habe ich das aufgenommen. Insofern
bin ich Ihnen für die Zwischenfrage dankbar. Es ist viel-
leicht mein Vorteil, dass ich nicht wie Sie Jurist bin, son-
dern bei mir vielleicht mehr der gesunde Menschenver-
stand durchkommt.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Für mich ist völlig klar: Wenn ich als deutsche Be-
hörde laufend Geld für solche Daten-CDs anbiete und
zahle, dann animiert das andere, das nachzumachen, um
auch abzukassieren. Nichts anderes ist das.


(Johannes Kahrs [SPD]: Wo bleibt das Beispiel? Ein Beispiel bitte!)


Das ist dann die Aufforderung zum Diebstahl.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Frau Präsidentin, wir werden bei anderer Gelegenheit
dieses Thema noch diskutieren. Aber es muss möglich
sein, dass man nicht nur den Standpunkt der Grünen ver-
tritt,


(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


sondern dass wir auch unseren Standpunkt hier vertreten
und dagegenhalten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Wo bleibt das Beispiel? Das ist ja wohl schwach!)


Es ist auch schon vom Kollegen Otto Fricke, von
Rainer Brüderle und anderen auf Folgendes hingewiesen
worden: Viel Geld kosten uns all die Forderungen aus
den Bundesländern. Die eine oder andere Forderung ist
da wirklich zu kritisieren. Wir werden teilweise „er-
presst“, weil wir die Zustimmung zu bestimmten Geset-
zen im Bundesrat brauchen. Das kostet den Bundeshaus-
halt Geld. Das verschweigt natürlich der Kollege
Carsten Schneider.

Ich will auch gleich einige Beispiele nennen. Schauen
wir einmal in die Länder: Glauben Sie, lieber Kollege
Schneider, dass das Land Nordrhein-Westfalen, wenn
wir ihm nicht 3 Milliarden Euro geben würden, damit es
seine WestLB abwickeln kann – das Land muss selber
8 Milliarden Euro aufbringen –, klarkommen würde?
Das Geld fehlt im Bundeshaushalt.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


Das ist doch klar. Die 3 Milliarden Euro hätte ich gerne.
Mit der WestLB soll übrigens die Bank abgewickelt wer-
den, mit der uns die Sozialdemokraten zeigen wollten,
dass sie die besseren Banker sind.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer war denn da vorher Ministerpräsident? Das war Jürgen Rüttgers! – Thomas Oppermann [SPD]: Rüttgers!)


Das wollten Sie uns zeigen und haben nach Strich und
Faden eine Pleite hingelegt. Das war sozialdemokrati-
sche Politik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


– Wenn Sie sich aufregen, Kollege Oppermann, kann ich
gerne weitere Beispiele nachliefern.

Nehmen wir also Rheinland-Pfalz: Da wurden durch
den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Kurt
Beck Millionen an Steuergeldern in den Sand des Nür-
burgrings gesetzt. Vor der Landtagswahl haben die Grü-
nen das heftigst kritisiert. Nach der Vertrauensabstim-
mung fallen sie jetzt Herrn Beck um den Hals. Das ist
ihre Politik; so schnell sind sie eingeknickt; Herr Beck
muss wirklich beeindruckend sein. Beeindruckend ist al-
lerdings in der Tat, dass er mit dem Projekt, so schätzt
man, 400 Millionen Euro in den Sand gesetzt hat.

Ganz bunt geht es – das ist schon angesprochen wor-
den – in den SPD-regierten Ländern Berlin und Bran-
denburg mit dem Willy-Brandt-Flughafen zu.

Klaus Wowereit als Aufsichtsratsvorsitzender hat – das
ist auch der Eindruck in der Bevölkerung – längst den
Überblick verloren.





Dr. h. c. Jürgen Koppelin


(A) (C)



(D)(B)



(Johannes Kahrs [SPD]: Wir reden über den Bundeshaushalt! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen denn die Staatssekretäre Bomba und Gatzer? Da sind doch zwei Staatssekretäre aus der Regierung!)


– Dass Sie sich darüber aufregen, verstehe ich. –
Wowereit war am 25. Juni bei uns im Haushaltsaus-
schuss. Wir haben einen Sachstandsbericht zu Terminen,
Kostenschätzungen und zum Finanzierungskonzept be-
kommen. Herr Wowereit stand Rede und Antwort. Be-
reits einen Monat danach stimmte nichts, aber auch gar
nichts mehr. Sie können gerne die Vorlagen von mir be-
kommen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Sagen Sie doch mal etwas zur Personalpolitik von Herrn Niebel!)


Es stimmte nichts daran. Das werden die Grünen hof-
fentlich bestätigen. Sonst hätte Frau Künast nicht viel-
leicht sogar einen Untersuchungsausschuss zu dem
Punkt gefordert.

Der Bund ist Anteilseigner. Deshalb werden wir uns
vielleicht irgendwann beteiligen müssen. Aber wo
kommt das Geld dann her? Sie kritisieren unsere Neu-
verschuldung, und gleichzeitig zocken Sie mit Ihren
SPD-Ländern ab. Herr Wowereit würde völlig hilflos da-
stehen, wenn der Bund ihm nicht eines Tages helfen
wird. Das ist doch das Entscheidende.


(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist doch Unsinn!)


Den Gipfel – das sage ich mit Blick auf den Kollegen
Carsten Schneider –


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Reden Sie doch einmal über den Bundeshaushalt!)


erreicht der Sozialdemokrat Matthias Machnig. Er ist
SPD-Wirtschaftsminister. Ich kannte ihn bis dato noch
gar nicht.


(Zuruf von der CDU/CSU: Nichts verpasst!)


Aber seit dem 3. September ist mir dieser Mann bekannt.
Dieser Herr Machnig kommt aus Thüringen


(Zurufe von der CDU/CSU – Lachen der Abg. Petra Merkel [Berlin] [SPD])


und ist dort SPD-Wirtschaftsminister. Er hat am 3. Sep-
tember im Handelsblatt vom Bund für die nächsten
Jahre – man höre und staune – 1 000 Milliarden Euro für
die ostdeutschen Bundesländer gefordert.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nicht vom Bund! Hast du nicht richtig gelesen?)


Berechnet auf die Jahre, für die er das fordert, sind das
circa 65 Milliarden Euro mehr pro Jahr, die er vom Bund
für die ostdeutschen Länder bekommen will. Schön und
gut, dort ist sicherlich etwas zu tun. In den westdeut-
schen Ländern ist übrigens auch Erhebliches zu tun.
Kommen Sie mal nach Schleswig-Holstein! Ich kann nur
sagen: Wir haben da auch Nachholbedarf.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das glaube ich gerne!)


Lieber Carsten Schneider, der Mann kommt aus Thü-
ringen.


(Zurufe von der SPD)


Der haushaltspolitische Sprecher der Sozialdemokraten,
Carsten Schneider, kommt ebenfalls aus Thüringen.
Stimmt ihr euch denn gar nicht ab, damit ihr ein einheit-
liches Konzept habt? Das müsst ihr doch abgestimmt ha-
ben. Das kann doch nicht wahr sein.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Können wir jetzt einmal etwas zum Bundeshaushalt hören? – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Gut, dass Sie heute Geburtstag haben!)


Schlussfolgerung auch nach dieser Woche und diesen
Beispielen: Eher legt ein Hund einen Wurstvorrat an, als
dass Sozialdemokraten sparen. Das ist meine Auffas-
sung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden unsere
solide Haushaltspolitik fortsetzen.


(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist eine Drohung!)


Wir wollen die Null. Wir wollen einen ausgeglichenen
Haushalt. Sie können sich daran beteiligen. Aber es geht
nicht an, hier immer nur noch mehr zu fordern.

Ich sehe gerade den Kollegen Kahrs. Sagen Sie doch,
dass es Unsinn ist, was die Landesregierung in Schles-
wig-Holstein macht. Dort werden Straßenbauprojekte
wie die A 20 eingestellt, und hier wird 1 Milliarde Euro
mehr für den Straßenbau gefordert.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719305400

Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Angelika Graf [Rosenheim] [SPD])



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719305500

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen Ta-
gen von Bundesregierung und Koalition reichlich Selbst-
gefälligkeit und Eigenlob erlebt. Ich finde das, ehrlich
gesagt, völlig unangemessen, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Darum möchte ich die Kritik der Linken in drei Punkten
zusammenfassen:

Erstens. Dieser Haushalt ist kein Schutzschirm für die
Menschen in unserem Land.

Zweitens. Die Bundesregierung unternimmt nichts,
aber auch gar nichts, um die soziale Spaltung der Gesell-
schaft zu überwinden.





Dr. Gesine Lötzsch


(A) (C)



(D)(B)


Drittens. Die Bundesregierung setzt Geld an der völ-
lig falschen Stelle ein; sie verschwendet also Steuermit-
tel.

Meine Damen und Herren, wir brauchen dringend ei-
nen Schutzschirm für Arbeitnehmer, Rentner, Arbeits-
lose und Familien.


(Beifall bei der LINKEN)


Was heißt das?

Schützen Sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer vor Lohndumping und beschließen Sie endlich ei-
nen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde!


(Beifall bei der LINKEN)


In der Krise 2008 wurde die Regelung zur Kurzarbeit
vereinfacht. Das brauchen wir jetzt wieder.

Schützen Sie die heutigen und zukünftigen Rentnerin-
nen und Rentner vor Altersarmut! Führen Sie endlich
eine solidarische Mindestrente ein! Das ist das Gebot der
Stunde.


(Beifall bei der LINKEN)


Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind, sollen
jetzt 8 Euro im Monat mehr bekommen. Wenn man sich
nur einmal anschaut, wie die Preise gestiegen sind
– Mieten, Strom, Wasser, Lebensmittel werden immer
teurer –, dann muss man sagen: 8 Euro im Monat sind
doch wirklich eine Verhöhnung dieser Menschen. Wir
brauchen endlich eine Überwindung des unwürdigen
Hartz-Systems, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir als Linke sind die schärfsten Kritiker der Banken.
Aber eigentlich sind doch die Banken nur die Söldner,
die mit dem Spielgeld der Superreichen auf den Finanz-
märkten nach hohen Renditen jagen und dabei kein Er-
barmen kennen. Darum will ich hier unsere Forderung
wiederholen und bekräftigen, die gestern auch schon von
meinem Kollegen Roland Claus aufgebracht wurde:
Spekulationen mit Nahrungsmitteln müssen endlich ver-
boten werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Doch die dringend nötige Regulierung von Banken
und Finanzmärkten ist nur ein Schritt. Die eigentliche
Ursache für die dauerhafte Finanzkrise ist doch die Kon-
zentration des Reichtums in den Händen weniger. Des-
halb ist unsere Forderung nach Umverteilung nicht nur
eine Forderung nach mehr Gerechtigkeit, sondern in
Wirklichkeit eine Forderung nach Erhalt unserer Gesell-
schaft. Aber diese Bundesregierung steht für weniger
Gerechtigkeit; sie steht für eine Beschädigung der De-
mokratie und unserer Sozialsysteme. Wir müssen end-
lich einen anderen politischen Weg gehen, meine Damen
und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun ist heute von mehreren Kollegen über Subventio-
nen gesprochen worden. Ich finde, wenn man über Sub-
ventionen spricht, soll man das sehr konkret machen.
Schauen wir uns einmal die 20 größten Subventionsemp-

fänger in Deutschland an: Hier stehen die energieintensi-
ven Unternehmen auf Platz eins. Durch Subventionen
für diese gehen dem Bundeshaushalt jährlich 2,3 Milliar-
den Euro verloren. Ich finde, das ist nicht hinzunehmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Finanzminister Schäuble hat nun gefordert, dass die Un-
ternehmen wenigstens einen konkreten Nachweis über
die eingesparten Mengen an Strom und Brennstoff lie-
fern sollen, aber das wurde dann vom Wirtschaftsminis-
ter, der sonst nichts bringt, gekippt.

Meine Damen und Herren, die Steuerzahler sollten
durch eine Bankenabgabe von den Krisenkosten entlas-
tet werden. Auch das ist ein Flop. Eigentlich war ge-
plant, dass Herr Schäuble im Jahr 2011 über die Banken-
abgabe 1,3 Milliarden Euro einnimmt. Es wurde weniger
als die Hälfte, gerade einmal 500 Millionen Euro. Die
Bundesbank hat uns die Auskunft erteilt – Sie können
das nachlesen –, dass die Krise den deutschen Steuerzah-
ler bisher 335 Milliarden Euro gekostet hat.


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Was? Bitte einmal die Zahl erläutern! Gibt’s nämlich gar nicht!)


Da fragt man sich: Warum wurden bei den Banken nur
500 Millionen Euro geholt? Da ist wirklich mehr drin.


(Beifall bei der LINKEN)


Im Jahr 2010 – Sie erinnern sich – haben Sie ein Kür-
zungspaket beschlossen. Es wurde immer wieder geän-
dert, und darum ist es interessant, zu schauen, was da-
raus geworden ist. Die Konzerne müssen zur Sanierung
der Staatsfinanzen so gut wie gar nichts beitragen; das
alles wurde peu à peu wieder gestrichen. Aber die Kür-
zungen, die den einfachen Steuerzahler treffen, wurden
eins zu eins umgesetzt.

Darum finde ich es immer besonders empörend, wenn
Politiker – auch in dieser Woche wieder – versuchen, das
Märchen zu verbreiten, dass eigentlich nur die Besser-
verdienenden Steuern zahlen. Das, meine Damen und
Herren, stimmt nicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Auch Arbeitslose und Rentner zahlen Steuern, nämlich
Verbrauchssteuern, vor allen Dingen die Mehrwert-
steuer. Diese Steuern sind in den letzten Jahren immer
wieder gestiegen, im Gegensatz zur Einkommen- und
zur Erbschaftsteuer. Nur einmal zwei aktuelle Zahlen:
Wenn wir die Einnahmen aus den Jahren 2010 und 2011
vergleichen, so sehen wir, dass die Einnahmen aus der
Erbschaftsteuer um 3,6 Prozent zurückgegangen sind,
aber die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer um 1,8 Pro-
zent gestiegen sind; hier wurden insgesamt 139 Milliar-
den Euro eingenommen. Ich finde, dass es für alle Men-
schen, die sich mit ihren Steuerzahlungen am
Staatshaushalt beteiligen, beleidigend ist, ihnen immer
wieder zu erklären, sie würden gar nichts zahlen und
nichts beitragen. Das stimmt einfach nicht, meine Da-
men und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)






Dr. Gesine Lötzsch


(A) (C)



(D)(B)


Wir brauchen endlich eine Finanztransaktionsteuer,
die den Finanzmarkt entschleunigt und die zudem or-
dentlich Geld in die Staatskasse bringt. Wir brauchen hö-
here Vermögensteuern in unserem Land. Man muss auch
ganz deutlich sagen: Hier wurde viel über die Schweiz
diskutiert; das ist alles richtig. Wenn es jedoch um die
Besteuerung von Vermögen geht, ist Deutschland eine
große Steueroase. Auch das muss ein Ende haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte konkret etwas zur Verschwendung von
Geldern sagen. Ein einziges Beispiel: Nach dem 2010
beschlossenen Kürzungspaket sollte das Verteidigungs-
ministerium im Jahr 2013 1 Milliarde Euro weniger aus-
geben. Davon findet man im Haushalt gar nicht mehr.
Die Bundeswehr macht eine Reform und baut Personal
ab. Doch trotz des Personalabbaus will der Minister fast
1 Milliarde Euro mehr für sein Personal haben. In der
Summe macht das 2 Milliarden Euro mehr aus als noch
2010 geplant.

Stellen Sie sich bitte einmal vor: In Griechenland
wird, so wie es die Troika gefordert hat, Personal im öf-
fentlichen Dienst abgebaut. Dann sagen die Griechen
aber: Ja, wir bauen Personal ab, aber wir senken die Per-
sonalkosten nicht um 1 Milliarde Euro, sondern wir er-
höhen sie um 1 Milliarde Euro. – Diese Koalition würde
doch im Karree springen und sofort alle Kreditlinien für
Griechenland sperren lassen. Wenden Sie endlich die
Maßstäbe, die Sie anderen abverlangen, auf sich selber
an! Erst dann wird eine glaubwürdige Politik daraus.


(Beifall bei der LINKEN)


Jeder Europäer, der es wissen will, weiß es schon: Die
Bundesregierung hat viel bittere Medizin für unsere eu-
ropäischen Nachbarn zur Hand. Auch im eigenen Land
wird diese bittere Medizin verteilt, aber nur an Arbeit-
nehmer, Arbeitslose, Rentner und Menschen, denen es
nicht so gut geht. Die Wirkung ist katastrophal.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wie passt das jetzt mit dem zusammen, worüber Sie vor fünf Minuten gesprochen haben?)


Dieser Haushalt ist ein Schönwetterhaushalt für die
Menschen, die schon immer auf dem Sonnendeck gele-
gen haben. Er ist jedoch eine Bedrohung für die Men-
schen, die unter Deck sitzen müssen. Es wird Zeit, dass
sich etwas ändert in unserem Land.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719305600

Der Kollege Sven-Christian Kindler hat das Wort für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Eine Woche lang haben wir nun über den
Bundeshaushalt 2013 geredet. Vor einer entscheidenden
Frage hat sich die Koalition jedoch immer gedrückt. Die

Frage lautet, wie sich die Konjunktur in der nächsten
Zeit entwickeln wird.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!)


Davon hängt nämlich maßgeblich ab, ob ihr Entwurf
auch nur im Ansatz funktioniert.

Zu den Zahlen: Die Koalition geht für den Haushalt
2013 von einem Wirtschaftswachstum in Höhe von
1,6 Prozent aus und für die Folgejahre laut Finanzplan
von einem Wachstum in Höhe von 1,5 Prozent. Das In-
stitut für Wirtschaftsforschung in Halle hat seine Pro-
gnose schon auf 0,8 Prozent gesenkt, geht also nur noch
von der Hälfte aus. Das RWI sagt nur noch ein Wachs-
tum in Höhe von 1,0 Prozent für das nächste Jahr voraus.

Auch in der Wirtschaft ist dieser Trend spürbar. Die
Auftragseingänge gehen zurück, befristete Verträge wer-
den nicht verlängert, die Investitionen werden zurückge-
fahren. Viele Länder Europas befinden sich in der
Rezession. Das zeigt: Ihre Haushaltsführung ist nicht
nachhaltig. Sie surfen nur auf der Konjunkturwelle.
Wenn diese Welle einbricht, wird auch Ihr Haushalt zu-
sammenbrechen wie ein Kartenhaus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Bei Ihrer Haushaltspolitik haben Sie nur von der gu-
ten Konjunktur der letzten Jahre profitiert. Hinzu
kommt, dass die Zinsausgaben auf einem historisch
niedrigen Niveau liegen. Obwohl diese schwarz-gelbe
Koalition in dieser Legislaturperiode die Schulden um
100 Milliarden Euro erhöht hat – 100 Milliarden Euro
durch diese Schuldenkoalition –, sind die Zinsausgaben
um 10 Milliarden Euro gesunken. Dafür haben Sie aber
nichts getan. Das ist Ihnen einfach zugefallen, weil
Deutschland Krisengewinner ist. Daher rührt die kon-
junkturelle Haushaltsverbesserung. Diese Haushaltsver-
besserung ist also rein konjunkturell bedingt; Sie haben
diese Zeit leider nicht genutzt, irgendetwas im Haushalt
voranzubringen. Sie haben sich nicht um eine struktu-
relle Haushaltsverbesserung gekümmert. Das ist Ihr gro-
ßer Fehler.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Was jetzt nötig ist, auch angesichts der großen ökono-
mischen Probleme und der Konjunkturdaten, ist ein mas-
sives Umsteuern in der Krise. Wir brauchen einerseits
nachhaltige Investitionen, um Konjunkturimpulse gegen
die Rezession in Europa auszusenden. Andererseits
brauchen wir Investitionen, um für die Zukunft vorzu-
sorgen. Das gilt vor allem im sozialen und ökologischen
Bereich, weil wir den Ressourcenverbrauch ebenso wie
den Ausstoß der Treibhausgase vermindern müssen. Der
Klimawandel mit seinen großen Herausforderungen darf
in dieser Finanzkrise nicht vergessen werden, denn er ist
die eigentliche Megakrise des 21. Jahrhunderts.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Was wollen wir konkret tun? Wir wollen konkret zum
Beispiel einen 3-Milliarden-Energiesparfonds einführen.





Sven-Christian Kindler


(A) (C)



(D)(B)


Wir wollen Bürgerinnen und Bürgern sowie Unterneh-
men helfen, wirtschaftlicher mit Energie umzugehen,
mit Energie effizienter zu leben. Es soll insbesondere
dort energetische Stadtteilsanierung gemacht werden,
wo Menschen leben, die nicht so privilegiert sind. Ge-
rade sozial benachteiligte Viertel wollen wir sanieren.
Denn wir wissen, es ist jetzt dringend notwendig, diese
Energiewende wirklich mit aller Kraft voranzutreiben.

Was aber macht diese Bundesregierung? Der Um-
weltminister hat auch diese Woche noch einmal gesagt,
er wolle die erneuerbaren Energien ausbremsen. Angela
Merkel hat gesagt, sie wolle die Windenergie einschrän-
ken. Der FDP-Chef Rainer Brüderle will mit seinem
planwirtschaftlichen Quotenmodell ein Moratorium für
die Energiewende durchsetzen. Wahnsinn! Diese Bun-
desregierung setzt die Energiewende mit voller Absicht
in den Sand, obwohl wir jetzt schnell erneuerbare Ener-
gien, Netze und Speicher ausbauen müssten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Was wir uns wirklich sparen können, sind ökologisch
schädliche Subventionen. Wir brauchen keine Milliar-
densubventionen für die Industrie bei der EEG-Umlage,
bei Netzentgelten oder bei der Ökosteuer. Es gibt Mil-
liardensubventionen durch das Dienstwagenprivileg,
und es gibt Milliardensubventionen für den Flugverkehr.
Es ist nicht nur umweltpolitisch geboten, diese umwelt-
schädlichen Subventionen endlich abzubauen, sondern
dies ist auch haushaltspolitisch geboten, um Spielräume
im Haushalt zu schaffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen in der Krise aber auch auf ein gerechteres
Steuersystem umsteuern. Wir hatten sehr gute Konjunk-
turdaten. Wir hatten nachlaufend wirklich sehr gute
Steuereinnahmen, und wir haben historisch niedrige Zin-
sen. Aber immer noch plant diese Bundesregierung, im
nächsten Jahr 18 Milliarden neue Schulden zu machen.
Das heißt, wir haben ein strukturelles Einnahmeproblem
des Staates, und wir haben eine strukturelle Unterfinan-
zierung des Staates, jedenfalls dann, wenn man den So-
zialstaat erhalten will.

Diese Koalition steht – das weiß ich – natürlich für ei-
nen magersüchtigen Staat, sie steht für einen Nacht-
wächterstaat, den sich nur Reiche leisten können. Das
wollen wir Grüne nicht. Wir Grüne sagen auch klar: Wir
wollen einen leistungsfähigen Sozialstaat. Wir wollen
die Staatsquote wieder erhöhen. Wir wollen Besserver-
dienende stärker beteiligen über eine Anhebung des
Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent und indem wir Kapi-
talerträge angemessen besteuern; denn Haushaltskonso-
lidierung funktioniert nur, wenn es gerecht zugeht und
gerade starke Schultern mehr dazu beitragen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Außerdem wollen wir Schulden abbauen. Wir sind
die einzige Partei, die ein tragfähiges Konzept für den
Schuldenabbau hat.


(Otto Fricke [FDP]: Das sehen wir ja in Baden-Württemberg!)


– Ja, Baden-Württemberg macht eine sehr gute Haus-
haltspolitik. Darauf sind Sie hier neidisch; das weiß ich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der FDP)


Wir sind die einzige Partei, die ein tragfähiges Kon-
zept hat. Wir setzen uns für einen Altschuldentilgungs-
fonds in Europa ein, um Europa zu stabilisieren. Damit
es gerecht und konjunkturverträglich läuft, wollen wir
auch Vermögensabgaben einführen; denn wir wissen, die
Gegenseite zu Schulden sind immer auch Vermögens-
werte. Mit unserem grünen Konzept für eine deutsche
Vermögensabgabe belasten wir 99 Prozent überhaupt
nicht. 1 Prozent, die Millionäre, sollen ihren Beitrag
dazu leisten, dass wir Schulden aus dieser Bankenkrise
zurückführen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist nicht nur aus sozialen Gründen richtig, um ge-
gen die wachsende Ungleichheit anzugehen. Das ist
auch ökonomisch vernünftig, weil sehr viel privater
Reichtum in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf die
Finanzmärkte geflossen ist und da zu großen Spekula-
tionsblasen geführt hat. Deswegen ist Schuldenabbau
mit einer Vermögensabgabe auch ein wichtiger Beitrag
für die Finanzmarktstabilität.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich war übrigens etwas überrascht, als Minister
Schäuble in seiner Einbringungsrede am Dienstag Argu-
mente gegen eine höhere Vermögensbesteuerung ge-
bracht hat, so zum Beispiel das Argument der Kapital-
flucht. Das ist bei unserem Konzept ausgeschlossen,
weil wir für die Vermögensbewertung eine Stichtagsre-
gelung mit einem Stichtag in der Vergangenheit haben.

Wenn da mit Kapitalflucht argumentiert wird, wun-
dere ich mich schon; denn es ist doch diese Bundesregie-
rung, die mit der Schweiz ein Steuerabkommen machen
will, mit dem man Kapitalflucht per Steuerhinterziehung
quasi legalisieren möchte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir haben in den nächsten Monaten im Haushaltsaus-
schuss viel vor. Wir haben viele Sitzungen. Die Grünen
werden Ihnen konkrete Vorschläge unterbreiten – ich
hoffe, Sie nehmen sie an –, wie wir Schulden mit einer
Vermögensabgabe abbauen können, wie wir sozial und
ökologisch in dieser Krise umsteuern können und wie
wir nachhaltig und gerecht diesen Haushalt konsolidie-
ren können; denn eine andere Politik ist möglich. Vor al-
len Dingen ist eine andere Politik endlich notwendig.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) (C)



(D)(B)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719305700

Das Wort hat der Kollege Dr. Hans Michelbach für

die Unionsfraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1719305800

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Diese

Haushaltswoche war eine erfolgreiche Woche für
Deutschland, für Europa, für unser Parlament und für die
christlich-liberale Koalition. Wir sind Stabilitätsanker,
Impulsgeber für Wachstum und Vorbild für Wettbe-
werbsfähigkeit. Wir senden ein starkes Signal und zei-
gen, welche Kraft in Deutschland steckt, wenn unser
Land richtig regiert wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Das wird es eben nicht!)


Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit und den
höchsten Beschäftigungsstand aller Zeiten in Deutsch-
land. Wir halten die Vorgaben der Schuldenbremse be-
reits drei Jahre früher als geplant ein. Das ist unser Er-
folg, ein unbestreitbarer Erfolg.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch des Abg. Johannes Kahrs [SPD])


Herr Kollege Schneider, da Sie die Neuverschuldung
in Höhe von rund 18 Milliarden Euro kritisieren, sage
ich Ihnen: Denken Sie an den Schuldenansatz von
86 Milliarden Euro in dem Jahr, als Sie zuletzt Verant-
wortung getragen haben! Denken Sie an NRW und Ba-
den-Württemberg! Sie kennen nichts anderes, als immer
wieder neue Schulden zu machen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Der Haushalt dieser Koalition ist Ausdruck einer soli-
den Finanzpolitik der Nachhaltigkeit. Unser Haushalt ist
wachstumsfreundlich, krisenbekämpfend und zukunfts-
orientiert gestaltet. Mit diesem Haushalt gelingt uns die
zielführende Balance zwischen einer vernünftigen,
schrittweisen Konsolidierung und notwendigen Investi-
tions- und Wachstumsimpulsen. Eine erfolgreiche Kri-
senbekämpfung kann nur mit Haushaltskonsolidierung
und positiver Wachstumsentwicklung gleichermaßen ge-
lingen.

Deutschland ist erfolgreich als Stabilitätsanker in
Europa.


(Johannes Kahrs [SPD]: Trotz dieser Regierung!)


Es liegt in unserem Interesse, dass es allen in Europa gut
geht. Wichtig ist, dass jetzt die in den letzten Jahren ge-
wachsene Unsicherheit in Europa beendet wird. Dafür
stehen wir; dafür arbeiten wir. Die Überwindung der
Vertrauenskrise ist nur mit einer Stabilitätsunion und
nicht mit einer Schuldenunion möglich. Das ist der
Grundsatz; das ist unsere Konzeption. Wir wollen keine
unkontrollierte Vergemeinschaftung der Schulden. Wir

wollen nicht Ihre Euro-Bonds. Wir wollen keinen Alt-
lastentilgungsfonds. Wir wollen kein einheitliches Einla-
gensicherungssystem für alle Banken in Europa. Wir
wollen keine unbeschränkte Zahlmeisterei mit Haftung
für alle.


(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollt ihr dann?)


Das ist unser Prinzip.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Woche
unsere Auffassung bestätigt, die Parlamentsrechte ent-
sprechend gewichtet sowie unseren Fiskalpakt und un-
sere ESM-Gesetzgebung weitgehend akzeptiert. Das ist
doch ein Erfolg. Wir sollten damit offensiv umgehen und
der Bevölkerung sagen: Jawohl, hier wird richtige Poli-
tik gemacht. – Die Kritiker lassen dagegen jeglichen Lö-
sungsansatz vermissen.

Es gibt doch nur drei Wege. Der erste Weg ist der der
Renationalisierung und der Verweigerung jeglicher
Hilfe. Das wäre mit ungeordneten Staatspleiten und gro-
ßen Arbeitsplatzverlusten auch bei uns verbunden. Der
zweite Weg – das ist der Weg der Opposition – ist die
Vergemeinschaftung der Schulden und die Haftung für
alles. Das lehnen wir ab, weil das langfristig nicht zum
Ziel führt.

Der dritte Weg – das ist unser Weg – sind Hilfen mit
Konditionalität und Verbesserung der Wettbewerbsfä-
higkeit aller Länder. Das ist die einzige Chance; denn die
Schuldenkrise ist in einzelnen Ländern entstanden, und
die Probleme können nur dort gelöst werden. Die Pro-
bleme sind durch nichts anderes als die unterschiedliche
Wettbewerbsfähigkeit entstanden. Deshalb ist eine Fort-
entwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion mit
dem Fiskalpakt sowie mit konsequenten Prüfungen und
Kontrollen der einzig richtige Weg; den beschreiten wir.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Aber Sie tun es doch nicht!)


Wir sind gegen eine reine Flutung mit Geld durch die
EZB.


(Johannes Kahrs [SPD]: Aber Sie haben es doch beschlossen!)


Das ist sinnlos und brandgefährlich im Hinblick auf die
Inflation. Ihre Unterstellung, wir machten unsere politi-
schen Hausaufgaben nicht und verließen uns auf die
EZB,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: So ist das!)


ist grundfalsch. Die EZB ist unabhängig, und wir sind
dafür, dass sie unabhängig bleibt.


(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist doch getretener Quark!)


Wir sollten das auch nicht infrage stellen.





Dr. h. c. Hans Michelbach


(A) (C)



(D)(B)


Die wichtigste Handlungsschneise sehe ich nach wie
vor bei den Banken. Wir stehen in dieser Situation vor
einer wichtigen Entscheidung und einer politischen He-
rausforderung.


(Johannes Kahrs [SPD]: Dann tun Sie doch was!)


Deshalb verfolgen wir eine konsequente Regulierungs-
politik gegenüber den Finanzmärkten. Da lassen wir uns
von niemandem der Untätigkeit zeihen und uns in unse-
ren Bemühungen von niemandem überholen. Das Funk-
tionieren der Währungsunion und des Finanzmarktes ist
für uns eine wesentliche Herausforderung.

Wir haben geliefert. Wir haben in dieser Legislaturpe-
riode über zwölf Regulierungsgesetze auf den Weg ge-
bracht. Wir werden jetzt CRD IV mit der Basel-III-
Eigenkapitalanforderung voranbringen. Das heißt, wir
haben Finanzmarktregulierungen auf den Weg gebracht.
Mit unserem Restrukturierungsgesetz und der Banken-
abgabe haben wir Regelungen getroffen, die Vorbild für
ganz Europa sind. In einer Bankenunion dürfen nicht
alle gleichbehandelt werden, sondern sie muss differen-
ziert gestaltet werden. Wir haben hier große Erfolge er-
zielt. Wir werden den Hochfrequenzhandel einschrän-
ken, und wir werden weitere Regulierungen auf den Weg
bringen, weil die Handlungsschneise bei den Banken
nach wie vor eine große Aufgabe für die Politik ist. Wir
Finanzpolitiker werden uns dieser Aufgabe widmen und
uns der Herausforderung stellen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Was ist noch zu tun in dieser Zeit? Wir kämpfen für
weitere Wachstumsimpulse. Das ist sicher notwendig.
Ich habe bereits gesagt: Konsolidierung ist nur mit
Wachstum möglich. – Daher ist auch wichtig, dass die
steuerpolitische Agenda nicht in die falsche Richtung
geht. Es darf nicht immer höhere Steuerbelastungen für
die Bürger geben, sondern wir müssen die heimlichen
Steuererhöhungen beenden und den Menschen das Geld
zurückgeben, indem wir das Gesetz zum Abbau der kal-
ten Progression auf den Weg bringen. Ich kann Sie nur
bitten: Hören Sie auf mit Ihrer Blockadehaltung. Die
richtet sich gegen die Interessen der Menschen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Mit der Beitragssenkung bei den Sozialversicherun-
gen werden wir die Menschen um 32 Milliarden Euro
entlasten. Das ist für die Stärkung der Kaufkraft und des
Konsums ein wesentlicher Faktor und wird die Konjunk-
tur verstetigen. Das ist der richtige Weg. Wir werden mit
dem Jahressteuergesetz neue Wege beschreiten. Die
Aufbewahrungsfrist wird auf sieben Jahre verkürzt. Das
ist ein Abbau von Bürokratie und erspart 2,5 Milliarden
Euro. Wir dürfen die Menschen nicht immer weiter be-
lasten, sondern wir müssen ihnen Freiräume geben; denn
das Geld gehört zuerst den Menschen und dann erst dem
Staat. Deutschland hat überhaupt kein Einnahmepro-
blem. Deutschland hat eine richtige Politik betrieben, in-
dem es mit Wachstumsimpulsen in Verbindung mit einer

entsprechenden Steuerpolitik zur Konsolidierung beige-
tragen hat.

Eines möchte ich zum Schluss deutlich sagen: Hören
Sie auf mit Ihrem scheinheiligen Verhalten, wenn es um
das Steuerabkommen mit der Schweiz geht! Wer dauer-
haft Geschäfte mit kriminellen Hehlern macht, perver-
tiert den Rechtsstaat. Die Spielchen, die Sie machen,
sind nicht hinnehmbar. Es geht Ihnen nur darum, Neid
im Volk zu wecken.


(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ CSU])


Wir müssen deutlich machen: Die oberen 50 Prozent der
Steuerzahler in Deutschland zahlen 95 Prozent der Ein-
kommensteuer.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Das ist doch glatt gelogen, was Sie da sagen!)


Hier gibt es Gleichbehandlung. Hier sind keine Ände-
rungen notwendig. Sie machen sich der Untreue schul-
dig, wenn Sie auf die Einnahme der 10 Milliarden Euro
verzichten, die aus dem Steuerabkommen mit der
Schweiz dem Fiskus zufließen werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In diesem Sinne sage ich: Kommen Sie zur Vernunft!
Wir warten darauf, dass Sie im Vermittlungsverfahren
zum Wohle und im Interesse der Menschen mitarbeiten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Wohle der Steuerhinterzieher! – Johannes Kahrs [SPD]: Peinliche Rede! Keine Ahnung!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719305900

Die Kollegin Bettina Hagedorn hat nun für die SPD-

Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1719306000

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe

Kollegen! Herr Kollege Michelbach, Ihre Rede reiht sich
nahtlos in die vielen Reden von Schwarz-Gelb ein, die
wir hier diese Woche leider hören mussten. Die Redner
haben vor Selbstgefälligkeit gestrotzt, so als seien die
guten Arbeitslosenzahlen, die Höchstbeschäftigung, die
sprudelnden Steuerquellen, die überquellenden Sozial-
kassen allein Ihr Verdienst.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: So ist es auch!)


– Nein, das ist es nicht, und das wissen Sie auch. Das hat
draußen längst jeder wahrgenommen.

Sie profitieren seit Jahren quasi im Schlafwagen von
dieser guten Konjunktur. Wir Deutsche sind nur so gut





Bettina Hagedorn


(A) (C)



(D)(B)


durch die Krise gekommen – warum verleugnen Sie das
eigentlich, liebe Kollegen von der CDU/CSU? –, weil
wir damals in der Krise mit den Konjunkturpaketen und
dem Kurzarbeitergeld gemeinsam die Weichen richtig
gestellt haben. Damals hatten wir eigentlich eine hervor-
ragende Nettokreditaufnahme: Sie wurde bei 10,5 Mil-
liarden Euro veranschlagt. Wir Haushälter wollten sie
damals gemeinsam unter 10 Milliarden Euro drücken.
Das war, unmittelbar bevor Lehman Brothers pleiteging.
Dann haben wir gemeinsam das Richtige gemacht, und
nur deshalb sind wir so gut durch die Krise gekommen.
Sie profitieren jetzt davon.


(Beifall bei der SPD)


Wir freuen uns, dass Deutschland davon profitiert. Ich
verurteile aber die Art und Weise, wie Sie hier davon ab-
zulenken versuchen, dass Sie keine eigenen Strukturan-
strengungen unternommen haben. Sie wollten doch Sub-
ventionen abbauen. Was ist denn daraus in den letzten
drei Jahren geworden? Sie haben die Subventionen auf-
gestockt, Stichwort „Mövenpick/Hoteliers“. Davon ver-
suchen Sie abzulenken. Herr Kollege Michelbach, Sie
haben mit den kriminellen Steuerhinterziehern, über de-
nen Sie mit dem Steuerabkommen mit der Schweiz ei-
nen Schutzschirm ausbreiten wollen, gerade wieder ein
gutes Beispiel für Ihre Klientelpolitik geliefert.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Seien Sie ganz sicher: Da machen wir nicht mit.

In gleicher Weise haben Sie die ganze Woche gebets-
mühlenartig versucht, die kritischen Redebeiträge der
Opposition zu diffamieren. Wir haben immer wieder zu
Recht gesagt – ich werde gleich darauf noch eingehen –,
dass der Haushalt, den Sie hier vorgelegt haben, deshalb
unverantwortlich ist, weil Sie keine Vorsorge für den
Fall tragen, dass sich – der Kollege Sven Kindler hat
schon darauf hingewiesen – die Konjunktur eintrübt.
Null Vorsorge! Stattdessen plündern Sie mit diesem
Haushalt auch noch sämtliche Sozialkassen, und nur so
bringen Sie Ihre Prognose zustande.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Da lachen ja die Hühner bei so einem Quatsch!)


Auch wenn darauf schon verwiesen worden ist, will
ich es noch einmal kurz erwähnen: Die für die Zinslasten
veranschlagten Mittel müssten aufgestockt werden,
wenn wir es mit einer Konjunkturdelle zu tun bekom-
men. Sie tragen keine Vorsorge für die Lasten der euro-
päischen Rettungsaktionen, und Sie diffamieren uns alle
salopp und lapidar als Schwarzmaler. Aber damit wer-
den Sie der Situation nicht gerecht. Sie von Schwarz-
Gelb haben hier einen Haushaltsentwurf vorgelegt, mit
dem wir für eine Konjunkturdelle nicht gewappnet sind.

Sie haben eben so unverschämt gelacht, als ich gesagt
habe: Sie greifen in die Sozialkassen, und das ist unver-
antwortlich mit Blick auf das, was für die Zukunft ei-
gentlich an Vorsorge geschehen müsste. – Daher will ich
an dieser Stelle konkret werden. Das Schlimme ist, dass
Sie seit drei Jahren kürzen, und zwar jedes Jahr mehr.

Und wo kürzen Sie? Einzig und allein im Haushalt von
Frau von der Leyen, einzig und allein auf dem Rücken
von Arbeitslosen bzw. Langzeitarbeitslosen und ihren
Familien.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Darunter sind zu einem großen Teil, nämlich 40 Prozent,
Alleinerziehende. Darunter sind sehr viele Migranten
und sehr viele Menschen mit Behinderungen.


(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Herr Schneider hat erzählt, wir kürzen nicht genug! Sie erzählen, wir kürzen zu viel!)


Dadurch, dass Sie sich an den Mitteln, die für Qualifizie-
rung und Weiterbildung erforderlich wären, vergreifen,
nehmen Sie diesen Menschen Chancen, obwohl es ge-
rade die Aufgabe von Frau von der Leyen wäre, ihnen
Chancen zu eröffnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU])


Diese Ministerin versucht, das Ganze zu kaschieren
– sie hat in diesem Kabinett grandios versagt, weil sie
eben nicht die erfolgreiche und ehrgeizige Kämpferin für
diejenigen Menschen ist, die ihr eigentlich anvertraut
sind –, zum Beispiel gerade mit ihrer Shownummer Zu-
schussrente. Sie versucht, davon abzulenken, dass sie ei-
gentlich gar keine Anwältin der Rentner ist. Sie hat es
wieder einmal kommentarlos hingenommen, dass dieser
Haushalt erneut mit 2 Milliarden Euro zulasten der Ren-
tenkasse konsolidiert wird; „konsolidiert“, so nennen Sie
das. 1 Milliarde Euro davon haben Sie im Haushalt und
auch im Finanzplan ausgewiesen. Das addiert sich übri-
gens bis 2016 auf satte 4,75 Milliarden Euro.

Dann haben Sie noch etwas ganz Bemerkenswertes
gemacht. Sie haben im August im Kabinett eine Bei-
tragssatzsenkung von 19,6 Prozent auf 19,0 Prozent ver-
kündet. Damit haben Sie so getan, als sei dies eine Wohl-
tat, obwohl es eigentlich aktuelle Gesetzeslage ist. Wir
hätten das in der Bereinigungssitzung ohnehin beschlos-
sen, weil wir das all die Jahre so gemacht haben. Wir ha-
ben den Beitragssatz immer so angepasst, wie der Schät-
zerkreis es Anfang November empfohlen hat, und er
wird aller Voraussicht nach Anfang November eine Sen-
kung auf 19,0 Prozent verkünden.

Was aber haben Sie gemacht? – Sie wollten den
Showeffekt im August. Sie wollten sich bei den Bei-
tragszahlern einschmeicheln. Obwohl dieser Beschluss
erst im August durch das Kabinett ging, hat Herr
Schäuble schon bei seinem Haushaltsentwurf, den er im
Juli vorgelegt hat, die Einsparung von 1 Milliarde Euro
– in diesem Umfang profitiert nämlich der Bundeshaus-
halt von einer Beitragssatzsenkung – eingerechnet und
damit vorweggenommen. Was bedeutet das? Das bedeu-
tet: Wenn sich Ihre CDU-Ministerpräsidenten oder auch
Landesminister, die im Moment gern laut darüber nach-
denken, ob nicht die Beitragssatzsenkung in dieser Höhe
wegen anderer Maßnahmen verändert werden könnte,
durchsetzen würden und damit der Beitragssatz nicht in
diesem Umfang gesenkt würde oder sogar stabil bliebe





Bettina Hagedorn


(A) (C)



(D)(B)


– es gibt ja viele, die sagen, dies wäre aus demografi-
schen Gründen ein schlauer Gedanke –, dann hätten Sie
in Ihrem Haushalt plötzlich eine Lücke von 1 Milliarde
Euro. Diese Art, einen Haushalt aufzustellen, ist einfach
unsolide.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Das kennen wir alles von Hans Eichel)


Sie haben Ihr Sparpaket aufgelegt, aber bei der Wirt-
schaft und bei sich selbst sparen Sie gar nichts ein. Das
sind alles Luftbuchungen. Sie sparen nur im Bereich von
Frau von der Leyen. Da kürzen Sie schon seit Jahren. Sie
versuchen, das zu kaschieren. Manche Journalisten ha-
ben es noch nicht mitgekriegt, dass die Einsparungen in
diesem Bereich in Wirklichkeit in jedem Jahr zunehmen.

Nachdem in Ihrem Sparpaket schon Einsparungen
von 5 Milliarden Euro allein 2013 zulasten der Langzeit-
arbeitslosen und der Arbeitslosen vorgesehen waren, le-
gen Sie mit diesem Haushalt noch etwas drauf. Jetzt
wollen Sie nämlich mit Ihrer sogenannten Instrumenten-
reform und der Umwandlung von Rechtsansprüchen in
Ermessensleistungen zusätzlich zu den 5 Milliarden
Euro um weitere 1,5 Milliarden Euro kürzen, und zwar
ausschließlich bei den Langzeitarbeitslosen.


(Johannes Kahrs [SPD]: Pfui!)


Zwar ist die Arbeitslosenquote niedrig, worüber wir
uns gemeinsam freuen. Wie gesagt, wir haben eine gute
Konjunktur. Trotzdem haben wir in Deutschland ein Pro-
blem. Es gibt hier nämlich eine verfestigte Langzeit-
arbeitslosigkeit. Es gibt bei uns eine sehr große Anzahl
von Menschen, die sich nicht erst seit einem halben, seit
einem Jahr oder seit zwei Jahren in Arbeitslosigkeit be-
finden, sondern schon fünf oder sechs Jahre, also in
Langzeitarbeitslosigkeit sind. Wenn wir diese Menschen
nicht bis an das Ende ihrer Tage abschreiben wollen,
dann müssen wir sie qualifizieren, was unter dem Aspekt
des Fachkräftemangels kein schlechter Gedanke ist.


(Beifall bei der SPD)


Das kostet Geld. Dieses Geld ist in den Jobcentern
aber nicht mehr vorhanden.


(Abg. Dr. Claudia Winterstein [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719306100

Kollegin Hagedorn, auch die Kollegin Winterstein

kann Ihre Redezeit jetzt nicht mehr verlängern. Es tut
mir leid. Sie haben Ihre Redezeit schon überzogen. Inso-
fern kann ich die Frage jetzt nicht mehr zulassen.


(Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Ich habe mich schon eine ganze Weile gemeldet! So geht das nicht!)



Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1719306200

Es tut mir leid, ich habe nicht auf die Uhr geschaut.

Ich komme zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kol-
legen von Schwarz-Gelb, da wir einen Finanzminister

haben – er kann heute leider nicht da sein –, von dem wir
wissen, dass er eigentlich fachlich kompetent ist, kann
man ihm angesichts dieses verantwortungslosen Haus-
halts leider nicht einmal nur grobe Fahrlässigkeit unter-
stellen. Nein, es ist ein vorsätzlich verantwortungsloser
Haushalt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Jetzt wird es lächerlich!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719306300

Kollegin Winterstein, es tut mir leid. Das Präsidium

hat in seiner ganzen Schönheit offensichtlich seine Auf-
merksamkeit der falschen Seite des Hauses zugewandt.
Wir werden das zukünftig korrigieren.

Das Wort hat nun der Kollege Otto Fricke für die
FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1719306400

Frau Präsidentin! Das ist schon vollkommen in Ord-

nung. Man sollte die Aufmerksamkeit in Haushalts-
debatten mehr auf die linke Seite des Hauses richten;
denn es ist viel wichtiger, diese unter Kontrolle zu hal-
ten.

Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist der
letzte Haushalt, den wir in dieser Legislatur debattieren.


(Johannes Kahrs [SPD]: Allerdings!)


Wir sollten ganz ruhig und entspannt schauen, wo wir
stehen, und das damit vergleichen, wie das bei den je-
weiligen Haushalten der letzten Legislaturperioden aus-
sah. Ich habe nachgeschaut: 2004/2005, da war so ein
Hans Eichel dabei, der hat uns einen Haushalt hinterlas-
sen mit einer Neuverschuldung in Höhe von 40 Milliar-
den Euro. 2009 war da so ein Herr Steinbrück – auch ein
Sozialdemokrat –,


(Johannes Kahrs [SPD]: Guter Mann!)


der uns einen Haushalt mit einer Neuverschuldung in
Höhe von 86 Milliarden Euro hinterlassen hat.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wie bitte? Wie hoch war 2009 die Neuverschuldung?)


Für das Haushaltsjahr 2013 ist eine Neuverschuldung
in Höhe von 18 Milliarden Euro geplant. Ich kann mich
den Aussagen der Bundeskanzlerin nur anschließen: Von
über 80 Milliarden Euro auf 18 Milliarden Euro herun-
terzukommen, das ist eine Leistung, die sozialdemokra-
tische Finanzminister nicht geschafft haben und auch
nicht schaffen würden.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Ich habe das eben erklärt!)


Darauf kann unsere Koalition stolz sein.





Otto Fricke


(A) (C)



(D)(B)



(Bettina Hagedorn [SPD]: Das war die Große Koalition mit dem Konjunkturpaket!)


Das sollte man den Bürgern auch immer wieder sagen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Warum ist das so, dass bei Ihnen eine Neuverschul-
dung von 40 Milliarden Euro und 86 Milliarden Euro
stattfindet und bei uns eben nur von 18 Milliarden Euro?
In den Debatten war eine starke Widersprüchlichkeit zu
spüren. Es hieß auf der einen Seite: mehr sparen, aber
auf der anderen Seite: mehr ausgeben. Lassen Sie mich
das im Einzelnen darstellen.

Warum ist die Basis des Haushalts so gut? Warum be-
mühen wir uns, die Milliardenbeträge zu reduzieren?
Weil wir wissen, dass jeder Cent, den wir zusätzlich aus-
geben, die nächste Generation belastet. Deshalb kämp-
fen wir darum, so wenig neue Schulden wie möglich zu
machen. Warum stehen wir besser da? Weil die Wirt-
schaft gut dasteht. Warum steht die Wirtschaft gut da?
Weil die Rahmenbedingungen gut sind und weil die Be-
völkerung sagt: Es lohnt sich, entsprechende Leistungen
zu erbringen. Sie steht gut da, weil Unternehmer, Arbeit-
geber und Arbeitnehmer etwas leisten. Das ist der Rah-
men, den diese Regierung gesetzt hat.

Frau Kollegin Hagedorn, Sie suchen geradezu nach
irgendeiner benachteiligten Gruppe.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Nein, da muss man nicht suchen!)


Ich gebe Ihnen recht: Langzeitarbeitslose sind eine
Gruppe, um die man sich Gedanken machen muss. Nur,
der Unterschied ist: Sie haben es in all den elf Jahren, in
denen Sie an der Regierung waren, nicht hinbekommen,


(Bettina Hagedorn [SPD]: Ich habe von Ihrem strukturellen Kürzungspaket gesprochen!)


beim Thema Langzeitarbeitslose auch nur irgendetwas
zu bewegen, und haben außerdem noch ein paar Millio-
nen Arbeitslose draufgepackt. Das ist der Unterschied
zwischen Ihnen und uns: Wir haben die Arbeitslosenzah-
len heruntergesetzt.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ihr habt die heruntergesetzt? – Bettina Hagedorn [SPD]: Ihr habt den Etat heruntergesetzt, aber nicht die Arbeitslosenzahlen! Das war die Konjunktur!)


Wir haben dafür gesorgt, dass mehr Leute in Arbeit sind.
All das tut Ihnen weh, weil es Ihnen lieber wäre, wenn
Sie für Ihre Politik andere Zahlen hätten. Weil Sie das im
Bereich Arbeitsmarkt nicht mehr schaffen, versuchen
Sie jetzt beim Thema Sozialneid einen Popanz aufzu-
bauen. So läuft doch bei Ihnen im Moment Haushalts-
politik.

Der Wirtschaftsmotor läuft gut, die Sozialsysteme
sind gesichert, und der Kernhaushalt des Bundes liegt
bei einer schwarzen Null. Um das den Bürgern noch ein-
mal zu verdeutlichen: Wir haben für den Haushalt 2013
Zusatzbelastungen zu erwarten. Das hat zwei Gründe.
Der eine Grund ist die vom Kollegen Schneider vorhin

vollkommen vergessene Zusatzausgabe in Höhe von
8 Milliarden Euro für den ESM. Der zweite Grund wird
deutlich, wenn ich die völlig leere Bundesratsbank be-
trachte.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt wieder die BundLänder-Beschimpfung!)


Bei jedem Thema – ich würde vermuten, selbst wenn es
um das Zweite Gesetz zur Änderung des Berufsrechts
der Podologen ginge – sagt der Bundesrat: Das Gesetz
ist okay, aber wir hätten gerne noch einmal 2 Milliarden
Euro für dieses oder 3 Milliarden Euro für jenes,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind denn Bayern, Hessen oder Niedersachsen?)


damit wir diesem Gesetz zustimmen. Wir haben zwar
nichts damit zu tun, aber gebt uns mehr Geld. – In die-
sem Fall sind das 10 Milliarden Euro. Jeder kann nach-
rechnen: Für die Länder und Kommunen zusätzlich
10 Milliarden Euro und für Europa zusätzlich 8 Milliar-
den, das ergibt 18 Milliarden Euro, und das entspricht
genau der Summe der Neuverschuldung für 2013.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das Geld für die Kommunen habt ihr doch aus der Kasse der Bundesagentur für Arbeit genommen!)


Das zeigt: In Bezug auf die Ausgaben des Bundes ist
es der schwarz-gelben Koalition gelungen, eine
schwarze Null zu schreiben. Damit ist es uns gelungen,
die verfassungsrechtlichen und auch die europarechtli-
chen Vorgaben zu erreichen. All das tut Ihnen weh, aber
diese Zahlen zeigen: Schwarz-Gelb kann mit dem Geld
des Steuerzahlers umgehen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jetzt komme ich zu einem Punkt, der mich wirklich
ärgert. Sie sagen immer wieder:


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: EZB!)


Die Verschuldung ist zu hoch, und deswegen müssen die
Ausgaben gesenkt werden. Kollege Schneider hat das
auch gesagt. Ich habe ihm eben die Frage gestellt: Herr
Kollege Schneider, sagen Sie mir doch einmal, an wel-
cher Stelle im Haushalt Sie Ausgaben in Milliardenhöhe
einsparen wollen?


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja, sag ich dir!)


Die Antwort des Kollegen Schneider war – gar keine.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nein! Lohndumping weg! Mindestlohn! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Subventionen!)


Sie haben mir keinen einzigen Bereich genannt, in dem
Sie die Ausgaben senken wollen. Soll ich Ihnen sagen,
warum das so ist? Weil Sie es nicht können! Sie können
dem Bürger nicht sagen: Wir müssen auf diese oder auf
jene Ausgabe verzichten. Oder ist es anders? Liebe So-
zialdemokraten und Grüne, darf ich mal fragen: Wollen





Otto Fricke


(A) (C)



(D)(B)


Sie etwa im Bereich der Investitionen die Ausgaben kür-
zen?


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Macht ihr ja schon!)


Nein. Ich höre nichts. Wollen Sie im Bereich der Sozial-
politik Ausgaben kürzen? Nein. Ich höre nichts.


(Johannes Kahrs [SPD]: Reden Sie über Ihren Haushalt, oder was?)


Wollen Sie im Bereich der Familienpolitik Ausgaben
kürzen?


(Zurufe von der SPD)


– Ja. Also, wir halten fest: Bei der Familienpolitik wol-
len Sie Ausgaben kürzen. Richtig? Gut.


(Zurufe von der SPD: Betreuungsgeld!)


Wir wollen bei der Familienpolitik keine Ausgaben kür-
zen, weil sie neben der Bildung die Basis für die Zukunft
unseres Landes ist und wir die Rohstoffe in den Köpfen
nutzen wollen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Bettina Hagedorn [SPD]: Betreuungsgeld!)


Wenn es die Sozialdemokraten wollen, dann können sie
bei den Familien gerne kürzen. Wir kürzen bei Familien
nicht.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit dem Betreuungsgeld? Was macht die FDP mit dem Betreuungsgeld?)


Als Haushälter sitzt man gemeinsam mit den Kolle-
gen stundenlang in einer Sitzung, hört zu und muss über-
legen, ob man in der Finanzdebatte ist – dann werden Sie
von uns wahrscheinlich weniger Ausgaben fordern, be-
weisen aber nicht, dass dies geht – oder in einer Fachde-
batte. In einer Fachdebatte habe ich immer das Gefühl,
die Schizophrenie in der SPD ist nicht dreigeteilt wie bei
den Spitzenkandidaten, sondern nur zweigeteilt, nach
dem Motto: Die einen fordern: „Weniger ausgeben!“ und
können es nicht beweisen, und die anderen sagen: Mehr
ausgeben! In der Gesundheitsdebatte zum Beispiel
wurde gesagt: Wir geben viel zu wenig aus. Die 2 Mil-
liarden Euro, die wir als Puffer haben, dürfen wir nicht
zurücknehmen. Daraufhin habe ich gefragt: Wo fehlt es
denn? Es wurde geantwortet: Da und dort fehlt es. Ich
habe weiter gefragt: Wie viel mehr sollte denn ausgege-
ben werden? Ihre Leute sagen dann: 2 Milliarden Euro
mehr


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen wir nicht!)


und beim Verkehr 1 Milliarde Euro mehr.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Herr Ramsauer gesagt!)


Es gibt doch keinen Bereich, wo Sie nicht mehr aus-
geben wollen. Diese Art – das muss man den Bürgern
immer wieder sagen – ist in allen anderen europäischen
Ländern, die sich jetzt in der Krise befinden, der Beginn
des Krebses gewesen, den wir alle nicht haben wollen.

Wir wollen den Bürgern nicht sagen: Ich sorge dafür: Du
kriegst mehr, du kriegst mehr, und du kriegst mehr. –
Demjenigen, dem man das Geld spätestens mit einer
Mehrwertsteuererhöhung wegnehmen will, sagt man es
nicht. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Was ist denn das für eine Arroganz? Wie wäre es, wenn Sie mal über den Haushalt reden?)


Das Schöne ist, dass man inzwischen bei diesem
Thema wunderbar sehen kann, wie es wäre, wenn So-
zialdemokraten an der Macht wären.


(Johannes Kahrs [SPD]: Besser!)


Gucken Sie nach Frankreich. Ich sage Ihnen: Wir sind
sehr froh, dass Herr Hollande uns spätestens im Mai zei-
gen wird, dass ihm genau dasselbe passieren wird, was
Schröder passiert ist. Er wird erkennen, dass all die
Wunschträume, wie man die Welt gerne hätte und wie
viel Geld man gerne noch ausgeben würde, in den Sand
gesetzt werden.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ich sage nur: Steuerreform! Wo ist eure Steuerreform?)


Das wird für diese Koalition eine wunderbare Vorlage,
um zu sagen: Leute, bleibt bei wirtschaftlicher Vernunft
und glaubt nicht linken Träumereien.

Zu den Grünen: In Baden-Württemberg gab es in den
Jahren 2010, 2011 jeweils eine schwarze Null. Was pas-
siert in 2012, 2013 und 2014? Sie machen Schulden in
Milliardenhöhe. So ist es nämlich, wenn Grün-Rot die
Regierung mit einem grünen Ministerpräsidenten und ei-
nem roten Finanzminister übernimmt:


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wie ist es denn in Niedersachsen?)


Dann steigt die Neuverschuldung, und dann steigen die
Ausgaben.

Das Allerbeste ist: Wer Lust und Interesse hat, dem
empfehle ich – in Nordrhein-Westfalen finden derzeit
parallel die Haushaltsberatungen statt – die Rede von
Frau Kraft.


(Johannes Kahrs [SPD]: Gute Frau!)


– Gute Frau. Ja, das finde ich übrigens auch. Sie ist der
Beweis dafür, dass Sie es so machen. – Nordrhein-West-
falen hat, seitdem die Sozialdemokraten die Regierung
übernommen haben, bei einem Haushaltsvolumen von
50 Milliarden Euro die Ausgaben um 5 Milliarden Euro
erhöht,


(Bettina Hagedorn [SPD]: Mein Gott, nun komm doch mal zum Thema!)


während wir sie bei einem sechsmal so großen Haushalt
um 1 Milliarde gesenkt haben. Das ist der Unterschied:
Bei Ihnen geht es runter, bei uns geht es wunderbar nach
oben mit der Wirtschaft und mit dem Ausgleichen von
Haushalten. Daran können wir sehen, wo es entspre-
chende Parallelitäten geben würde.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)






Otto Fricke


(A) (C)



(D)(B)


Zum Schluss: Ich finde, diese Woche war eine gute
Woche; denn sie hat gezeigt, dass Schwarz-Gelb wirk-
lich die einzige Möglichkeit ist, dieses Land innerhalb
Europas auf einer guten Basis zu halten. Dabei hat uns
das Verfassungsgericht geholfen.

Diese Woche hat ein Zweites gezeigt – das darf ich als
großer Freund der Niederlande sagen –: Wenn man für
Europa einsteht, aber auch klar sagt, dass es Regeln gibt,
an die man sich zu halten hat, dann kann man Wahlen
gewinnen und dann kann man sich vor allen Dingen ge-
gen diejenigen durchsetzen, die einfach nur mehr Geld
ausgeben wollen. So wird es auch kommen. In einem
Jahr – das sage ich Ihnen voraus – werden wir genau se-
hen, dass uns der Wähler das, was wir jetzt vorbereitet
haben, danken wird, weil er weiß, dass wir auf sein Geld
aufpassen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Ende der Märchenstunde!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719306500

Das Wort hat der Kollege Roland Claus für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719306600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Selten

war so viel Beschwörung christlich-liberaler Gemein-
samkeit in einer Haushaltsberatung. Ein Gespenst ging
um im Plenarsaal: das Gespenst der Gemeinsamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich sage Ihnen dazu: Wer so viel demonstrative Be-
schwörung braucht, wie wir es alle erlebt haben, der hat
ein handfestes Problem mit wirklicher Gemeinsamkeit.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Er redet über die Linkspartei!)


Um es nicht ganz direkt zu sagen: Bei so viel Eigenlob
müsste die Klimaanlage im Plenarsaal eigentlich auf
Höchststufe arbeiten. Wir sagen Ihnen aber auch: Eine
solche Irreführung der Öffentlichkeit lassen wir Ihnen
nicht durchgehen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will mich mit Ihrem Eigenlob befassen:

Eigenlob eins: Wir halten Wort, der Koalitionsvertrag
gilt. Was steht im Koalitionsvertrag? In dieser Legisla-
turperiode werden die Ostrenten endlich angeglichen.
Was ist Fakt? Dieses Versprechen wird öffentlich gebro-
chen.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaublich! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Versprochen – gebrochen! Eine Lügenregierung!)


Ich sage Ihnen, was das zur Folge hat: Mein Enkel hat
im August seine Berufsausbildung begonnen. Mit Be-
ginn dieser Berufsausbildung ist er ein Ostrentenanwär-
ter. Wenn mein Enkel seine Berufszeit beendet – das
wird etwa 2060 der Fall sein –, wird er seinen Enkeln er-
klären müssen, was ein Ostrentner ist und warum er ei-
ner ist.

Frau Bundeskanzlerin, das ist einfach nur gaga. Eine
solche Enttäuschung der Ostdeutschen dürfen Sie sich
nicht leisten.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Eigenlob zwei: Wir sparen. Mein Kollege Dietmar
Bartsch hat Ihnen am Dienstag vorgerechnet, dass Sie in
dieser Legislaturperiode mehr als 112 Milliarden Euro
an neuen Schulden aufnehmen. Daneben verschweigen
Sie ja auch noch die Schattenhaushalte.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ja, richtig!)


Sie sagen der Öffentlichkeit nicht, welche Milliardenver-
luste für die Rettung deutscher Banken bereits angefal-
len sind und wahrscheinlich noch anfallen werden. Er-
staunlicherweise kommt die deutsche Bankenrettung
auch in den Medien überhaupt nicht mehr vor. Das müs-
sen wir thematisieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Eigenlob drei: Bundesminister Schäuble sagte am
Dienstag wörtlich: „Der soziale Ausgleich … funktio-
niert …“ Als Beleg fügte er an, dass 10 Prozent der Ein-
kommensbezieher 50 Prozent des Einkommensteuerauf-
kommens tragen. Das ist ebenso richtig wie irreführend,
weil ausgeblendet wird, welchen Beitrag die unteren Ge-
haltsgruppen im Zusammenhang mit dem Mehrwertsteu-
eraufkommen leisten. Das muss doch an dieser Stelle
einmal klargestellt werden!


(Beifall bei der LINKEN – Otto Fricke [FDP]: Aber das ist doch auch degressiv!)


Mit einer Veröffentlichung zur Sozialstatistik hat das
Statistische Bundesamt gestern Ihr Eigenlob natürlich
ein bisschen beschädigt. Das Statistische Bundesamt
sagt uns: In Deutschland ist die Armut gewachsen


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es! Hören Sie einmal zu!)


und hat sich das Armutsrisiko erhöht. – Von den Flä-
chenländern sind hier leider wieder die Bundesländer
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sach-
sen traurige Spitzenreiter.

Man muss also sagen: Beides wächst. Ja, der Reich-
tum ist gewachsen. In der Krise hat sich die Zahl der
Millionäre von 720 000 auf 960 000 erhöht. Zugleich
wächst aber die Armut in diesem Lande. Deshalb kann
man nicht sagen, dass der soziale Ausgleich funktioniert.
Was hier leider funktioniert, ist die soziale Spaltung: Die





Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)


Reichen werden reicher, und die Armen werden zahlrei-
cher. So kann es nicht weitergehen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eigenlob vier: Unser Sozialetat ist riesig; wir leisten
erhebliche soziale Wohltaten. Es stimmt, dass der Etat
riesig ist. Aber warum ist er denn so groß? Er ist so groß,
weil wir für eine verfehlte Wirtschafts- und Sozialpoli-
tik, die sehr viele Menschen aus der Gesellschaft aus-
grenzt, so viele soziale Nachsorgemaßnahmen und Re-
paraturen durchführen müssen, dass solche riesigen
Summen notwendig sind. Sie nehmen diesen Menschen
dabei auch die Würde und treten Art. 1 unseres Grund-
gesetzes mit Füßen.

Eigenlob fünf: Wir tun etwas für die deutsche Einheit
und für den Osten. Fakt ist: Die Schere geht nicht zu-
sammen, sondern seit Jahren wieder auseinander. Bei der
Steigerung des Bruttoinlandsprodukts blieb der Osten im
Jahre 2011 mit 2,5 Prozent deutlich hinter dem Westen
mit 3,1 Prozent zurück.

Im Stern wird für den Osten ab und zu schon mal der
Begriff „verbrannte Erde“ verwendet. Der Anteil des
Niedriglohnsektors ist im Osten doppelt so groß wie im
Bundesdurchschnitt. Auch das ist nicht hinzunehmen
und kann bei Ihnen nicht auch noch unter der Rubrik Ei-
genlob abgebucht werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Eigenlob sechs: Wir sind für Frieden und Abrüstung.
Was ist die Wahrheit? Das Volumen der deutschen Rüs-
tungsexporte wächst. Wir sind, wie ich es inzwischen
vom Bundesverteidigungsminister schriftlich bekommen
habe, noch immer im Beistandsfall, also, wenn man es
deutlich sagt, im Krieg. Nichts von dem, was Sie zur Be-
gründung der deutschen Beteiligung am Afghanistan-
Krieg früher hier angeführt haben, ist eingetreten. Ich er-
innere mich noch gut an das, was ich mir von Ihnen alles
anhören musste, als ich vor elf Jahren für meine Fraktion
hier im Bundestag die Formel vorgetragen habe: Krieg
ist die falsche Antwort auf den Terror. Deshalb gilt auch
hier: Es ist nicht wahr, was Sie der Öffentlichkeit ver-
sprechen.

Eigenlob 7 bis 100 und die notwendige Kritik daran
reiche ich Ihnen im Haushaltsausschuss nach. Wir sehen
den Beratungen mit Interesse entgegen.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719306700

Die Kollegin Katja Dörner hat das Wort für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1719306800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Wir konnten in dieser Woche und auch
heute wieder erleben, dass die Regierungsfraktionen sich
vor Begeisterung über sich selbst gar nicht mehr einkrie-
gen konnten. Aber es ist ja bekanntlich so: Wer sich
selbst so loben muss, der hat es offensichtlich nötig, weil

es sonst niemand tut. Da steckt nicht besonders viel da-
hinter.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich werde jetzt einmal ein paar Fakten auf den Tisch
legen.


(Florian Toncar [FDP]: Oh, darauf haben wir gewartet!)


Es ist ja richtig: Die Neuverschuldung wurde gesenkt,
sie wurde sogar deutlich gesenkt. Aber das ist nun wahr-
haftig keine eigene Leistung. Das wird deutlich, wenn
man sieht, dass allein durch konjunkturelle Effekte
16,5 Milliarden Euro zusätzlich in den Haushalt gespült
werden. Dann sieht der Haushaltsentwurf auch noch flott
Kürzungen beim Gesundheitsfonds, bei der BA und
beim Bundeszuschuss zur Rentenversicherung im Um-
fang von 5 Milliarden Euro vor. Trotzdem kommen wir
auf eine Konsolidierungslücke von mehr als 3 Milliar-
den Euro. Ich frage mich: Was würden unsere griechi-
schen Freundinnen und Freunde in ihrer derzeitigen Si-
tuation zu einer solchen Haushaltsführung sagen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Florian Toncar [FDP]: Die würden sehr gerne mit uns tauschen, Frau Kollegin!)


Apropos Griechenland, ich habe in dieser Woche in
keiner Rede der Kolleginnen und Kollegen aus den Re-
gierungsfraktionen einen einzigen Hinweis darauf ge-
hört, wie massiv wir aktuell in unserem Haushalt von
den historisch niedrigen Zinsen profitieren.


(Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Das fängt schon beim Finanzminister an! Schon der Finanzminister hat das getan!)


Selbstverständlich sind diese niedrigen Zinsen, die wir
für unsere Kredite zahlen, die Kehrseite der Medaille der
massiven Zinsbelastungen in anderen Ländern der Euro-
päischen Union.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mit dem Finger auf andere wie beispielsweise Grie-
chenland zu zeigen und dabei den ganz harten Hund zu
spielen, ist immer einfach. Wir haben aber schon in die-
ser Woche nachgewiesen, dass Schwarz-Gelb selbst bei
der Haushaltskonsolidierung nichts auf die Kette be-
kommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE] – Florian Toncar [FDP]: Der Unterschied ist aber, dass die unser Geld bekommen!)


Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Re-
gierungsfraktionen, wer für eine derart unsinnige und
tatsächlich schädliche Leistung wie das Betreuungsgeld
ernsthaft zunächst 300 Millionen Euro und ab 2014
schon 1,4 Milliarden Euro in den Haushalt einstellt, der
muss mit uns über Konsolidierung überhaupt nicht mehr
sprechen.





Katja Dörner


(A) (C)



(D)(B)



(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michaela Noll [CDU/CSU]: Betreuungsgeld! Das haben wir doch gleich in der Anhörung!)


Mir ist am Mittwoch und auch gestern in der Debatte
zum Etat des Familienministeriums durchaus aufgefal-
len, dass sich die FDP für das Betreuungsgeld nicht so
recht begeistern kann. In der gestrigen Debatte zum Etat
des Familienministeriums haben drei Kolleginnen und
Kollegen von der FDP gesprochen. Dabei ist kein einzi-
ges Wort zum Betreuungsgeld gefallen. Ich muss sagen:
Dieses Wegducken werden wir der FDP in dieser Frage
nicht durchgehen lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Andererseits – das möchte ich auch sagen – haben
sich einzelne FDP-Haushaltspolitiker schon ziemlich
weit aus dem Fenster gehängt. Sie haben angekündigt, in
den Haushaltsberatungen das Betreuungsgeld zu kippen,
und das trotz des Kanzlerinnenmachtworts. Hierzu muss
ich sagen: Wenn es um die Verhinderung des Betreu-
ungsgeldes geht, dann würden sogar wir eine Lieferung
der FDP dankbar entgegennehmen,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


aber wahrscheinlich bleiben auch diese Ankündigungen
nur heiße Luft.

Ein schönes, aber auch ärgerliches Beispiel für „als
Tiger gesprungen, aber als Bettvorleger gelandet“, wenn
es um die Haushaltskonsolidierung geht, findet man bei
einem Blick in den Verteidigungsetat. Was wurde nicht
alles von Herrn Guttenberg im Zusammenhang mit der
Bundeswehrreform angekündigt? 8,2 Milliarden Euro
wollte Guttenberg einsparen. Davon spricht heute aufsei-
ten der Regierungskoalition kein Mensch mehr. Stattdes-
sen steigt der Verteidigungsetat nächstes Jahr erneut um
1,4 Milliarden Euro. Das ist aus unserer Sicht völlig in-
akzeptabel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Was im Verteidigungshaushalt nicht gelingt, das hat
bei den Ärmsten in unserem Land geklappt und klappt
leider weiterhin. Was ist denn von dem sogenannten
Sparpaket übrig geblieben? Übrig geblieben ist die An-
rechnung des Sockelbetrags beim Elterngeld auf die
ALG-II-Leistungen. Hier geht es um 400 Millionen
Euro. Dieses Geld fehlt gerade den frischgebackenen El-
tern, die das Geld am Nötigsten hätten. Geblieben ist
auch die Abschaffung der Rentenzahlungen für Lang-
zeitarbeitslose. Nur das Sparen bei den Ärmsten ist ge-
blieben, bei denen, die sich selbst am wenigsten helfen
können. Das ist Sprengstoff für unsere Gesellschaft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Für das kommende Jahr planen Sie den Griff in die
Kasse der Bundesagentur für Arbeit. Auch das ver-
schärft die soziale Ungerechtigkeit in unserem Land.
Denn wenn bei der Qualifizierung und bei der Wieder-
eingliederung gespart wird, werden Menschen Lebens-
chancen entzogen.

In der Pflege kommt der sonderbare Pflege-Bahr, der
letztendlich nicht mehr ist als ein Subventionsprogramm
für die privaten Pflegeversicherungen. Ich finde, man
sollte einmal ganz genau hinschauen, welche Unterneh-
mensbeteiligungen von Parteien dabei gegebenenfalls
eine Rolle spielen könnten.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Klientelpolitik!)


Es ist doch absehbar, wer sich eine solche Zusatzversi-
cherung wird leisten können. Das Ganze ist nicht nach-
haltig und wird uns sehr bald ganz übel auf die Füße fal-
len.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Bundesregierung tut nichts, um die soziale Schere
in Deutschland zu schließen. Sie tut sogar einiges, um
diese weiter auseinanderdriften zu lassen. Hierzu gehört,
dass es immer noch keinen gesetzlichen Mindestlohn
gibt. Hierzu gehört die regelrecht skandalöse Weigerung
der Bundesregierung, die ALG-II-Regelsätze endlich auf
ein verfassungskonformes Niveau anzuheben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir werden in den Haushaltsberatungen zeigen, dass
Konsolidierung des Haushalts und mehr soziale Gerech-
tigkeit, Konsolidierung und mehr Klimaschutz sowie
Konsolidierung und bessere Bildung möglich sind. Ich
freue mich auf die Beratungen im Haushaltsausschuss.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719306900

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär

Steffen Kampeter.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: Oh, es redet die Bundesregierung! Jetzt schon!)


S
Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1719307000


Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir bewegen uns auf den Schlusspunkt der ers-
ten Lesung dieses Bundeshaushalts zu. Es ist an der Zeit,
deutlich zu machen, welche Alternativen es in der Haus-
haltspolitik gibt.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Weniger Schulden, ja!)


Auf der einen Seite – das ist nicht nur bei der Einbrin-
gung des Haushaltsentwurfs, sondern auch in den Beiträ-
gen der Fachminister deutlich geworden – steht die
wachstumsfreundliche Konsolidierung durch die christ-





Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter


(A) (C)



(D)(B)


lich-liberale Koalition: Verlässlichkeit, Einhalten von
Zusagen, kein Aktionismus, eine Politik von Maß und
Mitte, die auch auf den inneren sozialen Zusammenhalt
in diesem Land setzt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Plattitüden!)


Auf der anderen Seite steht die Finanzpolitik der Op-
position, die aus zwei Obersätzen besteht: Im ersten Satz
wird gesagt, dass zu viele Schulden gemacht werden,
und im nächsten Satz werden neue Ausgaben in Milliar-
denhöhe gefordert. Die einzige Finanzierungsoption ist
zusätzliches Abkassieren bei den Bürgerinnen und Bür-
gern. Das ist der Kern Ihrer Finanzpolitik. Es gibt klare
Alternativen: Maß und Mitte auf unserer Seite und man-
gelnde Solidität und Abkassiererei aufseiten der Opposi-
tion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben uns in der Haushaltspolitik dieser Legisla-
turperiode bemüht, nur solche Zusagen zu machen, die
wir auch sicher einhalten konnten. Wir haben Jahr für
Jahr die Planungen so optimiert, dass wir die Nettokre-
ditaufnahme und auch die Ausgaben senken konnten.
Das war eine Gemeinschaftsleistung dieser Koalition
und dieses Kabinetts. Das fällt einem nicht in den Schoß.

Ich möchte das mithilfe eines Schaubilds deutlich ma-
chen. Ich habe einmal die Entwicklung der Kreditauf-
nahme seit 2010 aufgezeigt: Wo sind wir gestartet, und
wo werden wir verlässlich landen? Ich muss mein
Schaubild aufklappen;


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Dürfen hier Transparente gezeigt werden, Frau Präsidentin?)


es ist sehr groß, weil der Startpunkt bei 86,1 Milliarden
Euro liegt. Das waren die Befürchtungen des Herrn
Steinbrück.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Nein, der Kanzlerin!)


Hier sehen Sie die Erfolge des Herrn Schäuble. So unter-
scheiden sich die Zahlen. Das ist das Ergebnis einer gu-
ten Zusammenarbeit und einer erfolgreichen Finanzpoli-
tik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben immer wieder gehört, wir würden von der
konjunkturellen Entwicklung profitieren. Es ist richtig:
Die konjunkturelle Entwicklung ist eine Leistung der
Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, die durch Fleiß,
Innovationsbereitschaft und die Bereitschaft, auch in
schwierigen Zeiten die Ärmel hochzukrempeln, entstan-
den ist. Diese Bundesregierung tut alles, was notwendig
ist, damit auch der Rahmen stimmt, damit die Konjunk-
tur brummt.


(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Ach Quatsch!)


Wenn Sie andere Länder Europas betrachten, sehen Sie
unterschiedliche konjunkturelle Entwicklungen. Neben

dem Fleiß und der Einsatzbereitschaft der Menschen ist
eine Bundesregierung wichtig, die diesem Fleiß und die-
ser Einsatzbereitschaft auch den Freiraum lässt, sich zu
entwickeln.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719307100

Kollege Kampeter, erstens fühlt sich das Präsidium

benachteiligt, da Sie ihm das Ergebnis Ihrer Arbeit nicht
gezeigt haben. Wir konnten also nicht prüfen, ob das
eine erlaubte Einbringung von Materialien ist.

Zweitens möchte der Kollege Schneider eine Frage
stellen oder eine Bemerkung machen. Gestatten Sie das?

S
Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1719307200


Nein, in diesem Fall nicht. Ich werde mich jetzt aller-
dings dem Kollegen Schneider widmen.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Angsthase!)


Ich glaube, der Kollege Schneider spielt im Rahmen
seiner Argumentation im Zusammenhang mit der SPD-
Finanzpolitik ein ziemlich scheinheiliges Spiel;


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ich habe doch gar nichts gesagt!)


das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden. Wenn
Sie die Rede von Frau Hagedorn und die Rede von
Herrn Schneider einmal nebeneinanderlegen, dann sehen
Sie: Herr Scheider klagt über zu viele Schulden, und
Frau Hagedorn fordert, die Ausgaben in den Sozialsyste-
men weiter hoch zu halten. Man muss sich aber für eines
entscheiden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Entweder glaubt man Herrn Schneider, der von zu hohen
Schulden spricht, oder man glaubt Frau Hagedorn, die
von zu wenig Ausgaben in vielen Bereichen spricht. Wer
aber beides sagt, der handelt scheinheilig, der ist nicht
verlässlich und dem kann man in der Finanzpolitik nicht
trauen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bettina Hagedorn [SPD]: Es geht um Nachhaltigkeit und Vorsorge mit Blick auf die Konjunktur!)


Ich möchte mich jetzt dem Argument von Herrn Poß
zuwenden, der gesagt hat – ich glaube, es war am Diens-
tag –, wir seien von sozialer Ignoranz geprägt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])


Das waren Ihre Worte, Herr Kollege Poß. Sie haben wei-
terhin ausgeführt, wir würden bei den Schwachen in die-
ser Gesellschaft kürzen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja, so ist es auch!)


Aber dafür haben Sie überhaupt keine Belege,





Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter


(A) (C)



(D)(B)



(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Doch, natürlich! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie müssen eben zuhören!)


weder im aktuellen Haushalt noch in der erfolgreichen
Bilanz der Sozial- und Wirtschaftspolitik.

Herr Kollege Poß, Sie stehen an der Spitze derjeni-
gen, die im Bundesrat verhindern, dass wir für mehr so-
ziale Gerechtigkeit bei den Beziehern von kleinen und
mittleren Einkommen sorgen können, nämlich durch die
Abschaffung der kalten Progression.


(Beifall der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/ CSU])


Wer hier das Lied der sozialen Ungerechtigkeit singt,
den Menschen keine Lohnerhöhungen gönnt und im
Bundesrat gegen die Abschaffung der kalten Progression
stimmt, der handelt scheinheilig. Das ist das Marken-
zeichen der Finanzpolitik der Sozialdemokratie.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie einmal in Ihrem Haus nach, wer profitiert! Gucken Sie sich einmal die Zahlen an!)


Ich möchte mich nun ein Stück weit dem Argument
nähern – ich glaube, auch die Kollegin Hagedorn hat es
vorgetragen –, wir würden eine Konsolidierung zulasten
der sozialen Sicherungssysteme betreiben.


(Beifall der Abg. Petra Merkel [Berlin] [SPD] – Bettina Hagedorn [SPD]: Ja, genau so ist es!)


Zuerst einmal möchte ich sagen: Wir geben einen erheb-
lichen Anteil aus dem Bundeshaushalt, aus Steuergel-
dern in die sozialen Sicherungssysteme.


(Otto Fricke [FDP]: 49 Prozent!)


Das ist der Bärenanteil.

Lassen Sie uns einmal die drei Bereiche anschauen.
Worum geht es, und was machen wir mit diesem Geld?

Erstens. Wir haben – ich habe mich gerade bei Daniel
Bahr rückversichert – zum ersten Mal riesige Über-
schüsse in der gesetzlichen Krankenversicherung. Vor
diesem Hintergrund ist es doch wohl vernünftig und ge-
boten, dass wir – die Sozialdemokraten sagen, wir haben
zu hohe Schulden – überprüfen, ob der Zuschuss, den
wir aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung stellen und
den wir nötigenfalls auch mit Schulden finanzieren,
leicht zurückgeführt werden kann. Denn es macht wenig
Sinn, viele Schulden im Bundeshaushalt und viele Über-
schüsse in der gesetzlichen Krankenversicherung zu ha-
ben. Fragen Sie einmal Ulla Schmidt und auch Frau
Fischer von den Grünen. Die hätten die Probleme, die
Daniel Bahr gerade hat, in ihrer Amtszeit gerne gehabt.
Überschüsse in den Sozialkassen ermöglichen es,


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist konjunkturell!)


den steuerfinanzierten Zuschuss leicht und moderat ab-
zusenken. So bleiben Überschüsse und Stabilität in der
gesetzlichen Krankenversicherung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Zweitens. Was die Arbeitslosenversicherung angeht,
zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Große Koalition hat im
Jahr 2007 beschlossen: Wir geben Steuergelder in die
Arbeitslosenversicherung, damit der Arbeitslosenversi-
cherungsbeitrag sinken kann. Wir waren der festen
Überzeugung: Das ist ein Beitrag für mehr Wachstum
und Beschäftigung, weil der Abgabenhebel gerade bei
den Beziehern von kleinen und mittleren Einkommen
brutal zugeschlagen hat.

Diese Politik war erfolgreich. Der Wirtschaftsminister
und die Arbeitsministerin können mit Stolz darauf hin-
weisen, dass wir, was die Zahl der sozialversicherungs-
pflichtig Beschäftigten in Deutschland betrifft, einen
Nachkriegsrekord aufgestellt haben.


(Johannes Kahrs [SPD]: Das liegt aber garantiert nicht an Ihnen! – Bettina Hagedorn [SPD]: Ja! Darüber freuen wir uns ja auch!)


In dieser Situation ist es nicht mehr geboten, einer aus-
geglichenen, wahrscheinlich sogar über Überschüsse
verfügenden Arbeitslosenversicherung weiterhin einen
Steuerzuschuss zu gewähren. Wenn Herr Schneider kriti-
siert, das Defizit sei zu hoch, müsste er doch eigentlich
der Erste sein, der fordert, dass es keine Steuerzuschüsse
zur Arbeitslosenversicherung mehr geben darf, weil sie
diese nicht braucht und das Beitragsniveau ohnehin aus-
gesprochen niedrig ist. Das ist solide Finanzpolitik, und
das ist geboten und vernünftig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das gilt im Übrigen auch im Hinblick auf die Renten-
versicherung. Ich habe das Plädoyer der Kollegin
Hagedorn für die Absenkung des Rentenversicherungs-
beitragssatzes gehört. Wir wollen, dass mehr netto vom
Brutto bleibt, insbesondere deshalb, weil wir wissen,
dass für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen
die Höhe der Sozialabgaben eine viel größere Bedeutung
hat als die steuerliche Belastung.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wer heute die Beitragssätze senkt, fördert die Altersarmut!)


Ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir
dafür in Bundestag und Bundesrat politische Mehrheiten
brauchen. Ich würde mich freuen, wenn diejenigen, die
sich hier für Beitragssatzsenkungen einsetzen, dies auch
bei ihren Parteifreundinnen und Parteifreunden im Bun-
desrat verkünden würden. Wir arbeiten daran genauso
hart. Wir wollen diese Beitragssatzsenkung.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Die haben Sie doch schon längst eingepreist!)


Mit dieser Beitragssatzsenkung wäre übrigens eine
leichte, moderate Absenkung der Höhe des Bundeszu-
schusses verbunden.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das haben Sie doch schon in Ihrem Haushalt!)


Die Rentenversicherung verfügt aufgrund der erfreuli-
chen konjunkturellen Entwicklung in Deutschland über
den höchsten Überschuss in ihrer Geschichte. Die Rück-
lage ist solide. Wer angesichts dessen behauptet, wir





Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter


(A) (C)



(D)(B)


konsolidierten zulasten der Stabilität der sozialen Siche-
rungssysteme, stellt unter Beweis, dass er weder kompe-
tent noch verantwortungsvoll, noch ein verlässlicher
Partner ist, weder in der Wirtschafts- und Sozialpolitik
noch in der Finanzpolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich zum Schluss noch auf zwei Punkte hinweisen.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: EZB!)


Herr Kollege Schneider, Sie haben mehr über die Geld-
politik als über die Fiskalpolitik geredet. Dass die deut-
sche Sozialdemokratie die Zuständigkeit für die Geld-
politik hat, ist mir nicht bekannt. Wir haben mit diesem
Haushalt deutlich gemacht, dass wir auf nationaler
Ebene unsere fiskalpolitischen Hausaufgaben erledigen.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Aha!)


Wir haben mit den Entscheidungen auf europäischer
Ebene deutlich gemacht – Fiskalpakt und ESM wurden
ja in dieser Woche bestätigt –, dass wir dafür Sorge tra-
gen werden, dass auch europaweit die Hausaufgaben im
Bereich der Fiskalpolitik erledigt werden. Das ist die
Aufgabe der Politik. Sie sollten keine Schattengefechte
mit der EZB führen. Sie sollten endlich konstruktive,
vernünftige Beiträge leisten, beispielsweise im Hinblick
auf ein Steuerabkommen mit der Schweiz,


(Bettina Hagedorn [SPD]: Was? Das ist doch unfassbar!)


damit wir bei der Konsolidierung weiter voranschreiten
können, anstatt Scheingefechte mit Herrn Draghi – er ist
sowieso eine Nummer zu groß für Sie – zu führen, meine
sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Thomas Oppermann [SPD]: Und für Sie kann er gar nicht groß genug sein!)


Wachstumsfreundliche Konsolidierung bedeutet im
Übrigen auch, Ordnungspolitik zu betreiben.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Aha! EZB! Jetzt fängt er an!)


Vor diesem Hintergrund will ich ganz zum Schluss auf
einen Aspekt hinweisen, der in dieser Woche etwas un-
tergegangen ist, nämlich auf den Sachverhalt, dass sich
der Staat aus seinen Beteiligungen an Unternehmen zu-
rückzieht. Diese christlich-liberale Koalition hat 5 Pro-
zent der Beteiligungen, die indirekt über die Telekom
und die KfW gehalten wurden, zurückgeführt. Wir glau-
ben nämlich, dass die Bürgerinnen und Bürger in diesem
Land auch wirtschaftliche Freiheit genießen sollten. Wir
wissen, dass dies eine der Kernkompetenzen der sozialen
Marktwirtschaft ist. Wirtschaftliche Freiheit und sozia-
ler, innerer Zusammenhalt in diesem Land sind der Mar-
kenkern christlich-liberaler sozialer Marktwirtschafts-
politik.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Deswegen steigt ihr bei EADS ein, ja?)


Dies unterstützen wir mit diesem Haushaltsentwurf.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Was ist mit EADS?)


Er führt uns einen Schritt weiter auf dem Weg zu einem
ausgeglichenen Bundeshaushalt. Alle, die daran interes-
siert sind, sollten – auch im Interesse der nachfolgenden
Generationen –, anstatt herumzumäkeln und zu sagen:
„Alles ist Mist“, diese kraftvolle Gemeinschaftsleistung
der christlich-liberalen Koalition zumindest ein Stück
weit anerkennen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719307300

Der Kollege Johannes Kahrs hat nun für die SPD-

Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719307400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich schätze den Kollege Kampeter sehr, aber
das war eher eine Fünf minus.


(Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)


Herumdröhnen alleine ersetzt keine Inhalte. Wir haben
in den letzten Reden viel eitles Geschwätz und Ge-
spreize, Herr Fricke, und viel Gedröhne gehört. Wir ha-
ben viel gehört, was man eigentlich überhaupt nicht ver-
treten kann. Herr Michelbach sprach hier von „unseren
Erfolgen“ und „unseren Verdiensten“.


(Holger Krestel [FDP]: Da hat er recht!)


Wenn man sich das einmal ansieht und auf die Sach-
ebene entschwindet, dann wird man folgende Fragen
stellen müssen: Welche Bundesregierung hat die größte
Steuerreform in der Geschichte dieser Republik erreicht?
Das war Rot-Grün!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Welche Bundesregierung hat die großen Reformen in
diesem Land nach vorne getrieben, ob es nun die
Agenda 2010, Hartz IV oder die Rente mit 67 war? Im-
mer waren es die Sozialdemokraten.


(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Warum schreien Sie so?)


Diese Bundesregierung hat nichts, aber auch gar nichts
dazu geleistet, schon gar nicht die FDP.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sie sind ja noch lauter als der Kampeter!)


Wenn man sich ansieht, wer dieses Land reformiert
hat und die Reformen nach vorne getrieben hat, wer die-
ses Land nach vorne gebracht hat, dann stellt man fest:
Das waren die Sozialdemokraten, das war Gerhard
Schröder, das war die Bundesregierung unter Rot-Grün.
Das, was Sie hier feiern, was Herr Michelbach, Herr
Fricke und Herr Kampeter hier zu einem Verdienst der
Bundesregierung erklärt haben, sind die Früchte dieser





Johannes Kahrs


(A) (C)



(D)(B)


Reformen. Die Reformen brauchen, bis sie wirken. Dann
hat man die Ergebnisse. Diese können Sie jetzt sehen.
Sie spiegeln sich bei den Einnahmen wider. Das ist kla-
res Verdienst guter sozialdemokratischer Politik. Das ha-
ben Sie nicht hinbekommen. Wenn man sich anschaut,
was in den letzten drei Jahren passiert ist, dann kann
man nur feststellen: Gar nichts!


(Beifall bei der SPD)


Sie haben selbst die Gesetze, die Sie beschlossen ha-
ben, zurückgenommen. Die Luftverkehrsteuer, die Sie
eingeführt haben, hat der zuständige Ressortminister, der
jetzt wieder da ist, für überflüssig erklärt, man brauche
sie nicht, sie könne weg. Da sind wir gerne dabei. Ich
glaube aber nicht, dass er sich durchsetzt. Das ist halt so.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719307500

Kollege Kahrs, gestatten Sie eine Frage oder Bemer-

kung vom Kollegen Kalb?


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719307600

Ja.


Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1719307700

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass jemand aus Ih-

ren Reihen, der Herr Bartol, vor kurzem die Erhöhung
der Luftverkehrsteuer gefordert hat? Wie bringen Sie das
mit Ihrer Auffassung zusammen?


(Otto Fricke [FDP]: Das macht doch nichts!)



Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719307800

In der Sache ist es so, dass wir dem Vorschlag der

Bundesregierung, Ihres Bundesministers und Ihrer Kol-
legen gefolgt sind, die gesagt haben: Man muss die Luft-
verkehrsteuer abschaffen. Ich glaube, wir haben gese-
hen, was die Luftverkehrsteuer in den letzten drei Jahren
angerichtet hat. Wir sind bereit, uns mit Ihnen hinzuset-
zen und zu sehen, wie man das vernünftig hinbekommen
kann. Der Kollege Bartol hat – Sie müssen genau zuhö-
ren – gesagt: Wir setzen uns mit Ihnen hin und schauen,
wie wir aus dem Murks, den Sie da angerichtet haben,
etwas Vernünftiges machen können. Sozialdemokraten
sind in dieser Republik immer dann gefragt, wenn die
Schwarzen den Wagen gegen die Wand gefahren haben.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist nun einmal so, dass wir die großen Reformen in
dieser Republik durchgeführt haben. Die jetzige Situa-
tion in dieser Republik – der Wirtschaft geht es gut, die
Haushaltseinnahmen fließen – ist Ergebnis sozialdemo-
kratischer Reformpolitik. All das, wovon Sie hier immer
wieder laut reden, hat die SPD umgesetzt. Sie schaffen
keine einzige große Reform. Sie bekommen es nicht hin.

Das war auch aus all Ihren Reden herauszuhören: Sie
haben keinen einzigen eigenen Erfolg vorweisen kön-
nen. Sie haben hier immer nur gesagt: Die jetzigen Er-
gebnisse, das Geld, das zurzeit auf dem Konto eingeht,
finden wir gut. – Das ist toll. Aber das hat einen Grund.
Die Grundlagen wurden geschaffen, als Gerhard

Schröder dieses Land regiert hat. Das war richtig, wich-
tig und gut. Ich finde, das können Sie einfach einmal zur
Kenntnis nehmen.


(Beifall bei der SPD)


Was haben wir bisher hier erlebt? Diese Bundesregie-
rung unter Frau Merkel hat jede Form von politischem
Handeln verweigert. In der gesamten Euro-Krise stiehlt
sie sich aus der Verantwortung, duldet, dass die Krise
seit drei Jahren weiter wütet. Es werden stets nur Trip-
pelschritte unternommen und kleine Rettungsschirme
aufgespannt. Es wird nichts reguliert. Wir haben ge-
merkt: Weder bei den Banken noch bei den Finanzmärk-
ten haben Sie sich zu einer akzeptablen Maßnahme auf-
raffen können.

Im Ergebnis ist Ihre Politik gescheitert. Das, was jetzt
passiert, dass die Europäische Zentralbank die Geld-
druckmaschine anwerfen muss, um Ihre Politik zu retten
und das zu retten, was Sie gegen die Wand gefahren ha-
ben, erfüllt die Menschen in diesem Land mit tiefer
Angst. Hören Sie sich doch einmal um: Die Menschen
haben Angst vor Inflation. Sie haben Angst davor, dass
ihre Einkommen, ihr Erspartes, ihre Rente nichts mehr
wert sind.

Dazu wird das, was Sie zurzeit machen – Sie verste-
cken sich hinter der Unabhängigkeit der EZB, obwohl
Sie vorher klar gesagt haben, dass Sie es begrüßen und
unterstützen, wie Herr Schäuble vorgegangen ist –, aber
führen.

Wenn Sie das jetzt noch mit der Politik von Frau von
der Leyen verbinden, die alle Rentner und auch diejeni-
gen ab 45 aufwärts, die schon ihre Rente planen, in
Angst und Schrecken versetzt, und keine Lösung liefern
– erst streitet man sich laut und dann einigt man sich da-
rauf, dass das SPD-Programm gar nicht so schlecht ist –,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist doch nicht besser!)


dann führt das in der Kombination dazu, dass die Men-
schen auf der einen Seite Angst vor Inflation und auf der
anderen Seite Angst vor Armut im Alter haben. Sie bie-
ten keine Lösung an.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber Sie doch auch nicht!)


Das kann in diesem Land nicht funktionieren. Die
Menschen brauchen ein anständiges Einkommen. Sie
brauchen eine anständige Rente, und sie brauchen eine
anständige Regierung. Letztere muss Ersteres umsetzen.
Diese Regierung kriegt es nicht hin.

Was Herr Michelbach gesagt hat, war der Abgrund
der gesamten Veranstaltung. Er hat sich dafür eingesetzt,
dass das Steuerabkommen mit der Schweiz umgesetzt
wird. Ehrlich gesagt, Herr Michelbach: So etwas Peinli-
ches habe ich schon lange nicht mehr gehört. Dass ge-
rade Sie so etwas sagen, finde ich unsäglich. Wenn Sie
Steuerbetrüger privilegieren


(Zuruf von der CDU/CSU: Unverschämtheit!)






Johannes Kahrs


(A) (C)



(D)(B)


und Menschen beschützen, die kriminell sind, weil sie
Steuern hinterziehen, und das als christlich-liberale Re-
gierung, dann ist das unsäglich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dieses Steuerabkommen gehört abgelehnt und versenkt.
Dieses Steuerabkommen ist falsch. Es ist menschlich
und moralisch unanständig. Das sollten Sie lernen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das geht nämlich nicht. Dafür haben die Menschen in
diesem Land ein gutes und klares Gefühl.


(Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719307900

Herr Kollege Kahrs.


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719308000

Wenn Sie sich entschuldigen wollen, Herr

Michelbach, dann können Sie das jetzt gerne tun.


(Zuruf von der FDP: Du musst dich entschuldigen! – Otto Fricke [FDP]: Das geht langsam ein bisschen weit!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719308100

Sie gestatten also eine Zwischenfrage oder Bemer-

kung des Kollegen Michelbach. – Bitte.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1719308200

Herr Kollege Kahrs, können Sie sich vorstellen, dass

Sie hier falsch Zeugnis sprechen?


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719308300

Nein!


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1719308400

Ich habe deutlich gemacht, dass die Steuerzahler, die

Vermögen in der Schweiz haben, sich auch letzten Endes
einer Besteuerung unterziehen müssen und dass damit
für den deutschen Fiskus Einnahmen in Höhe von
10 Milliarden Euro verbunden sind, die ansonsten, wenn
man eine Blockade betreibt wie Sie, nicht dem deut-
schen Fiskus zur Verfügung stehen. Damit käme es zu
einer Art politischer Untreue, weil Sie 10 Milliarden
Euro Einnahmen von Leuten, die Vermögen in der
Schweiz haben – illegal oder legal, wie auch immer –,
verhindern.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Nein!)


Das ist die Situation. Deswegen verhindern Sie letz-
ten Endes auch diese Einnahmen für das Gemeinwohl.
Deswegen haben Sie falsch Zeugnis gesprochen.


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719308500

Herr Michelbach, ob legal oder illegal, ist durchaus

ein Unterschied. Das scheint Ihnen egal zu sein. Ich

finde aber, wenn Menschen ihr Vermögen in die Schweiz
bringen, macht es einen Unterschied, ob sie dies legal
oder illegal tun. Bei illegalem Handeln hätte ich ein Pro-
blem.

Im Übrigen sind Ihre 10 Milliarden Euro ein gegriffe-
ner Wert. Es gibt kaum jemanden, der auf 10 Milliarden
Euro käme, wenn man das alles addiert.

Es ist aber so: Sie privilegieren die Steuerhinterzieher
bzw. die Kriminellen, die das Geld in die Schweiz ge-
bracht haben, indem Sie sie steuerlich gegenüber denje-
nigen bevorzugen, die in Deutschland ehrlich und an-
ständig ihre Steuern zahlen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist doch der Punkt. Auf das hinterzogene Geld
müssen sie keine Steuern zahlen, sondern auf die Er-
träge. Sie sind doch derjenige, der falsch Zeugnis redet.
Deswegen, Herr Michelbach, sollten Sie sich erstens
schämen und zweitens fragen, ob Sie in einer christli-
chen Partei den Menschen so etwas verkaufen wollen
und können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Als CDU, CSU und FDP Steuerhinterziehung zu pri-
vilegieren, ist peinlich. Das ist in diesem Land nicht ak-
zeptabel. Das haben wir Ihnen mehr als einmal gesagt.
Die Bundesländer werden verhindern, was Sie anrichten.
Das hat mit Anstand nichts zu tun.

Jetzt sollten Sie sich setzen.


(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Das ist doch kein parlamentarischer Stil mehr!)


– Mit parlamentarischem Stil, Herr Fricke,


(Otto Fricke [FDP]: Hat das nichts mehr zu tun!)


hat es nichts zu tun, wenn Sie Steuerkriminelle privile-
gieren, schützen und vor dem deutschen Fiskus retten.

Diese Bundesregierung, wie sie hier sitzt, hat 2010
das Land Nordrhein-Westfalen, in dem die CDU mit der
FDP regiert hat, schriftlich aufgefordert, Steuer-CDs zu
kaufen. Jetzt frage ich mich – –


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719308600

Kollege Kahrs, indem der Kollege Michelbach noch

steht –


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719308700

Das ist doch gut so!


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719308800

– so einfach ist das nicht – und sich zu Wort meldet,

signalisiert er mir, dass er eine weitere Frage hat oder
eine weitere Bemerkung machen will. Deshalb muss ich
jetzt wissen, ob Sie diese zugestehen wollen. Wenn ja,
dann treten Sie beide wieder in den Austausch.





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) (C)



(D)(B)



(Michaela Noll [CDU/CSU]: Austausch wäre gut! – Zuruf von der FDP: Man sollte mal den Redner austauschen!)


Wenn nein, hat der Kollege Michelbach – das sei mir als
kleiner Hinweis gestattet – noch andere Möglichkeiten,
zu intervenieren. Ich wüsste jetzt gerne, wie es hier wei-
tergehen soll.


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719308900

Ich bin da sehr entspannt.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das merken wir!)


Wir können das über Kurzintervention oder auch jetzt
machen. Ich freue mich immer.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719309000

Ich mache darauf aufmerksam, dass keine Dialoge

vorgesehen sind, sondern nur Bemerkungen und Fragen.
Dann können Sie noch einmal antworten, und danach
sollten wir in der Debatte fortfahren.


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719309100

Je mehr meine Redezeit bei diesem Thema verlängert

wird, desto besser.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1719309200

Herr Kollege Kahrs, können wir uns zunächst einmal

darauf verständigen, dass die Wortmeldungen in diesem
Hohen Hause von der Frau Präsidentin vergeben werden
und nicht von Ihnen? Ich halte es für unkollegial und an-
maßend, wie Sie mit Ihren Kollegen umgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das hat nichts mit parlamentarischen Gepflogenheiten
zu tun. Ich gehöre diesem Hause schon lange an, und ich
kann mich nicht entsinnen, dass ich so etwas schon ein-
mal erlebt hätte.

Ich frage Sie noch einmal: Bestätigen Sie, dass durch
Ihre Blockadehaltung beim Steuerabkommen mit der
Schweiz auch illegales Schwarzgeld keiner Besteuerung
unterzogen wird, während durch unser Abkommen diese
illegalen Schwarzgelder erstmals zugunsten des deutschen
Fiskus besteuert würden und somit für das Gemeinwohl
zur Verfügung stünden?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1719309300

Herr Michelbach, ich habe es schon gesagt, aber ich

wiederhole es gerne für Sie: Zum einen ist es so, dass Sie
denjenigen, die hier in Deutschland Steuern hinterzogen
haben, die dieses Geld am Finanzamt vorbei in die
Schweiz gebracht haben,


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Privilegiert!)


um keine Steuern zahlen zu müssen, die damit alle Steuer-
zahler in diesem Land und den Sozialstaat schädigen, ei-

nen verbesserten Steuersatz genehmigen und sie damit
privilegieren.


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Das ist doch falsch!)


Zum anderen schützen Sie sie, indem Sie ihnen dadurch
Anonymität garantieren,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


dass die Namen nicht bekannt gemacht werden. Das
heißt, Verbrechen lohnt sich unter Ihrer Regierung. Das
kann doch nicht FDP-CDU/CSU-Politik in diesem
Lande sein.


(Otto Fricke [FDP]: Was ist denn das für eine Art?)


– Ganz ehrlich, Herr Fricke? Sie haben sich eben hier
hingespreizt, eitel und gestelzt. Die Sache ist: Wenn man
in diesem Land Menschen dazu bringen will, gerne und
ehrlich ihre Steuern zu zahlen, dann darf man nicht die-
jenigen privilegieren und schützen,


(Otto Fricke [FDP]: Ja! Genau das!)


die Steuern hinterziehen. Aber genau das tun Sie.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die SPD-geführten Länder verweigern sich im Bun-
desrat überhaupt nicht, Herr Michelbach, dieses Abkom-
men so zu überarbeiten, dass es gerecht und anständig
wird und demjenigen, der in diesem Land ehrlich arbei-
tet, garantiert, dass er nicht schlechter behandelt wird als
diejenigen, die betrügen, sich in die Schweiz begeben
und Steuern hinterziehen. Da machen wir mit. Wir sind
gerne dabei, wenn es darum geht, ein vernünftiges Ab-
kommen zu machen. Aber die Art, wie diese Regierung
hier handelt, ist nicht in Ordnung und weder christlich
noch sozial, noch liberal.

Vielen Dank und schönen Tag noch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Unsäglich!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719309400

Das Wort hat der Kollege Norbert Barthle für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1719309500

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Nach dieser Rede, lieber, geschätzter Kollege
Johannes Kahrs, bin ich froh, dass in Deutschland noch
nicht die Sozialdemokraten die Deutungshoheit darüber
haben, was anständig und was unanständig ist und wer
sich für was zu schämen hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Darüber bin ich wirklich froh.





Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)


Lassen Sie uns am Ende dieser Haushaltswoche viel-
leicht mit einer gewissen Ruhe und Gelassenheit einen
Blick auf die Haushaltsberatungen werfen, mit etwas
Distanz und auch unter der Perspektive, wie das Ganze
wohl in der Öffentlichkeit ankommt.

Ich erlaube mir in aller Ruhe und Gelassenheit einen
dezenten Hinweis an die Opposition. Auch wenn man in
der Opposition ist, muss man darum kämpfen, seine
Glaubwürdigkeit zu behalten. Deshalb würde ich Ihnen
empfehlen, darüber nachzudenken, ob es nicht klug wäre,
die derzeitige Haushaltssituation einfach anzuerkennen
und zu sagen: Da wurde gut gewirtschaftet. Dem steht
nicht entgegen, dass man sich in der Fachpolitik aus-
einandersetzen kann. Sie lassen auch hier die Gelegen-
heit aus, sich in der Öffentlichkeit Anerkennung zu ver-
schaffen, indem Sie gute Leistungen honorieren.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist doch keine gute Leistung!)


Niemand bestreitet, dass man durchaus unterschiedli-
che Wege gehen kann. Lassen Sie uns doch einmal einen
Blick auf die Situation werfen. Sie werfen uns vor, bei
uns würde nicht gespart, es würde zu viel Geld ausgege-
ben und es würden zu hohe Schulden gemacht.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Kein Subventionsabbau!)


In dieser Legislaturperiode haben wir für eine Entlastung
in Höhe von 38 Milliarden Euro gesorgt, das wird häufig
vergessen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Kollege Carsten Schneider redet immer wieder
von 18 Milliarden Euro neuen Schulden, das seien sogar
noch mehr als im Jahr 2011; denn da seien es nur 17 Mil-
liarden Euro gewesen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das stimmt!)


Mein Gott! Der Herr Scharping hat einmal brutto und
netto verwechselt, wahrscheinlich weil er nicht ausei-
nanderhalten konnte, was das eine und was das andere
bedeutet. Der Kollege Carsten Schneider weiß jedoch,
was Soll und was Haben ist.


(Otto Fricke [FDP]: Nein!)


Denken wir einmal einen kurzen Augenblick darüber
nach und nehmen diese Argumentation auf. Herr Schneider
wirft uns vor, wir würden jetzt mehr Schulden machen
als 2011. Das bedeutet, wir hätten 2011 mehr Schulden
machen müssen, also die Nettokreditaufnahme weniger
reduzieren, und schlechter wirtschaften müssen, dann
wären wir laut seiner Argumentation besser. Das ist doch
gaga!

Niemand draußen im Lande kann verstehen, dass uns
die Erfolge, die sich darin abbilden, dass die ursprüng-
lich vorgesehene Nettokreditaufnahme im Jahresablauf
deutlich abgesenkt wird – indem wir die vorhandenen
Mehreinnahmen dazu nutzen, die NKA zu senken und
weniger Schulden zu machen –, auch noch als ein Makel
vorgeworfen werden. So schräg kann man auch in der

Opposition nicht argumentieren. Das wird Ihnen auf die
Füße fallen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Schauen wir uns Ihren zweiten Vorwurf an. Sie behaup-
ten ständig, wir würden bei den Ausgaben nicht sparen.
Werfen wir einen Blick auf die Haushaltsansätze: Im
Jahr 2010 hatten wir im Bundeshaushalt 304 Milliarden
Euro Gesamtausgaben. Im Soll für 2012 standen 312,7 Mil-
liarden Euro; über ESM usw. haben wir bereits disku-
tiert. Im Entwurf für 2013 stehen 302,2 Milliarden Euro,
für 2014 302,9 Milliarden Euro, für 2015 303,3 Milliar-
den Euro.

Was heißt das? Wir liegen im kommenden Jahr fast
10 Milliarden Euro unter dem Ansatz von 2012. In der
längerfristigen Perspektive gehen die Ausgaben zurück,
und zwar um 0,2 Prozent. Welche sozialdemokratische
oder grüne oder sonst wie geführte Landes- oder Bun-
desregierung hat es jemals geschafft,


(Bettina Hagedorn [SPD]: 10 Milliarden sind ja Spareffekte!)


bei ansteigenden Einnahmen die Ausgaben zurückzu-
nehmen, abzusenken oder stabil zu halten? Zeigen Sie
mir eine einzige rot-grün geführte Landesregierung, die
das geschafft hat! Erinnern Sie sich an Ihre eigene Re-
gierungszeit hier in Berlin. Zeigen Sie mir, wo Sie das
auch nur einmal geschafft hätten. Das haben Sie nie hin-
bekommen. Wir schaffen das. Die christlich-liberale
Koalition hält an dieser Linie konstant fest.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Jetzt komme ich zu Ihrem dritten Vorwurf. Sie be-
haupten, wir würden keine Vorsorge für die Entwicklung
der kommenden Jahre treffen.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das stimmt!)


– Das stimmt eben nicht.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Doch!)


– Ich sage Ihnen, was wir in diesem Jahr an Zinsausga-
ben vorgesehen haben. Das sind im Jahr 2012 ganz ge-
nau 34,3 Milliarden Euro, im Jahr 2013 sind es nur noch
31,7 Milliarden Euro. Dann aber steigen die Ansätze für
die Zinsausgaben an, in der Finanzplanung für das Jahr
2016 auf 41,2 Milliarden Euro. Für 2016 haben wir
10 Milliarden Euro mehr an Zinsausgaben als für das
kommende Jahr vorgesehen, denn wir wissen genau:
Wenn es uns gelingt, diese europaweite Krise zu beruhi-
gen, dann werden die Zinsen wieder in die Höhe gehen.
Andere Länder genießen dann auch wieder größeres Ver-
trauen, und der derzeitige überproportionierte Vertrau-
ensbonus mit den ausgesprochen niedrigen Zinsen wird
sich verlieren. Wenn es uns nicht gelingt, die Krise zu
beruhigen, werden unsere Zinsen trotzdem ansteigen.
Deshalb haben wir ein Mehr von 10 Milliarden Euro an
Zinsausgaben für die kommenden Jahre vorgesehen.
Hier ist Vorsorge getroffen worden, Herr Kollege. Des-
halb stimmt auch dieses dritte Argument nicht.





Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)


Wir haben bei all unseren Haushaltsplanungen in den
vergangenen Jahren immer so gewirtschaftet, dass wir
uns entsprechende Sicherheitspuffer vorbehalten haben.

Seien Sie ehrlich: Sie würden sich doch eine Situa-
tion, wie wir sie haben, herbeiwünschen, sich die Finger
danach lecken. Staatssekretär Steffen Kampeter hat ge-
rade noch einmal ausführlich die Situation der sozialen
Sicherungssysteme dargelegt. Wir haben Rücklagen ge-
bildet. Wir haben bei der Bundesagentur für Arbeit
Rücklagen, die in den kommenden Jahren noch anwach-
sen werden.


(Bettina Hagedorn [SPD]: 2008 hatte die BA 17 Milliarden Euro!)


Wir könnten in diese Kassen hineingreifen; denn es
sind Steuerzuschüsse. Wir könnten da jetzt sofort abgrei-
fen. Dann wäre die NKA noch niedriger. Wir tun das
aber nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob eine rot-grüne Re-
gierung nicht diesen Weg beschreiten würde. Ich will es
nicht unterstellen. Aber wir tun dieses nicht, sondern wir
halten auch an der Stelle Linie. Wir halten uns einen Si-
cherheitspuffer parat, um auf schwierige Zeiten vorbe-
reitet zu sein.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das sind Sie gerade nicht!)


Das ist die Strategie dieser Regierung. Wir stehen für
Verlässlichkeit, für Solidität und für Konsolidierung der
Haushalte. Das ist unsere Politik. Die werden wir nicht
nur nächstes, sondern auch über- und überübernächstes
Jahr so fortsetzen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719309600

Das Wort hat der Kollege Klaus-Peter Flosbach.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Klaus-Peter Flosbach (CDU):
Rede ID: ID1719309700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Am Ende einer Haushaltswoche blickt man natürlich auf
die Woche zurück. Aber ich habe mir auch die Mühe ge-
macht, die letzte Rede von Peer Steinbrück als Finanz-
minister hier in diesem Hause noch einmal nachzulesen.
Er hielt sie am 8. September 2009. Er hat von diesem
Pult aus mit Blick auf die Zukunft gesagt, dass er damit
rechnet, dass man wahrscheinlich im Jahre 2010 eine
Nettokreditaufnahme in Höhe von 100 Milliarden Euro
vornehmen müsse. Bitte lesen Sie es auf Seite 26337
nach. Er hat hier gesagt, 100 Milliarden Euro müsste er
neu aufnehmen.

Nun ist Peer Steinbrück ja ein bekannter Redner, auch
heute, ein Prognostiker. Er hat sich allerdings – ich sage
einmal – „nur“ um 56 Milliarden Euro verschätzt; denn
es gab einen Regierungswechsel.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Es gab Konjunkturpakete!)


Wir haben natürlich gemeinsam in der Großen Koali-
tion mit Kurzarbeit, mit Konjunkturpaketen Gutes ge-
macht. Aber wir haben in dieser Koalition aus CDU,
CSU und FDP als Erstes alle Gesetze darauf konzen-
triert, das Wachstum in Deutschland zu beschleunigen.
Wir haben alle krisenverschärfenden Elemente im Kör-
perschaftsteuerrecht, im Gewerbesteuerrecht, im Erb-
schaftsteuerrecht beseitigt. Das war der entscheidende
Punkt, um die Wirtschaft wieder nach vorne zu bringen,
die Staatseinnahmen zu steigern und damit unser hohes
soziales Niveau zu halten, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben damals nicht nur die Wirtschaft gefördert,
sondern wir haben vor allen Dingen auch die Familien
gefördert. Das haben wir dabei nicht vergessen; denn wir
stehen für soziale Marktwirtschaft.


(Johannes Kahrs [SPD]: Seit wann?)


Sowohl der Kollege Fricke als auch der Kollege
Meister haben in dieser Woche ja deutlich gemacht, dass
wir faktisch einen ausgeglichenen Haushalt haben, in-
klusive der Sozialsysteme. Trotz ESM, trotz der Über-
nahme der Grundsicherung von den Kommunen durch
den Bund haben wir im Grunde einen ausgeglichenen
Haushalt.

Im nächsten Jahr werden wir die Schuldenbremse ein-
halten, also nicht erst im Jahre 2016, sondern bereits im
Jahre 2013.


(Johannes Kahrs [SPD]: Warten wir es ab!)


Wir haben gesagt, wir wollen die Haushalte sanieren,
aber trotz der Probleme wollen wir in den Bereichen, in
denen eine ungerechte Steuererhöhung stattfindet, den
Bürgern Geld zurückgeben; denn jedes Jahr nimmt der
Staat nur dadurch 3 Milliarden Euro zusätzlich ein, dass
Bruttoeinkommen steigen und jeder Arbeitnehmer mehr
Steuern zu zahlen hat. Wir haben gesagt, dieses Geld
wollen wir den Bürgern zurückgeben. Genau Sie von der
SPD blockieren dies im Bundesrat. Ich weiß nicht, wo
Sie angekommen sind, wenn es um die kleinen Einkom-
men geht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Nun gut, meine Damen und Herren von den Grünen
und von der SPD, Sie haben uns Ihre Vorlagen gezeigt.
Sie wollen bei einer möglichen Übernahme der Regie-
rung die Steuern dramatisch anheben. Jedes Mal begrün-
den Sie die Erhöhung der Einkommensteuer mit Mehr-
ausgaben für Bildung. In der besagten Rede des Herrn
Steinbrück hat er dieses Thema auch angesprochen. Er
hat vor drei Jahren, vor der Bundestagswahl, gesagt, er
würde den Spitzensteuersatz von 45 Prozent auf 47 Pro-
zent – plus Solidaritätszuschlag – anheben, und das Geld
würde ganz zielgerichtet in die Bildung fließen.

Meine Damen und Herren, Sie haben ja alle mit Zah-
len zu tun. Sie wissen, wenn nur der Spitzensteuersatz
von 45 auf 47 Prozent angehoben wird, dann bringt dies
600 Millionen Euro mehr in die Staatskasse. Das ist ein
Tausendstel unserer Steuereinnahmen. Von diesem Tau-
sendstel fließen nur 42,5 Prozent an den Bund, also





Klaus-Peter Flosbach


(A) (C)



(D)(B)


250 Millionen Euro. Was hat diese Bundesregierung ge-
macht, und zwar ohne die Steuern zu erhöhen? Wir ha-
ben 800 Millionen Euro mehr in Bildung und Forschung
gesteckt und unterstützen gleichzeitig die Kommunen
mit 580 Millionen Euro für die U-3-Betreuung und die
Kindertagesstätten. Das ist die Bildungspolitik, die von
dieser Regierung betrieben wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Welt beneidet uns als Stabilitätsanker und um un-
sere geringe Arbeitslosigkeit. Wir haben drei Krisen er-
lebt: die Banken- und Finanzkrise, die Wirtschaftskrise
und dann die


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Regierungskrise! – Thomas Oppermann [SPD]: Permanente Regierungskrise seit 2009!)


Staatsschuldenkrise, die vielfach als Euro-Krise bezeich-
net wird. Wir stehen für eine Stabilitätskultur. Wir unter-
stützen die Regierung in dem Bemühen, für Unterstüt-
zung Gegenleistungen einzufordern. Das Problem ist
nicht unser Haushalt, sondern nach wie vor die Einhal-
tung der Stabilitätskriterien. Herr Kahrs, da Sie vorhin
ein großes Plädoyer gehalten haben, möchte ich Sie da-
ran erinnern: 2003/04 haben Sie von Rot-Grün die Stabi-
litätskriterien nicht eingehalten und damit das Unheil
verursacht, das auf uns zugekommen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bettina Hagedorn [SPD]: Immer die gleichen Märchen!)


Sie sollten hier nicht so große Reden schwingen, son-
dern lieber das Büßerhemd anziehen; das würde Ihnen
besser stehen.

Unsere Aufgabe ist nicht nur, auf den Haushalt zu
achten. Wir sind als Finanzpolitiker auch besonders ge-
fordert, auf die systemischen Gefahren auf dem Finanz-
markt zu reagieren.


(Johannes Kahrs [SPD]: Immerhin!)


Die Opposition hat gerade behauptet, es sei nichts ge-
schehen. Schauen Sie sich einmal an, was in den letzten
drei Jahren in diesem Bereich passiert ist. Die erste Maß-
nahme war die drastische Anhebung der Eigenkapital-
quote, der wichtigsten Größe, für alle Banken um das
Dreieinhalbfache, um für Stabilität auf den Märkten zu
sorgen.


(Johannes Kahrs [SPD]: Wann soll das denn kommen?)


Im Hinblick auf systemische Gefahren ist das besonders
wichtig. Wir haben des Weiteren die Vergütungssysteme
im Bankenbereich geändert. Wir haben deutlich ge-
macht: Wer Chancen auf Gewinn haben will, muss gege-
benenfalls auch die Risiken und Verluste tragen. Das ist
ein Konzept der sozialen Marktwirtschaft.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir werden das Finanzsystem krisenfester machen.
Der G-20-Gipfel hat deutlich gemacht: Je größer die

Banken sind, desto mehr Eigenkapital müssen sie
vorhalten. Die europäische Bankenaufsicht hat auch den
13 großen deutschen Banken zur Auflage gemacht, deut-
lich mehr Eigenkapital vorzuhalten. Wir in Deutschland
sind mit unserem Restrukturierungsgesetz federführend
in Europa. Hier geht es um die Sanierung und Abwick-
lung von Banken. Wir waren die Ersten, die Spekula-
tionsgeschäfte im Bereich der Leerverkäufe verboten
haben. Wir sind auch die Ersten, die den computerge-
steuerten Hochgeschwindigkeitshandel einschränken
werden. Wir sind Vorreiter in Europa und liegen vor al-
len anderen Ländern. Die anderen nehmen uns zum Vor-
bild. Wir geben die Blaupause für andere Länder. Wir
sind federführend in diesem Bereich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir erhöhen die Transparenz; Herr Kahrs, das sollten
Sie zur Kenntnis nehmen. Schon in diesem Jahr werden
die außerbörslichen Derivate reguliert, genauso wie die
Hedgefonds. Die G 20 nehmen sich noch in diesem Jahr
den Bereich der Schattenbanken vor. Die Liikanen-
Kommission der Europäischen Kommission wird noch
in diesem Jahr Vorschläge vorlegen, aus denen hervor-
geht, ob das Universalsystem erhalten bleibt oder ob ein
Trennbankensystem erforderlich ist.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719309800

Kollege Flosbach, Sie können gern weitersprechen.

Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, dass das dann
zulasten Ihres Kollegen geht, der nach Ihnen spricht.


Klaus-Peter Flosbach (CDU):
Rede ID: ID1719309900

Frau Präsidentin, ich habe schon gesehen, dass Sie

mich so freundlich anblinken.

Ich komme zum Schluss. Wir beteiligen die Verursa-
cher. Wir stärken die Aufsicht.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Wie denn?)


Ich halte gerade nach dieser Haushaltswoche fest: Wir,
die Koalition aus CDU, CSU und FDP, stehen für Stabi-
lität nicht nur beim Haushalt, sondern auch auf den Fi-
nanzmärkten.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Für eine dauernde Regierungskrise! Koalitionskrise!)


Wir sind Partner der Bürger. Wir wissen, dass eine starke
Wirtschaft und gute Arbeitsplätze ein starkes Sozialsys-
tem schaffen werden. Diese Koalition hat Erfolg, und
dieser Erfolg kommt den Bürgern in diesem Land zu-
gute.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719310000

Das Wort hat der Kollege Norbert Brackmann für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(D)(B)



Norbert Brackmann (CDU):
Rede ID: ID1719310100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der Haushalt ist ein Gradmesser für den Zu-
stand und den Wohlstand unserer Gesellschaft.


(Johannes Kahrs [SPD]: Oh Gott! – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ist es so schlimm?)


Darauf muss angesichts all der Zahlen und abstrakten
Diskussionen hin und wieder hingewiesen werden.


(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das lässt nichts Gutes hoffen!)


Letztlich zeigt der Haushalt, was wir für die Menschen,
die uns gewählt haben und für deren Wohl wir da zu sein
haben, geleistet haben und worauf sie sich auch in Zu-
kunft verlassen können.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Im nächsten Jahr leisten wollen!)


Deswegen ist es wichtig, heute bei der letzten Rede zur
Einbringung dieses letzten Haushalts, den wir in dieser
Periode komplett verabschieden werden – –


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der letzte schwarz-gelbe Haushalt! – Gegenruf von der FDP: Das wissen Sie heute schon?)


– Das wissen Sie heute noch nicht, und darüber wollen
wir auch nicht spekulieren. – Aber wichtig ist, was in
dieser Legislaturperiode von dieser Regierung bisher er-
bracht wurde.


(Johannes Kahrs [SPD]: Nicht viel! Pleiten, Pech und Pannen!)


Ich erinnere mich sehr gut an die erste Einbringung
eines Haushaltes hier, als wir eine ähnliche Diskussion
gehabt haben. Damals ist diese Regierung mit der sie tra-
genden Koalition angetreten und hat erklärt, dass sie
eine wachstumsfördernde Politik der Konsolidierung
machen wolle. Damals lautete Ihre Kritik, wir würden
die Konjunktur in Deutschland abwürgen und mit die-
sem Sparpaket den Wohlstand der Menschen in Deutsch-
land schmälern.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau! Das tun Sie auch! Allerdings handeln Sie nur zulasten derer, denen es nicht gut geht!)


Wir haben heute unterschiedliche Reden gehört, in
denen Sie das genaue Gegenteil sagten. Die Menschen
merken sehr genau, was ihnen diese Politik gebracht hat.


(Johannes Kahrs [SPD]: Nicht viel!)


Weil Sie, Frau Hagedorn, sich wieder mit Zwischenrufen
hervortun, sage ich: Wenn Sie als Gradmesser für den
sozialen Wohlstand den Etat des Arbeits- und Sozial-
ministeriums nehmen, dann gehen Sie in die Irre.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Es ist Ihnen vorhin vermittelt worden, dass wir diesen
Etat unter anderem abschmelzen können, weil die Ar-
beitslosigkeit dramatisch zurückgegangen ist.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das sind nur Mitnahmeeffekte! Ich habe von strukturellen Kürzungen gesprochen!)


– Mitnahmeeffekte. – Sie haben genau diese Politik zu
Anfang dieser Legislaturperiode – deswegen sage ich
das ausdrücklich – bekämpft.

Wir sind jetzt in einer Situation, die in Europa nahezu
einzigartig ist. 92 Prozent der Jugendlichen bei uns sind
in Beschäftigung, in Griechenland ist es nur die Hälfte,
nämlich 46 Prozent. Im europäischen Durchschnitt sind
es 77 Prozent. Wir sind Spitzenreiter, was die Beschäfti-
gung unserer Jugend angeht. Wir haben eine extrem
hohe Beschäftigung mit rund 42 Millionen Beschäftig-
ten. Wir haben 2011 610 000 zusätzliche Vollzeitstellen
geschaffen und damit insgesamt über 23 Millionen ge-
habt. Damit hatten wir fast so viele Vollzeitbeschäftigte
wie 1998. Weil der Vergleich mit 2005 vom Kollegen
Kahrs bemüht worden ist, weise ich darauf hin, dass wir
1,6 Millionen mehr Vollzeitbeschäftigte als 2005 haben.
Das merken die Menschen. Menschen in Arbeit bringen,
von der sie leben können, ist die beste Sozialpolitik, die
man überhaupt machen kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Die Menschen sind der Gradmesser, nicht der Etat der
Sozialministerin.

Wir lernen daraus noch etwas anderes, nämlich dass
Borgen Sorgen macht. Wenn wir die Arbeitslosigkeit als
Indikator nehmen, dann stellen wir fest, dass Länder wie
Deutschland, das eine Arbeitslosenquote von 6,8 Pro-
zent hat, einen viel niedrigeren Wert haben als die Län-
der, die mit ihren Haushalten extreme Sorgen haben.
Spanien hat eine Arbeitslosenquote von 25,1 Prozent
– über ein Viertel der Menschen ist somit arbeitslos –, in
Griechenland beträgt die Arbeitslosenquote 24,4 Pro-
zent. Ich könnte noch andere Länder Europas als Bei-
spiel nennen. Die Arbeitslosenquote in Deutschland ist
mittlerweile die drittbeste in ganz Europa. Dies hat
Deutschland zum letzten Mal vor 40 Jahren geschafft.
Das ist nicht nur, aber auch ein Erfolg dieser christlich-
liberalen Koalition.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es wird immer wieder die demografische Entwick-
lung bemüht und gesagt, dass wir immer älter werden.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wir leben länger! Das hört sich schöner an!)


– Wir leben länger. Das ist auch gut so. – Was noch bes-
ser ist: Wir bleiben auch immer länger gesund. Deswe-
gen können wir auch immer länger arbeiten. Was von Ih-
nen bisher bestritten wurde, tritt tatsächlich ein: In den
letzten zehn Jahren hat sich die Zahl derjenigen, die zwi-
schen 60 und 63 Jahre alt und noch erwerbstätig sind,
verdoppelt. Auch das ist ein gutes Zeichen und lässt uns
darauf hoffen, dass wir ein längeres Leben auch in Wohl-
stand organisieren können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Norbert Brackmann


(A) (C)



(D)(B)


Das setzt natürlich voraus, dass wir eine leistungsfä-
hige Wirtschaft haben – und das haben wir: Mit 37 Pro-
zent mehr Exporten als 2009 haben wir 2011 erstmals
die Marke von 1 Billion Euro geknackt. Das heißt, wir
haben Waren im Wert von mehr als 1 Billion Euro ex-
portiert. Wir werden auch in Zukunft – das sagen uns die
Wirtschaftsinstitute voraus – in dieser Größenordnung
exportieren. Aber wir müssen dabei Maß halten.

Damit sind wir beim Thema Schulden. Es ist eines Ih-
rer Merkmale, Herr Kollege Schneider, immer wieder
Soll und Ist zu verwechseln.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nein, in Beziehung setzen!)


– In Beziehung setzen, genau. Sie setzen Dinge in Bezie-
hung, die wenig miteinander zu tun haben. – Ich will
einmal die geraden Linien zeigen. Nehmen wir nur ein-
mal das Soll: 2010 sollte die Neuverschuldung – noch
von Ihrem Finanzminister veranschlagt – bei 86 Milliar-
den Euro liegen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: War das nicht unter Ihrer Kanzlerin?)


Im Bundeshaushalt 2010 waren es dann schon 6 Milliar-
den Euro weniger – schließlich war unsere Kanzlerin
verantwortlich; wohl wahr –: Die Neuverschuldung lag
bei 80,2 Milliarden Euro. 2011 sollte die Neuverschul-
dung 48,4 Milliarden Euro betragen, 2012 32,1 Milliar-
den Euro, nach dem jetzt vorliegenden Haushaltsentwurf
für 2013 18,8 Milliarden Euro. Das Soll verzeichnet
also eine ganz klare Linie der Senkung der Neuverschul-
dung. Ich stelle dem die Istzahlen gegenüber: 2010 lag
die Neuverschuldung bei 44 Milliarden Euro, 2011 bei
17,3 Milliarden Euro, und in diesem Jahr werden wir
ebenfalls ein Ergebnis haben, das deutlich unter dem
Soll liegen wird.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wie viel?)


Diese Differenz zeigt, dass wir eine sehr positive Ent-
wicklung zu verzeichnen haben.

Wir haben daraus den Schluss zu ziehen, dass wir
eine Regierung haben, die anders, als es früher der Fall
war, unter dem bleibt, was wir ihr vorgeben.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das werden wir noch sehen!)


Dies schafft Glaubwürdigkeit, und Glaubwürdigkeit ist
die Grundlage dafür, dass wir das Vertrauen der Bürge-
rinnen und Bürger in die Zukunft haben.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist das!)


Dieses Vertrauen dürfen wir nicht verspielen. Diese Re-
gierung und dieser Haushalt sind der Beleg und die Ga-
rantie dafür, dass uns Konsolidierung in den Erfolg
führt. Unsere Maßgabe ist deswegen: konsolidieren,
wirtschaftlich denken und damit Wachstum generieren.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1719310200

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/10200 und 17/10201 an den Haus-
haltsausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einver-
standen? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisun-
gen so beschlossen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 26. September 2012, 14 Uhr,
ein.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen alles
Gute.