Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie alle sehrherzlich.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a und 15 b so-wie den Zusatzpunkt 8 auf:15 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes-serung des Schutzes vor Fluglärm in der Um-gebung von Flugplätzen– Drucksache 16/508 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieVerteidigungsausschussAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für TourismusHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOb) Beratung des Antrags der Abgeordneten MichaelKauch, Horst Friedrich , BirgitHomburger, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der FDPDas Fluglärmgesetz unverzüglich und sachge-recht modernisieren– Drucksache 16/263 –Überweisungsvorschlag:AWdsDiFsdsduhdsRedetAusschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieVerteidigungsausschussAusschuss für GesundheitAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für TourismusHaushaltsausschussZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten WinfriedHermann, Peter Hettlich, Cornelia Behm, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNENDen Schutz der Anwohner vor Fluglärm wirk-sam verbessern– Drucksache 16/551 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reakto
Denn Millionen Menschen, die in der Nähe von Flughä-fen leben, werden durch Fluglärm nicht nur gestört, son-dern auch einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausge-setzt. Wir wissen alle, dass wissenschaftliche Studienseit langer Zeit Lärm als eine der großen Ursachen fürHerz-Kreislauf-Erkrankungen belegen.Wir wissen gleichzeitig, dass wir hier gleichsam zweiSeelen in einer Brust haben. Es gibt diejenigen, die, so-fern sie sich das leisten können, zu jeder Zeit mit Flug-zeugen möglichst weit wegfliegen wollen, diejenigen,die vom Lärm betroffen sind und die Flughafennutzunger Lärmminderung einschränken wollen.elen spiegeln sich natürlich auch in demwider. Wir alle – jedenfalls die, die sichit diesem Thema befasst haben – wissen,rsicherheit
zum Zwecke dDiese beiden SeGesetzentwurflänger als ich m
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Bundesminister Sigmar Gabrieldass in den letzten sechs Jahren immer wieder der Ver-such unternommen wurde, beides zu einem ausgewoge-nen und vertretbaren Kompromiss zu führen.Lassen Sie mich deshalb eine Bemerkung vorab ma-chen. Ich habe bei der Vorbereitung des Gesetzentwurfesbemerkt, dass wir – wie alle das gelegentlich tun – im-mer noch quasi reflexartig das wiederholen, was wir inder Vergangenheit, als wir entweder in der Regierungoder in der Opposition waren, zu bestimmten Themengesagt haben. Ich schlage vor, dass wir, weil es sich hierum eine sehr schwierige Suche gehandelt hat – sonsthätte es nicht sechs Jahre gedauert, bis man zu einemGesetzentwurf gekommen ist –, versuchen, in den Aus-schussberatungen sehr dezidiert darauf einzugehen, wel-che denkbaren Kritikpunkte es gibt und was zu den vor-liegenden Kompromissen geführt hat. Es ist ja einGesetzentwurf, der eins zu eins den Kompromiss der al-ten Bundesregierung wiedergibt. Ich kann gut verstehen,dass sich diejenigen, die damals in der Opposition waren– zum Teil sind sie es ja auch heute noch –, an das erin-nern, was sie zu jener Zeit gesagt haben. Das würde unsnicht anders gehen. Aber vielleicht können wir es schaf-fen, noch einmal genau zu überprüfen, ob das, was ge-gen den Gesetzentwurf eingewandt wird – einerseits vonden Vertreterinnen und Vertretern derjenigen Bürgerini-tiativen, die die Belastung noch weiter verringern wol-len, andererseits von den Vertretern der Fluggesellschaf-ten oder Flughäfen –, ob also diese Maximalpositionenwirklich durchgesetzt werden sollten oder ob wir nichtmit diesem Gesetzentwurf einen Stand erreicht haben,der gewährleistet, dass wir das inzwischen frei entwi-ckelte Richterrecht als Parlament wieder einfangen undeine wirklich verlässliche gesetzliche Grundlage schaf-fen.Wir sollten ehrlich zugeben, dass unser Gesetzent-wurf, der den Versuch unternimmt, beide Seiten zu re-spektieren, noch nicht all das beinhaltet, was die Recht-sprechung in Deutschland abdeckt. Es gibt Hinweisedarauf, dass auch Rechtsprechung stattfindet, die weitüber das hinausgeht, was selbst der Kompromissentwurfvon Rot-Grün aus der letzten Legislaturperiode enthält.Auf der anderen Seite gibt es Flughafenbetreiber, dieinsbesondere ihre Neubauten, aber auch ihre Erweite-rungsbauten bereits heute schon gemäß den Richtliniendieses Gesetzentwurfs errichtet haben.Derzeit läuft ein Verfahren vor dem Bundesverwal-tungsgericht um den Flughafen Berlin-Brandenburg In-ternational. Ich will in diesem Zusammenhang auf einenPunkt hinweisen, der für diejenigen, die dieses Projektwollen, wichtig ist: Die Seite, die diesen Flughafenbauen will, bezieht sich vor Gericht auf diesen Gesetz-entwurf mit seinen Lärmgrenzwerten und nimmt sie alsArgument für die Bewilligung der Planungen. DiesenPunkt muss man wissen, wenn man den Gesetzentwurfwesentlich verändern will.Die Bayern liegen, was den Bereich Lärmschutz an-geht, wieder einmal weit vorne. Der Flughafen Mün-chen ist heute einer der wirtschaftlichsten Flughäfen, diewir in Deutschland haben. Dort gibt es aber überhauptkwnFbndovSb–dtdzrgdWsüKPSatud1mDgluetRulisudwmndugasr
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Das sollte man also realistisch sehen.Ich gebe zu: Es gibt ein Problem; das ist der Flugha-fen Frankfurt. Dort gibt es einen sehr großen Nachholbe-darf. Deshalb sind die Kosten dort relativ hoch. Ich bingern bereit, auch darüber noch zu reden. Aber an sich ha-ben wir einen guten Kompromiss gefunden.Eine abschließende Bemerkung zum Thema „Un-gleichbehandlung des militärischen Flugverkehrs unddes zivilen Flugverkehrs“. Wir haben uns in unseremKompromiss dazu entschieden, den Vorschlag, beideVerkehre gleich zu behandeln, nicht zu übernehmen. EsgndhMacrzdadrsgss–dnFsuKEäzegnVgcuswmwmsRd
Das Wort hat nun der Kollege Michael Kauch, FDP-
raktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ge-chichte der Novellierung des Fluglärmgesetzes ist langnd leidig. Bereits die Vorgängerregierung hat in ihreroalitionsvereinbarung von 1998 den Menschen in deninflugschneisen versprochen, es werde sich jetzt etwasndern. Eingehalten wurden diese Versprechungen bisum Schluss jedoch nicht.Jetzt legt die neue Regierung endlich einen Gesetz-ntwurf vor. Das begrüßen wir ausdrücklich.Viel zu lange haben nicht nur die Anwohner daraufewartet, dass der Lärmschutz an die aktuellen Erkennt-isse der Lärmwirkungsforschung angeglichen wird.iel zu lange haben auch die Flughafenbetreiber daraufewartet, dass es endlich Rechtssicherheit, Planungssi-herheit und vor allen Dingen Wettbewerbsgleichheitnter den Flughäfen gibt. Denn die Vielzahl der unter-chiedlichen Urteile hat dazu geführt, dass die Wettbe-erbssituation der einzelnen Flughafenstandorte nichtehr fair geregelt ist.
Tatsächlich wird heute an den meisten Flughäfen ent-eder freiwillig oder durch Auflagen der Betriebsgeneh-igung mehr für den Schallschutz getan, als es das Ge-etz von ihnen verlangt. Wenn es nach der heutigenechtslage, nach dem heutigen Fluglärmgesetz, ginge,ann wäre beispielsweise an meinem Heimatflughafen
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Michael Kauchin Dortmund die Schutzzone 1 an der Startbahn und dieSchutzzone 2 am Terminal zu Ende. Das ist der Standdes Fluglärmgesetzes von 1971. Deshalb haben wir er-heblichen Handlungsbedarf.Ich möchte an dieser Stelle aber auch den Sorgen be-gegnen, die Bürger im Blick darauf haben, was dennpassiert, wenn wir jetzt ein Gesetz verabschieden, esaber eine Betriebsgenehmigung gibt, die einen stärkerenLärmschutz vorsieht. Ich denke, alle – auch die Schutz-gemeinschaften gegen Fluglärm – sollten dazu beitra-gen, dass in der Diskussion Sachlichkeit einkehrt. Wennwir hier ein Gesetz verändern, das Mindeststandardssetzt, dann hebt das natürlich nicht die bestehendenBetriebsgenehmigungen auf.Wir begrüßen, dass die Bundesregierung einen Ge-setzentwurf vorgelegt hat. Wir begrüßen aber ausdrück-lich nicht, dass sie diesen Gesetzentwurf vorgelegt hat;denn sie macht damit nichts anderes, als die Fehler derVorgängerregierung eins zu eins zu übernehmen.
Herr Gabriel, Sie sind mit Ihrem Entwurf eines Flug-lärmgesetzes weiter gekommen als der Kollege Trittin,der heute ebenfalls unter uns weilt. Inhaltlich ist es aberkein Fortschritt gegenüber der Einigung vom Mai, diedas Kabinett nie erreicht hat. Dieses Fluglärmgesetz istweit davon entfernt, einen angemessenen Interessenaus-gleich zwischen den betroffenen Anwohnern, den Nut-zern und den Flughafenbetreibern zu leisten. Vor allemmüssen wir feststellen: Auch Sie begehen mit Ihrem Ge-setzentwurf den trittinschen Fehler, beim LärmschutzBürger erster, zweiter und dritter Klasse zu schaffen.
Anwohner von Militärflughäfen sollen lediglich beiGrenzwerten geschützt werden, bei denen nach einhelli-ger Einschätzung der Lärmwirkungsforschung eine Ge-sundheitsgefährdung besteht. Sie argumentieren, das seidurch die besondere Situation in den Tagesrandlagen be-gründet. Natürlich ist das Lärmbild an einem Militär-flughafen ein anderes als an einem Verkehrsflughafen.Die Grenzwerte, über die wir reden, sind aber bereitsMittelwerte. Das heißt: Wenn man in den Tagesrandla-gen eine niedrigere Belastung als an den Verkehrsflughä-fen hat, dann ist sie während des Tages umso größer. Esgibt in diesem Land auch Menschen, die nachts im Spät-dienst oder frühmorgens arbeiten und während des Tagesihre Ruhephasen brauchen. Deshalb müssen alle An-wohner, wenn es um Mittelwerte über den Tag geht,gleich behandelt werden.
An den neuen und auszubauenden Flughäfen wollenSie Schallschutzmaßnahmen schon deutlich früher be-zahlen lassen als an Bestandsflughäfen. Es ist ein durch-aus diskussionswürdiges Argument, zu sagen: Wenn je-mand einen neuen Flughafen baut, dann muss es einenInteressenausgleich zwischen ihm und den Anwohnerngeben. Die Frage aber ist: Was ist das Schutzziel desFluglärmgesetzes? Das Fluglärmgesetz hat das Ziel, Ge-sundheitsschutz sicherzustellen; das LuftverkehrsrechthhfihetwgwiLdrcaeKeslsdfnftwsmurdkFswsstisbbnalz
Wir, die FDP-Fraktion, wollen anspruchsvolle Grenz-erte, die dem aktuellen Stand der Lärmwirkungsfor-chung entsprechen. Wir wollen, was die Schallschutz-aßnahmen angeht, eine Gleichbehandlung des zivilennd des militärischen Fluglärms. Wir wollen die Einfüh-ung strenger Nachtschutzzonen. Dabei sollten wir inen Ausschussberatungen noch einmal darüber nachden-en, ob es möglicherweise sinnvoll ist, im Gesetz dierage der Einzelschallereignisse gegenüber dem Dauer-challpegel stärker zu gewichten; denn gerade die Auf-achreaktionen in der Nacht, die gesundheitsgefährdendind, kommen nicht so sehr durch den Dauerschallpegel,ondern durch laute Einzelereignisse zustande. Da soll-en wir uns das Gesetz noch einmal genauer anschauen.
Die Grünen haben die so genannte 100/100-Regelungn ihrem Antrag wieder aufgewärmt, obwohl Herr Trittinie bereits aus dem Gesetzentwurf gestrichen hatte. Wiritten die Bundesregierung daher, bei ihrem Kurs zuleiben; denn es muss darum gehen, realistische undicht hypothetische Belastungsszenarien in das Gesetzufzunehmen.
Es ist wichtig, zu fragen: Wie wollen wir die Sied-ungssteuerung betreiben, um nicht die Zahl derjenigenu erhöhen, die durch Lärm belastet werden? Deshalb
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Michael Kauchwäre es sinnvoll, die Bauverbote im Fluglärmgesetz zuverschärfen. Die Bundesregierung macht in ihrem Ge-setzentwurf das Gegenteil: Die Bauverbote werden gelo-ckert. Auch darüber müssen wir im Ausschuss noch ein-mal dringend reden; denn es kann nicht sein, dass, umden von Ihnen angesprochenen Bürgermeistern Gutes zutun, Bauvorhaben genehmigt und Häuser errichtet wer-den, in denen später Menschen wohnen, die erneutSchallschutzmaßnahmen einfordern, die finanziert wer-den müssen.Eines ist an diesem Vorgang bemerkenswert: Der Mi-nister hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, dem die CDU/CSU auch zugestimmt hat. Noch vor der Entscheidungim Kabinett hat die Kollegin Reiche jedoch eine sogrundsätzliche Kritik an diesem Gesetzentwurf in einerPressemitteilung verbreitet, dass man sich fragen muss,ob dieser Gesetzentwurf überhaupt in der Koalition ab-gestimmt wurde. Darüber hinaus muss man die KolleginReiche fragen, ob sie sich jemals mit diesem Thema be-schäftigt hat; denn über ihre Argumente zur Kosten-schätzung wurde in den letzten Monaten ausführlich dis-kutiert und die Probleme sind einvernehmlich zwischenden Betreibern und den Fluglärmgegnern geklärt wor-den.An dieser Stelle möchte ich dazu aufrufen, die sachli-chen Fragen des Gesetzentwurfs zu klären. Die liberaleOpposition wird sich für einen angemessenen Interes-senausgleich einsetzen.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Ulrich Petzold,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kauch,selbstverständlich können wir manchem Argument fol-gen. Sie haben die Militärflughäfen angesprochen. Dazumöchte ich Ihnen etwas sagen. Wenn Sie die DLR-Stu-die und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münsterrichtig lesen, dann kommen Sie nicht umhin, der Rege-lung zuzustimmen, die wir gefunden haben.Lärm ist eine Geißel der modernen Zivilisation.
In einer Zeit, in der Hektik und Stress immer mehr denLebensrhythmus sehr vieler Menschen bestimmen, steigtdas Bedürfnis nach Erholung und Ruhe. Waren Ruheund Stille in den vergangenen Jahrhunderten noch etwasSelbstverständliches, wurde das Recht auf akustischeUngestörtheit in den letzten Jahren immer mehr zumLuxusgut.Ein wesentlicher Störfaktor für die meisten Bürger istder Verkehrslärm, vor allem die Geräusche, die durchden zunehmenden Luftverkehr entstehen. Die Zahl derdsPFlsmWgczaVth5ddiL3AoaFwbdpsfedz2lladtzBRsEeüIb
s muss unser Ziel sein, den Gesetzgebungsvorgang ininem überschaubaren Zeitraum abzuschließen.
Mit wachsender Sorge sehe ich jedoch ein Problem,ber das gesprochen werden muss. Die Rechtsabteilunghres Hauses, Herr Minister Gabriel, hat die Gesetzge-ungskompetenz für den vorliegenden Gesetzentwurf
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Ulrich Petzoldmit Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 und Art. 73 Nr. 6 des Grundge-setzes begründet. Dagegen steht die Auffassung derBundesländer. Sowohl das Fluglärmgesetz aus dem Jahr1971 als auch dessen zwischenzeitliche Änderungenwurden mit Zustimmung des Bundesrates verabschiedet.Mit der Novelle sollen die den Ländern im Rahmen derBundesauftragsverwaltung übertragenen Vollzugsaufga-ben mit den entsprechenden Kostenfolgen erheblich aus-geweitet bzw. neu begründet werden. Damit würde dasGesetz unmittelbar in die Verwaltungskompetenz derLänder im Sinne von Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzeseingreifen und es bedarf daher nach Auffassung der Län-der zwingend der Zustimmung des Bundesrates.Herr Bundesminister, ich habe die Befürchtung, dasssich die Rechtsabteilung Ihres Hauses in der Frage derZustimmungsbedürftigkeit durch die Länder etwasvergaloppiert hat. Ich unterstelle nicht einmal, dass IhreJuristen Unrecht haben, das nicht. Aber wir haben in dervorherigen Legislaturperiode auch schon versucht, dasHochwasserschutzgesetz – daran können Sie sich sehrgut erinnern, Herr Trittin – zustimmungsfrei durch denBundesrat zu bekommen.
Das Ende vom Lied war, dass der Bundesrat mit einerZweidrittelmehrheit seine Kompetenz für das Hochwas-serschutzgesetz erklärte. Dadurch war es mit der geplan-ten Zustimmungsfreiheit vorbei. Sie wissen das ganz ge-nau.
Da halfen dann auch keine Appelle an die ParteidisziplinIhrer rheinland-pfälzischen Umweltministerin Conrad.Es hatte sich eine Phalanx von Ländern gebildet, die einJahr Verhandlungen zur Folge hatte, uns also ein JahrStillstand gekostet hat.
Dies hätte bei rechtzeitigen, vertrauensvollen Gesprä-chen sicherlich vermieden werden können. Genau dasfordern wir ein.
Wir brauchen diese vertrauensvollen Gespräche auchin unserer Fraktion. Ich denke an die nicht gerade pri-ckelnde Unterrichtung durch einen Ihrer Abteilungsleiteram Dienstag. Ich denke, der Umgang Ihres Hauses – dashaben Sie bewiesen – kann ein ganz anderer sein. Ichhoffe auf eine sehr gute Zusammenarbeit in den nächstenWochen.Ich gehe mit Sicherheit davon aus, dass sich die Posi-tionen nicht so wesentlich unterscheiden und durchaus inÜbereinstimmung gebracht werden können. Deswegenmuss es uns in den nächsten Wochen darum gehen, fol-gende Fragen frühzeitig auszuräumen: Inwieweit dürfenin Fluglärmzonen überhaupt noch Wohngebäude oderlärmsensible Einrichtungen errichtet werden? Muss esndwLtIswlcpWsLmasczsWFtWzzkdbnwshlegns–lF
Das Wort hat nun der Kollege Lutz Heilmann, Frak-
ion Die Linke.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!as lange währt, wird leider nicht immer gut. Seit Jahr-ehnten wird über die Novellierung des Fluglärmgeset-es gesprochen. Rot-Grün hat sieben Jahre lang ange-ündigt, einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen. Jetztürfen wir im Bundestag über diesen Gesetzentwurf de-attieren. Eine lange Lagerung führt zwar meist zu ei-em guten Wein, nicht aber zu einem guten Gesetzent-urf.Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein reiner „Schall-chutzfenster-Fördergesetzentwurf“. Kein einziger Flug-afen wird dadurch leiser und kein Anwohner wird wirk-ich vom Fluglärm entlastet. Dieser Gesetzentwurf istin reiner Erstattungsgesetzentwurf, in dem die Zahlun-en der Flughäfen an die Anwohner geregelt werden.
Wenn wir über Fluglärm reden, dürfen wir aber nichtur über Schallschutzfenster oder technischen Fortschrittprechen. In der Tat würde zwar das einzelne Flugzeugwenn auch zu langsam, so aber doch kontinuierlich –eiser. Gleichzeitig würde sich jedoch die Anzahl derlüge verdoppeln, in Deutschland in etwa alle 20 Jahre.
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Lutz HeilmannDie Folge wäre, dass der Fluglärm insgesamt deutlichzunehmen würde.Noch dramatischer sind die Klimafolgen des Flug-verkehrs: Er ist auf dem besten Weg, zum KlimakillerNummer eins zu werden. So überstiegen die Klimafol-gen des Luftverkehrs bereits im Jahre 2000 die der welt-weiten PKW-Flotte.Der Anteil des Flugverkehrs am globalen Treibhaus-effekt beträgt bereits 9 Prozent; die Tendenz ist steigend.Aufgrund massiver Subventionen sind im Luftverkehrsehr hohe Wachstumsraten zu verzeichnen. Gleichzeitigallerdings schädigt er die Umwelt am meisten. Daherfordern wir den Abbau aller Subventionen für den Flug-verkehr.
Denn der Abbau der Subventionen würde selbst nach derniedrigsten Berechnung jedes Jahr mehr Geld einbringenals das Fluglärmgesetz in den nächsten zehn Jahren anKosten verursacht.Noch immer gibt es keine Kerosinsteuer, noch immerzahlt der internationale Luftverkehr keine Mehrwert-steuer und noch immer werden die Billigflieger vonFlughäfen massiv subventioniert. All dies ist nicht län-ger hinnehmbar. Denn im Gegensatz dazu sind in denTicketpreisen der wesentlich umweltfreundlicherenBahn Mineralölsteuer-, Stromsteuer- und Mehrwertsteu-erzahlungen enthalten.
Allein diese Bestandteile kosten die Kunden oft mehr alsein Flugticket. Wir hoffen, dass die EU ihre Planungenhinsichtlich der Einbeziehung des Luftverkehrs in denEmissionshandel nun umsetzt und dass die Bundesregie-rung dieses Vorhaben aktiv unterstützt.Werte Kolleginnen und Kollegen, das Fluglärmgesetzbringt einige Verbesserungen für die betroffenen Men-schen. Es ist aber bei weitem nicht ausreichend. Fürwirklichen Lärmschutz müssten echte Grenzwerte ein-geführt werden, die nicht überschritten werden dürften.
Diese würden die Flughafenbetreiber zwingen, aktiveMaßnahmen zur Senkung des Fluglärms durchzuführen,zum Beispiel Beschränkungen für laute Flugzeuge undNachtflugverbote. Leider schafft der vorliegende Ge-setzentwurf keine rechtliche Grundlage für Nachtflug-verbote. Die gewählten Grenzwerte für die Tagschutz-zonen sind nicht ausreichend. Ein wirksamerGesundheitsschutz der Anwohner ist somit nicht ge-währleistet.An einigen Flughäfen – der Minister sprach es an –wurden in letzter Zeit Grenzwerte für den Schallschutzfestgelegt, die strenger sind als die, die im jetzt vorgeleg-ten Gesetzentwurf enthalten sind. In der Praxis sindniedrigere Grenzwerte also machbar. Die vorgesehenenGrenzwerte führen, wie der Minister richtig sagte, zuMehrkosten von umgerechnet maximal 1 Euro. Ich binmir sicher, unsere und auch Ihre Wähler zahlen gerneasshhawrswÜawlRDsrwfdBteFvbFBgzFktlShhvnfSgawvbsn
Die vorgesehene Einführung einer Nachtschutzzoneehe ich zwar als eine deutliche Verbesserung an, dieierfür vorgeschlagenen Grenzwerte sind aber noch zuoch. Statt des Wertes von 50 dB , der überdies erstb 2011 gelten soll, muss schnellstmöglich ein Grenz-ert von 45 dB angesetzt werden. Nur so kann ga-antiert werden, dass Anwohnern Schlafstörungen er-part bleiben. Eine Übergangsregelung bis 2011iderspricht doch dem gesunden Menschenverstand.bergangsfristen von bis zu 13 Jahren für den Anspruchuf Schallschutz verhöhnen die Betroffenen, die teil-eise seit Jahrzehnten auf eine Minderung der Lärmbe-ästigung warten. Ich empfehle allen Schöpfern dieseregelung, in die Nähe eines Flughafens zu ziehen.
ort können Sie einen Praxistest durchführen; ich wün-che Ihnen ein gutes Durchhaltevermögen.Die Festsetzung der Tagschutzzone 2 hat fast keineechtlichen Konsequenzen. Wir fordern deswegen, dassie in der Tagschutzzone 1 Erstattungssysteme einge-ührt werden. Die Bauverbote in Schutzzonen werdenurch viele Ausnahmeregelungen ausgehebelt. Statt dieebauung einzuschränken, werden die Baumöglichkei-en mit diesem Gesetz sogar ausgeweitet. Damit entfälltin wesentlicher Vorteil des Fluglärmgesetzes für dielughafenbetreiber, die zu Recht darauf hinweisen, dassiele der heute von Lärm Betroffenen in die Nähe einesestehenden Flughafens gezogen sind.Die so genannte 100/100-Regelung zur Messung desluglärms ist im Gegensatz zum Referentenentwurf desMU von 2004 entfallen. Die stattdessen vorgeschla-ene Sigma-Regelung wird bei der Lärmmessung zu bisu 4 dB niedrigeren Nominalwerten führen. Dieolge ist, dass die Schutzzonen um bis zu 30 Prozentleiner ausfallen. Da sich die FDP-Fraktion in ihrem An-rag explizit gegen die Anwendung der 100/100-Rege-ung ausspricht, können wir diesem nicht zustimmen.Zum Antrag der Grünen. Auf Dauer werden Sie Ihrenpagat zwischen Regierung und Opposition nicht durch-alten. Die niedrigeren Lärmgrenzwerte für Militärflug-äfen sind sachlich nicht zu begründen. Die Differenzon 3 dB hört sich zwar wenig an, entspricht aber ei-er Verdoppelung des Verkehrs. Anwohner von Militär-lughäfen haben außerdem nur einen Anspruch aufchallschutzfenster, Anwohner von Zivilflughäfen hin-egen haben zusätzlich einen Anspruch auf Belüftungs-nlagen.Herr Minister, da Sie auf die Kommunalpolitiker hin-eisen, würde ich gern erwähnen, dass viele Kommunenom Tourismus leben, auch in meiner Gegend, um Lü-eck, wo regelmäßig Tiefflüge auf der Tagesordnungtehen. Ich bitte, in der Debatte über das Gesetz daraufoch einmal zu sprechen zu kommen.
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Lutz HeilmannDie Bevorzugung von Militärflughäfen soll einzigden Bundeskriegsminister
wohl gesonnen stimmen, dem der Schutz der heimischenBevölkerung anscheinend wenig am Herzen liegt undder das Geld eher für kriegerische Einsätze der Bundes-wehr benötigt.Werte Kolleginnen und Kollegen, über diese und an-dere Regelungen des Gesetzentwurfs werden wir imAusschuss sicher ausführlich beraten. Ich verspreche Ih-nen, dass wir uns dabei massiv für den Schutz der Lärm-betroffenen einsetzen werden.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Winfried
Hermann, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Um es vorweg zu sagen: Wir Grünen begrüßenes außerordentlich, dass der jetzige Bundesumwelt-minister Gabriel den unter Rot-Grün erarbeiteten Ge-setzentwurf, den Jürgen Trittin durch das Kabinett und inden Bundesrat gebracht hat, hier einbringt. Das freutuns; das bekennen wir ganz offen.
Wir waren davon überrascht.Wir werden uns nicht aus der Verantwortung stehlen,wie es andere machen. Damit will ich zum „Spagat“kommen: Kollege Heilmann, der schlimmste Spagat,den es gibt, ist der, den die PDS im Osten macht nachdem Motto „Wir im Osten haben das gleiche Recht aufFluglärm wie der Westen“. Ihre Bürgermeister im Ostenkämpfen, aber um Fluglärm und um Flughäfen, währendSie hier im Bundestag so tun, als seien Sie die vordersteFront der Lärmschutzinitiativen. Das ist nicht glaubwür-dig.
Wir begrüßen diesen Gesetzentwurf. Ein solches Ge-setz wird einen Fortschritt gegenüber dem rechtlichenZustand der vergangenen 35 Jahre bedeuten; das kannman doch nicht übersehen. Das alte Gesetz ist in jederHinsicht unzulänglich. Um es bildlich zu sagen: Es wäreso, als wenn es im Automobilbereich noch heute die Ab-gasnormen und Grenzwerte der 60er-Jahre gäbe. So istin etwa die derzeitige Situation im Bereich Fluglärm. Eskann uns Parlamentarier doch nur ärgern, wenn inDeutschland in unserer parlamentarischen Demokratienicht mehr das Parlament Recht setzt, sondern die Rich-ter das tun. Insofern ist es wichtig, dass wir bei der Erar-beitung eines solchen Gesetzes endlich in die Gängekommen.FldBhiswOkebfazedsLsggDaLSnsrwhdwwGNsewDaFapqkwft
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Uns stört auch, dass die zeitliche Streckung für Ent-schädigungszahlungen viel zu lang ist. Menschen, dieschon seit 20 oder 30 Jahren auf Maßnahmen warten,können nicht noch weitere zehn Jahre warten, bis sieendlich Geld für Schallschutzmaßnahmen bekommen.Schließlich ist es – da bin ich mit Ihnen, Herr Kauch,einer Meinung – nicht angemessen, dass Bürgerinnenund Bürger, die von militärischem Fluglärm betroffensind, schlechtere Entschädigungsregeln haben. Da habenSie vollkommen Recht. Der Verteidigungsministermöchte natürlich nichts aus seinem Etat hergeben. Dasmuss das Parlament zurückweisen und sagen: Wir wol-len Gleichheit zwischen beiden Lärmbelastungen.
Ein weiterer Punkt. Das Gesetz rechnet nach einerMethode, die in Europa nicht mehr gängig ist. Die Um-gebungslärmrichtlinie definiert die neuen Lärmindizes„Lden“ und „Lnight“. Diese sollten wir heutzutage nichtmehr unterbieten; denn das ist der moderne messtechni-sche Standard. Wir wissen, dass wir an der alten Me-thode festgehalten haben, weil man mit dieser Methodeetwas verstecken kann. Ich meine, das Parlament, dasimmer sagt, dass es das europäische Recht eins zu einsumsetzen will, sollte das auch bei den Messmethodentun. Es muss eins zu eins und nicht eins zu minus einsumgesetzt werden.
Unser letzter Kritikpunkt betrifft die Bauverbote.Auch die Flughafenbetreiber sagen, in den letzten Jahrensei immer näher an die Flughäfen herangebaut worden.Das treibe die Kosten hoch. Man muss den Mut haben,Bauverbote auszusprechen. Das ist durch das Gesetz zu-nächst einmal möglich. Zusätzlich enthält es aber zahl-reiche Ausnahmen, durch die das Bauverbot so unterlau-fen wird, dass es damit praktisch kaputtgeschossen ist.Auch hier muss nachgebessert werden.
Ich komme zum Schluss. Wir brauchen ein neuesFluglärmgesetz mit besseren und anwohnerbezogenenGrenzwerten. Wir sagen es ganz offen: Bei einer solchenRegelung müssen wir eine Balance zwischen dem Flug-verkehr, der Flugwirtschaft und den Anwohnern finden.Sie darf eben nicht dauerhaft zulasten der Anwohner ge-hen. Man darf nicht immer zuallererst nur an die Interes-sen der Flughäfen und nicht an die der Anwohner den-ken.grFDzPiuCiwbasrttuKsErBeJbhelrBwvgdbvzsgS
s gab sehr wohl nicht nur im Bundesumweltministe-ium, sondern natürlich auch in den zuständigen Häusernundesinnenministerium und Bundesjustizministeriumine juristische Prüfung.Wir sprechen heute hier über ein in den vergangenenahren gewachsenes Umweltproblem in der Bundesrepu-lik, die Lärmemissionen. Insbesondere der Fluglärmat sich durch den stetigen Anstieg des Flugverkehrs zuinem ernsthaften Problem entwickelt. So fühlen sichaut Umweltbundesamt 12 Prozent der Gesamtbevölke-ung durch Fluglärm wesentlich belästigt. In einigenundesländern sind es sogar 41 bzw. 44 Prozent der Ein-ohner.Aus der Belastung durch Fluglärmemissionen ist füriele Menschen ein ernstzunehmendes Umweltrisikoeworden. Umso mehr freue ich mich, dass wir heute iner ersten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ver-esserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebungon Flugplätzen das mittlerweile 35 Jahre alte Gesetzum Schutz gegen Fluglärm den aktuellen Erfordernis-en anpassen können. Aus meiner Sicht ist es sehr zu be-rüßen, dass durch die Neufassung des Gesetzes zumchutz gegen Fluglärm wesentlich mehr Bürgerinnen
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Marko Mühlsteinund Bürger in der Umgebung der Flughäfen Ansprücheauf Schallschutz erhalten werden. Außerdem wird füreine weitblickende Siedlungsplanung in lärmbelastetenBereichen um Flughäfen gesorgt, um zukünftigen Lärm-konflikten besser vorzubeugen.Werte Kolleginnen und Kollegen, in der Novelle sinddie Grenzwerte für die Lärmschutzzonen deutlich he-rabgesetzt worden. Zugleich wird mit der Neuregelungauf eine stärkere Harmonisierung mit den Lärmschutz-standards beim Neu- und Ausbau von Straßen- undSchienenwegen abgezielt. Hierfür gibt es mit der16. Bundes-Immissionsschutzverordnung ja bereits seit1990 eine analoge Lärmschutzregelung.Schauen wir zurück auf das Gesetz zum Schutz gegenFluglärm von 1971, das derzeit noch gilt. Danach bestehtein Anspruch auf baulichen Schallschutz für Wohnungenerst, wenn der Fluglärm 75 Dezibel überschreitet. Beiderart hohen Belastungen müssen die Menschen nichtnur massive Störungen und Beeinträchtigungen ihrer Le-bensqualität hinnehmen, in unterschiedlichen wissen-schaftlichen Studien wird auch aufgezeigt, dass derarti-ger Lärm vor allem zu Herz-Kreislauf-Störungen führt.Die vom Bundeskabinett am 1. Februar dieses Jahresverabschiedete Novelle des Fluglärmgesetzes sieht dahervor, den Grenzwert für die Tagschutzzone 1 bei Ver-kehrsflugplätzen auf 65 Dezibel zu senken. Wird einVerkehrsflughafen wesentlich ausgebaut, soll der An-spruch auf baulichen Schallschutz für Wohnungen imFlughafenumland bei einem fluglärmbedingten Mitte-lungspegel von 60 Dezibel einsetzen.Diese notwendigen Verschärfungen der Lärmgrenz-werte für die Tagschutzzonen um 10 bis 15 Dezibelorientieren sich maßgeblich an den Empfehlungen desSachverständigenrates für Umweltfragen. Diese Pflich-ten sollen künftig für alle Verkehrsflugplätze gelten unddarüber hinaus für die größten Verkehrslandeplätze. Ne-ben den zivilen Verkehrsflugplätzen erfasst der Gesetz-entwurf auch die militärischen Flugplätze. Erstmals wer-den für Flughäfen mit relevantem Nachtflugbetrieb auchnachts Schutzzonen festgelegt. Ziel dieser Neuregelungist es, die von Nachtfluglärm betroffenen Menschen vorgesundheitsrelevanten Schlafstörungen zu schützen.Das novellierte Fluglärmgesetz wird in den nächstenzehn Jahren Investitionen in den Lärmschutz auslösen.Bundesminister Gabriel sprach vorhin von den zu erwar-tenden Kosten und erwähnte, dass ein Flugticket da-durch in Zukunft um circa 1 Euro teurer werden wird.Diese Kostenbelastungen können angesichts von Kero-sinzuschlägen und Sicherheitsgebühren in beträchtlicherHöhe aus meiner Sicht nicht als Wettbewerbsnachteil ge-genüber anderen Verkehrsträgern oder gegenüber Flug-häfen im Ausland bewertet werden.
Zukünftig werden nicht mehr Gerichtsurteile landaufund landab entscheiden, wie die Flughäfen ausgebautwerden können. Mit den verbindlich geregelten Eckda-ten dieser Gesetzesnovelle gewährleisten wir als Gesetz-geber nach 35 langen Jahren eine verlässliche Planungs-und Rechtssicherheit, wovon der Standort DeutschlandaalkdnlwbcKWJvdDdbFAf–sJugGSAnsdNv
icht aber für die vorliegende Novellierung des Flug-ärmgesetzes. Schließlich haben wir mit dem Gesetzent-urf einen angemessenen Interessenausgleich erzielt,ei dem das Ziel der Ausgewogenheit mit hoher fachli-her Präzision erreicht wurde.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Norbert
önigshofen, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ir sind uns einig: Das Fluglärmgesetz aus demahre 1971 muss novelliert werden. Wachstum des Flug-erkehrs und gestiegene Sensibilität der Menschen – allas spricht dafür: Es besteht dringend Handlungsbedarf.ie Rechtsprechung der deutschen Gerichte ist weit überie Regelungen des Gesetzes hinweggegangen. Wirrauchen also eine grundlegende Modernisierung derluglärmgesetzgebung. Unser Ziel ist, einen fairenusgleich zwischen Ökologie und Ökonomie zu schaf-en.
Der Luftverkehr ist für uns alle wichtig. Deswegendas müssen wir bei aller Koalitionsfreundschaftagen – ist es natürlich ein Jammer, dass wir siebenahre lang nur Versprechungen gehört haben
nd es erst jetzt zu einer Novellierung dieses Gesetzesekommen ist. Nun wissen wir: Die SPD hat es mit denrünen nicht immer leicht gehabt. Da hat häufig derchwanz mit dem Hund gewackelt.
ber wir müssen jetzt zu einem Ergebnis kommen.Wir nehmen in Kauf, dass dieser Entwurf aus rot-grü-er Regierungszeit heute eingebracht wird. Wenn ichage, dass wir das in Kauf nehmen, dann heißt das nicht,ass wir diesen Entwurf für das Nonplusultra halten.ein, wir sind der Auffassung, dass dieser Entwurf anielen Stellen unausgewogen ist, bei dem es also
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Norbert KönigshofenVerhandlungs- und Diskussionsbedarf gibt, nach unsererMeinung auch Veränderungsbedarf.
Wir haben in den letzten Jahren immer wieder dieVorstellungen insbesondere der Grünen in einigen Punk-ten kritisiert. Daran hat sich auch nichts geändert, seitwir in die Regierung gekommen sind. Im Gegenteil: Wirhaben dadurch vermehrt die Möglichkeit, unser Gedan-kengut mit einzubringen.Das Gesetz muss also zeitgemäße Lärmschutzstan-dards vorsehen. Es muss Rechts- und Planungssicherheitfür die Flughäfen garantieren; es muss aber auch dieWettbewerbsfähigkeit der deutschen Luftverkehrswirt-schaft sichern.
Wir haben stolz zur Kenntnis genommen, dass wirwieder Exportweltmeister sind. Man muss in diesem Zu-sammenhang berücksichtigen, dass rund 40 Prozent derdeutschen Ausfuhren per Luftfracht abgewickelt wer-den. Der Status als führende Exportnation setzt insofernein funktionierendes Luftverkehrswesen voraus.
Darüber hinaus hängen allein 750 000 Arbeitsplätzedirekt und indirekt vom Luftverkehr ab. Der Luftverkehrist also eine Jobmaschine. Auch das müssen wir bei derNeufassung des Gesetzes berücksichtigen.In dem Gesetzentwurf werden Entschädigungsrechtund Fachplanungsrecht vermischt. Darüber müssen wirreden. Einigen der heutigen Beiträge war zu entnehmen,dass auch von anderer Seite Diskussionsbedarf besteht.Des Weiteren müssen die bestehenden Ausnahmere-gelungen bei Bauverboten eingeschränkt werden. Es istdoch unsinnig, den Menschen zu ermöglichen, immernäher an die Flughäfen heranzubauen, und dann von denFlughafenbetreibern zu fordern, Lärmschutzmaßnah-men zu finanzieren. Ein solches Vorhaben kann nichternsthaft verfolgt werden. In diesem Punkt muss nachge-arbeitet werden.
Mein Kollege Petzold hat auf einige weitere Punktehingewiesen, die ich nicht wiederholen will. Wir stehenam Anfang der parlamentarischen Beratungen. Die Dis-kussion wird zeigen, ob eine Anhörung erforderlich ist.Die Union geht mit der Absicht in die Verhandlungenhinein, einen fraktionsübergreifenden Kompromiss zuerzielen. Wir wollen im Luftverkehr nicht nur mit demKoalitionspartner allein, sondern – wie es unserer Tradi-tion entspricht – mit allen gemeinsam etwas auf den Wegbringen. Wir hoffen auf gute Gespräche und ein gutesErgebnis für die lärmgeplagten Menschen und für dieWirtschaft, die sich im weltweiten Wettbewerb behaup-ten muss. Sie muss sich auch in unserem Interesse be-haupten.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.CLmw1nskMbgzbnddcgGLTndfsibDdNltgfvhwDd
Ich erteile das Wort dem Kollegen Christian
arstensen, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deruftverkehr ist einer der herausragenden Wachstums-ärkte in unserem Land. Das ist bereits festgestelltorden. Allein im vergangenen Jahr wurden über65 Millionen Passagiere befördert. Das entspricht ei-em Plus von über 6 Prozent gegenüber 2004.Etwa 270 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerind direkt in der Luftverkehrswirtschaft tätig. Dazuommen durch indirekte Effekte noch eine weitere halbeillion zusätzliche Arbeitsplätze.Das ist gut für die beschäftigten Menschen und dieetroffenen Regionen und es ist gut für unser Land ins-esamt,
umal ein Ende des Wachstums und damit auch des Auf-aus zusätzlicher Beschäftigung in diesem Bereich inaher Zukunft nicht zu erwarten ist. Im Gegenteil: Fürie nächsten 15 Jahre wird sogar von einer weiteren Ver-oppelung der Luftverkehrsleistungen und einer entspre-hend positiven Beschäftigungsentwicklung ausgegan-en.Verkehrspolitisch werden wir auch im Rahmen dieseresetzgebung darauf achten, den Wachstumsbereichuftverkehr zu unterstützen. Allerdings hat auch dieserrend eine Kehrseite. Mehr Flugverkehr schafft nichtur mehr Arbeitsplätze und zusätzliche Mobilität, son-ern bringt leider immer zusätzliche Lärmbelastungenür die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner mitich. Das ist schon mehrfach angesprochen worden undch kenne das auch aus meinem eigenen Wahlkreis Ham-urg-Nord/Alstertal sehr genau.
Wenn sich inzwischen mehr als jeder dritte Bürger ineutschland von Fluglärm gestört fühlt, dann macht diesen bestehenden Handlungsbedarf überdeutlich. Eineeufassung des Gesetzes ist insofern dringend erforder-ich. Sie muss zeitgemäße Lärmschutzstandards eindeu-ig festlegen und so den Schutz der Bevölkerung voresundheitsbeeinträchtigendem Lärm verbessern, Kon-likte bei der Siedlungsplanung im Flughafenumfeldermeiden, Rechts- und Planungssicherheit für die Flug-afenbetreiber schaffen und gleichzeitig die Wettbe-erbssituation erhalten.
arin sind sich grundsätzlich alle Beteiligten einig, vonen Flughafenbetreibern bis hin zu den Vertretern von
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Christian CarstensenUmwelt- und Anwohnerverbänden und offensichtlichauch alle Fraktionen hier im Haus. Ich finde, das ist einegute Grundlage für die weitere parlamentarische Arbeit,die mit der heutigen ersten Lesung eingeleitet wird.Dabei sollte es uns um die Sache gehen. Unnötige,fast schon albern-reflexhafte Sticheleien wie von derFDP gegen die rot-grüne Vorgängerregierung sind ausmeiner Sicht wenig hilfreich.
Man kann zwar meinen, dass man in der Opposition soetwas in Anträge schreiben oder hier im Plenum so sa-gen müsse. Ich bin mir aber ziemlich sicher, das bringtIhnen in der Bevölkerung keine Sympathien und ver-stellt eher den Blick auf das Wesentliche, die Diskussionüber die unterschiedlichen Argumente. Natürlich gibt esnoch Diskussionsbedarf im Detail.Zum Schluss möchte ich noch dem Kabinett und ins-besondere unserem Bundesumweltminister für die heu-tige Vorlage des Gesetzentwurfes herzlich danken. Eswar richtig, hinsichtlich der Gesetzesvorlage keine wei-tere Zeit verstreichen zu lassen, nur um etwa angesichtseiner neuen Regierungszusammensetzung in langwieri-gen regierungsinternen Abstimmungen einen geändertenGesetzesvorschlag zu entwickeln, der dann wieder vonallen Seiten kritisch hinterfragt und beleuchtet wordenwäre. Der vorliegende Gesetzestext ist nun lange genugauf Arbeitsebene beraten und abgestimmt worden. Erbietet uns eine gute Grundlage für die weiteren Beratun-gen.Das Ziel guter Politik muss es in diesem Fall sein, denbeschriebenen Ausgleich zwischen den berechtigten In-teressen der Anwohnerinnen und Anwohner, die einerständigen Lärmbelastung ausgesetzt sind, und den eben-falls berechtigten Interessen der WachstumsbrancheLuftverkehr zu erreichen. Im weiteren parlamentari-schen Verfahren werden wir Sozialdemokraten versu-chen, diesen Ausgleich – hoffentlich in Übereinstim-mung mit unserem Koalitionspartner und denOppositionsfraktionen – herzustellen.Vielen Dank.
Herr Kollege Carstensen, das war Ihre erste Rede in
diesem Haus. Ich gratuliere Ihnen dazu sehr herzlich und
wünsche Ihnen weiterhin alles Gute.
Nun hat als letzter Redner in dieser Debatte das Wort
der Kollege Josef Göppel, CDU/CSU-Fraktion.
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Was, das glauben Sie nicht? – Es geht um die Balancewischen kommunaler Planungshoheit und der not-endigen Siedlungslenkung. Diese Balance muss iminzelfall gefunden werden. Die abgestuften Baube-chränkungen und die Ausnahmen davon gehören zu denunkten, die wir in diesem Gesetz im Detail ernsthaftberprüfen müssen.Das, was wir auf jeden Fall ändern wollen, Herrinister Gabriel, und ändern müssen, sind die 20 ver-chiedenen Kriterien für die Definition der Lärm-chutzzonen. Es kann weder ein Bürger noch ein
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Josef GöppelKommunalpolitiker genau feststellen und selber nach-vollziehen, was gemeint ist. Die Klarheit fehlt an dieserStelle.Insgesamt ist das Gesetz ein Schritt nach vorn. Ichdenke, dass wir die Abwägungen, die zwischen demSchutz der Bevölkerung, der Luftverkehrswirtschaft undder Kommunalpolitik zu treffen sind, in den Ausschuss-beratungen richtig justieren.
Ich schließe die Aussprache zu diesem Tagesord-nungspunkt.Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagenauf den Drucksachen 16/508, 16/263 und 16/551 an diein der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-schlagen. Die Vorlagen auf den Drucksachen 16/508 und16/263 sollen zusätzlich an den Ausschuss für Wirt-schaft und Technologie überwiesen werden. Sind Sie da-mit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind dieÜberweisungen so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf:a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungBerufsbildungsbericht 2005– Drucksache 15/5285 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Tourismusb) Beratung des Antrags der Abgeordneten UweSchummer, Ilse Aigner, Michael Kretschmer,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSU sowie der Abgeordneten Willi Brase,Jörg Tauss, Nicolette Kressl, weiterer Abgeord-neter und der Fraktion der SPDNeue Dynamik für Ausbildung– Drucksache 16/543 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendHaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre dazu kei-nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile Frau Bundes-ministerin Dr. Annette Schavan für die Bundesregierungdas Wort.
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Ich mache klare Aussagen: Erstens. Kein Jugendli-her bis zum Alter von 25 Jahren soll länger als drei Mo-ate ohne Ausbildung und Arbeit bleiben.Zweitens. Wir setzen den Nationalen Pakt für Ausbil-ung und Fachkräftenachwuchs fort. Wir werden unsber gleichzeitig um die Weiterentwicklung, um die Ver-nderung und auch um die Modernisierung der Struktu-en der beruflichen Bildung kümmern. Kurz gesagt: Die
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Bundesministerin Dr. Annette Schavanduale Ausbildung wird sich auch in den nächsten Jah-ren nicht per Naturgesetz stabil weiterentwickeln. Esbraucht neue Impulse, neue Dynamik, damit die dualeAusbildung das Herzstück der beruflichen Bildungbleibt. Wir dürfen keine weitere Verstaatlichung der be-ruflichen Bildung – übrigens mit erheblichen Kosten fürdie 16 Länder – zulassen.
Wir müssen den hohen Stellenwert der beruflichenBildung für die Integration der Jugendlichen mit Mi-grationshintergrund sehen. Wer sich Zahlen ausDeutschland anschaut, stellt fest: Bei Jugendlichen imAlter von 15 Jahren ist vieles an Integration noch nichtgelungen. Der Anteil derjenigen in der Bevölkerung miteinem Sekundarstufen-II-Abschluss liegt – quer durchalle Altersgruppen – bei 83 Prozent. Im OECD-Durch-schnitt liegt dieser Anteil bei 64 Prozent. Das heißt,Deutschland hat im internationalen Vergleich einen au-ßerordentlich hohen Anteil an hoch qualifizierten Ab-schlüssen. Dies ist der beruflichen Bildung zu verdan-ken. Sie ist ein äußerst geeignetes Instrument zurIntegration. Sie ist ein äußerst geeignetes Instrument, umJugendlichen, die in ihrer bisherigen Bildungsbiografienoch nicht erfolgreich waren, Erfolge zu ermöglichen,zum Beispiel zu einem qualifizierten Schulabschluss zukommen. Deshalb sollten wir auch das Instrument derberuflichen Bildung für eine bessere Integration, für einebessere Qualifizierung der Jugendlichen mit Migrations-hintergrund nutzen.
Worauf werden sich unsere Maßnahmen konkret be-ziehen? Im Ausschuss haben wir es in dieser Woche kurzangesprochen: Es geht um eine strukturelle Weiterent-wicklung. Es geht um die Stärkung der dualen Ausbil-dung. Es geht darum, dass wir nicht zulassen dürfen,dass immer mehr Jugendliche im Bereich der berufli-chen Bildung 13, 14 oder 15 Schuljahre erleben. „Erle-ben“ ist eigentlich das falsche Wort; denn sie sind völligentmutigt. Sie sind nicht mehr motiviert, weil sie denEindruck haben, in Warteschleifen zu sein, die nicht zueiner wirklichen beruflichen Qualifikation führen.Deshalb werden wir seitens der Bundesregierung jetztin einem nächsten Schritt prüfen: Wo wird das, was dasBerufsbildungsgesetz an Möglichkeiten bietet, genutztund welche Impulse müssen wir setzen, damit es einebessere Verzahnung zwischen beruflicher Vollzeitschuleund dualer Ausbildung gibt? Alle Partner der beruflichenBildung müssen sich darauf einigen, zügig eine vernünf-tige berufliche Bildung zu ermöglichen. Es kann nichtsein, dass Jugendliche, die ein zweijähriges kaufmänni-sches Berufskolleg absolviert haben, dann, wenn sie eineLehrstelle bekommen, wieder von vorn beginnen müs-sen. Wir brauchen einen verantwortungsbewussten Um-gang mit der Lebenszeit.
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Herr Rossmann ruft mir gerade zu, dass es 11 000 sind.s sind 11 000 zu viel.
Erster Punkt der strukturellen Veränderung: besseretrukturelle Verzahnung.Zweiter Punkt: weitere Modernisierung der Ausbil-ungsberufe.Drittens. Im Kontext der Modernisierung von Ausbil-ungsberufen: mehr gestufte Ausbildung. Für gestufteusbildungen gelten zwei Kriterien; auch darüber soll-en wir im politischen Raum Konsens erreichen. Erstesriterium: Die gestufte Ausbildung muss auch Teil einereiter gehenden Ausbildung werden können. Sie darficht Sackgasse sein.
weites Kriterium: Bevor wir eine gestufte Ausbildungulassen, müssen wir im Interesse der Jugendlichen si-herstellen, dass es danach eine Berufstätigkeit gebenann. Wenn diese beiden Kriterien erfüllt sind, danndavon bin ich überzeugt – werden wir deutlich mehrestufte Ausbildungen zulassen können, auch als eineeise der Einstiegsqualifikation. Wenn diese beidenriterien nicht erfüllt sind – auch das sage ich ganz klar –,st gestufte Ausbildung Schwindel, weil sie nicht zu ei-er Berufstätigkeit der Jugendlichen führt.Ein weiterer Punkt: europäische Öffnung, nationalerualitätsrahmen, Leistungspunkte in der beruflichen
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Bundesministerin Dr. Annette SchavanBildung. Dieser Prozess, der bereits läuft, wird uns Gele-genheit geben, auch im internationalen Vergleich dieStärken der beruflichen Bildung festzustellen und von daausgehend die Modernisierung der beruflichen Bildungvoranzubringen.Zwei Drittel aller Jugendlichen durchlaufen einenWeg in der beruflichen Bildung. Deshalb entscheidetsich hier viel über die Zukunftschancen der jungen Ge-neration. Auch deshalb ist dieses Thema ein Schwer-punkt der Bildungs- und Innovationspolitik der Bundes-regierung.Danke schön.
Das Wort hat nun der Kollege Patrick Meinhardt,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Frau Ministerin Schavan, dieser Berufsbildungsbe-richt ist das beste Dokument für das, was in Deutschlandfalsch läuft: Bürokratie pur, Vorschriften ohne Ende, Re-gelungswut bis ins letzte Detail. Damit müssen wir inder Bundesrepublik Deutschland endlich Schluss ma-chen.
Ich darf einmal ein schillerndes Beispiel aus dem Be-rufsbildungsbericht vorlesen:Die Ermächtigungsnorm zum Erlass von Ausbil-dungsordnungen in § 4 in Verbindung mit § 5 BBiGfußt im Kern auf der bisherigen Ermächtigungs-norm in § 25 des Berufsbildungsgesetzes von 1969.Wir haben es alle verstanden.
Wir haben in diesem Land in allererster Linie einmentales Problem: Solange wir in Normen, Vorschriftenund Erlassen denken bzw. – noch viel schlimmer – in derBildungspolitik auch so handeln, werden wir die Zu-kunftsperspektiven in diesem Land nicht nachhaltig ver-bessern. Deswegen die klare Schlussfolgerung für uns:Entrümpeln wir endlich die Bildungsbürokratie!
Die neue Bundesregierung ergänzt jetzt den rot-grü-nen Bericht durch einen schwarz-roten Koalitionsantrag.Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, wir von der FDP haben volles Verständnis.Wenn Sie nämlich nur diesen Berufsbildungsbericht ver-treten müssten, hätten Sie nun wohl arge Argumenta-tionsnöte. Wir sehen Ihnen schon jetzt an, dass Sie sichin1t12FvwMcGvSIlJkssitGAshc–wsambgBRk–
ast jeder vierte Auszubildende bricht seine Ausbildungorzeitig ab und bei der beruflichen Weiterbildung sindir weit abgeschlagen Schlusslicht. Über eine halbeillion Schüler werden nicht ihren Talenten entspre-hend optimal gefördert.Meine sehr geehrten Damen und Herren von Rot-rün, Sie haben in unserem Land sieben wertvolle Jahreerspielt.
ie haben der Generation sieben Jahre Zukunft verbaut.hre Wirtschafts- und Bildungspolitik war für Deutsch-and eine Katastrophe.
etzt ist es Aufgabe dieser schwarz-roten Koalition,eine kleinen Trippelschritte zu machen,
ondern wirklich eine große Koalition zu werden.Unser Hauptproblem ist, dass wir zu wenige Lehr-tellen haben. Zugleich sehen wir, dass die Wirtschaft,nsbesondere der Mittelstand, ihre soziale Verantwor-ung wahrnimmt und selbst dann ausbildet, wenn derewinn des Unternehmens es eigentlich nicht zulässt.llen Unternehmerinnen und Unternehmern, die bereitind, junge Menschen in ihrem Betrieb auszubilden,ierfür – hoffentlich in Ihrer aller Namen – ein herzli-hes Dankeschön.
Die Gewerkschaften hinken ja wohl mehr hinterher,as die Ausbildung angeht.Die Frage ist: Woran liegt es, dass es zu wenige Lehr-tellen gibt? Heinrich von Pierer, der Regierungsberater,nalysiert die fünf Ausbildungshemmnisse sehr treffend:angelnde Vorbildung der Schulabgänger, zu hohe Aus-ildungskosten, die tariflichen Übernahmeverpflichtun-en, die oft zu lange Ausbildungsdauer, viel zu starreerufsbilder. Gerade weil Heinrich von Pierer wie derufer in der Wüste dieser großen Koalition wirkt, einlares Signal von der FDP: Recht hat er!
Sagen Sie das Ihrem eigenen Regierungsberater.
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Patrick MeinhardtJetzt das Programm: Deutschland muss flexibler wer-den. Wissen Sie was? Deutschland ist schon viel fle-xibler, als Sie alle denken. Schauen wir nach Bayern:Hier feiert das Azubi-Sharing mit massiver Unterstüt-zung der bayerischen Liberalen Erfolge.
Mehrere Kleinbetriebe, die jeder für sich nicht die nöti-gen Kapazitäten haben, teilen sich einen Auszubilden-den.Schauen wir nach Nordrhein-Westfalen: Kaum istdort Schwarz-Gelb im Amt, schon gibt es ein Werk-stattjahr, das eben nicht die duale Ausbildung aushe-belt, sondern sie ergänzt und in der Verbindung vonSchule, Praktikum und Beruf Zusatz- und Einstiegsqua-lifikationen ermöglicht.Schauen wir nach Baden-Württemberg: RegionalePakte für Ausbildung sind dort erfolgreich. Der Natio-nale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs, denwir unterstützen, läuft nur so gut, wie er in der Regionaktiv umgesetzt wird. Deswegen haben wir in Baden-Württemberg eine erheblich höhere Zunahme der Be-werberzahlen für eine Lehrstelle.
Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zeigen eshalt: Schwarz-Gelb kann es besser.
Schauen wir in die neuen Bundesländer: Sie machenuns vor, wie wir durch ein kleines Stück mehr an Fle-xibilität ein Mehr an Ausbildungsplätzen hinbekom-men. Der Tarifvertrag zwischen dem Verband der Me-tall- und Elektroindustrie in Sachsen, Sachsen-Anhaltund Thüringen und der Christlichen Gewerkschaft Me-tall zeigt, wie es anders geht. Im Kern beinhaltet der Ta-rifvertrag eine niedrigere Grundvergütung. Diese lässtsich durch Zulagen erhöhen, die für gute Leistung in derBerufsschule gezahlt werden. Einen Bonus gibt es nochobendrauf für einen erfolgreichen Abschluss der Ausbil-dung. Diese Belohnung guter schulischer Leistungen hatsich bisher äußerst positiv auf die Lernergebnisse derAuszubildenden ausgewirkt. Denn der Anreiz, die Höhedes Gehaltes selbst beeinflussen zu können, motiviertund belohnt den Fleiß der Auszubildenden. Das ist einvorbildlicher Weg.
Die Idee fußt auf dem Vorschlag, dass sich drei Aus-zubildende zwei Lehrstellen teilen sollen. Diese Ideewurde jetzt von dem DIHK und seinem PräsidentenBraun in die Diskussion wieder eingeführt,
sie wurde aber schon viel früher geboren, Herr Tauss,nämlich im Herbst 1995. Auch damals gab es eine großeKswebvttWGswz„MAdMn–IeitdSsrzrSs
Deswegen unser liberaler Tipp an die große Koali-ion: Statt noch ein weiteres Sonderprogramm, ein wei-eres JUMP, JUMP plus oder Start-Up sollten wir deneg der sächsischen Wirtschaft und der Christlichenewerkschaft energisch unterstützen und ihn zum politi-chen Programm machen: „Aus zwei mach drei!“
Wenn wir mehr Freiheit wagen wollen, dann müssenir in Deutschland flexibler werden. Nur so werden wiru einer Gesellschaft der wirklichen Chancen werden.Aus zwei mach drei!“ ist ein schlechtes Motto für dieehrwertsteuererhöhung, aber das beste Motto für mehrusbildung in Deutschland.Vielen Dank.
Nun hat die Kollegin Nicolette Kressl, SPD-Fraktion,
as Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kollegeeinhardt, Ihr Beitrag war ein Beispiel dafür, dass lauticht unbedingt inhaltsvoll bedeutet.
Nein, nicht automatisch, Herr Kollege. – Wenn Siehre Energie ein bisschen mehr darauf verwendet hätten,inmal ernsthaft
n den Berufsbildungsbericht hineinzuschauen, dann hät-en Sie gemerkt, dass gerade im Bereich der Ausbil-ungsvergütung schon heute eine extrem differenziertetruktur beispielsweise zwischen Branchen und zwi-chen Ost und West vorhanden ist. Das liegt unter ande-em daran, dass im Berufsbildungsgesetz Möglichkeitenur Flexibilisierung auch im Bereich der Vergütung be-eits verankert sind.
ie sollten sich also diese populistischen Überschriftenparen und sich ernsthaft mit der Thematik befassen.
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Nicolette KresslGemäß der Tagesordnung reden wir heute über denBerufsbildungsbericht und über einen Antrag zum Aus-bildungspakt. Damit verbunden reden wir aber auch überZukunftschancen junger Menschen. Von diesen Chancenhängt es ab, wie stark sie sich mit dieser Gesellschaftund mit diesem politischen System identifizieren. Dennes wird sie für ihr ganzes Leben prägen, ob wir ihnenZukunftschancen geben oder verweigern.
Wir reden auch über die Zukunftsfähigkeit der Wirt-schaft; denn es ist völlig klar, dass es sich niemand leis-ten kann, die Potenziale, die in den Köpfen junger Men-schen stecken, zu verschwenden. In diesem Punkt stehenwir, aber auch die Unternehmen ganz stark in der Pflicht.Wir werden die Unternehmen an ihre Verantwortung imAusbildungsbereich erinnern, wenn sie später über Fach-kräftemangel jammern sollten.
Wir reden natürlich auch über die Zukunftsfähigkeit– Frau Ministerin Schavan hat es angesprochen – desdualen Systems an sich. Ob wir es schaffen, uns hin-sichtlich Quantität und Qualität nach vorne zu bewegen,wird die Zukunft des dualen Systems entscheidend be-einflussen. Entscheidend ist, dass wir es schaffen, füreine Bewegung nach vorne zu sorgen, und dass sichnicht immer weniger Unternehmen an diesem Systembeteiligen und damit zu seiner Aushöhlung beitragen.
Ich habe gerade schon gesagt, dass wir uns sowohl dieQualität als auch die Quantität in diesem Bereich an-schauen müssen. Lassen Sie mich zuerst etwas zur Frageder Quantität sagen. Die unbefriedigende Situation aufdem Ausbildungsstellenmarkt vor ein paar Jahren hatunter der rot-grünen Regierung zu einer intensiven De-batte über die Zukunft von jungen Leuten geführt. Siealle wissen, dass wir uns dann entschlossen haben, denWeg zu einer gesetzlichen Umlagefinanzierung frei zumachen.
Das war zugegebenermaßen eine umstrittene Diskus-sion. Aber diese Diskussion hat dann zu dem geführt,was heute „Ausbildungspakt“ genannt wird. Es darfnicht vergessen werden, wie er zustande gekommen ist.
Im ersten Jahr des Ausbildungspaktes hatten wir einzwar noch nicht ausreichendes, aber erfreuliches Ergeb-nis. Wir konnten nämlich feststellen, dass sich bei denbetrieblichen Ausbildungsplätzen ein Zuwachs um4,8 Prozent einstellte. Die Zahl der außerbetrieblichenAusbildungsplätze ist zwar zurückgegangen. Aber ins-gesamt gab es bei den abgeschlossenen Ausbildungsver-trägen einen Zuwachs um 2,8 Prozent. Das war die Um-kehr des Trends des Abbaus von Ausbildungsplätzen.sdsbrZBSJwZmdlPMwSIzhlbtAidegFdfigAld
Wir sehen jetzt, dass sich dieser positive Trend ab-chwächt. Ich kann an all diejenigen, die am Ausbil-ungspakt beteiligt waren und sind, nur appellieren: Alleollten bitte dafür sorgen, dass nicht diejenigen Rechtekommen, die befürchtet haben – oder dies interpretie-en könnten –, dass nur ein ständiger massiver Druck mitwangsmaßnahmen dazu führt, dass etwas passiert.itte strafen Sie dies Lügen!
orgen Sie dafür, dass die Freiwilligkeit nicht nur einahr, sondern auch mehrere Jahre danach akzeptiertird! Es wird eine entscheidende Frage sein, wie wir inukunft bei Vereinbarungen, was diesen Bereich angeht,iteinander umgehen können.
Vonseiten der Koalitionsfraktionen begrüßen wir aus-rücklich die Entscheidung, die Dauer des Paktes zu ver-ängern. Aber wir begrüßen auch die Entscheidung, denakt weiterzuentwickeln.
an muss wissen: Dieser Pakt ist in sehr kurzer Zeit ent-ickelt und entworfen worden. Da macht es natürlichinn, sich Einzelregelungen noch einmal anzuschauen.ch möchte – wir reden heute ja auch über einen Antragu diesem Thema –, dass die Gedanken des Parlamentsierzu nicht nur in Form von Anträgen auf dem Tischiegen. Wir wollen vielmehr ausdrücklich an die am Pakteteiligten Verhandlungspartner appellieren, diesen An-rag ernst zu nehmen und ihn in die Debatten über denusbildungspakt aufzunehmen.
Wir haben im Koalitionsvertrag auch festgelegt, dassn das Thema des Ausbildungspaktes Fragen der Ausbil-ungsfähigkeit und Möglichkeiten der tariflichen Ver-inbarung einbezogen werden. Das halte ich für eineanz wichtige Aussage.
ür uns Sozialdemokraten – ich gehe fast davon aus,ass auch Sie diese Position teilen; aber ich kann nichtür die andere Fraktion sprechen –
st es völlig unverständlich – das will ich deutlich sa-en –, dass einige Bereiche der Arbeitgeberseite und derrbeitgeberverbände sich konsequent weigern, auf tarif-icher Ebene über die Steigerung der Zahl der Ausbil-ungsplätze zu verhandeln.
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Nicolette Kressl
Dies ist für mich nicht verständlich. Im Bereich derIG BCE und der IG BAU gibt es Beispiele dafür, dassUnternehmensführer selbst sagen: Das ist für uns einegute Lösung. – Wir appellieren deutlich daran, Gesprä-che über eine tarifliche Vereinbarung zu führen; denndies wäre eine massive Unterstützung dessen, was imPakt vereinbart worden ist.Eines ist doch klar: Vor Ort und auf Bundesebene ha-ben sich beispielsweise die Industrie- und Handelskam-mern
– auch die Handwerkskammern –
mit großem Engagement – das will ich anerkennen – inden Pakt eingebracht. Aber dass eine tarifliche Vereinba-rung die Akzeptanz des Paktes wesentlich unterstützenund die Verbände nicht allein lassen würde, liegt dochauf der Hand und wäre ein wesentlich besserer Weg.
Zurück zum Pakt selbst. Ich habe gesagt, dass wir dieFrage der Ausbildungsfähigkeit mit einbeziehen wol-len. Mir ist auf der einen Seite wichtig, dass das Themader Ausbildungsfähigkeit nicht als Alibi benutzt wird,damit Unternehmen sagen können: Wir können nichteinstellen. – Auf der anderen Seite können wir natürlichauch nicht den Kopf in den Sand stecken.
Ich glaube, es gibt eine realistische Betrachtungs-weise in diesem Bereich. Deshalb ist es auch so wichtig,dass Bund, Länder und Wirtschaft in dieser Frage zu-sammenarbeiten. In diesem Zusammenhang sei mir eineAnmerkung zu einem anderen Themenbereich erlaubt:Es ist fraglich, ob es wirklich sinnvoll ist, dass Zusam-menspiel von Bund, Ländern und Wirtschaft zu erschwe-ren.
Ich will im Zusammenhang mit dem Thema der Aus-bildungsfähigkeit etwas zu den Einstiegsqualifizierun-gen sagen. Die Einstiegsqualifizierungen, ein neues In-strument, zeigen offensichtlich Wirkung. Bei derAuswertung des Paktes ist deutlich geworden ist, dass57 Prozent aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer anEinstiegsqualifikationen anschließend in eine beruflicheAusbildung vermittelt werden konnten. Das ist eine guteZahl.
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Ich bin davon überzeugt – das ist heute auch von an-eren Rednern gesagt worden –, dass wir eine Weiterent-icklung, etwas mehr Dynamik brauchen. Wir müssenns Detail- und Einzelfragen anschauen. Aber das Ziel,ungen Menschen Zukunftschancen zu eröffnen, lohntede Anstrengung in diesem Bereich allemal.Vielen Dank.
Das Wort hat nun die Kollegin Cornelia Hirsch, Frak-
ion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ehr geehrte Frau Ministerin Schavan, die Fraktion Dieinke stimmt Ihnen in einem Punkt ausdrücklich zu: Ja,ir brauchen neue Dynamik für Ausbildung.
ber weder das, was bisher vorgetragen wurde, am aller-enigsten das, was von der Fraktion der FDP geäußerturde,
och der Inhalt des vorliegenden Antrags lassen solchine neue Dynamik für Ausbildung erwarten.Zuerst einige Punkte zum Antrag. Erstens – ganzrundsätzlich – liegen dem Antrag offensichtlich wiederie gleichen unrealistischen Zahlen und Einschätzungenur aktuellen Ausbildungssituation zugrunde, über dieir an dieser Stelle schon einmal diskutiert haben. Eineispiel, weil eben schon danach gefragt wurde: Dieusbildungslücke wird im Antrag mit 11 500 Plätzeneziffert. Unsere Fraktion hatte Ende Januar eine Sach-erständigenanhörung und es bestand unter allen einge-adenen Sachverständigen – darunter war auch ein Ab-eilungsleiter aus dem Bundesinstitut für Berufsbildung,
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Cornelia Hirschder die Zahlen wirklich kennen müsste – Konsens da-rüber, dass die tatsächliche Ausbildungslücke bei rund100 000 Plätzen liegt.
Die übrigen knapp 90 000 Jugendlichen verschwindenbei Ihnen in Angeboten der zweiten oder dritten Wahl.
Dazu, Frau Kressl, gehören eben auch die Einstiegsqua-lifizierungen. Eine solche Einstiegsqualifizierung istaber kein Ausbildungsplatz; es ist ein billiges Praktikum.
Mehr als ein Drittel der Jugendlichen steht danach wie-der auf der Straße. Diese Jugendlichen brauchen einenAusbildungsplatz. Sie tauchen aber in der Statistik nichtauf. Das ist schlicht falsch.
Deshalb fordern wir Sie auf: Legen Sie endlich eine rea-listische Ausbildungsbilanz vor!
Der zweite Punkt. Wir können nach wie vor – auchwenn es mittlerweile schon um eine Weiterentwicklunggeht – Ihre Begeisterung über den Ausbildungspaktnicht teilen. Die Wirkungslosigkeit müsste auch für Sieoffensichtlich sein. In Ihrem eigenen Antrag steht – ichzitiere –:Die Bundesregierung hat den Ausbildungspakt mitden Spitzenverbänden der Wirtschaft geschlossen,um das Ausbildungsverhalten der Betriebe positivzu beeinflussen.Das klingt gut. Dem steht aber die Presseerklärung desBundesinstituts für Berufsbildung zur Ausbildungsbi-lanz 2005 gegenüber. Dort steht – wieder Zitat –:Die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze sinktauf den tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung.
Wo sehen Sie hier eine positive Auswirkung auf dasAusbildungsverhalten der Betriebe? Für uns ist klar: DerAusbildungspakt ist kein Erfolg. Die Gewerkschaftenhaben unsere volle Unterstützung, bei einer solchen Lü-gengeschichte nicht einzusteigen.
Dritter Punkt: Durchlässigkeit der Bildungswege.Dieses an sich vollkommen richtige und längst überfäl-lige Vorhaben wird zwar nicht durch diesen Antrag, aberdurch die geplante und mehrfach diskutierte Föderalis-musreform konterkariert. Wenn die Möglichkeiten einergesamtstaatlichen Bildungsplanung weiter eingeschränktwerden, dann ist die geforderte und auch angekündigteDurchlässigkeit zur Hochschule nur eine Worthülse. Wasnützt es, wenn einem der Zugang zukünftig nicht mehraufgrund eines fehlenden formalen Abschlusses, son-dern aufgrund eines Kapazitätsmangels verweigert wird?Für denjenigen, der versucht, an die Hochschule zu kom-mAvzcdegLaADPSgFmagKcSWszEsMkMALimdgsgmiadr
Zweiter Punkt: eine bessere und gezielte Förderung.s ist mittlerweile fast zynisch, dass Sie immer wiederchreiben, an dem Ziel festzuhalten, dass kein jungerensch länger als drei Monate arbeitslos sein darf. Sieennen die Zahlen doch genauso gut wie ich. Eine halbeillion Jugendlicher steht ohne Arbeit auf der Straße.us unserer Sicht ist das Jobstarter-Programm keineösung. Nicht die Vernetzung von regionalen Partnernst die entscheidende Aufgabe, vielmehr müssen erst ein-al Förderangebote selbst finanziert und erhalten wer-en.Dritter Punkt: Geschlechtergerechtigkeit. Im vorlie-enden Berufsbildungsbericht wird mehrmals auf die be-tehende geschlechtsspezifische Diskriminierung einge-angen. Im Antrag tauchen diese Fragen überhaupt nichtehr auf. Frau Ministerin Schavan, auch von Ihnen habech dazu nichts gehört. Dynamik für Ausbildung mussber auch mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Ausbil-ung bedeuten.
Vierter und letzter Punkt: Europäisierung der Be-ufsbildung. Auch dazu steht nur sehr wenig im Antrag.
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Cornelia HirschFrau Ministerin, Sie sind darauf eingegangen. Das fin-den wir richtig; denn es ist sinnvoll, diese Debatte nichtan uns vorbeilaufen zu lassen. Dieser Prozess ist gestalt-bar und sollte daher diskutiert und gestaltet werden. Eingroßes Problem ist – ich beziehe mich dabei auf unsereErfahrungen im Hochschulbereich –, dass in diesem Zu-sammenhang verstärkt die Modularisierung und die vorallem von der FDP befürwortete Stufenausbildung insGespräch gebracht werden. Wenn Stufenausbildung fak-tisch weniger Ausbildung bedeutet, dann ist das definitivder falsche Weg.
Dynamik für Ausbildung muss für uns Dynamik imInteresse der Jugendlichen und Dynamik für die immergrößer werdende Zahl benachteiligter Jugendlicher sein.In diesem Sinne freuen wir uns auf die Ausschussbera-tungen.
Das Wort hat nun die Kollegin Priska Hinz, Bünd-nis 90/Die Grünen.Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DieKollegin Kressl hat zu Beginn ihrer Rede gesagt, dasswir über die Zukunftschancen der Jugend in unseremLand sprechen. Gerade deshalb waren wir auf Ihren ers-ten Antrag zur beruflichen Bildung sehr gespannt. Er istnämlich der Eckpfeiler dessen, was in den nächsten Jah-ren zur Schaffung von Ausbildungsplätzen für Jugendli-che passieren soll. Normalerweise sagt man: Was langewährt, wird endlich gut. In diesem Fall sind Sie diesemSprichwort nicht gerecht geworden. Der Antrag ist ge-nauso enttäuschend wie das Treffen des Lenkungsaus-schusses zum Ausbildungspakt, das Ende Januar stattge-funden hat.Schauen wir uns den Antrag einmal an. Sie begrüßendarin, dass die Bundesregierung den Pakt weiterführt.Dabei sprechen Sie noch nicht einmal davon, dass erweiterentwickelt werden soll.
Nein, er soll mit allen Mängeln, über die hier schon dis-kutiert wurde, weitergeführt werden.Sie begrüßen das Jobstarter-Programm. Das ist imMoment das einzig neue Programm und wurde unterRot-Grün entwickelt.
Von den Schwarzen ist bislang gar keine Initiative indiese Richtung ausgegangen.
Sie begrüßen auch – man höre und staune – die An-kündigung der Bundesregierung, eine Initiative in An-gSFstdwsamIsvcEiDbtdmbkdiaadVWkJiuiksVnMidgz
Beschämend war auch die Rede der Bundesbildungs-inisterin, und zwar nicht nur, weil sie hier keine neuenitiative vorgestellt hat,
ondern auch, weil sie nicht einmal wusste, über wieiele unvermittelte Jugendliche wir hier eigentlich spre-hen.
s ist beschämend, dass Sie gesagt haben, dass Sie erstm Jahr 2007 mit neuen Programmen beginnen wollen.as ist ein Jahr zu spät. Im Sommer werden wieder Aus-ildungsplätze gebraucht. Sie müssten jetzt mit Initia-iven beginnen, damit wir im Sommer mehr Ausbil-ungsplätze haben.
Viele Gründe für die Probleme, die Sie jetzt erst er-itteln wollen, zum Beispiel warum Betriebe nicht aus-ilden, liegen doch bereits auf dem Tisch. Da Sie bislangeine Initiativen in Angriff genommen haben, verwun-ert es auch gar nicht, dass die Vereinbarung zum Paktm Vergleich zum Vorabdruck verändert wurde. Im Vor-bdruck vom 30. Januar war noch die Rede davon, dassls letztes das Kapitel „Weiterentwicklung und Zukunftes Paktes“ eingefügt werden soll. In der endgültigeneröffentlichung ist dies verschwunden. Es gibt keineeiterentwicklung des Paktes. Das heißt, Sie habeneine Idee, Frau Ministerin, welche Initiativen in diesemahr gestartet werden sollen, damit den Jugendlichenhre Zukunftschancen nicht mehr genommen werdennd ihre Lebenszeit nicht weiter verschwendet wird. Dasst ein Armutszeugnis.
Dabei könnte die Bundesregierung viel machen. Sieönnte europarechtskompatible gesetzliche Grundlagenchaffen, die vorsehen, dass Ausbildungsbetriebe bei derergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt werden kön-en. Sie könnten Programme weiterentwickeln, die vonigranten geführte Betriebe unterstützen, zum Beispielndem sie die Ausbildereignung bekommen und Ausbil-ungsplätze anbieten können. Das würde gerade für Mi-rantenkinder die Schwelle senken, Ausbildungsstellenu bekommen.
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Priska Hinz
Dann könnte man auch die Herkunftssprache als beson-dere Kompetenz einbringen.Sie könnten auf die Bundesagentur für Arbeit Ein-fluss nehmen zugunsten einer besseren Berufsorientie-rung und Berufsberatung und zum Beispiel bewirken,dass kein Verschiebebahnhof mehr zwischen Arbeitsge-meinschaften, Jugendhilfe und Kommunen bei der Be-rufsberatung stattfindet. Sie könnten darauf Einflussnehmen, dass Elemente des modernisierten Berufsbil-dungsgesetzes, zum Beispiel die gestufte Ausbildungund die Anerkennung der Abschlüsse vollschulischerAusbildungsgänge, endlich besser umgesetzt werden.
Auch könnten Sie den Ausbildungspakt gemeinsam mitden Ländern weiterentwickeln, um die Schulabbrecher-quote zu senken.Der Präsident des DIHK beabsichtigt, außerhalb desPaktes ein eigenes Programm zur Förderung der Schüler,zur Verbesserung ihrer Ausbildungsreife auf den Weg zubringen. Diese Initiative hat er vor dem Treffen des Len-kungsausschusses angekündigt. Da frage ich mich doch:Warum haben Sie diese Idee nicht aufgegriffen, FrauSchavan, und gemeinsam mit den Ländern und den an-deren Partnern des Ausbildungspaktes entsprechendeVereinbarungen getroffen? Warum versagen Sie hier aufder ganzen Linie?
Man kann zusätzliche Initiativen ergreifen – Initiativenvon Betrieben für Betriebe, die ausbilden – und die Aus-bildungsverbünde und die überbetrieblichen Ausbil-dungsstätten stärken.
Meine Damen und Herren, interessant ist, was nichtin Ihrem Antrag steht, wohl aber in Ihrem Koalitionsver-trag. Ich nenne als Stichworte die branchenbezogeneUmlagefinanzierung und die zweite Chance, welchevon der Ministerin immer so betont wird. Diejenigen, diekeinen Schulabschluss haben, sollen eine zweite Chancebekommen und entweder ihren Schulabschluss nachho-len oder eine Ausbildung machen können.
– Das steht aber nicht in dem Teil Ihres Antrags, in demSie die Bundesregierung auffordern, aktiv zu werden.
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Der Berufsbildungsbericht 2005 macht eines klar:er mehr Ausbildungsplätze will, der muss viele Hebeln Bewegung setzen. Die Probleme auf dem Ausbil-ungsmarkt haben die verschiedensten Ursachen. Soibt es unterschiedliche Akteure, die zusammengeführterden müssen. Wir müssen also die beteiligten Akteurem Rahmen eines Ausbildungspaktes zusammenführen,ie verschiedenen Instrumente abwägen und sie dannuch umsetzen. Aber man darf nicht, wie es teilweiseon den Rednern der Linkspartei getan wird, auf nur einnstrument setzen und alle anderen weitgehend ausblen-en.
Auch aufgrund des Ausbildungspaktes wurden in denetzten beiden Jahren 123 300 neue Ausbildungsplätzeeschaffen.
3 000 Betriebe bilden nun erstmals aus. Die Vereinba-ung, die im Rahmen des Ausbildungspaktes getroffenurde, ist also eingehalten worden. Wer damit nicht
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Uwe Schummerzufrieden ist, muss sagen, dass wir andere Vereinbarun-gen brauchen.
Das wäre dann die Konsequenz.
Aber das, was wir durch den Ausbildungspakt leistenwollten, haben wir erreicht.
Es ist richtig: Legt man die Zahlen vom Dezemberletzten Jahres zugrunde, stieg die Ausbildungsplatz-lücke im Jahresvergleich von 9 500 auf 11 500 Stellen.Daran wird deutlich, dass der Ausbildungspakt eine neueDynamik braucht. Allerdings muss man, wenn mandiese Feststellung trifft, berücksichtigen, vor welchemHintergrund diese Entwicklung stattgefunden hat: In denJahren 2004 und 2005 wurden aufgrund der wirtschaftli-chen Situation in Deutschland 776 420 sozialversiche-rungspflichtige Arbeitsplätze abgebaut. 77 200 Betriebegingen in Insolvenz. Außerdem gab es im letzten Jahrbei den Schulabgängern ein Plus von 9 000. – Vor die-sem Hintergrund zeigt sich die wahre Leistung des Aus-bildungspaktes.
Dies wird aber nicht ausreichen. Der Pakt muss ergänztwerden. Deshalb haben wir in der letzten Wahlperiodeeinstimmig die Berufsbildungsreform verabschiedet.
– Die FDP hat sich der Stimme enthalten. Sie hat nichtmit Nein gestimmt. Das heißt für uns: einstimmig.Es ist eine alte Erkenntnis des früheren Mainzer Ar-beiterbischofs von Ketteler, dass jeder Zuständereformeine Gesinnungsreform vorauseilen muss.
Von daher ist es richtig, dass der Ausbildungspakt durcheine Strukturkommission ergänzt wird. Auf der einenSeite muss das Denken appellativ verändert werden, aufder anderen Seite müssen aber auch die Strukturen in derBerufsbildung verändert werden. Der Ausbildungspaktleistet Ersteres, die Strukturkommission hat Letzteres zuleisten. Gut ist, dass sowohl die Länder als auch die Ge-werkschaften beteiligt sind.Zur Gesinnungsreform gehört der Appell an die Wirt-schaft: Erwartet keine olympiareifen Bewerber! Nehmtdie Menschen, die auf dem Ausbildungsmarkt sind!Schaut auf ihr Entwicklungspotenzial und darauf, wieihr sie in den Betrieben entsprechend fördern könnt! –DiWnbsJsKdiziBdAKZgdvIdnadsrlreescKAmd
enn bei einer IHK-Befragung 71 Prozent der Unter-ehmer antworten, sie hätten Ausbildungsplätze nichtesetzt, weil keine geeigneten Bewerber vorhandeneien, dann ist dies keine gute Antwort. Aber auch an dieugendlichen muss appelliert werden: Wartet nicht, bisich der Wunschberuf oder der Wunschbetrieb findet!ümmert euch rechtzeitig und flexibel um einen Ausbil-ungsplatz! Ein mäßiger betrieblicher Ausbildungsplatzst besser als jede Ersatzmaßnahme.
Bei den türkischstämmigen Deutschen bleibt jederweite ohne eine berufliche Ausbildung. Von denen, dien Ausbildung sind, verteilen sich 44 Prozent auf zehnerufe – es gibt aber 360 Berufsbilder. Laut Berufsbil-ungsbericht brechen 25 Prozent der Jugendlichen ihreusbildung ab.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Dr. Keskin von der Fraktion Die Linke?
Wenn es eine gute ist, ja.
Herr Kollege, wie wir gerade gehört haben, sind es
ehntausende Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz
efunden haben. Eigentlich wollte man mit dem Ausbil-
ungspakt allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz
erschaffen. Das ist nicht geschehen. Nun frage ich Sie:
st es gerecht, dass manche Betriebe Jugendliche ausbil-
en, wovon alle Betriebe profitieren, und manche dies
icht tun? Wäre es nicht erforderlich, mit einem Gesetz
lle Betriebe zu verpflichten, ihren Beitrag zur Ausbil-
ung zu leisten?
Es gibt beispielsweise im Bauhauptbereich bereitseit mehr als 30 Jahren eine tarifliche Umlagefinanzie-ung der Ausbildungskosten. Wir müssen aber feststel-en, dass die Zahl der Ausbildungsplätze in diesem Be-eich von etwa 100 000 in 1998 auf jetzt 39 000 massivingebrochen ist. Eine zentralistische Abgabe wäre alsobenso wie eine tariflich vereinbarte Abgabe keine Lö-ung. Wir müssen ein Bündel an Maßnahmen entwi-keln. Die Antwort, die Frau Schavan bzw. die großeoalition gibt, ist: Wir brauchen eine neue Dynamik desusbildungspaktes, und zwar durch verschiedene Instru-ente, die Strukturkommission genauso wie den Ausbil-ungspakt.
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Uwe SchummerZwei Drittel der Jugendlichen, die ihre Ausbildungnach einem oder eineinhalb Jahren abgebrochen haben,sagen, dass es der falsche Beruf oder der falsche Betriebwar. Dies zeigt, dass wir bereits in der Schule die Be-rufsorientierung und die Berufsberatung verbessernmüssen.42 Prozent der Betriebe sind nicht ausbildungsberech-tigt: weil sie nicht die Breite eines Berufsbildes vermit-teln, weil sie zu klein oder zu spezialisiert sind. Von denausbildungsberechtigten Unternehmen bilden 40 Prozentaus. Diese Zahl zu erhöhen, ist die gemeinsame Aufgabeder Strukturkommission.
Hierfür gibt es zwei Ansätze: qualifizierte Ausbil-dungsverbünde und Stufenausbildungen. Beide In-strumente wurden durch die Berufsbildungsreform auf-gewertet. Mit dem Jobstarter-Programm wird dieFörderung von Verbundsystemen weiter forciert. DurchAusbildungsverbünde hat sich die Zahl der ausbildungs-fähigen Betriebe um 3 Prozent erhöht.1,2 Millionen Schulabgänger bis 29 Jahre sind – dasmüssen wir zur Kenntnis nehmen – ohne berufliche Qua-lifizierung. Immer mehr Berufsbilder werden immerstärker theoretisch ausgerichtet. Ich möchte aus einemSchreiben des Verbandes für Gartenbau in NRW vorle-sen, wie der Beruf Gärtner dargestellt wird – ich zitiere –:Gärtner ist einer der schwierigsten Ausbildungsbe-rufe.Bewerber müssen überqualifizierte Kenntnisse in den Bereichen Mathe-matik, Physik, Chemie, Biologie und auch Lateinverfügen.Sie sollten also – das füge ich an – möglichst jedePflanze mit ihrem lateinischen Namen kennen. Wenn wirBerufsbilder aus guten Gründen immer weiter aufwertenund theoretisch ausrichten, dann müssen wir aber auchüberlegen, wie wir die praktisch Begabten durch Zwi-schenzertifizierungen ins Boot hineinholen,
wie wir für sie Bildungsstufen organisieren, die dauer-haft zu einer Bildungstreppe werden.
Ich glaube, dass die vorliegenden Anträge, mit einerAusnahme, dazu geeignet sind, dass wir im DeutschenBundestag in der Tradition der Berufsbildung auch über-parteilich einen gemeinsamen Weg finden können. Bittebetrachten Sie unseren Antrag als ein Gesprächsangebot.Wir brauchen keine Rituale, sondern neues Denken, Ge-sinnungs- und Zuständereform.
Nun hat das Wort der Kollege Ernst Dieter Rossmann,
SPD-Fraktion.
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s gibt jetzt ein Zentrum von Vernunft, und zwar nichtur bei CDU/CSU und SPD, sondern auch bei den Grü-en; die schließe ich ausdrücklich mit ein.
Liebe Frau Hinz, Sie haben eben an dem, was Frauchavan zu dem Antrag gesagt hat, vieles kritisiert. Aberanz nüchtern: Wenn SPD und Grüne weiter regiert hät-en, dann wäre in ihren Positionen vieles von dem ent-alten, was nun zwischen SPD und CDU/CSU verein-art worden ist.
ieles von dem, was Sie in Ihrem Antrag eingebrachtaben, ist deckungsgleich mit dem, was zwischen SPDnd CDU/CSU vereinbart worden ist.Aber ist das so schlimm? Ist es nicht eher gut, dassir eine Kontinuität im Grundverständnis haben, eineontinuität darin, dass wir wissen, dass die Fixierunguf eine Schlüsselmaßnahme im komplexen Bereich dererufsbildung nicht ausreicht? Wenn die CDU/CSU frü-er gesagt hat, alle Probleme seien bei einem höherenirtschaftswachstum gelöst, haben wir immer die Posi-ion vertreten, dass das nicht so einfach ist. Während an-ere an eine Ausbildungsplatzumlage gedacht haben,aren wir diejenigen, die gesagt haben, dass das alleineuch nicht ausreicht. Es ist also gut, dass es ein neuesentrum gibt. Dieses neue Zentrum hat sich dokumen-iert, als wir das Berufsbildungsgesetz verabschiedetaben, bei dem es zwischen SPD, CDU/CSU und Grü-en eine breite Übereinstimmung gab. Darauf könnenir aufbauen.Trotzdem darf nichts unter den Tisch fallen. Wir vonen Sozialdemokraten müssen klar machen und viel-eicht auch nachfragen, welches die vereinbarten Leit-lanken bei unserem Berufsbildungsverständnis waren.enn das Leitbild einer Berufsausbildung bleibt immeroch das Berufsbild.
as ist nicht durch Modularisierung oder durch das Bau-teinprinzip aufzulösen. Damals haben wir verabredet,ass die Stufung von Ausbildung zur Strukturierung,icht zur Dequalifizierung führen muss.
ie Stufung von Ausbildung soll nicht die Hintertürein, um zu erreichen, dass die dreijährige Ausbildung
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Dr. Ernst Dieter Rossmanndie Ausnahme und zweijährige Ausbildung die Regelwird, an die man dann vielleicht ein Jahr anschließenkann. Alles das ist von uns damals im Berufsbildungsge-setz, das wir gemeinsam verabschiedet haben, klarge-stellt worden. Wir gehen davon aus, dass das auch jetztgilt und dass wir auf dieser Basis zumindest währenddieser Legislaturperiode arbeiten können.Es ist auch wichtig, was Ministerin Schavan ange-sprochen hat, dass wir erkennen, dass wir Bildung überden gesamten Lebensweg brauchen. Diese beginnt beider vorschulischen Bildung, geht über die Bildung in derSchule und in der Berufsvorbereitung bis zur Bildungbeim Einstieg in den Beruf und bei der beruflichen Wei-terbildung. Wenn wir an der Stelle in Modulen, in Bau-steinen denken, dann kann das mit dem Berufsprinzipzusammenpassen, aber nur dann.
Das war noch einmal die Klarstellung unseres Ver-ständnisses, das in der letzten Legislaturperiode mit brei-tester Mehrheit gesetzlich verankert wurde. Wir habenallerdings nicht nur eine Kontinuität beim Verständnis,sondern leider auch eine bei den Problemen und dement-sprechend beim komplexen Zugang zu diesen Proble-men. Auch dazu muss man ehrlich Stellung nehmen. DerPakt ist eine gute Sache, aber er reicht nicht aus undmuss weiterentwickelt werden.Da ich gerade auf die Kontinuität der Probleme zusprechen gekommen bin, möchte ich ein bestimmtesProblem noch einmal herausarbeiten. Ich will FrauHirsch und den Vertretern der Linkspartei ausdrücklichRecht geben,
dass die Lücke bei der Versorgung mit Ausbildungsplät-zen mehr als die genannten circa 11 500 beträgt. Eshandelt sich natürlich bei dieser Zahl nicht um die derfehlenden vollwertigen beruflichen Ausbildungsverhält-nisse, sondern bei dieser Zahl sind die Personen mitbe-rücksichtigt worden, die sich in der Berufsvorbereitung,in EQJ-Praktika und in vielen anderen Maßnahmen bishin zu Maßnahmen zur Unterstützung von Beschäfti-gung befinden. Die Lücke bei der Zahl von Ausbil-dungsverhältnissen beträgt 100 000. An dieser Stelledürfen wir also nichts schönreden, sondern müssen dieDinge beim Namen nennen.
Ich darf zur Linkspartei allerdings auch sagen: Wirbitten sie herzlich, die breit gefächerten Unterstützungs-maßnahmen, die entwickelt werden – damals von derSPD-Grünen-Regierung, jetzt auch von der neuen Re-gierung –, nicht zu disqualifizieren. Es geht um 100 Mil-lionen Euro für Jobstarter. Das sind keine Luftblasen,Frau Kollegin.
Wenn Sie das hier im Bundestag nicht überzeugt, danngehen Sie dahin, wo Sie als Linkspartei, als PDS, Regie-rungsverantwortung tragen,nlipIdwhdkwaBf4zB1sawddmfgesHragdbcgim2BB
Das führt zu den wirklichen Problemen. Es bleibt einirkliches Problem, dass es zu wenige Betriebe gibt, dieusbilden, und dass die Zahl der ausbildungsbereitenetriebe leider sinkt. Ich will das knapp so beleuchten:Erster Hinweis. Wir haben 2 Millionen ausbildungs-ähige Betriebe, von denen 50 Prozent nicht ausbilden.00 000 von denen, die nicht ausbilden, haben unterehn Beschäftigte, 100 000 von denen haben über zehneschäftigte. Das muss man sich einmal vorstellen:00 000 Betriebe in Deutschland, die über zehn Be-chäftigte haben und ausbildungsfähig sind, bilden nichtus.Frau Schavan, ich darf Ihnen sagen, wie unser Blick-inkel ist: Wir von der SPD wünschen uns ausdrücklich,ass Sie beim Pakt für Ausbildung den Fokus auch aufiese Betriebe richten, weil es schon sehr starker Argu-ente der Betriebe mit zehn und mehr Beschäftigten da-ür bedarf, dass sie sich der Ausbildung verweigern. Daseht wirklich nicht.
Man könnte viel bewegen, wenn man an dieser Stelleine gezielte Initiative durchführen würde. Unter Ein-chluss des Jobstarterprogramms, der Industrie- undandelskammern, der Gewerkschaften und der Betriebs-äte könnte man hier mehr bewegen, als wenn man sichuf die 400 000 Betriebe konzentriert, die leider nuranz wenige Beschäftigte haben.
Zweiter Hinweis. Die nicht so gut auf eine Ausbil-ung Vorbereiteten bleiben ein kontinuierliches Pro-lem. Damit meinen wir nicht ausschließlich Jugendli-he mit Migrationshintergrund, aber sie sind mitemeint. Hier muss eine stärkere Verknüpfung erfolgen,ndem man sich um die entsprechenden Betriebe küm-ert. Sie haben konstruktiv angekündigt, dass Sie bis010 10 000 zusätzliche Betriebe aus dem wachsendenereich der von Migrantinnen bzw. Migranten geführtenetriebe gewinnen wollen. Das unterstützen wir voll und
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Dr. Ernst Dieter Rossmannganz und ausdrücklich. Wir finden, dass das eine guteparteiübergreifend gestützte Initiative sein kann.
Das ist das eine und das andere gehört natürlich dazu:Diese Jugendlichen müssen natürlich auch eine Ein-stiegsqualifizierung und Berufsvorbereitung erhalten.Sie müssen an die betriebliche Wirklichkeit herangeführtwerden. Wir haben Sie im Ausschuss so verstanden, dassSie das nicht betriebsfern durchführen, sondern in denBetrieb hineinbringen wollen. Das unterstützen wir aus-drücklich. Das kann ein wegweisender zusätzlicherPunkt sein.
Ich will ausdrücklich auch ein sich neu stellendesProblem ansprechen: 2004 und 2005 mussten wir leiderfeststellen, dass junge Frauen die Verliererinnen beiden zusätzlichen Ausbildungsanstrengungen sind.
Es gab ja 30 000 bis 40 000 zusätzliche Plätze. Diesewerden zu über 75 Prozent von jungen Männern einge-nommen, was sich auch schon darin ausdrückt, dass sichweniger junge Frauen als Männer im dualen Ausbil-dungssystem befinden, obwohl es von der Bevölke-rungsrelation her gerade andersherum ist. Das könnenwir nicht hinnehmen.
Das ist eine Diskriminierung in Bezug auf weitereBerufschancen, die gerade vor dem Hintergrund, dassdie duale Berufsausbildung als sehr wichtig angesehenwird, aufgearbeitet werden muss. Wir erleben gerade,dass der ganze tertiäre Betriebs- und Arbeitsbereich einezunehmende Zahl an Arbeitsplätzen bietet, aber die Zahlder Ausbildungsplätze nicht in gleichem Maße zunimmt.Schon an dieser Stelle zeigt sich, dass die Gleichung,mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze bedeuten zu-gleich mehr Ausbildungsplätze, so nicht stimmt. An-sonsten müssten wir im tertiären Bereich einen drama-tischen Zuwachs an Ausbildungsplätzen haben. Denhaben wir aber nicht.
Was Ministerin Schavan im Bereich Logistik, Touris-mus, Luftfahrt, Nachrichtenübermittlung, Unternehmens-dienstleistungen und Sozialberufe angedeutet hat, näm-lich sich mehr um die Ausbildungsordnungen und dieEntwicklung von Ausbildungsberufen zu kümmern,wird für eine wachsende Zahl von Ausbildungsplätzenwichtig sein. Dies bietet auch speziell jungen Frauen zu-sätzliche Chancen im tertiären Bereich und kann viel-leicht dann das ausgleichen, was an anderer Stelle fehlt.Frau Hinz, Sie sprachen an, dass der Bericht nicht vielNeues bietet. So viel Neues konnte auch bei den gutenVorgaben, die wir mit Ministerin Bulmahn geschaffenhaben, nicht über Nacht hinzukommen. Das werden Sieuns doch sicherlich zugestehen wollen.ndzdjrzSmhlBwvwMVdpWDdPv–MPrDsbuwdt
Das Wort hat jetzt der Kollege Alexander Dobrindt
on der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alsir uns in diesem Haus vor zwei Monaten zum letztenal über berufliche Bildung unterhalten haben, lag alsorlage für die Debatte ein rückwärts gewandter Antrager PDS mit der Forderung nach einer Ausbildungs-latzabgabe vor.
ir alle können froh sein, dass wir heute eine positiveebatte führen und uns ein zukunftsorientierter Antrager CDU/CSU und der SPD vorliegt. Das ist eine guteerspektive für die jungen Menschen, die einen positi-en Blick in die Zukunft werfen wollen.
Aber darum geht es. Das ist das Entscheidende. Jungeenschen brauchen in Freiheit und Selbstbestimmungerspektiven. Natürlich besteht ein wesentlicher Teil da-in, einen Beruf zu erlernen und eine Aufgabe zu haben.afür müssen wir in der Politik die Rahmenbedingungenchaffen. Selbstverständlich werden wir in dieser De-atte auch die Unternehmen, die mitverantwortlich sindnd ihre gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrnehmenollen, daran erinnern. Aber all dies geschieht – das ister Hauptpunkt – auf Basis einer freiwilligen Verpflich-ung und nicht, wie es gerne immer wieder gefordert
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Alexander Dobrindtwird, auf Basis einer Zwangsabgabe. Für uns ist einefreiwillige Verpflichtung in Form des Ausbildungs-paktes das Richtige.
Herr Kollege Dobrindt, erlauben Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Hirsch?
Selbstverständlich.
Frau Hirsch, bitte schön.
Herr Kollege, können Sie mir noch einmal konkret er-
läutern, worin aus Ihrer Sicht die Rückwärtsgewandtheit
in der Forderung nach einer Ausbildungsplatzumlage be-
steht?
Liebe Kollegin, wissen Sie, in unserer Debattenkulturhaben wir uns in diesem Haus Gott sei Dank seit langerZeit Gedanken darüber gemacht, wie wir junge Men-schen in Arbeit bringen können, wie wir Ausbildungs-plätze schaffen und wie wir damit umgehen können,dass die Situation vor Ort für viele Menschen in ihremganz persönlichen Bereich unglaublich schwierig ist.Wir haben uns lange Zeit überlegt, was hier der richtigeWeg ist. Gemeinsam mit allen Fraktionen hier im Deut-schen Bundestag, mit der deutschen Wirtschaft, mit denUnternehmen und den Verbänden haben wir eine Mög-lichkeit gefunden, junge Menschen in Arbeit zu bringen.Was wir aber bei dieser freiwilligen Aufgabe, die wirgemeinsam schultern wollen, nicht brauchen, ist, dass je-mand die Unternehmen mit staatlichen Vorgaben zwangs-verpflichten will, etwas zu tun, was sie freiwillig wesent-lich leichter machen können.
Unsere Ansicht von der Welt und von der Situation indiesem Lande ist, dass Freiheit und Selbstbestimmungwichtiger sind als Zwangsvorgaben und all das, was Siesich so ausdenken.
In der deutschen Wirtschaft haben in einem erhebli-chen Maße die Kleinbetriebe und der Mittelstand dieseAufgabe wahrgenommen. Sie haben diese Kraftanstren-gung freiwillig auf sich genommen und von Septemberbis Januar die Lehrstellenlücke um 25 700 Ausbil-dungsplätze verringern können. Das ist eine riesige Zahl.Diese enorme Aufgabe wurde vor allem von den kleinenund mittelständischen Betrieben geschultert. Denn 50 Pro-zent der Ausbildungsplätze entstehen in Unternehmen,dbdsgtUAbAdw9drDgwrBfsstAwBmsvsagewsbbeEMnw
In der Nachvermittlungsphase konnte 93 Prozenter Jugendlichen – auch diese Zahl sollte in diesem Zu-ammenhang genannt werden – ein Ausbildungsangebotemacht werden. Ich halte das für eine großartige Leis-ung und glaube, dass wir uns an dieser Stelle bei dennternehmen, die sich für diese gesamtgesellschaftlicheufgabe engagieren, nachdrücklich bedanken sollten.
Ich will einen Punkt hervorheben, der in unseren De-atten nicht sehr häufig diskutiert wird, nämlich dieusbildungssituation behinderter und schwerbehin-erter Frauen und Männer. Auch in dieser Hinsichtirkt sich der Ausbildungspakt enorm positiv aus.7,4 Prozent der behinderten Jugendlichen haben da-urch einen Ausbildungsplatz erhalten. In diesem Be-eich konnte eine enorme Verbesserung erreicht werden.ieser Erfolg kann sich sehen lassen.
Selbstverständlich befürworten wir weitere Anstren-ungen. Die Ausbildungssituation kann noch verbesserterden. Dabei müssen aber die Rahmenbedingungen be-ücksichtigt werden. Dazu gehören erstens ein moderneserufsbildungsgesetz und zweitens eine Mittelstandsof-ensive, die Signale für den Aufschwung setzt.Die erste Rahmenbedingung, das Berufsbildungsge-etz, haben wir im vergangenen Jahr gemeinsam ge-chaffen. Das Gesetz beginnt, seine Wirkung zu entfal-en. Wir haben die Verbundausbildung geschaffen.ngesichts der hohen Spezialisierung können immereniger Betriebe in der Ausbildung ein kompletteserufsbild abdecken. Durch den Zusammenschlussehrerer Betriebe können Ausbildungseinrichtungen ge-chaffen werden, die die Bildungsinhalte arbeitsteiligermitteln können.Wir haben des Weiteren die Stufenausbildung be-chlossen. Sie braucht zwar Zeit – das steht außer Frage –,ber sie ermöglicht gerade den theorieschwächeren Ju-endlichen eine attraktive Ausbildung und bietet ihneninen Arbeitsplatz, damit sie sich nicht beim Arbeitsamtiederfinden, wie es vielleicht bei der vollzeitschuli-chen Ausbildung der Fall wäre. Die Stufenausbildungietet ihnen die riesige Chance auf einen richtigen Ar-eitsplatz.
Ich glaube, wir haben mit dem Berufsbildungsgesetztwas sehr Wichtiges geleistet. Wir haben nämlich in denntschließungsantrag zu dem Gesetzentwurf zum erstenal betriebliche Bündnisse für Ausbildung aufge-ommen. Wir fordern auch, dass diese Chance genutztird, damit in Zukunft flexiblere Regelungen hinsicht-
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Alexander Dobrindtlich der Arbeitszeit und der Vergütung möglich sind. Ichglaube, dass das durchaus vor Ort in den Betrieben gere-gelt werden kann. Auch darin liegt eine Chance für mehrAusbildung.Lieber Kollege Meinhardt, ich habe Ihnen sehr genauzugehört, als Sie von der Initiative „Aus 2 mach 3!“ ge-sprochen haben. Ich glaube, dass dies nicht von uns ge-regelt werden muss. Aber die Arbeitnehmer vor Ort wä-ren durchaus in der Lage dazu. Sie können dabei mitunserer Hilfe rechnen.Ich bin der Überzeugung, dass Solidarität unter denAuszubildenden in der heutigen Zeit durchaus eingefor-dert werden kann.
– Gegen Solidarität unter Auszubildenden ist zunächsteinmal nichts zu sagen, Herr Kollege Tauss.
Wenn drei statt zwei Auszubildende eine Chance ineinem Unternehmen bekommen, dann ist das eine guteNachricht.
Wenn wir die Möglichkeit schaffen, dass diese Chancevor Ort geboten wird, dann gibt es keinen Anlass, das zukritisieren.
Als weitere wichtige Weichenstellung sind die erfor-derlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zuschaffen. Das müssen wir mittelfristig auf den Weg brin-gen. Im Koalitionsvertrag ist eine ganze Reihe vonentsprechenden Punkten zu diesem Thema enthalten.Vorgesehen sind beispielsweise bessere Finanzierungs-möglichkeiten, Abbau von Bürokratie und Förderungvon Forschung und Technologie. Diesen Maßnahmen-mix müssen wir gemeinsam auf den Weg bringen. Damitverbessern wir die Chancen für mehr Ausbildungsmög-lichkeiten.Der Ausbildungspakt greift. Wir wollen gemeinsamdazu beitragen, ihn weiter zu optimieren.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 15/5285 und 16/543 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 17 sowie den
Zusatzpunkt 9 auf:
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Schauen wir uns die Realität an. Erstens. Nur 85 von000 Kindern unter drei Jahren haben in der Bundes-epublik die Möglichkeit, eine Betreuung in Anspruchu nehmen. Im Westen sind es 27 von 1 000, während esn den neuen Bundesländern immerhin 370 sind. Dies istatal für die Berufstätigkeit insbesondere von Frauen;as ist allen klar. Aber ich finde, das Problem wird ver-ürzt dargestellt, wenn darüber nur noch unter diesemspekt diskutiert wird; denn es geht auch um die Rechteon Kindern: frühkindliche Bildung, Spracherwerb undie erzieherische Vermittlung sozialer Kompetenzen.as alles fiel in den Diskussionen in den letzten Wochenöllig unter den Tisch.
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1224 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2006
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Dr. Barbara HöllZweitens. Das verbriefte Recht auf einen Kinder-gartenplatz hat durchaus zu einer Verbesserung des An-gebotes geführt. Neun von zehn Kindern im Alter vondrei bis sechseinhalb Jahren besuchen einen Kindergar-ten oder eine ähnliche Einrichtung. Das ist erst einmalgut. Da wir das im Bund beschlossen haben, aber nichtgleichzeitig dafür gesorgt haben, dass die Kommuneneine stetige Finanzierung zur Erledigung dieser Aufgabeerhalten, sieht es aber nur auf dem Papier relativ gut aus;denn von vier Plätzen in den alten Bundesländern ist ge-rade einer ein Vollzeitplatz. Das muss man sich einmalvorstellen! Ein Teilzeitplatz verwehrt Frauen oft sogardie Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung.In den neuen Bundesländern beträgt der Versorgungs-grad bei den Vollzeitplätzen 90 Prozent. Auch das istgut. Aber Länder und Kommunen versuchen, aufgrundder angespannten Finanzsituation, das Recht und dasnoch vorhandene Angebot massiv einzuschränken. Per-sonelle und räumliche Standards werden aufgeweichtbzw. außer Kraft gesetzt. Wir kennen ja die Beispiele ausThüringen, wo 1-Euro-Jobber in der Kinderbetreuungeingesetzt werden. Außerdem erleben wir, dass Kommu-nen versuchen, nicht beitragszahlende Eltern von den An-geboten massiv auszugrenzen, nach dem Motto: Sie sindarbeitslos bzw. arbeiten nur in Teilzeit; dann brauchen SieIhr Kind doch nicht sechs, sieben oder acht Stunden imKindergarten unterzubringen; dann reichen vielleicht vierStunden. Das ist in der Tendenz eine Ausgrenzung. Ichsage Ihnen: Wir haben in Leipzig schon Kämpfe bestehenmüssen! Es ist uns zwar gelungen, Betreuungsplätze zuerhalten, aber es ist ein ständiger Kampf.Bei der Hortversorgung ist die Situation völlig kata-strophal. Nur für 5 Prozent aller Grundschüler und nurnoch für 1 Prozent der 11- bis 14-Jährigen besteht über-haupt eine Betreuungsmöglichkeit am Nachmittag. Hierkann von einem bedarfsgerechten Angebot nach § 24SGB VIII nicht mehr die Rede sein. Diese traurige Rea-lität, dieses völlig unzureichende Angebot insbesonderein den alten Bundesländern, in denen wir wirklich einAufbauprogramm West für diesen Bereich bräuchten,führt dazu, dass wir uns dieser Aufgabe stellen müssen.
Dazu müssen wir verschiedene Schritte unternehmen.Wir müssen ein flächendeckendes, bedarfsgerechtes,qualitativ hochwertiges Angebot zur Verfügung stellen.Das schließt auch die Qualifizierung der Menschen, diedort arbeiten, ein. Wir müssen die Beitragsfreiheit fürdie Eltern sicherstellen, wenn sie ihre Kinder in dieseEinrichtungen geben. Diese Aufgabe können wir nichtden Kommunen überlassen, die aufgrund der Steuer- undFinanzpolitik der rot-grünen Regierung in den letztenJahren massive Einnahmeverluste hatten. Die Anteile ander Einkommensteuer sind gesunken. Wir müssen unsdazu bekennen, dass das eine Bundesaufgabe ist. Des-halb fordern wir die Bundesregierung auf, ein Konzeptvorzulegen, wie diese Finanzierung sichergestellt wer-den kann. Ich lade Sie dazu ein und ich hoffe, dass dazuVorschläge aus Ihren Reihen kommen.Danke schön.CuBPLugsgedzSddGwegdwlItFDmdbDenstKi
ie soll jetzt schnellstmöglich eine Aufgabe lösen, die inen letzten 20 Jahren nicht bewältigt werden konnte.Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen fordert,en Kommunen zeitnah für Kinder unter drei Jahren eineanztagsbetreuung vorzuschreiben, obwohl wir vor Ort,ie alle wissen, gerade erst versuchen, überhaupt Plätzeinzurichten. Das ist eine Aufgabe, die für unsere Kolle-en auf kommunaler Ebene schon eine echte Herausfor-erung ist.Ich glaube, die Familien haben nicht viel davon, wennir ihnen Luftschlösser bauen. Eltern lassen sich näm-ich kein X für ein U vormachen und merken das.
ch selbst bin noch nicht lange Abgeordnete im Bundes-ag. Vorher hatte ich manches Mal das Gefühl, dass dieamilie als Spielball schöner Sprüche benutzt wurde.
as waren praktisch zwei Welten: echte Familie und Fa-ilie im politischen Sinn. Deshalb bin ich froh, dassiese Bundesregierung kein hohles Gesetz in die Weltringt.
ie Ministerin hat vielmehr Ziele gesetzt und sie hat unsine Perspektive aufgezeigt. Wir werden ganz realistischacheinander die vielen Schritte gehen, die notwendigind, um diese Ziele zu erreichen.
Die CDU/CSU-Fraktion will eine bessere Infrastruk-ur für Familien. Wir werden deshalb den Ausbau derinderbetreuung vorantreiben. Das haben wir schonm Koalitionsvertrag festgelegt.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2006 1225
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Dr. Eva MöllringAber wir müssen auch ehrlich sein. Von heute auf mor-gen rund um die Uhr staatliche Betreuung zum Nulltarifvorzuhalten, ist finanziell einfach eine Illusion, egal wasman sonst davon halten mag. Es geht nicht, dass wir dieLänder und Kommunen mit einer Hauruckmethodeüberfallen.
Denn das ist nicht unser Handlungsfeld, sondern ihre ur-eigenste Entscheidungskompetenz. Das steht inArt. 104 a des Grundgesetzes.
Weil wir aber die Familien nach vorn bringen wollen,weil wir unsere Kinder stärken wollen und weil uns bei-des wirklich wichtig ist, haben wir gleich zu Beginn derWahlperiode einen anderen Weg gewählt.
– Frau Kollegin, ich wäre dankbar, wenn ich meine Redeheute so zu Ende bringen könnte.
Wir haben einen anderen Weg gewählt. Wir machen un-sere Hausaufgaben. Die Koalition hat in den wenigenMonaten drei Maßnahmen ergriffen. Erstens: Wir erstat-ten den Kommunen das versprochene Geld für dasArbeitslosengeld II. Das ist immerhin ein Betrag voncirca 2,5 Milliarden Euro, also mehr als das, was Elternin Deutschland für Kitas bezahlen müssen.
Nun können Sie natürlich sagen, das sei eine Selbstver-ständlichkeit. Aber, liebe Kollegen von den Grünen, Siehaben diese Zahlung in der alten Koalition noch im Ok-tober verweigert, obwohl Sie sie selber ausdrücklich fürdie Schaffung von Kinderbetreuung vorgesehen hatten.Zweitens: Die Familienministerin hat gefordert, dassKitagebühren gesenkt, am besten ganz abgeschafft wer-den. Dazu hat die Bundesregierung einen wichtigen Bei-trag geleistet. Sie bringt ein Gesetz ein, das es jeder Fa-milie ermöglicht, zwei Drittel der Betreuungskostenvon der Steuer abzusetzen. Wenn man im Monat200 Euro für einen solchen Platz zahlt, dann kann man130 Euro von der Steuer absetzen. Das ist ja wohl eineklare Senkung der Kosten.
Wir wissen aber, dass die Öffnungszeiten von Kitasfür die Ausübung einer Berufstätigkeit oft nicht ausrei-chen – das hat auch die Kollegin von den Grünen festge-stellt –; deshalb sind Eltern zusätzlich auf flexible Be-treuungsangebote angewiesen. Das kostet Geld, undzwar in der Regel mehr, als die staatliche Kita verlangt.Deshalb ist es gut, dass man jetzt nicht mehr nur1 500 Euro von der Steuer absetzen kann, sondern4 000 Euro. Dadurch werden viele Eltern in der LageszdGtiHwEdATkbBwüdtdzwgWuW–dbDDmMSA§gEzseb–
ann haben wir wirklich einen wichtigen Schritt ge-acht.Ich möchte am Schluss noch zwei Dinge sagen.eine Damen und Herren von der Fraktion Die Linke,ie wissen ja wohl, dass Sie mit Ihrem Antrag nicht diermut bekämpfen, auch wenn das darin steht. Es gibt90 SGB VIII. Danach werden Eltern nur dann zu Kita-ebühren herangezogen, wenn ihnen das aufgrund ihresinkommens zumutbar ist, sodass ein erheblicher Pro-entsatz der Eltern diese Kosten nicht tragen muss. Sieetzen sich mit Ihrem Antrag nur für diejenigen Elternin, die ordentlich verdienen und die die gestaffelten Ge-ühren bezahlen können.
Ich bekomme sogar von der Opposition Zustimmung.
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1226 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2006
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Dr. Eva MöllringIch möchte noch darauf hinweisen, dass der CDU-Ministerpräsident des Saarlandes, Müller, schon seit2000 das dritte Kindergartenjahr kostenlos anbietet.
– Warten Sie ab! – Wenige Jahre vorher wurden in Nie-dersachsen von der rot-grünen Landesregierung die Vor-schulen abgeschafft. Das war ein herber Schlag für vieleKommunen, zumal diese kostenlose Vorbildung in denSchulen hervorragend angenommen wurde.
Von den Baukosten will ich gar nicht sprechen.
– Ich erkläre es Ihnen gleich. Fragen Sie den Kollegendoch einfach! – Ich weiß nicht, ob Herr Trittin – ichglaube, er ist nicht hier – damals im Landtag oder imBundestag war. Ich weiß aber, dass immerhin zwei IhrerFraktionskollegen an dieser Entscheidung beteiligt wa-ren. Das hat wehgetan. Deswegen sollten Sie sich jetztnicht hier in diesem Hause als Helden der Kinderbetreu-ung aufführen.
Ich möchte noch mit einem Satz auf etwas eingehen,was mir am Herzen liegt. Wir sollten in dieser ganzenDiskussion nicht vergessen, dass auch Eltern verantwor-tungsvoll Kinderbetreuung betreiben.Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Kollegin Dr. Möllring, ich beglückwünsche Sie
im Namen des ganzen Hauses zu Ihrer ersten Rede im
Deutschen Bundestag.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ina Lenke von der
FDP-Fraktion.
Liebe Frau Möllring, auch als Niedersächsin gratu-liere ich Ihnen sehr herzlich. Das war eine super Rede.Wir werden noch weiter fighten. Dazu will ich Ihnen sa-gen: Aus der Opposition heraus wird die FDP allen gu-ten Anträgen, die von der Koalition kommen, zustim-men, aber erst einmal werden wir sie prüfen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kinder-betreuung und Bildung sind der Schlüssel zu einerfrauen- und kinderfreundlichen Gesellschaft. Dazu ge-hört selbstverständlich mehr Bildung für Kinder vor derSKgdmshBierESF–sgsnaa–daFsddIHrtISLh
s kommt zu immer mehr Ehen zwischen Soldaten undoldatinnen und da wird es mit der Vereinbarkeit vonamilie und Beruf bei der Bundeswehr recht schwierig.
Das macht Frau Homburger sowieso; da brauche ichie gar nicht besonders anzusprechen. Aber den Verteidi-ungsminister müssen wir in dieser Angelegenheit an-prechen. – Das war nur eine Bemerkung am Rande.Der Antrag der Fraktion Die Linke hat die Gießkan-enmethode zum Inhalt und zielt ab – das bedauere ichußerordentlich, ist bei Ihnen aber wohl normal – auf einusschließlich staatliches Kinderbetreuungsangebot
doch, das steht darin –, verbunden mit der Forderung,ie Steuern massiv zu erhöhen, und das lehnt die FDPb.Der Antrag der Grünen enthält erstaunlicherweiseorderungen, liebe Frau Deligöz, die Sie während derieben Jahre, die Sie in der Regierung waren, hättenurchsetzen können. Stattdessen erheben Sie erst jetzt iner Opposition diese Forderungen.
hre Forderung nach einem Finanzierungskonzept,err Beck – ich spreche Sie an; Sie sind ja Geschäftsfüh-er –, zeigt, dass Sie in Ihrer Regierungszeit keines hat-en.
ch denke da nur an die 1,5 Milliarden Euro, von denenie und die damalige Familienministerin geredet haben.Also: Beide Anträge, sowohl der von der Fraktion derinken als auch der von der Fraktion der Grünen, bein-alten weder ein ausgereiftes Konzept noch neue Ideen.
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Ina Lenke
Nun zum Konzept der großen Koalition. Das ist,finde ich, ein steuerpolitisches Chaos. Steuerberater undSteuerberaterinnen werden Gewinner dieses Durchei-nanders sein.
Mal sollen Kinderbetreuungskosten als Werbungskostengelten, dann wieder als Sonderausgaben und in Sonder-fällen sollen sie über den § 35 a Einkommensteuergesetzberücksichtigt werden.
Es kommt noch etwas hinzu, was viele nicht wissen.In einer bestimmten Familienkonstellation dürfen Kin-derbetreuungskosten nur für Kinder zwischen drei undsechs Jahren abgezogen werden, in einer anderen Fami-lienkonstellation für Kinder bis zum 14. Lebensjahr undvon Geburt an. Dieses Konzept, liebe Kollegen von derRegierung, ist ein Meisterstück an Bürokratie – und dasin einer Zeit, in der wir alle von Deregulierung und Ent-bürokratisierung reden! Liebe CDU-Kollegen, was isteigentlich von Ihrem Bierdeckel, auf dem Ihr KollegeMerz eine Steuererklärung ausfüllt, übrig geblieben?Schon all diesen Kram bei der Kinderbetreuung bringenSie nicht auf einem Bierdeckel unter.
Also: Wir erwarten von der Bundesregierung ein kla-res, einfaches und für die Bürger wirklich verständlichesFamilienkonzept.
Die FDP hat ihr Modell heute noch nicht vorgelegt.Es ist in Planung. Wir haben aber schon grundsätzlichentschieden: Unser familienpolitisches Konzept wirderstens Familien nachhaltig steuerlich entlasten, zwei-tens alle Lebensgemeinschaften mit Kindern – es gibt jaeine Vielfalt solcher Lebensgemeinschaften – im Steuer-recht gleich behandeln, drittens die Kinderbetreuungs-kosten nur an einer einzigen Stelle im Einkommensteu-errecht andocken, und zwar bei den Sonderausgaben,und viertens hauswirtschaftliche Dienstleistungen imprivaten Haushalt steuerlich anerkennen.Liebe Kollegen und Kolleginnen, pädagogische Bil-dungsstandards in Kindertagesstätten müssen weiter-entwickelt werden. Auch die Aus- und Weiterbildungdes Personals muss gestärkt werden. Die Bildung – nichtdie Betreuung – im Kindergarten muss genau wie in derSchule gebührenfrei sein.
Da besteht zwischen Ihnen und uns ein inhaltlicher Un-terschied.annsjvndsBtmgSKllsSmgKbasasdKddasMwmtdG
ie, meine Damen und Herren von der Linken, zeigenit Ihrem Antrag einmal mehr, dass Sie außer Forderun-en nichts zu bieten haben.
eine Antwort bezüglich der Umsetzung, keine Antwortezüglich der Finanzierbarkeit. So sitzt es sich bequemuf den Sesseln der Opposition, dem Lieblingsplatz Ihrero genannten Frontmänner; denn da, wo sie einmal Ver-ntwortung hatten, haben diese sich in die Büsche ge-chlagen.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Linken,ie Familienpolitik der letzten beiden Wahlperioden zurenntnis genommen und verstanden hätten, wüssten Sie,ass der Ausbau der quantitativen und qualitativen Kin-erbetreuung bei der rot-grünen Regierung ganz obenuf der Agenda stand und in der großen Koalition fortge-etzt wird.
it unserer Familienministerin Renate Schmidt habenir entscheidende Impulse für die Vereinbarkeit von Fa-ilie und Beruf gegeben und insbesondere die Bedeu-ung des Ausbaus der frühkindlichen Betreuung und Bil-ung thematisiert. Wir haben die Familienpolitik zumesellschaftsthema gemacht und zum Beispiel mit der
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Caren Marks„Allianz für die Familie“ viele wichtige Bündnispartnerin die Verantwortung genommen.
Frau Kollegin Marks, erlauben Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Dr. Höll?
Ja.
Bitte schön, Frau Höll.
Frau Kollegin Marks, da Sie eben frontal gegen die
Linksfraktion geschossen haben, indem Sie gesagt ha-
ben, wir hätten die ganze schöne Familienpolitik nicht
zur Kenntnis genommen: Haben Sie zufällig einmal
nachgelesen, dass die PDS-Fraktion damals, zum Bei-
spiel im Jahr 1999, im Jahr 2000, im Jahr 2001, ver-
schiedene Anträge hier eingereicht hat, in denen wir den
Ausbau der Kinderbetreuung in Krippe, Kindergarten,
Hort gefordert haben, wozu wir auch Finanzierungsan-
sätze vorgelegt haben, ebenso einen umfassenden Antrag
zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, und Sie nichts
anderes getan haben, als das abzulehnen? Wir haben
zum Beispiel, als das Gesetz zum Kindergeld hier verab-
schiedet worden ist, einen Änderungsantrag zur vollstän-
digen steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungs-
kosten vorgelegt. Ich weiß noch, wie Kolleginnen zu mir
kamen und sagten, sie müssten mit Nein stimmen, aber
sie wüssten, dass unser Antrag eigentlich richtig sei. Das
war unsere Familienpolitik, zu der Sie nie den Mut hat-
ten.
Werte Frau Kollegin, auch Ihre jetzigen Ausführun-gen haben deutlich gemacht, dass Ihr Hauptaugenmerkauf Forderungen liegt. Antworten, wie diese Dinge um-zusetzen sind, haben Sie bisher nicht gefunden. Rot-Grün hat das in den letzten sieben Jahren getan und wirwerden das in der großen Koalition fortsetzen. Das istder Unterschied zwischen Fordern und erfolgreicher Bi-lanz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das seit 2005 gül-tige Tagesbetreuungsausbaugesetz wird bis 2010230 000 zusätzliche Plätze für unter Dreijährige schaf-fen. In diesem Zusammenhang will ich nicht unerwähntlassen, dass die Zusammenlegung von Sozial- und Ar-beitslosenhilfe die Kommunen jährlich um 2,5 Mil-liarden Euro entlastet, wovon 1,5 Milliarden Euro jähr-lich für den Ausbau der Kinderbetreuung vorgesehenswggzFmdsfkNvwksUZkKdtpSAfndSPitrazdTDgsKgDtnt
o entstehen Freiräume für so wichtige und notwendigeufgaben im Bereich Bildung und Betreuung.Dass die SPD es ernst meint mit der Beitragsfreiheitür Kindertagesstätten, hat der sozialdemokratische Mi-isterpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, ein-rucksvoll gezeigt.
eit Januar 2006 gilt die Beitragsfreiheit in Rheinland-falz für das letzte Kindergartenjahr. Das Entscheidendest: Das Land übernimmt die entsprechenden Elternbei-räge in Höhe von circa 25 Millionen Euro. Das CDU-egierte Nordrhein-Westfalen schlägt gerade leider einennderen Weg ein. Das Land hat vor, sich aus der Finan-ierung zurückzuziehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, iner letzten Legislaturperiode haben wir gemeinsam dasagesbetreuungsausbaugesetz auf den Weg gebracht.er aktuelle Antrag greift genau die Punkte auf, die rot-rüne Familienpolitik erfolgreich ausgemacht hat. Ichage nicht ohne Stolz: Sie werden von uns in der großenoalition konsequent weiterverfolgt. Sie müssten es ei-entlich besser wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen:ie Forderung, einen Rechtsanspruch auf einen Ganz-agsbetreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren zeit-ah zu verankern, würde die Kommunen in ihrer Leis-ungsfähigkeit überfordern. Kommen die Kommunen
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Caren Marksihrer Verpflichtung allerdings bis 2010 nicht nach, wer-den wir – so sieht es der Koalitionsvertrag vor – denRechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder abdem zweiten Lebensjahr ausweiten.
Ihre Forderung nach einer Qualitätsoffensive für Betreu-ung ist durch das TAG bereits umgesetzt. Wir wissen, esgeht immer um Bildung, Betreuung und Erziehung.Ich komme zum Schluss. Die SPD will, dass Deutsch-land ein kinder- und familienfreundliches Land wird.Dabei muss jedes Kind, unabhängig von der sozialenHerkunft, gleiche Chancen erhalten.
Im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren vonder Linken, reden wir nicht nur. Denn wir haben eine er-folgreiche Bilanz aufzuweisen. Populistische und über-holte Anträge Ihrerseits helfen den Familien in Deutsch-land jedenfalls nicht weiter.Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksam-keit.
Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin
Dr. Barbara Höll das Wort.
Sehr verehrte Frau Kollegin Möllring, ich wollte Sie
während Ihrer ersten Rede nicht unterbrechen, zu der ich
Ihnen gratuliere. Im Nachgang möchte ich aber klarstel-
len, dass in unserem Antrag die in der heutigen Situation
einzig mögliche Lösung behandelt wird, die sozial ge-
recht ist.
Kinderbetreuung ist ein knappes Gut. Wenn man
knappe Güter verteilt, sieht der Verteilende zu – in die-
sem Fall die Kommune –, dass sich aus der Verteilung
nicht noch zusätzliche Kosten ergeben. Sie haben richtig
gesagt, dass für die Eltern, die keine Elternbeiträge be-
zahlen können, die Kommunen diese übernehmen. Des-
halb wird sich natürlich jede Kommune gerade dann,
wenn sie hoch verschuldet ist – im Regierungsbezirk
Chemnitz gibt es nur zwei kleine Kommunen, die schul-
denfrei sind; alle anderen Kommunen sind selbst in dem
Musterland Sachsen, das sich in einer relativ guten Situ-
ation befindet, verschuldet –, fragen: Gebe ich den Kin-
dergartenplatz oder den Krippenplatz als Vollzeitplatz
dem Kind eines Beitragszahlers, beispielsweise eines gut
situierten Ehepaars, oder dem Kind einer arbeitslosen
ALG-II-Empfängerin? Letzteres würde dazu führen,
dass die Kommune noch den Elternbeitrag zu zahlen hat.
Die heutige Regelung, dass die Elternbeiträge zu zahlen
sind, ist sozial ungerecht.
Wir sollten dazu kommen, diese Spanne – sie macht
derzeit etwa 2 Milliarden Euro aus – anders zu finanzie-
ren. Wir haben die Regierung aufgefordert, sich dazu et-
was zu überlegen. Ich sage nebenbei: Wir diskutieren
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r kostet etwa 1,5 Milliarden bis 2 Milliarden Euro. Das
st die Größenordnung, über die wir hier sprechen.
Wenn wir es jetzt so regeln, dass die Elternbeiträge
bernommen werden, dann kommen wir auch dazu, dass
in knappes Gut sozial gerecht verteilt wird.
ch sage auch: Soziale Gerechtigkeit besteht darin, dass
ie Gutverdienenden im Rahmen des Steuersystems an
er Finanzierung unseres Gemeinwesens entsprechend
hrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beteiligt sind.
azu brauchen wir eine Reform der Einkommensbesteue-
ung, der Erbschaftsteuer und der Vermögensteuer. Dann
aben wir soziale Gerechtigkeit in einem Paket.
Frau Kollegin Möllring zur Erwiderung, bitte schön.
Frau Kollegin, Sie haben meine Rede eben dazu ge-
utzt, sich über § 90 SGB VIII zu informieren. Die
berraschung stand Ihnen eben geradezu im Gesicht ge-
chrieben.
ch mache Sie darauf aufmerksam – Sie sollten diesen
aragraphen gut durchlesen –, dass das eine Sollvor-
chrift ist, die nur einen ganz schmalen Ermessensspiel-
aum zulässt. Bei uns profitieren etwa 20 Prozent der El-
ern davon.
Sie können sich gerne darum bemühen, in den Kom-
unen mehr Verantwortung zu tragen und dafür zu sor-
en, dass diese Vorschrift vor Ort vernünftig angewandt
ird und wirklich alle betroffenen Eltern Gebührenfrei-
eit genießen.
Zu einer weiteren Kurzintervention erteile ich das
ort der Kollegin Britta Haßelmann.
Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank, dass Sieir zu einer Kurzintervention das Wort erteilen. – Sehreehrte Frau Kollegin Dr. Höll, zu Ihrer Rede hier imarlament und zu Ihrem Antrag betreffend die elternbei-ragsfreie Kinderbetreuung möchte ich Folgendes an-erken: Mit welcher Energie Sie diese Forderung hierngesichts dessen vortragen, dass Sie als PDS in Berlin
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Britta Haßelmanngleichzeitig mitverantworten, dass die Gebühren in un-glaublichem Maße gestiegen sind,
finde ich wirklich beeindruckend. Alle Achtung für die-jenigen, die hier sitzen!
Nun haben Sie wieder das Recht, darauf zu antwor-
ten, Frau Kollegin Höll. Ich bitte aber darum, genauso
kurz, wie es bei der Kurzintervention der Fall war, zu
antworten.
Sehr geehrte Frau Kollegin, wir können jetzt gerne
über das Berliner System detailliert diskutieren. Die
Berliner haben sich in der jetzigen Situation einer Haus-
haltsnotlage, in der sie keine Gebührenfreiheit für Eltern
einführen können, dazu entschlossen, ein sozial gerech-
tes System zu verwirklichen.
Das System ist ausgeprägt gestaffelt: Es gibt natürlich
die Gruppe, bei der die Kommune die Gebühren über-
nimmt, sprich: Für sie gilt Gebührenfreiheit. Dann gibt
es die Gruppe mit niedrigem Einkommen; über die reden
wir hier. Für diese Gruppe haben sich die Beiträge auf-
grund der Berliner Regelung verringert. Das sollten Sie
einmal zur Kenntnis nehmen.
Sie haben sich nur für diejenigen mit einem wirklich ho-
hen Einkommen erhöht. Es gibt also eine ausgeprägte
Staffelung. Wir können uns gern zusammensetzen und
dann erkläre ich Ihnen, wie selbst in der schwierigen Si-
tuation einer Haushaltsnotlage soziale Gerechtigkeit im
Konkreten möglich ist.
Im Übrigen hat Berlin im Bildungsbereich beschlos-
sen, ab 2007 das Vorschuljahr kostenfrei für die Eltern
zu realisieren.
Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Ekin Deligöz
vom Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichmöchte direkt zur Sache kommen. An sich ist die Dis-kussion um die vollständige Beitragsfreiheit in der Kin-dfggetmhbthtAbsiwVdnahAfgkTiHgWKPSDlGglaSwr
In der Vorgängerregierung haben wir mit dem Tages-etreuungsausbaugesetz wichtige Schritte dazu eingelei-et. Das war notwendiger denn je.Frau Möllring, wenn das nicht richtig wäre, warumaben Sie das denn jetzt als einen Kernpunkt im Koali-ionsvertrag festgeschrieben?
uch wenn Sie dem TAG damals nicht zugestimmt ha-en und sich gerade einmal dazu durchgerungen haben,ich der Stimme zu enthalten, haben Sie uns im Grunden der Sache zugestimmt. Ihr Handeln jetzt beweist, dassir damals richtig gehandelt haben.
or allem haben wir eines damit geschafft: Wir habeniese Debatte in das Bewusstsein der Gesellschaft hi-eingetragen und damit in diesem Land mehr verändert,ls man es jemals mit Gesetzen hätte tun können.
Dennoch möchte ich sagen: Es reicht nicht. Deshalbaben wir auch unseren Antrag vorgelegt. Wir sind beimusbau hochwertiger Betreuungsangebote noch am An-ang. Wir können nicht so tun, als ob diese Frage bereitselöst wäre und wir zum nächsten Kapitel übergehenönnten. Vielmehr ist es im Gegenteil so, dass dashema der guten Betreuungsansätze nicht abgeschlossenst. Wir brauchen mehr Entschlossenheit und mehrandlungswissen, weil wir mehr flächendeckende An-ebote in diesem Land bekommen müssen.
ir brauchen ebenfalls mehr Mittel dafür. Das ist dieernfrage. Da die Mittel begrenzt sind, müssen wirrioritäten setzen. Diese Priorität kann nur lauten:chaffung von neuen Kinderbetreuungsplätzen für unterreijährige, Schaffung von Ganztagsbetreuungsmög-ichkeiten in den Kindergärten und Erweiterung vonanztagsangeboten in den Schulen. Das muss Prioritätenießen und nicht die Abschaffung der Elternbeiträge.
Frau Höll, Sie machen sich das alles ein bisschen zueicht. Mit Ihrem Antrag verhält es sich so: Sie wollenlles, und zwar sofort. Wie das finanziert wird, ist egal.ie jonglieren mit Milliarden und sagen uns gar nicht,oher Sie die Milliarden nehmen. Sie setzen keine Prio-itäten und sagen: Es ist alles gleich gut; daher muss
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2006 1231
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Ekin Deligözalles sofort her. Sie verkennen dabei die Realitäten. InBerlin beträgt der niedrigste Elternbeitrag 70 Euro; dasist zu hoch.
Der höchste Beitrag sind 500 Euro; auch das ist zu hoch.
Lassen Sie uns nicht über die Elternbeiträge hier inBerlin oder in Mecklenburg-Vorpommern reden, wo siemindestens genauso hoch oder noch höher sind und wodie Menschen noch weniger als in Berlin verdienen!Lassen Sie uns doch über die Qualität der Kinderbe-treuung reden! Darum muss es doch gehen.
– Bitte, stellen Sie eine Frage. Das ist wunderbar.
Frau Kollegin Höll, bitte schön.
Herr Präsident, ich danke dafür, dass Sie mir das Wort
erteilen. – Frau Kollegin, wenn Sie hier reden, dann ver-
wenden Sie bitte die richtigen Zahlen. In Berlin beträgt
der Elternbeitrag für die Gruppen mit niedrigem Ein-
kommen 23 Euro pro Monat. In Berlin macht der Anteil
der Elternbeiträge an den Gesamtkosten nur 10 Prozent
aus, während es im Bundesdurchschnitt 20 Prozent sind.
In Berlin werden durch die Elternbeiträge nur
70 Millionen Euro eingenommen, während ungefähr
750 Millionen Euro für die Kinderbetreuung ausgegeben
werden. Das ist die Realität. Ich bitte darum, dass wir,
wenn wir hier Zahlen verwenden, die Zahlen nehmen,
die im Haushalt nachzulesen sind.
– Würden Sie das zur Kenntnis nehmen?
Frau Höll, wenn ich Ihnen antworten darf. Ich be-
danke mich herzlich für diese Frage; etwas Besseres
hätte mir nicht passieren können.
– Ja, von Ihnen vielleicht. Herr Westerwelle, nur zu!
Sie sprechen von 23 Euro. Darauf entgegne ich: Die
Realität ist ja, dass die Eltern nicht nur die Beiträge für
die Kinderbetreuung bezahlen; vielmehr zahlen sie in
der Regel auch für das Mittagessen. Dann sind wir bei
einem Beitrag von 70 Euro. Das ist das, was die Eltern
de facto bezahlen. Es geht hier ja um die Realität und
nicht um das, was wir als politische Maßgabe in irgend-
welchen Schriftstücken haben. Ihre Argumentation
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ber ist das eine politische Maßgabe?
Ich bin noch nicht fertig, Frau Höll. Ich bin noch nicht
ertig, Herr Präsident.
Frau Kollegin, Frage wie Antwort sollen kurz und
räzise sein. In Anbetracht der Tatsache, dass wir jetzt
reitagmittag haben, bitte ich Sie, sich daran zu halten.
Vielen Dank. Es folgt jetzt auch eine präzise Antwort. –ie reden davon, dass Sie die Zahl der Kinderbetreu-ngsplätze in Berlin gesteigert hätten. Was aber deutlichesunken ist, ist die Qualität. Das sagen Ihnen alle Er-ieherinnen und Erzieher, alle Eltern; das sagen Ihnenlle, die in diesem Bereich tätig sind. Die Qualität desngebotes in Berlin musste bluten; sie hat sich erheblicherschlechtert. Das geht zulasten der Kinder,
lso derjenigen, um die es eigentlich gehen sollte. Daönnen Sie sich nicht herausreden; darauf müssen Sientworten geben. Sie machen eine Politik auf dem Rü-ken der Kinder in diesem Land;
ie machen eine Politik gegen soziale Gerechtigkeit undegen Chancengerechtigkeit. Das haben Sie zu verant-orten.
Was wollen wir Grünen? Wir möchten Zielstrebigkeitnd mehr Entschlossenheit. Wir möchten den Rechtsan-pruch auf unter Dreijährige ausweiten. Dafür ist derund zuständig. Das können wir leisten. Ich weiß nicht,ovor Sie Angst haben. Auch viele Kommunen fordernen Rechtsanspruch. Ebenso wurde in der Fachanhörungm Bundestagsausschuss zum Tagesbetreuungsausbau-esetz mehr Entschlossenheit in Form des Rechtsan-pruchs gefordert. Wir möchten die Erzieherinnenausbil-ung aufwerten, damit diesem Berufsbild eine besserenerkennung zugute kommt. Das fordert auch derwölfte Kinder- und Jugendbericht.
ir möchten mehr Qualität in den Einrichtungen. Bund,änder und Kommunen haben jetzt die Chance, die For-erungen der Grünen umzusetzen.
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Ekin DeligözLiebe Regierung, Sie sollten nicht reden und Vor-schläge in Interviews machen, sondern handeln. Das istIhre Aufgabe.
Ich wollte nur darauf hinweisen, dass neben Zwi-
schenfragen auch Zwischenbemerkungen zulässig sind.
Das heißt, es muss nicht unbedingt eine Frage gestellt
werden. Schauen Sie in § 27 Abs. 2 der Geschäftsord-
nung, da können Sie das genau nachlesen.
Jetzt hat der Kollege Jürgen Kucharczyk von der
SPD-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Es freut mich, dass die Fraktionen Die Linkeund Bündnis 90/Die Grünen durch ihre Anträge die pas-senden Überschriften zur aktuellen Familienpolitik derBundesregierung liefern. „Leben und Arbeiten mit Kin-dern möglich machen“ und „Elternbeitragsfreie Kinder-betreuung ausbauen“ sind genau unsere Themen.Wir müssen den Frauen und Männern mit Kinderndas Leben erleichtern. Das wollen wir in der Koalition inden nächsten vier Jahren erarbeiten und sind schon mit-tendrin. Grundsätzlich gilt: Unser Ziel ist es, nicht nureine kleine Maßnahme auf den Weg zu bringen. Viel-mehr ist ein Bündel von komplexen Aufgaben erforder-lich, welche inhaltlich und finanziell aufeinander abge-stimmt sein müssen.Dabei ist es von Vorteil, dass die neue Bundesregie-rung auch in diesem Bereich an die Arbeit der Vorgän-gerregierung anknüpfen kann. Ich nenne nur einigeStichpunkte: 4 Milliarden Euro für den Aus- und Aufbauvon Ganztagsschulen,
das Tagesbetreuungsausbaugesetz – der Grundstein füreine gute und bedarfsgerechte Kinderbetreuung für dieunter Dreijährigen –,
das Projekt „Allianz für die Familie“, welches eine Ba-lance von Familie und Arbeitswelt zum Ziel hat, und dieUnterstützung der Kommunen vor Ort durch die bundes-weite Initiative „Lokale Bündnisse für Familie“.
So weit in Ansätzen das bereits Angepackte und auf denWeg Gebrachte.Sie alle haben den Koalitionsvertrag der neuen Bun-desregierung gelesen. Er bildet eine gute Grundlage fürdie Arbeit der nächsten vier Jahre, insbesondere in demBereich Kinder-, Jugend- und Familienpolitik. Damitbessere Zeiten für den Nachwuchs anbrechen, werdenwir ab 2007 das Elterngeld einführen. Dann könnenjunge Familien mithilfe des Elterngeldes in Höhe von67 Prozent des letzten Nettoeinkommens ihren Lebens-standard auch dann halten, wenn sie wegen der kleinenKefhNDsfVFBKzzldvEfskgdKkuvZdsepdAdausgGkmwgtwtd
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2006 1233
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Herr Kollege Kucharczyk, ich gratuliere Ihnen zu Ih-
rer ersten Rede im Deutschen Bundestag im Namen des
ganzen Hauses.
Weil es Ihre erste Rede war, haben Sie einen großzügi-
gen Zuschlag auf Ihre Redezeit bekommen.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/453 und 16/552 an die in der Tages-
ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die
Vorlage auf Drucksache 16/453 soll federführend im
Ausschuss für Familien, Senioren, Frauen und Jugend
beraten werden. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? –
Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so
beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 sowie Zusatz-
punkt 10 auf:
18 Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker
Beck , Irmingard Schewe-Gerigk, Grietje
Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Gleichstellung der eingetragenen Lebenspart-
nerschaft vollenden
– Drucksache 16/497 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss
Innenausschuss
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Ein Beispiel: die Erbschaftsteuer. Partnerinnen undPartner, die in einer Lebensgemeinschaft füreinandersorgen, ihren kranken Lebenspartner pflegen, für ihnUnterhalt zahlen und seine soziale Unterstützung finan-zieren, werden zwar, wenn ihr Partner verstirbt, im Sinnedes Erbrechts wie ein Ehegatte als Erbe berücksichtigt,aber dann kommt der Staat daher und steuert alles weg:Beim Freibetrag und beim Steuersatz werden sie behan-delt, als seien sie Fremde. Das, meine Damen und Her-ren, ist Enteignung von Staats wegen.
Das ist unsozial und unchristlich. Deshalb appelliere ichan Sie von der Union: Öffnen Sie Ihr Herz und gehen Siefair mit den schwulen und lesbischen Paaren um, diesich in einer solchen Lebenssituation befinden.Durch die Gesetzgebung von Rot-Grün in diesem Be-reich haben wir einen enormen gesellschaftlichen Fort-schritt eingeleitet: Die Akzeptanz schwuler und lesbi-scher Lebensgemeinschaften ist enorm gewachsen. Inganz bürgerlichen und ländlichen Gebieten werden Le-benspartnerschaftszeremonien gefeiert. Auch die Fami-lien, die Kollegen und die Nachbarn nehmen daran teil.Niemand stört sich oder regt sich auf. Ich bin stolz aufunser Land, dass es diese tolerante Entwicklung genom-men hat,
die, als wir Grüne diese Debatte im Jahr 1989 angesto-ßen haben, von vielen nicht für möglich gehalten wurde.Auch beim Adoptionsrecht haben wir einiges erreicht.In der letzten Wahlperiode sind wir den ersten Schritt zurStiefkindadoption gegangen. Wir waren uns sicher, dassdie Aufregung, die von vielen befürchtet wurde, ausblei-ben und dieses Vorhaben gesellschaftlich akzeptiertwürde. So ist es auch gekommen. Vor einigen Tagen hatsogar der Bundespräsident deutlich gemacht, dassgleichgeschlechtliche Partnerschaften und Familien mit-tlerweile eine Selbstverständlichkeit sind. Am 18. Januardieses Jahres hat er gesagt:Kinder auf das Leben vorzubereiten, partnerschaft-liche Lebensentwürfe zu verwirklichen, das kann inganz unterschiedlichen Strukturen gelingen: in derEhe, in nicht ehelichen und auch gleichgeschlecht-lichen Familien, in Patchwork- oder Einelternfami-lien.gkSpbMduwzaaGiwdAhwhüBDdudRulgShsfIü2s
ber wie man an dem Antrag, den die FDP-Fraktioneute vorgelegt hat, sehen kann, hat hier ein Meinungs-andel stattgefunden. Ich halte es in diesem Zusammen-ang mit Lukas 15, Vers 7: „Im Himmel ist mehr Freudeber einen reuigen Sünder als über 99 Gerechte, die deruße nicht bedürfen.“
eshalb ist es gut, dass wir heute eine breite Mehrheitafür haben. Es wäre schön, meine lieben Kolleginnennd Kollegen von der FDP, wenn Sie in den beiden Län-ern, in denen Sie mitregieren, Baden-Württemberg undheinland-Pfalz, die Standesämter endlich für schwulend lesbische Paare öffneten, wenigstens landesrecht-ich, bis wir das mit dem Lebenspartnerschaftsgesetzer-änzungsgesetz bundesrechtlich regeln.
Herr Kollege Beck, kommen Sie bitte zum Schluss!
Dort sind Sie in der Verantwortung und dort können
ie landespolitisch zeigen, was der Antrag, den Sie heute
ier im Bundestag gestellt haben, für Sie bedeutet. Las-
en Sie uns bei diesem Thema zusammenarbeiten und
ür eine entsprechende Mehrheit hier im Hause sorgen.
ch glaube, dann können wir den Bundesrat auch davon
berzeugen, noch einmal nachzudenken über das, was er
000/2002 nicht gewollt hat, und ob er sich den gesell-
chaftlichen Realitäten nicht stellen will.
Herr Kollege, bitte, strapazieren Sie nicht – –
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Ich bedanke mich für Ihre Geduld.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ute Granold von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Herr Beck, ich kann Ihre Wahrnehmung nicht teilen.Über den Himmel möchte ich mich jetzt nicht äußern,aber ich glaube, die Wahrnehmung in Deutschland isteine andere.Aber lassen Sie mich der Zeit wegen gleich zumThema kommen: Wir befassen uns heute erneut mit deneingetragenen Lebenspartnerschaften. Gerade vor ei-nem Jahr haben wir es zuletzt getan. Damals hat die Ver-abschiedung des Gesetzes ohne die Stimmen der CDU/CSU stattgefunden. Wir waren vehement dagegen, ins-besondere dass die Stiefkindadoption als Kernstück indas Gesetz aufgenommen werden sollte. Wir haben unsauch im Jahre 2001, als das eigentliche Gesetz geschaf-fen wurde, dagegen gewandt, und nicht umsonst wurdedas Bundesverfassungsgericht damit befasst. 2002 hates entschieden – der Inhalt ist hinlänglich bekannt –: DieRechte und die Pflichten der eingetragenen Lebenspart-nerschaft können vom Gesetzgeber gleich denen der Ehefestgelegt werden. Wir als Union akzeptieren diese Ent-scheidung.Die Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts imJahre 2004 ist nun seit dem 1. Januar 2005 in Kraft. Da-mit wurden weitere rechtliche Ausgestaltungen vorge-nommen, die wir auch nicht akzeptiert haben: Im We-sentlichen wurden Unterhaltspflichten begründet – HerrBeck hat es ausgeführt –, also die Gleichstellung mit derEhe. Das eheliche Güterrecht, der Versorgungsausgleich,das Verlöbnis wurden eingeführt und vieles andere mehr.Wir haben dagegen gestimmt, zum einen weil die Re-gelungen aus dem Familienrecht eins zu eins in das Le-benspartnerschaftsrecht übernommen wurden – obwohlim Familienrecht bekanntermaßen erheblicher Re-formstau besteht – und weil, viel gravierender, die Stief-kindadoption eingeführt wurde; sie war und ist für dieUnion völlig inakzeptabel.
Aber darauf möchte ich gleich zurückkommen.Zunächst möchte ich mich mit den Lebenspartner-schaften selbst befassen. Ich muss sagen, wir leben ineiner Zeit, in der sich die Lebensentwürfe geändert ha-ben, in der viele neuartige Verbindungen eingegangenwerden. Weil in diesem Zusammenhang der Bundesprä-sident zitiert wurde, will ich klarstellen: Der Bundesprä-scmSfdUmBmnSwBdBgadUswsLKBddddffAdrmF
eine Situationsbeschreibung bietet keine Legitimationür ein Recht auf Adoption.
Ich denke, wir alle begrüßen es, wenn sich Menschenazu entschließen, füreinander einzustehen und einandernterhalt zu gewähren. Wir unterstützen das – zumal da-it eine Entlastung der Gemeinschaft einhergeht, zumeispiel wenn keine Sozialleistungen gewährt werdenüssen.
Nachdem nun Rechte und Pflichten der Lebenspart-erschaften begründet worden sind, müssen wir eintück weit Anpassungen vornehmen; insofern gebenir Ihnen Recht, Kollegen von der FDP und vonündnis 90/Die Grünen. Diese Anpassungen betreffenas Steuerrecht, das Erbschaftsteuerrecht und auch daseamtenrecht. Es gibt auch entsprechende Entscheidun-en der Gerichte, durch die wir zu solchen Anpassungenufgerufen sind. Wir müssen uns bei den Beratungen inen Ausschüssen eingehend damit befassen, in welchemmfang hier Anpassungen vorgenommen werden müs-en.
Wenn wir die Gleichstellung vorantreiben, müssenir aber auch Privilegien angehen. Ich denke zum Bei-piel an das BAföG, bei dem es eine Bevorzugung derebenspartnerschaften gibt. Auch hier müssen dannorrekturen vorgenommen werden.Sie haben die unterschiedliche Zuständigkeit für dieegründung der Lebenspartnerschaften angesprochen:ie Standesämter bzw. die Notariate. Das war eine Län-erentscheidung. Es gibt aufgrund des Vorhandenseinser Strukturen und Daten gute Gründe dafür, das Stan-esamt zu favorisieren. Gute Gründe sprechen aber auchür die Wahl des Notars. Diese haben die Bayern ange-ührt. Die Bayern sehen die Lebenspartnerschaft als einliud zur Ehe,
emzufolge müsse es erlaubt und möglich sein, zu diffe-enzieren, ohne zugleich vorgeworfen zu bekommen,an stigmatisiere und diskriminiere. Wir sollten über dierage der Zuständigkeit in Ruhe sprechen.
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Ute GranoldWir sind gesprächs- und kompromissbereit was dieFrage des Steuerrechts angeht – das habe ich schon ge-sagt –, aber nicht, was den Bereich der Adoption betrifft.Hier ist eine Grenze zu ziehen. Diese Grenze wird vonder Union auch nicht überschritten. Wir haben uns da-mals massiv gegen die Stiefkindadoption ausgesprochen.Bayern hat in dieser Frage das Bundesverfassungsge-richt angerufen, das, wie Sie wissen, noch nicht darüberbefunden hat. Bevor unser höchstes deutsches Gerichtnicht entschieden hat, sollten wir in diesem Haus keinGesetz mit noch weitergehenden Regelungen, nämlichder vollen Adoption, verabschieden. Das ist nicht lauter.Wir sollten die Entscheidung des Bundesverfassungsge-richts abwarten.
Darüber hinaus gibt es, wie Sie wissen, auf europäi-scher Ebene ein Übereinkommen, das besagt, dassAdoptionen nur verheirateten Paaren erlaubt sind. WennSie das Übereinkommen nicht akzeptieren, weil sich dieSituation geändert habe, dann sollten wir den Weg imeuropäischen Kontext gehen und dort, wo man zuständigist, darüber diskutieren, ob das geändert werden muss.Aber dies über ein nationales Gesetzgebungsorgan ein-zuführen, wie Sie das gerne möchten, ist der falscheWeg. Wir sollten Europa als eine Rechts- und Werteein-heit sehen und sollten hier zu einer Entscheidung kom-men.Das Lebenspartnerschaftsgesetz muss bei Ihnen einensehr hohen Stellenwert haben. Wir haben uns 2001 damitbefasst, haben 2004 darüber debattiert und beschäftigenuns heute wieder damit, obwohl wir in diesem Landdrängende Probleme haben; ich denke nur an die Be-kämpfung der Arbeitslosigkeit.
Stattdessen müssen wir uns wieder damit befassen. Manhätte erst einmal Ruhe einkehren lassen müssen.Es gibt – das war in der letzten Beratung unstrittig –weder in Deutschland noch in Europa noch weltweit Er-hebungen darüber, wie sich das Leben in einer gleichge-schlechtlichen Partnerschaft auf die Kinder auswirkt.Wir sollten erst einmal solche Erhebungen durchführenund die Ergebnisse abwarten, bevor wir solch weit rei-chende Schritte wie die Einführung der vollen Adoptiongehen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die eingetrageneLebenspartnerschaft als zulässig neben dem Institut derEhe anerkannt. Es hat zugelassen, dass Lebenspartneruntereinander Rechtsbeziehungen aufnehmen können.Das gilt aber nicht in Bezug auf Dritte. Dritte sind Kin-der. Kinder haben keine Lobby. Kinder müssen die Ent-sdEdURoWKKDtRbvnudMhcAgwwDmKbsArVsßaIid
ine Adoption reicht über die Volljährigkeit hinaus. Kin-er, auch adoptierte Kinder, werden zum Beispiel mitnterhaltslasten gegenüber den Eltern konfrontiert. Dieechte der Kinder und das Kindeswohl müssen anberster Stelle stehen.
ir waren uns in diesem Hause einig, als wir 1998 dieindschaftsrechtsreform durchgeführt haben, dass dasindeswohl für uns an oberster Stelle steht.
as sehen wir bei der Volladoption nicht als gewährleis-et an.Jedes Kind hat ein Recht auf Vater und Mutter, einecht darauf, in einer gesicherten Rechtsbeziehung le-en zu können und vom Staat geschützt zu werden. Icherweise auf Art. 6 des Grundgesetzes. Die Union stehticht alleine da. Wenn wir mit Vertretern von Verbändennd Kirchen, mit Fachleuten und Psychologen sprechen,ann können wir stets hören: Den Kindern muss dieöglichkeit gegeben werden – insofern muss der Staatandeln –, sich frei zu entfalten und ihrem Wohl entspre-hend zu leben.Es ist eine Errungenschaft der 70er-Jahre, dass beimdoptionsrecht die Interessen der Erwachsenen zurück-estellt und das Kindeswohl in den Vordergrund gestellturden. Mit der Einführung der Volladoption würdenir das Rad wieder ein Stück zurückdrehen.
eshalb wird es mit der Union keine Adoption im Rah-en einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft geben.
inder, die heute schon in einer solchen Partnerschaft le-en, sind ausreichend materiell und sozial abgesichert,odass wir auch die Stiefkindadoption nicht benötigen.ber warten wir die Entscheidung unseres obersten Ge-ichtes ab!Herr Kollege Beck, ich muss Ihnen sagen: Die frühereizepräsidentin dieses Parlaments, Frau Vollmer, hatich hier in der letzten Debatte klar und eindeutig geäu-ert. Auch sie ist der Auffassung, dass die Stiefkind-doption den Interessen des Kindes nicht gerecht wird.ch darf auch die Kollegin von Renesse zitieren, die sichn gleicher Weise geäußert und gesagt hat: Das Interesseer Lebenspartner, ihre Bindung durch ein Kind zu festi-
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Ute Granoldgen und ein Stück weit mehr zu legitimieren, darf nichtim Vordergrund stehen.
Das Interesse und das Wohl des Kindes müssen im Vor-dergrund stehen.
In diesem Sinne bitte ich Sie, dass wir die Beratungenin den Fachausschüssen aufnehmen. Änderungen imSteuerrecht und Anpassungen in gutem Maße sind inOrdnung, eine Volladoption wird es mit der Union abernicht geben.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Leutheusser-
Schnarrenberger von der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Die Debatte über die, die Verantwortung in unsererGesellschaft übernehmen wollen, verantwortungsbe-wusst zu führen, heißt, dass nicht unterschiedliche For-men des Zusammenlebens gegeneinander ausgespieltwerden.
Vielmehr muss jeder, der an seinem Platz und nach sei-ner Lebensvorstellung und Lebensweise bereit ist, Ver-antwortung für sich und andere in unserer Gesellschaftzu übernehmen, gefördert werden. Das brauchen wirmehr als derzeit. Wir müssen dazu ermuntern und hierdie Debatten führen, damit sich niemand ausgegrenztfühlt, dessen Lebensvorstellung vielleicht nicht einermöglichen Mehrheit in diesem Hause entspricht.
Ich denke, deshalb sollten wir diese Debatte auchheute hier führen. Es ist der richtige Zeitpunkt. In denletzten Jahren haben wir eine erhebliche Veränderungdes gesellschaftlichen Klimas und damit einhergehenddie Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaf-ten erlebt. Ich kann mich noch an die Debatten hier imDeutschen Bundestag erinnern – es war damals noch inBonn –, als es um die Abschaffung des § 175 Strafge-setzbuch gegangen ist. Die Fortschritte, die sich in derFolge in weiten Teilen der Bevölkerung entwickelt ha-ben, waren doch nur möglich, weil die Politik den Muthatte, hier voranzugehen und zu überzeugen. Sie hat da-bei aber nicht gegen die Familie, die Ehe und die Allein-erziehenden argumentiert, sondern sie ist dafür eingetre-trzdzPabUSsGHDbndagisssuwldgZkgSgudsddzbodswag
ass Rechte und Pflichten in einem richtigen Verhältnisueinander stehen.Da das im Zusammenhang mit der eingetragenenartnerschaft bis heute noch nicht der Fall ist, haben wirls FDP diesen Antrag hier in den Bundestag einge-racht. Herr Beck, hier teilen wir Ihre Auffassung: Imnterhaltsrecht, im Beamtenrecht und gerade auch imteuerrecht – Stichwort: Freibeträge bei der Erbschaft-teuer – herrscht in weiten Teilen der Bevölkerung dasefühl, dass hier diskriminiert wird.
err Beck, deshalb bitte ich Sie: Verdrehen Sie nicht diearstellung der geschichtlichen Entwicklung der De-atte über gleichgeschlechtliche und eingetragene Part-erschaften. Wir als FDP haben immer dazu gestanden,ass wir den Zustand, den wir hier vor 20 Jahren hatten,ls nicht richtig für eine offene plurale Gesellschaft an-esehen haben. Wir haben immer dafür gekämpft.Bei manchen Wegen haben wir Zweifel gehabt, ob sien der Form vor dem Bundesverfassungsgericht Be-tand haben würden. Wir wollten immer die Wege be-chreiten, bei denen sicher war, dass das Bundesverfas-ungsgericht sie mitgehen würde. Das ist jetzt gelungennd erreicht worden. Ich denke, deshalb wäre es gut,enn diejenigen, die sich jetzt für eine Weiterentwick-ung einsetzen, nicht gegeneinander argumentieren, son-ern zusehen würden, dass diese Überzeugung denjeni-en gegenüber, die an dieser Weiterentwicklung nochweifel haben, gestärkt dargestellt wird und dass Beden-en ausgeräumt werden können.
Wir wissen, dass gerade das Thema Adoptionsrechtleichgeschlechtlicher Partnerschaften – Frau Granold,ie haben es ja zu einem Schwerpunkt Ihrer Ausführun-en hier gemacht – für manche oder auch für etliche innserer Gesellschaft ein Problem darstellt. Ich denke,eshalb ist eines ganz entscheidend: Uns geht es bei die-er Forderung eines vollen Adoptionsrechts nicht darum,ie Ehe mit Kindern, die Familie, zu schwächen, son-ern darum, am Kindeswohl orientiert die Möglichkeitu schaffen, dass es zu einer Adoption anstelle eines Le-ens in einem Heim kommen kann, wenn zwei Partnerder Partnerinnen das wollen und wenn es für das Kin-eswohl das Beste ist.
Dies zu ermöglichen, ist ein richtiger Weg. Wir wis-en, dass das auch noch diskutiert werden muss. Wirissen, dass es nicht nur in nordeuropäischen, sondernuch in einigen anderen europäischen Staaten Erfahrun-en mit einem Adoptionsrecht für Lebenspartnerschaf-
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Sabine Leutheusser-Schnarrenbergerten gibt. Wir wissen, dass unterschiedliche Untersuchun-gen existieren, in denen zum Teil Bedenken formuliertwerden. Umso wichtiger ist es, dass wir als Politiker un-sere Aufgabe, zu gestalten, in dieser Gesellschaft wahr-nehmen und auch dieses Thema sehr sachlich und argu-mentativ-offensiv angehen, anstatt nur auf das zureagieren, was in anderen europäischen Staaten passiertund was wir letztendlich für richtig halten.Deshalb haben wir diesen Punkt in unseren Antrag,der Ihnen heute zur Beratung vorliegt, aufgenommen.Wir hoffen sehr, dass auch Teile der Koalition, obwohl inIhrer Koalitionsvereinbarung zu diesem Thema keinWort steht, einsehen, dass eine Weiterentwicklung undeine weitere Gesetzgebung in diesem Haus sehr wohlnotwendig sind. Wir hoffen, Sie davon in den Ausschüs-sen überzeugen zu können.Recht herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Christine Lambrecht von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kaum ein
Thema wie dieses zeigt, wie entwicklungsfähig politi-
sche Entscheidungsfindungen in manchen Bereichen
sein können. Wir haben uns in mehreren Legislaturperio-
den mit dem Thema Lebenspartnerschaften beschäftigt
und in ganz unterschiedlichen Konstellationen ge-
kämpft. Ich habe mit Überraschung zur Kenntnis ge-
nommen, dass sich die FDP hierfür eingesetzt und ge-
kämpft hat. Ich muss sagen: Mit Verlaub, all das, was
heute in dem Antrag der Grünen und auch in dem Antrag
der FDP gefordert wird, könnte bis auf die Volladoption
schon längst Realität sein, könnte schon seit 2001 für all
die Betroffenen, deren Lebensumstände Sie eben, Frau
Leutheusser-Schnarrenberger, angesprochen haben, ei-
nen Fortschritt in ihrer persönlichen Lebenssituation be-
deuten.
Man sollte ganz kurz einen Blick zurückwerfen, wa-
rum das Ganze bis jetzt noch keine Realität ist. Das liegt
nicht daran, dass es nicht in unserem Koalitionsvertrag
steht. Nein, der Grund ist, dass es in den letzten Jahren
zahlreiche Widerstände gab. Ich erinnere daran, dass im
Jahre 2001 ein umfassender Gesetzentwurf vorlag, der
bis auf die Adoption genau das enthielt, was hier jetzt
gefordert wird.
Was ist passiert? Hier im Deutschen Bundestag hat
Rot-Grün dieses Gesetz mit seiner Mehrheit beschlos-
sen. Die Stimmen dagegen kamen aus der CDU/CSU;
Frau Granold hat es dargestellt. Es gab aber auch Gegen-
stimmen – das war sehr kämpferisch – aus der FDP.
Sie haben mit der Begründung gegen das Gesetz ge-
stimmt, Verfassungsspezialisten – selbst ernannte – hät-
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Christine Lambrechtdas im Bundesrat auch von den Ländern, in denen dieFDP an der Regierung beteiligt ist, abgelehnt wurde. Da-ran ist die Umsetzung des Gesetzentwurfs gescheitert.
Frau Kollegin Lambrecht, Herr Geis und Herr Beck
haben sich zu einer Zwischenfrage gemeldet. Sind Sie
bereit, beide zu beantworten?
So kommt man zu mehr Redezeit.
Dann bitte ich aber darum, es bei diesen Fragen be-
wenden zu lassen. – Herr Geis, bitte schön.
Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, dass sich der dama-
lige Innenminister Schily
2001 fraktionsintern wie auch extern expressis verbis
– also ausdrücklich – gegen dieses Gesetz ausgespro-
chen hat?
Mir ist aus diesem Bereich vieles bekannt, weil ich
dem Bundestag seit der 14. Legislaturperiode angehöre
und dieses Gesetzesvorhaben über die Jahre hinweg be-
gleitet habe. Wie Herr Westerwelle und viele andere
schon ausgeführt haben, bestehen unter Juristen manch-
mal Zweifel. Man muss diskutieren, bevor man den rich-
tigen Weg findet.
Aber auch ich kann mich daran erinnern, dass der Ge-
setzentwurf vom damaligen Innenminister Schily bei der
Beschlussfassung mitgetragen wurde. Wie gesagt gab es
Diskussionen im Vorfeld. Aber es gab eine klare Be-
schlussfassung für diesen Gesetzentwurf.
Kollege Beck, bitte schön.
Frau Kollegin Lambrecht, teilen Sie meine Einschät-
zung, dass dem Kollegen Westerwelle womöglich sein
Gedächtnis ein Schnippchen geschlagen hat, wenn er
Frau von Renesses Position so wiedergibt, wie er es ge-
tan hat? Denn ich erinnere mich daran, dass Frau von
Renesse im Bundestag und auch gemeinsam mit mir vor
dem Bundesverfassungsgericht immer die Auffassung
vertreten hat, dass die eingetragene Partnerschaft gleich-
gestellt werden kann,
weil sie einen anderen Adressatenkreis als das familien-
rechtliche Institut der Ehe hat und deshalb die Ehe durch
eine Gleichstellung in keiner Weise beeinträchtigt wer-
den kann.
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eilen Sie auch meine Einschätzung, dass es sehr zu be-
rüßen ist, dass das Bundesverfassungsgericht genau
iesen Tenor in seinem Urteil ausdrücklich bestätigt und
eshalb dem Gesetzgeber die Freiheit zur vollständigen
leichstellung gegeben hat?
Herr Kollege Beck, ich teile Ihre Einschätzung nichtur, sondern ich darf sie noch etwas ergänzen. Wer dieollegin Renesse gekannt hat, weiß, dass die Umsetzunges Gesetzes ihr eine Herzensangelegenheit war. Diesesar ihr in den letzten Jahren ihrer politischen Tätigkeitehr wichtig. Daran hat sie viele Jahre gearbeitet. Inso-ern war es der falsche Ansatz, Frau von Renesse zu er-ähnen.Aber wie gesagt: Im Vorfeld sind Diskussionen wich-ig. Aber dann ist von uns – von Rot-Grün – die richtigentscheidung getroffen worden.
Ich möchte noch kurz auf den weiteren Weg zurück-ommen. Ich freue mich – ich habe das Signal verstan-en –, dass aufseiten der CDU/CSU die Bereitschaft vor-anden ist, zum Thema Adoption noch ein Urteilbzuwarten. So viel Zeit haben wir sicherlich noch. Ichreue mich auch, dass zumindest die Bereitschaft vor-anden ist, auch andere – insbesondere steuerrechtliche –egelungen anzugehen, die wir schon lange beabsichtigtaben. Ich freue mich deshalb auf die Beratungen.Frau Kollegin Granold, ich möchte noch einmal aufas Thema Adoption zu sprechen kommen. Ich glaube,s ist falsch, den Eindruck zu erwecken, dass die Stief-indadoption durch gleichgeschlechtliche Lebenspartnernders ausgestaltet wäre als Adoption im Allgemeinen.ei jeder Adoption in Deutschland – das sollten geradeie als Familienrechtlerin wissen –, egal durch wen,teht immer das Kindeswohl an erster Stelle. Daran wer-en wir hoffentlich auch niemals etwas ändern. Dennas Kindeswohl ist maßgeblich.Wenn ein Kind Schwierigkeiten damit hat, dass esom gleichgeschlechtlichen Lebenspartner oder von derleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin adoptiert wer-en soll, dann wird es in Deutschland nicht zu einerdoption – auch nicht zu einer Stiefkindadoption – kom-en, weil das nicht die Lebenspartner allein entschei-en, sondern auch die zuständigen Behörden wie Ju-endamt, Jugendgericht und Familiengericht mitingeschaltet sind. Es ist auch gut und richtig, dass nichtie Interessen der Lebenspartner an erster Stelle kom-en, sondern dass das Wohl des Kindes im Vorder-rund steht.Aber wenn die Partner die Adoption wollen, wenn sieem Wohl des Kindes entspricht und der leibliche Vaterder die leibliche Mutter ihr zustimmt – diese Vorausset-ung muss zusätzlich erfüllt sein –, dann kann ich mireinen anderen Grund mehr vorstellen, die Adoption zu
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1240 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2006
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Christine Lambrechtverweigern, als ideologische Gründe. Die Adoptionwird, wenn es denn dazu kommen sollte, so geregeltsein, dass immer das Wohl des Kindes im Vordergrundsteht. Nichts anderes dürfen und werden wir zulassen.
Ich bin froh, liebe Kolleginnen und Kollegen von derCDU/CSU, dass ein ganz prominenter Politiker aus Ih-ren Reihen, Bundespräsident Köhler – Herr Beck hatschon auf ihn verwiesen –, schon einen Schritt weiter ist.Er akzeptiert es nicht nur, sondern schätzt es durchaus.Frau Granold, Herr Köhler hat in seiner Rede vor derEvangelischen Akademie Tutzing keineswegs nur denSachstand beschrieben. Er hat vielmehr Folgendes ge-sagt – ich habe mir die Rede ausgedruckt, weil ich sienicht nur im Hinblick auf das jetzt zur Diskussion ste-hende Thema interessant fand –:Kinder auf das Leben vorzubereiten, partnerschaft-liche Lebensentwürfe zu verwirklichen, das kann inganz unterschiedlichen Strukturen gelingen: in derEhe, in nicht ehelichen und auch gleichgeschlecht-lichen Familien, in Patchwork- oder Einelternfami-lien.Wenn er von „gelingen“ spricht, dann ist das mehr alsnur eine neutrale Beschreibung des Sachverhalts, dennHerr Köhler schätzt in seiner Rede die Erfolgsaussichtenund die Konsequenzen der einzelnen Lebensentwürfeein. Vielleicht sollten Sie sich einen Ruck geben undsich in Richtung Ihres doch recht fortschrittlichen Bun-despräsidenten bewegen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Barbara Höll von
der Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger, ichfinde, Ihr Appell ist gut und richtig, bei der Diskussionüber dieses sensible Thema den Wahlkampf ein Stückweit außen vor zu lassen und eine Fehlerdiskussion zuermöglichen. Gerade weil dieses Thema so sensibel ist,ist es gut, wenn hier im Haus in vielen Punkten Einigkeitbesteht.
Heute liegen uns zwei Anträge vor, die auf eine not-wendige Nachbesserung des Lebenspartnerschaftsrechtszielen. Den eingetragenen Lebenspartnerschaften, in de-nen die Partner die gleichen Pflichten haben wie in einerEhe, sollen mehr Rechte zugestanden werden. Das be-trifft das Steuerrecht, das Besoldungs- und das Beamten-versorgungsrecht, die bundeseinheitliche Behördenzu-ständigkeit – in einigen Bundesländern kann man eineLeefcDtsecwdknuhAshuerDLesas–zidhndduiVdnErjb
eshalb unterstützen wir die Richtung der beiden An-räge grundsätzlich und werden entsprechende Vor-chläge in die Ausschussberatungen einbringen.Für mich stellt sich allerdings die Frage: Wenn deringetragenen Lebenspartnerschaft letztendlich die glei-hen Rechte zugestanden werden sollen wie der Ehe,arum verkürzt man dann nicht das Ganze und öffnetie Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften? Esönnte dann auch schwule oder lesbische Ehen geben.
Mit dem Gesetz über die Eingetragene Lebenspart-erschaft ist tatsächlich etwas gelungen, was über dienmittelbare Verbesserung der Situation der Betroffeneninausgeht. Insbesondere bei binationalen Paaren ist diekzeptanz für die Lebensweise von schwulen und lesbi-chen Partnerschaften erhöht worden. In diesem Sinneat sich die Regelung als richtig erwiesen. Aber sie istnzureichend, wenn wir nun stehen bleiben, selbst wenns uns im nächsten Schritt gelingen sollte, Nachbesse-ungen vorzunehmen.Ich möchte kurz aus dem Antrag der FDP zitieren:Alle Lebensgemeinschaften, in denen die Partnerfüreinander Verantwortung übernehmen, sind wert-voll und müssen vom Staat unterstützt werden.as ist richtig. Aber es ist auch richtig, dass nicht alleebensweisen so organisiert sind, dass die Menschen ininer Ehe oder in einer eingetragenen Lebenspartner-chaft leben. Vielmehr gibt es darüber hinaus nochndere Lebensweisen. Es gibt Alleinerziehende, Kon-tellationen, in denen Geschwister zusammenlebenvielleicht noch mit Kindern –, Patchworkfamilien,um Teil verheiratet, zum Teil unverheiratet. Heutzutagest alles recht bunt. Daraus ergibt sich, warum die PDSen Gesetzentwurf zuerst abgelehnt hat. Denn wir habenier letztendlich eine Ausweitung der Privilegierung,ämlich von einer bestimmten Form der Ehe auf eine an-ere Form. Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren,ass unsere Zielstellung die Entprivilegierung sein muss,m so die Förderung von Familien zu erreichen. Familiest da, wo Nähe ist, wo Verantwortung füreinander underantwortung für Kinder übernommen wird.
Wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren, dass es inieser Beziehung noch viele Ungerechtigkeiten gibt, dieicht dadurch zu beseitigen sind, dass wir uns nur auf diehe und die eingetragene Lebenspartnerschaft fokussie-en. Wir müssen weiter gehen. Wir können das, was wiretzt anstreben, durchaus auch mit anderen Maßnahmenegleiten, zum Beispiel mit dem Kampf für die weitere
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2006 1241
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Dr. Barbara HöllIndividualisierung des Steuerrechts. Wir sagen: Esgeht den Staat nichts an, in welcher Form Menschen mit-einander leben. Sie sollen ihre Steuern entsprechend ih-rer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bezahlen. Wennbesondere Leistungen erbracht und beispielsweise Kin-der erzogen werden, dann hilft der Staat. Dann ist esletztendlich auch egal, in welcher Lebensform die Kin-der aufwachsen. Die Hauptsache ist, sie werden gut undverantwortungsvoll betreut und erzogen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Johannes Kahrs von
der SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir
dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben, habe
ich es für mich noch einmal rekapituliert. Für mich sind
das Lebenspartnerschaftsgesetz und auch das Lebens-
partnerschaftsergänzungsgesetz wichtig. Ich glaube,
dass diese Gesetze nicht für alle in diesem Hause die
gleiche Wichtigkeit haben. Das hat auch etwas mit der
Betroffenheit zu tun. Ich glaube, dass das Lebenspartner-
schaftsergänzungsgesetz eine Weiterführung und eine
Vollendung des Lebenspartnerschaftsgesetzes ist. Ich bin
froh, dass die Einigkeit in diesem Hause, was dieses
Thema angeht, deutlich zunimmt. Das Urteil des Bun-
desverfassungsgerichts und die Rede des Bundespräsi-
denten haben uns geholfen, dieses Thema zu diskutieren
und eine Akzeptanz in der Gesellschaft zu gewinnen.
Diese Diskussion ist wesentlich. Es ist nicht nur wesent-
lich, im Deutschen Bundestag Gesetze zu beschließen,
sondern sie müssen in der Bevölkerung auch ankommen,
verstanden und gelebt werden.
Herr Kollege Beck, der das Thema hier vertritt,
kommt aus Köln. Ich selber komme aus Hamburg-Mitte.
Ich behaupte, da ist das kein Problem. Dort gibt es eine
andere Lebenswelt und ein Verständnis. Es gibt aber
auch Regionen in unserer Republik, wo dieses Thema
nicht so präsent ist und nicht so diskutiert wird. Ich
glaube, dass die Diskussion hier im Parlament hilft und
dass die Verfassungsgerichtsurteile geholfen haben. Die
Diskussion heute hat gezeigt, dass sich die Mehrheit hier
im Parlament dem Thema nähert.
Ganz besonders dankbar bin ich der Kollegin Granold
für das, was sie gesagt hat. Sie hat gesagt: Wir begrüßen
es, dass Menschen füreinander einstehen. – Das ist zu ei-
nem großen Teil das, was wir gesetzlich geregelt haben.
Sie hat auch erklärt, dass Sie zu Anpassungen im Steuer-
und Beamtenrecht und in anderen Bereichen bereit sind.
Wenn das in den Ausschüssen diskutiert wird, dann ist
das nicht für alle in der Gesellschaft selbstverständlich.
Deswegen ist der Diskussionsprozess in den Ausschüs-
sen, den wir in der Gesellschaft weiterführen müssen, et-
was, was im Ergebnis dazu führen kann, dass das
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Herr Kollege Westerwelle, diesen Prozess haben Sie
inter sich. Das ist ganz positiv. Jetzt müssen Sie ande-
en auch die Möglichkeit geben.
arüber würde ich auch nicht lachen.
chließlich hat es bei Ihnen lange genug gedauert.
Ich finde es wichtig, dass die gesellschaftliche Dis-
ussion hier im Parlament ankommt. Bei der FDP ist sie
ngekommen. Das haben wir festgestellt. Jetzt muss man
en Koalitionspartnern erlauben, dieses Thema inhalt-
ich zu diskutieren. Diese Frage ist nicht nur von rechts-
olitischer, sondern auch von gesellschaftlicher Rele-
anz. Sie wird in Hamburg-Mitte, wo ich wohne,
ielleicht anders gesehen als in anderen Gegenden dieser
epublik.
Meine Bitte ist einfach, dass wir die Möglichkeit, die
er Koalitionsvertrag uns gibt – nämlich uns gegenseitig
u überzeugen –, nutzen und dass wir aufeinander zuge-
en, um bei diesem Thema voranzukommen. Mir per-
önlich wäre das sehr wichtig. Ich glaube, dass es für die
esellschaft gut wäre. Ich glaube, dass es ein Gewinn
ür unser Land wäre. Deswegen sollten wir das anpa-
ken.
Glückauf!
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen aufrucksache 16/497 und 16/565 an die in der Tagesord-ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sieinverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Über-eisungen so beschlossen.
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsIch rufe den Tagesordnungspunkt 19 sowie denZusatzpunkt 11 auf:19 Beratung des Antrags der Abgeordneten HorstFriedrich , Jan Mücke, Patrick Döring,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPSonderprogramm „Kommunale Brückenbau-werke“ auflegen– Drucksache 16/261 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieHaushaltsausschussZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten WinfriedHermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter undder Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-NENBestandssanierung der Verkehrsinfrastrukturausweiten und effektive Sanierungsstrategievorlegen– Drucksache 16/553 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
HaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner das Wort dem Kollegen Horst Friedrich von derFDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirdiskutieren heute über einen Antrag, der für einige zwarunbedeutend erscheint, der aus meiner Sicht aber einwirklich großes Problem anspricht, nämlich die kommu-nale Finanzausstattung und die daraus abgeleitetenPflichten. Wir sollten darüber im Hinblick auf Ereignissewie die in Bad Reichenhall in einer Art und Weise disku-tieren, die ohne Druck und Polemik auskommt und diedie Problematik der Situation deutlich macht.Was ist der Hintergrund? Im Zuge der Bahnreform1994 – sie ist mir sehr bekannt – wurden im Rahmen desEisenbahnkreuzungsgesetzes Brücken, die Straßen überSchienenwege führen, in die kommunale Baulast gege-ben. Das war ordnungspolitisch und sachlich richtig unddas bleibt auch so.Das Problem ist: Durch Entscheidungen des Bundes-gesetzgebers ist die Finanzbasis der Kommunen zwi-schenzeitlich drastisch erodiert. In dieser Situation müs-sen wir konzedieren: Kommunen erkennen, dass inBrücken in ihrer Baulast investiert werden muss, dassman sie unter Umständen komplett erneuern muss. VieleKommunen sagen aber: Wir haben dazu nicht mehr dienötigen finanziellen Mittel; wir müssen uns weiter ver-schulden. Das scheitert teilweise daran, dass nachgeord-nmWKl7gnncnswhgnmmumäUmhmRzgBBi1eulsBdfSamnfhSKain
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Doch, Herr Kollege. – Herr Präsident! Meine Damenund Herren! Lieber Kollege Horst Friedrich, die Verant-wortung für die Brückenbauwerke ist schon seit langemklar geregelt. Wir haben von 1995 bis 1998 intensiv undmit Einbeziehung der Länder darüber diskutiert, wo dieVerantwortung liegt. Auch die Sonderregelung für dieneuen Bundesländer ist ausgelaufen. Deshalb gibt esklare Regelungen. Deshalb – Kollege Friedrich, nehmenSie mir bitte nicht übel, wenn ich das sage – halte ich Ih-ren Antrag mit dem Ziel, ein Sonderprogramm „Kom-munale Brückenbauwerke“ aufzulegen, für einen Schau-fensterantrag im Blick auf die in der nächsten Zeitstattfindenden Kommunal- oder Landtagswahlen.
Wir lassen uns in der Fürsorge für die Kommunen vonniemandem übertreffen.
– Selbstverständlich.
Herr Kollege Friedrich, wenn ich mich richtig erin-nere, dann – hören Sie jetzt zu! – wurde von der FDPund uns in der damaligen Koalition am 25. Juni 1997 imAusschuss für Verkehr ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion zum Gesetzentwurf des Bundesrates im Zugeder Beratungen zum Eisenbahnkreuzungsgesetz abge-lehnt – Sie haben ihn mit abgelehnt –,ndtgdwsas–SnfIguas11dggwtbnndstntAdiKg
ach dem neben dem Eisenbahnunternehmer der Bundie Hälfte der Sanierungskosten bei Brückenbauwerkenragen sollte. Die SPD hat damals den Änderungsantragestellt. Wir haben ihn seinerzeit gemeinsam abgelehnt.Sie haben damals mehr an die Haushaltslage des Bun-es gedacht. Die Aussage „Das Sein bestimmt das Be-usstsein“ trifft auch voll auf die FDP zu. In der Oppo-ition schaut man ein bisschen weniger aufs Geld unduf die Haushaltslage. Die ist aber leider sehr ange-pannt.
Mehr Geld steht nicht zur Verfügung
das ist richtig; ich komme darauf zurück –, weshalbie in Ihrem Antrag fordern, dass die Mittel, die die DBicht ausgegeben hat und die nicht abgerufen wurden,ür das Sonderprogramm verwendet werden.Das klingt zunächst recht gut und auch einleuchtend.ch bin sofort mit Ihnen einig, dass es eigentlich die Auf-abe der Deutschen Bahn AG ist, Mittel, die für Neu-nd Ausbaustrecken zur Verfügung gestellt werden,uch zu verbauen. In Ihrem Antrag schreiben Sie, dassich die seit 1999 nicht abgerufenen Mittel auf rund,4 bis 1,5 Milliarden Euro belaufen. Ich sage, dass seit995 sogar rund 6 Milliarden Euro nicht verbaut wur-en. Das Geld ist teils an den Finanzminister zurückge-angen, in Baukostenzuschüsse umgewandelt oder zumeringsten Teil auf andere Verkehrsträger umgeschichtetorden. Allein mit den seit 1999 nicht abgerufenen Mit-eln hätte man locker die ICE-Trasse Nürnberg–Erfurteginnen und zügig bauen, aber auch Ertüchtigungsmaß-ahmen bei vielen anderen Strecken durchführen kön-en. Es ist aber auch unsere Aufgabe, darauf zu achten,ass die Mittel für den Ausbau der Schieneninfra-truktur tatsächlich verbaut werden können. Eine Kon-rolle im Laufe des Jahres halte ich daher für dringendotwendig und zwingend.
Liebe Kollegen von der FDP, Sie versuchen, als Ret-er der Kommunen aufzutreten.
uf der einen Seite fordern Sie ein Sonderprogramm fürie Kommunen, auf der anderen Seite wollen Sie, wennch richtig informiert bin, die Gewerbesteuer, die denommunen zugute kommt, abschaffen. Das passt ir-endwo nicht zusammen.
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Renate BlankDie Kommunen brauchen keine Sonderprogramme, son-dern eine ordentliche Finanzausstattung. Dann könnensie in Eigenverantwortung entscheiden, für welchenZweck sie ihr Geld ausgeben wollen bzw. ausgebenmüssen.Ich wundere mich natürlich schon, wenn ich höre,dass Sie so ein großes Herz für die Kommunen haben. InRheinland-Pfalz ist ja Landtagswahlkampf. Dort sindSie in der Regierung. Im Wahlprogramm der FDP vonRheinland-Pfalz sehe ich aber lediglich eine Forderungvon 500 Millionen Euro für die Verbesserung der Ver-kehrsinfrastruktur.
Frau Kollegin Blank, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Niebel?
Ja, bitte.
Bitte schön, Herr Niebel.
Vielen Dank, sehr geehrte Frau Kollegin. – Erinnern
Sie sich gerade angesichts der Landtagswahlen, in deren
Vorfeld viele Kolleginnen und Kollegen mit Sonntagsre-
den durch die Gegend ziehen, daran, dass die FDP-Bun-
destagsfraktion am Ende der letzten Legislaturperiode
hier in diesem Hause einen Gesetzentwurf zur Fest-
schreibung des so genannten Konnexitätsprinzips im
Grundgesetz – also des Grundsatzes „Wer bestellt, be-
zahlt“ – eingebracht hat und dass bei der namentlichen
Abstimmung außer der FDP-Bundestagsfraktion keine
andere Fraktion in diesem Hause diesem Antrag gefolgt
ist?
Herr Kollege, da Sie das erwähnen, muss ich Ihnensagen, dass ich Ihren Antrag für überflüssig halte.
Sie fordern also in Rheinland-Pfalz nur 500 Millio-nen Euro mehr. Dort aber hätten Sie doch Ihr großesHerz für die Kommunen zeigen und ein Brückenbaupro-gramm in Ihr Wahlprogramm mit aufnehmen können.
Außerdem kritisiert die FDP doch immer den Haus-halt – was ihr gutes Recht ist –, aber die nicht verbautenMittel wollen Sie für die Straße einsetzen. Was wollenSie nun eigentlich?
Es steht nicht unendlich viel Geld zur Verfügung. Siemüssen die Mittel richtig einsetzen.
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und einer Panikmache – Kollege Friedrich sprach in denMedien von „tickenden Zeitbomben“ – entgegenwirken.
– In den Medien. – Unsere Brücken sind die am bestengeprüften Bauwerke in Deutschland. Sie werden allesechs Jahre aufwendig unter die Lupe genommen. Je-weils nach drei Jahren folgt eine Zwischenprüfung, beider alle Funktionsteile kontrolliert werden. Alle Brückenim Zuge von öffentlichen Straßen werden also in regel-mäßigen Abständen geprüft. Die entsprechenden Zu-ständigkeiten sind geklärt.
Meine Damen und Herren, wir müssen zwei Dingeunterscheiden.
Nein, Frau Kollegin, es wird schwierig werden, sie zu
unterscheiden, weil Ihre Redezeit das nicht mehr zulässt.
Herr Präsident, dann lassen Sie mich zum Abschluss
einen letzten Punkt ansprechen. Die Grünen haben den
Netzzustandsbericht angesprochen. Es ist falsch, wenn
sie den Verkehrsminister dafür prügeln, dass dieser Be-
richt bis jetzt noch nicht erschienen ist. Sie müssen viel-
mehr auf den Bahnchef Mehdorn einwirken, dass er die-
sen Netzzustandsbericht endlich abliefert. Wir alle sind
schon gespannt darauf. Bevor der Bahnchef Briefe
schreibt, wäre es besser, er würde sich um den Netzzu-
standsbericht kümmern. Wenn er vorliegt, können wir
im Ausschuss darüber diskutieren und danach handeln.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort der Kollegin Heidrun Bluhm,
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!Sehr geehrter Herr Brückenbauer Friedrich, es war im-mer eine Hauptforderung meiner Fraktion, die Kommu-nen in der Bundesrepublik Deutschland rechtlich und fi-nanziell in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben in derkommunalen Daseinsvorsorge im Rahmen der kommu-nalen Selbstverwaltung wahrnehmen zu können.
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Nun legt die FDP-Fraktion mit ihrem Antrag die langrsehnte Lösung des Problems auf den Tisch. Wie se-ensreich! Meine Damen und Herren von der FDP, es istchon bemerkenswert, dass gerade Sie angesichts des-en, dass Sie sich ansonsten immer auf weniger Staatnd mehr Bürgerverantwortung berufen, noch ein staatli-hes Sanierungsprogramm auflegen möchten.
ie viele Einzelprobleme wollen wir hier, fern von denemeinden, denn noch erfinden? Stilgerecht für Ihre Po-itik wäre zeitgleich mit der Privatisierung der Deut-chen Bahn die Privatisierung der Eisenbahnbrücken.amit hätten die Kommunen wirklich ein Problem weni-er.
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Heidrun BluhmWenn plötzlich der FDP-Generalsekretär Dirk Niebelin der „Bild“-Zeitung mit den Worten zitiert wird, einSonderbauprogramm für kommunale Brückenbauwerkekönne Tausende von Arbeitsplätzen schaffen,
dann kann ich dazu nur sagen: Die FDP ist herzlich dazueingeladen, unser „Zukunftsinvestitionsprogramm Kom-munen“ zu unterstützen.
Ebenso ist die FDP eingeladen, unser Steuerkonzept zuunterstützen,
das den öffentlichen Haushalten mehr als 60 MilliardenEuro Steuereinnahmen bringen würde.
Das brächte noch mehr Arbeitsplätze. Ich kann nur hof-fen, dass hier nicht auf Kosten der Kommunen Anträgefür die Tribüne gestellt werden.
Warum machen wir es so kompliziert? Viel einfacherwäre eine Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes,das nach dem Verursacherprinzip auch die Kostenbe-teiligung regelt,
und zwar nach dem Sprichwort: „Wer die Musik bestellt,bezahlt.“ Sie könnten die Milliarden nicht abgerufenerBundesmittel direkt an die Bahn weitergeben und diesefinanziert dann allein. Die Kommunen würden sichfreuen.
Nicht nur Eisenbahnkreuzungen, sondern auch Eisen-bahnübergänge und Lichtsignalanlagen unterliegen demFinanzierungszwang. Die in § 13 des Eisenbahnkreu-zungsgesetzes festgelegte Drittelung der Kosten beiBahnanlagen überfordert die meisten Kommunen schonjetzt, wie ich bereits vorhin dargestellt habe. Diese Anla-gen würden nach dem vorliegenden Antrag nicht einmalin die Förderung fallen.
Im Übrigen beweist Ihr Antrag eine ungenaue Ana-lyse und eine geringe Vor-Ort-Kenntnis und ist damit nurein oberflächliches Papier.
Ihr auffällig neues, quantitativ geprägtes Engagement imHinblick auf die Lage der Kommunen in Deutschlandführt so jedenfalls nicht zu neuer Qualität. Ihrem Antragfehlt jegliche Zahlenbasis. Wir können nur vermuten,dass Sie sich in Ihrem Antrag auf Eisenbahnbrücken be-zFBnswcutrdrdjidIfSLwDnKnuWz
Mit diesem Antrag jedenfalls fördern Sie weiter dieevormundung der Kommunen und nicht die kommu-ale Selbstverwaltung. Die Bürgermeister wissen selbstehr genau, wo ihre Investitionsdefizite liegen. Lassenir sie doch bitte selbst bestimmen, wann sie eine Brü-ke, eine Schule oder ein Krankenhaus sanieren wollennd müssen. Dazu bedarf es eines kommunalen Inves-itionsprogramms und keines weiteren Brückensanie-ungsprogramms.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion,ennoch werden wir nach ausführlicher Bearbeitung Ih-es Antrages in den Ausschüssen diesem wahrscheinlichoch zustimmen,
edoch nur aus einem Grund: Jeder Euro, der zusätzlichn den Gemeinden ankommt, ist in der derzeitigen Lageer Kommunen gut angelegtes Geld.Danke schön.
Frau Kollegin Bluhm, ich gratuliere Ihnen herzlich zu
hrer ersten Rede im Deutschen Bundestag und wünsche
ür die weitere Arbeit alles Gute.
Das Wort hat nun die Kollegin Rita Schwarzelühr-
utter für die SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!iebe Kollegen! Der Dacheinsturz in Bad Reichenhallar tragisch und ein furchtbares Unglück. Die Serie deracheinstürze scheint nicht abzureißen. Wir solltenicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern überonsequenzen nachdenken. Ein Antrag wie der der FDPutzt allerdings wenig; vielmehr handelt es sich bei ihmm bloßen populistischen Aktionismus.
as wir brauchen, sind durchdachte, nachhaltige Kon-epte, keine Schnellschüsse.
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Rita Schwarzelühr-SutterIm Zusammenhang mit der Neuordnung des Eisen-bahnwesens, sprich: Bahnreform, wurde auch das Eisen-bahnkreuzungsgesetz neu gefasst. Die Frage, wer welcheKosten zu tragen hat, ist abhängig von der Art der Eisen-bahnkreuzung. Sie wissen:
Bei so genannten höhengleichen Kreuzungen, Herr Kol-lege, gibt es eine Kostendrittelung zwischen der Ge-meinde als Baulastträger der Straße, der Bahn und demBund. Die Kostendrittelung gibt es nicht für die Unter-haltung und Erneuerung von Straßenbrücken; für die Er-haltung von Kreuzungsbauwerken sind die Kosten vondem Baulastträger zu tragen, dessen Verkehrsweg überdas Bauwerk geführt wird. Sie wissen: Es ist zu unter-scheiden zwischen einer Eisenbahnüberführung, alsoSchiene über Straße – hier trägt der BaulastträgerSchiene allein die Kosten –, und einer Straßenüberfüh-rung, also Straße über Schiene; hier trägt die Kosten al-lein der Straßenbaulastträger.
In den alten Bundesländern sind mit der Änderungdes Eisenbahnkreuzungsgesetzes seit 1994 alle Über-führungen von kommunalen Straßen über Eisen-bahnanlagen endgültig auf die zuständigen Gemeindenund Städte übergegangen.Herr Friedrich, Sie wussten, dass der ordnungsge-mäße Zustand damals von der Bahn hergestellt werdenmusste und dass die Bahn dafür einzustehen hatte.
In den neuen Ländern lag die Pflicht zur Erhaltung derStraßenüberführungen schon immer bei den Straßenbau-lastträgern. Im Übrigen ist keine Kommune bekannt, diedas Übergabeprotokoll nicht unterzeichnet hätte.
Die Kommunen sind somit für die Erhaltung, Pflegeund Sanierung von kommunalen Straßenüberführungenallein zuständig, nicht die Bahn, nicht der Bund. AlleBrücken werden in regelmäßigen zeitlichen Abständenüberprüft. Die Prüfung und Durchführung der Sanierungbei Brücken, die zu Kommunalstraßen gehören, obliegtden Kommunen.
Berichte über diese Prüfungen liegen dem Bund nichtvor. Aber dafür gibt es Spekulationen, Herr Friedrich.Die „gefühlte“ Anzahl der einsturzgefährdeten BrückenlgvdNKDdKnss1sLnhlhLtAVm2ld2dBsAandFEra
Sie fordern zugleich Finanzhilfen für Kommunen, dieie Sanierung nicht aus eigener Kraft bezahlen können.atürlich wissen wir alle, dass die Haushaltslage derommunen angespannt ist.
ies allein kann aber nicht Motivation dafür sein, dasser Bund für die Kommunen einspringt.
Im Übrigen unterstützt der Bund schon heute dieommunen beim Bau und Ausbau von Kreuzungsmaß-ahmen über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsge-etz. Unbeschrankte Bahnübergänge konnten zum Bei-piel sicherer gemacht werden. Von den insgesamt,6 Milliarden Euro GVFG-Mitteln aus dem Jahr 2004ind 20 Prozent ins Bundesprogramm und 80 Prozent inänderprogramme geflossen. Kreuzungsmaßnahmenach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz sind förderungsfä-ig nach GVFG, soweit Gemeinden und Kreise als Bau-astträger der kreuzenden Straße Kostenanteile zu tragenaben. Aus diesen Finanzhilfen des Bundes können dieänder bis zu 75 Prozent der zuwendungsfähigen Kos-en dieser Kreuzungsmaßnahmen fördern.Sie wissen ebenfalls: Der Bund kann nach Art. 104 abs. 4 des Grundgesetzesden Ländern Finanzhilfen für besonders bedeut-same Investitionen der ... Gemeinden ... gewähren,die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirt-schaftlichen Gleichgewichts oder zum Ausgleichunterschiedlicher Wirtschaftskraft ... oder zur För-derung des wirtschaftlichen Wachstums erforder-lich sind.on dieser Möglichkeit hat der Bund 1998 Gebrauch ge-acht und den ostdeutschen Kommunen über50 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Diese Rege-ung bezweckte eine finanzielle Gleichbehandlung miten westdeutschen Kommunen. Das Programm lief bis003. Das war wirklich ein Sonderprogramm und ichenke, es ist unstrittig.Nach Art. 104 a Abs. 1 des Grundgesetzes habenund und Länder – und damit auch die Kommunen – dieich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergebendenusgaben zu tragen. Heute sind die Haushaltsvoluminaller öffentlichen Hände knapp und begrenzt. Die Fi-anzierung der Aufgaben fällt schwer. Trotzdem bin icher Meinung, dass wir nicht auf der einen Seite in deröderalismuskommission die Aufgaben der staatlichenbenen ordnen und auf der anderen Seite die Finanzie-ung, wenn es gerade mal nicht anders geht, dem Bundufbürden können.
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Rita Schwarzelühr-SutterMit der Zuteilung von Aufgaben ist die Finanzverant-wortung untrennbar verbunden. Mit der gleichen Logikkönnten die Kommunen monieren, dass die Kindergär-ten sanierungsbedürftig seien, und schon würde die FDPein Sonderprogramm „Kindergartensanierung“ auflegen.Stünde die Schließung von Schwimmhallen an, würdedie FDP ein „Schwimmhallensanierungsprogramm“ auf-legen. Diese Liste könnte man wahrscheinlich unendlichfortsetzen: Schulen, Krankenhäuser, Sportstätten usw.Ich möchte überhaupt nicht die Notwendigkeit undDringlichkeit der Sanierungsarbeiten infrage stellen. Ichverwahre mich lediglich gegen die Verschiebung von Fi-nanzverantwortung.
– Darauf komme ich, Herr Friedrich. – Es bringt nichts,ein Sonderprogramm nach dem anderen zu starten;vielmehr müssen die Kommunen auch zukünftig eine so-lide finanzielle Basis haben.
Mit der Fortentwicklung der Unternehmensbesteue-rung und der Gewerbesteuer werden wir sie zukünftigauf diese solide Basis stellen.
Die finanzielle Handlungsfähigkeit muss langfristig ge-währleistet sein.
In Ihrem Antrag schlagen Sie vor, dass die nicht abge-rufenen Mittel der DB AG in dieses Sonderprogrammfließen sollen. Vielleicht hätten Sie besser Ihre Haus-haltsexperten befragt, diese hätten Ihnen nämlich erklärt,dass im Bundeshaushalt für Schienenwegeinvestitionenvorgesehene Mittel zweckgebunden sind und deshalbnicht zur Unterstützung der Kommunen eingesetzt wer-den können. Im Übrigen werden die Mittel weitgehendim Rahmen haushaltsrechtlich zulässiger Umschichtun-gen für Investitionsmaßnahmen anderer Verkehrsträgereingesetzt.Die Erhaltung der Sicherheit, Funktionsfähigkeit undDauerhaftigkeit hat für alle Baulastträger oberste Priori-tät. Wesentliche Voraussetzungen hierfür sind die regel-mäßige Prüfung der Bauwerke, die zeitnahe Beseiti-gung der bei den Prüfungen festgestellten Schäden undSchwachstellen und die Zurverfügungstellung ausrei-chender Erhaltungsmittel.Im Bundesverkehrswegeplan der rot-grünen Regie-rung aus 2003 ist deshalb der Anteil an Erhaltungsmit-teln für alle Verkehrsträger deutlich erhöht worden. DerAnteil der Sanierungsmittel über alle Verkehrsträger istmit 56 Prozent deutlich gestiegen. Für den Zeitraum bis2015 sind allein für Investitionen zur Erhaltung des Be-standsnetzes der Bundesfernstraßen 37,7 MilliardenEuro veranschlagt, wobei der Anteil zur Erhaltung derBauwerke rund 15 bis 35 Prozent beträgt.es2d9DütDmtDaSagnhwtLIdhWgMKdNne
amit liegt das Volumen jährlich rund 1 Milliarde Eurober dem geltenden Finanzplan, Herr Friedrich.Die zusätzlichen Mittel kommen allen drei Verkehrs-rägern – Schiene, Straße und Wasserstraße – zugute.er Schwerpunkt liegt auch hier auf den Erhaltungs-aßnahmen im Bestand. Die Ansätze für die Erhal-ung werden wieder gestärkt.
ie Umschichtung zulasten der Erhaltung kann bis 2009bgebaut werden. Die Grünen brauchen sich also keineorgen zu machen. Wir werden auch in der großen Ko-lition den nachhaltigen Ansatz des Bundesverkehrswe-eplans fortsetzen.
Deutschland verfügt über eines der besten Straßen-etze in Europa. Die Erhaltung der Straßen und Brückenat Vorrang; denn die Erhaltung der Mobilität ist eineesentliche Voraussetzung für wirtschaftliches Wachs-um und Beschäftigung sowie ein wichtiger Beitrag zurebensqualität der Bürger.Danke.
Frau Kollegin, ich gratuliere auch Ihnen herzlich zuhrer ersten Rede,
ie beinahe mit einer Punktlandung bezüglich der Ein-altung der Redezeit zu Ende gegangen wäre.
enn Ihnen das bei all Ihren folgenden Reden ähnlichut gelingen wird, werden Sie eines der beliebtestenitglieder im Deutschen Bundestag.
Zum Schluss dieses Tagesordnungspunktes erhält derollege Dr. Anton Hofreiter, Bündnis 90/Die Grünen,as Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Jeder, der ein Haus baut, weiß, dassr es auch erhalten muss. Nur die öffentliche Hand in
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2006 1249
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Dr. Anton HofreiterDeutschland weiß so etwas anscheinend nicht. Seit Jahr-zehnten wird die Infrastruktur ausgebaut. Aber was hältmit dem Infrastrukturnetz nicht mit? Die Haushalte fürdie Sanierung.In der Vergangenheit haben wir einiges erreicht. Esgab Anstrengungen bei der Modernisierung der Schiene.Der Modernisierungsgrad der Schiene ist von 64 Prozentauf 68 Prozent gestiegen. Trotzdem gibt es im Infra-strukturbereich insgesamt einen erheblichen Sanierungs-bedarf.
Beispielsweise sind 12 Prozent aller Brücken des Bun-des in kritischem Zustand. Der Zustand der Brücken derKommunen ist noch schlechter. Der Beitrag der FDP istdeshalb ein wichtiger Hinweis;
aber er reicht bei weitem nicht aus.
Denn auch die übrige Verkehrsinfrastruktur wurdeüber Jahrzehnte vernachlässigt. Über den Zustand desSchienennetzes reden wir besser erst gar nicht. DasAufschieben von nötigen Instandhaltungsmaßnahmenist, wenn man es genau nimmt, nichts weiter als in dieZukunft verlagerte Staatsverschuldung und deshalb un-ter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit mehr alskritisch zu sehen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der großenKoalition, ich kann ja verstehen, dass die vielen direktgewählten Abgeordneten dieser Koalition lieber imWahlkreis rote Bändchen für neue Projekte durchschnei-den, als dass sie sich dafür einsetzen, dass Geld für dieSanierung der bestehenden Projekte bereitgestellt wird.
Ich kann Sie voll und ganz verstehen.Sehr geschätzte Kollegin Blank, Sie haben ange-merkt, dass die Grünen auf einmal eine neue Positionzum Thema Straße hätten. Ich glaube, Ihnen sind die An-träge vieler grüner Landtagsfraktionen – ich erwähne nurdie grüne Landtagsfraktion in Bayern; auch Sie kommenvon dort – nicht bekannt, in denen gefordert wird, dassim Haushalt die Gelder für die Sanierung der Straßenerhöht werden. Wir haben jedoch immer beantragt, dieGelder für unnötige Neubaumaßnahmen, die dann aucherhalten werden müssen, zu kürzen. Schauen Sie sicheinmal die Drucksachen des Bayerischen Landtags an.Das kann erhellend sein.
Wir haben in diesem Zusammenhang fünf Forderun-en gestellt:Erstens. Die zusätzlichen 4,3 Milliarden Euro müssenomplett für die Sanierung eingestellt werden.Zweitens. Die Umwidmung von Mitteln für die Sanie-ung zu Neubaumitteln – das machen die Länder gern – istu unterbinden.Drittens. Der Bericht über den Zustand des Schienen-etzes ist endlich vorzulegen.
ies wird oft nur auf Herrn Mehdorn abgeschoben. Manag ja Recht haben, wenn man sagt, dass Herr Mehdornicht unbedingt den besten Job macht. Aber die Verwal-ung könnte auf dieses zu 100 Prozent im Bundesbesitzefindliche Unternehmen etwas Druck ausüben. Dasönnte nicht schaden.
Viertens ist vielleicht noch anzumerken, dass es nichtilft, wenn wir uns hier im Hohen Haus darauf einigen,öglichst viele Haushaltsmittel für bestimmte Postenur Verfügung zu stellen. Dieses Geld muss vernünftigusgegeben werden.Deshalb lautet unsere fünfte Forderung, darauf zuchten, dass die DB AG das Geld effektiv und effizientinsetzt.
Ich freue mich schon auf die Beratungen über denaushalt. Ich bin gespannt auf die Argumente der Kolle-innen und Kollegen der großen Koalition.Ich danke.
Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege Hofreiter, zuhrer ersten Rede im Deutschen Bundestag,
us deren Anlass die eigene Fraktion nahezu vollzähligngetreten ist, was festgehalten zu werden verdient.
lles Gute für die weitere Arbeit.Ich schließe damit die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen aufen Drucksachen 16/261 und 16/553 an die in der Tages-rdnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Damit
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1250 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2006
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Präsident Dr. Norbert Lammertsind Sie bestimmt einverstanden. – Das ist der Fall.Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe den Zusatzpunkt 12 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENBeitrag der deutschen Politik zur Deeskalationdes Konfliktes um den KarikaturenstreitIch weise darauf hin, dass die Debattenbeiträge nachunserer Geschäftsordnung nicht ungefähr fünf Minuten,sondern nicht länger als fünf Minuten lang sein dürfen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-nächst dem Kollegen Fritz Kuhn für die Fraktion desBündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirhaben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil wir finden,dass auch der Deutsche Bundestag seinen Beitrag leistenmuss, damit wir angesichts des Karikaturenstreits nichtin einen Kampf der Kulturen geraten, sondern eine De-eskalation der schwierigen Situation erreichen.
Ganz herzlich begrüße ich auch die Vertreter islami-scher Verbände in Deutschland, die dieser Debatte zuhö-ren. Es ist richtig, auch auf diese Art und Weise ein Zei-chen zu setzen.
Der erste wichtige Punkt ist für uns ein klares Be-kenntnis zur Meinungsfreiheit, für die wir einstehen. DieMeinungsfreiheit ist nicht irgendetwas, sondern sie istzentral und konstituierend für die Demokratie.
Nur durch Meinungsfreiheit ist Demokratie, also dasVerleihen von Herrschaft auf Zeit, überhaupt denkbar.Deswegen sagen wir ganz klar: An der Meinungsfrei-heit, wie sie in den europäischen Demokratien und inDemokratien überhaupt existiert, können und wollen wirnicht rütteln. Niemand darf an ihr rütteln.
Mein zweiter Punkt. Freiheit impliziert immer auchVerantwortung. Angesicht der Karikaturen, die in däni-schen Zeitungen veröffentlicht wurden, und angesichtsdessen, was von diesen Zeichnungen abgesehen gesche-hen ist – dazu gehört auch, dass in Dänemark lange ge-wshMgdusgnEmtDtwwatitÖwsmDDaewddsedBkneSnüDr
Dennoch – das ist mein dritter Punkt – gilt die Mei-ungsfreiheit. Diese Spannung auszuhalten, ist meinesrachtens in dieser Debatte das eigentliche Problem. Wirüssen dafür werben, diese Spannung auszuhalten. Na-ürlich kann man gegen einen solchen Unsinn, wie er inänemark geschehen ist, protestieren. Aber dieser Pro-est berechtigt nicht zur Anwendung von Gewalt: wederenn sie von Einzelnen noch – das erst recht nicht –enn sie von korrupten und undemokratischen Regimenusgeht, die, um ihre innere Stabilität aufrechtzuerhal-en, versuchen, diese Karikaturen für ihre Interessen zunstrumentalisieren.
Für uns, das Bündnis 90/Die Grünen, ist eines wich-ig: Wenn wir als Deutscher Bundestag und als deutscheffentlichkeit einen Beitrag zur Deeskalation leistenollen, dann ist dies die Stunde des Dialogs und der Ver-tändigung, nicht aber die Stunde derer, die den Musli-en jetzt einmal zeigen wollen, wo der Hammer hängt.iese Haltung, die in der öffentlichen Diskussion ineutschland zum Teil eine Rolle gespielt hat, lehnen wirb; denn so kann kein Dialog stattfinden. Deswegen gehts jetzt auch nicht darum, ob Botschaften geschlossenerden. Man kann nicht, wie es Herr Schockenhoff voner CDU getan hat, am Vormittag in einem Interview iner „Welt“ sagen, dass Botschaften geschlossen werdenollten, und am Nachmittag darauf hinweisen, dass maninen Dialog führen will;
enn auch für einen solchen Dialog sind diplomatischeeziehungen und Botschaften von Bedeutung.
Dies ist also nicht die Stunde des Winkens mit Fahr-arten, wie in Baden-Württemberg geschehen. Es gehticht darum, einen „Islamtest“ durchzuführen, sonderns geht um einen echten Dialog. Das bedeutet für beideeiten vor allem, die Perspektive des Gegenübers einzu-ehmen und sich zu fragen: Was denken die anderenber mich und was denke ich über die anderen? Einenialog auszurufen, ist wohlfeil. Aber man muss auch be-eit sein, eine andere Perspektive einzunehmen, und zum
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Fritz KuhnBeispiel müssen die Angehörigen der islamischen Reli-gionsgemeinschaften verstehen: Die klare Trennung vonKirche und Staat, die in unserer Kultur besteht, hat unsals ein evolutionärer, historischer Prozess der Aufklä-rung Frieden und Freiheit gebracht. Wir müssen, damitwir diesen Dialog ernsthaft führen können, aber auchverstehen, was Muslime beleidigen kann.
Deswegen muss Schluss sein mit Eskalationen. Ich willdas ganz einfach sagen: Wer Öl ins Feuer gießt, kannsich nicht über das Feuer beschweren. Das gilt für alle,egal auf welcher Seite jemand steht.
Letzter Punkt: eine Bemerkung zu Dänemark. Ichfinde, was manche Konzerne gemacht haben – sich zudistanzieren, sie kämen nicht aus Dänemark, sondern ausder Schweiz –, verdient unsere Verachtung.
Wir haben den Boykott gegenüber Dänemark zu kritisie-ren. Von der Bundesregierung will ich dabei klipp undklar wissen, welche Bemühungen unternommen wordensind, zu einer geschlossenen Haltung der EU zu kom-men. Jetzt wegzutauchen und lediglich einzelne Kom-missare Stellung nehmen zu lassen, wird nicht genügen.Allerletzter Punkt, Herr Präsident. Wenn alle inDeutschland im Karikaturenstreit zusammenstehen – dieReligionsgemeinschaften, aber auch die Nichtgläubigen;die Deutschen, aber auch die Nichtdeutschen –, dannwerden wir eine positive Integration in Deutschlandschaffen. Dazu ist wichtig, dass sich so etwas wie eineuropäischer Islam entwickeln kann. Zum Beispiel gabes auf dem Balkan sehr positive Stimmen von islami-schen Gläubigen, die deeskalierend gewirkt haben. Dashat übrigens den Hintergrund, dass die Trennung vonKirche und Staat dort etablierter, normaler ist. EineSchlüsselrolle kommt dabei der Türkei zu, nicht in demSinne, wie man heute von Herrn Ramsauer von der CSUlesen konnte, dass die Türkei jetzt zeigen solle, ob sie füreinen Beitritt zur EU bereit sei. Beim EU-Beitritt geht esvielmehr um die Frage, ob es einen europäischen Islamgeben kann, der in den Konflikten, die möglicherweisevor uns liegen, eine zentrale, vermittelnde Rolle einneh-men kann.
Herr Kollege!
Ich bin froh, dass die türkische Regierung dies ange-
gangen ist und dass wir da ein Stück weiter gekommen
sind.
Damit komme ich zum Schluss.
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Herr Kollege Kuhn, Sie schätzen meine Aufgeschlos-enheit gegenüber der Opposition zutreffend ein, abereine Gestaltungsmöglichkeiten müssen sich immer imahmen der Geschäftsordnung bewegen.Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Freiherr zuuttenberg für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Ich habe großen Respekt vor der religiösen Di-ension der Debatte, die wir heute führen, aber umsoeniger vor der gezielten politischen Instrumentalisie-ung ihrer Inhalte, egal in welchen Regionen der Welt.
Das hohe und zu verteidigende Grundrecht der Pres-efreiheit ringt gelegentlich mit dem Verstand, vielleichtuch mit der Intelligenz derer, die sich auf sie berufen;as ist richtig. Auch bedeutet die Rücksichtnahme aufie Empfindungen anderer noch nicht zwangsläufig eineinschränkung der Pressefreiheit. Zwei Dinge stehen al-erdings unverrückbar fest: Gewalttätige Reaktionenauf Karikaturen wohlgemerkt – und der Aufruf zu sol-hen sind auf das Schärfste zu verurteilen und für uns ineglicher Hinsicht inakzeptabel.
Ein Zweites – das klang mir bei dem ersten Redebei-ag ein bisschen zu wenig durch –: Toleranz und Respektor religiösen Gefühlen, Symbolen und Einrichtungenind keine Einbahnstraße.
eshalb sollte dieser Anspruch nicht auch in der islami-chen Welt vollständige Geltungskraft entfalten?
Nun wird von europäischen Regierungen, insbeson-ere von Dänemark, mit aller Vehemenz gefordert, sichür die Äußerungen ihrer freien Presse zu entschuldigen,a sogar, die jeweiligen Verantwortlichen zu bestrafen.
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Karl-Theodor Freiherr zu GuttenbergDas ist der für mich nicht hinnehmbare Versuch Einzel-ner – ich betone: Einzelner –, uns zur Aufgabe wesentli-cher Grundsätze unseres Wertesystems zu zwingen. Wirmüssen aufpassen, dass wir uns darauf nicht einlassen.
Je nachgiebiger wir uns gegenüber diesem Verlangenzeigen, desto mehr laufen wir Gefahr, den gewachsenenKernbereich unserer Freiheit zu beschädigen.
Auch dürfen wir Dänemark angesichts der Forderun-gen Einzelner und angesichts der Boykottaufrufe, diewir zurzeit aus dem Iran hören, nicht nur halbherzig zurSeite stehen. Dänemark muss sich unserer Solidaritätund unserer Unterstützung in dieser Sache sicher seinkönnen.
Die nicht islamische Welt – dazu zählen wir – darfsich aus ihrem eigenen Selbstverständnis heraus wedermoralisch noch tatsächlich in eine Art Kollektivhaft fürdas Verhalten einzelner Zeitungen nehmen lassen. Esscheint für einige hier die große Stunde Huntingtons zusein. Das ist sie – darin stimme ich Ihnen zu, Herr Kuhn –selbstverständlich nicht. Wir stehen nicht vor einemKampf der Kulturen.
Denn das würde bedeuten, dass sich die so genannte isla-mische Kultur und die so genannte westliche Kultur un-vereinbar gegenüberstünden. Angesichts der derzeitigenGegebenheiten würde das letztlich heißen, islamistischeGewaltreaktionen, Regime, die diese Debatte bewusstausnutzen, in die Nähe eines übergeordneten Kulturbe-griffs zu rücken. Das dient weder unserer Kultur nochder eigentlichen islamischen Kultur. Das muss einmalfestgestellt werden.
Was bedeutet das letztlich für unsere politischenGrundsätze? Ja zur Dialogbereitschaft, da stimme ich Ih-nen zu, Kollege Kuhn. Wir müssen uns auch bewusstsein, dass keine Konfliktlinie, keine apodiktische Trenn-linie zwischen westlicher und islamischer Welt verläuft.Die eigentliche, die bestimmende Konfliktlinie verläuftzwischen denjenigen, die Terrorismus, Hass und Intole-ranz das Wort reden, und denjenigen – egal welcher Re-ligion –, die sich für Menschenrechte, für Rechtsstaat-lichkeit und für Meinungsvielfalt einsetzen.
Auf Letzteres können wir uns mit einigem Stolz berufen.GDgbsDhdbfrKlMgmfwrnzulDsmgiVA„PhSstdmgm
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Wolfgang Gerhardt
ür die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Analysie-en wir, was geschehen ist. Eine dänische Zeitung hatarikaturen aus einem Wettbewerb heraus veröffent-icht.
anche sind gelungen, manche weniger, manche sindründlich misslungen. Wir haben zur Kenntnis zu neh-en, dass sich Muslime davon bedrängt und tief verletztühlen. Ob das allen Beteiligten von Anfang an so klarar, lasse ich dahingestellt sein. Wir haben das zuespektieren. Wir dürfen aber sagen, dass Verletzlichkeiticht dazu veranlassen darf, Mittel in Bewegung zu set-en, die wir weltweit im Zusammenleben von Staatennd Menschen nicht sehen wollen. Es gibt keine Verletz-ichkeit, die dazu führen darf, Maßstäbe zu verletzen.ies ist in der Nachfolge krass geschehen.
Das sage ich, da muslimische Gäste auf der Tribüneind, auch deshalb, weil das auch andere Religionsge-einschaften betrifft. Ich kenne laute Aufschreie undroße Proteste katholischer und evangelischer Christenn der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik nacheröffentlichungen. Erinnern wir uns an 1962, an denrtikel „Brennt in der Hölle wirklich ein Feuer?“ imStern“ von Bucerius. Es gab einen scharfen öffentlichenrotest der Christen.Auch wir, die wir ein christliches Bekenntnis abgelegtaben, mussten hinnehmen, dass wir gelegentlich diechärfe der Pressefreiheit akzeptieren müssen und dassich der Protest in Bahnen bewegen muss, die aufgeklär-en Gesellschaften angemessen sind. Das müssen auchie muslimischen Glaubensgemeinschaften lernen. Sieüssen gelegentlich die Schärfe der Pressefreiheit ertra-en. Sie können uns wissen lassen, dass wir hätten sehenüssen, dass sie sich verletzt fühlen, aber sie müssen
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Dr. Wolfgang Gerhardtsich jetzt auch selbst herausgefordert fühlen, und politi-sche Führungen in vielen Ländern müssen die Menschendarauf hinweisen, dass nicht eine Religion Deutungsho-heit über alles hat. Das ist der Kern der Debatte, die jetztstattfindet.
Ein gutes Beispiel für das friedliche Zusammenlebenhaben gestern zwei Chefredakteure von Zeitungen gege-ben. Es waren Kai Diekmann von der „Bild“-Zeitungund sein Kollege von der „Hürriyet“, Ertugrul Özkök.Beide haben natürlich auch gesehen, dass es längst nichtmehr allein um die Karikaturen in einer dänischen Zei-tung geht. Es geht im Kern um die Frage, ob Menschendie Geltendmachung der Verletzung ihrer Würde alsMittel eines Protestes anwenden dürfen, der jedes Maßüberschritten hat. Für mich geht es im Kern auch darum,ob das Ganze dazu führen kann, dass wir in unseren Ge-sellschaften eine Diskussion beginnen, die zu einer ArtSelbstzensur führt. Dazu bin ich als freier Demokratnicht bereit.
John Stuart Mill hat in seinem berühmten Essay überdie Freiheit geschrieben, dass es bei der Freiheit nichtnur um den Kampf gegen Willkür und auch nicht nur umden Kampf gegen in einer Gesellschaft vorherrschendeMeinungen und Gefühle geht, die Andersdenkenden mitanderen Mitteln als der Überzeugung aufgezwungenwerden sollen. Betroffenheit zur Kenntnis zu nehmenund sich zu einer Überprüfung herausgefordert zu füh-len, ob eine richtige Abwägung vorgenommen wordenist – das ist immer richtig.Jede Religion hat ihre eigene Würde, keine hat einDeutungsmonopol. Das hat Heribert Prantl in dieser Wo-che in einem Kommentar so treffend beschrieben, dasses niemand von uns besser ausdrücken könnte. Erschreibt:Wenn eine Religion allumfassend ist, wenn sie dieTrennung zwischen Recht und Moral nicht vollzieht,wenn sie alles, was ihre Sitten verletzt, als Schmä-hung verfolgt sehen will, dann macht sie ihre religiöseOrdnung zur weltlichen. Ein säkularisierter, demo-kratischer Staat kann das nicht akzeptieren …Pressefreiheit wäre dann kein Grundrecht mehr, sondernein Gnadenrecht.
Das ist der Kern, über den hier gesprochen werden mussund den wir im Dialog der Kulturen in aller Freiheitauch unseren muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbür-gern in Deutschland – er gilt aber natürlich auch für an-dere – mitteilen können. Sie können ihn akzeptieren. Wirsind nicht zum Schweigen über unseren eigenen Stand-ort verpflichtet, nur weil andere sagen, sie fühlten sichdWd„wKfSAnKwghcÜssbSHtTznnkIuvdWFsdibsz
Nächster Redner ist der Kollege Niels Annen für die
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Die Bilder der letzten Tagen aus dem Nahen Os-en bewegen die Menschen überall auf der Welt. In derat fühlen sich viele Menschen in ihren religiösen Über-eugungen tief getroffen. Ich will offen sagen, dass ichicht den Eindruck habe, dass eine Debatte mit Fünf-Mi-uten-Beiträgen der angemessene Rahmen ist, um diesesomplexe Thema miteinander zu diskutieren.
ch will deswegen für die SPD-Fraktion sagen, dass wirns dafür einsetzen werden, in angemessener Zeit eineernünftige Auseinandersetzung über dieses Thema iniesem Hause zu führen und den Dialog fortzusetzen.ir werden dafür einen Antrag vorbereiten.
Massenhafte Demonstrationen, brennende dänischeahnen und in Flammen aufgehende europäische Bot-chaften scheinen für einige Menschen in diesem Lander Beleg dafür zu sein, dass der Graben zwischen derslamisch und der christlich geprägten Welt unüberwind-ar ist. Viele Menschen stehen in der Tat ratlos vor derich manchmal grotesk zuspitzenden Auseinanderset-ung. Natürlich ist es dann leicht und auch verführerisch,
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Niels Annennach einfachen Erklärungen zu suchen. Aber wir wissen:Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Themakann uns dies nicht ersparen.Es ist unsere Aufgabe – davon bin ich überzeugt –,auch hier im Deutschen Bundestag zur Deeskalation bei-zutragen. Wir müssen die Lage beruhigen und nach denUrsachen der Geschehnisse fragen. Wir müssen demo-kratische Grundwerte und demokratisches Handeln ent-schieden verteidigen und darüber hinaus den Dialog wa-gen, anstatt – da stimme ich Ihnen zu, KollegeGuttenberg – den Kampf der Kulturen herbeizureden.
Wenn Fundamentalisten die aufgeheizte Situation fürihre politischen Ziele missbrauchen, dann dürfen wir ih-rem Kalkül nicht aufsitzen. Deswegen finde ich Forde-rungen nach einem Boykott oder dem Abbruch vondiplomatischen Beziehungen an dieser Stelle kontrapro-duktiv; das will ich offen sagen.
Unsere Aufgabe ist es vielmehr, wieder Rationalität indie Auseinandersetzung zu bringen, nicht, die Stimmungaufzuheizen. Es lohnt die Mühe, sich die derzeitige Situa-tion genauer anzusehen. Es gibt einen Unterschied zwi-schen ehrlicher, religiös empfundener Empörung undgezielt geschürter Gewalt. Die gewaltsamen, erschre-ckenden Auseinandersetzungen der letzten Tage sindzum Teil gut organisiert und inszeniert. Wir dürfen je-doch nicht den Fehler machen, die gewalttätigenDemonstrationen mit der islamischen Welt gleichzuset-zen.
Die übergroße Mehrheit der Muslime lehnt diese Ex-zesse entschieden ab. Es ist doch interessant, dass es sä-kulare Regierungen sind, die diese Provokationen offen-sichtlich gezielt steuern, um ihre durchschaubarenpolitischen Ziele zu erreichen. Wir müssen die politischVerantwortlichen deutlich benennen. Das werden wirauch tun.Wir müssen unsere Grundwerte entschieden verteidi-gen. Ich sage es ganz offen: Für mich ist die Vorstellung,dass sich ein demokratisch legitimierter Regierungscheffür den Abdruck in einer Zeitung öffentlich entschuldi-gen soll, grotesk.
Die Meinungs- und die Pressefreiheit sind und bleibenDreh- und Angelpunkt unseres demokratischen Grund-verständnisses. Für diese Freiheiten ist jahrhundertelanggekämpft worden. Es hat auch viele Opfer gegeben.Dass diese Freiheiten immer wieder neu erkämpft wer-den müssen, zeigt der aktuelle Konflikt. Deswegen istHochmut vonseiten des Westens in dieser Auseinander-setzung vollkommen fehl am Platze.dbzawmzlarmHmfvWtpNmRacDWdrvtnusz
Deswegen geht es hier um eine grundlegende Frage.ir sollten in diesem Zusammenhang nicht von Leitkul-ur oder Ähnlichem reden. Das Thema ist zu ernst, um esarteipolitisch zu instrumentalisieren.
ur durch Austausch und ein echtes Auseinandersetzenit dem anderen können sich gegenseitiges Verständnis,espekt und – damit möchte ich schließen – vielleichtuch ein wenig mehr Gelassenheit im Dialog entwi-keln.Herzlichen Dank.
Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede im
eutschen Bundestag, Herr Kollege Annen! Alle guten
ünsche für die weitere Arbeit!
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Norman Paech für
ie Fraktion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-en! Erinnern Sie sich noch der brennenden Vorstädteon Paris, Lyon und Marseille? Nun brennen Botschaf-en und Konsulate in Beirut und Damaskus. Ein Ende isticht abzusehen.Sicherlich wird der Ausbruch von Empörung, Hassnd Gewalt zum Teil auch benutzt und instrumentali-iert. Aber der Hass muss schon vorhanden sein, ehe eru einem Instrument der Gewalt gemacht werden kann.
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Dr. Norman PaechWie aber konnte durch ein paar Karikaturen das Fasszum Überlaufen gebracht werden? Das hat nur entferntmit Toleranz und Pressefreiheit zu tun, Herr Kuhn – eshat niemand hier vorgeschlagen, sie anzutasten –; das istmeines Erachtens die falsche Erklärung, mit der in Eu-ropa auf die Vorfälle reagiert wird. Das Ganze hat viel-mehr mit Provokation, Demütigung und Arroganz zutun.
Nicht nur der Westen fühlt sich – durch die Terrorakte –in seinen Grundfesten angegriffen, auch die gesamte is-lamische Welt fühlt sich bedroht, und zwar durch dieKriege gegen Afghanistan und den Irak, die täglich wie-derholte Drohung gegen den Iran und die offene Forde-rung nach Regimewechseln in den so genannten Schur-kenstaaten.Zur Demütigung trägt auch die Globalisierung bei.Sie verstärkt auch in den islamischen Ländern die Kluftzwischen Arm und Reich. Die Programme der Weltbankund des Internationalen Währungsfonds erfährt diebreite Bevölkerung nicht als Wohltat oder Heilsbot-schaft.
Sie fördern die Verarmung, zerreißen die Gesellschaftenund tragen zur Zerstörung der Identität dieser Gesell-schaften bei.Was wir als Demokratisierung, Good Governance undzivilisatorische Mission begreifen,
kommt auf der anderen Seite immer mehr als eine neueKolonialisierung an, zumal wenn sie von Militär undKrieg begleitet wird. Das ist doch nicht unbegreiflich.
Guantanamo und Abu Ghureib sind nicht nurschlichte Orte der Haft und Folter, sondern auch Meta-phern der kulturellen Demütigung, der Verhöhnung unddes Angriffs auf die kulturelle Identität der Muslime.
Was haben wir zu tun? Der Dialog ist gut, wenn erdenn gelingt. Doch glaube ich, dass der „Muslimtest“nicht gerade der richtige Anfang ist. Zuerst müssen wirdeeskalieren und abrüsten. Zu unserer friedenspoliti-schen Kultur gehört doch, dass wir Eskalation nicht mitEskalation beantworten.
Der Terror ist nicht mit Krieg zu besiegen. Das sollte unsdas Scheitern von Bushs Antiterrorkrieg gelehrt haben.Noch können wir innehalten. Ein Überfall auf den Iran,wie er derzeit in der Logik der beiderseitigen Eskalationliegt, hätte einen verheerenden Flächenbrand im ganzenNahen und Mittleren Osten zur Folge, und nicht nur das:Eventuell würden wir auch Berlin nicht wiedererkennen.iSSDdsGGagGutgfwAggSdmmCdfRgdlsuWB
Joachim Hörster ist der nächste Redner für die CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich teileie Auffassung des Kollegen Annen, der eben zu Rechtestgestellt hat, dass man das heutige Thema nicht imahmen einer Aktuellen Stunde behandeln kann.
Herr Kuhn, als Sie die Debatte eröffnet und uns naheelegt haben, darüber nachzudenken, welchen Beitragie deutsche Politik zur Deeskalation des Konflikteseisten soll, habe ich mich gefragt, welchen Beitrag Sieelbst dazu geleistet haben. Die Allgemeinplätze, die Siens vorgetragen haben, helfen jedenfalls nicht weiter.
as uns hilft, ist vielmehr eine ganz rationale und ruhigeewertung der stattgefundenen Vorgänge.
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Joachim HörsterZumindest in unserem Land sehe ich nicht, dass esanlässlich der Karikaturen einen Konflikt zwischenMuslimen und Nichtmuslimen gibt.
Die bei uns lebenden Muslime haben sich in einer Weiseverhalten, wie es in unserer Gesellschaft üblich ist. Ge-nauso wie ich als Christ ertragen muss, dass hässlicheund geschmacklose Karikaturen über meine Religion er-scheinen, haben sie es ertragen. Die Karikaturen gefallenihnen nicht und sie fühlen sich beleidigt. Aber sie suchendie friedliche Diskussion.Der Sachverhalt ist nicht innenpolitisch, sondern au-ßenpolitisch zu bewerten. Es fällt auf, wie sich einzelneRegierungen in dieser Sache verhalten. Erschienen sinddie Karikaturen schon Ende September vergangenenJahres. Aber die entsprechenden Aktionen haben erst inden letzten Wochen stattgefunden. Mir kann niemandweismachen, dass in Syrien eine Demonstration ohneAkzeptanz oder Duldung der Regierung stattfindet.
Ich kann aber erkennen, dass die Demonstrationen imLibanon nicht erwünscht waren. Das dortige Sicherheits-system war mit dem, was entstanden ist, einfach überfor-dert.Man muss schon Fingerspitzengefühl besitzen, umdie Lage zum Beispiel im Jemen zu beurteilen. Dort ha-ben ausschließlich Frauen demonstriert. Wer einmal denJemen besucht hat, der weiß, dass dort das offene Tragenvon Waffen zur Darstellung der Männlichkeit gehört.Offenbar sollte auf der einen Seite dem Protest Raum ge-geben werden, auf der anderen Seite wurde durch dieAuswahl der Protestierenden Wert darauf gelegt, dassdie Situation nicht eskaliert.So sind in jedem Land die Reaktionen unterschied-lich. Im Iran werden die Karikaturen instrumentalisiert,weil man sich im Konflikt wegen der Kernenergie befin-det. In Syrien werden die Karikaturen instrumentalisiert,weil Syrien im Moment sogar in der arabischen Weltweitestgehend isoliert ist und man wieder Anschluss ge-winnen will.Wenn man die Verhältnisse in den Ländern betrachtet,in denen vorrangig demonstriert worden ist und wo Ra-dikale die Chance genutzt haben, gezielt bestimmteMenschengruppen in Rage zu bringen und sie aufzusta-cheln, Botschaften und Konsulate zu überfallen, dannsieht man, dass dahinter Methode steckt. Das hat über-haupt nichts mit einem Kampf der Kulturen zu tun. Eshat vielmehr damit zu tun, dass sich Systeme, die sichvon ihrer Bevölkerung entfernt haben und die ihrer Be-völkerung die Partizipation an der politischen Entschei-dung vorenthalten, hinter diesem vorgeschobenen Kul-turkampf verstecken.Ich habe mit großer Aufmerksamkeit die Reaktionenvon Politikern und bedeutenden Meinungsführern ausdiesen Ländern verfolgt. Es stimmt mich schon sehrnsrmtrdsDVlwSSctIlkBdshmSghuiwfaMdZgn
Ich erteile das Wort dem Kollegen Jürgen Trittin,
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube,em Aufruf zur Gelassenheit können wir uns alle an-chließen. Ich möchte für meine Fraktion anfügen: Wirätten uns diese Gelassenheit im Zusammenhang mitanch anderen Debatten, beispielsweise bei der über dentraftatbestand der Religionsbeleidigung – § 166 StGB –,elegentlich auch gewünscht.
Es kann kein Zweifel daran bestehen: Die Pressefrei-eit umfasst auch die Freiheit, Geschmacklosigkeitennd Meinungen zu verbreiten, die andere nicht teilen. Esst mit aller Macht zurückzuweisen, von einem frei ge-ählten Regierungschef eines Landes zu verlangen, sichür die Wahrnehmung dieses Rechtes zu entschuldigen.
In diesem Zusammenhang ist sehr genau darauf zuchten, wo es sich tatsächlich um die Verletzung vonenschen eines bestimmten Glaubens handelt und woie Empörung über diese Verletzung für ganz anderewecke ausgenutzt wird.
Lieber Herr Kollege Paech, ich bin ganz und gar da-egen, den armen, arbeitslosen, perspektivlosen Bewoh-er einer französischen Vorstadt mit dem Randalierer in
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Jürgen TrittinBeirut gleichzusetzen, der das christliche Viertel ange-griffen hat.
Warum? Weil die Ursachen ganz andere sind. Übri-gens, in Palästina hat nicht die Hamas, sondern haben dieWahlverlierer die Situation genutzt und randaliert. InSyrien – in einem Land mit einer anerkannten Menschen-rechtsagenda – konnte eine Botschaft niedergebranntwerden. Es wird eine Debatte über die Vorherrschaft imLibanon geführt. Die libanesische Zivilgesellschaft istaufgestanden, um dafür einzutreten, dass man zu eineranderen Kultur zurückkehrt. Im Libanon lebten immerChristen, Muslime, Jesiden und andere miteinander. DieSyrer haben diese Situation genutzt, um ihren Machter-halt dort zu zementieren. Es ist eine Beleidigung desIslam, eine Gleichsetzung mit den verletzten Gefühlender Muslime in diesem Lande vorzunehmen.
An dieser Stelle kann es kein Vertun geben.Andererseits: Wenn wir einen Dialog mit den musli-mischen Gesellschaften führen wollen, dann dürfen wirnicht als Erstes fordern, lieber Herr Schockenhoff – HerrWesterwelle, von Ihnen habe ich Ähnliches gehört –,diesen Dialog beispielsweise dadurch zu erschweren,dass wir Botschaften schließen und Finanzmittel kürzen.Zu Recht hat die Bundesregierung seit geraumer Zeit ge-nau diesen Dialog in nicht weniger als 20 Botschaften– in Afghanistan und anderswo – mit erheblichen Fi-nanzmitteln fortgesetzt. Es gilt, ihn zu stärken, gerade ineiner solchen Situation. Nicht richtig ist, populistisch zusagen: Wir machen das nicht.
Es gibt einen Zusammenhang zwischen Innen- undAußenpolitik. Wir müssen die Freiheit der Meinungs-äußerung in unserem Lande ohne Abstriche verteidigen.Genauso sind wir für das Klima hier in Deutschland undin Europa verantwortlich. Es ist kein Beitrag zur De-eskalation, Menschen, die acht Jahre und länger hier le-ben, die nicht straffällig geworden sind und über diebeim Verfassungsschutz nichts vorliegt, nur weil sieMuslime sind, bei der Einbürgerung einem besonderenTest zu unterziehen.
Das ist falsch, weil es den Eindruck hervorruft, dieseMenschen gehörten nicht zu diesem Europa.Wir müssen klarstellen, dass Muslime in diesemEuropa zu Hause sind, dass sie Bestandteil dieses Euro-pas sind. Nur wenn wir es schaffen, diese Menschen indie europäischen Gesellschaften tatsächlich zu integrie-ren, haben wir eine Chance, zu verhindern, dass verbre-cLßIidrnsBglesntdkdDkfelmkDnGfsvnmhmMj
ntegration ist auch und gerade eine Frage der Sicherheitn Europa.Ich danke Ihnen.
Das Wort erhält nun die Kollegin Dr. Lale Akgün für
ie SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-en! Wir sind Zeugen merkwürdiger Ereignisse. Die dä-ische Fahnenträgerin Holm erhält jetzt bei den Olympi-chen Spielen Personenschutz. In Indonesien wird einadmintonturnier abgesagt, weil dänische Spieler nichteschützt werden können. Aus Stoffstücken, die eigent-ich für palästinensische Fahnen gedacht waren, werdenilig dänische Fahnen zusammengenäht, damit sie an-chließend verbrannt werden können. Als vor vier Mo-aten die Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zei-ung „Jyllands-Posten“ erschienen, wer hätte da gedacht,ass sie solch groteske Folgen haben würden? Sicherlichaum jemand.Aber schon laufen einige durchs Land, die den Kampfer Kulturen erkennen wollen. Für mich als muslimischeemokratin gibt es keinen Gegensatz zwischen Demo-ratie und Islam. Demokratie, Meinungsfreiheit, Presse-reiheit sind Werte, die in der Grundrechtecharta der Ver-inten Nationen stehen und für alle verbindlich sind.
Demokraten, aber auch Nichtdemokraten gibt es in al-en Religionen. Was wir im Moment in Teilen der musli-ischen Welt erleben, ist der Versuch der Nichtdemo-raten, ihre Macht zu demonstrieren.
ie Ausschreitungen in arabischen Ländern kommenicht aus dem Nichts. Die Fundamentalisten haben dieunst der Stunde erkannt und versuchen, die Situationür sich zu nutzen, sei es, um innenpolitisch zu punkten,ei es, um soziale Konflikte religiös zu verbrämen oderon sozialen Konflikten abzulenken.
Glauben Sie mir: Auch in islamischen Ländern sindicht wenige Menschen über das entsetzt, was im Mo-ent passiert. Wir sollten nicht pauschal davon ausge-en, dass alle Menschen in der muslimischen Welt unde-okratisch eingestellt sind, dass sie gegen Presse-,einungs- oder Versammlungsfreiheit sind. Gerade dieunge Generation will Freiheit und die Wertedemokratie.
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Dr. Lale AkgünDie jungen Menschen wollen, dass sich bei ihnen etwasverändert.Ich sage noch einmal: Die Werte der Aufklärung sinduniverselle Werte. Dort, wo sie nicht zum Zuge kom-men, herrscht ein Demokratiedefizit, an dessen Aus-gleich wir mitarbeiten müssen, wenn wir es mit dem Dia-log auf gleicher Augenhöhe ernst meinen.
Lassen Sie mich ein Beispiel anführen. Wir inDeutschland haben unsere Instrumente, um gegen uner-wünschte Veröffentlichungen zu protestieren. Wir kön-nen diskutieren. Wir können den Presserat einschalten.Wir können uns auf § 166 Strafgesetzbuch berufen, dersich mit der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religi-onsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungenbeschäftigt. Andere Länder haben diese Instrumentenicht. Wir müssen die marginalisierten Kräfte gerade inden arabischen Ländern unterstützen, damit dies auchbei ihnen möglich wird.Während wir hier debattieren, findet in Kuala Lumpurin Malaysia eine Konferenz der hochrangigen islami-schen Gelehrten der Welt unter dem Motto „Wer sprichtfür den Islam? Wer spricht für den Westen?“ statt. DieSignale von dort sind ermutigend. Der malaysische Au-ßenminister Syed Hamid Albar hat das Notwendige ge-sagt, indem er dazu aufrief, die Extremisten auf beidenSeiten in die Schranken zu weisen.
Er sagt: Wir müssen verstehen und vermitteln, dass es imKern unserer Religionen um die Förderung des Friedensund nicht der Gewalt geht.Noch ein Wort zum Inland. Ich bin sehr froh über diegemeinsame Erklärung der großen islamischen Verbändein Deutschland, die sich klar gegen jede Gewalt stellenund zum friedlichen demokratischen Dialog aufrufen.
Angesichts der Tatsache, dass über 15 Millionen Mus-lime in der EU und über 30 Millionen Muslime inEuropa leben, geht es nicht mehr darum, ob wir mitei-nander leben können, sondern darum, wie wir dieses Zu-sammenleben gestalten werden.
Dialog und das Herausstellen der gemeinsamen Werte istjetzt unsere Aufgabe. Worte und Bilder haben hohe sym-bolische Bedeutung. Dies haben wir in den vergangenenWochen zur Genüge erlebt. Es ist jetzt an der Zeit, un-sere Worte für Versöhnung einzusetzen.Ich willder Bundespräsident aller Deutschen … sein undder Ansprechpartner für alle Menschen, die ohneeinen deutschen Pass bei uns leben und arbeiten.dtdMJWidsaCaKmmoAEausghwnwEwtmZ„d
ir brauchen mehr Menschen in der Politik, aber auchn den Medien, die zur Deeskalation beitragen.Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Reinhard Grindel für
ie CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Un-ere Debatte muss zusammenführen. Deswegen will ichm Anfang gerne betonen: Mein Eindruck ist, dass vielehristen in unserem Land sehr wohl Verständnis dafürufbringen, wenn sich Muslime durch die Mohammed-arikaturen verletzt fühlen. Sie eint ein Gedanke: Esuss Lebensbereiche geben, die uns heilig sind und dieöglichst frei sein sollten von geschmacklosem Spottder Schmähkritik.
Deshalb sage ich gerade als jemand, der vor seinerrbeit im Deutschen Bundestag als Journalist tätig war:s gilt, die Presse- und Kunstfreiheit zu achten; es giltber auch, die Selbstverantwortung für journalistischesnd künstlerisches Handeln und die Folgen journalisti-chen Tuns zu bedenken. Beides gehört zusammen.
In diesem Zusammenhang will ich ausdrücklich dieemeinsame Aktion von „Bild“-Zeitung und „Hürriyet“ervorheben. Das ist für mich ein Beispiel für verant-ortlichen Journalismus, weil das Gemeinsame undicht das Trennende von Deutschen und Türken betontird.
s ist jetzt sicher die richtige Botschaft, darauf hinzu-eisen, dass im Alltag der Menschen viele Freundschaf-en gewachsen sind, die zu einem friedlichen Zusam-enleben in unserem Land beitragen. In unruhigeneiten brauchen wir Aktionen wie die von „Bild“ undHürriyet“, die beruhigend wirken. Ich finde, wir solltenas loben.
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Reinhard Grindel
Aber wahr ist ebenso: Die Pressefreiheit schützt auchdie gezielte Provokation. Der Islam kennt ein religiösesVerbot von Bildern des Propheten. Das Grundgesetzkennt dieses Bilderverbot nicht. Auf diesen Unterschiedkommt es an: Unsere Verfassung ist der Maßstab für alleMenschen, die in unserem Land leben. Daran haben sichalle bei uns zu orientieren.
Bei aller Besonnenheit müssen wir den Kern des Pro-blems klar ansprechen. Der Dialog der Kulturen musseine allgemein verbindliche Grundlage haben. Die Pres-sefreiheit und die Kunstfreiheit sind für eine Demokratieschlechthin konstituierend. Diese Grundrechte müssenwir gemeinsam wehrhaft verteidigen, wenn sie von Fun-damentalisten und radikalen Islamisten infrage gestelltwerden.
Es kann schon gar nicht Aufgabe der Politik sein, sichfür journalistische oder künstlerische Arbeiten zu ent-schuldigen. Das wäre ein Staatsverständnis, das mit un-serer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht inEinklang zu bringen ist. Das hat auch etwas mit der Kul-tur – um nicht zu sagen: Leitkultur – zu tun, die das Zu-sammenleben von Muslimen und Nichtmuslimen prägenmuss. Das hat etwas damit zu tun, dass man in unseremLand die Freiheit der Presse achtet und eine Zensur nichtstattfindet.
Ich begrüße es – wie auch Sie, Frau Kollegin Akgün –,dass 16 türkische Organisationen in Deutschland die Ge-walt wegen der Mohammed-Karikaturen verurteilt ha-ben. Aber mit Verlaub: Etwas anderes wäre wohl auchproblematisch gewesen.Wir brauchen mehr Verständigung auf gemeinsameGrundlagen. Die Muslime in Deutschland haben einRecht darauf, dass wir klarer sagen, welche Integrations-leistungen wir von ihnen erwarten. Die deutsche Spracheund die Achtung von Verfassungsprinzipien gehören aufjeden Fall dazu. Integration bedeutet eben nicht Multi-kulti. Toleranz setzt einen klaren Standpunkt voraus. To-leranz kann es nicht gegenüber Intoleranten geben. Da-rauf müssen wir uns gemeinsam verständigen.
Wahr ist auch: Viele Fernsehbilder, die wir in den ver-gangenen Tagen gesehen haben, entsprechen auf ma-kabre Weise mancher Karikatur. Diese Bilder machenvielen Menschen in unserem Land Angst. Wir müssendeshalb dafür sorgen, dass Konflikte nicht verschärftwerden, die die Integration behindern könnten und sienicht fördern.vWdssDlVbfMSBaakEsldGKTgPbdndd
ie sprechen von Sicherheit, zu der durch Integration eineitrag geleistet werden müsse. Diese Sicherheit ist aberuch bei Einbürgerungsverfahren zu fordern. Um nichtsnderes geht es.
Wir alle können dazu einen Beitrag leisten, dass eseinen Kampf der Kulturen gibt.
s ist richtig und wichtig – lassen Sie mich diesen Zu-atz machen –, dass wir uns vor dem notwendigen Dia-og unserer Werte vergewissern und in diesem Dialog füriese Werte einstehen.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Für die Bundesregierung erhält nun der Staatsminister
ünter Gloser das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Die Kontroverse um die Karikaturen ist in derat besorgniserregend. Das Gewaltpotenzial, das in eini-en Hauptstädten islamischer Staaten bei öffentlichenrotesten freigesetzt wird, ist für uns erschreckend. Ichin froh darüber, dass dies in weiten Teilen der Debatteeutlich geworden ist. Wir sollten uns dennoch hüten, ei-en Zusammenstoß der Zivilisationen oder einen Kampfer Kulturen herbeizureden. Ich glaube, das wäre genauie falsche Antwort auf die jetzige Situation.
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Günter Gloser, Staatsminister im Auswärtigen AmtIch bin auch froh darüber, dass in den Beiträgen derVersuch unternommen worden ist, nicht zu pauschalie-ren, sondern zu differenzieren. Herr Kollege Hörster, Siehaben zum Beispiel die unterschiedlichen Situationen ineinigen Ländern erwähnt.Vordergründig scheint es um eine bloße Güterabwä-gung zu gehen: Schutz der Religionsfreiheit gegen dieFreiheit der Presse. Die Pressefreiheit hat bei uns Verfas-sungsrang und steht nicht zur Disposition. Auch dieReligionen sind durch unsere Rechtsordnung vor Ver-ächtlichmachung geschützt. Ich weise auf die entspre-chenden Paragraphen im Strafgesetzbuch hin.Wir haben Verständnis dafür, dass Muslime in allerWelt die kontroversen Karikaturen als Verunglimpfungihrer religiösen Überzeugung empfinden. Gleichwohlmüssen wir deutlich machen, dass in unseren Gesell-schaften Regierungen eben nicht in elementare Grund-rechte eingreifen können. Zwar gelten auch Meinungs-und Pressefreiheit nicht unbegrenzt. Diese Grenzen auf-zuzeigen obliegt jedoch aus guten Gründen ausschließ-lich der Justiz und nicht den Regierungsverantwortli-chen.Die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut,mit dem sorgfältig umgegangen werden muss. Ich sageaber auch – darüber haben wir ebenfalls anlässlich vonVorkommnissen, die es in unserem eigenen Land gab,diskutiert –: Zum Umgang mit der Pressefreiheit gehörtauch Verantwortungsbewusstsein. Wer von diesemGrundrecht Gebrauch macht, muss sich fragen, ob er an-dere Kulturen und Religionen herabsetzt oder lächerlichmacht. Wer von der Pressefreiheit Gebrauch macht,muss sich fragen, ob er andere Menschen provoziertoder verletzt. Ich denke, die Vorgänge der letzten Tagezeigen, dass es auch bei uns einen großen Lernbedarfgibt.Protest und Demonstrationen gegen solche Veröffent-lichungen sind legitim. Wer von seinem Recht auf freieMeinungsäußerung Gebrauch macht, der muss sich auchkritisieren lassen. Völlig inakzeptabel sind aber die Ge-waltausbrüche, die wir in den letzten Tagen erlebt haben.Für die Erstürmung der Botschaften und deren Brand-stiftung sowie für Gewaltaufrufe gegen europäische Bür-gerinnen und Bürger kann es keine Rechtfertigung ge-ben.
Ich darf sicherlich auch in Ihrem Namen sagen: Da esgewünscht wird, dass Deutschland diesen Dialog fort-setzt und dass wir vor Ort vertreten sind, gilt in diesenTagen unser Mitgefühl den Kolleginnen und Kollegen,die in den Botschaften und/oder Vertretungen von Insti-tutionen – ob aus Deutschland oder aus anderen Ländernder Europäischen Union – vor Ort ihren Dienst tun, dermit einem gewissen Risiko behaftet ist.
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Ich darf als ein positives Beispiel an die Arabientage,n die ersten „Tage der Arabischen Welt“ im Deutschenundestag erinnern, die im Dezember 2004 stattgefun-en haben. Wie viele arabische Kolleginnen und Kolle-
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Günter Gloser, Staatsminister im Auswärtigen Amtgen, die hier zu Gast waren, haben gesagt – KollegeHörster wird sich daran erinnern –, dass solche Debattenbisher in der arabischen Welt nicht stattgefunden haben!Aber in den Räumlichkeiten des Deutschen Bundestageskonnte man auch unter arabischen Abgeordneten fried-lich diskutieren. Ich glaube, das war ein wichtiges undrichtiges Zeichen.
Ich füge hinzu: Von größter Bedeutung ist die gezielteÖffentlichkeitsarbeit. Ich erinnere an das seit 2002 be-stehende arabische Fernsehprogramm der DeutschenWelle oder an die vielen Fortbildungsprogramme fürJournalisten.Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre zu einfach,die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Karikaturen-streit als Beleg dafür zu werten, dass der Dialog der Kul-turen gescheitert ist. Im Gegenteil: Die Vorgänge unter-streichen die Notwendigkeit bzw. die Dringlichkeitdieses Dialogs. Es gibt keine Alternative zum Dialog derKulturen.Wenn uns die Ereignisse der letzten Tage und Wocheneines gelehrt haben, so die Erkenntnis, dass es sich umeine Sisyphusarbeit handelt. Der wichtigste Beitrag, dendie deutsche Politik in der gegenwärtigen Situation leis-ten kann, ist das Bemühen, diesen Dialog beharrlich fort-zusetzen und zu intensivieren. Der Dialog mit der isla-mischen Welt ist auch ein partnerschaftliches Angebot,notwendige Reformprozesse zu unterstützen. Wir tundies nicht zuletzt aus dem ureigensten Interesse Europasan einer starken und vitalen Nachbarregion auf der südli-chen und östlichen Seite des Mittelmeers. Die Europäi-sche Union und die Mittelmeeranrainer haben vor zehnJahren mit dem Barcelonaprozess den Rahmen für einenumfassenden Dialog in praktisch allen Bereichen, in Po-litik, Wirtschaft und Kultur, geschaffen. Ich glaube, auchauf diesem Weg muss fortgeschritten werden.
Als ein wichtiges Beispiel darf ich die erste Institutiondieser Partnerschaft erwähnen: Die Anna-Lindh-Stif-tung, die im Herbst letzten Jahres in Alexandria ihre Ar-beit aufgenommen hat, hat das erklärte Ziel, das gegen-seitige Verständnis und die Toleranz zu fördern.Es kommt uns nicht darauf an, den islamischen Staa-ten unsere Vorstellungen von Staat und Gesellschaftüberzustülpen. Aber eine erfolgreiche Transformationwird nur gelingen, wenn der Reformprozess bei denMenschen der betroffenen Staaten Akzeptanz findet.Was wir tun können, ist, unser Modell, das uns Friedenund Wohlstand sichert, den Menschen in dieser Regionim Wettbewerb der Ideen anzubieten.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Es gibt auch eine Verantwortung jenseits des Straf-echts und jenseits der Verfassung.
iese Verantwortung zu erkennen, obliegt jedem selbst.ennen wir das, was dazu benötigt wird, Taktgefühl. In-ofern empfinde ich die Mohammed-Karikaturen alsollkommen taktlos.
Wir sind uns alle ebenfalls darin einig, dass die Ge-alt, auch die verbale Gewalt, in den muslimischen Län-ern mit nichts zu entschuldigen ist. Wir wollen heuteber unseren Beitrag zur Deeskalation sprechen. Dieseruss sein, bei uns in Deutschland ein friedliches undruchtbares Miteinander der Menschen unterschiedlicherulturen vorzuleben. Dies wird uns jedoch ohne einenllgemein akzeptierten Modus Vivendi nicht gelingen.afür wurde auch heute immer wieder der Begriff desialogs bemüht. Wir brauchen diesen Dialog. Aber zuer Art und Weise, wie wir hier in Deutschland diesenialog bisher geführt haben, heißt es in einer Studie derriedrich-Ebert-Stiftung – leider völlig zu Recht –:Lernfortschritte im Blick auf mehr Verstehen undVerständigung sind kaum erkennbar. Selbstkritikfällt aus.Liebe Kolleginnen und Kollegen, seien wir selbstkri-isch! Brauchen wir wirklich einen weiteren Dialog, derur im Sinne eines permanenten Gedankenaustauschsunktioniert? Haben wir das nicht bereits jahrzehntelangemacht? Müssen wir uns weiter auf Podiumsdiskussio-en anlächeln, obwohl wir uns doch oft nicht verstehen?as wollen wir nicht. Wenn wir also eine neue Ebene immgang miteinander erreichen wollen – dazu gibt eseine vernünftige Alternative –, dann müssen wir die
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Kristina Köhler
Probleme unserer bisherigen Dialogkultur offensiv undklar benennen.Das heißt zuallererst, dass wir von gegenseitigen In-strumentalisierungen und Pauschalisierungen Abstandnehmen müssen.
Weder sind die Muslime in Deutschland ständig diskri-minierte Opfer noch sind sie alle schlafende Terroristen.
Sie sind Teil unserer Gesellschaft und haben als solchedas Recht und auch die Pflicht, sich so behandeln zu las-sen wie jede andere gesellschaftliche Gruppe auch: mitRespekt vor ihren Überzeugungen, aber auch mit klarerKritik an fundamentalistischen Positionen.
Wenn wir uns darauf einigen können, dann können wirauch die Rahmenbedingungen eines solchen kritischenDialogs klar benennen. Ich möchte hier zwei Rahmenbe-dingungen nennen, die ich für wichtig halte. Die eineRahmenbedingung richte ich an die Adresse der Vertre-ter der islamischen Verbände, die zweite Rahmenbedin-gung richte ich an die christliche Mehrheit in Deutsch-land.Für die Vertreter der islamischen Verbände inDeutschland muss eines klar sein: In unserem freiheit-lich-demokratischen Rechtsstaat steht das Grundgesetzüber der Scharia. Wenn ich auf der Internetseite eines be-kannten deutschen muslimischen Verbandes lese, dasssich Muslime in einem nicht muslimischen Staat nur solange an dessen Rechtsnormen zu halten hätten, solangediese sich nicht im Widerspruch zum Islam bzw. zurScharia befänden, muss ich klar sagen: Ein solchesStaatsverständnis kann in der Bundesrepublik Deutsch-land nicht die Basis eines Dialogs sein.
Wenn wir das akzeptieren würden, gäben wir uns selbstauf und damit unsere Prinzipien von Säkularität undFreiheit.Der christlich geprägten Mehrheit in Deutschlandsage ich: Die momentane Auseinandersetzung sollte unsbewusst machen, dass die bei uns geltenden Freiheiteneben keine Selbstverständlichkeit sind. Diese Freiheitenbrauchen das Fundament eines christlichen Menschen-bildes. Wenn wir uns unserer eigenen Werte und Normenund damit unserer Kultur nicht wieder stärker bewusstwerden, dann sind auch wir kein ernst zu nehmenderPartner im Dialog der Kulturen.
Wir brauchen einen Neuanfang im Dialog der Kultu-ren. Dieser Dialog muss mehr sein als nur der Austauschvon Gedanken. Wir brauchen einen Dialog, in dem wiruns wieder unserer kulturellen Fundamente bewusst sindutSdhnfhdllDimewGEGcDwmwbjlsddnRgzhdVkvHvj
Nächster Redner ist der Kollege Sebastian Edathy,
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Deremokratische Rechtsstaat – das ist hier zu Recht festge-alten worden – ist ohne das Grundrecht auf freie Mei-ungsäußerung und auf Pressefreiheit nicht denkbar. Ichüge hinzu: Er ist auch nicht denkbar ohne Glaubensfrei-eit.Die im Grundgesetz verankerten Bürgerrechte bildenie zentrale Voraussetzung der Freiheit und die Grund-age für das Zusammenleben von Menschen unterschied-icher Herkunft und unterschiedlicher Überzeugungen ineutschland. Für das Gelingen dieses Zusammenlebensst allerdings mehr nötig als ein bloßer gesetzlicher Rah-en. Für das Gelingen dieses Zusammenlebens bedarfs der gemeinsamen Überzeugung, einander nicht be-usst zu kränken, einander nicht zu diffamieren und denlauben eines Menschen nicht zu verunglimpfen.
chte Demokratie lebt eben auch davon, dass man ausründen der menschlichen Achtung und des menschli-hen Anstands nicht alles tut, was man formal tun darf.eswegen ist hier begründet und zu Recht festgehaltenorden: Die Veröffentlichung der so genannten Moham-ed-Karikaturen war ohne Zweifel zulässig. Aber siear zugleich respektlos, weil sie den islamischen Glau-en verunglimpfte.Die Pressefreiheit schützt selbstverständlich und ohneeden Zweifel auch eine nahezu pubertäre Provokations-ust; ein verantwortlicher Umgang mit der Pressefreiheitieht jedoch anders aus, als es die dänische Zeitung anen Tag gelegt hat. Umgekehrt gilt, dass in Reaktion aufiese Veröffentlichung auch Proteste und Demonstratio-en zulässig sind. Diese müssen sich aber zwingend imahmen der geltenden Rechtsordnung bewegen. Dazuehört, dass Gewalt, gleich welcher Art, nicht nur nichtu rechtfertigen, sondern auch nicht zu entschuldigen ist.
Im Kern geht es bei dem Thema, mit dem wir unseute befassen, um die Frage, wie wir statt eines Klimaser Konfrontation und der Ausgrenzung ein Klima dererständigung und der gegenseitigen Achtung schaffenönnen. Frau Köhler, vielleicht können wir uns darauferständigen, in künftigen Debatten ein Stück weit iminterkopf zu behalten, dass es besser wäre, nicht stetson „uns“ und „denen“ zu sprechen, sondern von „wir“,edenfalls dann, wenn wir über Deutschland reden.
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Sebastian Edathy
Ich finde es begrüßens- und bemerkenswert, dass ges-tern in der in Deutschland erscheinenden türkischen Zei-tung „Hürriyet“ und in der „Bild“-Zeitung ein gemeinsa-mer Kommentar veröffentlicht wurde, in dem es unteranderem heißt:Wir rufen alle auf, Respekt vor den Gefühlen desjeweils anderen zu zeigen, Beleidigungen, Demüti-gungen oder Niedertracht zu vermeiden und einwahrhaftiges Bündnis der Kulturen aufzubauen, dasauf gegenseitigem Respekt basiert.Ich hoffe, das wird in den nächsten Tagen, Wochen undMonaten auch den Alltag in der Zeitungslandschaft prä-gen.
Genau in diese Richtung gehen auch die besonnenen Er-klärungen islamischer Verbände in Deutschland.Was sind eigentlich die Konsequenzen für die Debatteim eigenen Land? Es wird – nach meinem Dafürhaltenauch in diesem Haus – gelegentlich recht leichtfertigüber vermeintliche oder tatsächliche Integrationsmängelgesprochen. Ja, es gibt solche Mängel. So stellen wir fest– um nur ein Beispiel zu nennen –, dass es in unseremLand einen hohen Anteil junger Migranten mit abgebro-chener Schulausbildung gibt. Das gilt aber nicht nur fürjunge Migranten islamischen Glaubens, sondern auchfür viele junge Spätaussiedler. Was bedeutet das? Wirsollten gemeinsam darauf achten, dass wir vorhandene,oftmals sozial begründete Probleme nicht ethnisierenoder kulturalisieren, da sich das schlichtweg nicht ge-hört.
Um ein anderes Beispiel zu nennen: So wenig wir beiGewalttaten zwischen deutschen Ehepartnern den Grundfür diese Gewalt in ihrem christlichen Glauben sehen, sowenig sollten wir zunächst einmal, wenn es um Gewalt-delikte in türkischen Familien geht, ihren Glauben, denIslam, als Ursache für diese Gewaltdelikte betrachten.Das hilft uns bei der Problemanalyse nicht weiter.
Achten wir gemeinsam darauf, uns nicht von Vorur-teilen leiten zu lassen, auch nicht bei Einbürgerungsver-fahren. Achten wir gemeinsam darauf, beim Missbraucheiner Religion nicht die Religion selbst ins Zwielicht zurücken. Herr Kollege Gerhardt, ich glaube nicht, dasssich ein gemäßigter Moslem für den Missbrauch seinerReligion durch Islamisten zu rechtfertigen hat.
Gestern meldeten die Nachrichtenagenturen, nach ei-ner aktuellen Umfrage hätten 55 Prozent der Befragtenerklärt, Vorbehalte gegenüber den in Deutschland leben-den Muslimen zu haben. Lassen Sie uns dem gemeinsamentgegenwirken. Gerade die aktuelle Debatte in Deutsch-lzbaMbsgFJgöwbdeszswPfgDfwdtDswdDw
Letzte Rednerin in der Aktuellen Stunde ist die Kolle-
in Monika Griefahn, SPD-Fraktion.
Vor zweieinhalb Jahren durfte ich bei der Wiederer-ffnung des Goethe-Instituts in Kabul dabei sein. Ob-ohl die sehr große Zerstörung in Afghanistan das Le-en der Menschen dort hauptsächlich bestimmte, waras Interesse gigantisch. Eine bewegende Szene war, alsin bayerischer Zitterspieler zusammen mit afghani-chen Musikern auf traditionellen Instrumenten musi-ierte, und das, nachdem unter der sechsjährigen Herr-chaft der Taliban überhaupt keine Musik gemachterden durfte.Die Deutsche Welle sendet ein Programm in Dari undaschtu. Ich frage mich, ob die Ausbildung zur Presse-reiheit dadurch schon Früchte getragen hat. Wir habenesehen, dass es auch in Kabul Demonstrationen gab.iese verliefen aber im Unterschied zu anderen Ortenriedlich.Der Dialog wird durch konkrete Projekte in der Ent-icklungspolitik, in der auswärtigen Kultur- und Bil-ungspolitik, in vielen kleinen Schritten intensiv beglei-et. Wir haben aber die Situation, dass die Muslime ineutschland in den Medien oft über einen Kamm ge-choren werden. Es wird das Gefühl vermittelt, Muslimeürden grundsätzlich Gewalt als Mittel akzeptieren;enn wir sehen Muslime nur mit Gewehren in der Hand.as ist aber nicht so. Ich glaube, das muss man immerieder deutlich machen.
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Monika GriefahnEs gibt auch in den islamischen Ländern genug Men-schen, die ernsthaft an einem Dialog interessiert sind.Gerade wurde bereits erwähnt, dass die unter 30-Jähri-gen durch das Internet und andere Kontakte ganz andereInteressen entwickelt haben und sich nicht mehr den dik-tatorischen Regimen hingeben wollen.
An sie müssen wir appellieren, mit ihnen müssen wir imGespräch bleiben. Wir müssen ihnen auf dem Weg zu ei-ner demokratischen Kultur helfen; das wollen sie ja sel-ber.Einige Kolleginnen und Kollegen sind der Auffas-sung, dass die Vielfalt der Kulturen – ich habe geradeden Begriff „multikulti“ gehört; ich finde, das ist eine zuflapsige Beschreibung –,
die wir immer wieder unterstützen, am Ende ist. Dasdenke ich nicht. Es gibt keine Trennlinie zwischen Eu-ropa und den islamischen Staaten, die man auf der Land-karte einzeichnen kann. Vielmehr verläuft die Trennliniezwischen den Menschen, die für einen Dialog offen sind,und denen, die ein Interesse an der Eskalation des Kon-flikts und der Beibehaltung der Diktatur haben.
Uns Deutschen wird, verstärkt durch die Fernsehbil-der, ein Gefühl vermittelt, das auch in meinen Gesprä-chen mit Nachbarn zum Ausdruck kommt. Sie sagen: Ei-gentlich bin ich ein offener Mensch. Aber langsam kannich es nicht mehr ertragen, ständig gewaltbereite Men-schen als Muslime dargestellt zu sehen. – Das Problemist, dass wir eben nicht alle über einen Kamm scherendürfen. Dafür müssen wir uns besser kennen lernen. Esmuss ein runder Tisch eingerichtet werden, an dem Men-schen verschiedener Kulturen und Religionen ihre Sicht-weisen darstellen können. Jeder muss deutlich machen,was ihm wichtig ist und was ihn an seinem Gegenüberstört. Denn wenn wir uns aber nicht kennen und die Un-terschiede zwischen unseren Kulturen nicht beschreibenkönnen, dann werden wir auch keinen erfolgreichen Dia-log führen können.Wie bereits mehrfach gesagt wurde, kann dieser Dia-log nur auf dieser Grundlage stattfinden: Es muss aner-kannt werden, dass die Menschenrechte für alle Men-schen gelten und universal gültig sind. Religionsfreiheit,Meinungsfreiheit und Pressefreiheit gelten für jedenMenschen auf der Welt. Das müssen wir immer wiederdeutlich machen.Wir müssen auch deutlich machen, dass wir Gewaltals Mittel der Auseinandersetzung nie akzeptieren wer-den. Diese Erkenntnis haben wir uns in den letzten Jah-ren und Jahrhunderten mühsam erarbeitet. Dieser Pro-zugzbmdlILeNWUzzartbdctIMcfhiteügdeV
ch halte das für einen Fehler. Ich glaube, wir brauchenenschen, die Dialoge führen und helfen können, Brü-ken zu bauen. Wir müssen die Programme in Zukunftortführen, damit wir unsere Entscheidungen nicht – ab-ängig von unserer Tagesform und den Bildern, die wirn den Zeitungen gesehen haben – aus dem Bauch herausreffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit ist die Aktu-
lle Stunde beendet, sicherlich aber nicht die Debatte
ber das Thema, das ihr zugrunde lag.
Wir sind damit auch am Schluss unserer heutigen Ta-
esordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 15. Februar 2006, 13 Uhr,
in.
Die Sitzung ist geschlossen.
Ich wünsche Ihnen, unter Berücksichtigung sonstiger
erpflichtungen, ein schönes Wochenende.